Hamburg macht Schule Schülerinteressen berücksichtigen Heft 2/2017 2 9. Jahrgang Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte

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Hamburg macht Schule Schülerinteressen berücksichtigen Heft 2/2017 2 9. Jahrgang Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte
Hamburg macht Schule
Heft 2/2017 • 2 9. Jahrgang • Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte

Schülerinteressen berücksichtigen
BSB Info: 23+ Starke Schulen, ein Erfolgsprojekt geht in die zweite Runde | 1.500 Schüler besuchen TINCON

      PÄDAGOGISCHE
           BEITRÄGE
    VERLAG
Hamburg macht Schule Schülerinteressen berücksichtigen Heft 2/2017 2 9. Jahrgang Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte
HAMBURGER LEHRER-FEUERKASSE
                                                                                          Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
                                                                                                     gegründet 1897

                                                                       Die preisgünstige Hausratversicherung im Großraum Hamburg für
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                     www.h-l-f.de (mit Prämienrechner) - info@h-l-f.de

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         Offener Ganztag
         www.schulorganisation.com
                                                                                                                 Weitere Infos unter www.NABU.de/moorschutz

Hamburg macht Schule                                                                                                                            Hamburg macht Schule
Heft 1/2016 • 2 8. Jahrgang   Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte
                                                                                          Seit 2004 stehen alle Ausgaben von                    Heft 4 / 2011 • 2 3. Jahrgang   Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte

Inklusion II                                                                                                                                    Sprachförderung
                                                                                         Hamburg macht Schule im Internet als
                                                                                                         PDF zum

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                                                     • SchülerInnenforum:
                                                                                      www.hamburg.de/bsb/hamburg-macht-schule/                                                                       BSB-Info
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                                                                                                                                                                                                     Werkstatt Schule
                                                                                                                                                                                                     Prefects
                                                       Die Hacker kommen?!

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                                                                                                                                                                                                                          Hamburg

                                                                  PÄDAGOGISCHE
Hamburg macht Schule Schülerinteressen berücksichtigen Heft 2/2017 2 9. Jahrgang Zeitschrift für Hamburger Lehrkräfte und Elternräte
Editorial

           Liebe Leserin, lieber Leser,

           wir interessieren uns für etwas, weil wir bestimmte Werte damit verbinden, weil wir einen Vorteil davon
           haben oder einen Nachteil vermeiden möchten. Wir interessieren uns für bestimmte Menschen oder auch
           nicht. Wir interessieren uns für Dinge, die wir kaufen oder besitzen möchten. Wir entwickeln spezifische
           Interessen im Laufe unseres Lebens. Dieses Alltagsverständnis von »Interesse« unterscheidet sich vom
           Begriff »Interesse«, wie er in der Schule zumeist verwendet wird.
           Wenn wir von »Interesse« in der Schule sprechen, dann meinen wir zumeist bestimmte Schulfächer oder
           Wissensgebiete, auf denen Schülerinnen und Schüler bestimmte Einstellungen mitbringen. Sie engagieren
           sich bereitwillig oder sie sind gerade nicht interessiert. Das Interesse oder Desinteresse ist im engeren Sin­
           ne auf den Unterricht oder das Schulleben bezogen. Interessegeleitetes Lernen entsteht dann, wenn es der
           Lehrkraft gelingt, den Lehrstoff auf interessante Weise zu unterrichten und Interesse bei den Lernenden
           zu wecken. Konsens besteht in der Forschung, dass das Interesse eine besonders günstige und pädago­
           gisch wünschenswerte Form der Lernmotivation darstellt. Ob Interesse für einen Lerngegenstand bereits
           vorhanden ist oder ob es durch den Unterricht erst geweckt werden muss, das macht in der Unterrichts­
           praxis einen erheblichen Unterschied. Der erste ist der günstigere Fall: Das Schülerinteresse bereichert
           den Unterricht und das Schulleben. Das bringt auch für die weniger Interessierten Schwung in die Unter­
           richtssituation. Beim zweiten Fall ist es die Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern, Motivation und Interes­
           se am Lerngegenstand zu wecken. Bei dieser Aufgabe haben bestimmte Gegenstände und Arbeitsweisen
           einen positiven Einfluss auf das Zustandekommen von Schülerinteressen. Jan-Hendrik Hinzke erläutert
           in seiner Einführung (S. 6 – 9) Ergebnisse der fachdidaktischen Forschung zum Thema Schülerinteressen.
           Die Bedeutung von Interesse bei der Erklärung oder Vorhersage des Schulerfolgs variiert zumeist mit dem
           individuellen Fähigkeitsniveau. Unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes sind Leistungsunterschiede
           vor allem auf Fähigkeitsunterschiede zurückzuführen. Auf höherem Niveau verliert der Faktor Fähigkeit
           zugunsten der Motivation und der Intensität des Interesses an Einfluss. Über die Lernzeit hinweg ist von
           einer reziproken Beziehung auszugehen. Die Erfahrung von Erfolg und Leistungssteigerung fördert das
           Interesse. Umgekehrt führt erhöhtes Interesse zu vermehrten Anstrengungen und unterstützt auf diese
           Weise die Fähigkeitsentwicklung.
           Forschendes Lernen, das Eingehen auf Schülerfragen, die Nutzung möglichst gut ausgestatteter Lernräu­
           me mit entsprechenden Materialien und zunehmend auch die digitalen Medien fördern die Herausbildung
           von Interessen bei Kindern und Jugendlichen. Klassenreisen und die Nutzung außerschulischer Lernorte
                                bieten darüber hinaus Gelegenheiten zur Interessenbildung. Diese Ausgabe von HMS
                                zeigt Beispiele für den Einbezug von Schülerinteressen in die Planung und Durch­
                                führung von Unterricht.
                                 Interesse schafft Perspektive, das gilt nicht nur in der Schule:
                                        »Es ist sehr kurios, wie verschieden man eine Sache ansehen kann, je nachdem,
                                        ob sie uns oder jemand anders angeht.« Jeremias Gotthelf (1797 – 1854), ei­
                                        gentlich Albert Bitzius, Schweizer Pfarrer und Erzähler.
                                 		           Allseits interessierte Schülerinnen und Schüler
                                 		           wünscht Ihnen Ihr

                                                                           Prof. Dr. Josef Keuffer
                                                                          Hamburg, im Juni 2017

Hamburg macht Schule 2|2017
                                                                                                                             3
Inhalt

    Schülerinteressen berücksichtigen
    Moderation: Jan-Hendrik Hinzke

    6    Schülerinteressen im Unterricht aufgreifen
             Interessen erkennen – Lernumgebungen interessenorientiert gestalten –
             Lernmotivation steigern

    10 Interessen als Ausdruck von Vielfalt berücksichtigen
             Interessenbasiertes Lernen in verschiedenen Unterrichtsformen gestalten

    12 Interessen wirkungsvoll nutzen
             Gelingensbedingungen für eigenständiges Arbeiten im Sachunterricht

    14 Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm …
             Schülerfragen berücksichtigen – Schülerinteressen fördern

    16 Alle lernen gemeinsam Verschiedenes
             Haben Schülerinteressen Priorität, ändert sich im Unterricht (fast) alles –
             auch in der Sekundarstufe II

    18 Interessenbasiertes Lernen vorbereiten
             Projekte in den Fachunterricht integrieren und an Interessen orientieren

    20 Interessen entdecken im Forschenden Lernen
             Kulturforscher fragen: Was braucht dieser Ort?

    22 Unterricht im Spannungsfeld verschiedener Interessen
            Auszubildende bei der Lösung von Interessenkonflikten unterstützen

4                                                                                          Hamburg macht Schule 2|2017
Inhalt

                                                                                                 2/17
                                                                                                 29. Jahrgang

   BSB-Info
   Verantwortlich: Andreas Kuschnereit

    Projekt für Schulen in sozial                   Außer Thesen nix gewesen?               40   Herausgeber:
                                                                                                 Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB),
    schwieriger Lage zieht Bilanz 24                Der Fachtag »Reformation reloaded«           Prof. Dr. Josef Keuffer, Direktor des Lan­
                                                                                                 desinstituts für Lehrerbildung und Schul­
   Fachtag des Projektes »23+ Starke Schulen«       am 12. Mai 2017 im Landesinstitut            entwicklung
                                                                                                 Felix-Dahn-Straße 3, 20357 Hamburg
                                                                                                 josef.keuffer@li-hamburg.de
   Hamburg macht Schule –                           Fremde sind Freunde,                         Verlag:
   Thema »Projekt 23+                               die wir noch nicht kennen               42   Pädagogische Beiträge Verlag GmbH,
                                                                                                 Rothenbaumchaussee 11, Curiohaus,
   Starke Schulen«                             28   13. Norddeutsches Erzählfest in der          20148 Hamburg, Tel.: (040) 45 45 95
   Kernfrage: »Hat eine Schule eine gemein-         SpielScheune der Geschichten                 info@paedagogische-beitraege-verlag.de
                                                                                                 Geschäftsführung: Katrin Wolter
   sam geteilte Strategie von Entwicklung?«
                                                                                                 Verlagsredaktion und -gestaltung:
                                                                                                 Dr. Mathias Prange
                                                    Neuheiten und Klassiker                 44
    Personalien                                29   Die Trends der Schulbuchmesse
                                                                                                 Redaktion:
                                                                                                 Prof. Dr. Johannes Bastian (verantwortlich),
                                                                                                 Jan-Hendrik Hinzke, Beate Proll, Christine
    Über 600 Schulmentoren                                                                       Roggatz

    im Einsatz für bessere                          Gute Schule – wie geht das?             46   Rothenbaumchaussee 11, 20148 Hamburg
                                                                                                 Redaktion für Bildungspolitisches Forum
    Bildungschancen                            30   KreisschülerInnenrat-Sonderschulforum        und BSB-Info:
                                                    tagte in Eimsbüttel                          Karen Krienke, Andreas Kuschnereit,
   »YouTube ohne Hate«                                                                           Behörde für Schule und Berufsbildung,
                                                                                                 Hamburger Straße 125 a, 22083 Hamburg
   und »News ohne Fake«                        32                                                Tel.: (040) 4 28 63 35 49, Fax: –4 27 96 84 33
   TINCON Festival für digitale Jugendkultur        51 Hamburger Schulen                         karen.krienke@bsb.hamburg.de

   zum ersten Mal in Hamburg                        setzen ein Zeichen für                       Druck: Hartung Druck+Medien GmbH,
                                                                                                 Asbrookdamm 38, 22115 Hamburg
                                                    eine nachhaltige Gesellschaft 48             info@hartung-online.de
                                                                                                 www.hartung-online.de
   Schöne neue Unterrichtswelt –                    Umweltschul-Flagge als international
                                                                                                 Anzeigen: Gabriele Henning
   den Klassenraum virtuell                         anerkanntes Symbol für die hohe Güte         BSB – Hamburg macht Schule

   verlassen                     36                 der Umweltleistung                           Hamburger Str. 31, 22083 Hamburg
                                                                                                 Tel.: (040) 4 28 63–27 62
   Die zweite MINT digital Lehrertagung in                                                       gabriele.henning@bsb.hamburg.de
   der Joachim Herz Stiftung zeigte neue            Tagungen und öffentliche                     Erscheinungsweise: 4-mal pro Jahr
                                                                                                 Auflage: 15 000
   Konzepte für den naturwissenschaft-
   lichen Unterricht                                Veranstaltungen des                          Bilder: W. van Woensel: S. 7, Titel
                                                                                                 Alle weiteren Fotografien wurden uns von
                                                    Landesinstituts                         50   den Autorinnen und Autoren zur Verfügung
                                                                                                 gestellt.
                                                    Juni bis September 2017
   Die Förderplanung in der Schule                                                               Bezug: Hamburger Lehrkräfte und Eltern­

   Charlottenburger Straße       39                                                              räte erhalten HAMBURG MACHT SCHULE
                                                                                                 kostenlos über die BSB. HAMBURG MACHT
   Good Practice – kleine und große Fundstücke      Hamburg macht Schule                    50   SCHULE kann auch beim Verlag abonniert
   aus dem Alltag der Schulinspektion – Teil 9      Schwerpunktthemen 2007 – 2017                werden.
                                                                                                 Hamburg macht Schule im Internet:
                                                                                                 www.hamburg.de/bsb/hamburg-macht-schule
                                                                                                 Preis: EUR 3,00 zzgl. Versandkosten.
                                                                                                 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit
                                                                                                 vorheriger Genehmigung des Verlages.
                                                                                                 ISSN 0935-9850

Hamburg macht Schule 2|2017
                                                                                                                                             5
Thema

             Schülerinteressen im
Einführung

             Unterricht aufgreifen
             Interessen erkennen – Lernumgebungen
             interessenorientiert gestalten – Lernmotivation steigern

             Werden Schülerinteressen im Unterricht berücksichtigt, so kann dies
             die Lernmotivation merkbar steigern. Wie lassen sich Interessen von
             Schülerinnen und Schülern erkennen? Wie sehen Lernumgebungen aus,
             in denen Schülerinteressen wirkungsvoll nachgegangen wird? Welche
             Herausforderungen stellen sich und welche Faktoren tragen zum Gelin-
             gen bei? Die Einführung bietet erste Antworten auf diese Fragen.

             Das Interesse von Schülerinnen und          derart berücksichtigen können, dass es         onsforschung verdeutlichen, dass durch
             Schülern stellt neben Aspekten wie In­      zu vertieften Lernprozessen kommt.             eine Berücksichtigung von Schülerinter­
             telligenz, Vorkenntnis und Motivation                                                      essen intentionales Lernen gefördert wer­
             ein Schülermerkmal dar, das den Lern­       Warum Interessen­                              den kann, d. h. ein Lernen, das nicht bei­
             prozess stark beeinflusst (vgl. Tillmann    berücksichtigung?                              läufig-unbeabsichtigt geschieht, sondern
             2017, S. 71). Wenn Lehrpersonen vor         Allgemein wird unter ›Interesse‹ eine          bei dem absichtsvoll ein bestimmtes Ziel
             diesem Hintergrund versuchen, Lern­         »geistige Anteilnahme« verstanden. In­         verfolgt wird. Der Wunsch, neues Wissen
             prozesse über das Aufgreifen und die        teressen basieren laut Duden online auf        zu erwerben und Fähigkeiten auszubau­
             Förderung von Schülerinteressen an­         einer »Neigung« oder »Vorliebe« und be­        en, ist dann vor allem intrinsisch motiviert
             zustoßen, stehen sie vor der Aufgabe,       ziehen sich auf das, »woran jemandem           (vgl. ebd., S. 10). Ein interessenorientier­
             zunächst einmal zu bestimmen, welche        sehr gelegen ist, was für jemanden […]         ter Unterricht bietet somit das Potenzi­
             Interessen die jeweiligen Einzelschüle­     wichtig oder nützlich ist«. Interessen ver­    al, dass sich komplexe Wissensstrukturen
             rinnen und Einzelschüler oder aber die      weisen somit auf einen Gegenstand, dem         aufbauen und Schülerinnen und Schüler
             konkrete Lerngruppe leiten. Nicht nur       Personen Aufmerksamkeit widmen, mit            länger und intensiver lernen. Es besteht
             die Alltagserfahrung vieler Lehrperso­      dem sie sich auseinandersetzen, bei dem        auf Grund einer »hohe[n] Bereitschaft zur
             nen, sondern auch die Forschung ver­        sie – gemäß des lateinischen Ursprungs         freiwilligen Beschäftigung mit Sachver­
             weist darauf, dass Schüler­interessen di­   von ›Inter-esse‹ – ›dazwischen‹, mitten­       halten und Themen des jeweiligen Inte­
             vers sind. Diese Heterogenität bezieht      drin, d. h. beteiligt sind (vgl. Kluge 2011,   ressensgebiets« (ebd., S. 15) die Chance,
             sich erstens auf die thematische Aus­       S. 448).                                       dass Schülerinnen und Schüler Selbst­
             richtung, zweitens auf die Intensität und      Diese allgemeine Begriffsbestimmung         ständigkeit ausbilden und Eigenverant­
             Dauer der Interessen. Drittens können       deutet an, weshalb Schülerinteressen für       wortung für den Erfolg ihres Lernprozes­
             Interessen unterschiedlich und auch un­     Lernprozesse im Unterricht von zentraler       ses übernehmen. Krapp (2010b, S. 312)
             terschiedlich stark motiviert sein. Ein­    Relevanz sind. Haben Schülerinnen und          hierzu: »Wer sich für eine Sache interes­
             flussfaktoren hierbei dürften u. a. das     Schüler gegenüber bestimmten Themen            siert, möchte mehr darüber erfahren, sich
             Alter, biographisch-relevante Erfahrun­     bzw. Wissensgebieten eine positive Ein­        kundig machen, sein Wissen erweitern«.
             gen und das familiäre und private Um­       stellung, steigt die Wahrscheinlichkeit,
             feld der Schülerinnen und Schüler, aber     dass sie sich motiviert damit auseinan­        Die Ausrichtung des Interesses
             auch die Wahrnehmung und Einschät­          dersetzen und es zu vertieften Lernpro­        Ein Interesse ist immer auf einen be­
             zung der Schule, des Unterrichts und        zessen kommt. Interesse kann, dieser Ar­       stimmten Gegenstand bezogen, das
             des konkreten Themas durch die Kin­         gumentationslinie folgend, im schulischen      heißt an je konkrete Wissensaspekte bzw.
             der und Jugendlichen sein. Das vorlie­      Zusammenhang als »besonders günsti­            Lern­inhalte gebunden. Diese Gegen­
             gende Heft greift diese Heterogenität       ge und pädagogisch wünschenswerte              standsspezifität ist Kernbestandteil der
             der Interessen im Klassenzimmer auf         Form der Lernmotivation« (Krapp 2010a,         sogenannten Person-Gegenstands-The­
             und setzt bei der Frage an, wie Lehrper­    S. 9) verstanden werden. Befunde der           orie (PGT) – einer pädagogisch-psycho­
             sonen Schülerinteressen im Unterricht       pädagogisch-psychologischen Motivati­          logischen Theorie, die in den 1980er Jah­

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Schülerinteressen berücksichtigen

                                                                                                                                   Einführung
ren von der »Münchener Interessenskon­
zeption« entfaltet wurde (vgl. Prenzel/
Krapp/Schiefele 1986). Noch heute ist die
PGT Grundlage zahlreicher, auch fachdi­
daktischer Studien auf dem Gebiet der
Interessenforschung. Gemäß dieser auf
interaktionistischen Prämissen basieren­
den Theorie dokumentieren sich in den
Interessen von Schülerinnen und Schü­
lern »die aktuell besonders bedeutsamen
Relationen eines Menschen zu Sachver­
halten oder ›Gegenständen‹ ihres ›Le­
bensraums‹« (Krapp 2010a, S. 14). Dabei
kann prinzipiell jeder Gegenstand – sei­
en es konkrete Dinge, Handlungen, Ide­
en oder Wissenselemente – zum »Inte­
ressen-Gegenstand« (ebd., S. 15) wer­
den. Voraussetzung hierfür ist, dass der
Gegenstand kognitiv repräsentiert wird
und Schülerinnen und Schüler über ein
Vorwissen verfügen, an dem die weitere
Beschäftigung mit dem Gegenstand an­
knüpfen kann.
  Auf die Frage, welche Gegenstände
bei Schülerinnen und Schülern Interes­
se auslösen, liegen mittlerweile in eini­
gen Fachdidaktiken empirisch gesicherte
Antworten vor. So wurden in den letzten
Jahren insbesondere in der Mathema­
tik-Didaktik (vgl. etwa Köller/Baumert/
Schnabel 2000) und in den Didaktiken
der naturwissenschaftlichen Fächer (vgl. Schülerinteressen im Schulunterricht.        rer Lehrpersonen Schülerinteressen auf­
etwa Prenzel/Schütte/Walter 2007, Vogt    Lehrpersonen können Schülerinteresse        greifen.
1998), aber auch etwa in der Geogra­ – verstanden als eine Form der Lern­                Eine detaillierte, im Team durchge­
phie-Didaktik (vgl. etwa Hemmer/Hem- motivation – zwar nicht herstellen (vgl.         führte Planung sowie eine gezielte Ein­
mer 2010) Interessenstudien durchge­ Bastian 2014, S. 6), doch können sie             führung der Schülerinnen und Schüler
führt. Der Fokus dieser Studien lag ne­ ihren Unterricht an Schülerinteressen         in die Arbeitsweise bilden die Basis für
ben den Interessengegenständen auf Ar­ ausrichten. Dabei müssen sie sich mit der      eine wirkungsvolle Interessenorientie­
beitsweisen, die Schülerinnen und Schü­ Frage beschäftigen, wie sie eine solche       rung. Nancy Riewoldt zeigt auf, dass die
ler mit Interesse durchführen, sowie auf  Interessenorientierung mit vorgegebe­       Berücksichtigung von Schülerinteressen
Einflussfaktoren auf das Schülerinteres­ nen Curricula und Prüfungsanforderun­        als Aufgabe der ganzen Schule und je­
se. Ein zentrales Ergebnis bezüglich je­ gen in Einklang bringen können. Von au­      den Unterrichts verstanden werden kann.
ner Faktoren, die das Zustandekommen      ßen gesetzte Vorgaben können im Wi­         Anhand ihrer Erfahrungen mit der freien
von Schülerinteresse bedingen, lautet, derspruch zu Schülerinteressen stehen,         Lernzeit im offenen Unterrichtsanfang,
dass sich ein geringer Sozial- und Leis­ müssen es aber angesichts der darge­         im differenzierten Basisunterricht so­
tungsdruck sowie eine hohe Schülerzen­ legten Diversität der Schülerinteressen        wie im Projektunterricht der Grundschu­
triertheit positiv auf die Förderung von  nicht unbedingt.                            le macht sie deutlich, dass ein integrier­
Interessengebieten auswirken (vgl. Eder      Die Erfahrungsberichte dieses Hef­       tes Konzept der Interessenberücksichti­
1992).                                    tes zeigen, dass und wie es möglich         gung zu selbstständigem Arbeiten und
                                          ist, im Unterricht Spielräume für die in­   einer zunehmenden Übernahme von Ver­
Schülerinteressen im                      teressengeleitete Auswahl und Bear­         antwortung für das eigene Lernen und
schulischen Rahmen aufgreifen             beitung von Lerngegenständen durch          Handeln führen kann.
Letztgenanntes ­Forschungsergebnis        Schülerinnen und Schüler zu schaffen.          Der Beitrag von Michael Kellner setzt
verweist auf den sozialen und institutio­ Dabei fokussiert jeder Beitrag spezifi­     an der Frage an, unter welchen Bedin­
nellen Rahmen der B ­ erücksichtigung von sche Lehr-Lern-Formate, innerhalb de­       gungen Schülerinteressen im Unterricht

Hamburg macht Schule 2|2017
                                                                                                                                     7
Thema
Einführung

              Faktoren zu Beginn einer
                                                               Faktoren im Verlauf der Unterrichtsphase
              Unterrichtsphase
              Unterricht im Team detailliert planen            Basiskompetenzen nutzen und fördern               Den Lernprozess flexibel unterstützen
                                                                                                                 Stützsysteme (etwa Coachsystem, Doku­
              Vielfältige und anregende Lernumgebung           Schülerinteressen wecken und aufrecht­
                                                                                                                 mentations- und Reflexionszeiten) auf­
              gestalten                                        erhalten
                                                                                                                 bauen
              In die Arbeitsweise einführen                    Problemorientiert unterrichten                    Sozial- und Leistungsdruck niedrig halten
              Schülerinteressen artikulierbar machen
                                                               Freiheiten geben ohne zu überfordern              Lernatmosphäre bewusst gestalten
              und erfassen
              Am Vorwissen der Schülerinnen und                                                                  Angemessene Form der Leistungsbewer­
                                                               Offenheit aushalten und Fragen zulassen
              Schüler ansetzen                                                                                   tung und -rückmeldung finden
              Alltagserfahrungen der Schülerinnen und          Möglichkeiten der Schülerkooperation
                                                                                                                 Leistungen erfahrbar machen
              Schüler aufgreifen                               nutzen
             Abb 1: Faktoren für eine gelingende Interessenberücksichtigung im Unterricht (Quellen: Forschungsstand und Erfahrungsberichte)

             wirkungsvoll genutzt werden können.               Redecker stellt dar, wie es zu Beginn ei­          trag auch Schülerinnen und Schülern zu
             Am Beispiel einer Unterrichtssequenz              nes Forschungsprozesses gelingen kann,             Wort, die von Czarnetzki zu ihren Pro­
             aus der Grundschule legt der Verfasser            überhaupt erst einmal Schülerinteressen            jekterfahrungen befragt wurden.
             dar, dass Schülerinnen und Schüler über           zu wecken und artikulierbar zu machen –              Der zweite Beitrag aus der Sekundar­
             bestimmte Basiskompetenzen verfügen               Aspekte, die in der Interessenforschung            stufe I des Gymnasiums fokussiert we­
             müssen, um ihren Interessen im projekt­           als zentral angesehen werden (vgl. etwa            niger das Verhältnis von Selbst- und
             förmigen Sachunterricht nachgehen zu              Hemmer/Hemmer 2010, S. 273). Poin­                 Fremdbestimmung denn jenes Stützsys­
             können. Hinzukommen muss eine vor­                tiert geht der Autor auch auf Heraus­              tem, das ein interessenorientiertes Vor­
             bereite und anregende Lernumgebung.               forderungen ein, die sich bei einer Inter­         gehen im Rahmen forschenden Lernens
             Schülerinteressen stellen eben nicht nur          essenberücksichtigung in der Sekundar­             im Projektunterricht wirkungsvoll macht.
             eine individuelle Disposition dar, sondern        stufe II stellen. Diese beziehen sich u. a.        Stefanie Hummel und Matthias ­Laabs be­
             können durch eine interessante Lern­              auf die Anforderungen des Zentralabi­              schreiben, welche Bedeutung der For­
             umgebung auch gefördert werden (vgl.              turs, die Leistungsbewertung sowie da­             mulierung einer an der Lernmotivation
             Krapp 2010a, S. 19).                              rauf, wie individuelle Interessen aufge­           der Schülerinnen und Schüler ansetzen­
               Im ersten Beitrag aus der Stadtteil­            griffen werden können, ohne den Lern­              den Forschungsfrage zukommt und wie
             schule liegt der Fokus auf dem Poten­             prozess der gesamten Gruppe aus den                der Prozess ihrer Formulierung gestal­
             zial, das der Schülerfrage im Unterricht          Blick zu verlieren.                                tet werden kann. Als große Stütze haben
             zukommt. Benjamin Ehlers stellt zwei                 Ein in den Fachunterricht integrierter          sich dabei u. a. feste Dokumentations-
             Lehr-Lern-Settings vor, innerhalb derer           Projektunterricht bildet auch das For­             und Reflexionszeiten herausgestellt. Die
             Schülerfragen hervorgebracht, doku­               mat, innerhalb dessen Mirko Czarnetzki             Formulierung und die Bearbeitung einer
             mentiert und bearbeitet werden. Seine             mit Schülerinteressen arbeitet. Im Fo­             präzisen und interessanten Forschungs­
             erfahrungsgesättigte Beobachtung: Ei­             kus dieses Erfahrungsberichts aus der              frage haben in diesem Projekt zu viel­
             gene Fragen können ein intuitiver oder            Sekundarstufe I des Gymnasiums steht               fältigen Wirkungen geführt, die die Au­
             auch bewusster Ausdruck von Interes­              die Frage, wie der unterrichtliche Rah­            torin und der Autor als grundlegend für
             sen sein. Dargelegt wird in dem Beitrag,          men gestaltet sein muss, damit Schü­               die weitere schulische und berufliche
             der Anregungen für die Sekundarstufe              lerinnen und Schüler ihnen gegebene                Laufbahn ihrer Schülerinnen und Schü­
             I wie auch für die Sekundarstufe II ent­          Freiräume nutzen können. Welche Vor­               ler ansehen. Dabei wird erkennbar, dass
             hält, u. a., worin die Qualität von Schü­         gaben sind im Rahmen eines interes­                die Aktualität eines Themas und dessen
             lerfragen besteht, wie eine angemessene           senorientierten Unterrichts nötig, mit             Einbindung in alltagsrelevante Kontexte
             Leistungsbeurteilung aussehen kann und            welchen Freiheiten können Schülerin­               der Schülerinnen und Schüler Interesse
             inwiefern sich die Berücksichtigung von           nen und Schüler selbstbestimmt um­                 zu fördern vermag (vgl. auch Hemmer/
             Schülerfragen auf die Lernmotivation der          gehen? Wie viel Heteronomie im Unter­              Hemmer 2010, S. 274).
             Schülerinnen und Schüler auswirkt                 richt ist also notwendig, wie viel Auto­             Volker Wünkhaus stellt abschließend
               Der Schwerpunkt des zweiten Berichts            nomie kann Schülerinnen und Schülern               in seinem Beitrag aus einer beruflichen
             aus der Stadtteilschule liegt auf der Er­         gewährt werden? Zur Beantwortung                   Schule dar, inwiefern unterschiedliche
             fassung und Berücksichtigung von Schü­            dieser aus dem Diskurs zum selbst­                 Interessen zu Spannungen führen, mit
             lerinteressen in Projektphasen, die in den        bestimmten Lernen bekannten Fragen                 denen Auszubildende umgehen müssen.
             Fachunterricht integriert sind. Max von           (vgl. etwa Thurn 2016) kommen im Bei­              Schulische Interessen decken sich nicht

   8                                                                                                                               Hamburg macht Schule 2|2017
Schülerinteressen berücksichtigen

                                                                                                                                              Einführung
immer mit den persönlichen Interessen        entierung auch in anderen Unterrichts­        tik in den Sekundarstufen I und II. In: U.
der Schülerinnen und Schüler – eine Er­      formaten stattfinden kann.                    Schiefele/K.P. Wild (Hg.): Interesse und
fahrung, die auch für allgemeinbildende         Ein Unterricht, in dem Schülerinteres­     Lernmotivation. Münster, S. 163 – 181
Schulen Gültigkeit haben dürfte. Aufge­      sen systematisch berücksichtigt werden,       Krapp, A. (2010a): Die Bedeutung von
zeigt wird in diesem Beitrag, wie die Eta­   kann letztlich nicht nur einen Rahmen bil­    Interessen für die Lernmotivation und
blierung eines Stützsystems im regulä­       den, in dem die beschriebenen Lernpro­        das schulische Lernen. In: I. Hemmer/M.
ren Unterricht sowie die Einführung einer    zesse angestoßen werden. Zudem dürf­          Hemmer (Hg.): Schülerinteresse an The­
Coachzeit dazu beitragen können, dass        te ein interessenorientierter Unterricht      men, Regionen und Arbeitsweisen des
Schülerinnen und Schüler unterschied­        auch dazu beitragen, dass Schülerin­          Geographieunterrichts. Weingarten, S.
liche Interessen erfolgreich bearbeiten      nen und Schüler eine spezifische Iden­        9 – 26
können. In Folge dieser Maßnahmen wird       tität ausbilden. Gegenstände, die inte­       Krapp, A. (2010b): Interesse. In: D. H. Rost
auch aus diesem Bericht deutlich, wie ein    ressieren, können für Heranwachsende          (Hg.): Handwörterbuch Pädagogische
interessenorientierter Unterricht einen      eine hohe »Ich-Relevanz« (Krapp 2010a,        Psychologie. Weinheim/Basel, 4., überar­
Rahmen schaffen kann, innerhalb dessen       S. 16, Hervorhebung im Original) besit­       beitete und erweiterte Aufl., S. 311 – 323
Schülerinnen und Schüler selbstständig       zen, denn Kinder und Heranwachsen­            Mohn, A. (2015): Das Interesse von Schü­
arbeiten und motiviert lernen.               de können sich mit diesen identifizie­        lerinnen und Schülern am Thema Wüs­
                                             ren. Wird das, was ihnen wichtig ist, im      te. In: J. C. Schubert/K. Wrenger (Hg.):
Bedingungen für Lernen                       Unterricht aufgegriffen und weiterfüh­        Wüsten und Desertifikation im Geogra­
und Bildung schaffen                         rend behandelt, dann können Schülerin­        phieunterricht. Münster, S. 265 – 295
Insgesamt betrachtet eint alle Erfah­        nen und Schüler Wertschätzung erfah­          Prenzel, M./Krapp, A./Schiefele, H. (1986):
rungsberichte, dass Schülerinteressen        ren, was sich positiv auf die Entwicklung     Grundzüge einer pädagogischen Interes­
nicht nur aufgegriffen, sondern über ei­     des Selbstkonzepts und die Identitätsbil­     senstheorie. In: Zeitschrift für Pädagogik
nen bestimmten Zeitraum hinweg auf­          dung auswirken dürfte.                        2/1986, S. 163 – 173
rechterhalten werden – eine Vorausset­          Vor diesem Hintergrund machen die          Prenzel, M./Schütte, K./Walter, O. (2007):
zung, damit es zu Lernprozessen kommt,       Erfahrungsberichte Mut, denn sie zeigen       Interesse an den Naturwissenschaften.
die zur Selbstständigkeit der Schülerin­     zum einen Wege auf, auf denen ein inte­       In: PISA – Konsortium Deutschland (Hg.):
nen und Schüler beitragen (vgl. Krapp        ressenorientierter Unterricht innerhalb       PISA 2006. Münster, S. 107 – 124
2010b, S. 312; Hemmer/Hemmer 2010,           schulischer Rahmenbedingungen mög­            Thurn, S. (2016): Wie ›frei‹ sind Freie
S. 277). Die Erfahrungsberichte zeigen       lich ist. Zum anderen machen die Berich­      Lernzeiten? In: PÄDAGOGIK H. 3/2016,
dabei, dass eine planvolle und anregende     te deutlich, dass ein solcher Unterricht      S. 6 – 9
Lernumgebung, sinnvolle Arbeitsaufträ­       auch die Arbeitszufriedenheit der Leh­        Tillmann, K. – J. (2017): Heterogenität –
ge sowie eine reflektierte Prozessmode­      renden zu erhöhen vermag.                     ein Grundproblem der Schul – und Un­
ration und Unterstützung durch die Lehr­                                                   terrichtsentwicklung. In: A. Paseka/M.
person entscheidende Bedingungen da­         Literatur                                     Heinrich/A. Kanape/R. Langer (Hg.):
für sind, dass Interessen wirkungsvoll       Bastian, J. (2014): Sich als Schüler selbst   Schulentwicklung zwischen Steuerung
aufgegriffen und aufrechterhalten wer­       motivieren. In: PÄDAGOGIK H 2/2014,           und Autonomie. Münster, S. 71 – 83
den. Auf diese Weise werden Schülerin­       S. 6 – 9                                      Vogt, H. (1998): Zusammenhang zwi­
teressen durchgehend nicht nur als Vo-       Eder, F. (1992): Schulklima und Entwick­      schen Biologieunterricht und Genese
raussetzung dafür angesehen, dass sich       lung allgemeiner Interessen in der Schule.    von biologie-orientiertem Interesse. In:
Lernprozesse entfalten können. Auch be­      In: A. Krapp/M. Prenzel (Hg.): Interesse,     Zeitschrift für Didaktik der Naturwissen­
steht das Ziel des Unterrichts darin, den    Lernen, Leistung. Münster, S. 165 – 194       schaften 4/1998, S. 13 – 27
Rahmen dafür zu schaffen, dass Schüle­       Hemmer, I./Hemmer, M. (2010): Wie
rinnen und Schüler Interessen ausbilden      kann man Schülerinteressen im Geo­
können (vgl. hierzu auch Mohn 2015, S.       graphieunterricht berücksichtigen? In:
265). Eine problemorientierte und Offen­     Dies. (Hg.): Schülerinteresse an The­
heit zulassende Anlage von Unterricht        men, Regionen und Arbeitsweisen des
schafft dabei offenbar gute Bedingun­        Geographieunterrichts. Weingarten, S.                  Jan-Hendrik Hinzke ist wissenschaftlicher
gen dafür, dass sich Schülerinteressen       273 – 281                                         Mitarbeiter am Arbeitsbereich Schulpädagogik
entfalten können (siehe zusammenfas­         Kluge, F. (2011): Etymologisches Wörter­             & Schulforschung der Universität Hamburg.
send Abb. 1). Eine solche Anlage findet      buch der deutschen Sprache. Bearbeitet                      Er promoviert zum Thema »Krisen im
sich in Formaten forschenden Lernens,        von Elmar Seebold. Berlin/Boston, 25.,           Lehreralltag« und leitet derzeit die Arbeitsstelle
im Projektunterricht sowie in Formen der     durchgesehene und erweiterte Aufl.                      des Schulverbunds ›Blick über den Zaun‹.
Integration von Fachunterricht und Pro­      Köller, O./Baumert, J./Schnabel, K. (2000):                   Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg
jektphasen. Darüber hinaus zeigen die        Zum Zusammenspiel von schulischem In­                        jan-hendrik.hinzke@uni-hamburg.de
Erfahrungsberichte, dass Interessenori­      teresse und Lernen im Fach Mathema­

Hamburg macht Schule 2|2017
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Thema
Grundschule

              Interessen als Ausdruck von
              Vielfalt berücksichtigen
              Interessenbasiertes Lernen in verschiedenen Unterrichtsformen gestalten
                                                          Interessenlagen unserer Schülerinnen         Interessen berücksichtigen im
               Eine systematische Berücksich-
                                                          und Schüler systematisch im Unterricht       differenzierten Basisunterricht
               tigung von Schülerinteressen ist           zu berücksichtigen suchen. Dies ge­
               keine Sache einzelner Lehr-Lern-           schieht an unserer Schule vor allem in       Die Lerninhalte des differenzierten Basis­
               Phasen, sondern Aufgabe eines              drei Unterrichtsformen: In freien Lern­      unterrichts (Mathematik, Deutsch und
                                                          zeiten, im differenzierten Basisunter­       Englisch) werden nach Einführungspha­
               jeden Unterrichts. Wie können
                                                          richt und im Projektunterricht.              sen handlungsorientiert und individuell
               Schülerinteressen in verschie-                                                          im Basisplan selbständig und vertiefend
               denen Unterrichtsformen unter-             Interessen berücksichtigen                   erarbeitet. Ziel dabei ist es, dass unsere
                                                          in freien Lernzeiten                         Schülerinnen und Schüler Verantwortung
               schiedlich berücksichtigt werden?
               Wie kann interessenbasiertes               Eine Möglichkeit, Interessen von Schüle­     für ihr eigenes Lernen übernehmen und
                                                          rinnen und Schülern schon vor Stunden­       ihr Lernen selbst organisieren. Der Basis­
               Lernen konkret gestaltet werden?
                                                          beginn aufzugreifen, bieten freie Lernzei­   plan beinhaltet einerseits prozess- und
               Und wie hängt die Berücksichti-            ten, wie sie bei uns im »Offenen Anfang«     inhaltsbezogene Kompetenzen der ver­
               gung von Schülerinteressen mit             etabliert sind. Bewährt haben sich hier      schiedenen Fächer und anderseits die in­
               der Begleitung von Lernprozessen           die »Übungen des täglichen Lebens« und       dividuellen Lernziele. Die Aufgabenberei­
                                                          der Einsatz der »Sinnesmaterialien« nach     che werden aus schülergerechten Lehr­
               zusammen?
                                                          Maria Montessori. Der Umgang mit die­        werken, handlungsorientierten Aufgaben
                                                          sen Materialien soll die Kinder zu sponta­   und Materialien, längeren Arbeitsprojek­
              Die Schule Grumbrechtstraße ist eine        nen Aktivitäten animieren, wodurch die       ten sowie Gruppen- und Einzelarbeiten
              inklusiv arbeitende Schule mit jahr­        jeweiligen geistigen, sozialen und kör­      zusammengestellt. Diese werden inner­
              gangsübergreifenden Lerngruppen.            perlichen Phasen ihrer Entwicklung an­       halb eines vorgegebenen Zeitrahmens
              Die Berücksichtigung der unterschied­       einander gekoppelt werden.                   erarbeitet. Schülerinteressen finden in­
              lichen Interessen aller Kinder und Ju­         Weitere Inhalte des »Offenen An­          nerhalb dieser Unterrichtsform insofern
              gendlichen ist deshalb Leitmotiv des        fangs« sind bei uns beispielsweise An­       Berücksichtigung, als die Kinder und Ju­
              Unterrichts. Von der Vorschule bis zum      gebotstische mit entsprechend vorbe­         gendlichen entscheiden, mit welchen
              Jahrgang 6 sind wir bestrebt, auf die       reitetem Material zu einzelnen Fächern,      Aufgaben sie aus welchem Fach begin­
              vielfältigen Interessen unserer Schü­       Forscher- und Knobelaufgaben, Bücher­        nen. Zudem können sie einzelne Aufga­
              lerinnen und Schüler nicht nur einzu­       ecken, LOGICO, Super-Acht Kartensät­         benbereiche oder komplette Basispläne
              gehen, sondern diese im alltäglichen        zen, PCs und Lesetraining-Methoden.          selbständig nach eigenen Interessen und
              Unterricht auch wertzuschätzen. Die         Wir können erkennen, dass die Schü­          Lernzielen bearbeiten.
              Vielfalt der Interessen sehen wir dabei     lerinnen und Schüler den »Offenen An­          Zur Konkretisierung ein Fallbeispiel:
              neben unterschiedlichen Stärken und         fang« sehr positiv aufnehmen: Sie wäh­       Fabienne, eine Schülerin des zweiten
              Schwächen, Wissensständen, außer­           len je nach Interesse aus dem Material­      Jahrgangs, interessiert sich im Fach Ma­
              schulischen Erfahrungen sowie Lern­         pool und arbeiten selbständig und mo­        thematik besonders für die Themen
              voraussetzungen und -zugängen als ein       tiviert an ihren Lerninhalten. Ihren Lern­   »Uhrzeit« und »Rechenstrategien« zur
              Kennzeichen der Heterogenität unse­         fortschritt dokumentieren sie in Lernta­     halbschriftlichen Addition bis 100. Sie
              rer Schülerinnen und Schüler. Im Schul­     gebüchern oder in einer abschließenden       äußert, beide Themen noch vertiefen­
              labor »Inklusives Lernen« arbeiten wir      Feedbackrunde: »Woran habe ich gear­         der im Basisplan üben zu wollen. In Fol­
              seit mehreren Jahren daran, schüler­        beitet? Was habe ich gelernt? Was hat        ge dessen wählt sie Aufgaben zum ei­
              orientierte Lernarrangements und            besonders viel Freude gemacht?«. Da­         nen aus einer bestehenden Pflichtkar­
              Lernsettings zu kreieren, die auf die­      bei übernehmen sie Verantwortung für         tei und zum anderen ganz frei aus ent­
              se Vielfalt ausgerichtet sind. Dies ist     ihr eigenes Lernen und Handeln – ein         sprechenden Lernmaterialien. Im Basis­
              auch Teil des Schulversuchs sechsjäh­       Aspekt, den wir unmittelbar mit der Be­      plan befinden sich zu möglichen Pflicht­
              rige Grundschule. In diesem Beitrag ge­     rücksichtigung von Schülerinteressen         bereichen bereits vorgegebene Symbo­
              ben wir einen Einblick darin, wie wir die   verbinden.                                   le, etwa zum Blitzrechentraining, zu be­

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Schülerinteressen berücksichtigen

                                                                                                                                         Grundschule
Abb. 1: Ausstellung von Projektergebnissen

stimmten Lernheften und Arbeitsbü­ richts orientieren wir uns an den Schü­               ressenbasierten Lernens sind bestmög­
chern. Fabienne wählt selbständig den        lerinnen und Schülern. Dementspre­          lich ausgestattete Lernräume mit ent­
Blitzrechenbereich aus, entscheidet sich     chend bestimmen sie ihren Lernprozess       sprechenden Materialien und modernen
für bestimmte Aufgaben in den Arbeits­ selbst. Ihre Interessen können sie da­            Medien sowie Zeit für eine sorgfältige
heften und Büchern und überträgt die­ durch verwirklichen, dass sie das Pro­             und zielführende Planung und Einfüh­
se in den Basisplan. Sie wählt frei aus      jektthema wählen, im Rahmen einer ge­       rung durch die Lehrperson bzw. aller an
einer Kartei zu Rechenstrategien und aus     geben Struktur eine Fragestellung ent­      der Schule beteiligten Professionen. Da
einer vorhandenen Materialwerkstatt          wickeln und das methodische Vorgehen        die Interessen und damit verbunden die
zum Thema »Uhrzeit« und entscheidet          planen. Während der Planungs- und           Lebenswelt der Schülerinnen und Schü­
sich dabei für ein Uhrzeiten-Domino so­ Durchführungsphase unterstützen wir              ler aufgrund ihrer Herkunft sehr individu­
wie für die Klammerkartei. Auch die Be­ Pädagogen den Lernprozess: Wir grei­             ell ist, gibt es keine Patentlösungen. Hier
arbeitung dieser Aufgaben überträgt sie      fen gezielt ein und führen beispielswei­    hilft es den Lehrpersonen, wenn sie ihre
in den Basisplan. Aus den frei verfügba­ se kurze Feedback- und Reflexionspha­           Schülerinnen und Schüler auch im Alltag
ren Materialien sucht sie sich etwas aus     sen durch. So können die Kinder und Ju­     kennenlernen und sich für sie ernsthaft
der LOGICO-Sammlung und aus dem Su­ gendlichen erkennen, ob sie die selbstge­            interessieren. Der Ganztag, Klassenrei­
per-Acht Kartensatz aus.                     wählten Teilziele in der vorgesehen Zeit    sen und Ausflüge bieten hier Gelegen­
   Wir haben die Erfahrung gemacht, erreicht haben. Dabei nutzen wir Impuls­             heiten, Einblick in die Interessen und All­
dass eine solche auf Selbstständigkeit       karten wie die Folgenden: »Was fiel mir     tagserfahrungen der Kinder und Jugend­
zielende Berücksichtigung von Schüler­ in der Arbeitsphase leicht? Womit hatte           lichen zu erhalten. Eine solche Erfassung
interessen im Basisunterricht gelingen       ich Schwierigkeiten? Was hat mich über­     von Interessen ist zeitaufwändig. Letzt­
kann, das Gelingen sich aber nicht von       rascht? Wer oder was hat mir geholfen?«.    lich lohnt sie sich jedoch, denn auf ih­
alleine einstellt. Vielmehr braucht es eine                                              rer Grundlage lassen sich in den unter­
gezielte Vorbereitung und Planung, eine      Fazit: Interessen im Blick haben            schiedlichen Unterrichtsformen vielfäl­
systematische Einführung der Schüle­        –  eine Aufgabe für den gesamten             tige Lehr-Lern-Arrangements gestalten.
rinnen und Schüler in die Arbeitsweise,      Unterricht
eine angenehme Lernatmosphäre und            Unsere Beobachtungen zeigen: Knüpfen
ein gemeinsames Entwickeln der Unter­ Lernprozesse in allen Unterrichtsformen                        Nancy Riewoldt arbeitet seit 2014 an
richtsmaterialien im multiprofessionel­ an die bisher gesammelten Erfahrungen                         der Schule Grumbrechtstraße. Sie ist
len Team.                                    der einzelnen Schülerinnen und Schüler          Klassenlehrerin, Multiplikatorin für besondere
                                             an, lässt sich deren Interesse an Inhal­             Begabungen, Mitglied der Steuergruppe
Interessen berücksichtigen                   ten und Lernformen enorm steigern. Sie                   des SchulLabors »Inklusives Lernen«,
im Projektunterricht                         fühlen sich dann in ihrer Welt verstanden            Klimaschutzbeauftragte der Schule und
Auch bei den Lernzielen und koopera­ und erfahren Wertschätzung. Grundvor­                                         Fachleiterin Mathematik.
tiven Lernmethoden des Projektunter­ aussetzungen für ein Gelingen eines inte­                     Grumbrechtstraße 63, 21075 Hamburg
                                                                                                          nancy.riewoldt@gru.hamburg.de

Hamburg macht Schule 2|2017
                                                                                                                                          11
Thema
Grundschule

              Interessen wirkungsvoll nutzen
              Gelingensbedingungen für eigenständiges Arbeiten im Sachunterricht

                                                              fekten Unterricht? Zu schön, um wahr zu      Ich habe noch nie einen vergleichbar ho­
               Worin zeigt sich das Gelingen
                                                              sein, völlig unrealistisch und sowieso gar   hen Lernantrieb erlebt wie in jenen Un­
               eines interessenorientierten Un-               nicht umsetzbar?                             terrichtssituationen, in denen die Kinder
               terrichts? Welche Bedingungen                    Was ist in dieser Klasse geschehen?        zu ihren eigenen thematischen Herzens­
               müssen erfüllt sein, damit Schü-               Wie ist es dazu kommen, dass sich Schü­      angelegenheiten recherchieren, Lernpla­
                                                              lerinnen und Schüler, offensichtlich dem     kate, Power­Point-Vorträge oder andere
               lerinteressen wirkungsvoll be-
                                                              Flow-Zustand verfallen, derart vertieft      Präsentationsformen in eigener Regie
               rücksichtigt werden können? Über               und motiviert ihrer Lernaufgabe hin­         vorbereiten ›sollten‹ oder besser ge­
               welche Basiskompetenzen sollten                geben? Lässt sich dies auch in anderen       sagt ›durften‹.
               Schülerinnen und Schüler verfü-                Klassen erreichen?                             Daraus ließe sich nun spontan eine
                                                                                                           schlichte Regel ableiten: »Ist der Schü­
               gen? Am Beispiel des eigenstän-                Partizipation erzeugt Motivation             ler partizipiert, läuft der Unterricht wie
               digen und interessenorientierten               Die Antwort auf die letzte Frage ist ein­    geschmiert.« Aber ist dem wirklich so?
               Arbeitens im Sachunterricht gibt               fach: Es kommt darauf an. Doch kommen        Damit kommen wir zur Frage nach der
               der Erfahrungsbericht Antworten                wir zuerst zur vorherigen Frage. Was ist     Reproduzierbarkeit dieses Szenarios.
                                                              geschehen? Was hat der Lehrer hier ge­
               auf diese Fragen.                                                                           Was setzt Interessen­orientierung
                                                              macht und wie hat er es gemacht?
                                                                 Unmittelbar hat der Lehrer in diesem      voraus?
              Es ist Viertel nach elf. Die Schülerinnen       Szenario nicht viel getan. Insofern geht     Damit solch ein Unterricht gelingen kann,
              und Schüler der 3b haben Unterricht.            es eher darum, was er nicht gemacht          müssen auf Schülerseite grundlegende
              Einige sitzen konzentriert am Compu­            hat. Die Kinder befinden sich hier in der    Voraussetzungen aus den Bereichen Hal­
              ter und recherchieren Tierbilder, ande­         von ihnen erfundenen Unterrichtsstunde       tung, Arbeitsorganisation, soziale Kom­
              re debattieren in der Kleingruppe über          »Forschen«. In dieser Unterrichtszeit ar­    petenz und Handlungskompetenz vor­
              Wasserkraftwerke. Manche lesen, schrei­         beiten sie in Kleingruppen an Präsenta­      handen sein bzw. geschaffen werden. Ein
              ben, schneiden und kleben Texte und Bil­        tionen zu sachunterrichtlichen Themen,       wesentlicher Anteil einer solchen Grund­
              der auf ein riesiges Plakat, das die Über­      die im skizzierten Szenario vom Lehrer       ausbildung sollte bereits vor dem Start
              schrift »Unser Sonnensystem« trägt. Der         nicht bestimmt oder eingegrenzt, son­        von interessenbasierter Unterrichtsar­
              Lehrer sitzt an seinem Tisch in der Ecke        dern den Schülerinnen und Schülern frei      beit erfolgen. Ein kleinerer Anteil sol­
              des Klassenraumes und spricht angeregt          zur Wahl gestellt wurden. Zudem wird ih­     cher Basiskompetenzen kann im Verlauf
              mit drei Kindern über das Herz-Kreis­           nen ein Zugang zu verschiedenen Infor­       der Projekte in eingeschobenen »Schü­
              laufsystem. Außerhalb des Klassenrau­           mationsquellen wie dem Internet, Sach­       lerfortbildungen«, sogenannten »Ki­
              mes üben vier Mädchen in fremden Ge­            büchern und dem Telefon ermöglicht.          nostunden«, erworben werden. Im Fol­
              wändern einen rhythmischen Tanz ein.              Geht es um die Frage, wie Schülerin­       genden werden einige dieser Basiskom­
              Vorne agieren einige Schüler am Smart­          nen und Schüler innerhalb einer solchen      petenzen beispielhaft skizziert, um eine
              board vor einer geöffneten Power­Point-         Einzel- oder Gruppenarbeit zu einem          bessere Vorstellung davon zu erhalten.
              Präsentation, welche den »Großen Brand          Thema gelangen können, gibt es wohl          • Gewisse Haltungen sind unverzichtbar
              von Hamburg« thematisiert. Kurze Zeit           genau vier Möglichkeiten: Die Lehrper­         für das Gelingen interessenorientier­
              später klingelt es zur Pause. Die Schü­         son stellt das Thema; die Lehrperson           ten Unterrichts. Gemeint sind unter an­
              lerinnen und Schüler scheinen sich vom          stellt das Oberthema, die Kinder wäh­          derem Anstrengungsbereitschaft, Ver­
              Pausengong sichtlich gestört zu fühlen.         len Unterthemen; die Klasse wählt das          antwortungsbewusstsein für das eige­
              »Können wir in der Pause drinnen blei­          Oberthema, die Kinder wählen ihre Un­          ne schulische Handeln, eine möglichst
              ben und weiterarbeiten?«, heißt es von          terthemen; die Kinder wählen das The­          positive Einstellung zu Unterricht und
              einer Seite. Der Lehrer erwidert: »Kommt,       ma ohne Rahmung. Nach eigener Erfah­           Schule, Zielstrebigkeit im Bearbeiten
              gönnt euch ruhig einmal eine Pause. Es          rung steigt die Arbeitsbereitschaft und        schulischer Aufgaben sowie die Fähig­
              ist später noch genug Zeit.«                    Lernfreude der Kinder von der ersten zur       keit über einen gewissen Zeitraum hin­
                 Was ist hier eigentlich los? Ist dies wie­   letzten Möglichkeit an. Kurz gesagt: Je        weg selbstständig und zuverlässig zu
              der einmal die phantastische Wunsch­            höher der Anteil an Schülerpartizipati­        arbeiten. Diese Haltungen können sich
              vorstellung eines Tagträumers vom per­          on, desto größer die Schülermotivation.        im Verlauf eines interessenorientier­

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Schülerinteressen berücksichtigen

                                                                                                                                             Grundschule
                                                                                                 Abb. 1: Arbeiten nach eigenen Interessen

  ten Unterrichts noch weiterentwickeln.        sen, wertschätzend mitein­ander umzu­      fest, lässt sich meistens schnell identifi­
  Dennoch gibt es einen gewissen Anteil         gehen und arbeitsteilig vorzugehen.        zieren, in welchem Bereich es an welcher
  an diesen Grundhaltungen, den die Kin­      • Schließlich geht es um ganz prakti­        Kompetenz mangelt und die Lehrperson
  der bereits ›im Gepäck‹ haben sollten.        sche Handlungskompetenzen, die er­         kann notwendige Nachschulungen einlei­
• Bei der Arbeitsorganisation geht es           forderlich sind, damit Aufgaben bewäl­     ten. Diese können je nach Bedarf indivi­
  um die Vermittlung von Herangehens­           tigt werden können. Auch praktische        duell für einzelne Kinder, kleine Gruppen
  weisen, Abläufen und Regeln innerhalb         Handlungskompetenzen erfordern vor­        oder die ganze Klasse erfolgen.
  des Unterrichts. Dabei stellen sich Fra­      ab einen umfangreichen Trainingsauf­          Insgesamt zeigt sich: Die Mühen ei­
  gen wie die Folgenden: Welche Arbeits­        wand. Je nach Unterrichtsprojekt be­       nes intensiven Trainings von Basiskom­
  schritte gibt es und wie sind sie ein­        ziehen sich diese Kompetenzen auf ver­     petenzen können sich auszahlen. Einmal
  zuhalten? Wo und womit dürfen die             schiedenes, z. B. auf die Fähigkeit, ei­   erfolgreich durchgeführt, kann das Ler­
  Kinder arbeiten? Was muss unbedingt           nen Computer zu bedienen, ein Mind­        nen und Arbeiten im Klassenraum lang­
  sein? Wieviel Zeit steht zur Verfügung?       Map oder ein Plakat zu entwerfen, nach     fristig davon profitieren. Im Zusammen­
  Nach welchen Kriterien findet eine spä­       Informationen zu recherchieren, Kern­      spiel mit anregenden Lernumgebungen
  tere Bewertung statt? Je genauer die          wörter in Texten zu markieren oder eine    können dann solch zauberhafte Unter­
  Abläufe im interessenorientierten Un­         Präsentation zu gestalten.                 richtsszenarien, wie am Anfang dieses
  terricht definiert und kommuniziert                                                      Artikels beschrieben, wirklich Wirklich­
  sind, desto reibungsloser verläuft das      Die Mühen zahlen sich aus                    keit werden.
  selbstständige Arbeiten.                    Interessenorientierter Unterricht ist ver­
• Da die Schülerinnen und Schüler meis­       bunden mit selbstständiger und eigen­
  tens in kleinen Gruppen arbeiten, be­       verantwortlicher Arbeit und diese be­
  kommen soziale Kompetenzen einen            nötigt intensive Vorbereitung. Je höher
  hohen Stellenwert. Hier ist es sinnvoll,    die Defizite in den vier genannten Be­           Michael Kellner arbeitet im Grundschulbereich
  das Arbeiten in der Gruppe zum Un­          reichen sind, desto mehr Komplikationen                                  der Max-Brauer-Schule.
  terrichtsinhalt zu machen und in Trai­      werden im Unterricht auftreten. Dieses                               Er ist Klassenlehrer der 1b.
  ningseinheiten zu üben. Wichtige Kom­       ›4-Bereiche-System‹ lässt sich aber auch                     Bei der Paul-Gerhardt-Kirche 1 – 3,
  petenzen hier sind unter anderem die        sehr nützlich als diagnostisches Werk­                                          22761 Hamburg
  Fähigkeit, sich in der Gruppe zu orga­      zeug verwenden. Stellt die Lehrperson                            kellnerseminare@outlook.com
  nisieren und zu einigen, Konflikte zu lö­   Komplikationen im Unterrichtsablauf

Hamburg macht Schule 2|2017
                                                                                                                                              13
Thema
Stadtteilschule

                  Wieso? Weshalb? Warum?
                  Wer nicht fragt, bleibt dumm …
                  Schülerfragen berücksichtigen – Schülerinteressen fördern
                   Eigene Fragen können ein intui-              Eine gute Frage erkennt man daran, dass …
                   tiver oder auch bewusster Aus-               Eine gute Frage erkennt man daran, dass …
                   druck von Interessen sein. Deshalb           • sie einen Bezug zur Lebenswelt und dem Vorwissen der Kinder und Jugendlichen
                                                                  hat,
                   werden zwei Lehr-Lern-Settings
                                                                • sie Ausdruck eines persönlichen Interesses des Forschers ist,
                   vorgestellt, die sich für eine Be-           • die Kinder und Jugendlichen sie freiwillig gewählt haben,
                   rücksichtigung von Schülerfragen             • sie nicht mit »Ja« oder »Nein« beantwortet oder einfach im Lexikon nachgeschla­
                                                                  gen werden kann.
                   bewährt haben. Gefragt wird u. a.:
                   Was zeichnet gute Schülerfragen             Abb. 1: Was ist eine gute Frage für den naturwissenschaftlichen Unterricht
                   aus? Wie kann eine angemessene              (nach www.forschendes-lernen.net; Deutsche Kinder- und Jugendstiftung)
                   Leistungsbeurteilung aussehen?
                   Welche nachhaltigen Wirkungen
                                                               dene Projektarbeit und die offene Fra­             nen und Schüler ihren Arbeitsprozess
                   hat die Berücksichtigung von                gestunde.                                          selbst. Sie recherchieren, experimen­
                   Schülerfragen auf Lernen und Un-                                                               tieren, schreiben Texte und drehen Vi­
                   terricht?                                   Unterrichtsgebundene                               deos. Das geschieht in den wöchentli­
                                                               Projektarbeit:                                     chen Unterrichtsstunden, in Frei- und
                                                               Die längere Auseinandersetzung                     Vertretungsstunden sowie in der Frei­
                  Patrick möchte wissen, was das Univer­       mit einer eigenen Frage                            zeit. Der Lehrer berät die Gruppen und
                  sum zusammenhält. Juliana fragt, ob es       Hinten rechts diskutiert eine Gruppe               steht als Experte zur Verfügung.
                  Homosexualität nur beim Menschen gibt.       Schülerinnen über die Herausforderun­                 Die Unterrichtssequenz nähert sich
                  Çağdaş interessiert sich dafür, wie der      gen einer Marsmission. Vorne zeigt ein             der Ergebnispräsentation in der Schu­
                  moderne Mensch so geworden ist, wie          Schüler experimentell die Wärmeaus­                löffentlichkeit. In dieser Phase geschieht
                  er heute ist. Wie soll all das einen Platz   dehnung. Links lässt sich die Schullei­            auch die Bewertung der Leistung. Um
                  in der Naturwissenschaftsstunde haben,       tung die Bananenflanke anhand eines                den inneren Gruppenprozess zu reflek­
                  ohne den vom Bildungsplan vorgesehe­         selbstgedrehten Videos erklären. Was               tieren, hat sich eine Gesamtwertung der
                  nen Rahmen zu sprengen? In diesem Bei­       geht hier vor? Ein »Jahrmarkt der Na­              Gruppe (bspw. 30 von 40 Punkten) be­
                  trag sollen zwei erprobte Ideen vorge­       turwissenschaften« zeigt die Ergebnisse            währt, die dann unter den Schülerin­
                  stellt werden, die sich in unterschiedli­    einer Projektzeit im Naturwissenschafts­           nen und Schülern eigenständig aufge­
                  chen Lerngruppen bewährt haben.              unterricht.                                        teilt wird. Die Gesamtpunktzahl ermit­
                                                                  Sechs Wochen zuvor: Die Schülerin­              telt die Lehrperson aus der Komplexität
                  Leitfrage oder echte                         nen und Schüler der 9a haben nach ei­              der Frage, dem Grad der Auseinander­
                  Schülerfrage?                                nem kurzen Input über Forscherfragen               setzung und dem entstandenen Produkt.
                  »Wieso? Weshalb? Warum?« sind nicht          Interessengruppen gebildet und disku­              Im Anschluss werden der Arbeitsprozess,
                  nur die Grundfragen in der Sesamstra­        tieren heiß über ihre gemeinsame Frage.            der Erkenntnisgewinn und das Ergebnis
                  ße, sie begleiten auch den Erkenntnispro­    Ihre Aufgabe: »Beschäftigt euch bis zu             durch die Schülerinnen und Schüler re­
                  zess von Schülerinnen und Schülern wie       der letzten Stunde vor den Weihnachts­             flektiert.
                  von Erwachsenen. Dabei bewirken ech­         ferien mit eurer Forscherfrage. Präsen­
                  te Fragen, die auf eigene Interessen zu­     tiert dort eure Ergebnisse in einer selbst­        Kostet das nicht wertvolle
                  rückgehen, eine tiefere Auseinanderset­      gewählten Form.« Der Lehrer hilft bei der          Unterrichtszeit?
                  zung mit den folgenden Antworten als         Formulierung der Fragen (siehe Abb. 1).            Betrachtet man rein den Kompetenzbe­
                  von außen vorgegebene Fragen. Im Fol­           In den folgenden Stunden gibt es ne­            reich »Fachwissen«, ist denkbar, dass in
                  genden werden zwei Lehr-Lern-Settings        ben einem gemeinsamen Start nur den                sechs Unterrichtsstunden mehr mess­
                  vorgestellt, die echte Schülerfragen ins     gemeinsamen Abschluss, in der üb­                  bares Bildungsplanwissen durchlaufen
                  Zentrum stellen: die unterrichtsgebun­       rigen Zeit gestalten die Schülerin­                wird. Die oft vernachlässigten Kompe­

 14                                                                                                                                Hamburg macht Schule 2|2017
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