Schule & Gesundheit BEGEGNUNG 2-2018 - DEUTSCHE SCHULISCHE ARBEIT IM AUSLAND - Auslandsschulwesen
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BEGEGNUNG DEUTSCHE SCHULISCHE ARBEIT IM AUSLAND 2-2018 39. Jahrgang Schule & Gesundheit FOKUS: SCHULE & GESUNDHEIT Fundament der Bildung Keine Entwarnung: ORTSTERMIN INLAND Psychische Gesundheit Dänemark: MINT-Bildung von Schülern Integration auf Augenhöhe in Deutschland Bewegte Schule INLAND KOLUMNE Weltkongress Deutscher Schülerideen gegen ISSN: 0940-3132 Auslandsschulen Stress im Alltag
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EDITORIAL Schule & Gesundheit „G esundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“ Das wusste schon Arthur Schopenhauer. Dasselbe gilt auch im Klassenzimmer, denn körperliches Wohlbefinden ist essenziell, um gute Lernerfolge erzielen zu k önnen, wie Studien belegen. Ab S. 22 beschäftigen wir uns im Fokus mit der Verbindung von Gesundheit und Bildung. Ein besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die Entwicklung psychischer Erkrankungen bei Schülern und den Nutzen von Bewegung für den Unterricht. Das Netzwerk der Auslandsschulen zu stärken und die Qualität des Auslandsschul- wesens zu sichern, sind Ziele des Weltkongresses Deutscher Auslandsschulen, der 2018 zum zweiten Mal in Berlin stattfand. Ab S. 14 erfahren Sie, welche Rolle die Auslandsschularbeit für die Bildung der Zukunft – auch im Inland – spielen kann. Im Rahmen des Weltkongresses wurden zudem das 50-jährige Jubiläum der Zen- tralstelle für das Auslandsschulwesen und das 10-jährige Bestehen der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) gefeiert. Ein Beispiel für die positiven Rückwirkungen auf Deutschland ist das Deutsche Sprachdiplom im Inland. Es gilt als Musterbeispiel für gelungene Integrations arbeit. Lesen Sie ab S. 36, warum sich das ursprünglich für Schüler im Ausland kon- zipierte Diplom auch in Deutschland etabliert hat. Vom Erfolgskurs des speziellen Deutschprogramms für Schüler beruflicher Schulen, des DSD I PRO, erfahren Sie ab S. 38. In unserer Interviewserie „Schule 4.0“ tritt Prof. Dr. Gerald Lembke dafür ein, an Grundschulen Tablets und Computer aus dem Unterricht zu verbannen. Warum der Professor für Digitale Medien die Diskussion um digitale Bildung an Schulen für eine ideologische hält, erklärt er ab S. 40. Nachdem er viele Jahre die BEGEGNUNG als Herausgeber geprägt hat, ver abschiedet sich Dr. Boris Menrath nach dieser Ausgabe. Abgelöst wird er von Dr. Ulrich Dronske. Näheres in der Rubrik „Personalia“ auf S. 58. Viel Spaß beim Lesen der aktuellen BEGEGNUNG wünschen Ihnen Boris Menrath Stefany Krath BEGEGNUNG 2-2018 3
INHALT Ohne Fleiß kein Preis 6 Bildung made in Germany 14 Gesundheit: Der Weg zum Lernerfolg kann mühselig Seit 2002 findet der Weltkongress Fundament der Bildung 22 sein. Doch wer Bedürfnisse aufschiebt, Deutscher Auslandsschulen alle vier Studien zeigen, dass es mit der Schüler Frustration aushält und auf langfristige Jahre statt. Dieses Jahr konnten sich gesundheit nicht zum Besten steht: Ziele hinarbeitet, schafft auch Raum für die Kongressteilnehmer bei sechs Fach Übergewicht, Bewegungsmangel und Lernfreude und Kreativität. Die Fähigkeit foren über Themen wie Digitalisierung, psychische Probleme sind nur einige zur Selbstkontrolle ist dafür eine innovativen Unterricht oder Diversity- Folgen. Dabei gibt es gute Beispiele Grundvoraussetzung. Management informieren. Bundesaußen- im In- und Ausland, wie gesunde Schule minister Heiko Maas begrüßte die Gäste. gelingen kann. Denn erfolgreiches Lernen Auch das 50-jährige Jubiläum der ZfA setzt Gesundheitskompetenz und einen wurde gefeiert. gesunden Lernalltag voraus. Inhalt FOKUS: SCHULE & GESUNDHEIT INLAND Nicht Beiwerk, sondern Ohne Fleiß kein Preis Morgenstund’ hat Schlaf im Aug’ Fundament der Bildung Selbstkontrolle als Schlüssel zum Argumente für und gegen einen Gesundheit und Bildung bauen auf schulischen Erfolg 6 frühen Unterrichtsbeginn 30 einander auf. So bewältigen Schulen im In- und Ausland die Herausforderung 10 Jahre PASCH Stolze Leistung „gesunde Schule“. 22 Interview mit Michael Reiffenstuel, Deutsches Sprachdiplom im Inland 36 Beauftragter für Auswärtige Kultur- Psychische Gesundheit: ein Schulthema?! politik im Auswärtigen Amt 12 Serie: Schule 4.0 Schulangst, Magersucht oder Mobbing: Interview über digitales Lernen in Immer häufiger werden Schule und Lehr- Heiße Rhythmen und Bildung der Grundschule mit Prof. Dr. Gerald kräfte mit den psychischen Problemen made in Germany Lembke, Präsident des Bundesver- von Schülern konfrontiert. Eine Weltkongress Deutscher Auslands bands für Medien und Marketing 40 Bestandsaufnahme. 26 schulen und 50-jähriges ZfA-Jubiläum in Berlin 14 Zur Lage der deutschen MINT-Bildung Bewegung und Pausen Wo der Mangel an Nachwuchs Aktuelle Studien zeigen, wie wenig „Man darf diese Dinge nicht am größten ist 44 sich Kinder und Jugendliche in Deutsch- verschweigen.“ land bewegen. Dabei beeinflusst Interview mit dem Inklusions Neues von PASCH-net körperliche Aktivität nicht nur die experten und ehemaligen Lehrer Neuigkeiten aus dem Netzwerk 47 Gesundheit der Schüler, sondern Michael Felten 18 auch ihren Lernerfolg. 28 4 BEGEGNUNG 2-2018
INHALT DSD mit neuen Zielgruppen 36 Grundschule digital? 40 MINTendrin 44 Ursprünglich für Schüler im Ausland Gehören digitale Medien in die Grund- Die Wirtschaft mahnt, die OECD lobt, konzipiert, die Deutsch als Fremdsprache schule? In unserer Serie „Schule 4.0“ die Arbeitsagentur beschwichtigt: Zum lernen, hat sich das Deutsche Sprach sprechen Wissenschaftler und Praktiker Stand des Fachkräftenachwuchses in diplom inzwischen auch im Inland eta über die Möglichkeiten und Grenzen digi- Mathematik, Informatik, Naturwissen- bliert. Dort bereitet es junge Einwanderer talen Lernens. Prof. Dr. Gerald Lembke, schaften und Technik gibt es viele Mei- auf Schule und Alltag in Deutschland vor. Präsident des Bundesverbands für Medien nungen. Wie steht es wirklich um den Als DSD I PRO wird es zudem an beruf und Marketing, fordert: Computer raus viel beschworenen Fach- und Lehrkräfte- lichen Schulen im In- und Ausland aus Kitas und Grundschulen. mangel im MINT-Bereich? angeboten. ORTSTERMIN KOLUMNE 20 Jahre Bologna Deutsche in Dänemark Rangeln hat uns glücklich gemacht Hat sich die Studierendenmobilität Ein Stück deutsche Identität im Der Gewinner des Kolumnenwettbewerbs verbessert? 48 deutsch-dänischen Grenzgebiet 34 zum Thema „Schule & Gesundheit“ 62 Expertenserie: Lobbyismus im Klassenzimmer Interview mit Prof. Dr. Tim LÄNDERDOSSIER Editorial 3 Engartner, Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften 50 Ecuador Personalia 58 Deutsch am Äquator 54 Schreibtischwechsel 58/59/60 Umweltschutz: AUSLAND In der Schule fängt er an Meldungen 10/11, 17, 32/33, 43, 53 Wie Schüler der Deutschen Schule Lesehunde an der DS Shanghai Stiehle in Cuenca ihr eigenes Impressum 61 Lesehemmungen bei Grundschülern Elektroauto bauten 57 abbauen 21 Bereit für Ausbildung und Beruf DSD I PRO an beruflichen Schulen 38 BEGEGNUNG 2-2018 5
INLAND Erfolgreich lernen Ohne Fleiß kein Preis Eine der Grundvoraussetzungen für Lernerfolg klingt zunächst wenig ansprechend: die Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Auch wenn es erst mühsam erscheint, können Ausdauer und Disziplin vieles erleichtern. So entsteht letztlich mehr Raum für Lernfreude und Kreativität. von Johanna Böttges 6 BEGEGNUNG 2-2018
INLAND B edürfnisse auch mal aufschieben können, Frustrationen aus- halten und auf langfristige Ziele hinarbeiten: All das erfor- dert eine hohe Kompetenz zur Selbstregulation. Das beschreiben und Autorität anerkennen.“ Daran mangele es in Deutschland, sagte Bueb dem Magazin „Spiegel“. Lehrer und Eltern seien viel zu sehr damit beschäftigt, Ruhe und Ordnung herzustellen, „ihre Thomas Grüner, Franz Hilt und Corinna Tilp in ihrem Buch „Bei Würde zu bewahren“ und für einen respektvollen Ton zu sorgen. STOPP ist Schluss!“ Wer weiterkommen will, muss Mühe investie- „Die kreative Arbeit mit Kindern kommt viel zu kurz, weil die ren, daran führt kein Weg vorbei. „Das Erlernen dieser Fähigkeiten meisten Kinder ihre Lehrer und Eltern als Animateure sehen, die macht nicht immer Spaß, sondern bringt Kinder und Jugendliche vor allem eines liefern sollen: Spaß.“ auch an ihre Grenzen und mutet ihnen etwas zu“, so die Autoren. Doch die Mühe lohnt sich. Spaßverbot statt Lernfreude? Selbstbeherrschung und Lernfreude müssen aber keine Wider- Wichtiger als der Intelligenzquotient sprüche sein. Zwar führt intrinsische Motivation alleine nicht Denn wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass Kinder unbedingt zum Ziel. Ohne Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Durch- mit einem hohen Grad an Selbstkontrolle in der Schule bessere haltevermögen wird aus einem Klavierspieler kein Starpianist. „In Noten haben, bei Konzentrationstests besser abschneiden, eine dem Moment, wo ich nicht nur Spaß an einer Sache habe, son- höhere soziale Kompetenz besitzen und Stress besser bewältigen dern auch pflichtbewusst bin und die Dinge gewissenhaft mache, können als andere. „Später sind sie gesünder und im Beruf und werden noch bessere Erfolge dabei herauskommen“, erklärt Birgit ihren Beziehungen erfolgreicher“, schreiben die Pädagogen. Ihr Spinath, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Uni- Fazit: „Selbstkontrolle determiniert den Schul- und Studienerfolg versität Heidelberg. Doch die intrinsische Motivation trage über weit stärker als der Intelligenzquotient.“ Malte Friese und Claude das mühevolle Üben hinweg, so Spinath. Sie nennt Beispiele für Messner, Psychologen der Universitäten in Saarbrücken und Bern, solche Motive: „Wir haben Spaß an einer Sache, empfinden sie als drücken es so aus: „Vereinfacht gesagt zeigt Intelligenz in einem sinnvoll, oder sie führt uns zu neuen Zielen. Wir erweitern unsere gewissen Maße das Potenzial einer Person an, während Selbstkon- Handlungsspielräume.“ trolle eine Abschätzung erlaubt, wie gut eine Person das eigene Potenzial nutzt, um erfolgreich zu sein.“ Kompetenz, Autonomie, Anerkennung Damit Motivation entsteht, müssen drei grundlegende Bedürf- Selbstregulation zu lernen erfordert viel Übung. Die Schule ist ein nisse befriedigt werden: „Ich möchte mich als kompetent erleben. wichtiger Ort dafür, wie Grüner, Hilt und Tilp in ihrem Buch dar- Ich möchte mich als autonom erleben, zum Beispiel Wahlmög- legen. Viele Kinder kommen nur hier mit einer größeren Zahl Al- lichkeiten haben, mitbestimmen können und durch das Lernen tersgenossen zusammen, sodass sie lernen, eigene Interessen und meine Autonomie vergrößern. Und ich möchte sozial eingebun- Bedürfnisse mit anderen in Einklang zu bringen. Selbstkontrolle den sein, Anerkennung von anderen bekommen“, so Spinath. An lässt sich im Unterricht beispielsweise trainieren, indem Regeln diesen F aktoren sollten Lehrkräfte ansetzen, wenn sie Schüler > definiert und eingehalten werden: Pünktlich zu Stundenbeginn sitze ich auf meinem Platz. Ich lege meine Arbeitsmaterialien vor mir auf den Tisch. Wenn die Lehrkraft oder ein Mitschüler spricht, höre ich zu. Es sind zunächst lästige Alltagspflichten, die bei re- gelmäßiger Übung zur Gewohnheit werden. Dennoch sollten sich sowohl Lehrkräfte als auch Eltern bewusst machen: Will ich ein Kind fördern, muss ich auch seine Fähigkeit zur Selbstdisziplin fördern. Intrinsische Motivation trägt Disziplin – ein Reizwort über mühevolles Üben hinweg, sagt Birgit Spinath, Professorin Manche Pädagogen gehen noch weiter. 2006 erregte Bernhard für Pädagogische Psychologie an Bueb mit einer Streitschrift Aufsehen, in der er eine „Rückkehr der Universität Heidelberg. zur Disziplin“ fordert. Fachleute wie der Entwicklungspsychologe Wolfgang Bergmann warfen dem ehemaligen Leiter der Schule Schloss Salem daraufhin vor, einen totalitären Erziehungsstil zu vertreten, der längst als überwunden galt. Auch wenn einige von Bueb gebilligte Mechanismen wie Gehorsam und Furcht vor Strafe hoch umstritten sind, ist er überzeugt, dass sie letztlich die Selbst- bestimmung junger Leute stärken. Selbstbeherrschung bedeutet für ihn nicht nur den Grundstein zu persönlicher Freiheit, son- Lernerfolg entsteht, wenn Lehr- kräfte verschiedene Lerntypen dern auch für Kreativität: „Um im Unterricht kreativ arbeiten zu ansprechen, so die Erfahrung können, müssen Schüler Ordnungssinn mitbringen, sich konzen von Prüfungstrainerin Sabine trieren können und sorgfältig arbeiten. Und sie müssen Gehorsam Grotehusmann. BEGEGNUNG 2-2018 7
INLAND motivieren wollen. Damit diese sich bei- spielsweise ihrer Kompetenz bewusst wer- den, müsse man ihnen Lernfortschritte sichtbar machen. Wahlmöglichkeiten bieten sich unter anderem bei den Ar- beitsformen an: Erledige ich die Aufgabe in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit? Demotivierend kann es dagegen sein, sich ständig mit anderen zu vergleichen – in der Schule ein tägliches Szenario. „Nicht wenige Schüler verlieren die Lust, wenn andere immer besser sind“, erklärt Spinath. „Dem sollten Lehrer etwas entgegenset- zen, indem sie Kindern und Jugendlichen die Gelegenheit geben, sich an ihren eigenen Möglichkeiten zu messen.“ Geschlecht als Motivationsfaktor Im Team zu lernen kann motivieren und auch Eine weitere Voraussetzung für Motivation ist laut Spinath das Zu- der Disziplin auf die Sprünge helfen. trauen in die eigenen Fähigkeiten. Wer sich geringe Erfolgschan- cen ausrechnet, ist auch nicht motiviert. „Zum Beispiel kann man feststellen, dass sich Mädchen in mathematiklastigen Fächern be- Schulsystem am meisten vernachlässigt wird: der freiheitslieben- reits sehr früh in ihrer Schulkarriere weniger zutrauen – obwohl den Lernpersönlichkeit. „Diese Lerner brauchen Wahlmöglichkei- sie dort genauso gute Leistungen erzielen wie Jungen, manchmal ten, sei es bei Aufgabentypen, Themen, Texten, der Reihenfolge von sogar bessere. Das heißt, die Vorstellungen darüber, was ich kann Aufgaben oder Unterrichtsabläufen. Je mehr sie im Lernprozess und was ein Jungsfach oder ein Mädchenfach ist, überschatten entscheiden dürfen, desto motivierter arbeiten sie mit.“ die eigentlichen Leistungen.“ Unterschiede in der Motivation von Mädchen und Jungen lassen sich auch ganz allgemein feststel- Von Frust zu Lust len. So unterscheidet eine Studie des Deutschen Instituts für In- Freiheit und Selbstkontrolle, Regeln und Kreativität sind also ternationale Pädagogische Forschung und der Universität Kassel keine Gegensätze, sondern eng miteinander verknüpft. Von der zwischen zwei Formen der Motivation: Die Lernzielorientierung Fähigkeit zur Selbstdisziplin dürften besonders Deutschlernende drückt das Interesse daran aus, die eigenen Fähigkeiten zu erwei- an Schulen im Ausland profitieren. Denn ihre Motivation ist oft tern, während es bei der Leistungszielorientierung darum geht, erst einmal ausschließlich extrinsisch bedingt und somit nicht gute Leistungen zu zeigen und schlechte zu verbergen. Beides unbedingt nachhaltig, wie Prof. Dr. Claudia Riemer, Professorin nimmt von der 5. bis zur 9. Klasse bei Jungen deutlich stärker ab als für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Bielefeld, im bei Mädchen. Eine mögliche Erklärung der Forscher: Die Schule Magazin „Fremdsprache Deutsch“ berichtet. Die Sprache stehe im gehe nicht genug auf das stärker ausgeprägte P artizipations- und Pflichtcurriculum und sei versetzungsrelevant oder es existierten Autonomiebedürfnis der Jungen ein. keine attraktiven alternativen Wahlmöglichkeiten. „Erst wenn von den Lernenden wahrgenommen wird, dass die Sprachkennt- Jeder lernt anders gut nisse auch außerhalb des Unterrichts von Wert sind bzw. werden Für Lehrer wie Schüler gilt der Satz von Neurowissenschaftler können, kann es gelingen, Formen stärker selbstbestimmter Mo- Prof. Dr. Joachim Bauer: „Die stärkste Motivationsdroge für den tivation zu entwickeln.“ Wenn Jugendliche es in dieser Situation Menschen ist der andere Mensch.“ Um einen motivierenden Un- schaffen, über den eigenen Schatten zu springen und anfängliche terricht zu gestalten, rät Sabine Grotehusmann Lehrkräften, die Frustrationen zu tolerieren, werden sie mitunter nicht nur durch verschiedenen Lernerpersönlichkeiten der Schüler anzusprechen. Sprachkenntnisse belohnt, sondern tauchen auch in eine neue „Lernfreude entsteht bei jedem durch etwas anderes“, betont die (Lern-)Kultur ein. Diese verspricht beispielsweise kooperatives Pädagogin und Lerntrainerin. Während die eine am besten im Lernen, das wiederum Spaß und Eigeninitiative fördert – neben Dialog lernt, braucht der andere erst einmal Zeit zum Nachden- der Anerkennung durch Eltern und Lehrer. | ken. Dem Dritten ist vor allem eine angenehme Lernatmosphäre wichtig. In ihrem Buch „Der Prüfungserfolg“ identifiziert die Deutsch- und Französischlehrerin acht Lerntypen, die in jeder Mehr über Sabine Grotehusmanns Buch „Der Prüfungserfolg“ Klasse vertreten sind. Alle anzusprechen gelinge am besten durch und den Umgang mit verschiedenen Lernerpersönlichkeiten eine Vielfalt an Methoden und Aufgabenstellungen. Das kommt erfahren Sie unter: www.derpruefungserfolg.de auch einem Typ zugute, der laut Grotehusmann im deutschen 8 BEGEGNUNG 2-2018
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MELDUNGEN Meldungen Austausch mit Minister Maas zur Erinnerungskultur in Argentinien Buenos Aires. Bundesaußenminister im Land. Bei einem Schulrundgang infor- Stationen bildete eine Ausstellung über Heiko Maas hat mit einer hochrangigen mierte sich der Außenminister über Pro- die Stolperstein- Initiative, die mit na- Delegation im Mai die Pestalozzi-Schule jekte verschiedener Schulen der Initiative mentlich gravierten und in den Boden in Buenos Aires besucht. Im Zentrum des „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) eingelassenen Steinen Opfern des Natio- Besuchs stand die Aufarbeitung des Na- zu Erinnerungskultur und gesellschafts- nalsozialismus gedenkt. Am Eingang der tionalsozialismus als besondere Verant- politischer Verantwortung, darunter auch Pestalozzi-Schule befindet sich der erste wortung der Deutschen Auslandsschulen der Goethe-Schule Buenos Aires. Eine der Stolperstein außerhalb Europas. Auch ein Projekt zur argentinischen Militärdik- tatur wurde vorgestellt. Jugendliche aus insgesamt sieben PASCH-Schulen in Ar- gentinien tauschten sich anschließend im direkten Dialog mit Maas aus. Pestalozzi- Schülerin Carolina Barbarosch zeigte sich über den Besuch des Außenministers be- geistert: „Er wollte uns zuhören. Das finde ich total gut, dass er sich für Jugendliche interessiert.“ | [JSB] Bundesaußenminister Heiko Maas informiert sich bei zwei Schülern über die Geschichte der Pestalozzi-Schule. Bundesregierung will Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik a usbauen Berlin. Laut dem Koalitionsvertrag der seit Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nehmen sich die Koalitionäre aus CDU, März amtierenden Bundesregierung sollen (AKBP) im Fokus der Regierungsarbeit. CSU und SPD vor. Da die AKBP laut den Schule und Bildung in der aktuellen Legis „Das Netzwerk Deutscher Auslandsschu Koalitionspartnern eine wichtige Rolle laturperiode großen Raum einnehmen. len und internationaler Schulpartnerschaf für Deutschlands Ansehen und Einfluss Neben den Inlandsschulen steht auch die ten soll ausgebaut und gestärkt werden“, im Wettbewerb um Köpfe, Ideen und Werte spielt, sollen die entsprechenden Budgets erhöht werden. In der Koali tionsvereinbarung wird die AKBP als „in- tegraler Bestandteil unserer Außenpolitik“ bezeichnet. Auch vor dem Hintergrund der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 soll vor allem ihre europäische Dimension noch stärker berücksichtigt werden. In der EU befinden sich 35 Deut- sche Auslandsschulen, 564 Sprachdiplom- Die deutsche Aus- schulen und 25 Deutsch-Profil-Schulen, landsschularbeit die von der Zentralstelle für das Auslands- soll gestärkt wer- den, verspricht der schulwesen im Auftrag des Auswärtigen Koalitionsvertrag. Amts betreut werden. | [AM] 10 BEGEGNUNG 2-2018
MELDUNGEN 70 Jahre für die Bildung Berlin. Die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) fei- ert 2018 ihr 70-jähriges Bestehen. Im Februar 1948 begann in Stuttgart-Hohenheim die Zusammenarbeit der deutschen Er- ziehungsministerien. Sie legten damit den Grundstein für den Bildungsföderalismus. Seitdem verantworten und koordinieren die Minister der Länder gemeinsam Bereiche der Schul-, Hoch- schul- und Kulturpolitik. In den vergangenen sieben Jahrzehnten konnte die KMK aus eigener Sicht die Lebens- und Lernverhält- Jugend und Sport rückt in seiner Amtszeit die Demokratiebil- nisse in ganz Deutschland angleichen. Zu den jüngsten Entwick- dung ins Scheinwerferlicht. Weitere Themen der KMK sind Digi- lungen gehören die Einführung einheitlicher Bildungsstandards talisierung, Internationalisierung und Integration. Dabei setzen und die Ausarbeitung einer Strategie der Länder zur digitalen Bil- die Präsidenten ihre eigenen Schwerpunkte: Unter der Präsident- dung. „Mit 70 Jahren gehört die Kultusministerkonferenz noch schaft von Dr. Susanne Eisenmann, Kultusministerin von Baden- nicht zum alten Eisen. Wir sind eine lebendige Institution, die Bil- Württemberg, lag 2017 das Hauptaugenmerk auf der Stärkung der dungspolitik in Deutschland durch kooperatives Miteinander er- beruflichen Bildung. | [LB] folgreich gestaltet“, so Helmut Holter beim Festakt in Berlin. Der aktuelle Präsident der KMK und Thüringer Minister für Bildung, Mehr zu den Aufgaben und Themen der KMK unter: www.kmk.org ZfA wirbt um Lehrkräfte für den Auslandsdienst Hannover. Auf 550 m² Ausstellungsfläche präsentierte die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) im Februar auf der didacta 2018 ihre Arbeit. Im Fokus standen die viel- fältigen Berufsperspektiven für Pädagogen an den 140 Deut- schen Auslandsschulen, rund 1.200 Sprachdiplomschulen und 25 Deutsch-Profil-Schulen weltweit. „Uns ist wichtig, dass wir noch viel mehr Lehrkräfte auf die attraktiven Einsatzmöglich- keiten im Auslandsschuldienst aufmerksam machen, um den Schulleitungen vor Ort möglichst viele hervorragend qualifizierte Bewerber anbieten zu können“, betonte Wiebke Gröhn, in der ZfA zuständig für Personalmanagement und Leitungsqualifizierung. Dazu waren Vertreter von mehr als 60 Deutschen Auslandsschu- len vor Ort. An eigenen Schulständen und in der ZfA-Lounge ka- men sie mit interessierten Lehramtsstudierenden, Referendaren und Lehrkräften ins Gespräch. Zudem richtete die ZfA erstmals einen Sonderstand zum Deutschen Sprachdiplom der Kultus- ministerkonferenz (DSD) ein, um die Einsatzmöglichkeiten für Fremdsprachenlehrkräfte im DSD-Programm ins Bewusstsein zu rufen. 73.000 Gäste besuchten vom 20. bis 24. Februar die didacta als größte Bildungsmesse weltweit. | [LB] Vertreter von Schulen aus aller Welt sprachen auf der didacta mit Lehrkräften, Referendaren und Studierenden über ihre Perspektiven im Auslandsschulwesen. BEGEGNUNG 2-2018 11
INLAND „PASCH ist weltweit bei Deutschlernern eine Marke mit einem Markenkern.“ Seit zehn Jahren fördert das Auswärtige Amt (AA) mit der Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) weltweit über 2.000 Schulen mit rund 600.000 Schülern. Stefany Krath sprach mit Michael Reiffenstuel, Beauftragter für Auswärtige Kulturpolitik im AA, über Entwicklung und Zukunft von PASCH. Herr Reiffenstuel, mit welcher Zielsetzung ist 2008 die PASCH- seinen Menschen, zu seiner Kultur, zu unserer Gesellschaft. Über Initiative gestartet? das Medium deutsche Sprache ist es uns nicht nur gelungen, dass Die PASCH-Initiative wurde 2008 vom damaligen Bundesaußen- die Deutschlerner weltweit über die Plattform PASCH-net un- minister Dr. Frank-Walter Steinmeier ins Leben gerufen. Grund- tereinander diskutieren und gemeinsam an Projekten arbeiten, gedanke war, eine internationale Lerngemeinschaft zu etablieren sondern auch mit Schülern aus Deutschland in Kontakt treten. und deren Vernetzung zu fördern. Es gibt viele globale Herausfor- Virtuell, aber auch durch den direkten persönlichen Austausch derungen, zum Beispiel Klimawandel, Umweltschutz, Nachhaltig- wie beispielsweise Sommercamps. keit und viele andere Themen, die nur gemeinsam zu lösen sind. Die deutsche Sprache ist das Medium, das es uns ermöglicht, einen Hätten Sie vor zehn Jahren gedacht, dass daraus ein solch erfolg- Dialog auch dazu mit interessierten, engagierten jungen Leuten reiches Projekt würde? aus aller Welt zu führen. Die Vermittlung der deutschen Sprache Die Nachfrage in den nationalen Schulsystemen nach Deutsch ermöglicht darüber hinaus auch einen Zugang zu Deutschland, zu als Fremdsprache ist vorhanden, in manchen Ländern mehr, in Das PASCH-Mobil zu Besuch beim PAD in Bonn (v. l. n. r.): Maik Böing, Lehrer an einem Kölner Gymnasium, Michael Reiffenstuel, Beauftragter für Auswärtige Kultur- politik im AA, Heike Toledo, Leiterin der ZfA, Gernot Stiwitz, Leiter des PAD, Christian Müller, Abteilungsleiter Strategie des DAAD, Nomin-Erdene Nyamsambuu, DSD-Alumna und DAAD-Stipendiatin, und Robert Poljan, DSD-Lehrer in Kroatien. 12 BEGEGNUNG 2-2018
INLAND aus der Wirtschaft, die Praktika für Deutschlerner ermöglichen, oder Schulpartnerschaften zwischen deutschen Schulen und PASCH-Schulen im Ausland. Die Stationen des PASCH-Mobils sind zudem eine gute Gelegenheit für alle vier Partner, sich selbst und ihr Engagement sehr konkret vorzustellen. „Viele globale Herausforde- Wo sehen Sie die PASCH-Initiative in zehn Jahren? rungen wie Wir sind sehr dankbar, dass im jetzigen Koalitionsvertrag sowohl Klimawandel, die Stärkung der Deutschen Auslandsschulen als auch der Ausbau Umweltschutz und die Stärkung des PASCH-Netzwerks erwähnt sind. Wir sind und Nachhal- tigkeit sind nur gerade dabei, zusammen mit unseren Partnern eine Bestandsauf- gemeinsam nahme zu machen und zu prüfen, auf welchen Kontinenten das zu lösen“, sagt PASCH-Netz gut vertreten ist und wo es vielleicht noch Bedarfe Michael Reiffen- stuel, Beauf gibt; nach meiner persönlichen Auffassung ist das insbesondere tragter des AA. in Afrika der Fall. Die Nachfrage nach Deutschlernangeboten ist in einigen Ländern sehr groß; dort wollen wir versuchen, mehr Unterstützung für Deutsch als Fremdsprache anzubieten, mögli- anderen weniger; schwierig wird es insbesondere, wenn Deutsch cherweise neue PASCH-Schulen zu gewinnen und zusätzliche Ko- unterricht nur als Wahlfach angeboten wird. Allerdings war schon operationen zwischen deutschen Schulen und PASCH-Schulen zu am Anfang die Erwartung da, dass wir mit PASCH-net auch diesen unterstützen. Zweitens ist es wichtig, dass wir uns nach zehn Jah- zusätzlichen Anreiz der Vernetzung schaffen wollen. Dass PASCH ren überlegen: Was haben wir erreicht? Wie können wir Deutsch- dann so schnell durch die sehr aktive und gute Mitarbeit von Schu- land als attraktiven Ausbildungsstandort und Arbeitsplatz auch in len, Lehrkräften und insbesondere Schülerinnen und Schülern an Zukunft vermitteln? Wir stehen in starker Konkurrenz mit ande- Fahrt und Resonanz in den Gastländern gewinnen würde, hat uns ren Sprachanbietern und im Wettbewerb auch mit europäischen alle positiv überrascht. Besonders beeindruckend sind die Bildungs- Partnern um die Kooperation mit den besten Köpfen zukünftiger biografien der ersten Alumnigeneration, die sowohl in Deutschland Generationen. PASCH steht für gegenseitiges Verstehen und Ver- als auch in ihren Ländern mit Ausbildung, Studium und teilweise ständnis – in unserer immer komplexeren Welt sind das wichtige schon mit ihrer Arbeit begonnen hat – und oftmals als Brücken- Voraussetzungen für eine erfolgreiche gemeinsame Gestaltung bauer zwischen ihren Heimatländern und Deutschland auftritt. unserer Zukunft. | Was macht den Erfolg dieses Netzwerks aus? Für das Auswärtige Amt ist es ein wirklich großer Erfolg, dass durch PASCH die vier Partner – das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, der Pädagogische Austauschdienst Von Februar bis Dezember 2018 ist das der Kultusministerkonferenz und die Zentralstelle für das Aus- PASCH-Mobil in ganz Deutschland un- landsschulwesen – im Bereich Förderung von Deutsch als Fremd- terwegs. Deutschlandweit werden rund sprache zusammenarbeiten. Letztendlich haben wir es gemeinsam 35 Stationen angefahren, um die bunten geschafft, den negativen Trend des weltweiten Rückgangs an Facetten des PASCH-Netzwerks sicht- Deutschlernern von 2005/2006 zu stoppen. Nur durch gemein- bar zu machen. Das PASCH-Mobil be- sames Engagement aller Beteiligten war es möglich, Deutsch als sucht auf seiner Route PASCH-Alumni Fremdsprache auch in lokalen Bildungssystemen zu stärken. Da- und -Lehrkräfte, Unternehmen und deut- runter fallen Maßnahmen zur Verbesserung des Deutschunter- sche Partnerschulen, die in Workshops, richts, Fortbildungsangebote für Lehrkräfte und Entwicklung von Vorträgen und Gesprächen von den Unterrichtsmaterialien, die die Partner bereitstellen. Chancen und der Motivation berichten, über den Erwerb einer Sprache ganz neue Was versprechen Sie sich jetzt beim zehnjährigen Jubiläum von Optionen zu finden und zu nutzen. Sie der Deutschlandtour des PASCH-Mobils? liefern Erfahrungsberichte über Jugend- PASCH ist weltweit bei Deutschlernern eine Marke mit einem kurse und -camps, Austauschprogramme etablierten Markenkern. Nun wollen wir wichtigen Multiplika- und Alumni-Arbeit, Studienmöglichkei- toren und potenziellen Entscheidern in Deutschland, das heißt ten in Deutschland oder Praktika in Un- Parlamentariern und auch Wirtschaftsvertretern, aber auch einer ternehmen. Mehr Informationen über breiten Öffentlichkeit zeigen, wie weit wir mit PASCH gekom- die PASCH- Mobil-Tour gibt es unter: men sind – und wie viele Vernetzungen es auch nach Deutsch- www.pasch-net.de/10jahrepasch land hinein gibt: Beispiele sind die Zusammenarbeit mit Partnern BEGEGNUNG 2-2018 13
INLAND Die Big Band der DS Lima begeisterte Schulvertreter wie Bundestags abgeordnete. Weltkongress: Heiße Rhythmen und Bildung made in Germany Strahlender Sonnenschein in Berlin und alle sind da: Schulleitungen, Schulvorstände, Verwal- tungsleitungen, Fachberatungen, Vertreter der PASCH-Partner, Bundestagsabgeordnete und Außenminister Heiko Maas. Dann kann er ja beginnen, der fünfte Weltkongress Deutscher Auslandsschulen (DAS). von Bettina Meyer-Engling „G egen Populismus hilft Bildung! Gegen Angst hilft das DAS als Vorbild für Schulen im Inland Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten! Und gegen Nationa- Mit seinem politischen Aufruf traf Maas direkt den thematischen lismus und Abschottung hilft es, Sprachen zu lernen, zu reisen, die Kern der Veranstaltung: Es geht um Bildung, genauer um Bildung der Augen zu öffnen für andere Kulturen und so unsere gemeinsame Zukunft. Dies wurde von Reiner Ries, in der ZfA zuständiger Leiter Humanität zu entdecken“, erklärte Bundesaußenminister Heiko des Fachbereichs „Regionale Betreuung der Auslandsschulen; Schul- Maas am 6. Juni zur zehnjährigen Jubiläumsfeier der Initiative aufsicht des Bundes“, in einer Podiumsdiskussion bekräftigt: „Wir „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) und der Eröffnung des brauchen Bildung 5.0, wir brauchen eine Vorbildfunktion der DAS für gemeinsam vom Auswärtigen Amt, dem Weltverband Deutscher die Schulen im Inland.“ Was darunter zu verstehen ist, erläuterte Prof. Auslandsschulen (WDA) und der Zentralstelle für das Auslands- Dr. Stephan Gerhard Huber vom Institut für Bildungsmanagement schulwesen (ZfA) veranstalteten Weltkongresses, der seit 2002 und Bildungsökonomie der Pädagogischen Hochschule Zug. Für ihn alle vier Jahre stattfand. Schwerpunktthemen waren in diesem gehe es bei Bildung 5.0 um Werte und Haltungen und wie man dazu Jahr der Ausbau der Vernetzung und die Zukunft der Bildung im einen Beitrag leiste. Er wandte sich mit der Frage an die Zuschauer, digitalen Zeitalter. wie sie das, was man international diskutiert, lokal umsetzen wollen. 14 BEGEGNUNG 2-2018
INLAND die DAS vermittelten Lebensfreude, Teamgeist und Kooperation. Eine Ergebnisbroschüre zu den sechs Fachforen mit den Aber auch deutsche Schulabschlüsse und hervorragende Sprach- Themen Bildungsstrategie/Zielvorstellungen, Gute Steue- kenntnisse, wie Tinatin Patchkoria aus Georgien eindrucksvoll rung, Innovatives Personalmanagement, Innovativer Un- in ihrer Podiumsrunde bewies. Die Alumna einer Sprachdip- terricht, Digitalisierung sowie Diversity-Management lomschule aus Georgien und DAAD-Stipendiatin promovierte in bereitet die ZfA derzeit vor. Die Videogrußbotschaften der Deutschland in Rechtswissenschaften und arbeitet inzwischen für Auslandsschulen finden sich unter: einen weltweit operierenden Automobilhersteller in Süddeutsch- www.auslandsschulwesen.de/50JahreZfA land. „Ich weiß, dass viele Schülerinnen und Schüler in meinem Land davon träumen, hier an meiner Stelle sitzen zu können.“ Dazu verteilten sich die Kongressteilnehmenden auf sechs Fach- Verschmelzung von Innen und Außen foren zu den Themen Bildungsstrategie/Zielvorstellungen, Gute Andreas Görgen, Leiter der Abteilung für Kultur und Kommunika- Steuerung, Innovatives Personalmanagement, Innovativer Un- tion im Auswärtigen Amt, betonte die zunehmende politische Ver- terricht, Digitalisierung sowie Diversity-Management. Sie disku- schmelzung von Innen und Außen. Den Auslandsschulen komme tierten und entwickelten konkrete Umsetzungsthesen, um die dabei eine zukunftsweisende Rolle unter anderem in der Ver- Auslandsschularbeit auch weiterhin zukunftsfähig zu gestalten. mittlung von Werten zu. Ein Beispiel, wie Impulse der Auslands- Wichtige Impulse erhielten die Besucher vorab auch in Vorträgen schularbeit die innerdeutsche Schulentwicklung beeinflussen zur Digitalisierung. „Digitalisierung ist in Estland kein Modewort, können, ist Martin Fugmann, ehemaliger Schulleiter der German sondern tägliches Leben“, gab ZfA-Fachberater Uwe Saegbarth aus International School Silicon Valley (GISSV), der auf dem Weltkon- Tallinn den Teilnehmenden mit auf den Weg. In e-Estonia gehe gress zum Thema „DAS und Digitalisierung“ über Chancen und man nur noch zum Amt, um zu heiraten oder sich scheiden zu Herausforderungen für die Schul- und U nterrichtsentwicklung lassen, alles andere sei digital möglich. Deutscher Auslandsschulen sprach. Podiumsdiskussion mit MdB Ulla Schmidt: Die anwesenden Bundestagsabgeordneten sicherten den Auslandsschulen ihre Unterstützung zu. Unterstützung durch die Politik gefordert Doch wie können die DAS gestärkt und zukunftsfähig gemacht werden? Dazu bedarf es auch der weitreichenden Un- terstützung durch die Politik, so der allge- meine Konsens. MdB Barbara Hendricks betonte in einer Podiumsdiskussion: „Dass die Auslandsschulen zum ersten Mal in einem Koalitionsvertrag vorkommen, kommt ja nicht von ungefähr. Und das gibt einerseits einen Auftrag und auf der anderen Seite natürlich auch die Möglichkeit, sich genau darauf Mit seinen Erfahrungen an der von den großen IT-Unternehmen zu berufen.“ Die Leiterin der ZfA, Heike Toledo, bekräftigte dabei umgebenen GISSV kann Fugmann die schulische Digitalisie- das Potenzial und den Wert von „Bildung made in Germany“. rung in Deutschland unterstützen. Seit seiner Rückkehr aus dem S ilicon Valley bietet der ehemalige Auslandsschullei- Von der Leistungsfähigkeit der DAS konnten sich die mehr als ter im Bereich „Digital Learning Leadership“ Führungskräfte 500 Teilnehmenden des Weltkongresses selbst überzeugen. Die qualifikationen unter anderem für die Deutsche Akademie heißen Rhythmen der Big Band der Deutschen Schule Lima begeis- für Pädagogische Führungskräfte in Dortmund an und be- terten Schulvertreter wie Bundestagsabgeordnete. Nach den Stan- rät Schulen, S chulträger, Landesinstitute und Bezirksregie- ding Ovations war für MdB Elisabeth Motschmann klar: Warum rungen. Zu den Gelingensbedingungen für die Digitalisierung die DAS gefördert werden, sehe man symbolisch an der Big Band; in Schulen gehört für F ugmann, der jetzt das Evangelische > BEGEGNUNG 2-2018 15
INLAND Christoph Veren- kotte, Präsident des Bundesver- waltungsamtes, gratulierte der ZfA zum Jubiläum (r.). Zahlreiche Foren dienten den teilnehmen- den Pädagogen zum fachlichen Austausch (l.). Stiftische Gymnasium in Gütersloh leitet, vor allem, den Fokus Bevor mit einer gemeinsamen Abschlussfeier aller drei Veranstal- auf den pädagogischen Mehrwert zu richten und L ehrkräfte zu ter der Weltkongress festlich ausklang, konnten die Teilnehmenden qualifizieren. von einer Vielzahl an Workshops profitieren. Ob beispielsweise zu den Themen Recht, Sicherheit, Gemischtsprachiges IB oder dem 50 Jahre ZfA: Lust auf Zukunft Gesamtsprachenkonzept: Innovative Impulse für die schulische Die Auslandsschularbeit stand auch beim Empfang anlässlich Arbeit vor Ort nahmen Schulleitungen, Verwaltungsleitungen und des 50-jährigen Jubiläums der ZfA im Mittelpunkt. In deren Schulvorstände mit auf die Heimreise. „Der viertägige Weltkongress Berliner Repräsentanz startete die ZfA-Geburtstagsfeier. Zahl- brachte einige wichtige Ergebnisse für das Auslandsschulnetzwerk“, reiche Schulen aus aller Welt hatten Video-Grußbotschaften resümiert Heike Toledo. „Wir haben mit diesem Kongress die Ver- mit Glückwünschen geschickt. Eine Slideshow präsentierte die netzung aller Schulpartner gestärkt und Diskussionen zu wichtigen ZfA-Jubiläumsausstellung und Alumni der geförderten Schulen Zukunftsthemen angestoßen. Nun gilt es, diese in der alltäglichen berichteten von ihren Bildungsbiografien. Arbeit fortzuführen und Ergebnisse umzusetzen.“ | „Sie haben dazu beigetragen, dass die ZfA 50 Jahre lang erfolgreich war und sicher auch in Zukunft bleiben wird. Sie sehen, wir haben Lust auf Zukunft, und wir wollen auch andere dafür begeistern.“ Mit diesen Worten wandte sich Christoph Verenkotte, Präsident des Bundesverwaltungsamtes, an die Gäste. „Diese Einstellung hat die ZfA von Anfang an geprägt.“ Er blickte kurz auf die wech- Im Rahmen des Weltkongresses Deutscher Auslandsschulen selvolle Geschichte der Auslandsschularbeit zurück und nannte 2018 in Berlin tagte auch die jährliche Mitgliederversamm- Höhepunkte. „Dass die Auslandsschularbeit weiterhin erfolgreich lung des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA). blieb, liegt auch daran, dass vor Jahren, manchmal Jahrzehnten, die Wie der Weltkongress verzeichnete auch die Mitgliederver- richtigen Weichen gestellt wurden.“ Seitdem fördere das deutsche sammlung des WDA eine Rekordbeteiligung: 157 ehrenamt- Auslandsschulwesen verstärkt die Begegnung mit den Menschen liche Vorstände sowie hauptamtliche Vorstandsbeauftragte, und der Kultur der Sitzländer. So sei eine Reihe Deutscher Aus- Geschäftsführer und Verwaltungsleiter der Mitgliedsschulen landsschulen mit bikulturellem Schulziel entstanden. Diese Tradi- des WDA nahmen an der Versammlung teil. Seit der letzten tion besteht weiterhin und wurde durch die PASCH-Initiative des Mitgliederversammlung 2017 konnte der WDA zwölf neue Auswärtigen Amts erweitert. „Die Schulen sollen mehr denn je als Mitglieder gewinnen. Dem Verband gehören inzwischen Kultur- und Bildungsvermittler in einer globalisierten Welt zur 147 Mitglieder an, darunter 122 der insgesamt 141 anerkann- Begegnung der Kulturen beitragen“, so Verenkotte. ten Deutschen Auslandsschulen. Bei den Vorstandswahlen wurden die Vorstandsmitglieder Nicholas Röhm (Valdivia) Regionale und weltweite Vernetzung als Schatzmeister und Friederike Gribkowsky (Bukarest) als Der letzte Tag des Weltkongresses stand ganz im Zeichen der Schriftführerin in ihren Ämtern bestätigt, Manfred Schmidt Vernetzung. Die Kernthemen der letzten Regionalen Netzwerk- (Bogotá) wurde neu in den Vorstand gewählt. Peter Raute tagungen wurden in Gruppen zu Perspektiven für die kommen- (Bogotá), der dem WDA bereits in der Gründungsphase vor den Netzwerktagungen weiterentwickelt. Schwerpunkte bildeten 15 Jahren angehörte, trat satzungsgemäß nicht zur Wahl an dabei neben der gremienübergreifenden Kommunikation und und schied aus dem Vorstand aus. Weitere Informationen Zusammenarbeit vor allem Zukunftsfähigkeit und Marketingstra- finden sich unter: www.auslandsschulnetz.de tegien der Schulen wie auch die Dachmarke DAS. 16 BEGEGNUNG 2-2018
MELDUNGEN Meldungen Schulleiter in Deutschland sind motiviert, aber überlastet Berlin. Knapp ein Viertel der Schulleiter in Deutschland würde Dennoch ist die Arbeitsmotivation der befragten Schulleiter hoch: diesen Beruf „wahrscheinlich nicht“ oder „auf gar keinen Fall“ Nahezu alle gehen gerne zur Arbeit (95 Prozent). Zur Entlastung weiterempfehlen. Das ist eines der Ergebnisse einer forsa-Umfrage wünschen sich die Befragten mehr Anrechnungsstunden, damit sie zur Berufszufriedenheit von Schulleitungen. Grund dafür seien vor Aufgaben delegieren können. Auch eine gesicherte Stellvertretung, allem Überlastung und mangelnde Unterstützung. So gibt jeder mehr Personal in Bereichen wie Gebäudewartung und Sekreta- sechste Befragte an, Aufgaben nur gelegentlich bis nie zur eigenen riat sowie Budgeterhöhungen würden aus ihrer Sicht für Verbes- Zufriedenheit erledigen zu können. Konkret berichteten die Schul- serungen sorgen. Für die repräsentative Untersuchung, die vom leitungen von einem stetig wachsenden Aufgabenspektrum insbe- Verband Bildung und Erziehung in Auftrag gegeben wurde, wur- sondere bei Verwaltungsarbeiten. Bemängelt wurde auch, dass der den 1.200 Schulleiter allgemeinbildender Schulen in Deutschland tatsächliche Schulalltag in der Politik nicht ausreichend beachtet telefonisch befragt. | [JSB] werde. Alltägliche Herausforderungen seien vor allem der Lehr- Weitere Informationen unter: kräftemangel sowie die Integration und Inklusion von Schülern. www.vbe.de/themen/schulleitung Bewertung der Schulpolitik durch die Schulleitungen Mittelwert: 3,8 Angabe in Prozent/Note 32 37 17 7 3 0 1 2 3 4 5 6 Quelle: Forsa/Verband Bildung und Erziehung e. V. Der Bildungsprofi für Technik Schule Ausbildung Hochschule Weiterbildung Automatisierung am Modell lernen A M den Industriemodellen von Christiani lernen Schülerinnen und Mit Schüler die SPS-Programmierung. Sc Ve Vermitteln Sie die Grundlagen der Automatisierungstechnik – am Einzelmodell oder in Kombination mehrerer Modelle zur Fertigungsstraße. od Di Bearbeitungseinheit vereint zum Beispiel eine Vertikalfräsmaschine, drei Die Förderbänder, zwei Schwenktische und einen schienengeführten Transport- Fö wagen mit Bandfördereinrichtung. wa Bearbeitungseinheit Alle Christiani Industriemodelle unter: christiani.de/fischertechnik
INLAND Interview „Man darf diese Dinge nicht verschweigen.“ Zu schnell, zu radikal, zu ideologisch – die Art, wie Inklusion an Schulen in Deutschland umgesetzt wird, schadet dem Bildungssystem und gefährdet das Wohl vieler Kinder. Dieser Meinung ist der Gymnasiallehrer und Autor Michael Felten. Im Interview mit Johanna Böttges plädiert er für eine ehrlichere Debatte. Herr Felten, was läuft falsch bei der Umsetzung der Inklusion? Sie sind Lehrer an einem Kölner Gymnasium. Welche Erfahrun- Das Ganze geht aus von der UN-Behindertenrechtskonvention, gen haben Sie persönlich mit Inklusion gemacht? die dafür plädiert, allen Kindern das Recht auf Bildung im allge- In Metropolen wie Köln gehen etwa 60 Prozent eines Jahrgangs meinen Schulsystem zu gewährleisten. In Deutschland ist von aufs Gymnasium. Das heißt, wir haben schon jetzt, ohne Kinder Teilen des pädagogischen Diskurses daraus gemacht worden: mit Lernbeeinträchtigung, eine riesige Palette an Leistungsfähig- Alle Kinder mit Beeinträchtigungen haben in Zukunft das Recht, keiten. Es ist überhaupt nicht möglich, jedem Schüler gerecht zu an jeder Schulform unterrichtet zu werden – was letztlich, wenn werden. Da kommen entweder die Schwächeren zu kurz, denen man es praktisch betrachtet, entweder eine extrem teure Lösung man versucht, am Gymnasium eine Chance zu geben – oder die bedeuten würde oder massive Beeinträchtigungen des Lernens Leistungsstarken. Es ist schwer vorstellbar, worin der Sinn beste- für alle Beteiligten. Die UNO hatte aber primär diejenigen Länder hen soll, auch noch Kinder mit geistigen Entwicklungsstörungen im Auge, in denen Kinder mit Behinderung bislang vom öffentli- aufzunehmen, die dort überhaupt keine Mitlernperspektive haben. chen Schulsystem ausgeschlossen sind. Was die UNO überhaupt nicht wollte, war, unser hochentwickeltes Förderschulsystem ein- Sie sprechen von einer „Inklusionsfalle“. Warum? zustampfen und dafür zu sorgen, dass sich in Deutschland eine Weil das Schlagwort „Gemeinsames Lernen“ auf den ersten Blick Einheitsschule entwickelt. sehr wohltuend anmutet. Es ist sicher eine grundsätzlich sinn- volle pädagogische Herangehensweise, dass man versucht, keine unnötigen Trennungen zwischen Schülern zu vollziehen. Dass die Kinder möglichst die ganze Vielfalt auch anderer Menschen kennenlernen sollen. Und wenn im allgemeinen Schulgesetz von NRW steht, Eltern haben das Recht, für ihr Kind mit besonde- rem Förderbedarf eine Regelschule zu wählen, hört sich das gut an. Aber wenn das Kind dann dort im Gegensatz zur Förderschule nur zwei oder drei Stunden pro Woche von einer sonderpädago- gischen Kraft betreut wird, fällt dieser wohlklingende Begriff in sich zusammen. Es erlebt die riesigen Leistungsfortschritte von Schülern, die besser zurechtkommen. Damit riskiert man zusätz- liche Entwicklungsstörungen für dieses Kind. Für die anderen unter Umständen auch. Und für den Lehrer, der versucht, sich zu zerreißen, eben auch. Wenn das Gemeinsame Lernen Grenzen hat, inwieweit kann man dann überhaupt noch von Inklusion sprechen? Die radikale Inklusion nach dem Motto „Wir gehen alle in dieselbe Schule und das tut uns allen am besten“ ist einfach eine Illusion. Michael Felten arbeitete 36 Jahre als Gymnasial lehrer für Mathematik und Kunst in Köln. Er An Modellschulen hat man sehr fruchtbare Erfahrungen mit be- ist Dozent in der Lehrerausbildung und Autor grenzter Inklusion gemacht, früher Integration genannt. Zu 20 pädagogischer Sachbücher. Für „Zeit Online“ oder 25 „Regelkindern“, wie ich das kurz nenne, kommen 5 wohl- beantwortet er Fragen an den Lehrer in der Serie „Schulfrage“. Sein jüngstes Projekt findet sich ausgesuchte Förderkinder, die einen ähnlichen Förderbedarf ha- unter: www.initiative-unterrichtsqualitaet.de ben. Neben der normalen Grundschullehrerin hat die Klasse eine 18 BEGEGNUNG 2-2018
INLAND Sonderpädagogin, die die ganze Zeit mit dieser kleinen Gruppe und Förderklasse in einem Schulverband, also etwa einer Real- oder in Verbindung mit den Regelschülern arbeiten kann. Das ist et- Hauptschule, die eine Regelklasse als Partnerklasse hat. Und die was, das funktioniert. Es liegen mittlerweile aber jede Menge War- sind in direktem Austausch. Sie machen nicht nur Feste und Au- nungen und Erfahrungsberichte von Lehrern und Leitern solcher ßerschulisches zusammen, sondern haben zum Beispiel Sport Schulen vor, die sagen: Wir haben bis zu dreißig Jahre sehr positive zusammen. Alles, wo man wirklich Gemeinsamkeit erleben kann. Erfahrungen mit dieser Art von integrierender Bildung gemacht. Aber wenn jetzt an allen Schulen der Sparmodus der Inklusions- Sinnvoll können auch Partnerschulen sein. Förderschule und Re- schule praktiziert wird – der Sonderschullehrer guckt nur noch gelschule können in dichterem Kontakt zueinander stehen, nicht sporadisch rein und vielleicht ist ab und zu noch ein Schulbegleiter nur baulich. Es ist auch denkbar, so wie es in Nordrhein-Westfalen dabei –, dann können wir unsere Modellschulen schließen. jetzt angestrebt wird, Schwerpunktschulen zu bilden, zum Beispiel im Sek-I-Bereich oder im Grundschulbereich. Das sind Regelschu- Für wen kann so ein integrativer Unterricht gelingen und für len, an denen besonders gute Bedingungen bestehen, um Kindern wen nicht? mit besonderem Förderbedarf gerecht zu werden. Dann wäre also Das kommt auf die Schulform an, also das Anforderungslevel ei- nicht mehr jede Grundschule verpflichtet, Förderkinder aufzu- nes Gymnasiums, einer Realschule, einer Hauptschule. Und da ist nehmen, wie von der Vorgängerregierung gedacht. Dort wären es sicher so, dass Kinder etwa mit dem Förderschwerpunkt geistige aber auch mehrere Sonderpädagogen, die alle Förderbedarfe ab- Entwicklung an einer Realschule nicht wirklich gut aufgehoben decken, sodass diese Schulen den Kindern die geballte Kompetenz sein können. Denn sie erleben dort nicht das, was man sich unter der sonderpädagogischen Fachkräfte zur Verfügung stellen. Das dem Begriff Gemeinsames Lernen vorstellt. Sie erleben gerade den war in den letzten vier oder fünf Jahren nicht der Fall. großen Unterschied. Wir haben es bei dieser überhasteten und schlecht ausgestatteten Inklusion mit einer Logik des Misslingens Welche Rolle sollten Förderschulen künftig spielen? zu tun. Man findet einen schönen Begriff, „Gemeinsames Lernen“, Unsere Förderschulen, in denen die Lehrer kleine Gruppen be- um das Empfinden von Unterschieden zu reduzieren. Tatsächlich treuen und die Kinder über längere Zeit kennen, haben bisher wird dieses dadurch aber verstärkt. sehr gute Arbeit geleistet. Das ist durch die Inklusionseuphorie der letzten Jahre arg in den Hintergrund getreten. Die Förderschule Kennen Sie Positivbeispiele? sollte auf jeden Fall erhalten bleiben, weil sie den Kindern mit In einigen Bundesländern gibt es andere Zugangsweisen. Dazu besonderen Entwicklungsstörungen – entweder in bestimmten gehört zum Beispiel in Bayern und Baden-Württemberg die Eta- Phasen ihrer Schullaufbahn oder in manchen Fällen auch wäh- blierung sogenannter Partner- oder Außenklassen. Das ist eine rend der ganzen Zeit – die besseren Förderbedingungen bietet. > BEGEGNUNG 2-2018 19
INLAND Anteil der Schüler mit sonderpädagogischer Förderung und denen jetzt Fördermittel gekürzt werden, wenn für sie kein Angaben in Prozent aller Schüler an allgemeinbildenden expliziter Förderbedarf im schwereren Sinne festgestellt wird. Wir Schulen müssen jedem Kind stärker gerecht werden. Das bedeutet zum Beispiel für hochbegabte Kinder, dass sie einerseits mit weniger leistungsstarken Kindern zusammenkommen, andererseits aber 2000/01 2016/17 auch spezielle Anregungs- und Verwirklichungsmöglichkeiten finden. Es ist tragisch, dass wir durch diesen unausgereiften Inklu- sionssturm in manchen Bundesländern in eine Situation gekom- 2,8 men sind, wo alle Betroffenen ganz schnell sagen: Damit will ich 0,7 lieber nichts zu tun haben. Beim Inklusionsgedanken geht es auch um den Umgang mit 4,3 4,6 Heterogenität im weiteren Sinne, zum Beispiel hinsichtlich kultureller oder sozialer Hintergründe. Wie lässt sich damit umgehen? Es ist eine grundsätzliche Herausforderung für Schule, dass sie Förderquote 5,3 Förderquote 7,1 versucht, eine Verbindung zwischen Gemeinsamem und Beson- derem zu schaffen. Das sieht man in jedem Fachunterricht, bei An Förderschulen jeder Klassenunternehmung. Sie haben immer Kerne, die sie ge- An sonstigen allgemeinbildenden Schulen meinsam gestalten können, aber bei einzelnen Schülern jeweils spezielles Vorwissen, spezielle Interessen, spezielle Abneigungen, spezielle Schwierigkeiten. Das muss man versuchen zu verbinden. Die Erfahrung zeigt, dass das innerhalb eines sorgfältig geglie- Mehrzahl der Bundesländer bleiben sie der vorherrschende Ort für sonder- - derten Schulsystems eigentlich gut möglich war. Das gegliederte Schulsystem ist viel effektiver und sinnvoller, als manche Debat- in Förderschulen unterrichtet. Die Inklusions- und Förderquoten variieren ten nahelegen. Man hat auch innerhalb einer Gymnasial-, Haupt- jedoch stark je nach Bundesland. oder Realschulklasse ein Leistungsspektrum. Die sind nicht Quelle: Sekretariat der KMK 2018/Nationaler Bildungsbericht homogen. Aber man kann in dieser gemäßigten Heterogenität besonders gut lernen. | Die Übergänge zwischen Förderschulen und Regelschulen müss- ten aber flexibler sein. Man müsste immer entscheiden können: Wo soll ein Kind jetzt im Moment, für das nächste Quartal oder Halbjahr, beschult werden? Wir müssen dual-inklusiv denken. Diesen Begriff hat Otto Speck, emeritierter Sonderpädagoge der LMU München, geprägt. Es geht darum, für jedes einzelne Kind festzustellen, wo es optimal aufgehoben ist. Das ist für die meisten Kinder die Regelschule. Und für manche Kinder ist es eben, pha- senweise oder auch für die ganze Schulzeit, die Förderschule mit ihrer hochspezifischen Expertise. Die Gruppe der Hochbegabten steht häufig zwischen den Stühlen. Wo sehen Sie künftig deren Platz? Zwischen den Stühlen stehen auch Kinder, die als Legastheniker anerkannt wurden oder denen man eine Rechenschwäche at- testiert hat. Das sind alles Kinder, die bisher Förderung erfuhren Zum Weiterlesen: Michael Felten: „Die Inklusionsfalle – Wie eine gut gemeinte Idee unser Bildungssystem ruiniert“, Gütersloher Verlagshaus 2017 20 BEGEGNUNG 2-2018
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