Theodosia - SCSC Ingenbohl

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Theodosia - SCSC Ingenbohl
Theodosia
3/4 2020
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Zeitschrift der
Barmherzigen Schwestern
vom heiligen Kreuz
Institut Ingenbohl
CH-6440 Brunnen

135. Jahrgang Nr. 3/4 2020
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Redaktionsteam:
      Schwester Christiane Jungo
      Schwester Edelgund Kuhn
      Schwester Verena Maria Oberhauser
      Schwester Elsit J. Ampattu
      Schwester Dorothee Halbach

      Adresse:
      christiane.jungo@kloster-ingenbohl.ch

      Layout und Druck:
      Triner Media + Print
      6430 Schwyz

      Design:
      Schwester Gielia Degonda
106
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Inhalt
                                                                             Theodosia 2020, 3/4

Titelbild                                  108   In Dankbarkeit an die Vergangen-           120
                                                 heit erinnern
Editorial                                  109   Goldenes Jubiläum der Provinz Indien
Sr. Christiane Jungo, Ingenbohl                  Schwestern der fünf indischen Provinzen

Tun, was Gott tut                          111   Freundeskreis der Barmherzigkeit           130
Josef Epping in Christ in der Gegenwart,         Assoziierte im Vikariat Taiwan
72. Jahrgang, Nr. 29, 19. Juli 2020              Sr. Michelle Huang, Tatung-Malän, Taiwan

Der Ort, wo Himmel und Erde                113   Unsere Generalkapitel                      136
sich begegnen                                    Sr. Canisia Mack, Hegne, Sr. Christiane
P. Emmeram Stacheder OFM, Ingenbohl              Jungo, Ingenbohl

Wir sind immer noch unterwegs              116   Theodosius Akademie der Stiftung           148
Gründung der Provinz Steiermark-Kärnten          Kloster Hegne als Antwort auf ein
vor 150 Jahren                                   Bedürfnis der Zeit
Magdalena Schauer in Mitteilungen der            Interview mit Sr. Benedicta-Maria Kramer
­Ordensgemeinschaften Österreichs                und Markus R. T. Cordemann, Hegne

Hier sollten wir ein Provinzhaus           118   Corona                                     151
haben                                            Max Feigenwinter, Sargans
Sr. Josefa Harter, Hegne
                                                 Mitteilungen der Generalleitung            152
                                                                                                   107
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Sr. Caritas Müller OP, Cazis CH, Geschichte und Zeit in Gottes Händen.
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Editorial

Seit Monaten ist unser Leben von der Corona-Pandemie bestimmt. Sie konfrontiert
uns mit Erfahrungen, die wir in unserem Leben bisher so nicht machen mussten.
In zeitlichen Abständen hat uns Schwester Marija Brizar, unsere Generaloberin,
Nachrichten übermittelt über den Alltag der Schwestern in allen Provinzen und Vi-
kariaten. Mehr noch als sonst fühlen wir uns als grosse Familie, die eine gemein-
same Sorge teilt, und die dankbar ist für jede positive Nachricht. Mutter M. The-
resia würde uns ermuntern: «Nicht verzagen, sondern auf den schauen, von dem
alle Kraft kommt.»
Für die «Theodosia» Nr. 3 und 4 waren Texte, Ereignisse und Bilder vorgesehen
vom 23. Generalkapitel unserer Kongregation. Bekanntlich ist es um ein Jahr ver-
schoben worden.
Nun erscheint eine Doppelnummer mit Inhalten, die sich hauptsächlich aus der
laufenden Institutsgeschichte ergeben haben.

Im ersten Beitrag rät uns Josef Epping zu hören und zuzuhören, nämlich: «Tun,
was Gott tut.»

Am Festtag von Mutter M. Theresia zeigte uns P. Emmeram Stacheder OFM in der
Klosterkirche in Ingenbohl einen besonderen Ort: «Der Ort, wo Himmel und Erde
sich berühren.»

Die Schwestern der Steiermark-Kärnten hatten Grosses vor, um der 150 Jahre
ihres Wirkens zu gedenken. Das Fest fand statt – einfach anders als geplant. Mag-
dalena Schauer berichtet darüber in den Mitteilungen der Ordensgemeinschaften
Österreichs: «Wir sind immer noch unterwegs.»

Zu feiern hatte auch die Provinz Baden-Württemberg, die vor 125 Jahren gegrün-
det wurde. Sr. Josefa Harter fasst die Geschichte kurz zusammen unter dem Titel:
«Hier sollten wir ein Provinzhaus haben.»

Vor 50 Jahren wurde aus der sogenannten «Mission Indien» die erste Provinz In-
dien. Schwestern aus den heutigen fünf indischen Provinzen berichten von ihren
Feiern: «In Dankbarkeit an die Vergangenheit erinnern.» – Goldenes Jubiläum der
Provinz Indien.
                                                                                    109
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Die Schwestern im Vikariat Taiwan geben ihr Charisma an assoziierte Frauen und
      Männer weiter im «Freundeskreis der Barmherzigkeit». Vom Unterwegssein dieser
      Gruppe erzählen Sr. Michelle Huang und einige Mitglieder.

      Mit einem kurzen Blick überschauen wir die bisherigen 22 Generalkapitel unserer
      Kongregation: «Unsere Generalkapitel», zusammengestellt von Sr. Canisia Mack
      (Kapitel 1880–1996) und Sr. Christiane Jungo (Kapitel 2002–2014).

      Die Provinz Baden-Württemberg eröffnete am 14. Februar 2020 die Theodosius
      Akademie der Stiftung Kloster Hegne. Im Interview erklären Sr. Benedicta-Maria
      Kramer und Markus R. T. Cordemann, Leiter der Theodosius Akademie, was hin-
      ter dieser Neugründung steckt.

      Ein Gedicht aus aktuellem Anlass: «Corona» von Max Feigenwinter aus seiner
      Sammlung Gedichte – und noch dies …

      Durch die «Mitteilungen der Generalleitung» erfahren wir von Neubesetzungen der
      Provinzleitungen der Provinzen Tschechien und der Schweiz.

      Sr. Christiane Jungo
110
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Tun, was Gott tut
Josef Epping in «Christ in der Gegenwart»,
72. Jahrgang, Nr. 29, 19. Juli 2020

Die Corona-Zeit zeigt uns Grenzen, aber auch neue Möglichkeiten auf. Eine der Grenzen ist die schein-
bare Ohnmacht. Eine Möglichkeit der Rat im folgenden Beitrag, das zu tun, was Gott tut, nämlich
hören, hinhören, zuhören.

Wer leidet, dem fehlt die Luft zum                  heimlich weinen, und dann – ganz un-
Atmen. Oft bleibt nur ein Stöhnen                   abhängig von der Pandemie – Kinder,
– doch Gott hört trotzdem zu.                       die sexuelle Gewalt erleiden. Sie wer-
                                                    den Jahre und Jahrzehnte brauchen,
Die Leiden der jetzigen Zeit – zu diesem            um sagen zu können, was ihnen ange-
Thema wüssten heutzutage sicher viele               tan wurde.
Menschen etwas zu sagen. An die Sor-                Paulus schreibt im 8. Kapitel an die
ge vieler Zeitgenossen ums Toiletten-               christliche Gemeinde in Rom von «den
papier kann man heute schon mit einem               Leiden der jetzigen Zeit» (Vers 18). Es
Lächeln zurückdenken, aber dann ka-                 fällt auf, dass Paulus in diesem Ab-
men die Schwierigkeiten der Kinderbe-               schnitt seines Briefes die Leidenssitua-
treuung oder die ungewisse Urlaubsrei-              tion mehrfach mit einem griechischen
se, für viele auch Kurzarbeit oder gar              Wort kennzeichnet, das mit unserem
Arbeitslosigkeit. Viele Interessengrup-             «Stöhnen» verwandt ist (in den Bibel-
pen weisen gegenwärtig lautstark da­                übersetzungen wird es oft mit «Seufzen»
raufhin, wie der eigene Bereich leidet              übersetzt): Die ganze Schöpfung stöhnt
und fordern mit viel rhetorischem Auf-              bis zum heutigen Tag wie in Geburtswe-
wand die Unterstützung durch Gesell-                hen (Vers 22), wir selbst stöhnen in un-
schaft und Staat.                                   serem Herzen und warten auf Erlösung
Nüchtern betrachtet, wird man sagen                 (Vers 23), Gottes Geist tritt für uns ein
müssen, dass die Leiden in dieser Zeit              mit wortlosem Stöhnen (Vers 26).
sehr ungleich verteilt sind. Im Stillen lei-        Paulus greift darin die Erfahrung auf,
den die, die ihre Stimme nicht erheben              dass unsere erste natürliche Reaktion
können. Das sind zum Beispiel Men-                  auf Schmerz und Leid solch unartiku-
schen in Alten- und Pflegeheimen, die               lierte Laute sind wie Seufzen, Schluch-
in ihrer Einsamkeit darben. Menschen                zen, Ächzen, Wimmern, Jammern und
in Einrichtungen für geistige Behinde-              eben Stöhnen. Diese deutschen Worte
rungen, die nicht wissen, wie ihnen ge-             bilden lautmalend das Geräusch nach,
schieht, wenn Angehörige sie nicht                  das der Körper unter innerem Druck
mehr in den Arm nehmen, ausländische                hervorbringt. Alle diese Geräusche be-
Arbeiter in Schlachthöfen, die vor Er-              ruhen auf dem gepressten, nicht frei
schöpfung und Schmerzen nachts                      strömenden Atem. Wer mit seinem Leid
                                                                                                        111
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allein ist, kommt oft über diese Aus-      wenn er angesichts der «Leiden dieser
      drucksformen für den Schmerz nicht         Zeit» den Gottesgeist ins Spiel bringt.
      hinaus. Es fehlen einem die Worte. Man     In vielen Sprachen ist das Wort für
      braucht einen Menschen, mit dem man        Atem auch das Wort für den Geist. «Der
      reden kann, damit diese Worte nach         Lebensatem ist der Gottesgeist», sagt
      und nach gefunden werden.                  der Theologe und Seelsorger Thomas
      Den nicht in Worte artikulierten           Philipp.
      Schmerz hört Paulus in der ganzen          «Tun, was Gott tut» heisst ein Kapitel in
      Schöpfung. Er hört ihn beim leidenden      dem fünfzig Jahre alten Klassiker des
      Menschen. Er weiss: Gott versteht die-     christlichen Gebets von Jörg Zink «Wie
      ses Stöhnen, Seufzen, Schluchzen,          wir beten können». Das ist doch eine
      Ächzen, Wimmern, Winseln und Jam-          Idee für Menschen, die überlegen, wie
      mern. Es ist schon Gebet. Gott braucht     sie auf die aktuelle Krise reagieren kön-
      keine grossen Worte. Er braucht keine      nen: Tun, was Gott tut – hinhören, nicht
      kunstvoll formulierten Gebete. Paulus      dorthin, wo laut getönt wird, sondern
      geht noch weiter: Gottes Geist macht       zuhören, wo der wortlose Schmerz de-
      das wortlose Stöhnen von Schöpfung         rer ist, die keine Stimme haben. Tun,
      und Menschen zu seinem eigenen             was Gott tut – diesen Menschen Gehör
      Stöhnen. Und so tritt er selbst für die    verschaffen, für sie eintreten, sich zu
      Menschen und alle Kreaturen ein. Er        ihrem Anwalt machen, ihr Leiden in
      wird zu ihrem Anwalt und legt ein Wort     Worte fassen – mit lauter Stimme. r
      für sie ein.
      Der gepresste Atem ist ein Signal für
                                                 Mit Abdruckerlaubnis des Verlags «Christ in der
      das Leiden der Kreatur. Wenn jemand
                                                 Gegenwart», Verlag Herder, und des Autors Josef
      in unseren Leiden für uns eintritt, kön-   Epping, Gymnasiallehrer für katholische Religion
      nen wir aufatmen, unser Atem kann          und Deutsch am Franz-Stock-Gymnasium in Ne-
      wieder frei strömen. Das weiss Paulus,     heim-Hüsten
112
Der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren
Predigt am Fest der seligen Mutter Maria Theresia Scherer
P. Emmeram Stacheder OFM, Rector ecclesiae, Ingenbohl

Hunderte von Predigten und Ansprachen ranken sich um das Leben von Mutter M. Theresia. Jede
eröffnet einen neuen Zugang zu ihrem Leben. Jede zeichnet eine neue Spur für unser Leben – so wie
die Festtagspredigt in der Klosterkirche.

Liebe Schwestern!                                 und aufgebaut hat. Ihre tiefe Innerlich-
«Graubünden – Wo die Schweiz den                  keit, ihre Gottverbundenheit, gaben ihr
Himmel berührt.» Das war der Titel ei-            Kraft zu Werk und Tat. Nach Gebet und
ner Fernsehdokumentation über diesen              Schweigen traf sie ihre Entscheidungen
Kanton am vergangenen Sonntag auf                 und zog diese auch konsequent durch.
SWR. Graubünden, vor allem Chur, soll-            In ihrer Person waren Maria und Martha
te ab 1. März 1852 der erste grosse Wir-          von Bethanien in besonderer Weise ver-
kungsort werden für Sr. Maria Theresia            eint. Hören auf Gottes Stimme in Stille
Scherer, nach sieben Jahren unruhigen             und Gebet gaben ihr die Kraft zum gu-
Wechseln auf verschiedenen Posten.                ten Werk. Gaben ihr Kraft, die Anfein-
Das Kreuzspital, die Planaterra, Ausbil-          dungen und falschen Unterstellungen,
dung der Ordensjugend Führung des                 mit denen sie konfrontiert wurde, selbst
Spitals und vieles andere. «Äusserst              aus den Reihen des Klerus, durchzu-
ungern» ging sie dorthin, sagt sie                stehen und zu bewältigen. «Wenn ich
selbst. Aber unter ihrer Leitung ent-             auch bekennen muss, dass mir bange
stand dort in kurzer Zeit ein Zentrum,            ist ob der Zukunft, so kann ich doch,
das Ausbildung und Caritas, Schule                gestärkt durch die Gnade von oben, sa-
und Krankenpflege vereinte.                       gen: Ich verzage nicht!» So schreibt sie
Die politische Lage aber war ihrem Werk           in einem Brief an die Schwestern.
nicht gut gesinnt und schränkte ihr Wir-          So ist es auch verständlich, dass 1888
ken erheblich ein. So kam es zur Neu-             im ersten Heft der «Schweizerischen
gründung in Ingenbohl, wohin Sr. Maria            Portraits Galerie» als vierte von acht
Theresia dann 1857 als erste gewählte             Persönlichkeiten das Bild der General-
Generaloberin wechselte. Dies sollte der          oberin von Ingenbohl aufschien, neben
zweite und grösste Ort ihres Lebens               Bundes- und Nationalräten und Künst-
und Wirkens werden. Der neue Ort, wo              lern. In einer Zeit, wo die kulturkämp-
Himmel und Erde sich berühren.                    ferischen Ideen und Gehässigkeiten
Das immer wieder Neuanfangen, mit-                gegenüber Kirche und Religion, vor al-
unter in ärmlichsten Verhältnissen, hat           lem den Klöstern gegenüber, noch le-
viel Kraft gekostet. Umso mehr erstaunt           bendig waren, ist das ein starkes Zei-
es, was diese Frau zu Wege gebracht               chen.
                                                                                                    113
Aufstieg zum Kloster Ingenbohl.

      Wo die Schweiz den Himmel berührt.        Versöhnung und das Frieden stiftet, das
      Da gibt es einige Orte: Bruder Klaus,     Gerechtigkeit schafft. Gerechtigkeit ist
      Bernarda Bütler, Margrit Bays, um nur     ja die Grundlage für die Barmherzigkeit.
      einige zu nennen. Aber für uns ist In-    Beides zeigt sich in den Werken der
      genbohl dieser Ort, wo Menschen das       Nächstenliebe. «Was ihr dem Gerings-
      erleben und erfahren. Doch sind es        ten getan habt, das habt ihr mir getan»,
      nicht nur Orte, wo dies spürbar ist.      sagt das Evangelium. Durch diese Taten
      Mehr noch: Es sind Menschen, die sich     und Worte berühren sich Himmel und
      von Gott anrühren lassen und dann         Erde, Gott und Mensch.
      wiederum die Menschen anrühren in         Die Schnittstelle zwischen Himmel und
      Wort und Tat. Das Wort, das Menschen      Erde ist also der Mensch selbst. In die-
      leben und aufleben lässt. Das Wort, das   sem Sinne ist auch Mutter M. Theresia
114
eine Schnittstelle von Himmel und Erde.      reicht. Die grosse Zahl der Lichter ga-
Der Ort des Alltags war für sie der Ort      ben und geben davon Zeugnis. Ein Ort,
der Gegenwart Gottes in den Werken           wo die Menschen die Kraft erfahren, die
und Worten der Nächstenliebe. Auch für       ihnen wieder hilft zu leben. In der Kryp-
uns ist der Alltag der eigentliche Ort der   ta ist dies durch die Farben braun und
Gegenwart Gottes, nicht nur die beson-       blau ausgedrückt. Es ist das Eingehen
ders ausgesuchten Stellen und Orte.          des Himmels in die Erde und umge-
Dies besagt auch die Legende von den         kehrt.
zwei Mönchen, die unterwegs waren,           Ingenbohl – wo die Schweiz den Him-
um diesen sagenhaften Ort zu suchen,         mel berührt. Aber nicht nur das Land,
wo Himmel und Erde sich berühren und         die Menschen, die hierherkommen, er-
letztlich wieder in ihrer Zelle ankommen.    leben das. Und dies gilt nicht nur für die
Jenen Ort, wo sie bisher zufrieden wa-       selige Maria Theresia Scherer. Wir alle
ren und glückliche Momente erlebten.         sind, aufgrund von Taufe und Firmung,
Der Alltag als Ort der Gegenwart Got-        zur Heiligkeit berufen. Durch uns, unse-
tes, das will uns heute Mutter M. There-     re Worte und Werke der Liebe, der Ge-
sia sagen und mitgeben. So ist ihr Grab      rechtigkeit, der Versöhnung und des
in der Krypta zu einer Schnittstelle ge-     Friedens, kann der Ort werden, wo die
worden, die Himmel und Erde verbin-          Erde den Himmel berührt. Wenn wir
det, Gott und Mensch einander nahe-          unsere «Berührungsängste» überwin-
bringt.                                      den, kann es geschehen. Berührungs-
In der Zeit der Corona-Krise, wo vieles      ängste Gott und den Menschen gegen-
nicht mehr wie gewohnt ist, da ist die-      über. Bemühen wir uns und um mit den
ser Ort für viele das Fenster zum Him-       Worten Mutter M. Theresias zu spre-
mel. Der Ort jener Hoffnung, die über        chen: «Tun wir dafür täglich das, was in
alle Begrenzung in das Leben hinein-         unseren Kräften steht.» Amen.          r
                                                                                          115
Wir sind immer noch unterwegs
      Gründung der Provinz Steiermark-Kärnten vor 150 Jahren
      Magdalena Schauer in: «Ordensgemeinschaften Österreichs»

      Die Schwestern in Graz hatten sich ihr Jubiläum feierlich und gross vorgestellt. Es wurde zwar gefei-
      ert – aber Corona-bedingt anders als geplant. Nicht das erste Mal in ihrer Geschichte kam etwas
      anders als geplant.

      Der Festtag                                         Unter dem Motto «Leben in Fülle ist uns
                                                          geschenkt – wir sind immer noch unter-
      Mitte Juni 2020 beging man das Fest                 wegs» beginnen wir dieses Jubiläums-
      der seligen Mutter Maria Theresia                   jahr, um an den Einsatz von 1500
      Scherer in der Klosterkirche der Kreuz-             Schwes­tern an 130 Wirkungsorten zu
      schwestern in Graz. Für das 150. Jubi-              erinnern.
      läumsjahr zur Gründung der Provinz                  Bischof Egon Kapellari bezeichnete
      war viel geplant, das nun nicht stattfin-           Mutter Maria Theresia Scherer als un-
      den konnte. Dennoch fand eine kleine,               gewöhnliche, grossartige, starke Frau
      würdige Feier mit Bischof Kapellari                 und bedankte sich bei den Schwestern
      statt.                                              für die treue Verbundenheit mit der Kir-
                                                          che im Sinne des Zweiten Vatikanischen
                                                          Konzils: «Sie haben Türen und Fenster
                                                          Ihrer Institutionen und Werke nach aus-
                                                          sen immer für alle offen gehalten.»

                                                          Kreuzschwester sein
                                                          Was es bedeutet, Teil dieser Gemein-
                                                          schaft zu sein, ist auf der ordenseige-
                                                          nen Homepage schön formuliert:
                                                          «Wir Kreuzschwestern schwingen keine
                                                          grossen Reden, aber wir haben eine
                                                          wichtige Botschaft. Und wir handeln.
                                                          Das Kreuz bedeutet für uns eine ver-
                                                          trauensvolle Hinwendung und stetige
                                                          Veränderung zum Guten, das sich aus
                                                          festem Glauben an die Liebe erschafft.
                                                          In eben diesem Glauben an die Liebe
      Eva Maria Heigel, von der Wirtschaftsleitung,
      Sr. Maria Bosco Zechner, Bischof em. Egon Ka-       blenden wir Leid und Scheitern nicht
      pellari. Foto: Neuhold in SONNTAGSBLATT             aus, sondern wenden uns proaktiv die-
116
sen Seiten des Lebens zu. Auf Augen-      Teil der grossen Frauenbewegung
höhe mit Bedürftigen. In Achtsamkeit      Die rasch wachsende Gemeinschaft
für das Gegenwärtige. Mit Dankbarkeit     wurde ein Teil der grossen «Frauenbe-
für alles, das wir bewirken.»             wegung» des 19. Jahrhunderts. Die
                                          Schwestern engagierten sich dort, wo
Man wollte die wachsende Not              ihre Hilfe am dringendsten benötigt
bekämpfen                                 wurde: In Armenhäusern, Altenheimen,
Wie zahlreiche andere christliche Ge-     Anstalten für körperlich und geistig Be-
meinschaften im 19. Jahrhundert ent-      hinderte sowie Gefängnissen betreuten
stand auch die Kongregation der Barm-     sie Menschen, die von der Gesellschaft
herzigen Schwestern vom heiligen          vergessen worden waren. Sie unterrich-
Kreuz (Kreuzschwestern) aus der Inten-    teten in Kindergärten und Schulen, be-
tion heraus, die wachsende Not zu be-     treuten Internate und Kosthäuser für
kämpfen.                                  Lehrlinge, um durch Bildung die Wei-
Der Schweizer Kapuziner P. Theodosius     chen für ein besseres Leben zu stellen.
Florentini (1808–1865) setzte sich als    Die Schwestern waren aber auch ver-
Ziel, die drängenden sozialen Probleme    fügbar, wenn sie zu verwundeten Sol-
der Zeit und das Elend der Fabrikarbei-   daten auf Kriegsschauplätzen und in
ter zu lindern und vor allem die Ursa-    Lazarette gerufen wurden oder wenn
chen dieser Not – Bildungsnotstand,       Kranke in Epidemiegebieten ihrer Hilfe
das Erziehungsdefizit der Jugend und      bedurften. «Ganz dem Gekreuzigten,
schliesslich das ausbeuterische kapita-   darum ganz dem Nächsten: Der Liebe
listische Wirtschaftssystem – zu be-      Christi Stellvertreterin», so die Inschrift
kämpfen. Pater Theodosius wollte eine     Mutter Maria Theresias auf die Grab-
Erneuerung der Gesellschaft nicht auf     platte der ersten vier Schwestern, die in
revolutionärem Weg, sondern aus der       jungen Jahren in Rom bei der Pflege
innovativen Kraft des Christentums, die   von Typhuskranken Opfer ihres Berufs
über Schule und Caritas wirksam wer-      geworden waren.
den sollte.
Gemeinsam mit Sr. Maria Theresia          Bis heute ist dieser Pioniergeist ihrer
Scherer (1825–1888), erste Generalobe-    Gründer in der Gemeinschaft aktuell:
rin und Mitbegründerin der Barmherzi-     «Wir versuchen damals wie heute, den
gen Schwestern vom heiligen Kreuz,        Bedürfnissen der Zeit entsprechend zu
konnte er viele Frauen begeistern und     handeln und für eine ’Kultur der Liebe’
zu einem apostolischen Ordensleben        einzutreten.»
motivieren.                                                                   r
                                                                                        117
Hier sollten wir ein Provinzhaus haben
      125 Jahre Provinz Baden-Württemberg
      Sr. Josefa Harter, Hegne

      Hegne am Bodensee. Foto: Kloster Hegne

      Ein kurzer Blick in die                     schwestern von Hegne in diesem Jahr
      Vergangenheit und Gegenwart                 das 125-Jahr-Jubiläum feiern.
                                                  Im Lauf der Jahrzehnte bildeten sich die
      «Hier sollten wir ein Provinzhaus ha-       Schwerpunkte unseres Wirkens heraus:
      ben», so äusserte sich unsere Gründe-       Pflege, Erziehung und Bildung, Gast-
      rin, Mutter Maria Theresia Scherer, als     lichkeit für Leib und Seele. Diesen Auf-
      sie 1886 auf der Fahrt entlang des          gaben dienen bis heute die Einrichtun-
      ­Bodensees Richtung Konstanz am             gen in Hegne, diesen Diensten widme-
       Schloss­gut Hegne vorbeifuhr. Es sollte    ten sich im Lauf der Geschichte etwa
       Klosterheimat für die rund 250 Schwes-     2700 Schwestern auch in zahlreichen
       tern werden, die zu dieser Zeit schon in   Gemeinden. Seit etwa zwanzig Jahren
       Süddeutschland wirkten. Im Jahr 1895       erfüllen wir unseren Auftrag mit einer
       erfüllte sich dieser Wunsch durch die      wachsenden Zahl angestellter Mitarbei-
       Gründung der heutigen Provinz Baden-       terinnen und Mitarbeiter, inzwischen
       Württemberg. So können wir Kreuz-          etwa 300. Die Schwesterngemeinschaft
118
selbst zählt wenig über 200 Schwestern      Gründung einer Stiftung dies am si-
mit einem Altersdurchschnitt von 80         chersten gewährleistet. Seit 2018 be-
Jahren.                                     steht nun die «Stiftung Kloster Hegne»,
                                            in die nach und nach unsere Einrichtun-
Angesichts dieser Zahlen stellten wir       gen in Hegne überführt werden. Spiri-
uns 2013 in einem Provinzkapitel die        tuell fundiert, fachlich kompetent und
Frage: Wie können unsere Dienste für        wirtschaftlich gesichert, kann, so hoffen
die Menschen, die in 125 Jahren immer       wir, unter dem Dach der Stiftung der
wieder neu gestaltet und konkretisiert      Auftrag der Schwestern am geprägten
wurden und auch heute noch wie in den       Ort Kloster Hegne weitergeführt wer-
Anfängen aktuell sind, für die Zukunft      den, kann das Gründercharisma unter
gesichert werden? In einem mehrjähri-       neuen Rahmenbedingungen und Kon-
gen spirituellen und fachlich begleiteten   kretisierungen lebendig bleiben und
Organisationsentwicklungsprozess ka-        weiter getragen werden.
men wir zur Überzeugung, dass die                                                 r

                                                                                        119
In Dankbarkeit an die Vergangenheit erinnern
      1970–2020 Goldenes Jubiläum der Provinz Indien
      Schwestern aus den fünf indischen Provinzen

      Von 1894–1970 war Indien für uns Schwestern die «Mission Indien». 1970, also vor 50 Jahren, wurde
      sie zur «Provinz Indien» erhoben. Bereits 1991 entstanden durch die Dreiteilung die Provinzen Indien
      Zentral, Indien Nordost, Indien Süd. Mit Indien Mitte wurde 2015 die vierte und mit Indien Ost 2019
      die fünfte indische Provinz erhoben.

      Ein Rückblick voll Dankbarkeit                     all sichtbar, sodass die Schwestern
                                                         schnell und spontan «Hand anlegen»
      Nach einem mutigen Anfang durch vier               konnten. Das hat die Menschen vor Ort
      europäische Kreuzschwestern im No-                 überzeugt. Das Vertrauen war auf diese
      vember des Jahres 1894 hat sich eine               Weise schnell hergestellt.
      kraftvolle Mission entwickelt. Von Bet-            Die Generalleitung in Ingenbohl, mit Sr.
      tiah ausgehend, hat sich das Wirken                M. Edelfrieda Haag als Generaloberin,
      und das Beispiel der Schwestern wie                hat am 3. März 1970 die «Mission Indi-
      ein Strom durch die Gegend von Bihar               en» zur «Provinz Indien» erhoben. Das
      ausgebreitet. Von Anfang an ging es um             war ein Akt von grosser Bedeutung. In-
      die Bereiche Gesundheit, Bildung und               dien war damit eine kirchenrechtlich
      Sozio-Pastoral. Nach und nach über-                eigenständige Einheit in der Kongrega-
      nahmen Schwestern auch die Pflege                  tion, mit eigener Provinzleitung und
      der Kranken in öffentlichen Kranken-               Ökonomie. Nach acht europäischen
      häusern.                                           Missionsoberinnen war mit Sr. M. Sigrid
      Seit dem Jahr 1952 ist Hazaribag (heu-             Voggel die erste Provinzoberin auch
      te im Staat Jharkhand) das Zentrum der             eine Europäerin. Damals zählte die Pro-
      Mission. Im selben Jahr hat die Kongre-            vinz 185 Schwestern, davon 38 Missio-
      gation entschieden, einheimische junge             narinnen aus Europa, 36 Novizinnen
      Frauen in die Gemeinschaft aufzuneh-               und 99 Kandidatinnen.
      men. Die Kongregation wurde mit sehr               Unter der inspirierenden und dynami-
      vielen jungen indischen Frauen be-                 schen Leitung von Sr. M. Sigrid Voggel
      schenkt. Dies motivierte die Schwes-               mit ihrer weitreichenden Vision und ih-
      tern zu einer sehr effektiven und nach-            rem aktiven Mitgefühl für die Armen,
      haltigen Pionierarbeit in den entlege-             folgte ein Jahrzehnt der raschen Expan-
      nen, damals noch nicht erschlossenen               sion.
      Gegenden. Der Orden breitete sich auf              Zahlreiche Gemeinschaften und Apos-
      diese Weise nach vielen Richtungen                 tolate wurden in verschiedensten Staa-
      rasch aus. Die Bedürfnisse waren über-             ten und Regionen Indiens eröffnet. Die
120
Bischof Anand Jojo und konzelebrierende Priester.

indische Provinz dehnte sich in alle vier           das Amt der Provinzoberin. Unter ihrer
Himmelsrichtungen aus. Schon bald                   Leitung kam es neben der Entwicklung
wurde eine Neu- bzw. Umstrukturierung               der Wirkungsbereiche zur weitrei-
der Provinz notwendig.                              chendsten strukturellen Veränderung
Im Jahr 1979 erhielt die Provinz mit Sr.            und Erneuerung. Die Provinz wurde im
M. Julia Erni aus der Schweiz die zwei-             Jahr 1991 in drei Provinzen aufgeteilt:
te Provinzoberin. Mit ihrer Lebendigkeit            Indien Zentral, Indien Nordost, Indien
und ihrem kraftvollen Engagement hat                Süd. Diese Struktur wird es bis ins Jahr
sie die neue Struktur vorbereitet und               2015 geben. Dann entsteht die Provinz
1983 umgesetzt. Die Provinz wurde in                Indien Mitte und im Jahr 2019 die Pro-
fünf Regionen mit je einer Provinzrätin             vinz Indien Ost.
als Regionaloberin aufgeteilt.                      Am Ende des Jahres 2019 zählte Indien
Im Juni 1985 übernahm die erste indi-               in den fünf Provinzen 1054 Schwestern
sche Schwester, Sr. Joseline E. Pauvath,            in 147 Gemeinschaften und acht Schwes­
                                                                                               121
tern in Uganda. Sie leben aus dem Cha-     Sr. Pankratia Widmer, Sr. M. Edelfrieda
      risma unserer Gründer und verwirkli-       Haag, Sr. Gertrud Furger, Sr. Louise-
      chen es in der jeweiligen Situation und    Henri Kolly und Sr. Marija Brizar. Mit der
      Zeit, in den verschiedensten multikultu-   Generalleitung pflegen wir einen rei-
      rellen und religiösen und sozialen Kon-    chen und fruchtbaren Dialog und Kon-
      texten des bevölkerungsreichen Landes.     takt. Wir danken Sr. Marija Brizar für die
                                                 inspirierende und ermutigende Gruss-
      Das Thema des Goldenen Jubiläums ist       botschaft für unser Jubiläum.
      die dankbare Erinnerung an die Vergan-     Ein besonderer Dank gilt den verant-
      genheit, der offene Blick auf die Gegen-   wortlichen Rätinnen für die indische
      wart und die mutige Antwort für die Zu-    Mission, Sr. M. Liguoria Binkert und Sr.
      kunft.                                     Debora Maria Ueckert. Danach wurde
                                                 diese Aufgabe durch indische General-
      Zutiefst gedenken wir unseres Grün-        rätinnen wahrgenommen – auch ihnen
      ders P. Theodosius Florentini OFMCap,      gilt unser Dank. Die Anwesenheit von
      unserer Mitbegründerin Mutter Maria        Sr. Sheeja Kolacherril beim Jubiläums-
      Theresia Scherer, der Missions- und        fest, als Vertretung der Generalleitung,
      Provinzoberinnen, all unserer Missiona-    war eine besondere Freude.
      rinnen – wir gedenken ihrer Vision und     Wir sprechen den Bischöfen der ver-
      ihrer Sendung.                             schiedenen Diözesen, den Leitungen
      Wir sind den jeweiligen General- und       der Orden und Kongregationen unseren
      Provinzleitungen Europas sehr dankbar      herzlichen Dank aus. Sie alle haben uns
      für ihre grosszügige finanzielle Unter-    sehr geholfen, unsere Sendung an so
      stützung für die verschiedenen aposto-     vielen Orten wahrzunehmen und zu ent-
      lischen Aktivitäten und für die Ordens-    wickeln.
      ausbildung. Ohne diese Hilfe wären die     Schliesslich danken wir allen unseren
      indischen Provinzen nicht zu dem ge-       Wohltäter*innen, Mitarbeitenden, allen
      worden, was sie heute sind. Wir sind       kirchlichen sowie politischen Stellen,
      allen unseren Wohltätern und Sponso-       den NGOs und der Zivilgesellschaft. Wir
      ren aus dem Ausland dankbar, dass da-      drücken damit unsere Anerkennung
      durch die Arbeit unter den Armen und       und Dankbarkeit für ihre Unterstützung
      Bedürftigen fortgesetzt werden kann.       und Ermutigung aus.
      Für die ständige Unterstützung und Be-     Wir danken unserem Gott des Erbar-
      gleitung erwähnen wir in besonderer        mens und der Barmherzigkeit, wir dan-
      Weise und mit Dankbarkeit die General-     ken für die vielen Segnungen, die wir
      oberinnen mit ihren Teams bis heute:       als barmherzige Schwestern vom heili-
122
gen Kreuz in den vergangenen 50 Jah-               gens für alle Kreuzschwestern in Indien.
ren für unsere Sendung und unser Le-               Für uns Schwestern der Provinz Ost war
ben als Provinz erhalten haben.                    dieses Ereignis ein echtes Heimkehrer-
Gott, so wie die Jüngerinnen und Jün-              lebnis. Alle Schwestern in Indien gehör-
ger auf dem Weg nach Emmaus von dir                ten bis 1991 der einen Provinz Indien an,
erleuchtet wurden, gewähre uns die                 mit dem Provinzhaus in Hazaribag. Hier
Gnade, dich im Unterwegssein mit den               sind wir eingetreten, wurden wir ausge-
Menschen zu erkennen.                              bildet und in das Ordensleben einge-
Sr. Rosily Kolencherry, Provinzoberin, Provinz     führt. Von hier aus wurden wir gesendet.
Indien Zentral
                                                   In Hazaribag zu sein und dem Festpro-
                                                   gramm beizuwohnen, war für uns alle
Mehr als ein äusseres Fest                         mehr als nur eine Erinnerung an unsere
                                                   persönliche Vergangenheit. Einige von
Das Goldene Jubiläum unserer ersten                uns nutzten diese Gelegenheit, um in
indischen Provinz ist ein Jahr des Se-             Einsamkeit und Stille eine Art «Pilger-

Provinzoberin Sr. Rosily Kolencherry, Provinz Indien Zentral, begrüsst die Festgemeinde.
                                                                                               123
weg» durch die wichtigen Orte und           fen hatten. Es wurde umarmt, gelacht
      Plätze im Areal des Noviziatshauses zu      und vor Freude geweint. Allein die Tat-
      unternehmen. Es war eine herzerwär-         sache, dass wir zu dieser grossen und
      mende Erfahrung, wieder einmal in der       besonderen Feier zusammen waren,
      Kapelle, in der Grotte, im Speisesaal, im   stärkte das Band der Zugehörigkeit zu
      Klassenzimmer, im Nähzimmer, in der         dieser «Familie». Wir empfanden das
      Küche, in der Speisekammer und in den       Gefühl, wieder zu Hause zu sein, und
      verschiedenen Arbeitsbereichen zu           überall spürten wir die warme Atmo-
      sein. Andere tauschten sich in kleinen      sphäre. Wir sind sehr dankbar und
      Gruppen aus, gingen umher und teilten       empfinden es als Privileg, an den Fest-
      miteinander glückliche Erfahrungen, die     lichkeiten teilnehmen zu dürfen.
      sie als junger Mensch in der Vorberei-
      tung und Ausbildung für das Ordensle-       Natürlich wurden auch Fotos gemacht,
      ben gemacht hatten. Es wurde zu einer       ein Gruppenfoto mit allen anwesenden
      tiefen inneren Erfahrung. Es war eine       Schwestern. Ob wohl alle eingefangen
      Stärkung, um mit Mut weiter zu gehen,       wurden? Oh, was für eine grosse Men-
      um auch in der Zukunft das Beste für        schenmenge es war!
      unsere Sendung in unserem Wirkungs-         Sr. Selma Nalloor für die Provinz Indien Ost
      feld zu geben.

      Zugleich war es eine Herausforderung.       Erbinnen einer wunderbaren
      Es war ein Anlass, das eigene Leben zu      Tradition
      überprüfen und ein Aufruf zur persön-
      lichen Umkehr und Erneuerung. Es war        «Das Reich Gottes ist wie ein Senfkorn,
      ein Weckruf, auf das Leben unserer          das jemand genommen und auf seinen
      Pionierinnen und der vielen Schwestern      Acker gesät hat» Mt 13,31. Jesus ver-
      zu schauen, welche ein engagiertes Le-      glich das Reich Gottes mit einem win-
      ben im Gebet, ein Leben des Dienstes        zigen Senfkorn, das das kleinste aller
      und des einfachen Lebens führten, um        Samenkörner ist, aber wenn es ge-
      die indische Provinz aufblühen und          wachsen ist zum grössten aller Sträu-
      wachsen zu lassen.                          cher und zu einem Baum wird, so dass
                                                  die Vögel des Himmels kommen und in
      Eine grosse Freude war es, vielen           seinen Zweigen nisten. Diese Bilder
      Schwestern zu begegnen, Schwestern          verbanden wir mit dem Privileg, am
      wiederzusehen, die wir seit der Provinz-    Fest des Goldenen Jubiläums teilzu-
      teilung im Jahr 1991 nicht mehr getrof-     nehmen.
124
Provinzoberin Sr. Rosily Kolencherry, Provinz Indien Zentral, begrüsst die Festgemeinde.

Der Mut und die aufopferungsvolle Hal-             fühl mit den Menschen, die zugleich für
tung unserer Pionierschwestern inmit-              die vielfältigen Bedürfnisse der heuti-
ten vieler Hürden und Nöte, zusammen               gen Zeit ermächtigt und befähigt sind.
mit unseren indischen Missionarinnen,              Es ist eine grosse Freude für uns, dass
die vom dynamischen Geist und der                  diese winzig kleine Pflanze heute fünf
kraftvollen Vision unserer Gründer er-             starke Äste ausbreitet und unser Mut-
füllt waren, machten es möglich, dass              terland Indien umfasst. Es war ein gol-
dieses winzige Samenkorn Wurzeln ge-               dener Moment der Communio, der
schlagen hat und zu einem grossen                  ­Begegnung, des Austauschs, der Erfri-
Strauch herangewachsen ist und noch                 schung, der Erinnerung, des Wieder­
immer wächst.                                       erlebens der reichen Erinnerungen an
                                                    die vergangenen Jahre. Und es war
Wir empfinden uns als stolze Erben ei-              eine Erfahrung von ’Zuhausesein’, in
ner wunderbaren Tradition von Mitge-                Berührungsein mit der Quelle und dem
                                                                                             125
Ursprung in Indien. Es erneuerte unsere   Herzen und Köpfen nachwirkt. Sie er-
      Freundschaft, unser Einssein und unse-    öffnet uns neue Perspektiven des En-
      re Zugehörigkeit zu dieser grossen Fa-    gagements, der Leidenschaft und des
      milie der Kreuzschwestern.                unermüdlichen Geistes, um Leid und
      Die Liturgie hob auf wunderbare Weise     Schmerz im Angesicht der Erde zu lin-
      unsere kleinen Anfänge, unser Wachs-      dern.
      tum und unsere Entwicklung hervor. Wir    Was erreicht worden ist, steht in golde-
      konnten eine Aura göttlichen Eingrei-     nen Lettern in den Annalen unserer
      fens in das Leben und die Geschichte      Kongregation, aber das Charisma und
      unserer Existenz auf indischem Boden      das Motto lebt in den Herzen und im
      erleben.                                  Leben einer jeden von uns weiter.
      Die Vergangenheit wurde durch eine
      Bühnendarstellung gegenwärtig, die uns    Wir hoffen und beten, dass das, was
      im Kern unseres Seins berührte und be-    noch kommen wird, alles übertreffen
      wegte, und die noch immer in unseren      wird, was wir bisher getan haben. Gott

      50 Lichter zum Dank für 50 Jahre.
126
wird uns weiterhin führen! Lasst uns am           dien mit ihrer Liebe, ihrem Respekt und
Erbe festhalten, das uns hinterlassen             ihrem Optimismus.
ist, und lasst es uns bis zum Ende mit
Leben füllen!                                     Es erinnerte uns daran, dass sie in der
Sr. Annette Purayidam und Sr. Shanty George für   Tat Zeichen Gottes sind, Sauerteig für
die Provinz Indien Süd                            das Wachstum einer gerechten Gesell-
                                                  schaft und Prophetinnen für die Ge-
                                                  ringsten und Verlorenen.
Frauen der Hoffnung
                                                  Während der Feier der heiligen Eucha-
Die Provinz Indien wurde vor 50 Jahren,           ristie spürten wir, dass die Feier eines
nach 76 Jahren Aufbauarbeit durch eu-             Goldenen Jubiläums ein Ansporn ist,
ropäische Kreuzschwestern, gegründet.             mit Mut weiterzugehen, den mitfühlen-
Es gab Höhen und Tiefen. Viele Trium-             den Dienst zu intensivieren und mit En-
phe sind verbucht, viele Stufen wurden            thusiasmus, mit Optimismus und Zuver-
erklommen, viele Herausforderungen                sicht neue Meilensteine zu setzen.
angenommen und viele Stürme über-                 Als Barmherzige Schwestern vom heili-
standen.                                          gen Kreuz, die sich in fünf Provinzen
Wir haben uns beim Festtag am 15. Fe-             Indiens einsetzen, rufen wir zu Hingabe
bruar 2020 an viele unvergessliche Er-            und Engagement in der sich wandeln-
eignisse und Erlebnisse erinnert.                 den Situation unserer Zeit auf, lokal,
Beim Zurückblicken auf die vergange-              national und global, um Lichtstrahlen
nen Jahre entsteht ein überwältigendes            und Mitgefühl auszustrahlen und zu ver-
Gefühl der Dankbarkeit, des Glücks,               breiten.
der tiefen Zufriedenheit und der Zuver-           Sr. Pushpita Chathamalil, Provinzoberin, Provinz
sicht, dass der Herr uns bis zum heuti-           Indien Nordost
gen Tag geleitet hat. Der inspirierende
Geist unserer Gründer ist wie eine un-
veränderliche Realität, die uns als Frau-         Den Wurzeln nachgehen
en der Hoffnung noch immer zur Hin-
gabe für die Arbeit mit den Unterprivi-           Nach Hazaribag zu kommen, an den
legierten drängt.                                 Ort, an dem ich die ersten Tage und
                                                  Jahre des Ordenslebens verbracht
Im Mittelpunkt des abendlichen Fest-              habe, bewirkt in mir eine Art Ehrfurcht
und Kulturprogramms standen unsere                und Respekt, ein sehr positives und
Gründer und unsere Pionierinnen in In-            lebhaftes Gefühl. Der herzliche Emp-
                                                                                                     127
Provinzoberinnen Indiens mit dem Bischof und den Priestern.

      fang im Provinzhaus mit einer roten              Entschlossenheit und des totalen Enga-
      Rose für jede Schwester und die schö-            gements unserer Pionierinnen, die blei-
      nen Dekorationen überall versetzten              bende Früchte in Hülle und Fülle hervor-
      mich in eine romantische Stimmung.               brachten. Es hat mir geholfen, mich wie-
      Die beiden Tage waren wie ein Wieder-            der einmal an die harte und schmerz-
      erleben der Vergangenheit in Dank­               hafte Rea­lität unserer Geschichte in
      barkeit und wie ein spürbares Hin­               Indien zu erinnern, da drei von den vier
      eingenommensein in den Geist des                 ersten Schwestern und Pionierinnen
      Charismas unserer Kreuzschwestern-               aus Europa an Cholera starben. «Das
      Spiritualität.                                   Weizenkorn muss in die Erde fallen und
                                                       sterben …»
      Die Bühnendarstellung «In Dankbarkeit
      an die Vergangenheit erinnern» führte            Im Mittelpunkt aller Feiern stand die Eu-
      mich zu den Wurzeln des Kreuzschwes-             charistie. Wir boten uns während der
      tern-Baumes in Indien. Es war ein tief           Liturgie an, weiterhin in Jesu Fussstap-
      bewegender Bericht über die Vergan-              fen zu gehen und denen unserer Grün-
      genheit, die dadurch lebendig gemacht            der zu folgen und ihre Vision in jeden
      wurde. Einmal mehr wurden wir Zeugen             Winkel Indiens zu tragen. Ein wunder-
      der Kraft des Glaubens, der starken              schöner Eingangstanz mit dem Ritual
128
des Empfangs für den Bischof und die      bische Planung und Teamarbeit eine
Konzelebranten verliehen dem Jubiläum     Erfolgsgeschichte. Sei es die Unterbrin-
eine zusätzliche Feierlichkeit.           gung, die Dekoration, das Bühnenpro-
Es war sehr bewegend, als 50 Schwes-      gramm, die Liturgie, die Ehrung jener
tern aus allen fünf Provinzen eine mit    Schwestern, die die «Hitze des Lebens»
Blumen geschmückte brennende Kerze        durch 50 Jahre Provinz trugen bis hin
zu Füssen der Mutter Gottes stellten      zum festlichen Mahl – in allem war die
und sie um Hilfe für unsere Sendung       kompetente Leitung von Sr. Rosily, Pro-
baten.                                    vinzoberin, der Teamgeist und das
                                          ­Engagement aller Mitwirkenden zu er-
Eine tiefgründige Botschaft des Bi-        leben. Dies hinterliess bleibende Ein-
schofs von Hazaribag, Rt. Rev. Anand       drücke in den Herzen aller, die es mit-
Jojo, bestätigte den Dienst der Kreuz-     erlebten. Die Schwestern in der Provinz
schwestern in allen Jahren bis heute.      arbeiteten wie eine mit Hingabe und
Auch die Gabenprozession verdeutlich-      Freude gut geölte ’Maschine’ – ohne
te den Auftrag unserer Kongregation        Verwirrung und Hindernisse und mach-
bzw. an die erste Provinz in Indien mit    ten die Feier des Goldenen Jubiläums
den Symbolen eines Globus und eines        zu einem grossen und tiefen Erlebnis.
Schösslings.                              Sr. Lucina Thuluvananical für die Provinz Indien
                                          Mitte
Das zweitägige Programm des Provinz-      Text-Bearbeitung: Sr. Verena Maria Oberhauser,
Jubiläums war in Bezug auf die akri­      Generalrätin, Ingenbohl

                                                                                             129
Freundeskreis der Barmherzigkeit
      Assoziierte im Vikariat Taiwan
      Sr. Michelle Huang Tatung-Malän, Taiwan

      Im Vikariat Taiwan leben rund zwanzig Frauen in ihrer Lebenssituation das Charisma der Barmherzi-
      gen Schwestern vom heiligen Kreuz. Nach einer längeren Einführung und einem feierlichen Verspre-
      chen werden sie auf ihrem Weg begleitet. Worin die Begleitung besteht, und was es für die Frauen
      bedeutet, Mitglied des «Freundeskreises» zu sein, davon berichten persönliche Zeugnisse.

      Ein Anfang – und was daraus                       kamen 20 interessierte Frauen im Alter
      geworden ist                                      von 30 bis 50 Jahren.
                                                        Im April 2015 übernahm ich die Organi-
      In Zeiten sozialer Veränderungen und              sation, die Einführung und Begleitung
      sinkender Geburten gibt es einen gros-            dieser Frauen für den dreijährigen Weg
      sen Mangel an geistlichen Berufen in              bis zur Bereitschaft zu einem öffentli-
      der Kirche und in den Orden – so auch             chen Versprechen als Assoziierte. An
      in unserem Vikariat Taiwan. Sr. Jermia            jedem zweiten Sonntagnachmittag traf-
      Thoma und Sr. Ai-Tschüen Wu haben im              fen wir uns zum Austausch und für die
      Jahr 2002 begonnen, Frauen und Män-               Weiterbildung zu den Themen: Gebet,
      ner als Assoziierte unserer Spiritualität         Bibel, Liturgie, Sakramente, Apostolat,
      und unseres Lebens auszubilden. Eine              Spiritualität, Geschichte unserer Kon-
      lebendige und kraftvolle Gruppe von               gregation, Charisma usw.
      Frauen stärkte unser Charisma und un-
      ser Leben im Vikariat. Dann gab es ein            Gemeinsam erarbeiteten wir Statuten
      paar Jahre Wüste und Stillstand, bis wir          für den «Freundeskreis der Barmherzig-
      im Jahr 2014 erneut aufgebrochen sind,            keit». Am 15. August 2018 haben 12
      um die «Glut unter der Asche» neu zu              Frauen im Rahmen eines festlichen Got-
      entfachen. Und nun «brennt» es wieder             tesdienstes ihr Versprechen in die Hän-
      – und das Feuer wird genährt durch die            de der Vikariatsoberin Sr. Theresia Gau
      regelmässigen Treffen zum Austausch               gegeben. Nun sind es 18 Mitglieder, die
      und durch die Themen an den Weiter-               durch dieses Versprechen mit uns
      bildungstagen.                                    Kreuzschwestern auf dem Weg sind
                                                        und mit den Menschen an den Orten,
      Wir haben das Angebot, Assoziierte des            wo sie leben, als «Freundin der Barm-
      «Freundeskreises der Barmherzigkeit»              herzigkeit» unterwegs sind.
      zu werden, in den Pfarreien und in un-            Dass an diesem Festtag drei Kreuz-
      serem Bekanntenkreis kundgetan. Es                schwestern ihr 50-Jahr-Profess-Jubi-
130
läum gefeiert haben, ist ein Zeichen        Ausbildung bereit sind. Wir lassen uns
dafür, wie sehr das Ereignis des Ver-       leiten von den Aussagen unseres Grün-
sprechens mit unserem Ordensleben           ders Pater Theodosius: «Ich wollte die
eine Verbindung hat.                        Kongregation so einrichten, dass sie
Jetzt treffen wir uns am Nachmittag je-     überall hinpasste, überall Aufnahme fin-
den ersten Sonntags des Monats. Die-        den könnte, in alle Verhältnisse eindrin-
se Treffen sind sehr bedeutsam als          gen möchte.»
gegenseitige Stärkung und Ermutigung,       Oder auch: «Was Bedürfnis der Zeit, ist
als Erfahrung von Freude und Gemein-        der Wille Gottes». Im Vertrauen auf Got-
schaft und zur Vertiefung der Sendung       tes Barmherzigkeit und die Führung des
als «Freundinnen der Barmherzigkeit».       Heiligen Geistes gehen wir mit unseren
Natürlich freuen wir uns sehr, dass eine    Assoziierten mutig Schritt für Schritt in
von diesen Frauen den Schritt ins Klos-     die Zukunft und sind voller Hoffnung,
ter gewagt hat – Katharina Takaweita        dass das Gebet unserer Mitschwestern
Tien-Chang. Sie beginnt im Herbst das       Früchte bringen wird.
zweite Postulatsjahr.

Im Herbst 2019 kamen von der Umge-          Zeugnisse von Mitgliedern
bung von Kuanshan, nördlich von Tai-
tung, Anfragen für diese Möglichkeit,       Delan Gau, Assoziierte
das Christ-Sein zu gestalten. In Kuan­      In Freude den Spuren der Gründer fol-
shan führen wir ein Altersheim speziell     gen.
für Arme.                                   Bevor ich mich der Laiengemeinschaft
Nach einem Gespräch mit dem Orts-           «Freundeskreis der Barmherzigkeit» an-
pfarrer haben wir die Zusage bekom-         schloss, wusste ich nur, wie ich in der
men, die Pfarreiräumlichkeiten als Ver-     Kirche gute apostolische Arbeit leisten
sammlungsort anzubieten. Sr. Franzi Lin     kann. Ich habe aber meine eigenen
von der Gemeinschaft in Kuanshan ist        Grenzen und Mängel erfahren und woll-
mit mir in die Begleitarbeit eingestiegen   te meine Spiritualität vertiefen.
und hat die Organisation übernommen.        Genau zu dieser Zeit haben die Barm-
Wir treffen uns mit acht Frauen und         herzigen Schwestern vom heiligen
Männern zweimal im Monat über eine          Kreuz die Pfarreien wissen lassen, dass
gewisse Zeit hinweg für ein Bibelteilen,    sie einen Ausbildungskurs beginnen
damit die Interessenten genug Zeit be-      werden und zwar für Christinnen und
kommen zu erspüren, ob sie wirklich         Christen, die dem «Freundeskreis der
«mehr» wollen und für eine dreijährige      Barmherzigkeit» beitreten möchten.
                                                                                        131
Durch diese Ausbildung habe ich viel        Barmherzigkeit» ganz zur Verfügung zu
      dazugelernt und bin bestrebt, zum wei-      stellen, entschied ich mich für Freiwilli-
      teren Gelingen der Gruppe beizutragen.      genarbeit und besuche mit den Schwes-
      Ich hoffe auch, dass unser Mitsein mit      tern, allein oder mit anderen Mitgliedern
      den Schwestern ihnen von Nutzen ist.        kranke, einsame, alte Menschen. Ich
      Als Kind habe ich die Schwestern sehr       helfe auch mit bei der Verteilung von
      oft gesehen – damals waren alle Aus-        Materialien usw. Das stärkt meinen
      länderinnen) – und ich war beeindruckt      Glauben und gibt mir die Kraft, andere
      von ihrer Arbeit und ihrer Güte zu den      zu ermutigen.
      Menschen. Ich bewunderte sie, dass          Ich hoffe, mein Leben wird weiterhin
      sie ihre Heimat und Familien verlassen      vom Geist der Gründer Mutter Maria
      hatten, um ihre jugendlichen Jahre für      Theresia und Pater Theodosius beglei-
      die Armen und Analphabeten hier in          tet und mein kleiner Dienst von Gott ge-
      Taiwan-Taitung einzusetzen.                 segnet und ich so andere gut beeinflus-
      Ich bin sehr dankbar, dass ich den          sen kann.
      Gründergeist von Mutter Maria Theresia
      und Pater Theodosius Florentini kennen      Magdalena Lin, Assoziierte
      lernen durfte. Sie haben sich für die Ar-   Dass ich dem «Freundeskreis der
      men, Kranken, Betagten, Waisenkinder,       Barmherzigkeit» beigetreten bin, ist eine
      FabrikarbeiterInnen und in Schulen ein-     Fügung Gottes. Wenn mich Sorgen be-
      gesetzt. Mutter M. Theresia ist eine        drücken, weiss ich, Gott ist mit mir und
      starke Frau des Vertrauens und des          ich erhalte Trost und neue Freude. In
      Glaubens. Sie stärkt ihre Schwestern:       diesem Freundeskreis durfte ich den
      «Tun sie Tag für Tag, was in ihren Kräf-    Geist von Mutter Maria Theresia Sche-
      ten steht». Oder «Geduld haben, aus-        rer und Pater Theodosius Florentini
      harren, beten und auf den lieben Gott       kennen lernen. Ich verstehe noch bes-
      vertrauen». Das sind Sätze, die auch        ser, was Jesus in den Seligpreisungen
      mir Kraft schenken.                         sagt: «Selig die Armen im Geiste, denn
      Die Worte und Taten von Mutter Maria        ihrer ist das Himmelreich».
      Theresia und Pater Theodosius berüh-        In dem, was Schwestern tun, sehe ich
      ren mich, sie geben Kraft und Mut für       die Liebe und das wärmende Licht Got-
      meinen Alltag, helfen mir loslassen und     tes. Mit anderen Mitgliedern oder allein
      die von Gott gegebene Zeit gut zu nut-      besuche ich kranke oder alte Men-
      zen. Nachdem ich das Versprechen vor        schen, höre ihnen zu, bete mit ihnen.
      Gott und den Schwestern abgelegt            Ich erfahre, dass diese Menschen sich
      habe, mich im «Freundeskreis der            nach Gott sehnen und Menschen brau-
132
Sr. Michelle Huang mit Mitgliedern des Freundeskreises.

chen, die Zeit für sie haben. Immer wie-          Durch das Bibelteilen bin ich tiefer in
der frage ich mich, welches Bedürfnis             das Wort der heiligen Schrift hineinge-
der Zeit der Wille Gottes ist. Ich möchte         wachsen, verstehe jetzt die Liturgie des
für andere «Salz der Erde und Licht der           Kirchenjahres besser und habe das Be-
Welt» sein.                                       ten auf diese Weise gelernt. Ich durfte
                                                  den Geist von Pater Theodosius und
Maria Liu, Assoziierte                            Mutter Maria Theresia ganz neu kennen
Ich danke Gott, dass ich dem «Freun-              lernen und lernte auch das religiöse Le-
deskreis der Barmherzigkeit» beitreten            ben der Ordensschwestern kennen.
durfte. Durch die intensive Vorbereitung          Nach der Ausbildungszeit habe ich das
habe ich sehr viel Freude erlebt und              Versprechen abgelegt, und als Gruppe
mein tägliches Leben wurde mit dieser             kommen wir jetzt einmal pro Monat zu-
Freude überstrahlt.                               sammen. Wir haben einen Themenplan.
                                                                                             133
Bei unseren Zusammenkünften wählen         dergeist von Mutter Maria Theresia
      wir ein Thema aus und besprechen es.       Scherer und Pater Theodosius, Liturgie,
      Wir laden dazu auch ReferentInnen ein.     Gebetsarten usw. und die Gespräche
      Jeden 16. des Monats (16. Juni ist der     mit Schwestern und Priestern haben
      Todestag von Mutter Maria Theresia)        mir geholfen, meine eigene Situation zu
      treffen wir uns zur Anbetung des Aller-    verstehen. Dies hat mir das Vertrauen
      heiligsten. Ein oder zwei Mitglieder be-   zurückgeschenkt, dass ich nie von Gott
      reiten diese Stunde vor.                   verlassen bin, was auch immer auf mich
      Wir setzen uns auch für die Bedürfnisse    zukommt. Heute ist diese Erfahrung zu
      der Schwestern ein, besuchen Kranke        einer starken Kraft in meinem Leben
      im Spital oder helfen in der Hostienbä-    und in meinem Glauben geworden, so-
      ckerei.                                    dass ich den Mut habe, mich allem zu
      Ich bin dankbar, zu den Assoziierten zu    stellen. Ich habe gelernt zuzuhören, zu
      gehören. Dies ist, ganz besonders nach     trösten und zu ermutigen. Ich habe
      meinem Unfall, eine grosse Stütze.         auch gelernt, für die Familie und um Hil-
                                                 fe in den Schwierigkeiten zu beten. Das
      Theresa Gau, Assoziierte                   Gebet ist eine grosse Kraft.
      Zwischen meinem Ehemann und seinen         Der «Freundeskreis der Barmherzigkeit»
      Geschwistern gibt es dauernd Unstim-       ist eine grosse Stütze in meinem Alltag.
      migkeiten. Ich betreue seine Eltern, die   Mit den Mitgliedern und Schwestern
      bei uns wohnen. Sie fühlen oft eine Un-    habe ich ein Gegenüber, mit dem ich
      zufriedenheit und beklagen sich bei ih-    meine Sorgen, Nöte und Freuden teilen
      ren Söhnen und Töchtern. Die Folge         kann. Die monatliche Zusammenkunft
      davon ist Streit mit den Geschwistern      stärkt mein religiöses Leben. Ich bin
      meines Mannes, die ja nur eine Seite       sehr dankbar.
      hören. Der familiäre Druck lastete
      schwer auf mir und brachte mich an         Martha Mai, Assoziierte
      den Rand der Verzweiflung. Glückli-        Vor vier Jahren habe ich mich für den
      cherweise konnte ich mich am Glauben       «Freundeskreis der Barmherzigkeit» an-
      festhalten und vertraute auf Gottes Hil-   gemeldet und nach einer Ausbildungs-
      fe. Gott sei Dank habe ich die Gelegen-    zeit von zweieinhalb Jahren das Ver-
      heit benutzt und mich für den Ausbil-      sprechen abgelegt.
      dungskurs zur Assoziierten der Barm-       Die Gruppe hat ein sehr gutes gegen-
      herzigen Schwestern vom heiligen           seitiges Einvernehmen. Wir treten für-
      Kreuz entschieden. Die verschiedenen       einander ein, helfen und stützen einan-
      Themen wie Bibel, Spiritualität, Grün-     der. Wir teilen einander mit, wie Gott in
134
unserem Leben wirkt und entdecken          tern vom heiligen Kreuz, Mutter Maria
unsere eigenen Talente. Nach unserem       Theresia Scherer und Pater Theodosius
Zusammensein, das heissst, bevor wir       Florentini, unsere Berufung leben.
auseinandergehen, reflektieren wir da-
rüber, was sich in uns und in der Grup-    Der «Freundeskreis der Barmherzigkeit»
pe getan hat und wo wir etwas ändern       hat die verschiedenen Werke der
müssen.                                    Schwestern besucht. Wir sind bereit,
Wenn ich den Einsatz und den Geist         uns als Freiwillige einzusetzen. Ich bin
des Apostolates der Schwestern sehe        sehr beeindruckt, wie die Schwestern
und weiss, dass der Ordensnachwuchs        mit den behinderten Kindern umgehen,
fehlt, verstehe ich, dass die Schwestern   und ich bin dankbar, dass ich im Heim
auf Frauen und Männer, Assoziierte, an-    für Kinder mit Beeinträchtigungen mit-
gewiesen sind, die in ihrem Geist ihre     arbeiten kann. Ich möchte das Gelernte,
Apostolate fortsetzen. Wir Laien haben     wo auch immer, sei es in einem Werk
verschiedene Berufe, und wir wollen als    der Schwestern oder in der Pfarrei, so
Assoziierte in unserem Alltag im Geist     gut als möglich einsetzen. Ich möchte
der Gründer der barmherzigen Schwes-       Sauerteig sein für andere.           r

                                                                                      135
Unsere Generalkapitel
      Sr. Canisia Mack, Hegne, Sr. Christiane Jungo, Ingenbohl

      In einem Überblick zeigte Sr. Canisia Mack in der Theodosia 2002,2, was in den Generalkapiteln seit
      1880 von Bedeutung war. Sie tat es im Hinblick auf das 20. Generalkapitel, das im Juli 2002 stattge-
      funden hat. Sie weist darauf hin, wie Mutter M. Theresia in diesem Ereignis ein «Mittel zu Einheit, zur
      Bestärkung im Guten» sah.
      Wir bringen den damaligen Text unverändert und ergänzen ihn mit Wahlen, Beschlüssen und Emp-
      fehlungen der Generalkapitel 2002, 2008 und 2014. Bekanntlich ist das angesagte Kapitel 2020 wegen
      der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben.

      1980 Erstes Generalkapitel                           zungstage dienten dazu, die Vertreterin-
                                                           nen aller Schwestern mit den revidierten
      In die 1879 von Rom belobigten Kon­                  Statuten vertraut zu machen.
      stitutionen war neu ein Artikel eingefügt
      worden, der festhält: «Alle sechs Jahre,
      und sooft es wegen ausserodentlichen                 1886
      Umständen die Generalleitung gut
      dünkt, wird in dem Ort und an dem                    Wiederwahl von Mutter M. Theresia. Da
      Tage, der von der Generaloberin im Ein-              von den Provinzen eine Vertretung im
      verständnis mit dem Kardinal-Protektor               Generalrat gewünscht wurde, kam Sr.
      festgesetzt worden ist, das Generalka-               Adelheid Weindl aus Oberösterreich als
      pitel gehalten. Es wird dabei der Stand              vierte Ratsschwester in die Gesamtlei-
      der ganze Kongregation geprüft und die               tung.
      wichtigsten Angelegenheiten derselben                Der Wechsel der Lokaloberinnen nach
      erörtert.»                                           sechs Jahren war einer der wichtigsten
      Das erste Generalkapitel tagte in Ingen-             Besprechungspunkte.
      bohl im Augst 1880. Von Anfang an glie-
      derte sich diese wegweisende Zusam-
      menkunft aller Provinzen in ein Wahl-                1888
      und Sachkapitel.
      Wahl- und stimmberechtigt waren beim                 Der Tod Mutter M. Theresias forderte
      ersten GK (Generalkapitel), die von Mit-             die Einberufung eines Sonderkapitels.
      schwestern aus der Schweiz, aus Böh-                 Am 25. September 1888 wurde Sr. M.
      men, Oberösterreich, Slawonien, Steier-              Pankratia Widmer, die bisherige Gene-
      mark, Mähren, Baden und Tyrol dele-                  ral-Assistentin, als Nachfolgerin von
      giert worden waren.                                  Mutter M. Theresia gewählt
      Am 16. August wurde Mutter M. There-                 Weitere eingesandte Anträge und Wün-
      sia einstimmig zur Generaloberin wie-                sche verschob man auf ein späteres
      dergewählt. Die anschliessenden Sit-                 Kapitel.
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1896                                         des der Kongregation ergeben sollte.
                                             Es waren auch Fragen über die fort-
Das Wahlkapitel wählte wiederum Mut-         schrittlichen Bestrebungen in den Be-
ter M. Pankratia für weitere sechs Jah-      rufsarbeiten, über Erholung, Sorge für
re. Der Generalrat wurde von vier auf        die Gesundheit usw. einbezogen.
sechs Mitglieder erhöht.
Rom forderte zur endgültigen Approba-
tion der Konstitutionen noch wegwei-         1912
sende Erläuterungen, die im sog. Weg-
weiser festgelegt werden sollten.            Wiederwahl von Mutter M. Aniceta und
Die Gründung der Provinz Baden-Ho-           Neuwahl von vier Generalrätinnen.
henzollern wurde beschlossen.                Anwesend war auch der ehemalige Spi-
                                             ritual Battaglia, der seit Jahren als Bi-
                                             schof von Chur für die Kongregation
1900                                         grosses Interesse zeigte.
                                             Mutter M. Aniceta lag vor allem die in-
fand nur ein Wahlkapitel statt. Die Ka-      nere Festigung der grösser werdenden
pitularinnen wählten nochmals Mutter         Kongregation am Herzen.
M. Pankratia Widmer für sechs Jahre.         Bischof Battaglia übergab dem Gene-
Sr. M. Aniceta Regli wurde ihr als Gene-     ralkapitel ein eigenes für die Kongrega-
ralvikarin zu Seite gegeben.                 tion erarbeitetes Betrachtungsbuch,
                                             das bis 1954 offiziell allen Schwestern
                                             zur täglichen Betrachtung diente.
1906
                                             Die Gründung der Provinzen Ungarn
Im September fand das sechste Gene-          und Slowakei kam ins Gespräch.
ralkapitel in Ingenbohl statt. In einstim-
miger Wahl wurde Sr. M. Aniceta zur
dritten Generaloberin gewählt. Schon         1918
seit fünf Jahren erledigte sie zur Haupt-
sache die Geschäfte der schwer er-           konnte das Generalkapitel der politi-
krankten Mutter M. Pankratia.                schen Verhältnissen wegen nicht statt-
Zur intensiven Vorbereitung auf das Ge-      finden.
neralkapitel schickte sie Fragebogen an
alle Schwestern, deren Beantwortung
ein Bild des inneren und äusseren Stan-
                                                                                         137
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