Theodosia - SCSC Ingenbohl

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Theodosia - SCSC Ingenbohl
Theodosia
1/2020
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Zeitschrift der
Barmherzigen Schwestern
vom heiligen Kreuz
Institut Ingenbohl
CH-6440 Brunnen

135. Jahrgang Nr. 1/2020
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Redaktionsteam:
    Schwester Christiane Jungo
    Schwester Edelgund Kuhn
    Schwester Verena Maria Oberhauser
    Schwester Elsit J. Ampattu
    Schwester Dorothee Halbach

    Adresse:
    christiane.jungo@kloster-ingenbohl.ch

    Layout und Druck:
    Triner Media + Print
    6430 Schwyz

    Design:
    Schwester Gielia Degonda
2
Theodosia - SCSC Ingenbohl
Inhalt
                                                                                Theodosia 2020, 1

Titelbild                                     4    Das Instituts-Logo der Barmherzigen 35
                                                   Schwestern vom heiligen Kreuz
Editorial                                     5    Sr. Gielia Degonda, Ingenbohl
Sr. Christiane Jungo, Ingenbohl
                                                   Es geschah unterwegs mit                   39
Ankündigung des ersten General-               7    ­Menschen
kapitels 1880                                      Sr. Clara Palfrader und Gemeinschaft von
Zirkular von Mutter M. Theresia Scherer,           Meran/Südtirol, Provinz Italien
Generaloberin
                                                   Aus unseren Provinzen und                  43
Bericht über die Kongregation                 10   ­Vikariaten
1882                                                Gründung der ersten indischen
Bericht von Mutter M. Theresia Scherer,             Provinz vor 50 Jahren
Generaloberin                                      Sr. Rosily Kolencherry, Provinzoberin
                                                   der Provinz Indien Zentral
Ein historisches Ereignis                     14
Feier der 125-jährigen Präsenz der                 Mitteilungen der Generalleitung            44
­Barmherzigen Schwestern vom heiligen
 Kreuz in Indien                                   Eingegangen in Gottes                      45
 Sr. Lalita Ampattu, Provinz Indien Nordost        ­Verheissung 2019

Mit Schwestern und Pilgern auf                19
dem Weg im Haus Ulrika
Sabine Bergmann, Leiterin des Apostolats
Schwester Ulrika in Hegne

Mit Kreuzschwestern unterwegs                 23
Beiträge aus Hegne D, Merill USA und
Nova Iguaçu, Brasilien
                                                                                                    3
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Mutter M. Theresia, Gemälde im Schwesternrefektorium Theresianum
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Theodosia - SCSC Ingenbohl
Editorial

Vom 11. August bis 9. September 2020 wird das 23. Generalkapitel unserer Ge-
meinschaft abgehalten. Aus diesem Anlass druckt die «Theodosia» ein Zirkular
vom 3. Mai 1880 ab, mit dem Mutter M. Theresia die Schwestern darüber infor-
mierte, dass im August desselben Jahres das erste Generalkapitel stattfinden
werde. Vorausgegangen war am 4. Dezember 1878 die Belobigung der Satzungen
durch Papst Leo XIII. (approbiert 1897). Bei der Belobigung wurden in Rom etliche
Veränderungen gefordert, u.a. dass alle sechs Jahre ein Generalkapitel einberufen
werden müsse. Im Schreiben erklärt Mutter M. Theresia den Schwestern, wie das
ganze Prozedere ablaufen werde. 140 Jahre später staunen wir, wie ein solches
Ereignis ohne die technischen Möglichkeiten von heute angegangen wurde. Ent-
nommen ist das Zirkular dem Band «Von der Not der Zeit getrieben» – Maria The-
resia Scherer – Theodosius Florentini – Briefe und Schriften, Helvetia Francescana
45, 2016. Schreibstil und Schreibweise des Originals sind beibehalten. Die Fuss-
noten sind etwas gekürzt.

Als weiterer Text aus oben genanntem Buch ist ein Bericht abgedruckt, den Mut-
ter M. Theresia 1882 verfasst hat: eine Übersicht über den damaligen Stand der
Kongregation. Ein Stück Institutsgeschichte aus erster Hand!

Die Schwestern der indischen Provinzen schauen in einem Jubiläumsjahr auf die
125 Jahre Präsenz der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz in Indien zu-
rück. Ausdruck fand das Ereignis in vielen Formen des Erinnerns und des Dankens:
«Ein historisches Ereignis».

Seit 25 Jahren arbeitet Frau Sabine Bergmann im Apostolat der seligen Schwester
Ulrika, seit drei Jahren als dessen Leiterin. Wie ihr Bericht zeigt, ist es in guter
Hand: «Mit Schwestern und Pilgern auf dem Weg im Haus Ulrika».

Ein grosser Teil der Beiträge der «Theodosia» gruppiert sich um die Aussage der
Vision 2020: «Wir sind mit Menschen unterwegs und gestalten mit ihnen dynamisch
und dialogisch Leben.» Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich den Schwes-
tern verschiedener Provinzen und Vikariate Frauen und Männer angeschlossen,
um mit ihnen einen gemeinsamen Weg zu gehen. Mitglieder des «Lebensbaums»
aus Hegne, des «Samenkorn des Heiligen Kreuzes» aus Brasilien und Assoziierte
aus der Provinz USA teilen mit uns persönliche Erfahrungen: «Mit Kreuzschwestern
unterwegs».
                                                                                       5
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Seit dem Jahr 2000 führt das Institut Ingenbohl ein Logo, das je nach örtlichen
    oder inhaltlichen Gegebenheiten angereichert werden kann. Gestaltet hat es die
    Grafikerin und Kunstschaffende Sr. Gielia Degonda in Ingenbohl. Die «Theodosia»
    zeigt auf, wie sie ihm im Laufe der Jahre je nach dem Motto des Anlasses eine
    neue Aussagekraft gegeben hat.

    Die Schwestern der Gemeinschaft in Meran, Provinz Italien, holten aus ihrem rei-
    chen Schatz der Erinnerungen besondere Erlebnisse hervor und erzählen sie unter:
    «Es geschah unterwegs mit Menschen».

    Unter dem Titel «Aus Provinzen und Vikariaten» erscheint der Beitrag «Gründung
    der ersten indischen Provinz vor 50 Jahren, Provinz Indien Zentral, am 15. Febru-
    ar 1970».

    Durch die «Mitteilungen der Generalleitung» erfahren wir von der Ernennung der
    neuen Provinzleitung der Slowakei. Angefügt ist eine kleine Statistik des Jahres
    2019.

    «Eingegangen in Gottes Verheissung» sind im vergangenen Jahr 78 Mitschwestern.
    Mögen sie begleitet sein von unserem Dank und gesegnet von ihrem und unserem
    Gott!

    Sr. Christiane Jungo
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Ankündigung des ersten ordentlichen Generalkapitels
Gedrucktes Zirkular von Mutter M. Theresia Scherer an die Schwes-
tern
3. Mai 1880

Ehrwürdige Schwestern!                            nen, und damit es auch jeder einzelnen
                                                  Schwester möglich sei, von dem bei
Seit Belobung unserer Statuten durch              Anlass dieses Kapitels ihr zustehenden
Se[ine] Heiligkeit Papst Leo XIII.1 ist be-       Rechte, wenn sie es will, Gebrauch zu
reits ein und ein halbes Jahr verflossen.         machen. Ueber alle diese Punkte geben
Diese Zeitfrist wurde, wie Sie wissen,            die Constitutionen selbst Aufschluss,
dazu benützt, die Constitutionen dru-             namentlich im 2., 3. und 5. Kapitel des
cken zu lassen und den Schwestern                 II. Theiles. Dennoch dürfte es, um allen
mitzutheilen. Ferner musste man zu-               Zweifeln vorzubeugen, erwünscht sein,
nächst darauf Bedacht nehmen, dass                wenn daraus Einiges hervorgehoben
die Vorstände der einzelnen Provinzen             und hier namhaft gemacht wird.
statutengemäss bestellt wurden. Jetzt             Was also den Ort und die Zeit des Ge-
erst, nachdem Solches geschehen ist,              neralkapitels betrifft, so fand man es für
kann ein Generalkapitel abgehalten, die           gut, das Mutterhaus in Ingenbohl und
Wahl der Generaloberin und des Insti-             den kommenden Monat August dafür
tutsrathes vorgenommen und so die                 zu bestimmen. Den Vorsitz wird der
Oberleitung der Congregation in jeder             Hochwürdigste Diözesanbischof2 des
Beziehung geordnet werden.                        Mutterhauses als Apostolischer Dele-
Das gegenwärtige Circular hat nun den             gat3 führen. Zur persönlichen und un-
Zweck, die bevorstehende Abhaltung                mittelbaren Betheiligung am General-
des Generalkapitels den sämmtlichen               kapitel sind aus den Professschwestern
Schwestern anzusagen und bekannt zu               die einen durch die Stelle, die sie in der
geben, damit die einzelnen Provinzen              Congregation bekleiden, andere dage-
die nöthigen Vorkehrungen zu ihrer sta-           gen durch getroffene Abordnung be-
tutengemässen Vertretung treffen kön-             rechtigt. Zu den ersteren gehören die

1 Leo XIII. = Vincenzo Gioacchino Pezzi (1810–1903), Pontifikat (1878–1903).
2 Franziskus Konstantin Rampa (1837–1888). 1878–1879 Kanzler u. Offizial des Bistums Chur,
  1879–1888 Bischof v. Chur. Er enthob die Kapuziner v. ihrer seit 1623 vom Bistum anvertrauten
  Pfarreiseelsorge des Churer Hofes, was das Ende des Kapuzinerhospizes Chur u. das Ende der
  Betreuung der Grabstätte des hl. Fidelis v. Sigmaringen bedeutete (1623–1880). Gatz, Die
  Bischöfe, 591–592. HS I/1, 503 u. 531. HS V/2, 240–251. HLS 10, 81–82.
3 Apostolischer Delegat
                                                                                                  7
Theodosia - SCSC Ingenbohl
heisst, alle diejenigen, welche das
                                                      Recht haben, im Generalkapitel ihre
                                                      Stimme abzugeben, werden über den
                                                      Tag, an welchem sie sich im Mutterhaus
                                                      einzufinden haben, frühzeitig in Kennt-
                                                      niss gesetzt, und müssen den Empfang
                                                      der an sie ergangenen Einladung
                                                      schriftlich bescheinigen, damit diese
                                                      vor dem Kapitel sich konstatiren und
                                                      beweisen lasse. Ist eine wahlberechtig-
                                                      te Schwester gehindert, persönlich zu
                                                      erscheinen, so verliert sie das aktive
                                                      Wahlrecht, das heisst, sie darf weder
                                                      schriftlich ihre Stimme einsenden noch
                                                      eine andere bevollmächtigen, in ihrer
                                                      Stellvertretung zu stimmen. Hier mag
                                                      auch diese andere Bemerkung ihre
                                                      Stelle finden, dass nämlich die wahlbe-
                                                      rechtigten Schwestern die diesjährigen
                                                      Exercitien im Mutterhause machen und
    Mutter M. Theresia. Bild Archiv Generalat         bei dieser Gelegenheit die Gelübde er-
                                                      neuern können.
    Generaloberin, General-Rathsschwes-               Was bisher gesagt wurde, bezieht sich
    tern, die Provinzoberinnen, die Novizen-          auf die wahlberechtigten, also verhält-
    meisterinnen, die Lokaloberinnen jener            nismässig nur auf wenige Schwestern.
    Häuser, in welchen wenigstens zwölf               Weil die Einsendung von Stimmzeddeln
    Professschwestern wohnen; zu jenen                verboten ist, so muss bei der jetzigen
    anderen aber gehören diejenigen, wel-             Ausbreitung der Congregation die per-
    che in denselben Häusern von wenigs-              sönliche Betheiligung der Schwestern
    tens zwölf Schwestern von diesen                  am Generalkapitel sehr eingeschränkt
    durch geheimes Skrutinium4 als ihre               sein. Dennoch gestatten es unsere Sta-
    Repräsentantinnen gewählt werden.                 tuten jedem Mitgliede der Genossen-
    Alle wahlberechtigten Schwestern, das             schaft, seine Wünsche und Vorschläge

    4 Skrutinium = Prüfung aller Kandidaten auf ihre kanonische Eignung vor Zulassung zu Beauftragun-
      gen u. Weihen u. Professen mit geheimer Stimmabgabe.
8
einer zum Kapitel abgehenden Schwes-         Pflicht halten, für den glücklichen Ver-
ter schriftlich zu übergeben, damit die      lauf des bevorstehenden Generalkapi-
Angelegenheit, wenn sie der zur Vorbe-       tels den Segen zu erflehen, damit es zur
rathung aufzustellenden Kommission           Wohlfahrt der ganzen Congregation
als wichtig erscheint, im Kapitel zur Ver-   seine wichtige Aufgabe mit kluger Um-
handlung komme.                              sicht, in schwesterlicher Liebe und Ein-
Das, ehrwürdige Schwestern, sind die         tracht zu lösen im Stande sei.
Punkte, welche ich bei Ankündigung           Mit dem innigsten Wunsche, dass Sol-
des Generalkapitels glaubte hervorhe-        ches geschehen möge, seien schliess-
ben zu sollen. Zur Ausführung dersel-        lich alle Anliegen des Institutes der Für-
ben werden die wohlerwürdigen Pro-           bitte unserer heiligen Patrone empfoh-
vinzoberinnen den Inhalt dieses Circu-       len und dem Schutze des allmächtigen
lars allen Schwestern ihrer Provinz zur      vertrauensvoll anheimgestellt.         r
Kenntniss bringen, überhaupt alle no-
thwendigen Vorkehrungen treffen und          Ingenbohl am Feste der Kreuzauffin-
die Namen der zum Generalkapitel             dung5 1880
durch freie Wahl abgeordneten Schwes-
tern beförderlich an den Vorstand des        Die Generaloberin:
Mutterhauses einsenden. Es werden            Schw[ester] M. Theresia Scherer
aber auch die ehrwürdigen Schwestern
alle ohne Ausnahme es für ihre heilige       Original: GenArchiv SCSC 02-104

5 Fest der Kreuzauffindung – 3. Mai
                                                                                          9
Bericht über die Kongregation
     Mutter Maria Theresia Scherer
     16. Februar 1882

     Kurzer Bericht                                     Schlins, Vorarlberg, sind Eigenthum des
                                                        Generalmutterhauses in Ingenbohl. Auf
     über die Congregation der barmherzi-               alle übrigen Anstalten wurden die
     gen Schwestern vom heil[igen] Kreuze               Schwestern theils durch die Gemeinde-
     in Ingenbohl, K[an]t[on] Schwyz,                   behörden, theils durch katholische Ver-
     Schweiz, gegründet durch den Hoch-                 eine berufen.
     würdigen Pater Theodosius Florentini               380 Schwestern haben ihren Wirkungs-
     O[rdo] Cap[pucinorum], Generalvikar                kreis in den vom Generalmutterhause
     des Bisthums Chur und angefangen in                abhängenden Provinzen: Böhmen, Ös-
     Chur, K[an]t[on] Graubünden, im Jahre              terreich, Slavonien, Steiermark und
     1852 unter Leitung genannten Gründers              Mähren.
     als Superior und der jetzigen General-             Die Provinz Böhmen wurde im Jahre
     oberin Schwester Maria Theresia Sche-              1860 gegründet. Die Sendung der ers-
     rer von Meggen, K[an]t[on] Luzern.                 ten Schwestern dahin geschah durch
                                                        den Hochwürdigen Gründer des Institu-
     Im Jahre 1857 wurde das Mutterhaus                 tes P[ater] Theodosius selbst. Oberleu-
     von Chur nach Ingenbohl verlegt. Die               tensdorf war der erste Ort der Wirksam-
     Congregation zählt jetzt 1071 Profess­             keit und wurde daselbst auch zuerst
     schwestern, von denen 691 im General-              das Provinzhaus eingerichtet, welches
     Mutterhause in Ingenbohl und in den                dann später nach Eger in der Prager-Di-
     dazu gehörenden Filialen in der Schweiz,           özese verlegt wurde. Es sind in dieser
     im Grossherzogthum Baden, Königreich               Provinz 73 Schwestern, die sich mit
     Preussen, in Tyrol, Savoyen und in Rom             dem Schulunterrichte und der Kranken-
     thätig sind in Spitälern, in der Privatkran-       pflege in Spitälern und Privathäusern
     kenpflege, in Armen-, Waisen-, Irren-              befassen. Die Anstalt in Komotau, ein
     Strafanstalten und in Schulen.                     Töchterpensionat, ist Eigenthum des
     Die Privat-Waisenanstalt in Ingenbohl              Provinzhauses in Eger, die Schwestern
     mit Buchdruckerei, das Kreuzspital1 in             der übrigen Filialen wurden durch den
     Chur, das Töchterpensionat in Übers-               Hochseligen Herrn Bischof Frindt [sic]
     dorf, K[an]t[on]Freiburg, die Anstalt              von Leitmeritz, wie auch durch die Tit[u]
     Marienherberge in Meran, Süd-Tyrol                 l[ierten] Stadtbehörden berufen.
     und die projektierte Bewahranstalt ver-            Die Provinz Ober-Österreich besteht
     wahrloster Kinder auf Jagdberg bei                 seit dem Jahre 1865 und wirken die
     1 Theodosius Florentini eröffnete um 1850 zusammen mit Sr. Maria Theresia Scherer ein kleines
       Spital im Haus an der Planaterrastrasse/Reichsgasse in der Altstadt Chur. Das Spital wurde 1853
       durch das Kreuzspital ersetzt.
10
Kloster Ingenbohl um 1880. Bild: Archiv Generalat

Schwestern daselbst ebenfalls in Spitä-             theils von den Obern, theils von Behör-
lern, in der Privatpflege, in Erziehungs-           den und katholischen Vereinen zum
und Kinderbewahranstalten. Der Tit[u]               Wohle der nothleidenden Menschheit
l[ierte] Frauenverein von Linz berief die           errichtet wurden. Eigenthum der Pro-
ersten Schwestern für die Privatkran-               vinz sind: das Provinzhaus und Landgut
kenpflege daselbst. Bald aber dehnte                mit Wohnung in Linz, die Anstalt der In-
sich der Wirkungskreis der Schwestern               dustrieschule und Privatkrankenpflege
so aus, dass man mit Gutheissung des                in Steyr und das Krankenhaus in Maut-
Hochwürdigsten Herrn Bischofes2 in                  hausen, Oberösterreich.
Linz ein Provinzhaus in eben dieser                 Die Provinz Slavonien, deren Provinz-
Stadt erbaute. Die Provinz zählt jetzt              haus in Diakovar ist, nahm ihren Anfang
166 Schwestern. Dieselben versehen                  im Jahre 1868 und es befinden sich in
laut Schematismus3 35 Filialen, die                 derselben 28 Schwestern im Provinz-

2 Franz Joseph Rudigier (1811–1884). 1853–1884 Bischof v. Linz. Unter seiner Amtszeit wurden
  1861 die Kreuzschwestern v. Ingenbohl im Bistum Linz eingeführt.
3 Schematismus = Verzeichnis der Schwestern u. Niederlassungen.
                                                                                               11
hause mit Pensionat und Spital und in              thum der Provinz sind: das Provinzhaus
     der dazu gehörenden Filiale Aranyós                in Bruck, mit der Idiotenanstalt in St.
     Maroth4 in Ungarn. Die Berufung der                Ruprecht in dessen Nähe, das Dienst-
     ersten Schwestern geschah durch den                mädchen-Asyl in Graz, die Rettungsan-
     Hochwürdigsten Herrn Bischof Stross-               stalt in Rein und die Kinderbewahran-
     mayer5 daselbst.                                   stalt in Aussee.
     Im Jahre 1870 wurde die Provinz Steier-            In die Provinz Mähren kamen die ersten
     mark gegründet, in welcher gegenw­                 Schwestern im Jahre 1872 durch die
     ärtig 62 Schwestern in Schulen, Spitä-             gräfliche Familie Sternberg8 und wurde
     lern und in der Privatpflege thätig sind.          dann später durch finanzielle Beihilfe
     Der Hochwürdige Herr D[okto]r Alexan-              S[eine]r Eminenz, des Hochwürdigsten
     der Grillwitzer6, Prior und Dechant des            Kardinals von Fürstenberg9 in Napagedl
     Cisterzienser-Stiftes Rein in Steiermark,          ein Provinzhaus errichtet. Gegenwärtig
     berief die ersten Schwestern dieser                wirken in dieser Provinz 51 Schwestern
     Provinz und zwar nach Rein, wo an-                 in Schulen, Erziehungsanstalten und in
     fänglich auch das Provinzhaus war,                 der Privatkrankenpflege.
     ­welches später nach Bruck an der Muhr             Die dem Generalmutterhause in Ingen-
      verlegt wurde mit Zustimmung                      bohl unterstehenden Anstalten werden
      des Hochwürdigsten Herrn D[okto]r                 jährlich durch die Generaloberin oder
      Zwerger7, Fürstbischof in Graz. Eigen-            im Verhinderungsfalle auch theilweise

     4 Aranyos-Maroth: Spital, Gründung 1865 v. Pater Theodosius Florentini, gehörte zu Ungarn, aber
       slowakisch sprechende Bevölkerung, zuerst eigenständige Kolonie, 1869 der Provinz Slavonien
       zugeteilt, 1885 der Provinz Mähren, nach dem 1. Weltkrieg dem Vikariat Slowakei, 1927 der Pro-
       vinz Slowakei.
     5 Strossmayer = Joseph oder Josip Juraj Strossmayer (1815–1905). 1849–1905 Bischof v. Đakovo/
       Diakovar u. 1851–1905 Apostolischer Administrator v. Serbien. Am Vaticanum I war er schärfster
       Gegner der Infallibilitätsdefinition. Strossmayer befürwortete und unterstützte 1868 die Gründung
       der slavonischen Provinz der Kreuzschwestern aus Ingenbohl. Isenring, HF 42 (2013), 145f.
     6 Alexander Grillwitzer OCist (1808–1900). Konventual Zisterzienserabtei Rein/Steiermark. Dort 55
       Jahre Prior u. 53 Jahre Novizenmeister. Als Begründer der St. Josefsanstalt der Kreuzschwestern
       in Rein wurde er 1871 vom Seckauer Bischof Johann Baptist Zwerger zum Direktor der steieri-
       schen Ordensprovinz der Kreuzschwestern ernannt. Isenring, HF 42 (2013), 176–179.
     7 Johann Baptist Zwerger (1824–1893). Priesterweihe 1831, 1862 Domprobst in Trient, 1867 Fürst-
       bischof v. Seckau.
     8 Die Familie v. Sternberg ist ein böhmisches Adelsgeschlecht.
     9 Friedrich Egon v. Fürstenberg (1813–1892) war 1853-1892 Erzbischof von Olmütz, seit 1879 Kar-
       dinal. 1882 half er bei der Gründung des Provinzhauses im Schloss Chorin, das ihm gehörte und
       zum Sitz der Kongregationsprovinz Mähren wurde. Er erbaute den Dom zu Olmütz.
12
durch eine von ihr beauftragte Schwes-             Die Provinzialoberinnen werden von
ter visitirt.                                      dem Provinzial-Kapitel gewählt, verse-
In den Provinzen nimmt die General-                hen ihr Amt aber nur drei Jahre nach-
oberin alle drei Jahre auf allen Filialen          einander und weil diese Zeitfrist seit der
einer jeden Provinz mit Ausnahme eini-             letzten Wahl bereits abgelaufen, wird im
ger wenigen Stationen die Visitation               Laufe dieses Jahres 1882 eine Neuwahl
selbst vor; jährlich aber werden selbe             sämmtlicher Provinzial-Oberinnen vor-
sämmtlich durch die Oberinnen der ein-             genommen.                              r
zelnen Provinzen besucht.
Die Generaloberin wird alle 6 Jahre in             Ingenbohl, den 16. Februar 1882
und von dem General-Kapitel gewählt,               M. Theresia Scherer
welche Wahl den 16. August 1880 unter              Generaloberin
der Leitung des Hochwürdigsten Diöze-              Fotokopie: GenArchiv SCSC 02-223
san-Bischofes Franz Constantin Ram-                Original: Bischöfliches Archiv Chur BAC, 271,
pa10 von Chur stattgefunden hat.                   Mappe 92

10 Franziskus Konstantin Rampa (1837–1888). 1878–1879 Kanzler u. Offizial des Bistums Chur, 1879-
   1888 Bischof v. Chur. Er enthob die Kapuziner v. ihrer seit 1623 vom Bistum anvertrauten Pfarrei-
   seelsorge des Churer Hofes, was das Ende des Kapuzinerhospizes Chur u. das Ende der Betreu-
   ung der Grabstätte des hl. Fidelis v. Sigmaringen bedeutete (1623–1880).
                                                                                                       13
Ein historisches Ereignis
     Feier der 125-jährigen Präsenz der Barmherzigen Schwestern vom
     heiligen Kreuz in Indien
     Sr. Lalita Ampattu, Provinz Indien Nordost

     Als im November 1894 die ersten vier         Die Gemeinschaft der Kreuzschwes-
     Kreuzschwestern in Bettiah ankamen,          tern, die sich über drei Jahrhunderte
     ahnte niemand, was aus diesem kleinen        (19., 20., 21.) erstreckt, hat sich in ganz
     Anfang werden würde. Nun schauen die         Indien ausgebreitet, um den Ausge-
     Schwestern dankbar zurück. Und sie           grenzten zu helfen mit dem Motto «Das
     tun es mit vollem Herzen.                    Bedürfnis der Zeit ist der Wille Gottes».
                                                  In den letzten 125 Jahren ist die Kon-

     Der eigentliche Festtag

     Die Barmherzigen Schwestern vom hei-
     ligen Kreuz feierten am 22. November
     2019 in Bettiah, Bihar, ihre 125-jährige
     Mission in Indien. William D’Souza S.J.,
     Erzbischof von Patna, zelebrierte zu-
     sammen mit sechs Bischöfen und 30
     Priestern die Eucharistie, die der Höhe-
     punkt der Feier war. Die Generalrätin,
     Sr. Elsit Ampattu vom Mutterhaus in der
     Schweiz, vertrat die Generalleitung, und
     etwa 200 Kreuzschwestern aus fünf in-
     dischen Provinzen sowie die jetzigen
     und die ehemaligen Provinzoberinnen
     und andere Ordensleute aus Gemein-
     schaften aus der Umgebung waren
     Zeugen des historischen Ereignisses.
     Der 22. November 2019 wurde gewählt,
     weil an diesem Tag 1894 die ersten vier
     Kreuzschwestern, Sr. Lamberta Flamm,
     Sr. Patrona Bichler, Sr. Michelina Schrott
                                                  Festlich geschmücktes Kreuz in der Kapelle mit
     und Sr. Chrysogona Thoma den Boden           Bildern von P. Theodosius, Muster M. Theresia
     von Bettiah betraten.                        und den vier ersten Schwestern
14
Theresa Scherer, und die Pionierinnen
                                                   eingesetzt haben.

                                                   Danach wurde der Film «Compassio­
                                                   nate Mission» (Wachstum und Entwick-
                                                   lung der indischen Mission 1894–2019)
                                                   in der Klosterkapelle gezeigt. Sr. Lalita
                                                   hatte ihn eigens für das Jubiläum ent-
                                                   wickelt. Er ist eine Würdigung aller
                                                   Kreuzschwestern, die je auf indischem
                                                   Boden gearbeitet haben. Nach dem
                                                   Dokumentarfilm führten die Postulantin-
                                                   nen die Zelebranten mit einem wunder-
                                                   schönen Tanz zum Altar für die heilige
                                                   Messe. Die Kapelle war kunstvoll mit
Sr. Pia Madathumkudiyil, erste und älteste indi-   Blumen und Lichtern geschmückt. Von
sche Schwester, mit ihrer Nichte, Sr. Mary Jose.   den melodischen Gesängen von Sr. Ge-
                                                   eta Allenchery und Pater Saji gingen in-
gregation an vielen Orten Indiens zu               und ausserhalb der Kapelle richtige
einem blühenden Rebzweig geworden,                 Schwingungen aus.
insbesondere in ländlichen und abgele-
genen Regionen. Das unnachahmliche                 Der Erzbischof hob in seiner Predigt die
Engagement der Schwestern erstreckt                grossen Beiträge der Schwestern von
sich auf 148 Niederlassungen in fünf               früher und heute in den Bereichen Er-
Provinzen mit 1048 Mitgliedern in 57               ziehung, Gesundheitswesen, Sozialar-
­Diözesen Indiens.                                 beit, Betreuung der Waisen und Witwen
 Sr. Pushpita Chathamalil, die Provinz-            hervor. Er würdigte auch den Anteil der
 oberin der Nordostprovinz, begrüsste              Schwestern an der Gründung der Sa-
 mit Freude und Dankbarkeit die Ver-               cred Heart Ordensgemeinschaft (die
 sammlung, zu der Erzbischöfe, Bischö-             ersten Schwestern halfen am Aufbau
 fe, Priester und Kreuzschwestern ge-              dieser Gemeinschaft mit). «Der Same,
 hörten. In ihrer Begrüssungsrede er-              den die Schwestern in den Boden von
 munterte sie alle Kreuzschwestern, ihr            Bettiah gesät haben, wuchs zu einem
 Leben den grossen Werten zu widmen,               riesigen Banyan-Baum heran, der seine
 für die sich unsere Gründer, Pater                Zweige bis in den abgelegenen Dörfer
 Theodosius Florentini und Mutter Maria            Indiens ausbreitete», sagte Bischof Wil-
                                                                                               15
Erzbischof William D’Souza, Patna.

     liam D’Souza. Er dankte den Schwes-      Auch Sr. Elsit wandte sich an die Fest-
     tern für ihren Einsatz und ihr Engage-   versammlung: «Von Gottes Geist be-
     ment auf dem Gebiet der Mission der      wegt, verbreiteten die Pionierschwes-
     Erzdiözese Patna und anderer indischer   tern die Liebe und Güte Gottes an alle,
     Diözesen. (Der Banyanbaum hat einen      insbesondere an die Waisenkinder und
     unregelmässig geformten kurzen           an die armen Frauen, die unter ihrer Ob-
     Stamm und teilt sich bald in weit aus-   hut standen.» Sie hatten keine Ahnung
     ladende Äste. Diesen Seitenästen ent-    von den verschiedenen Kulturen, Spra-
     springen Luftwurzeln, die nach unten     chen, Religionen, Kasten, Bräuchen
     wachsen und neue Stämme bilden und       und Traditionen, die in Indien existier-
     die Krone stützen. Auf diese Weise       ten, aber Gottes Güte floss aus den
     kann der Banyanbaum mit der Zeit eine    Schwestern heraus.
     Bodenfläche von mehreren Hundert
     Quadratmetern einnehmen. Quelle: Le-     Danach wurde der Jubiläumsbrief von
     xikon)                                   Sr. Marija Brizar vorgelesen. Der Inhalt
16
Postulantinnen beim Arati.

des Briefes war: «Wir möchten uns an     maligen Provinzoberinnen mit einem
die ersten Missionarinnen erinnern und   Schal als Zeichen der Dankbarkeit und
unsere erste Liebe zu unserer Berufung   Liebe für ihre Unterstützung, Zusam-
und Sendung als Barmherzige Schwes-      menarbeit und Führung geehrt.
tern vom heiligen Kreuz in uns wieder    Auch eine köstliche Mahlzeit durfte
aufleben lassen. Mit Freude möchten      nicht fehlen. Danach kehrten die
wir unterwegs sein zusammen mit de-      Schwestern mit grosser Freude und
nen, die uns anvertraut sind.» Am Ende   Dankbarkeit zu ihren Gemeinschaften
übergab Sr. Elsit Sr. Pushpita Chatha-   zurück.
malil einen lächelnden Engel, den sie
aus dem Mutterhaus in Ingenbohl als
Zeichen der Liebe, Verbundenheit und     Verschiedene Aktivitäten im
Unterstützung mitgebracht hatte.         Jubiläumsjahr
Nach dem Gottesdienst wurden die
Erzbischöfe, Bischöfe, Generalvikare,    Das Jubiläum war am 19. Februar 2019
Generalrätinnen, die jetzigen und ehe-   in der St.-Theresa-Klosterkapelle, Bet-
                                                                                   17
Zudem lasen die Schwestern die Ge-
                                                        schichte der Kreuzschwestern in Indien
                                                        (A Mission of Compassion 1894–1995,
                                                        verfasst von Sr. Laetitia E. Pauvath). Sie
                                                        diente der Erneuerung ihres geistlichen
                                                        Lebens.

                                                        Schwestern aus allen fünf Provinzen pil-
                                                        gerten nach Bettiah-Chuhari und bete-
                                                        ten an den Gräbern unserer Pionierin-
                                                        nen. Sie verbrachten auch einige Zeit
     Sr. Joseline E. Pauvath, erste indische Provinz-   damit, die alte Chronik der Bettiah-Mis-
     oberin, und Sr. Puspita Chatamalil, Provinzobe-    sion zu lesen, die von unseren ersten
     rin Indien Nordost
                                                        Schwestern geschrieben wurde. So
                                                        konnte vieles aus der Pionierzeit in
     tiah, mit einer Eucharistiefeier feierlich         Champaran hervorgeholt werden. Sr.
     eröffnet worden durch Sushil Sah S.J.,             Jessy Mathew und die Gemeinschaft im
     Pfarrer von Bettiah, Sr. Serena Muttat-            St. Theresa-Kloster und die Gemein-
     tumalayil, die ehemalige Provinzoberin             schaften der Umgebung kümmerten
     von Indien Nordost, Sr. Jessy Mathew,              sich trotz ihrer Aufgaben um die «Pilge-
     die Oberin, und die Schwestern der                 rinnen». Diese waren überglücklich,
     nahe gelegenen Gemeinschaften.                     dass sie das «heilige Land» Bettiah-
     Pater Sushil betonte: «Das Leben und               Chuhari besuchen durften.
     die Sendung der Schwestern vom hei-
     ligen Kreuz hatten von Anfang an einen             Wenn wir auf das vergangene Jahr zu-
     grossen Einfluss auf die Menschen in               rückblicken, empfinden wir, dass es
     Bettiah durch Bildung und Heilung. Es              eine Zeit der Erneuerung und des Se-
     genügt nicht, die Vergangenheit zu rüh-            gens war: von Gnade erfüllte Tage. Wir
     men, sondern im heutigen Kontext auf               sind sehr dankbar für alles, was wir mit
     die Schwestern vom heiligen Kreuz                  Gott und für die Menschen erreichen
     stolz zu sein und das Feuer brennen zu             durften. «Mit und für Gott kann man
     lassen.»                                           vieles», sagte Mutter M. Theresa Sche-
                                                        rer.                                 r
     Als Vorbereitung auf das Jubiläum be-
     teten alle Gemeinschaften ein gemein-              Übersetzung: Anandi Parunthemplackel
     sames Gebet.
18
Mit Schwestern und Pilgern unterwegs im Haus Ulrika
Sabine Bergmann, Leiterin des Apostolats Schwester Ulrika in Hegne

«Wir stützen uns auf das Engagement und die Kompetenz aller unserer Mitarbeiter/-innen. In Zusam-
menarbeit mit ihnen erfüllen wir unseren Auftrag», Leitbild, Barmherzige Schwestern vom heiligen
Kreuz, Provinz Baden-Württemberg. Frau Bergmann ist vor 25 Jahren in den Dienst des Klosters
Hegne getreten und leitet das Apostolat der seligen Schwester Ulrika.

Auf der Suche                                     tatsächlich dort landete und inzwischen
                                                  auf 25 Jahre in Hegne zurückblicken
Es war am 1. April 1995: Das Kloster              kann. Seit drei Jahren leite ich sogar
Hegne feierte kurz darauf sein 100-               das Haus und jetzt, seit die Theodosius-­
­­Jahr-Jubiläum, als ich den Arbeitsver-          Akademie besteht, das Apostolat Ulrika.
trag mit dem Kloster Hegne unter-
schrieb als Sekretärin im Haus Ulrika.
Vorausgegangen war eine Zeit des ge-              Sich vertraut machen
genseitigen Kennenlernens und auf
Probe, denn für mich und auch für die             Anfangs gab es vieles, was mir fremd
Schwestern war das etwas ganz Neues.              war an der Verehrung Schwester Ulri-
Ich war und bin immer noch evange-                kas, überhaupt an der Tatsache, dass
lisch, hatte zwar vom Kloster gelesen             jemand seliggesprochen wird. Ich kann-
und kannte es vom Vorbeifahren. Eine              te sie gar nicht und sollte jetzt ein Teil
Bekannte hatte mir auch schon von                 ihres «Bodenpersonals» in Hegne sein?
Schwester Ulrika erzählt, und die Selig-          Es gab so viele Fragen: Warum wenden
sprechung 1987 war ja ein Ereignis, wo-           sich Menschen mit ihren Anliegen an
rüber natürlich ausführlich in der Zei-           sie und nicht direkt an Gott? Warum
tung zu lesen war. Doch dass mich das             möchten sie Medaillons mit ihrem Bild
einmal betreffen würde, hätte ich nicht           oder berührte Leinenstückchen bei sich
für möglich gehalten. Ich war auf der             tragen? Warum beten sie die Novene,
Suche nach einer neuen Arbeitsstelle,             warum kommen sie in die Krypta? Was
wo ich meine Erfahrungen im Bereich               suchen und finden sie bei ihr? Die Ant-
Touristik, Kultur, Sprachen und die               worten kamen nach und nach, von den
Freude am Umgang mit Menschen ein-                Schwestern, aber vor allem auch von
bringen konnte. Die Tante meines Man-             den Menschen, die zu uns kommen. Ihr
nes, Ordensschwester in Bühl/Baden                grosses Vertrauen, die Verehrung die-
(wo Schwester Ulrika auch gewirkt hat)            ser einfachen Küchenschwester, der sie
unterstützte mich und stellte den Kon-            sich nahe fühlen, berührte mich. Sie
takt zu Hegne her. So kam es, dass ich            war eine Frau, die die Beziehung zu
                                                                                                    19
Haus Ulrika, Hegne

     Gott – wie wenige sonst – erlebt und       Sie war lange Jahre die Leiterin des
     gelebt hat, und das auch ausstrahlte.      Hauses Ulrika. Wir teilen Freud und Leid
     Auf ihre unaufdringliche Art hat sich      des Arbeitsalltags und können auch
     Schwester Ulrika auch in mein Leben        über widrige Umstände zusammen la-
     geschlichen und wurde zu «meiner» Se-      chen. Jede kann von der anderen sa-
     ligen, auch wenn ich weiss, dass es        gen: «Wenn ich dich nicht hätte…» Alle
     letztlich Gott ist, in dessen Hand alles   Schwestern, die ich in den Jahren ken-
     liegt.                                     nengelernt habe, sind mir auf ihre Art
                                                ans Herz gewachsen, ich habe das
                                                Team im Haus Ulrika fast wie eine Fa-
     Erfahrungen                                milie empfunden und das Kloster
                                                ­Hegne als ein Stück Heimat. Dass ich
     Seit zwanzig Jahren schon ist Schwes-       keine Schwester bin, war hier von An-
     ter Maria-Roswitha meine Bürokollegin.      fang an nicht hinderlich, hat sogar oft
20
zu fruchtbaren Gesprächen geführt. Mit          men. Die Bedürfnisse der Zeit und ihre
Schwester Mirjam Oeschger aus Ingen-            Wandlung haben wir gesehen und ver-
bohl, die dreieinhalb Jahre bei uns war         sucht, darauf Antworten zu finden. Im
und die jetzt den Pilgerdienst Mutter           Team arbeiten seit einigen Jahren nicht
Maria Theresia in Ingenbohl leitet, bin         mehr nur Schwestern mit. Wir gehören
ich heute noch verbunden, und das               seit Anfang des Jahres zur Stiftung
nicht nur, weil wir ähnliche Aufgaben           Kloster Hegne und bilden mit anderen
haben. Und es ist beachtlich und be-            zusammen die Theodosius-Akademie.
wundernswert, dass die Schwestern in            Im Haus Ulrika sind wir nicht mehr allei-
einem Alter, in dem wir «freien» Mitar-         ne. Die vorher hier wohnenden Schwes-
beitenden längst in Rente sind, immer           tern sind ausgezogen und es entstan-
noch jeden Tag hier ihren Dienst tun.           den Büros für neue Kollegen und Kolle-
Ihnen gebührt ein grosses Dankeschön!           ginnen. Das ganze letzte Jahr stand
                                                unter dem Zeichen Ausräumen, Umzug,
Im Lauf der Jahre und Jahrzehnte hat            Umbau, Veränderung und Neuanfang,
sich vieles verändert, wir haben neue           äusserlich und innerlich.
Angebote für die Menschen entwickelt,
da es immer weniger die klassischen
Pilgergruppen sind, die zu uns kom-             Ausblick

                                                Es ist absehbar: Bald geht, wie so vie-
                                                les, auch das Apostolat Ulrika in jünge-
                                                re Hände über. Und das ist gut so. Auch
                                                die nächsten Generationen werden zu
                                                Schwester Ulrika kommen, ihre Sehn-
                                                süchte verändern sich kaum. Sie wollen
                                                sich willkommen fühlen, wahrgenom-
                                                men werden, ein offenes Ohr finden,
                                                Sorgen abgeben können, zur Ruhe
                                                kommen, Kraft tanken, vielleicht neue
                                                Anregungen und Perspektiven für ihr
                                                Leben entdecken. Um dem gerecht zu
                                                werden, muss man ihre Sprache spre-
                                                chen. Es gibt auch neue Projekte: Zum
Sr. Benedicta Maria Kramer, damalige Provinz-
oberin, überträgt Sabine Bergman die Leitung    Beispiel ist der Ulrikaweg in Planung:
des Apostolats Schwester Ulrika                 einen Pilgerweg von ihrem Geburtsort
                                                                                            21
Team des Apostolats Schwester Ulrika

     Mittelbiberach nach Hegne in sechs Ta-   zu Beginn des industriellen Zeitalters
     gesetappen erwandern!                    erkannt hat und verbessern wollte, und
                                              Schwester Ulrika, die gar keine «Ma-
     Hier im Haus reichen sich nun Pater      cherin» war und doch so nachhaltig
     Theodosius und Schwester Ulrika die      wirkte und wirkt. Sie passen, wie ich
     Hand. Der christliche Sozialreformer,    finde, gut zusammen.               r
     der die miserable Lage vieler Menschen
22
Mit Kreuzschwestern unterwegs
Beiträge aus Hegne D, Merill USA und Nova Iguaçu, Brasilien

Auf je neue Art wiederholt sich das Bild beim Propheten Sacharja: «In jenen Tagen werden zehn Män-
ner aus Nationen aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und
sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch.» (Sach 8,23). Auf den
folgenden Seiten lesen wir von Frauen und Männern, die bewusst einen Weg mit den Kreuzschwes-
tern gehen.

Gemeinschaft «Lebensbaum»                         Bei den regelmässigen gemeinsamen
Hegne                                             Treffen mit der Gemeinschaft «Lebens-
                                                  baum» in Hegne wachsen wir alle noch
Ein Geschenk                                      weiter zusammen. Jedes Mal gehe ich
Als ich im September 2009 in die Ge-              gestärkt und mit guten Impulsen nach
meinschaft «Lebensbaum» kam, war                  Hause. Auch die Assisi-Fahrten, Wan-
ich zurückhaltend und verschlossen.               der- und Schweige-Exerzitien und der
Zudem hatte ich gerade meine Mutter               Jakobsweg mit einer kleineren Gruppe
verloren, mit der ich sehr verbunden              der Gemeinschaft «Lebensbaum» von
war. Sie hatte mir den Glauben weiter-            Hegne nach Brunnen in der Schweiz,
gegeben.                                          waren für mich sehr intensive Erfahrun-
Die Gemeinschaft «Lebensbaum»                     gen.
schenkt mir grosses Vertrauen. Ich bin            Mein Glaube wurde sehr vertieft und ich
so dankbar, dass ich mich vor gut zehn            bin gemeinsam im Gebet mit der Ge-
Jahren der Gemeinschaft angeschlos-               meinschaft und den Schwestern vom
sen habe, und dies ganz kurz vor mei-             heiligen Kreuz in ihrer Spiritualität un-
nem 55. Geburtstag. Wenn ich zu spät              terwegs. Dies gibt mir unendlich viel
gekommen wäre, hätte ich ganz viel Be-            Kraft und Selbstvertrauen.
sonderes und Wertvolles nicht erleben             Inzwischen konnte ich mich auch eh-
können.                                           renamtlich im Kloster einbringen. Ein-
Von Anfang an habe ich wahrgenom-                 mal in der Woche übernehme ich für ein
men und gespürt, dass ich so sein darf,           paar Stunden den Klosterpfortendienst.
wie ich bin, mit meiner Sensibilität und          Mir bedeutet das viel, weil ich gerne
mit meinen Verunsicherungen. Ich wur-             unter Menschen bin. Es ist auch ein
de einfach angenommen und war nicht               schönes Gefühl, näher mit den Schwes-
mehr alleine, sondern gemeinsam un-               tern zusammen zu sein. Ich spüre die
terwegs. Schon bald habe ich mich öff-            Dankbarkeit und Verbundenheit, wenn
nen können und inzwischen bin ich                 sich gelegentlich Gespräche mit den
auch mutiger geworden.                            Schwestern ergeben.
                                                                                                     23
Für mich bedeutet die Gemeinschaft          Sehnsucht blieb unerfüllt. So trat ich
     Lebensbaum: Lebensfülle und inneren         vor zehn Jahren der Gemeinschaft «Le-
     Frieden.                                    bensbaum» in Hegne bei. Ich wollte
     Es ist ein Geschenk.                        mehr dazugehören, enger verbunden
                                                 sein.
     Inge Gödderz                                Der Kontakt mit den Schwestern in Her-
                                                 ten blieb bis heute bestehen. So darf
                                                 ich dort regelmässig mein Leben und
     Euch hat der Himmel geschickt               das Gebet mit ihnen teilen. Ich schätze
                                                 die tiefe Freundschaft, die in den letzten
     Euch hat der Himmel geschickt – ein         15 Jahren gewachsen ist.
     geflügeltes Wort, das treffender zu mei-    Mit den Barmherzigen Schwestern vom
     nem Leben nicht sein könnte:                heiligen Kreuz und der Gemeinschaft
     Nach längerem Suchen nach einem             «Lebensbaum» verbindet mich das Ge-
     Thema für meine Diplomarbeit bin ich        bet und der franziskanische Geist – bei
     auf die Geschichte meines Nachbardor-       ihnen habe ich meine geistige Heimat
     fes gestossen, in dem vor genau 80          gefunden. Sie alle sind zu einem wich-
     Jahren 345 Menschen mit Behinderun-         tigen Teil meines Lebens geworden,
     gen verschleppt und dann durch das          den ich nicht missen möchte.
     Naziregime grausam ermordet wurden.         Ich schätze es, mehrmals im Jahr nach
     Dies wollte ich genauer erforschen und      Hegne zu fahren, um an den Treffen der
     kam mit der Archivarin, Schwester Isa-      Gemeinschaft «Lebensbaum» teilzu-
     bella im St. Josefshaus in Herten (Ba-      nehmen. In der Zeit dazwischen erlebe
     den), in Kontakt. Kurze Zeit später be-     ich Gemeinschaft mit dem mittlerweile
     kam ich Gelegenheit, die Zeitzeugin         kleinen Konvent im Josefshaus in Her-
     Schwester Astrid Ritter im Kloster          ten. Gemeinsam sind wir auf dem von
     ­Hegne zu besuchen und zu interviewen.      Gott geführten Weg und suchen immer
      Mir ging das Herz auf, als ich zum ers-    wieder, was Nachfolge heute in dieser
      ten Mal das Klostergelände betrat. Lag     Welt bedeuten kann. Berührt denke ich
      hier vielleicht meine Zukunft? Jahrelan-   an die gemeinsame Fahrt nach Assisi
      ges Ringen um meine Berufung folgten       im letzten Jahr. Dankbar kann ich auf
      dieser ersten Begegnung. Als Theologin     die letzten zehn Jahre Gemeinschaft
      und Pastoralreferentin habe ich mittler-   «Lebensbaum» zurückblicken, und ich
      weile meinen Platz als Christin in der     freue mich auch über die Gebetspaten-
      Gesellschaft in der Nachfolge Jesu         schaften und den Austausch in zahlrei-
      Christi gefunden. Aber irgendeine          chen Briefen mit den Kreuzschwestern.
24
Symbolbild (Kirchendecke Kloster Ingenbohl): Dem Evangelium meine Farbe geben

Und so kann ich voller Überzeugung             Dogmen wurden aufgebrochen und der
sagen: «Euch hat der Himmel ge-                Glaube als etwas Lebendiges und Le-
schickt.»                                      bensförderliches entdeckt.
                                               Ich habe eine Ausrichtung und Wegwei-
Anja Stetten                                   sung für mein Leben erfahren. Trotzdem
                                               passiert es, dass mein Herz davonwan-
                                               dert und ich es zurückholen muss! Die
In Bewegung                                    Sehnsucht und unsere Treffen sind da-
                                               bei ganz hilfreich! Das Verständnis für
Vieles wurde mir in den Jahren durch           Rituale, Abläufe und Symbole der Kir-
die Schwestern und ihre Spiritualität ge-      che haben sich für mich teilweise neu
schenkt: Öffnung, Sehnsucht und Wei-           erschlossen, besonders die Bedeutung
te im Denken und Glauben. Alte, fest-          des Kreuzes. Das Hineingenommensein
gefahrene Strukturen von Schwere und           in dessen Dynamik. In all den grossen
                                                                                         25
und kleinen «Abschieden» im Alltag, in       Gehen wir mit einem Lächeln und Ver-
     denen ich Erwartungen, Vorstellungen,        trauen weiter «ohne Landkarte und Be-
     Wünsche und Sinnlosigkeiten, aus ver-        scheid wissen wollen über Gott.» (M. D)
     änderten Gegebenheiten, loslassen
     musste. Das ist ein unausweichlicher         M. W., Mitglied seit 2005
     und meist schmerzlicher Prozess.
     Durch ihn kommt das Umdenken je-
     doch erst in Bewegung und die sehn-          Herausforderung und Geschenk
     süchtige Suche nach neuen Möglich-
     keiten des Weiterlebens!                     Seit gut 20 Jahren bin ich mit der Ge-
     Die vielen ganzheitlich gestalteten und      meinschaft «Lebensbaum» und den
     lebhaften Treffen, Auseinandersetzun-        Kreuzschwestern aus Hegne auf einem
     gen mit Themen, Gespräche und Be-            Glaubensweg.
     gegnungen mit den verschiedensten            Diese lange Zeit in Anbindung an das
     Persönlichkeiten der Schwestern und          Kloster, die Schwestern mit ihrer beson-
     Mitglieder erfahre ich als grosse Berei-     deren Spiritualität und die Gemein-
     cherung, Anregung und Herausforde-           schaft von Männern und Frauen, die mit
     rung. An Herausforderungen und Hi­           mir auf diesem Weg sind, haben Spuren
     nein­wachsen mangelt es nicht: eine          hinterlassen. Das Kloster Hegne bedeu-
     Gebetszeit im Alltag festzulegen, das        tet mir Heimat im Glauben, Stärkung
     «Bedürfnis der Zeit» und Barmherzig-         meiner Glaubenshaltung, aber auch
     keit zu leben, Gott zu vertrauen und die     Auftrag, lebendig und hoffnungsvoll den
     Grenzen des Machbaren anzuerkennen,          Glauben dort zu leben, wo mein alltäg-
     spirituell mit dem Kloster verbunden zu      liches Leben stattfindet, in Familie, Be-
     sein und «ausserhalb» umzusetzen …           ruf und Gemeinde.
     Da hilft mir meine Familie, erdig zu blei-   Die Verbindung zum Kloster und der
     ben, indem sie mir klare Rückmeldun-         Gemeinschaft ausserhalb der gemein-
     gen kommuniziert, wenn die Sprache           samen Zeiten besteht für mich im Ge-
     und Gedanken ihrer Mutter unverständ-        bet und in Gedanken an Weggefährten
     lich wirken.                                 und Schwestern. Besondere Paten-
     Mit Dankbarkeit schaue ich auf die vie-      schaften mit Einzelnen aus der Gemein-
     len Bewegungen durch die vielfältigen        schaft und der Gruppe der Schwestern
     Schwestern. Wir alle sind einfach nur        intensivieren diese Verbindung. Immer
     Menschen, unvollkommen und entwick-          wieder gibt es auch die Möglichkeit,
     lungsfähig. Wir alle bedürfen der ge-        durch Mithilfe bei besonderen Veran-
     genseitigen Barmherzigkeit.                  staltungen im Kloster die Verbindung zu
26
diesem für mich besonderen Ort durch
tatkräftige Hilfe lebendig werden zu las-
sen.
Besonders geprägt haben mich bis
heute die Offenheit der Schwestern und
ihre lebendige Spiritualität, die absolute
Freiheit, meinen individuellen Weg ge-
hen zu können und die Möglichkeit,
auch in Zeiten von Zweifel und Krisen
einfühlsam, weltoffen und zugewandt
begleitet zu werden.
Es war in den ersten Jahren in Hegne
durchaus auch schwierig für mich, Stil-
le und häufige Gebetszeiten mit der Ge-
meinschaft und den Schwestern aus-
und durchzuhalten. Welche Kraftquelle        Symbolbild: Einander Licht geben (Bild aus
Gebet und Stille sein können, erschloss      dem Internet)
sich mir erst allmählich.
Die Gemeinschaft der Menschen, die           ligen Kreuz in der ersten Primarklasse
im «Lebensbaum» gemeinsam unter-             kennengelernt, als die Schwestern vor
wegs sind, ist bunt und vielfältig. Dies     55 Jahren in ihrer Schule unterrichteten.
ist Herausforderung und Geschenk             Neben dem altersgerechten Unterrich-
gleichzeitig und bedeutet für mich per-      ten merkte Barbara, dass die Schwes-
sönlich, auch das Reflektieren und           tern den Schülern die Werte des 2. Va-
Überdenken meiner Haltung und Wahr-          tikanums beigebracht haben. Das 2. Va-
nehmung.                                     tikanum ermächtigte die Laien, mehr
                                             Verantwortung zu übernehmen. Und die
Sylvia Fiedler                               Schwestern haben Barbara als junge
                                             Erwachsene ermutigt, sich in Liturgie,
                                             Musik und im Pfarreileben zu engagie-
                                             ren.
Assoziierte Provinz USA
                                             Heute sind Barbara und ihr Mann Ric
Vom Geist Gottes bewegt                      Assoziierte der Barmherzigen Schwes-
Die Assoziierte Barbara Johnson hat          tern vom heiligen Kreuz. Im Berufsleben
die Barmherzigen Schwestern vom hei-         mussten sie übersiedeln und deswegen
                                                                                          27
die Pfarrei wechseln. Ihre Beziehung zu     Schwesterngemeinschaft durch Diens-
     den Schwestern blieb aber beständig         te und Gebet verbunden. Einmal im Mo-
     als geistliche Gegenwart und als Weg.       nat mache ich eine 30-minütige An­
     Diese Beständigkeit hat ihnen geholfen,     betung. Mein Anteil an der weltweiten
     ihren geistlichen Weg zu entwickeln und     Anbetung der Kreuzschwestern ist für
     aufrechtzuerhalten.                         mich etwas sehr Kostbares. Ich verbrin-
                                                 ge eine ruhige Zeit mit dem Herrn, bete
     Sie schätzen es sehr, dass sie eine tie-    das Stundengebet und denke an jede
     fere Beziehung zu einer Schwester ha-       einzelne Schwester, die ich mir im Geist
     ben, damit sie zusammen den Weg wei-        vorstelle. Da ich in einer Pfarrei arbeite,
     tergehen können, sowohl geistlich als       ist die Anbetungskapelle nur ein kleiner
     auch gesellschaftlich. Sie sind Zeugen,     Spaziergang von meinem Büro entfernt.
     wie die Schwestern franziskanische          Unterwegs begegne ich immer wieder
     Werte und ihr Charisma leben, und wer-      Menschen aus der Pfarrei, aber da
     den durch sie inspiriert, das Gleiche in    mahnt mich mein Handy an meine Ver-
     ihrem Leben und ihren Beziehungen zu        pflichtung, denn die Zeit mit dem Herrn
     tun.                                        hat für mich Priorität. Obwohl jeweils
     Sie schätzen die Verbindungen mit den       nach meiner Rückkehr die Arbeit nicht
     Schwestern – regional, national und         weniger geworden ist, gehe ich nach
     international. Solche Beziehungen feh-      der Anbetung gelassener an sie heran.
     len in ihrer Pfarrei, um Dienste und Auf-
     gaben wahrzunehmen.                         Diana Maki
     Eine gegenwärtige Herausforderung ist,
     dass sie geografisch weit von Merrill
     entfernt sind. Sie hoffen, dass die Tech-   Miteinander verbunden
     nologie der Kommunikation noch wei-
     terentwickelt wird, damit mehr Kontak-      Das Jahresmotto «Von Gottes Geist be-
     te möglich werden.                          wegt mutig auf den Weg» zeigt mir auf
                                                 schöne Art die Beziehung und Verbin-
     Richard und Barbara Johnson                 dung zwischen Schwestern und Asso-
                                                 ziierten. Die Erfahrung und Begleitung
                                                 der Schwestern gaben uns die Kraft
     «Satelliten»-Assoziierte                    und den Mut, mit Johns Krankheit um-
                                                 zugehen. Er hat im Endstadium Alzhei-
     Ich nenne mich eine «Satelliten»-Asso-      mer. Ein Priester sagte zu ihm: «John,
     ziierte. Als solche bin ich mit der         du bist ein lebendiges Glaubenszeug-
28
nis.» Ich sage ihm jetzt öfters, wenn es           in unserer Kirche anzunehmen. Dienste
so weit ist, wird Jesus dich sofort mit            kann ich übernehmen, weil John seine
offenen Armen zuhause aufnehmen.                   Zeit in einem sehr guten Tageszentrum
Seine Fegefeuer-Erfahrung macht er                 für Demenzkranke verbringt.
hier und jetzt. Wie unsere Schwestern,             Mit meiner Familie pflege ich nach wie
so gehen wir mit unserer veränderten               vor den Lourdes-Garten unserer Pfar-
Lebenssituation um und passen uns auf              rei. Unsere Pfarrei hat eine Patenschaft
sinnvolle, lebensbejahende Art an sie              mit einer Pfarrei in Honduras. Christen
an.                                                aus dieser Pfarrei wollten Bilder von uns
Es wäre einfach zu sagen: Mehr kann                im Lourdes-Garten machen. So haben
ich nicht tun. Aber auch hier gibt mir             wir die Möglichkeit, unseren Glauben
das Beispiel unserer älter werdenden               mit anderen zu teilen, während wir im
Schwestern und Assoziierten die Ein-               Garten arbeiten.
sicht, dass ich doch noch mehr machen              Meine anspruchsvollste Aufgabe war
kann. Das gibt mir die Kraft, Aufgaben             die Übernahme einer Gruppe, die sich

Symbolbild (Gaukler, Stadtpark St. Gallen): Das Leben teilen
                                                                                               29
«lebendige Geschichte» nennt in der St.     Familien die Möglichkeit, günstige Häu-
     Mary’s School. Die Schule selbst wurde      ser zu bekommen, älteren Menschen
     vor drei Jahren geschlossen. Es war die     die Gelegenheit, in ein kleineres Haus
     älteste katholische Schule in Wisconsin     zu ziehen und ihren Besitz zu verrin-
     und die drittälteste in den Vereinigten     gern. Für uns war der Umzug der
     Staaten. Jetzt wird dort noch Religions-    Grund, Kisten voller kleiner und grosser
     unterricht angeboten für Schüler/-innen     Gegenstände zu sortieren und die Ent-
     vom Kindergarten bis zur 12. Klasse.        scheidung zu treffen, was wir verschen-
     Für mich war es wichtig, dass die jun-      ken und was wir behalten wollten.
     gen Menschen merken, dass die Ge-           Wir entschieden uns zuletzt, in eine
     schichte mit Jesus weitergeht.              Zweizimmer-Eigentumswohnung zu zie-
     Obwohl wir nicht nach Merrill fahren        hen. Das verringerte unseren Besitz
     können, wird unsere Beziehung zu den        und vereinfachte unser Leben. Es war
     Schwestern jeden Tag gestärkt, weil wir     eine Herausforderung, uns von materi-
     füreinander beten. Wir halten Kontakt       ellen Dingen zu trennen. So schwierig
     innerhalb der Provinz und auch interna-     es auch war, es half uns, das Wichtige
     tional.                                     in unserem Leben nach Prioritäten zu
                                                 ordnen. Wir konnten auch vielen Men-
     Mary und John Bartol                        schen in Not helfen, indem wir ihnen
                                                 Sachen schenkten.
                                                 Unser kleines Zuhause in Wausau, Wis-
     Einfacher werden                            consin, gab uns die Möglichkeit, ande-
                                                 ren zu helfen. Dies gab uns zudem die
     Ob man es «Downsizen» nennt oder            Gelegenheit, unsere «Sorge für die
     «seinen Verhältnissen entsprechend          Erde» weiterzuentwickeln. Wir bekamen
     ­leben», es scheint, dass im Älterwer­      die Chance, einen zweijährigen Chi­
      den einfache Sachen eine neue Bedeu-       huahua (Hunderasse) von einem Tier-
      tung bekommen. Als Assoziierte der         heim zu adoptieren. Er hat die Stürme
      Schwestern vom heiligen Kreuz versu-       in Texas von 2018 überlebt, heisst Lu-
      chen wir, dem Beispiel des heiligen        cky und macht uns sehr viel Freude. Wir
      Franziskus von Assisi zu folgen und        haben mit einem Entsorgungsplan in
      unser Leben einfacher zu gestalten.        Wausau begonnen, damit wir dem Tier-
      Als wir vor 20 Jahren nach Merrill über-   heim ein wenig helfen können. Jede
      siedelten, kauften und renovierten wir     Woche sammeln wir Aluminiumdosen.
      einige kleine alte Häuser. Das bedeute-    Mit dem Erlös der Sammlung können
      te neues Leben für die Häuser und gab      wir die Tiere im Heim unterstützen, die
30
auf ein neues Zuhause warten. Leute,                 den Wunsch, etwas über das Leben
die in unserem Wohnblock wohnen, ha-                 und die Motivation der Schwestern in
ben nun gemerkt, dass Entsorgen nur                  ihrer Missionsarbeit zu erfahren. Sie
einige Minuten pro Tag braucht und                   hatten sie bei ihrer Pastoral- und Sozial-
doch eine wichtige Rolle spielt. Spazier-            arbeit beobachtet und wollten mehr
gänge mit unserem kleinen Chihuahua                  über sie wissen. Sie hatten erlebt, wie
machen uns weiter aufmerksam auf die                 sie ohne Unterschied der Klassen und
Schönheit der Natur und die Notwen-                  Religionen den Menschen helfen, und
digkeit, den Abfall zu sammeln.                      dazu noch, ohne daraus ein Aufheben
Unsere Herausforderung als ältere As-                zu machen. Sie folgten einfach in Treue
soziierte ist ähnlich mit jener der                  zu Christus dem Evangelium, wie es die
Schwestern. Wir haben auch wenig                     Gründer des Institutes, Pater Theodo-
Energie, um bei grösseren Projekten                  sius Florentini und Mutter Maria There-
mitzumachen, aber einfache, kleine Sa-               sia vorgelebt hatten. Es war schlicht
chen machen nach wie vor einen Unter-                und einfach ein Leben mit dem Ruf der
schied. Manchmal ist es nötig, einen                 Gnade, gestützt auf die franziskanische
Schritt zurückzugehen und unser Leben                Spiritualität und das Gebet. Pater Theo-
zu entrümpeln, um das Eigentliche zu                 dosius und Mutter Maria Theresia
erleben, das wir anderen weiterschen-                wünschten, dass die Schwestern davon
ken.                                                 Zeugnis geben.
                                                     So kam es, dass sich eine kleine Grup-
Carol und Russ Mancini                               pe Erwachsener versammelte und zu-
                                                     sammen mit Sr. Gabriella Di Mauro ei-
                                                     nen Weg suchte. Es war zunächst ein
10 Jahre «Samen des Heiligen                         freundschaftliches Teilen. Mehr und
Kreuzes» – Assoziierte der                           mehr führte dies zum Kennenlernen
Kreuzschwestern, Brasilien                           unseres Charismas und des Lebens
                                                     unserer Ordensgründer und unserer se-
Sr. Lidia Boito, seit 2017 Begleiterin der Assozi-   liggesprochenen Mitschwestern, Sr. Ul-
ierten in Santa Rita, Nova Iguaçu, RJ, Brasilien     rika Nisch und Sr. Zdenka Schellingová.
                                                     Auch die Texte der Pastoral- und Sozi-
Anfänge der Gruppe                                   allehre der lokalen und universalen Kir-
Anfänglich waren es einige Frauen und                che gaben Orientierung. Der Auseinan-
Männer, die an der Pfarreigemeinschaft               dersetzung und dem Austausch in der
mehr oder weniger teilnahmen. Andere                 Gruppe folgten Überlegungen, wie sie
äusserten schon seit einigen Jahren                  als Getaufte ihren Verpflichtungen in
                                                                                                  31
Symbolbild (Abendgebet in Hegne): Miteinander beten

     der Pastoralarbeit, in ihrer Familie und        und in der Kirche. Das persönliche Ge-
     im beruflichen Umfeld gerecht werden            bet hilft ihnen, als Getaufte zu leben
     könnten.                                        und in der Gesellschaft vom Glauben
     Im Jubiläumsjahr 2016, «60 Jahre Kreuz­         Zeugnis zu geben durch gelebte Werte
     schwestern in Brasilien», haben 12 Mit-         und die entsprechenden Haltungen:
     glieder ein Versprechen abgelegt, ge-           Gemeinschaftssinn, geschwisterliches
     stützt auf die franziskanische Spiritua­        Teilen, Einfachheit ohne Aufsehen, Un-
     lität und die unseres Institutes. Die           terstützung anderer in schwierigen fa-
     Richtlinien dafür haben sie gemeinsam           miliären und finanziellen Situationen, als
     mit den Schwestern ausgearbeitet. Die           Erzieher und Lehrer in der Schule blei-
     Generalleitung hat sie alsdann gutge-           bende Werte vermitteln, Motivierung für
     heissen. Sie sind «Assoziierte der              eine Friedens- und Gerechtigkeitskultur,
     Kreuzschwestern» geworden und ha-               Besuche bei alten, einsamen und kran-
     ben sich selbst den Namen «Samen                ken Menschen, das sind Zielsetzungen,
     des Heiligen Kreuzes» gegeben. Immer            die nicht ohne Auswirkung auf die je-
     mehr spüren sie, dass das Gebet not-            weilige Umgebung bleiben. Je nach
     wendig ist, das Gebet am Beginn der             Möglichkeit ihrer verfügbaren Zeit set-
     Versammlungen, in der eigenen Familie           zen sie sich als Freiwillige in der Pasto-
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ral- und Sozialarbeit ein. Diese Begeg-   Sr. Gabriella Di Mauro (Leiterin der Gruppe von
nungen sind auch Zeugnisse, wodurch       2010–2017)
neue Freundschaften entstehen. So hat
ein Ehepaar auf diese Weise nach          Diese zehn Jahre sind so schnell ver-
Überlegung und Gebet gebeten, in die      gangen, dass ich es gar nicht merkte.
Gruppe aufgenommen zu werden.             Der Heilige Geist war voll gegenwärtig,
                                          und ich spürte die Freude und das
Im Jahr 2018 wurden unsere Assoziier-     Glück, dieser Kongregation anzugehö-
ten mehrfach sehr erschüttert. Neide      ren. Es war die Verwirklichung eines
Moreira, eine der ersten, kam bei einem   Traumes. Ich bin glücklich, ein «Samen-
Strassenunfall ums Leben. Bei anderen     korn vom Heiligen Kreuz» zu sein, und
Mitgliedern gab es schwere Krankhei-      dafür danke ich jeden Tag. Ich danke
ten, Operationen, Probleme in der Fa-     nicht nur für mich, sondern für jede und
milie und andere schmerzliche Situatio-   jeden von uns. Ich möchte treu bleiben,
nen. Bei einem Mitglied war das Weg-      solange Gott mich leben lässt, und ich
gehenmüssen aus der Gruppe, bedingt       zähle auf ihn. In unserer Kirche «Christ-
durch den Arbeitsplatz, ein grosser       König» beten wir am 16. jeden Monats
Schmerz. Sie helfen und unterstützen      um Berufungen. Auch als Gruppe ver-
sich gegenseitig und teilen miteinander   pflichten wir uns, an diesem Tag auf die
das Schöne und das Leidvolle.             Fürsprache von Mutter Maria Theresia
                                          um Berufungen zu bitten.
Für uns Schwestern ist es eine Erfah-
rung der gelebten Vision 2020 für die     Maria Gomes
Gesamtkongregation: «Mit den Men-
schen unterwegs sein und mit ihnen        Ich, Olinda, wurde zur Teilnahme an der
das Leben gestalten.»                     Gruppe «Samenkorn vom Heiligen
                                          Kreuz» gerufen. Ich entdeckte in mir
                                          den Wunsch, meine Taufe immer inten-
Einige Zeugnisse                          siver zu leben, indem ich dem helfe, der
                                          meine Hilfe braucht, und ich mehr Glau-
Was Gott zulässt, das segnet er auch.     be, Geduld und Mut habe, das Wort
Es ist mir eine grosse Freude zu sehen,   Gottes zu verkünden. Ich lebe meine
wie die Einzelnen in der Kenntnis unse-   Berufung mit meiner Familie und mei-
res Charismas und unserer Spiritualität   nen Brüdern. Ich möchte auch treu und
wachsen und in der Verantwortung da-      gehorsam sein.
raus das Leben gestalten.                 Olinda Domingos dos Santos
                                                                                            33
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