Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei

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Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
06/22
        Das Magazin
        der Gewerkschaft
        der Polizei

                           Flexibles Arbeiten

        Und es geht doch!
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
In Koop
                                                                                                                eration
                                                                                                                          m
                                                                                                    Gewerk it der
                                                                                                           sc h
                                                                                                     der Poli aft
                                                                                                             zei
                                                                                                       (GdP)

Im Einsatz für alle, die immer
im Einsatz sind: unsere Versicherungen.

Wer wie Sie jeden Tag unsere Gesellschaft schützt, verdient Respekt und den besten Schutz. Mit der PVAG, unserer Polizeiversiche-
rung mit der GdP, bieten wir maßgeschneiderte Absicherung und Vorsorge sowie eine kompetente Rundum-Beratung.

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Telefon 0231 135-2551, polizei-info@pvag.de
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Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
06
                                                Inhalt

IN EIGENER SACHE                                Titel                                  Innenleben

Liebe Leserschaft,                              2       Jetzt haben wir den Spagat     21   Es geht weiter …

mittlerweile kann wohl jede und jeder von                                              24	Grundstein für die kommenden vier
Euch eine Geschichte im Zusammenhang            Im Gespräch                                Jahre gelegt
mit einer der zahlreichen Varianten des Co-
ronavirus SARS-CoV-2 zum Besten geben.          10	Eine klare Win-win-Situation       36   „Hörbar stark. Sichtbar wirksam.“
Ein oder zwei Streifen auf dem Test, leich-
te Symptome oder heftiges Ringen, das öde       15	Homeoffice erfordert Transparenz
Verharren in der Quarantäne und die an ei-                                             Hingeschaut
nen selbst gerichtete Frage: Wie verantwor-     18	Vernetzen, einmischen,
tungsbewusst gehe ich mit den anlaufen-             zusammenstehen                     22	Extinction Rebellion – eine neue
den Lockerungen um? Die Pandemie hat                                                       Gefahr?
uns in den Schwitzkasten genommen, und          28	Wieder stärker dem Bürger
wir strampeln noch kräftig, um uns daraus           zuwenden
zu befreien.                                                                           Gelesen
    Vor diesem Hintergrund ist es erstaun-
lich, dass der Virus auch Positives hervor-     Hinterfragt                            38   Risse in der Gesellschaft
gebracht hat. Für viele Beschäftigte stellte
sich plötzlich nicht mehr die Frage, ob sie     12      Besser mit als ohne
fünf Minuten eher losfahren sollten, um dem
Stau zu entgehen, ob heute wieder der Bus                                              40   Impressum
ausfällt oder die S-Bahn sich massiv verspä-
tet. Beachtet werden musste fast nur noch,
dass die bequeme Jogginghose bei der Vi-
deokonferenz mit dem Chef möglichst ver-
borgen bleibt.
    Doch so simpel und oberflächlich kommt
man dem sogenannten mobilen Arbeiten
und dem Homeoffice nicht bei. Nicht alle
Beschäftigten werden gleichermaßen da-
von profitieren können. Daher war es not-
wendig, die Chance, die die Coronakrise
per Kavalierstart eröffnete, einer dezidier-
ten gewerkschaftlichen Begutachtung zu
unterziehen. Zu behaupten, dass es in kom-
pletten Dienstbereichen wie der Aus- und
Fortbildung, den Einsatzeinheiten oder im
Kriminal- und Wechselschichtdienst nicht
möglich sei, flexible Arbeitsformen zu ent-
decken, hält die Gewerkschaft der Polizei
(GdP) für falsch. Die Sicht Eurer GdP dazu
erfahrt Ihr auf den nächsten Seiten. Dort
stellen wir die wesentlichen Punkte des Po-
sitionspapieres „Gute flexible Arbeit bei der
Polizei“ vor. Und es geht doch!

Michael Zielasko
DP-Chefredakteur
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
2                                    DEUTSCHE POLIZEI 06/2022   DP

FLEXIBLES ARBEITEN IN DER POLIZEI

Jetzt
haben
wir den
Spagat

Flexible Arbeit ist ein integraler
Bestandteil der modernen
Polizei. Die Gewerkschaft der
Polizei (GdP) ist überzeugt von
den Vorzügen flexibler
Arbeitsmodelle im Verwaltungs-
und Vollzugsdienst der Behörde.
Was dafür notwendig ist und wie
Arbeitgeber und Beschäftigte
davon profitieren.
Danica Bensmail
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                                       3

                                                                    I n allen Dienstbereichen der Polizei sind flexible Arbeitsformen
                                                                      nicht nur möglich, sondern notwendig. Von der Telearbeit
                                                                    bis zum sogenannten Homeoffice: Die GdP tritt dafür ein, dass
                                                                    flexibles Arbeiten in allen Bereichen der Polizei bundesweit ein-
                                                                    geführt wird.
                                                                       Warum? Weil es uns allen guttut! Gute flexible Arbeit stärkt
                                                                    nicht nur die Attraktivität der Polizei als Arbeitgeber. Sie er-
                                                                    möglicht es den Beschäftigten, Dienst und Privatleben indivi-
                                                                    duell unter einen Hut zu bringen. So bleibt die Polizei familien-
                                                                    freundlich, Beschäftigte sind zufriedener und diese Zufrieden-
                                                                    heit wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus.
                                                                       Wie das funktionieren kann und was dafür nötig ist, hat die
                                                                    „AG Flex“ der GdP in zehn Kernforderungen zusammengefasst.

                                                                        1
                                                                    Nie wieder
                                                                    ohne
                                                                    Wir wenden uns gegen die Behauptung,
                                                                    dass es komplette Dienstbereiche geben
                                                                    soll, in denen flexible Arbeitsformen pau-
                                                                    schal ausgeschlossen werden können. Im
                                                                    Zweifel gilt die Einzelfallprüfung – und sei
                                                                    es nur für Teilaufgaben.
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    2
    Für uns
    alle

              Gute flexible Arbeit muss allen Beschäfti-
              gungsgruppen der Polizei diskriminierungs-
              frei und barrierearm angeboten werden. Da-
              rum fordern wir die Gleichbehandlung von
              flexiblem Dienst und Präsenzdienst, Teil-
              und Vollzeit sowie von Tarifbeschäftigten,
              Verwaltungs- und Vollzugsbeamtinnen und
                                                                    Foto: freshidea/stock.adobe.com

              -beamten sowie den operativ tätigen Einhei-
              ten. Übrigens: Das geht natürlich nur mit ent-
              sprechender Arbeitsplatzgestaltung sowie
              notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen.
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                                 5

                                                                                  3
                                                                                Keinen
                                                                                Bock?
                                                                                Kein
                                                                                Problem!
                                                                                Flexibilität bedeutet für uns: Alles kann,
                                                                                muss aber nicht. Denn nicht alle Beschäf-
                                                                                tigten haben den Wunsch nach Homeof-
                                                                                fice und Co. Das muss der Arbeitgeber
Foto: fotomaster/stock.adobe.com

                                                                                respektieren. Beschäftigte müssen sich
                                                                                entscheiden dürfen, ob sie ortsungebun-
                                                                                den oder in Präsenz arbeiten wollen.

                                     4              Mehr Raum für
                                                    Individualität

                                   Flexible Arbeit muss Arbeitszeiten ga-
                                   rantieren, die die Gesundheit erhalten
                                   und den Beschäftigten mehr Raum ge-
                                   ben, das Leben individueller zu gestalten.
                                   Darum fordern wir die Einhaltung der ge-
                                   setzlichen Höchstarbeitszeit pro Tag ge-
                                   mäß Arbeitszeitgesetz, die Aufnahme der
                                   gesetzlichen Ruhezeit ins Arbeitsschutz-
Foto: jackfrog/stock.adobe.com

                                   gesetz und eine gesetzliche Arbeitszeit-
                                   erfassung.
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
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       5          Dienst ist Dienst,
                  Spaß ist Spaß

    Gute flexible Arbeit muss einen Rahmen
    vorgeben, der verhindert, dass die Gren-
    zen zwischen Dienstlichem und Priva-
    tem verschwimmen. Darum fordern wir
    das Recht auf Nicht-Erreichbarkeit von
    Beschäftigten und Führungskräften, die
    Entwicklung technischer Möglichkeiten,

                                                                                                          Foto: Altay Kaya/stock.adobe.com
    diese „Off-Zeiten“ kenntlich zu machen
    und digitale Methoden zur Arbeitszeit-
    erfassung.

                                               6
                                               Das Recht
                                               auf Deinen
                                               SenfFlexible Arbeit ist nur dann wirklich gut,
                                                   wenn sie auf Rechtsgrundlagen basiert,
                                                   die eine umfassende Mitbestimmung ge-
                                                   währleisten. Wo das bislang nicht der Fall
                                                   ist, müssen für Beamtinnen und Beamte
                                                   sowie Tarifbeschäftigte die entsprechen-
                                                   den Arbeitszeitverordnungen angepasst
                                                   werden. Die Bestimmung des Arbeitsor-
                                                                                                          Foto: New Africa/stock.adobe.com

                                                   tes muss als wesentliches Merkmal der
                                                   personalvertretungsrechtlichen Mitbe-
                                                   stimmung in allen Ländern und dem Bund
                                                   definiert werden.
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                  7

                                                               7
                                                               Alles schön
                                                               im Rahmen
                                                                   Keine gute flexible Arbeit ohne aussage-
                                                                   kräftige Rahmendienstvereinbarungen.
                                                                   Darin muss unter anderem geregelt sein:
                                                                   die Genehmigung und Versagung ent-
                                                                   sprechender Anträge, die Festsetzung
                                                                   von Arbeitszeit- und Mehrarbeitsregeln,
                                                                   die Festlegung von Ausstattungsstan-
                                                                   dards und Vorgaben von (Nicht-)Erreich-
                                                                   barkeiten.
Foto: Jacob Lund/stock.adobe.com
Und es geht doch! 06/22 - Gewerkschaft der Polizei
8                                                                    DEUTSCHE POLIZEI 06/2022   DP

                                       8
                                   Gewusst
                                   wie
               Gute flexible Arbeit muss von breit ange-
               legten Fortbildungsprogrammen beglei-
               tet werden. Dazu gehört die Vermittlung
               von kommunikativen „soft skills“ an Vor-
               gesetzte und Beschäftigte. Die Teilnah-
               me an Qualifizierungsmaßnahmen muss
               als Arbeitszeit gelten. Darüber hinaus ist

                                                                                                     Foto: inimalGraphic/stock.adobe.com
               es notwendig, weitere Angebote zu The-
               men wie Resilienz, Gesundheits- und Ar-
               beitsschutz anzubieten.

    9
    Flexible
    Führung
                                                    Damit Arbeit gut und flexibel sein kann,
                                                    bedarf es Führungskräften, die entspre-
                                                    chende Arbeitsmodelle als gleichbe-
                                                    rechtigte Arbeitsformen aktiv fördern.
                                                    Darum fordert die GdP die Aufnahme
                                                    der Thematik „Führen aus der Distanz“ in
                                                    die Lehrpläne, verpflichtende Führungs-
                                                    kräftetrainings zu diesem Thema und die
                                                    wissenschaftliche Auseinandersetzung
                                                                                                     Foto: lim_pix/stock.adobe.com

                                                    an der Deutschen Hochschule der Poli-
                                                    zei ( DHPol) mit entsprechendem Praxis-
                                                    transfer.
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                         9

                                                                           Gute flexible Arbeit muss durch Investi-
                                                                           tionen in Liegenschaften und moderne
                                                                           Konzepte für Zusammenarbeitsformen
                                                                           proaktiv gestaltet werden. Das setzt mo-
                                                                           derne Arbeitsraumkonzepte voraus, die
                                                                           sowohl kollaborativ kommunikatives so-
                                                                           wie individuell fokussiertes Arbeiten er-
                                                                           möglichen. Diese müssen den Arbeits-
                                                                           und Gesundheitsschutz berücksich-
                                                                           tigen, Kommunikation und Austausch
                                                                           fördern, Rückzugsmöglichkeiten eröff-
                                                                           nen und über eine ausgeprägte techni-
                                                                           sche und digitale Infrastruktur verfügen.

                                                                 10   Drei Zimmer,
                                                                      Küche, ...
Foto: Виталий Сова/stock.adobe.com
10

Im Gespräch                                                                                    DP-Gesprächspartner
                                                                                               Hagen Husgen

                                                                                               Foto: GdP/Hagen Immel

„AG FLEX“-CHEF HAGEN HUSGEN

Eine klare
Win-win-
Situation
Der Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die Digitalisierung
gehören zu den Themenfeldern, die Hagen Husgen im
Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstand beackert. Der
pandemiebedingte Aufschwung des mobilen Arbeitens stellt eine
Schnittmenge dessen dar. Die von ihm angeführte „AG Flex“ hat
dazu Positionen entwickelt. Ein DP-Gespräch über Attraktivität,
Vertrauen und Führungsverantwortung.

Michael Zielasko

DP: Kollege Husgen, wie stehst Du selbst        wendige Vereinzelung von Beschäftigten in
zum mobilen Arbeiten?                           eine Win-Win-Situation für alle ummünzen
Hagen Husgen: Als Vorsitzender der GdP          können. Dazu mussten wir nur Vorschläge
in Sachsen und Mitglied des Geschäftsfüh-       machen, den externen Prozess kritisch be-
renden GdP-Bundesvorstandes kann ich vie-       gleiten und dort Mitbestimmung einfordern.
les gar nicht nur in meinem Büro erledigen.
Schon vor Corona gehörte für viele Men-         DP: Was habt Ihr konkret gemacht?
schen mit einem komplexen Aufgabenspek-         Husgen: Wir haben geschaut, was einen at-
trum und womöglich noch zusätzlich ehren-       traktiven Arbeitgeber heutzutage ausmacht.
amtlichen Tätigkeiten eine, na ja, allerdings   Es liegt doch auf der Hand, dass die Bedeu-
kaum standardisierte Form des privaten mo-      tung des flexiblen, virtuellen, bestenfalls
bilen Arbeitens zum Standardprogramm.           ortsunabhängigen Arbeitens weit über die
                                                Frage der Vereinbarkeit von Berufs- und Pri-
DP: Dann kam aber die Pandemie.                 vatleben hinausgeht. Und das betrifft eine
Husgen: Jeder Krise wohnt eine Chance           zeitgemäße, modernsten Anforderungen ge-
inne. Ziemlich schnell war uns klar, dass       recht werdende Aus- und Fortbildung und
wir die aus Infektionsschutzgründen not-        natürlich vor allem den Zeitraum, in dem Be-
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                                                                                                     11

                                                                                       Zum Download                                      Zum Download des
                                                                                       des Ratgebers:                                    Positionspapieres:
                                                                                       Dienstvereinbarungen                              Gute flexible Arbeit
                                                                                       für gute flexible Arbeit                          bei der Polizei
                                                                                       bei der Polizei

                                                                     schäftigte ihren täglichen Dienst mit all ih-    sich auf Vertrauen und Kommunikation
                                                                     ren individuellen Lebensentwürfen in Ein-        stützende sensible und empathische Füh-
                                                                     klang bringen wollen.                            rungskultur. Aufgabe der Führungskräfte ist
                                                                                                                      es, auch aus der Ferne präsent zu sein und
                                                                     DP: Ist denn die Polizei ein attraktiver Ar-     eine einerseits autonome Arbeitsatmosphä-
                                                                     beitgeber?                                       re wie andererseits offene, dennoch achtsa-
                                                                     Husgen: Besser geht immer, aber immerhin         me Kommunikations- und Feedbackkultur
                                                                     zu einem klaren Jein könnte ich mich schon       zu etablieren – und vorzuleben.
                                                                     durchringen. Da wir mit der Wirtschaft im
                                                                     Wettbewerb um die Geeignetsten stehen,           DP: Okay, aber ist an dieser Stelle nicht
                                                                     muss der Dienstherr zu begeistern wissen.        trotzdem die größte Reibungsfläche?
                                                                     Übrigens helfen wir dabei sehr gerne mit.        Husgen: Momentan vielleicht noch. Noch
                                                                     Und beweglichere Arbeitszeiten und -orte         ist der Prozess irgendwie sehr neu. Wenn
                                                                     für Beschäftigte, deren Dienst solche Flexi-     alle mitmachen wollen, wird der Vorteil, den
                                                                     bilität zulässt, sind da mittlerweile fast ein   das mobil-flexible Arbeiten mit sich bringt,
                                                                     Muss.                                            jedoch mehr als offenkundig werden. Der
                                                                                                                      Weg zurück ist doch gar nicht vorstellbar.
                                                                     DP: Zudem kommen mehrere positive Ef-            Und zwar für alle Beteiligten. Auch für die
                                                                     fekte zusammen, wie die AG Flex zusam-           Führungskräfte.
                                                                     mengetragen hat.
                                                                     Husgen: Auf jeden Fall. Gute flexible Ar-        DP: Die bleiben das Zünglein an der Waa-
                                                                     beit erlaubt es den Beschäftigten, sehr viel     ge, nicht wahr?
                                                                     unter einen Hut zu bringen. Dadurch kann         Husgen: Eine Verweigerungshaltung wird
                                                                     sich die Polizei in vielen Bereichen als fa-     nichts nützen. Dazu ist der Arbeitsprozess,
                                                                     milienfreundlicher Arbeitgeber präsentie-        sei es in der Wirtschaft oder im öffentlichen
                                                                     ren. Noch vor Kurzem, vor Corona, wäre es        Dienst, schon zu sehr auf größere Individu-
                                                                     für viele deutlich schwieriger gewesen, sich     alität eingestellt. Und so viel wird von den
                                                                     besser um ihre Kinder und um pflegebedürf-       Führungskräften doch gar nicht erwartet.
                                                                     tige Verwandte kümmern zu können. Wohl
                                                                     gemerkt, in deren privatem Umfeld. Wir ha-       DP: Was denn?
                                                                     ben zudem verlässlichere Arbeitszeiten,          Husgen: Sie sollten mit den einzelnen Be-
                                                                     ohne ständige Dienstplanänderungen. Nicht        schäftigten regelmäßig und umfassend
                                                                     zu vergessen die positiven gesundheitlichen      kommunizieren, sie aktivieren und den ge-
                                                                     sowie ökologischen Aspekte. Man denke nur        meinsamen Austausch im gesamten Team,
                                                                     an die täglichen Staus oder Verspätungen         eben auch digital ermöglichen. Das Zauber-
                                                                     im öffentlichen Nahverkehr. Das kann doch        wort heißt Interaktion.
                                                                     richtig nerven. Weniger davon ist definitiv
                                                                     mehr Entspannung.                                DP: Sie müssen auch die Einsiedler wie-
                                                                                                                      der in die Gruppe integrieren.
                                                                     DP: Aber die Arbeit muss schon noch er-          Husgen: Klar. Führungskräfte sollten er-
                                                                     ledigt werden.                                   kennen können, wann jemand in die Gefahr
                                                                     Husgen: Das steht außer Frage. Selbst-           gerät, sich zu stark abzuschotten oder sich
                                                                     verständlich muss alles in Balance sein.         vielleicht in der Isolation zu sehr einrichtet.
                                                                     Um ergebnisorientiert arbeiten zu können,
                                                                     braucht der eine den Austausch mit dem           DP: Und sie müssen auch einmal Stopp
                                                                     Team, die andere empfindet den Austausch         sagen, oder?
                                                                     als Ablenkung vom eigentlichen Arbeitsauf-       Husgen: Das ist wahrscheinlich aus Sicht
                                                                     trag. Aus unserer Sicht ist es auch wichtig,     des Gewerkschafters am wichtigsten. Es darf
                                                                     dass sich zu Hause jede und jeder selbst eine    auf Seiten der Beschäftigten weder zu einer
                                                                     von möglichst viel Stress befreite und pro-      fachlichen oder zeitlichen Überforderung
                                                                     duktive Arbeitsatmosphäre schaffen kann.         noch zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit
                                Foto: Kenishirotie/stock.adobe.com

                                                                                                                      kommen. Das gilt natürlich für die Führen-
                                                                     DP: Das Führen wird immer wieder als             den selbst auch.
                                                                     Problem beschrieben.
                                                                     Husgen: Nur, wenn man eines draus macht.         DP: Vielen Dank für das Gespräch.
                                                                     Mobiles, flexibles Arbeiten erfordert eine
12                                                                                    DEUTSCHE POLIZEI 06/2022   DP

Hinterfragt

                                                                                                                      Foto: agecreativelab/stock.adobe.com
                                                                     D
HOMEOFFICE UNTERSUCHT                                                        ie aktuelle Pandemie hat nicht nur

Besser mit
                                                                             das private Leben vieler Menschen
                                                                             nachhaltig beeinf lusst, sondern
                                                                     gleichfalls – zum Teil erhebliche – Aus-
                                                                     wirkungen auf die Arbeitswelt entfaltet:

als ohne                                                             und zwar sowohl in der freien Wirtschaft
                                                                     als auch im öffentlichen Dienst. Im Zuge
                                                                     der sogenannten Bundesnotbremse waren
                                                                     viele Arbeitgeber – so auch das Hessische
                                                                     Polizeipräsidium für Technik (HPT) – dazu
Manchmal geht offensichtlich vieles ein bisschen schneller als       angehalten, im Sinne des Infektionsschutzes
eigentlich erwartet. Vor allem, wenn ein Virus ganze Belegschaften   verschiedene Maßnahmen umzusetzen, die
                                                                     zur Eindämmung möglicher Infektionsket-
dazu zwingt, auf Abstand zu gehen. So überrascht der Titel einer     ten beitragen.
aktuellen Studie am Beispiel des Hessischen Polizeipräsidiums für        Im Rahmen der Novellierung des Infekti-
Technik nur bedingt. „Plötzlich im Homeoffice: Die Pandemie als      onsschutzgesetzes wurden die Arbeitgeber
                                                                     zudem konkret dazu aufgefordert, ihre Be-
Wegbereiter mobiler Arbeitsformen im öffentlichen Dienst“ lautet     schäftigten – sofern „keine zwingenden be-
dieser. Marcel Müller ist Autor der Arbeit, sein Auftraggeber der    triebsbedingten Gründe entgegenstehen“ –
örtliche Personalrat. Das Ergebnis schildert er in DP.               ins Homeoffice zu entsenden.

                                                                     Herausfordernde
                                                                     Situation
Marcel Müller
                                                                     Die aus den neuen Regelungen hervorgegan-
                                                                     gen Verpflichtungen stellten die hessische
DP     DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                                                                                                                        13

          Polizei – und mit ihr das HPT – schließlich                           heit erhielten, an der Umfrage teilzuneh-                             ruf und Privatleben im Homeoffice sehr gut
          vor große Herausforderungen: Denn dort                                men. Im Rahmen der Studie sollten die Teil-                           klappt. Dies lässt sich auch dadurch erklä-
          herrschte bis dato größtenteils eine Prä-                             nehmenden ausschließlich die letzten sechs                            ren, dass Beschäftigte, die befürchten, eine
          senzkultur vor, und es fehlte (zunächst) an                           Monate rückwirkend beleuchten. Das Augen-                             solche Trennung funktioniere nicht in ausrei-
          ausreichend mobilen Endgeräten, weshalb                               merk der Auswertung lag primär bei Beschäf-                           chendem Maße, tendenziell auf eine Teilnah-
          mobile Arbeitsformen im behördlichen Ar-                              tigten im Homeoffice.                                                 me am Homeoffice verzichten. Die meisten
          beitsalltag eher die Ausnahme als die Regel                                                                                                 Beschäftigten, die regelmäßig am Homeoffice
          darstellten.                                                                                                                                teilnehmen, verfügen im privaten häuslichen
              Im Zuge der pandemischen Lage sowie                               Bessere                                                               Bereich über einen separaten Arbeitsplatz be-
          der mit ihr einhergehenden Gesetzesände-                              Vereinbarkeit                                                         ziehungsweise ein eigenes Arbeitszimmer.
          rungen war die Behörde folglich verpflich-                                                                                                  Auch hier fällt auf, dass Beschäftigte, die zu
          tet und gewillt, umzudenken und innerhalb                             Die Motivationsgründe für eine regelmäßi-                             Hause nicht über einen solchen Arbeitsbe-
          kürzerer Zeit adäquate Lösungen zur Etab-                             ge Teilnahme am Homeoffice sind bei einer                             reich (oder genügend Platz) verfügen, tenden-
          lierung von Homeoffice zu erarbeiten. In die-                         Vielzahl der Beschäftigten im Wesentlichen                            ziell weniger Homeoffice in Anspruch neh-
          sem Sinne kann die Pandemie schließlich                               privater Natur: So liegt der häufigste Moti-                          men. Der Umstand, dass das Gros zu Hause
          als Digitalisierungs- und Modernisierungs-                            vationsgrund in der – üblicherweise flexib-                           über einen separaten Arbeitsbereich verfügt,
          motor betrachtet werden, in deren Folge sich                          leren beziehungsweise leichteren – Verein-                            ist hinsichtlich der Gewährleistung des Da-
          neue und flexiblere Arbeitsformen – bei-                              barkeit von Beruf und Privatleben sowie der                           ten- und Geheimschutzes sowie des Arbeits-
          spielsweise ein erweiterter Arbeitszeitrah-                           hieraus resultierenden, positiveren Work-Li-                          schutzes durchaus begrüßenswert.
          men – eröffneten.                                                     fe-Balance. Im Ergebnis laufen die verschie-
                                                                                denen Motivationsgründe stets auf eine Zeit-
                                                                                ersparnis und eine Stressreduktion im All-                            Technischer Bedarf
          Das Wie                                                               tag hinaus. Durch die Teilnahme an der
                                                                                mobilen Arbeit können nicht nur das Berufs-                           In Summe sind die Beschäftigten mit der sei-
          Bei der Homeoffice-Studie handelt es sich um                          und Privatleben besser miteinander ver-                               tens der Behörde zur Verfügung gestellten
          eine Mitarbeiterbefragung, die sowohl quan-                           bunden werden, sondern gleichfalls lange                              Technik äußerst zufrieden. Am ehesten be-
          titative als auch qualitative Fragestellungen                         Fahrtwege sowie hiermit verbundene, Stress                            steht nach Ansicht der Befragten der Bedarf
          enthält. Diese erfolgte in Form einer Online-                         fördernde Verkehrsstaus vermieden werden.                             nach einem zweiten Monitor sowie die An-
          Umfrage. Hierzu wurde allen Beschäftigten                             Auch die Empfindung der Beschäftigten, im                             schluss- und Einsatzmöglichkeit eines Dru-
          der Behörde durch den örtlichen Personal-                             Homeoffice regelmäßig konzentrierter und                              ckers oder Scanners. In diesem Zusammen-
          rat eine E-Mail zugesendet, die neben einem                           effizienter arbeiten zu können, legt in Folge                         hang wünschen sich die Beschäftigten ins-
          Motivationsschreiben und Hintergrundin-                               eine Reduktion von Stressoren nahe.                                   gesamt eine stärkere Förderung sogenannter
          formationen zur Studie auch einen Link ent-                                                                                                 E-Akten und elektronischen Mitzeichnungs-
          hielt, über den die Mitarbeitenden direkt zur                                                                                               möglichkeiten, damit der Wechsel zwischen
          Umfrage weitergeleitet wurden. Der Link war                           Läuft!                                                                dem Homeoffice und der Behörde – sowie
          insgesamt für sechs Wochen freigeschaltet,                                                                                                  das Zusammenspiel von in Präsenz und im
          sodass grundsätzlich – trotz Urlaub oder                              Die Mehrheit der Befragten ist der Auffas-                            Homeoffice tätigen Beschäftigten – erleich-
          Krankheit – alle Beschäftigten die Gelegen-                           sung, dass die nötige Trennung von Be-                                tert wird. Insgesamt funktioniert die Ar-

GDP_Deutsche_Polizei_Juni_210x70_iphone.pdf; s1; (210.00 x 70.00 mm); 28.Apr 2022 09:49:36; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien
                                                                                                                                                                                             ANZEIGE
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beitsorganisation der Beschäftigten im Ho-       tionsmedien – mit Ausnahme des persönli-                      gesetzten nicht alleine zu lassen, sondern
meoffice zwar gut, jedoch werden einige Ar-      chen Gespräches – nicht wesentlich vonein-                    vielmehr mittels entsprechender Seminar-
beitsprozesse infolge der hohen Anzahl an        ander unterscheiden: Telefongespräche und                     angebote und Lehrgänge (beispielsweise
Papierakten und -vorgängen teilweise (un-        E-Mails sind übergreifend demnach die be-                     „Führen auf Distanz“) zu unterstützen.
nötig) erschwert. Trotz der – teilweise deut-    liebtesten Kommunikationsformen. Um mög-
lichen – Zunahme an mobilen Endgeräten in        lichen Entfremdungsmechanismen (infolge
den letzten Monaten, sollte die Gesamtzahl       des geringeren persönlichen und informel-                     Attraktiver?!
an mobilen Standardarbeitsplätzen und so-        len Austausches) entgegenzuwirken, sollten
genannten Pool-Geräten weiterhin sukzes-         innerhalb der verschiedenen Arbeitsgruppen                    Die größten Chancen für die Behörde liegen
sive erhöht werden.                              turnusmäßig Gruppen-Meetings und Team-                        in der größeren Wahrnehmung als attrak-
                                                 bildungsmaßnahmen durchgeführt werden.                        tiver und moderner Arbeitgeber, der auch
                                                                                                               langfristig wettbewerbsfähig ist und dem
Fehlender Kontakt                                                                                              es gelingt, seine Beschäftigten langfristig
                                                 Das Misstrauensproblem                                        an sich zu binden. Mit Hilfe von Homeoffice
Nach Ansicht der Beschäftigten kommt in-                                                                       lässt sich insgesamt eine gesteigerte Arbeits-
folge des Homeoffice vor allem der spontane      Eines der größten Risiken für die Behörde                     zufriedenheit der Beschäftigten feststellen.
und persönliche Austausch mit den Kollegin-      – neben einer Schwächung des Zusammen-                        Zudem lassen sich mithilfe der mobilen Ar-
nen und Kollegen (sowohl innerhalb der ei-       halts oder zunehmender Neiddiskussionen                       beitsformen – etwa durch den Wegfall lan-
genen Arbeitsgruppe als auch übergreifend)       innerhalb des Kollegenkreises – liegt in der                  ger Anfahrtswege und -zeiten – langfristig
zu kurz. Wenn Probleme im Homeoffice auf-        nach wie vor mangelnden Akzeptanz von                         die krankheitsbedingten Fehlzeiten inner-
traten, dann am ehesten, weil der spontane       Homeoffice durch Vorgesetzte sowie dem                        halb der Behörde reduzieren. Darüber hi-
Austausch mit Kollegen erschwert oder nicht      hiermit einhergehenden Misstrauen gegen-                      naus bleiben die Beschäftigten hierdurch
(in ausreichendem Maße) möglich war. Dies        über den mobil arbeitenden Beschäftigten.                     grundsätzlich motivierter und sind weni-
bedeutet, dass vor allem die Kommunikati-        Die Präsenz- und Anwesenheitskultur sind                      ger geneigt, die Behörde wieder verlassen
on zwischen den im Homeoffice und im Büro        innerhalb des Kollegenkreises sowie unter                     zu wollen. Hierdurch können die Produk-
befindlichen Beschäftigten optimiert wer-        den Führungskräften der Behörde noch im-                      tivität erhöht und wichtige Ressourcen –
den sollte. In diesem Zusammenhang sollte        mer fest verankert, wonach die Arbeitsleis-                   etwa im Bereich der Personalgewinnung
grundsätzlich auf eine gute Erreichbarkeit       tung der Kollegen und Mitarbeiter nach wie                    – freigesetzt werden. Dennoch gilt es, die
der Beschäftigten geachtet werden – unab-        vor in großem Maße von Präsenz und (phy-                      richtige Balance zwischen Homeoffice und
hängig davon, ob sich diese im Homeoffi-         sischer) Sichtbarkeit geprägt sind.                           Präsenz zu finden: Neuere Studien offenba-
ce befinden oder nicht. Ferner nimmt die            Es liegt nahe, dass das mit dem Homeof-                    ren schließlich, dass die negativen Effekte
Quantität des Austausches infolge der mo-        fice einhergehende Misstrauen gewisser-                       – etwa auf den Zusammenhalt oder die psy-
bilen Arbeit tendenziell ab. Auch dies wirkt     maßen auch mit einer bestehenden Verun-                       chische Gesundheit – ab einem Homeoffice-
sich gleichfalls auf die in Präsenz arbeiten-    sicherung unter den Führungskräften zu-                       Umfang von mehr als zweieinhalb Tagen pro
den Beschäftigten aus und betrifft folglich      sammenhängt. Nämlich der Frage, wie diese                     Woche zum Teil deutlich zunehmen.
nicht bloß die Homeoffice-Teilnehmenden.         adäquat mit den neuen Bedingungen und
Doch hiervon unberührt lässt sich feststel-      Herausforderungen umgehen sollen? Hier
len, dass sich die präferierten Kommunika-       gilt es deshalb, die Führungskräfte und Vor-                  Unter dem Strich

                                                                                                               Insgesamt sind die Beschäftigten, die regel-
                                                                                                               mäßig am Homeoffice teilnehmen können
Der hessische Polizeihauptkommissar                                                                            zufriedener als solche, die einen unerfüll-
Marcel Müller ist assoziierter Doktorand im                                                                    ten Homeoffice-Wunsch haben. Hier besteht
Forschungsprojekt „Polizei-Translationen –                                                                     vor allem die potenzielle Gefahr von Miss-
Mehrsprachigkeit und die Konstruktion                                                                          gunst und Neiddebatten innerhalb der Be-
kultureller Differenz im polizeilichen Alltag“                                                                 hörde. Abschließend bleibt jedoch festzu-
am Institut für Ethnologie und Afrikastudien                                                                   halten, dass die Mehrheit der Beschäftigten
der Johannes Gutenberg-Universität (JGU)                                                                       – inklusive derer, die nicht (regelmäßig) mo-
Mainz. Nach seiner Ausbildung für den ge-                                                                      bil arbeiten – den neu geschaffenen Homeof-
hobenen Polizeivollzugsdienst an der                                                                           fice-Möglichkeiten positiv gegenüberstehen
Hessischen Hochschule für Polizei und Ver-                                                                     und sich eine dauerhafte Etablierung mobi-
waltung studierte er „Kriminologie und                                                                         ler Arbeitsformen wünschen. Dies bedeutet
Polizeiwissenschaft“ an der Juristischen                                                                       auch, dass das Gros der Beschäftigten insge-
Fakultät der Ruhr-Universität Bochum.                                                                          samt sehr zufrieden mit den, durch die Be-
                                                                                                               hörde neu geschaffenen, Homeoffice-Mög-
                                                                                                Foto: privat

                                                                                                               lichkeiten ist. I
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                                               15

                              Im Gespräch
Foto: Nattakorn/stock.adobe.com

                              EIN LEHRGANG ALLEIN REICHT NICHT                                 DP: Herr Kollege Müller, wie ist Ihre priva-

                              Homeoffice
                                                                                               te Erfahrung mit dem Homeoffice?
                                                                                               Marcel Müller: Bisher habe ich sehr gute Er-
                                                                                               fahrungen mit dem Homeoffice gesammelt.
                                                                                               Vor allem an Tagen, an denen man private

                              erfordert                                                        Termine und Verpflichtungen hat – etwa die
                                                                                               Logopädie der Tochter – sorgt die Arbeit im
                                                                                               Homeoffice für eine deutliche Entlastung

                              Transparenz
                                                                                               und somit für die Reduzierung von Stresso-
                                                                                               ren. Am liebsten arbeite ich im Homeoffice
                                                                                               konzeptionell, da ich mich zu Hause meist
                                                                                               besser konzentrieren oder mir Pausen effek-
                                                                                               tiver einteilen kann.

                              DP-Autor und Homeoffice-Experte Marcel Müller erreichen wir zu   DP: Kinder nehmen darauf ja nicht unbe-
                              Hause. Ein Gespräch über Vereinsamung, Small-Talk am             dingt Rücksicht.
                                                                                               Müller: Stimmt. Gerade am Anfang war es
                              Kaffeeautomaten und das Führen auf Distanz.                      nicht einfach, meinen Kindern zu vermit-
                                                                                               teln, dass Papa zwar zu Hause, aber irgend-
                                                                                               wie doch nicht greifbar ist. Aber mittlerweile
                              Michael Zielasko                                                 hat sich das ganz gut eingespielt. Hilfreich
                                                                                               ist natürlich, das häusliche Arbeitszimmer
                                                                                               nutzen zu können, was der Familie meinen
16                                                                                                                  DEUTSCHE POLIZEI 06/2022   DP

„Übergang“ in die Arbeitswelt erleichtert.       legen auch auf Distanz messen können. Aus       net ist. Ich denke, dass wir die Gefahr von
Ohne einen separaten Raum sähe das be-           meiner Sicht sind zudem regelmäßige, mor-       Missgunst und Neiddebatten zumindest re-
stimmt anders aus.                               gendliche Team-Meetings hilfreich, bei de-      duzieren können, wenn wir zum einen kla-
                                                 nen Beschäftigte kurz und prägnant ihre         re Regelungen und Voraussetzungen für die
DP: Wie begegnen Sie dem Problem der             Arbeitsfortschritte und aktuelle Vorgänge       Teilnahme am Homeoffice schaffen und zum
Vereinsamung beziehungsweise der Ver-            diskutieren können. Hierdurch trägt man         anderen, wenn wir die uns zur Verfügung
einzelung? Die Kurzgespräche am Kaf-             schließlich auch dem Wunsch nach einem          stehenden Möglichkeiten entsprechend aus-
feeautomaten sind ja weitgehend weg-             „Sehen und Gesehen werden“ Rechnung,            schöpfen. Für alle Beschäftigten sollte klar
gefallen. Wäre beispielsweise ein Tele-          der irgendwo tief in uns verwurzelt zu sein     erkennbar sein, warum eine Tätigkeit – oder
fonat nur zum Zwecke der Kontaktpflege           scheint. Wichtig sind in diesem Zusammen-       unter Umständen ein Kollege – nicht für das
eigentlich okay?                                 hang vor allem konkrete Absprachen sowie        Homeoffice zugelassen ist. Es bedarf an die-
Müller: Prinzipiell sind regelmäßige Telefo-     eine Gewährleistung der eigenen Erreich-        ser Stelle mehr Transparenz.
nate besser als nichts. Ich halte jedoch Vi-     barkeit.
deokonferenzen für besser geeignet. Das ist                                                      DP: Hand aufs Herz, glauben Sie nicht,
zumindest meine Erfahrung. Ich kann mei-         DP: Warum genau?                                dass im heimischen Umfeld zu viel Ab-
ne Gesprächspartner sehen und empfange           Müller: Ich habe festgestellt, dass vor al-     lenkung lauert?
visuelle Reaktionen – etwa ein Lächeln oder      lem dann Misstrauen aufkommt, wenn die          Müller: Das hängt ganz entscheidend von
ein Nicken – auf Gesagtes.                       Beschäftigten im Homeoffice nicht erreicht      den persönlichen Umständen sowie der Per-
                                                 werden können. Deshalb sollten planbare         sönlichkeit der Beschäftigten ab. Fest steht,
DP: Aber richtig „zusammen“ ist man              Abwesenheiten im Homeoffice – beispiels-        dass nicht jeder für das Homeoffice gleich
trotzdem nicht, oder?                            weise aufgrund eines Arzttermins – offen im     geschaffen ist. Das hat mit Zuverlässigkeit
Müller: Ja, und deshalb sollte man die po-       Team kommuniziert oder unter Umständen          zu tun oder weil sie oder er eine enge Be-
tenzielle Gefahr der Vereinsamung auf kei-       sogar in einem hierfür vorgesehenen Team-       gleitung durch das Team oder die Vorge-
nen Fall unterschätzen. Dies gilt vor allem      Kalender dokumentiert werden. Letztlich         setzten benötigt. Ich hatte ja bereits gesagt,
für Personen, die allein leben und neben         ist die Akzeptanz von Homeoffice oder das       dass es einen großen Unterschied macht, ob
dem Beruf nur in geringerem Maße soziale         Maß an Vertrauen, das ich meinen Beschäf-       ich in meinen vier Wänden über ein sepa-
Kontakte pflegen. Da das persönliche Kurz-       tigten und Kollegen entgegenbringe, auch        rates Arbeitszimmer verfüge oder alternativ
gespräch am Kaffeeautomaten durch nichts         eine Frage der Haltung.                         die Wohnräume zum Arbeiten nutzen muss.
zu ersetzen ist, sollten die Beschäftigen mei-                                                   Im letzteren Fall sind Ablenkungen und ein
nes Erachtens nicht länger als zwei oder drei    DP: Wie könnte man die Gefahr von Neid          Verschwimmen von Berufs- und Privatle-
Tage am Stück im Homeoffice verbringen –         und Missgunst eingrenzen?                       ben höchstwahrscheinlich ein größeres
auch, um die Bindung zur Dienststelle und        Müller: Es wird immer Bereiche geben, die       Problem. Dies gilt umso mehr, wenn weitere
den Kollegen nicht zu verlieren.                 aufgrund der Tätigkeit sowie der benötigten     Personen im gleichen Haushalt leben. Aller-
                                                 Werkzeuge, Einsatzmittel et cetera eine phy-    dings darf man auch nicht vergessen, dass
DP: Sie sprechen in der Studie das               sische Präsenz in der Dienststelle erfordern.   es im behördlichen Umfeld ebenfalls zu ei-
Misstrauensproblem an. Wie kann das              Das findet sicherlich auch die Akzeptanz der    ner Vielzahl von Ablenkungen kommt: der
„Führen auf Distanz“ nachhaltig gelin-           Betroffenen. Warum jedoch sollte nicht auch     Kollege, der eine Frage hat oder einfach nur
gen?                                             hier geprüft werden, ob nicht zumindest ein-    Small-Talk halten will, die Poststelle, die ei-
Müller: Das ist ein komplexes Thema. Und es      zelne Teilaufgaben – etwa Administratives –     nem die Hauspost bringt und so weiter. Stö-
braucht vor allem Zeit und Geduld von den        von zu Hause aus durchgeführt werden kön-       rungen und Ablenkungen sind kein exklu-
Beteiligten, nicht nur von den Führungs-         nen? Wichtig ist doch, dass die bestehenden     sives Problem von Homeoffice.
kräften. In der Polizei – sowie im öffentli-     Homeoffice-Möglichkeiten voll ausgeschöpft
chen Dienst im Allgemeinen – herrscht nach       werden.                                         DP: Vielen Dank für das Gespräch.
wie vor eine Präsenz- und Anwesenheitskul-
tur vor. Auch ein Lehrgang wird daran so         DP: Können Sie das bitte noch etwas kon-
schnell nichts ändern. Wir müssen deshalb        kretisieren?
zunächst versuchen, unsere Haltung zum           Müller: Es sollte nicht die Regel sein, dass
Thema Homeoffice zu überdenken und die           ein bestimmter Personenkreis lediglich
bestehende Präsenzkultur ernsthaft und kri-      deshalb nicht am Homeoffice teilnehmen
tisch zu hinterfragen.                           kann, weil hierfür die erforderliche Tech-
                                                 nik – zum Beispiel mobile Endgeräte – fehlt.
DP: Das haben Sie sehr vorsichtig formu-         Es leuchtet doch ein, dass vor allem dieje-
liert. Was kommt nach dem Versuch?               nigen, deren Homeoffice-Wunsch unerfüllt
Müller: Wir müssten Führungskräfte und           bleibt, unzufriedener und weniger produk-
Beschäftigte darin schulen, wie sie die Ar-      tiv sind – erst recht, wenn die eigene Tätig-
beitsfortschritte ihrer Mitarbeiter und Kol-     keit grundsätzlich für das Homeoffice geeig-
Im Einsatz – im Thema.

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Im Gespräch

                                                                                                                                          Foto: Jan Burau
Den Satz: „Das haben wir schon immer so gemacht“ möchte Jochen Kopelke niemals hören.

JOCHEN KOPELKE: DER KANDIDAT FÜR DEN GdP-CHEFSESSEL                                     DP: Lieber Kollege Kopelke, bitte nenne

Vernetzen,
                                                                                        drei Begriffe, die Dir spontan zur Gewerk-
                                                                                        schaft der Polizei (GdP) einfallen.
                                                                                        Jochen Kopelke: Stark. Authentisch. Kol-
                                                                                        legial.

einmischen,                                                                             DP: Als ehemaliger Landesvorsitzender
                                                                                        in Bremen hattest Du bereits Gelegen-

zusammen-
                                                                                        heit, die GdP-Arbeit auf Landes- und Bun-
                                                                                        desebene kennenzulernen. Welche Erin-
                                                                                        nerungen daran möchtest Du teilen?

stehen
                                                                                        Kopelke: Als jüngster Landesvorsitzender
                                                                                        wurde ich damals mit offenen Armen in den
                                                                                        Kreis des Bundesvorstandes aufgenommen
                                                                                        und von Anfang an tatkräftig unterstützt.
                                                                                        Rasch wurden mir einerseits die regionalen
                                                                                        Unterschiede, andererseits die verbinden-
Jochen Kopelke ist der Kandidat des Bundesvorstandes der                                den Gemeinsamkeiten der GdP deutlich.
Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Wahl zum Amt des                                 Das Zusammenwirken der Einzelnen in ei-
                                                                                        ner großen, erfolgreichen Organisation fand
Bundesvorsitzenden beim 27. Ordentlichen Bundeskongress vom                             ich beeindruckend. Ich habe hitzige und lau-
12. bis 14. September in Berlin. In den Reihen der GdP ist er beileibe                  te Sitzungen erlebt, die dennoch sehr gute
kein Unbekannter. Nach seinem Aufstiegslehrgang in den höheren                          und richtungsweisende Beschlüsse zum Er-
                                                                                        gebnis hatten – zum Beispiel unser Ausstieg
Dienst und allerlei gemachten dienstlichen Erfahrungen sieht sich                       aus EuroCOP und der damit verbundene viel
der Mittdreißiger gewappnet, das Steuer mit Tatendrang zu                               zielgerichtetere GdP-Weg nach Brüssel.
übernehmen. DP hat ihn angerufen.
                                                                                        DP: Berlin ist Dir also nicht fremd?
                                                                                        Kopelke: Im Gegenteil. Der Ausbau der Sit-
Michael Zielasko                                                                        zungssäle unserer GdP-Bundesgeschäfts-
                                                                                        stelle hat mir verdeutlicht, wie wichtig es
                                                                                        ist, über Räume des Zusammenkommens
DP   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022                                                                                                                          19

zu verfügen. Ich habe diese Anregungen da-                    unsere GdP und für die Polizeiarbeit hierzu-    strahlen und dort effektiv aufgenommen
mals mit nach Bremen genommen.                                lande vor Augen. Ich bin ein Freund der digi-   werden können. So stelle ich mir das vor.
   Mit Blick auf die Corona-Pandemie ver-                     talen Welt, ohne dabei ausschließlich digi-     Um dieses Ziel umzusetzen, werde ich an-
stehe ich jedoch heute noch viel besser, dass                 tal unterwegs zu sein. Analog reden macht       sprechbar, nah an den Mitgliedern und er-
uns unser bundesweiter persönlicher Aus-                      mehr Spaß! Ich scheue keine Konflikte, aber     reichbar sein. Ich bin vor Ort im Geschehen,
tausch in Sitzungen, auf Seminaren oder                       kann diese auch moderieren und lösen. Ich       so wie ich das aus Einsatzlagen als Polizei-
auch ohne Anlass und bei Treffen in locke-                    werde oft nach Rat gefragt und frage ande-      führer und dem „Führen von Vorne“ kenne.
rer Runde prinzipiell immer bereichert. Der                   re danach. Teamplay macht mir Spaß und
Polizeiberuf und unsere Gewerkschaftsar-                      mein Kreuz breiter.                             DP: Durch Deine Tätigkeit im Bremer In-
beit in Land und Bund sind nun einmal ge-                                                                     nenressort konntest Du Erfahrungen an
prägt von Interaktion und Kommunikation.                      DP: Die politische Musik spielt in Berlin,      der Schnittstelle zu den politischen Ent-
Und dies bitte in Präsenz und seltener digi-                  die Medien sind nahe am Geschehen. Wie          scheidern sammeln ...
tal. Wir brauchen das Persönliche. Das ho-                    wichtig ist es für Dich, vor Ort zu sein?       Kopelke: Stimmt. Erfahrungen mit Innen-
len wir uns jetzt zurück.                                     Kopelke: Sehr wichtig! Wer erfolgreiche Me-     ministerkonferenzen, Anträgen und Geset-
                                                              dienarbeit gestalten will, muss ja nicht nur    zen im Bundesrat, Ausschussabläufen und
DP: Was hat Dich dazu bewogen, für das                        Interviews geben. Die komplexe Medienwelt       Regierungsarbeit auf Landesebene oder di-
Amt des Bundesvorsitzenden der Ge-                            ist weit mehr als das. Performt und bewegt      verses polizeiliches Einsatzgeschehen sowie
werkschaft der Polizei (GdP) zu kandi-                        wird jedoch oft in Berlin. Die Musik aus der    dessen Wahrnehmung. Das habe ich auch
dieren?                                                       Hauptstadt schallt auch in die Länder. Hier     im Gepäck meiner Kandidatur.
Kopelke: Mein Herz schlägt uneinge-                           bietet sich die große Chance, die GdP zu ei-
schränkt und nach wie vor für unsere tol-                     nem wirklich mächtigen Akteur aufzubau-         DP: Mit der eigenen Kampagne
le GdP, und jetzt bietet sich die Chance zur                  en. Die Arbeit des Bundesvorsitzenden soll      #100für100, dem AfD-Unvereinbarkeits-
Kandidatur für das wichtigste Amt unserer                     noch stärker und positiver in die Länder aus-   beschluss und der öffentlichen Debatte
Organisation auf Bundesebene. Verantwor-
tungsübernahme, Entscheidungsfreudig-
keit, Kommunikation, Gremienarbeit und
Teamplay sind Stärken, die mich ausma-
chen. Davon und meinen Vorstellungen für
die GdP der Zukunft möchte ich die Delegier-
ten im September überzeugen.

DP: Aus dem Geschäftsführenden GdP-
Bundesvorstand wird nahezu die gesam-
te Spitze ausscheiden.
Kopelke: Genau. Es zeichnet sich ein Gene-
rationenwechsel ab. Ich möchte Teil eines
durchdachten Wechsels werden und stelle
mich daher zur Wahl.

DP: Du bist jetzt 37 Jahre alt. Ist das nicht
ein bisschen zu jung für einen solch ge-
wichtigen Posten?
Kopelke: Nein. Das Team, der Mut und die
Fähigkeiten jedes Einzelnen darin sind aus-
schlaggebend. Alter, ganz gleich, ob jung
oder alt, ist kein Argument gegen aktive Ge-
werkschaftsarbeit oder einen Posten in un-
serer Gewerkschaft.

DP: Was würde Dich als GdP-Bundesvor-
sitzenden auszeichnen?
Kopelke: Meine kollegiale, offene und mo-
derne Art. Ich schaue gerne über den Teller-
                                                Foto: Jan Burau

rand hinaus. Ich denke gewerkschaftlich,
bin an den Meinungen Anderer interessiert
und habe klare Ziele und Vorstellungen für                    Jochen Kopelke, Kandidat für den GdP-Bundesvorsitz, läuft sich warm.
20                                                                                                                                   DEUTSCHE POLIZEI 06/2022   DP

                                                                                                                   Rang ablaufen. Dafür brauchen wir eine kol-
                                                                                                                   legiale Atmosphäre und eine greifbare Auf-
                                                                                                                   bruchstimmung in unserer Organisation.

                                                                                                                   DP: Und inhaltlich?
                                                                                                                   Kopelke: Einiges hatte ich ja bereits er-
                                                                                                                   wähnt. Wichtig ist, dass sich Bund und Län-
                                                                                                                   der nicht weiter auseinanderdividieren las-
                                                                                                                   sen. Unsere Arbeit muss besser bezahlt wer-
                                                                                                                   den, Zulagen müssen allen Kolleginnen und
                                                                                                                   Kollegen gleichermaßen zuteilwerden. Au-
                                                                                                                   ßerdem darf uns unser Beruf nicht krank-
                                                                                                                   machen. Unsere Absicherungen müssen
                                                                                                                   auf den Prüfstand, und wir brauchen neue
                                                                                                                   Wege in der Tarifpolitik für unsere speziel-
                                                                                                                   len, nicht mit anderen Berufsgruppen ver-
                                                                                                                   gleichbaren Tätigkeiten.

                                                                                                                   DP: Die GdP ist quasi unbesiegbar, wenn
                                                                                                                   sie geschlossen auftritt, oder? Was
                                                                                                                   kannst Du dazu leisten? Was sind Deine
                                                                                                                   Erwartungen an die Länder und Bezirke?
                                                                                                                   Kopelke: Geschlossenheit macht stark. Sie
                                                                                                 Foto: Jan Burau

                                                                                                                   darf jedoch nicht Engagement, Erfahrung
                                                                                                                   und Moderne unterdrücken. Wir müssen
Nicht verraten: Jochen Kopelke verputzt Fischbrötchen beim Fußball.                                                aufgeschlossen bleiben. Gegenseitige Un-
                                                                                                                   terstützung ist das A und O unseres Erfol-
über das Erforschen der demokratischen          Wirkungen der Föderalismusreform schaf-                            ges. Ich erwarte Kreativität und möchte bit-
Verfasstheit der Polizei, hat die GdP hei-      fen. Da hat der jetzige Geschäftsführende                          te niemals den Satz hören: „Das haben wir
ße Eisen angefasst ...                          GdP-Bundesvorstand gut vorgearbeitet.                              schon immer so gemacht“. Ich freue mich
Kopelke: Richtig so! Wir sind mutig, authen-                                                                       auf neuen Mut und frische Impulse. Von
tisch und lehnen Fremdenfeindlichkeit, Ras-     DP: Der Polizei wird vorgeworfen, demo-                            unseren Mitgliedern erhoffe ich mir Taten-
sismus und Hetze ab. Im Übrigen verdienen       kratisch nicht gefestigt zu sein.                                  drang im Arbeitskampf und in der proakti-
wir Verbesserungen und Wertschätzung,           Kopelke: Es ist richtig und notwendig, dass                        ven Mitgliedergewinnung. Unsere Personen-
weil wir gute Arbeit auf gefährlichem Terrain   die GdP seit Längerem an diesem Thema                              gruppen fordere ich auf, weiter so gut für
leisten. Oft werden wir angefeindet, verletzt   nach innen und außen intensiv und enga-                            ihre Interessen einzustehen und das Bun-
und benachteiligt. Die Erlebnisse im Polizei-   giert mitwirkt. Aber ich stelle schon jetzt in                     desführungsteam zu fordern. Ich erwarte
beruf sind einzigartig und nicht vergleichbar   aller Deutlichkeit fest: Pauschalität unter-                       einen ehrlichen Umgang ohne verletzende
mit anderen Berufsgruppen. Darunter fallen      gräbt die Realität. Fakt ist: Wir tolerieren                       und diskriminierende Sprache. Unsere GdP
leider auch teils traumatische Erfahrungen.     keine Rassisten und Extremisten in unse-                           ist bunt, aktiv und laut!
Wenn andere das so nicht sehen, dann müs-       ren Reihen! Wir dürfen nicht nachlassen, die
sen wir denen das halt erklären.                Resilienz der Polizei gegenüber demokratie-                        DP: Lieber Kollege Kopelke, was sollten
                                                feindlichen Umtrieben zu stärken. Mit Blick                        die DP-Lesenden lieber nicht von Dir wis-
DP: Zum Beispiel?                               auf unsere polizeiliche Arbeit, die intensive                      sen?
Kopelke: Die Arbeit der Polizeibeschäftig-      demokratische Integrität erfordert, stehe ich                      Kopelke: Ich esse gerne Fischbrötchen im
ten im Vollzugs-, Verwaltungs- und Tarifbe-     daher voll und ganz hinter unserem AfD-Un-                         Bremer Weserstadion, ich höre gerne lau-
reich muss in allen Ländern und im Bund         vereinbarkeitsbeschluss.                                           te Musik bei Autofahrten und singe auch
gleich betrachtet werden. Länderübergrei-                                                                          manchmal mit. Mich gibt’s zweimal, Kaffee
fende Polizeieinsätze dürfen nicht mehr         DP: Welche Schwerpunkte würdest Du                                 statt Wasser, ich mag warmes Bier lieber als
länger durch ungleiche Bezahlung, unter-        als Vorsitzender setzen wollen?                                    eiskaltes. Manchmal mähe ich Rasen nach
schiedliche Rechtsgrundlagen und Ausstat-       Kopelke: Ich möchte die GdP mit allen                              13 Uhr. Und ich lasse manchmal Fünfe gra-
tung beeinflusst werden. Wir müssen wei-        wichtigen Akteuren stärker vernetzen, mich                         de sein. Oh, jetzt habe ich es doch verraten.
ter den Finger in die Wunde legen. Wir müs-     mehr bei relevanten Themen einmischen.                             (lacht)
sen weiterhin das Ungleichgewicht unserer       Ich möchte uns digital noch sichtbarer und
vergleichbaren Arbeit hierzulande verdeut-      moderner sehen, die Mitgliederzahlen aus-                          DP: Vielen Dank für das Gespräch. Wir se-
lichen und eine Abkehr von den negativen        bauen und Mitbewerbern ganz klar den                               hen uns auf dem Bundeskongress.
Nordrhein-
                            Westfalen
Delegiertentag formuliert klare
Erwartungen an die künftige
Landesregierung
„Hörbar stark. Sichtbar wirksam“ – unter diesem Motto
haben vom 3. bis 5. Mai 197 Delegierte aus ganz NRW
im Beisein von noch einmal so vielen Gastdelegierten
in Düsseldorf nicht nur den Geschäftsführenden
Landesbezirksvorstand (GVS) neu gewählt, sondern
auch über die Themen und Ziele beraten, für die sich
die GdP in Zukunft starkmachen soll. Zum Teil mit
spannenden, kontroversen Diskussionen.
Spannend war der alle vier Jahre stattfindende
Landesdelegiertentag auch, weil er nur wenige Tage
vor der bis zum Schluss nicht entschiedenen
Landtagswahl am 15. Mai stattgefunden hat.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die
Landesvorsitzenden der SPD und von Bündnis 90/Die
Grünen, Thomas Kutschaty und Mona Neubaur, sowie                       Mertens (58) an der Spitze des Landesbe-
                                                                       zirks NRW. In seine Zeit als Landesvorsit-
der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christof                     zender fiel der historische Wahlsieg bei den
Rasche, nutzten die Gelegenheit, um noch einmal für                    Personalratswahlen im vergangenen Jahr,
                                                                       bei denen die GdP erstmals seit Jahrzehn-
ihre Pläne zur Zukunft der Polizei zu werben. Und                      ten nicht nur im Hauptpersonalrat der Poli-
Herbert Reul (CDU) zog auf dem Delegiertentag eine                     zei, sondern auch in allen 50 örtlichen Per-
                                                                       sonalräten die Mehrheit der Sitze gewon-
Bilanz seiner bisherigen, fünfjährigen Amtszeit als                    nen hat. Seit 2018 ist zudem die Zahl der
Innenminister.                                                         GdP-Mitglieder in NRW auf 46 000 Mitglie-
                                                                       der gestiegen – ohne die GdP-Mitglieder,
                                                                       die in NRW vom Bezirk Bundespolizei or-
                                                                       ganisiert werden. Das sind 4000 Mitglieder
                                                                       mehr als vor vier Jahren. Bei seiner Wieder-
                           Michael Mertens mit deutlicher              wahl stimmten zwei Drittel der Delegierten
                           Mehrheit bestätigt                          für Michael Mertens.
                                                                          In seiner Grundsatzrede hatte Mertens
                           In der GdP nimmt der Landesvorsitzende      zuvor daran erinnert, dass die bisheri-
                           eine herausgehobene Stellung ein. Er ist    ge schwarz-gelbe Landesregierung in den
                           nicht nur das wichtigste Gesicht der GdP    letzten Jahren erhebliche Mittel in die Ein-
                           nach außen, sondern vor allem der wich-     stellung von zusätzlichen Polizistinnen
                           tigste Ansprechpartner für die Politik,     und Polizisten und in die technische Aus-
                           wenn es um die Positionen der GdP zu Fra-   rüstung der Polizei investiert hat. „Trotz-
                           gen der Inneren Sicherheit und um die Ge-   dem haben wir noch einen weiten Weg vor
                           staltung der Arbeitsbedingungen bei der     uns, bis die Polizei so ausgestattet ist, dass
                           Polizei geht. Seit Mai 2018 steht Michael   sie die ihr gestellten Aufgaben im vollen
Nordrhein-Westfalen | Deutsche Polizei 06/2022   DP

Umfang wahrnehmen kann“, sagte Mer-             vom Vorstand selbst. Darunter waren auch
tens zu den Delegierten. „Deshalb muss          mehrere Leitanträge.
der personelle Wiederaufbau der Polizei            Im einmütig angenommenen Leitantrag
in den nächsten Jahren konsequent fort-         zum Beamtenrecht (B 01) wird der Landes-
gesetzt werden, auch wenn auf den Staat         vorstand aufgefordert, sich für eine nach-
durch den Ukraine-Krieg, aber auch durch        haltige Reduzierung der wöchentlichen Ar-
die Folgen der Coronapandemie und der           beitszeit für die Polizistinnen und Polizisten
Flutkatastrophe erhebliche Belastungen          einzusetzen. Weil das Land in einer finanzi-
zukommen.“                                      ellen Notlage war, hatte 2003 die damalige
                                                rot-grüne Landesregierung die Arbeitszeit
                                                für alle Beamtinnen und Beamten in NRW
Neues Gesicht im Vorstand                       mit Wirkung zum 1. Januar 2004 einseitig
                                                von 38,5 auf 41 Stunden erhöht. Betroffen
Neben der Beibehaltung des jetzt erreich-       von der Arbeitszeitverlängerung sind nicht
ten Einstellungsniveaus fordert der wieder-     nur die Polizeivollzugsbeamten sondern
gewählte GdP-Vorsitzende eine nachhaltige       auch die Verwaltungsbeamten der Polizei.
Attraktivitätssteigerung für den öffentlichen      Geändert hat sich daran bislang nichts
Dienst. „Die vor 19 Jahren als angeblich vo-    – trotz mehrerer Regierungswechsel. Das
rübergehende Sparmaßnahme eingeführte           Einzige, was der bisherigen, schwarz-gel-
41-Stunden-Woche für die Beamtinnen und         ben Landesregierung dazu eingefallen ist,
Beamten muss endlich vom Tisch, damit wir       war der Vorschlag, die Beamten könnten
in Zukunft noch genügend junge Menschen         ihre Arbeitszeit doch freiwillig weiter er-
für den Polizeiberuf begeistern können“,        höhen, auf 44 Stunden in der Woche. Die
betonte er auf dem Delegiertentag. Drin-        zusätzlichen Stunden könnten sie dann
genden Handlungsbedarf gibt es zudem bei        auf ein Langzeitkonto einzahlen, um sie
den Aufstiegschancen bei der Polizei und        später gegen Freizeitblöcke einzutau-
bei den bereits seit zwei Jahrzehnten einge-    schen. Ein absurder Vorschlag. Arbeits-
frorenen Zulagen.                               schutzexperten warnen schon lange, dass
   Auch neun der zehn übrigen Vorstands-        es kein Schichtmodell gibt, das bei einer
mitglieder wurden in Düsseldorf wiederge-       41-Stunden-Woche nicht zwangsläufig zu
wählt. Das gilt nicht nur für die vier bishe-   massiven Gesundheitsschäden führt. Die
rigen stellvertretenden Landesvorsitzenden      GdP will deshalb in der kommenden Land-
Michael Maatz, Markus Robert, Jutta Jakobs      tagsperiode erreichen, dass die Arbeitszeit
und Heiko Müller, sondern auch für Landes-      der Beamtinnen und Beamten in einem
kassierer Lorenz Rojahn und seinen Stell-       ersten Schritt von 41 Stunden auf die der
vertreter Frank Schniedermeier, Schriftfüh-     Tarifbeschäftigten von 39 Stunden und 50
rerin Meike to Baben und ihren Stellvertreter   Minuten gesenkt wird. In weiteren Schrit-
Andreas Pein und für Patrick Schlüter, der      ten soll die Arbeitszeit dann für alle Be-
dem GVS auch in der neuen Wahlperiode als       schäftigten auf 35 Stunden reduziert wer-
weiteres Mitglied angehört. Siegfried Pfen-     den. Zudem fordert die GdP die Einfüh-
ninger war aus Altergründen nicht mehr an-      rung eines Ruhestandskorridors. Dadurch
getreten. Für ihn wurde der Personalratsvor-    könnten die Polizistinnen und Polizisten
sitzende des Polizeipräsidiums Hamm, Dirk       selber entscheiden, wann sie zwischen
Schade (53), in den Vorstand gewählt.           dem 55. und dem 65. Lebensjahr aus dem
                                                Dienst ausscheiden.
                                                   In einem Leitantrag zum Wach- und
Fast dreihundert Anträge                        Wechseldienst (B 07) fordert die GdP eine
beraten                                         umfassende Ausstattung der Polizei mit
                                                moderner IT-Technik. In den Wachen und
Wichtigste Aufgabe des Landesdelegierten-       Dienststellen der Polizei muss zudem
tags ist neben der Wahl des Vorstands die       Platz für Ruhe- und Gemeinschaftszonen
Beratung über die Ziele und die Ausrichtung     zur Verfügung gestellt werden. Außerdem
der GdP-Politik in den nächsten Jahren. Fast    macht sich die GdP für bessere Aufstiegs-
300 Anträge lagen den Delegierten in die-       chancen bei der Polizei stark. Wer eine he-
sem Jahr dazu vor, formuliert von den Kreis-    rausgehobene Aufgabe übernommen hat,
gruppen vor Ort, den Personengruppen und        muss auch dann nach A 12 und A 13 auf-
DP   Deutsche Polizei 06/2022 | Nordrhein-Westfalen

steigen können, wenn er keine Führungs-               ge auf alle Beschäftigten, die bei der Sach-
funktion gegenüber anderen Beschäftigten              bearbeitung von sexuellem Missbrauch von
wahrnimmt.                                            Kindern tätig sind.
   Im ebenfalls angenommenen Leitantrag                   Auch das Thema Digitalisierung hat auf
zum Dienstunfallrecht (B 15) fordert die              dem Landesdelegiertentag eine größere Rol-
GdP eine umfassende Reform der Dienstun-              le gespielt. Neben zahlreichen Anträgen zur
fallfürsorge bei der Polizei. Das Modell der          besseren technischen Ausstattung ging es
Durchgangsärzte soll nach einem Dienst-               vor allem um die Zugangsmöglichkeiten
unfall zum Standardmodell werden. Zu-                 zum Homeoffice. Die während der Corona-
dem soll es vor Ort Dienstunfalllotsen ge-            pandemie entstandenen neuen Möglich-
ben, die den Betroffenen auch bei prakti-             keiten dürfen nicht wieder zurückgedrängt
schen Fragen zur Seite stehen. Durch die              werden. Im Antrag E 10 fordert der Delegier-
zentrale Bearbeitung aller Dienstunfäl-               tentag landesweit vereinheitlichte Regelun-
le soll in Zukunft verhindert werden, dass            gen für den Zugang zur Telearbeit/Homeof-
die Gewährung von Heilmaßnahmen da-                   fice. Homeoffice dürfe nicht ausschließlich
von abhängt, ob vor Ort genügend Kapa-                aufgrund familiärer Faktoren gewährt wer-
zitäten für die Fallbearbeitung zur Verfü-            den, heißt es in dem von den Delegierten be-
gung stehen.                                          schlossenen Antrag.
                                                          Der Landesdelegiertentag hat sich zu-
                                                      dem für eine Stärkung der demokratischen
Anträge auch zur Modernisierung                       Resilienz von Polizistinnen und Polizis-
des Zulagenwesens, zur Digitali­                      ten starkgemacht. Regelmäßige Antirassis-
sierung und zu rechten Chats                          mus-Trainings sollen zu verpflichtenden Be-
                                                      standteilen der Fortbildung von Polizistin-
Etliche Anträge haben sich zudem mit dem              nen und Polizisten werden (A 01). Für die
Zulagenwesen beschäftigt. Im Antrag C 18              Kommissaranwärterinnen und -anwärter
spricht sich der Landesdelegiertentag zum             soll zudem an der HSPV oder im LAFP ein
Beispiel für die Anhebung der seit Jahren             Seminar zum richtigen Umgang mit Social
eingefrorenen DUZ-Zulage für den Nacht-               Media angeboten werden (E 62). I
dienst auf mindestens fünf Euro aus, im An-
trag C 19 für die Ausweitung der KiPo-Zula-

 Wir werden die Politiker in die Pflicht nehmen
                                       Wir leben in dramatischen Zeiten. Ein Ende des barbarischen Kriegs in der Ukraine ist noch
                                       immer nicht absehbar. Die Inflation erklimmt schwindelerregende Höhen. Und bei der Energie-
                                       wende stehen wir erst ganz am Anfang. Das alles wird den Handlungsspielraum der Politik
                                       dramatisch verändern. Auch bei der Polizei.
                                       Auf dem Landesdelegiertentag haben die Spitzenvertreter der vier im Düsseldorfer Landtag
                                       vertretenen demokratischen Parteien ein klares Bekenntnis für die Polizei abgelegt. Der perso-
                                       nelle Wiederaufbau soll fortgesetzt werden. Auch bei den Aufstiegschancen, bei den Zulagen
                                       und bei der Arbeitszeit soll sich endlich etwas bewegen, haben die Spitzenpolitiker von CDU,
                                       SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen versprochen.
                                       Noch ist nicht klar, wie die neue Landesregierung wirklich aussehen wird und auf welche
                                       Schwerpunkte sich die Parteien am Ende im Koalitionsvertrag einigen werden. Je nach Wahl-
 ausgang könnten auch die Organisationsstruktur der Polizei, die Ausstattung des Wach- und Wechseldienstes mit dem Taser und die
 Bekämpfung der Clankriminalität auf die Tagesordnung kommen. Auch die von allen Parteien versproche-
 ne personelle Stärkung der Polizei muss erst umgesetzt werden.
 Auf unserem Delegiertentag hat Ministerpräsident Hendrik Wüst daran erinnert, dass uns der Ukraine-
 Krieg auf dramatische Weise vor Augen geführt hat, dass es Freiheit und Demokratie nicht umsonst gibt,
 sondern dass unsere Freiheit von innen und außen bedroht ist. „Eine wehrhafte Demokratie braucht eine
 starke Polizei“, sagte Wüst. Wir werden die neue Landesregierung an dieses Versprechen erinnern. Egal
 wie das Farbenspiel am Ende aussehen wird.                                                                        Michael Mertens
                                                                                                                Landesvorsitzender
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