Halbzeit - die Bildungsministerin im Interview - des VBE ...
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Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 Zeitschrift des Verbandes Bildung und Erziehung Rheinland-Pfalz 10.12.2018 / 69. Jahrgang Mehr Gerechtigkeit wa(a)gen. Damit Lehrer nicht sitzen bleiben. Halbzeit – die Bildungsministerin im Interview > Werteerziehung und Demokratiebildung > Lernen im Alter – immer schön neugierig bleiben!
Mitgliederservice Inhalt Editorial Leitartikel 3 Ein neuer Anfang Magazin 4 Irgendwann ist es vorbei. Aktuell 6 So erleichternd eine Fest- Thema 10 stellung wie diese manch- mal auch klingt, sie deu- Junger VBE 20 tet immer auf eine Zäsur, Berichte 22 auf eine Grenzziehung zwischen einem Ende und Personalräte & Co. 26 einem Anfang. Recht 27 Hjalmar Brandt In diesem Fall ist es das Infos & Technik 29 Ende meiner Tätigkeit als VBE im Gespräch 31 verantwortlicher Schriftleiter der Rheinland-pfälzischen Schule. Man wird eben älter – und entfernt sich voneinan- VBE Bund 32 der. Seniorinnen & Senioren 33 Für die vielfältige Unterstützung und Begleitung, für Kritik Gratulation & Erinnerung 34 und Anregung, die ich von vielen erfahren durfte, sei Dank. Termine 36 Die RpS-Redaktion ist ein großartiges Team, ich bin stolz auf diese kreative Zusammenarbeit über Jahre. Dank Aus den Kreisverbänden 38 schulde ich auch dem nimmermüden Fotografenteam um Zum Schluss ... 39 Jan Roeder, dem Einfallsreichtum der Agentur Typoly und der professionellen Umsetzung durch die Wilke-Medien- IMPRESSUM gruppe. Und unserem Verlag, der VBE Bildungs-Service GmbH. 12. Dezember 2018, 69. Jahrgang Herausgeber Verband Bildung und Erziehung (VBE), Landes- Jedes Ende ist ein Anfang neuer Möglichkeiten, neuer verband Rheinland-Pfalz, Adam-Karrillon-Str. 62, 55118 Mainz, Chancen und neuer Perspektiven. Das erleben wir, wenn es Telefon: 0 61 31-61 64 22, Telefax: 61 64 25, info@vbe-rp.de günstig läuft, auch in der Schulpolitik. Was wäre also ein Redaktion: Anfang ohne ein notwendiges Ende? Keiner. Hjalmar Brandt (verantwortlicher Schriftleiter) br, h.brandt@ vbe-rp.de, Elisa Engert ele (Chefin vom Dienst), e.engert@vbe- Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich ein rp.de, Dr. Markus Bachen mb (Veranstaltungen/Regionales), m.bachen@vbe-rp.de, Frank Handstein fh (Reportage/Recht), letztes Mal anregende Lektüre in dieser RpS-Ausgabe ... f.handstein@vbe-rp.de, Marlies Kulpe mkl (Bildungspolitik/ bleiben Sie am Ball – die Bildung braucht Sie! Rubriken), m.kulpe@vbe-rp.de, Klaus Schmidt kfs (Reportage/ Berufspolitik/Zum Schluss), k.schmidt@vbe-rp.de Hjalmar Brandt Verlag: VBE Bildungs-Service GmbH, Adam-Karrillon-Str. 62, 55118 Mainz Fotos/Grafik: Und schon wieder kein Kreuzworträtsel? Fotostudio Jan Roeder: Titel, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 13, 14, 15, 17, 18, 26, 27, 28, Henning Henn: 12, Max-Planck-Gesellschaft/MPI für Eigentlich ist es ja erfreulich: Die Redaktion erreichen Bildungsforschung: 21, Marco Urban: 33, ContraPunto: 37, Eli- sabeth Linsmayer-Keller: 38(2), Elisa Engert: 22,23, 25, 31 (2), Anfragen, wo denn das Kreuzworträtsel am Ende der 37 (Grafik), Hjalmar Brandt: 2, 3, VBE-Archiv: 21, 32 Ausgabe bleibe. Auch in dieser Ausgabe ist das so. Da schwingt ein wenig Unverständnis und Ärger mit. Die Die RpS erscheint zehnmal im Jahr. Für VBE-Mitglieder ist der Be- zugspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Nichtmitglieder Redaktion nimmt das als Kompliment. Der Mangel of- bestellen beim Verlag zum Preis von 4,80 Euro vierteljährlich ein- fenbart: Der RpS fehlt etwas. schließlich Vermittlungsgebühren. Redaktionsschluss 14.01.2019 für Heft 02/2019 Leider ist unser „Rätselfuchs“ Klaus Schmidt noch ge- sundheitlich außer Gefecht gesetzt. Wir alle hoffen, Den Inhalt namentlich gezeichneter Artikel verantworten deren dass es ihm bald besser geht. Dann gibt es auch wieder Verfasser. Nachdruck ist nur mit Zustimmung der Redaktion und Quellenangabe zulässig. Für unverlangt eingesandte Ma- das Kreuzworträtsel an gewohnter Stelle. Unsere Lese- nuskripte besteht keine Gewähr. rinnen und Leser sollten sich jetzt schon darauf freuen. Das sind doch gute Perspektiven für das neue Jahr. Gesamtherstellung, Anzeigenverwaltung Wilke Mediengruppe GmbH, Oberallener Weg 1, 59069 Hamm, E-Mail: info@wilke- mediengruppe.de RED ISSN: 1869 3717 Die nächste RpS erscheint am 7. Februar 2019. 2 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
Herausforderung Inklusion – LeitartikeL Bildungschancen für alle gerecht gestalten Kurz nach der Jahreswende jährt sich die Ratifizierung der Im Schuljahr 1995/1996 wurde der Schulversuch auch auf UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland. Nach die Sekundarstufe I ausgeweitet – bei fast identischen fast zehn Jahren fällt die Bilanz jedoch ernüchternd aus. Wir Rahmenbedingungen. müssen nach dieser relativ langen Zeit feststellen, dass es in unserer aufgeklärten, modernen Gesellschaft, die dem Voraussetzung dabei war, dass mindestens zwei Einzelnen Freiheit, Würde und Lebenschancen bietet, kei- beeinträchtigte Kinder in eine solche Integrati- nesfalls eine Selbstverständlichkeit geworden ist, alle Men- onsklasse, wie der fachspezifische Begriff laute- schen gleichermaßen – ob mit oder ohne Handicap – am te, aufgenommen werden konnten. In Ausnahme- gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. fällen durften bis zu vier Kinder in einer solchen Klasse sein, wobei die Anzahl der Regelschulkin- Zwar strebt die Landesregierung von Rheinland-Pfalz bis der auf maximal 22 (in der Regel 18) begrenzt zum Ende der Legislaturperiode an, dass 40 Prozent der war! Kinder mit Förderbedarf in Regelschulklassen unterrichtet werden sollen. Es bleibt aber eine spannende Frage, unter Die Lehrerzuweisung in den Klassen fünf und welchen Bedingungen dies geschehen soll. Wir müssen lei- sechs war eine gute Basis und sicherte die ge- der konstatieren, dass eine kritische Position über die sach- meinsame pädagogische Arbeit. Der durchgängig gerechte Umsetzung der UN-Konvention in Rheinland-Pfalz anwesende Regelschullehrer wurde von einem mehr als angebracht ist. Sonderpädagogen mit 23 Lehrerwochenstunden (fast ein ganzes Deputat) unterstützt. Ab der sieb- An allen Ecken und Enden fehlt die notwendige Personal- ten Klasse wurde dieses Deputat auf 24 Lehrer- Gerhard Bold ausstattung. Erstmals konnten in diesem Schuljahr nicht wochenstunden erhöht! Pro Integrationsklasse alle vorhandenen Förderschullehrerstellen besetzt werden. standen der Schule außerdem vier Anrechnungsstunden für Aufgaben der Koordination und Kooperation zur Verfü- Auf die Ursache näher einzugehen, wäre sicher aufschluss- gung. Passende gemeinsame Fortbildung war eine Selbst- reich. Grundlage für eine kritische Position des VBE sind die verständlichkeit. Leider gehört dies der Vergangenheit an! Erfahrungen, die die Kolleginnen und Kollegen aus der täg- lichen Unterrichtspraxis berichten. Insbesondere beschrei- Die Fähigkeit zur Toleranz beim Erleben von Anderssein in ben sie eine Kluft zwischen politischem Anspruch und schu- multikulturellen und heterogenen Lerngruppen und die Er- lischer Alltagswirklichkeit. Sie alle wollen eine Förderung ziehung zur Gewaltlosigkeit und zu solidarischem Handeln aller Schülerinnen und Schüler auf hohem Niveau, müssen sind allgemeine und grundlegende Ziele mit aktueller Be- aber ständig erleben, dass die minimale Personalausstat- deutung. So etwas muss mühsam erlernt werden. Das ist tung dieses Ziel unmöglich macht. kein einfaches Unterfangen. Das braucht Zeit und viel an individueller Zuwendung. Sehr vielen fällt es schwer, diesen ständigen Konflikt auszu- halten, sodass sie oft an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit Inklusion muss wachsen, als ideelles Leitbild wie als mate- stoßen. Auch viele Krankheitsfälle sind zu beklagen. rielle Wirklichkeit. Dabei hatte in Rheinland-Pfalz eigentlich alles gut angefan- Wenn das Projekt Inklusion gelingen soll, muss sich Rhein- gen: An 13 Grundschulstandorten konnten die Lehrerinnen land-Pfalz ehrlich machen! Es muss klar sein, dass endlich und Lehrer viele positive Erfahrungen mit dem gemeinsa- eine solide personelle und sachliche Ausstattung Grundla- men Unterricht und der gemeinsamen Erziehung von Kin- ge der Projektausstattung sein muss. Und ohne den Ein- dern mit und ohne Beeinträchtigung sammeln. Aber unter satz multiprofessioneller Teams wird die Inklusion schei- wesentlich günstigeren Bedingungen als heute. tern. Es ist höchste Zeit, dass die Landesregierung jetzt liefert. Zu den damaligen Gelingensbedingungen gehörten eine Die Kolleginnen und Kollegen jedenfalls leisten tagtäglich fast durchgängige gemeinsame Verantwortung eines Regel- ihren Beitrag zum Gelingen der Inklusion. schullehrers und eines Sonderpädagogen. Diese Ausstat- tung ermöglichte durchgängiges Eingehen auf die Individu- Der VBE bleibt dran – mit Biss! alität eines jeden einzelnen Schülers und sicherte das ge- Gerhard Bold meinsame Leben und Erleben in der Klassengemeinschaft. VBE-Landesvorsitzender Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 3
Länder wollen Schulen schnell ins Netz bringen Magazin Die Bundesländer wollen die Digitalisierung von Schulen kann. Der Bund will den Kommunen ab dann für die und öffentlicher Verwaltung voranbringen und machen nächsten fünf Jahre fünf Milliarden Euro zur Verfügung bei der Integration geduldeter Migranten in den Arbeits- stellen, um Schulen ans schnelle Internet anzubinden markt Druck auf den Bund. Bei der Ministerpräsidenten- und mit Hardware zur verstärkten Nutzung von On- konferenz (MPK) in Hamburg wurde Ende Oktober auch line-Unterrichtsmethoden auszustatten. eine Erhöhung der Fördermittel für Hochschulen im Rah- men der Exzellenzinitiative gefordert. Vor allem Baden-Württembergs Ministerpräsident Win- fried Kretschmann (Grüne) hatte vor einem Eingriff in die Die Ergebnisse im Einzelnen: Beim DigitalPakt Schule hät- Bildungshoheit der Länder gewarnt. Tschentscher beton- ten die Länder „einen sehr einvernehmlichen Fahrplan“, te, dass die Ausgestaltung der Lerninhalte weiter im Zu- sagte der MPK-Vorsitzende, Hamburgs Bürgermeister Pe- ständigkeitsbereich der Länder bleibe. Die Bundesmittel ter Tschentscher (SPD). Gemeinsam mit dem saarländi- dienten nur der Hardwareausstattung und bildeten die schen Regierungschef Tobias Hans (CDU) zeigte er sich Grundlage für die Länder, junge Menschen gut auf die Di- zuversichtlich, dass die nötige Grundgesetzänderung gitalisierung und ihre Herausforderungen vorzubereiten. rechtzeitig zustande kommt, sodass die Umsetzung des Digitalpakts wie vom Bund geplant Anfang 2019 beginnen dpa/Martin Fischer/RED So leben Kinder in Deutschland nicht verheiratet, der Anteil nahm in 20 Jahren von 83 auf 74 Prozent ab. Die meisten Kinder sind gesund: Der Gesundheitszu- stand von Kindern und Jugendlichen hat sich in den ver- gangenen Jahrzehnten erheblich verbessert. Kindern aus sozial schwachen Elternhäusern geht es aber schlechter als anderen. „Eltern, die über ein hohes Einkommen ver- fügen, tun sich leichter, eine gesunde Lebensweise zu fi- nanzieren“, sagt Mareike Bünning vom Wissenschafts- zentrum Berlin für Sozialforschung. Mütter aus sozial schwachem Milieu rauchen häufiger in der Schwanger- schaft, stillen weniger. Ihre Kinder haben häufiger psychi- sche Probleme, treiben weniger Sport, ernähren sich un- gesünder und sind häufiger übergewichtig. Sie besuchen schlechtere Schulen, leben ungesünder und sind häufiger psychisch krank. Dass Kinder aus sozial Mehr als ein Drittel mit Migrationshintergrund: 36 Pro- schwachen Familien in Deutschland schlechtere Chancen zent der Kinder haben einen Migrationshintergrund, mehr haben, wird seit Jahren von Experten angeprangert. Ein als 4,9 Millionen in absoluten Zahlen. „Diese Zahlen al- Blick in aktuelle amtliche Statistiken zeigt: Es hat sich zu lein machen deutlich, dass Diskussionen, ob Deutschland wenig getan. Noch immer ist die Lebensqualität von Kin- nun ein Einwanderungsland ist oder nicht, vollkommen dern stark durch die soziale Herkunft geprägt, wie aus an der gesellschaftlichen Realität vorbeigehen“, sagt der dem am 13. November veröffentlichten „Datenreport Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krü- 2018“ hervorgeht. „Klassenpositionen“ würden vererbt, ger. Diese Pluralität müsse anerkannt werden. Alarmie- kritisieren die Experten. Doch es gibt auch gute Nachrich- rend sei, dass das Risiko, von Armut gefährdet zu sein, ten. Wie leben Kinder in Deutschland? Ein Überblick über bei Kindern mit Migrationshintergrund dreimal höher sei. verschiedene Bereiche: Mehr Verfahren wegen Gewalt und Missbrauchs: Bei im- „Vater, Mutter, Kind“ ist weiter in: Die meisten Kinder mer mehr Kindern werden Zeichen von Vernachlässigung, wachsen in Familien mit Vater, Mutter und Geschwistern Gewalt und Missbrauch festgestellt. Das könne aber dar- auf. Das mag überraschen – die Statistik zählt hier aber an liegen, dass Behörden und Gesellschaft sensibler ge- auch Patchwork- und Pflegefamilien dazu, also auch Stief- worden sind, sagt Sibylle von Oppeln-Bronikowski vom eltern und Stiefgeschwister. Drei von vier Minderjährigen Statistischen Bundesamt. Die Zahl der festgestellten aku- leben mit mindestens einem Bruder oder einer Schwester ten und latenten Kindeswohlgefährdungen stieg in den zusammen. Immer häufiger sind die Eltern allerdings vergangenen vier Jahren um 18 Prozent. 4 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
Armut trotz guter Wirtschaftslage: Fast jeder sechste die, die auf dem Gymnasium oder der Hauptschule ler- Minderjährige ist armutsgefährdet. „Gerade für eine rei- nen. Am wenigsten Spaß in der Schule haben Hauptschü- che Volkswirtschaft wie Deutschland, deren wirtschaftli- ler, am meisten Gymnasiasten und Grundschüler. Magazin Rubrik che Performance immer wieder gepriesen wird, ist das ein mehr als beschämender Befund“, kritisiert Krüger vom Freizeit heißt Freunde und Fernsehen: Mehr als 90 Pro- Kinderhilfswerk. In den vergangenen Jahren seien trotz zent der Kinder und Jugendlichen treffen sich mindestens guter Wirtschaftslage kaum Fortschritte gemacht worden. ein- bis zweimal pro Woche mit Freunden. Ähnlich beliebt Für die Kinder bedeute das nicht nur materielle Entbeh- ist Fernsehen. Bei anderen Hobbys zeigen sich soziale rung, sondern soziale Ausgrenzung und weniger Teilhabe Unterschiede: Hauptschüler treiben seltener Sport als an der Gesellschaft. Gymnasiasten, spielen seltener Musikinstrumente und le- sen weniger Bücher. Bei Realschülern sind die Anteile Bildungsstand der Eltern beeinflusst Schulwahl: Nur kaum höher. Besonders beliebt sind Musik und Lesen da- wenige Eltern mit Hauptschulabschluss schicken ihre Kin- gegen in der Grundschule. Auffällig: Hauptschüler nutzen der aufs Gymnasium. Umgekehrt haben nur wenige das Internet seltener als Gymnasiasten, spielen aber häu- Hauptschüler Eltern mit Abitur oder Fachhochschulreife. figer am Computer, Handy oder an der Spielekonsole. Die Chancen von Kindern auf hohe Schulabschlüsse sind also größer, wenn die Eltern selbst einen hohen Bildungs- Mit Problemen gehen sie eher zur Mutter: Nahezu alle stand haben. Etwas anders sieht es bei Kindern mit Kinder und Jugendlichen sprechen mit ihrer Mutter regel- Migrationshintergrund aus: Sie schaffen es häufiger aufs mäßig über ihren Alltag, die große Mehrheit auch über Gymnasium, auch wenn ihre Eltern einen Hauptschul- Probleme und Ärger. Zum Vater gehen sie nicht ganz so oder gar keinen Abschluss haben. Die meisten Eltern der oft – die Hälfte der Kinder sucht aber auch hier regelmä- Gymnasiasten mit Migrationshintergrund sind allerdings ßig das Gespräch. Dabei fühlen sich die meisten Kinder ebenfalls hoch gebildet. ernst genommen: Rund 85 Prozent der Jungen und Mäd- chen geben an, dass ihre Eltern sie bei wichtigen Ent- Schule ist anstrengend: Der Großteil der Kinder und Ju- scheidungen nach der Meinung fragen. gendlichen geht im Grunde ganz gern zur Schule. Rund die Hälfte fühlt sich danach aber erschöpft – besonders dpa/Theresa Münch 15 Minuten täglich Vorlesen bringt viel Ein paar Minuten täglich können späteren Frust und Ärger ben den Eltern können laut den Studienautoren auch vermeiden oder mindern: Mit regelmäßigem Vorlesen Grundschulen mit Angeboten außerhalb des Unterrichts können Eltern ihren Kindern das Lesenlernen deutlich er- die Lesebegeisterung und -kompetenz fördern. „Kinder leichtern. Nach der „Vorlesestudie 2018“ der Stiftung Le- sollten an jeder Schule auch Leseangebote für ihre Frei- sen fällt etwa vier von fünf Kindern (78 Prozent), denen zeit finden. Damit tragen Schulen zur Chancengleichheit mehrmals die Woche oder auch täglich vorgelesen wurde, bei“, heißt es in der Studie. Laut der Befragung gibt es das Lesenlernen später in der Grundschule leicht. Von hier aber noch Defizite. Fast jeder vierte Grundschüler (23 den Mädchen und Jungen, die diese Erfahrung selten Prozent) kennt demnach keine Büchereien, Leseecken oder nie gemacht haben, lernen nur 50 Prozent das Lesen oder ähnliche Angebote an seiner Schule. ohne Probleme. „Lesenlernen ist kein Kinderspiel. Vorle- sen schafft die besten Voraussetzungen, damit Kinder dpa/Anja Sokolow dieser Aufgabe in der Grundschule gewachsen sind“, sag- te Antje Neubauer, Leiterin des Fachkuratoriums Bildung der Deutsche Bahn Stiftung. Laut der Studie findet es fast jedes dritte Kind (30 Prozent) nicht leicht, lesen zu lernen. Bereits 15 Minuten Vorlesen täglich genügen demnach. Die Studie wurde am 29. Oktober in Berlin vorgestellt. Ohne Vorlesen – Kinder sind genervt und ungeduldig Nach der Untersuchung sind Kinder, denen nie vorgelesen wurde, auch sehr ungeduldig, genervt und empfinden das Lesenlernen als sehr anstrengend. Gut jedes zweite Kind (53 Prozent) ohne Vorleseerfahrung sagt von sich, es sei genervt, weil es dachte, Lesenlernen gehe schneller. Von den Kindern, die täglich Märchen und Geschichten gehört haben oder hören, sagten das nur 27 Prozent. Ne- Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 5
Besserer Übergang Aktuell in Ausbildung mit ansteigender Zuwanderungsgeneration Menschen mit Migrationshintergrund selbst in der dritten Generation seltener eine berufliche Ausbildung aufneh- men als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Im Vergleich zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die der dritten Generation angehören, haben diejenigen der zweiten Generation erheblich geringere Chancen, er- folgreich in eine berufliche Ausbildung einzumünden. Ob- wohl auch sie bereits in Deutschland geboren sind, fallen ihre Schulabschlüsse im Schnitt deutlich niedriger aus, was ihre Aussichten auf einen Ausbildungsplatz mindert. Aber selbst bei gleichem Schulabschluss münden junge Migrantinnen und Migranten der zweiten Generation langsamer und seltener in eine Berufsausbildung ein als diejenigen der dritten Generation beziehungsweise als Ju- gendliche ohne Migrationshintergrund. Die geringsten Chancen auf einen erfolgreichen Übergang Jugendliche mit Migrationshintergrund, die der dritten in eine Berufsausbildung haben Jugendliche der ersten Generation angehören, sind bei der Suche nach einem Migrationsgeneration – sie sind im Ausland geboren und Ausbildungsplatz ebenso erfolgreich wie Jugendliche selbst nach Deutschland zugewandert, meistens mit ihrer ohne Migrationshintergrund, wenn sie nach der 9. oder Familie. Sie verfügen nochmals über deutlich niedrigere 10. Klasse die allgemeinbildende Schule beenden und un- Schulabschlüsse als Jugendliche der zweiten Generation. mittelbar eine berufliche Ausbildung anstreben. Sie mün- Die größten Schwierigkeiten sind dabei für diejenigen zu den dann im Laufe von rund drei Jahren nach Schulbeen- verzeichnen, die erst nach dem 6. Lebensjahr nach digung genauso oft und genauso schnell entweder in eine Deutschland gekommen sind. Sie haben in der Schule am duale oder eine schulische Berufsausbildung ein. Bei der schlechtesten abgeschnitten, bewerben sich verhältnis- dritten Generation handelt es sich um in Deutschland ge- mäßig häufig nicht um eine Ausbildungsstelle und neh- borene Migrantinnen und Migranten, deren Eltern eben- men insgesamt am seltensten eine Berufsausbildung auf. falls schon in Deutschland geboren sind, die Zuwande- Allerdings sind diejenigen von ihnen, die bei Schulabgang rung erfolgte bereits durch die Großeltern. eine betriebliche Ausbildung anstreben, zumindest nach zwei bis drei Jahren relativ erfolgreich und münden häufi- Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat auf Basis ger in eine berufliche Ausbildung ein als Jugendliche der von Daten des Nationalen Bildungspanels eine nach den zweiten Migrationsgeneration. Migrationsgenerationen differenzierte Analyse der Über- gänge in eine Berufsausbildung durchgeführt. Zugrunde Die Ergebnisse zeigen nach Auffassung des Autoren- liegen die Angaben von fast 6.000 Jugendlichen, die in teams, dass die Herstellung gleicher Bildungschancen für den Jahren 2011 und 2012 nach der 9. oder 10. Klasse von Migrantinnen und Migranten eine Aufgabe ist, die sich einer Regelschule abgegangen sind. über einen langen Zeitraum erstreckt und eine intensive Förderung der Jugendlichen nötig macht. Insgesamt haben Jugendliche mit Migrationshintergrund bei Verlassen der Schule seltener ein Interesse an der di- Bibb/RED rekten Aufnahme einer Berufsausbildung. Auch in der dritten Migrationsgeneration trifft dies, wenn auch sehr abgeschwächt, noch zu. Das hat zur Folge, dass junge 6 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
dbb-Landesleitung trifft Landesregierung Gewalt gegen Aktuell Wir werden jeglicher Beschäftigte im öffentlichen Dienst vehement entgegentreten! Der rheinland-pfälzische Ministerrat hat Mitte November Sowohl der Landesregierung als auch dem dbb ist es unter Leitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten wichtig, Betroffenen von Gewalt und Anfeindungen un- Dr. Volker Wissing die Landesleitung des dbb beamten- mittelbar im Nachgang eines Angriffs gezielte Hilfs- und bund und tarifunion rheinland-pfalz getroffen. „Das tradi- Unterstützungsmaßnahmen zu unterbreiten. tionelle Treffen zwischen der Landesleitung des dbb und der Landesregierung bietet die Möglichkeit, in großer Besoldungsanpassungen Runde über die aktuellen Themen zu sprechen, die einen Bereits vor der Sommerpause hat sich die Landesregie- gemeinsamen Bezug haben. Ich danke der Landesleitung rung zu einem deutlichen Schritt bei der Besoldung ent- des dbb und der Vorsitzenden Lilli Lenz für das offene und schieden. „Die für den Bereich der Beschäftigten gelten- konstruktive Gespräch“, so Wirtschaftsminister Dr. Volker den Tarifergebnisse werden wir erneut für die Beamtin- Wissing. nen und Beamten übernehmen. Darüber hinaus sehen wir eine zusätzliche Erhöhung der Besoldung und Versorgung Bei der Sitzung wurde über die Themen Gewalt gegen Be- in den Jahren 2019 und 2020 um weitere jeweils zwei Pro- schäftigte im öffentlichen Dienst, aktuelle Fragen der Be- zent vor. Allein diese zusätzliche Anpassung ist im Ent- soldung und Versorgung sowie die Rolle des Landes als wurf für den Doppelhaushalt mit 50 Millionen Euro in familienfreundlicher Arbeitgeber gesprochen. 2019 und 150 Millionen Euro in 2020 unterlegt“, erklärte Finanzministerin Doris Ahnen. Diese Verbesserungen sei- Einig waren sich die Vertreterinnen und Vertreter der Lan- en ein wichtiger Baustein für die Fachkräftesicherung im desregierung und des Beamtenbundes angesichts zuneh- öffentlichen Dienst. „Das Land positioniert sich mit der mender Fälle von Übergriffen und Respektlosigkeit gegen Besoldungsanpassung als attraktiver Arbeitgeber für die Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Rettungskräfte oder Zukunft“, so Ministerin Ahnen. Feuerwehr, dass Angriffe und Beleidigungen scharf zu verurteilen und konsequent zu verfolgen sind. Der dbb Die Leitlinien der Landesregie- begrüßt daher das Vorhaben der Landesregierung, vor- rung zur Besoldungs- und Ver- aussichtlich im Frühjahr 2019 eine Aktionswoche durch- sorgungsanpassung 2019/2020 zuführen, in der die Leitungen der Ressorts in den Dienst- sind für den dbb rheinland-pfalz stellen das direkte Gespräch mit den Beschäftigten zum ein wichtiger Schritt auf dem Thema „Gewalt“ suchen werden und an deren Ende eine Weg zu einer konkurrenzfähi- gemeinsame Erklärung der Landesregierung mit den ge- gen Bezahlung im öffentlichen werkschaftlichen Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienst des Landes, wie der dbb Dienstes stehen soll. rheinland-pfalz ihn schon lange gefordert hat. Die außerordent- Die dbb-Landesvorsitzende Lilli Lenz stellte dazu fest: lichen Linearanpassungen um „Öffentliche Arbeitgeber müssen sich auch durch eine jeweils zwei Prozent zur Jahres- Unterstützung bei der Strafverfolgung vor betroffene Kol- mitte 2019 und 2020 zusätzlich leginnen und Kollegen stellen. Opfern muss beigestanden zur zugesagten zeit- und in- werden. Wir plädieren für eine entschiedene, vom öffent- haltsgleichen Übertragung des lichen Arbeitgeber unterstützte und vorgenommene für nächsten März erwarteten Strafanzeigenerstattung sowie für konsequente Strafver- Ergebnisses der Ländertarifrun- folgung. Ich freue mich über die geplante Aktionswoche de auf Beamte und Versor- gegen Gewalt und dass die Landesregierung unseren Vor- gungsempfänger sind aus Ge- schlag einer gemeinsamen Erklärung aufnimmt. Zusam- werkschaftssicht dringend nö- men setzen wir damit ein deutliches Signal gegen Gewalt tig. in unserer Gesellschaft.“ Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 7
Frauenförderung/Familienfreundlichkeit Gleichstellung im öffentlichen Dienst und die bessere Ver- im öffentlichen Dienst einbarkeit von Familie und Beruf erreichen“, so Familien- „Mit meiner Politik möchte ich die Durchsetzung der ministerin Anne Spiegel. Verschiedene Studien, zum Bei- Aktuelles Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Ver- spiel auch die dbb-Bürgerbefragung „Öffentlicher Dienst besserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für 2018“, zeigen Benachteiligung von Frauen bei Beförde- Frauen und Männer im öffentlichen Dienst fördern“, un- rungen. Obgleich mit den genannten Maßnahmen die terstrich Frauenministerin Anne Spiegel im Rahmen der Frauenförderung im öffentlichen Dienst vorangebracht gemeinsamen Sitzung mit der Landesleitung des dbb. „Zu wurde, hat der Ministerrat zur weiteren Verbesserung der diesem Zweck haben wir eine Vielzahl von Maßnahmen Situation beschlossen, ein strategisches Konzept zur Per- ergriffen. Dazu gehören beispielsweise großzügige Rege- sonalplanung für den Bereich der Frauenförderung zu er- lungen bei Kern- und Gleitzeiten. Auch mit den Gleichstel- stellen. lungstagen, mit dem Mentoring-Programm „Mehr Frauen an die Spitze“ und mit dem Modellprojekt „Führen in Teil- Der öffentliche Dienst sei vorbildlich bei der Förderung zeit – FiT“ wollen wir bessere Voraussetzungen für die der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, stetige Verbes- serungen durch Flexibilisierungen von Arbeitszeit und Ar- beitsort sind dabei nicht ausgeschlossen, so die dbb- Landesvorsitzende Lilli Lenz. „Aber ‚weiche’ Arbeitgeber- faktoren sind nicht alles, auch die ‚harten’ Beschäfti- gungsbedingungen wie Bezahlung und Karriereperspek- tive müssen stimmen. Ein ‚Karriereknick’ durch Familien- gründung wird heute auch gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert. Wir setzen uns für weitere Fortentwicklungen ein.“ Das gelte auch für die Frauenförderung. „Tatsächli- che Entgeltgleichheit, mehr Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes und der Ausbau qualifizierter Teilzeitarbeitsplätze sowie alternierender Telearbeit sind dabei für uns wichtige Schlagworte, über die wir mit der Landesregierung weiter im Dialog bleiben.“ dbb/RED forsa-Umfrage im Auftrag des VBE offenbart: Werteerziehung in Schule ist für Eltern und Lehrkräfte von enormer Bedeutung Für die Umsetzung fehlt es häufig an den Für die Studie wurden von der Universität Tübingen unter notwendigen Gelingensbedingungen Leitung von Dr. Martin Drahmann und Prof. Dr. Colin Cra- mer in Kooperation mit forsa 1.111 Eltern schulpflichtiger Am Freitag, dem 9. November 2018, wurden die Ergebnis- Kinder sowie 1.185 Lehrerinnen und Lehrer an allgemein- se der repräsentativen forsa-Umfrage zum Thema Wer- bildenden Schulen befragt. Die Ergebnisse liefern erst- teerziehung und Wertorientierung vom VBE-Bundesvor- mals einen Abgleich zwischen den Erwartungen von El- sitzenden Udo Beckmann in Berlin vorgestellt. Befragt tern und den Einschätzungen von Lehrkräften zu diesem wurden Eltern und Lehrkräfte, die deutlich zum Ausdruck Thema. Die Befragten sahen klare Defizite bei der Umset- brachten, wie wichtig ihnen das Thema Werteerziehung zung von Bildungs- und Erziehungszielen. Den Grund da- und eine Orientierung an den gesetzlich verankerten Bil- für sehen Eltern wie Lehrkräfte vor allem in einer unzurei- dungs- und Erziehungszielen in Schule sind. Mit der Um- chenden Berücksichtigung im Lehrplan. Bezeichnend sei frage will der VBE Impulse für eine Wertedebatte setzen laut Beckmann, dass die Umsetzung bestimmter Ziele ge- und fordert die Etablierung eines Wertekanons. nau dort gelinge, wo diese im Lehrplan integriert seien. Sowohl Eltern als auch Lehrkräfte beurteilen die prakti- 8 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
sche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema, Der VBE fordert: etwa in Form von Projektwochen oder Workshops, als zweitwichtigsten Grund für das Erreichen bestimmter >> d ie feste fächerübergreifende Verankerung und deut- Aktuelles Werteerziehungsziele. lich stärkere Priorisierung aller Erziehungs- und Bil- dungsziele in den Lehrplänen von Schulen, und zwar Über 90 Prozent der Eltern geben für 8 der 16 abgefragten fächerübergreifend, Bildungs- und Erziehungsziele an, dass ihnen diese (sehr) >> mehr Flexibilität, freie Gestaltungsräume und vor al- wichtig sind, über 90 Prozent der Lehrkräfte erachten so- lem mehr Zeit für Schule, um Werteerziehung zu im- gar 12 der 16 Ziele als (sehr) wichtig. Ebenso viele vertre- plementieren und erlebbar machen zu können, ten die Meinung, dass auch in einer multikulturellen Ge- >> basierend auf einem Diskurs von Politik und Gesell- sellschaft bestimmte Werte für alle Menschen, die hier schaft die Verständigung auf einen gemeinsamen leben, gelten müssen. Daher fordert Udo Beckmann: Wertekanon, der Orientierung für alle Schülerinnen „Schule ist ein Ort, der Schülerinnen und Schülern eine und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern bietet, Orientierung in der Ausbildung ihrer Wertehaltung geben >> entschiedenes Handeln von der Politik, welches für soll und muss. Deshalb muss für Schule ein universell die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen, Rah- geltender Wertekanon an zu vermittelnden Werten gel- menbedingungen und Unterstützungsleistungen ten.“ sorgt, u. a.: ● die Einsetzung multiprofessioneller Teams, Gerhard Bold, Landesvorsitzender des VBE Rhein- ● d en Ausbau von qualitativer, werteorientierter land-Pfalz, äußerte sich zu den Ergebnissen: „Sowohl die Ganztagsschule und historischen Ereignisse dieses Datums – der Beginn der ● adäquate Voraussetzungen für die Erziehungspart- Novemberpogrome und der Fall der Berliner Mauer – als nerschaft zwischen Lehrkräften und Eltern, auch die aktuellen gesellschaftlichen Tendenzen machen >> ein verbessertes, intensiveres und standardisiertes eine Diskussion über Werte- und Demokratieerziehung so Angebot von Veranstaltungen zur Werteerziehung in bedeutsam und notwendig – mehr denn je. Wir müssen allen Phasen der Lehreraus- und -fortbildung, welches die Signale wahr- und ernst nehmen: Eine Verrohung der die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Sprache, zunehmende Gewalt gegen Lehrkräfte und be- Werteverständnis zum Ziel hat, drückende, rechtsradikale Gewalttaten wie zuletzt in >> die Bereitstellung einer zeitgemäßen technischen In- Chemnitz machen deutlich, dass sich unsere Gesellschaft frastruktur an Schule, um einen reflektierten Umgang wieder stärker an freiheitlich-demokratischen Werten ori- mit Medien als einem wichtigen Akteur bei der Werte- entieren muss – allen voran der Nachwuchs, der in unse- vermittlung fördern zu können, ren Schulen sitzt. Daher ist es elementar, dass Werteer- >> ein verstärktes gesellschaftliches Engagement, wel- ziehung ein Bestandteil im Unterricht sein muss: Fächer- ches außerschulische Angebote an Schule heranträgt übergreifend, projekt- und praxisorientiert – mit der re- und Lehrerinnen und Lehrer bei der Werteerziehung sourciellen und finanziellen Unterstützung der Politik.“ unterstützt. In der Stärkung und Unterstützung der Schulen seitens Die ausführlichen Ergebnisse der forsa-Umfrage sowie der Politik sieht VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann weitere Informationen finden Sie unter www.vbe.de die Chance, gerade diejenigen jungen Menschen in ihrer Entwicklung einer reflektierten Wertehaltung zu fördern, VBE Bund/ele bei denen dies durch deren sozialen oder kulturellen Hin- tergrund nicht ausreichend gegeben ist. Nur so kann ne- gativen Auswirkungen auf die weitere Biografie dieser jungen Menschen und der Gesamtgesellschaft Eltern Lehrkräfte entgegengewirkt werden. Bildungs- und Erziehungsziel Bedeutung* in % Erreichung* in % Bedeutung* in % Erreichung* in % Eigenverantwortliches Handeln 96 56 98 45 „Die Politik muss die Ernsthaftigkeit ihrer Forde- Förderung des selbstständigen Lernens 94 53 94 45 rungen nach mehr Werte- und Demokratieerzie- Erwerb sozialer Kompetenzen 93 56 98 62 Förderung der Persönlichkeitsentwicklung 92 46 95 57 hung an Schule belegen – mit dem notwendigen Erwerb von Konfliktfähigkeiten / der friedliche Umgang mit Gestaltungsfreiraum für Lehrkräfte. Werte müs- Konflikten 92 56 97 54 Anerkennung gesellschaftlicher Grundwerte 91 53 96 56 sen erlebt und gelebt werden, dafür braucht es Achtung der Menschenrechte 91 59 97 62 weniger starre Strukturen und stattdessen mehr Vorbereitung auf das zukünftige Leben 91 33 92 44 Flexibilität und vor allem mehr Zeit. Der sich än- Schaffung von Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt 89 48 94 38 dernde Alltag in der Gesellschaft und damit ver- Einüben von Toleranz 86 55 97 57 bunden die zunehmenden Erziehungsaufgaben Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern 83 59 91 66 Orientierung an der freiheitlich-demokratischen für Schule müssen Platz finden im starren Kor- Grundordnung/ Demokratieerziehung 82 46 95 57 sett der Leistungsorientierung. Nur so können Einsatz für den Frieden 72 35 86 33 junge Menschen eine an der freiheitlich-demo- Anerkennung von kultureller Vielfalt 70 55 89 57 Orientierung an Leistungsfähigkeit 61 51 59 43 kratischen Grundordnung orientierte Wertehal- Förderung der Heimatverbundenheit 45 27 30 19 tung entwickeln“, so Beckmann. * Die Zahlen stellen die Werte 1 und 2 auf einer Skala von 1 = sehr wichtig bis 6 = völlig unwichtig (Bedeutung der Ziele) bzw. 1 = wird voll und ganz erreicht bis 6 = wird überhaupt nicht erreicht (Erreichung der Ziele) dar; Quelle: forsa Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 9
Halbzeit Thema die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig im Interview 10 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
Nach der letzten Landtagswahl 2016 hat Rheinland-Pfalz eine Koalitionsregie- rung aus SPD, FDP und BÜNDNIS90/Die Grünen. Dieser „Mainzer Ampel“ gehört Thema als Staatsministerin für Bildung die promovierte Juristin Stefanie Hubig an. Für die Schul- und Bildungspolitik war diese Besetzung einer Schlüsselposition in der Lan- desregierung eine echte Überraschung, von manchem skeptisch beäugt. Sie war selbst für bildungspolitisch Eingeweihte ein völlig unbeschriebenes Blatt, obgleich sie durch ihre vorherigen Ämter in Rheinland-Pfalz und in der Bundesregierung ei- nige politische Erfahrung aufweisen kann. Die Hälfte der Legislaturperiode ist vorbei. Wie hat sich Stefanie Hubig eingearbei- tet? Was hat von den schulpolitischen Zielsetzungen im Koalitionsvertrag umge- setzt, was ist noch offen? Über Fragen wie diese sprach die RpS-Redaktion ausführ- lich mit der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin. RED Die Legislaturperiode dieser Landesregierung ist zur spricht Ihr Haus wieder von einer Unterrichtsversorgung Hälfte vorbei. Sie waren als neue Bildungsministerin auf „hohem Niveau“. Haben Sie sich von diesem zentra- selbst für Kenner der Szene anfangs ein schulpolitisch len politischen Versprechen – der 100-Prozent-Unter- Halbzeit völlig unbeschriebenes Blatt. Fühlen Sie sich mittlerweile richtsversorgung – verabschiedet? als Juristin wohl in Ihrem Amt als Bildungsexpertin? Ha- ben Sie die Hälfte von dem erreicht, was Sie sich vorge- Selbstverständlich bleiben die 100 Prozent weiter unser nommen haben oder was man Ihnen vorgegeben hat? Ziel. Daran arbeiten wir sehr ernsthaft. Und bei der struk- turellen Versorgung sind die 100 Prozent gar nicht mehr Ich bin sehr gerne Bildungsministerin. Nach zweieinhalb weit entfernt. Auch in diesem Jahr legen wir wieder sehr Jahren habe ich das Gefühl, in diesem Amt, in dieser Aufga- gute Zahlen vor. be wirklich angekommen zu sein. Dazu hat gehört und ge- hört immer noch, sich das nötige Fachwissen anzueignen. Im Übrigen gibt es für mich bei der Unterrichtsversorgung Wichtig war mir aber auch, gute Partnerschaften zu allen eine Pflicht und eine Kür. Die Pflicht ist das, was die Stun- aufzubauen, die an der frühkindlichen und schulischen Bil- dentafel vorsieht mit den Differenzierungen. Die Kür bilden dung in Rheinland-Pfalz und darüber hinaus beteiligt sind. die freiwilligen Lernangebote. Im Übrigen erinnere ich dar- an, dass in Rheinland-Pfalz alle Planstellen an Grundschu- Ich habe seit Amtsantritt über 100 Schulen besucht, dazu len, Integrierten Gesamtschulen, Realschulen plus und sehr viele Kitas. Ich habe hier wie dort viele, sehr engagier- Gymnasien mit grundständig ausgebildeten Lehrkräften te und qualifizierte Menschen kennenlernen dürfen. Ich besetzt wurden. Wir setzen also nicht nur auf Quantität, sehe mich als Teamarbeiterin eines, zugegeben sehr gro- sondern auch auf Qualität bei der Unterrichtsversorgung. ßen, Teams mit Lehrkräften, Personalräten, den Eltern- und Schüler(innen)-Vertretungen, Verbänden, Gewerkschaften und natürlich auch mit meinen Kolleginnen und Kollegen in Laut Koalitionsvertrag wollten Sie Grundschulen mög- der Politik. Natürlich gibt es immer Kritik, aber es gibt auch lichst wohnortnah erhalten. Der Landesrechnungshof viel Zuspruch. Ich denke z. B. an die Feriendurchbezahlung hatte Vorgaben gemacht. Es sollten, wo dies nicht mög- für befristete Arbeitsverträge in der Schule, die MINT-Stra- lich ist, gute Alternativen aufgezeigt werden. Daraus ist tegie oder auch an die Fortführung der Altersteilzeit für eine heftige Auseinandersetzung vor allem mit den Lehrkräfte. Das waren alles keine Selbstverständlichkeiten, Schulträgern geworden. Hat es sich gelohnt, dieses sondern harte Arbeit. „Fass“ aufzumachen, oder hat das Ganze eher zu einer Blamage für die Landesregierung und für Ihr Haus ge- Also: Wir haben bereits mehr als zwei Drittel abgearbeitet führt? Würden Sie das Vorhaben nach diesen Erfahrungen von dem, was uns der Koalitionsvertrag 2016 aufgetragen noch einmal aufgreifen? hat. Aber die Schul- und Bildungspolitik ist ein Prozess und es gibt immer etwas zu tun. Wir arbeiten daran, weiter bes- Es war sicher eine sehr kontroverse Debatte, aber vor al- ser zu werden. lem war es ein dialogorientierter Prozess mit einem für uns akzeptablen Ergebnis. Ich sehe also keine Blamage. Unser Sie wollten die Unterrichtsversorgung verbessern und Ziel war eine Überprüfung der Grundschulen unter der Vo- streben eine 100-prozentige Versorgung an. Davon ist sei- raussetzung, dass „kurze Beine – kurze Wege“ weiter gel- tens der Landesregierung nichts mehr zu hören. Jetzt ten muss. Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 11
Thema Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig im Interview mit dem RpS-Schriftleiter Hjalmar Brandt Außerdem hat die ein oder andere kleine Grundschule im Wie Sie wissen, sind Förderschullehrkräfte nicht nur in Zuge dieser Debatte auch profitiert. Es gab Schulträger, Rheinland-Pfalz knapp. Wir versuchen, dieses Problem die wachgerüttelt wurden und die Ausstattung verbessert unter anderem dadurch anzugehen, dass wir Förderschul- oder renoviert haben, um den Standort zu stärken. Das lehrkräften in der Ausbildung frühzeitig Beschäftigungs- ist doch sehr erfreulich. möglichkeiten in Aussicht stellen und Vorabzusagen er- teilen. Mit Erfolg übrigens. Die Zahl derer, die nach ihrer Im Rahmen der Inklusion sind Förder- und Beratungszen- Ausbildung in Rheinland-Pfalz in andere Länder abwan- tren aufgebaut worden. Nicht wenige haben den Ein- dern, liegt im einstelligen Bereich. druck, dass dies auf Kosten bestehender inklusiver An- gebote gegangen ist, z. B. zulasten der Integrierten För- Es ist auch klar, dass Inklusion eine Daueraufgabe ist. derung an Grundschulen. Haben Sie kein Geld, oder ist Und wir arbeiten auch sehr ausdauernd daran, die Rah- das Konzept noch nicht ausgereift? Wird das große Vor- menbedingungen weiter zu stärken. Das machen wir na- haben Inklusion insgesamt eher auf „Sparflamme“ ge- türlich – wie eingangs erwähnt – im Team, also mit denen, kocht? mit denen wir im schulpolitischen Diskurs stehen und uns manchmal auch streiten. Aber das gehört dazu. Inklusion ist eine Aufgabe der Schule an sich und jeder Lehrerin und jedes Lehrers. Es geht darum, wie wir Kin- Sie wollen die Realschule plus stärken, unter anderem dern die beste Teilhabe an unserer Gesellschaft ermögli- durch neue Funktionsstellen und einen zusätzlichen Stu- chen. Dass wir in der Praxis jeweils individuelle Lösungen dientag, aber auch durch die Möglichkeit einer Wechsel- finden müssen, um diesen zutiefst menschlichen Grund- prüfung für GHS-Lehrkräfte, sodass diese in A 13 einge- satz in die Tat umzusetzen, liegt auf der Hand. Und das stuft werden können. Dieses vom VBE gerichtlich durch- kochen wir nicht auf Sparflamme. Der rheinland-pfälzi- gesetzte Verfahren soll in der Legislaturperiode sche Weg – die Eltern entscheiden, auf welche Schule ihr abgeschlossen werden. Schaffen Sie das? Kind geht – ist pragmatisch und zielorientiert. Vor allem halte ich ihn für richtig. Als ich mein Amt angetreten habe, habe ich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorgefunden. Und selbstver- Wir haben auch die Ausbildung der Lehrkräfte neu gestal- ständlich gibt es daran nichts zu rütteln. Ich respektiere tet. Jede angehende Lehrerin und jeder künftige Lehrer auch den Erfolg, den der VBE in dieser Angelegenheit si- absolviert ein Praktikum an einer Förderschule oder einer cher hat. Es ist ein Stück mehr Gerechtigkeit, dass wir un- Schwerpunktschule. Alle Lehrkräfte werden also mit den ter den Lehrkräften geschaffen haben. besonderen Fragestellungen der Förderpädagogik ver- traut. Das ist eine wichtige Grundlage für Schnittmengen Ich habe mich mit Erfolg für eine schnelle Umsetzung en- der unterschiedlichen pädagogischen Bereiche. gagiert und das, so denke ich, auch zur Zufriedenheit der 12 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
Verbände. Wir haben es gemeinsam geschafft. Alle Lehr- Digitale Bildung und der Erwerb digitaler Kompetenzen kräfte, die 2015 und 2016 ihre Wechselprüfung II absol- entscheiden über Berufs- und Lebenschancen. So steht viert haben, konnten in A 13 eingestuft werden. Dafür wa- es im Koalitionsvertrag der Landesregierung. Sie wollten Thema ren im Doppelhaushalt 2017/2018 insgesamt 1.200 Stel- die Hardwareausstattung verbessern, ebenso die Fortbil- len bereitgestellt worden. Für den kommenden dung der Lehrkräfte. Die Grundschulen sind dabei ein Doppelhaushalt haben wir weitere 700 Stellen einge- Schwerpunkt. Nach wie vor sind aber viele Schulen man- plant, um alle Lehrkräfte in A 13 einzustufen, die ihre gelhaft ausgestattet, die Landesregierung zeigt mit dem Wechselprüfung II erfolgreich ablegen. Finger auf die Schulträger. Wie wollen Sie angesichts solcher Mängel bis 2021 die Digitalisierung der Schulen Wie lässt sich zwischen Akademisierung und Fachkräfte- vorantreiben? Wer übernimmt die professionelle War- mangel wieder ein Gleichgewicht herstellen? Welche An- tung? reize muss es für junge Leute geben, damit diese sich wieder vermehrt für einen Ausbildungsberuf entschei- Die Grundschulen sind ein neuer Schwerpunkt, nachdem den? Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie dabei bereits nahezu alle weiterführenden Schulen an unserem Halbzeit für die Landesregierung? Landesprogramm „Medienkompetenz macht Schule“ teil- genommen haben. Weil Kinder immer früher mit der digi- Der demografische Wandel und grundlegende Verände- talen Welt und ihrer Medienvielfalt konfrontiert werden, rungen der Arbeitswelt, etwa durch die Digitalisierung, muss auch die Medienkompetenzbildung früher begin- stellen uns vor die Herausforderung, gute Fachkräfte für nen. Medienkompetenz ist das Stichwort: Man darf das alle Bereiche der Arbeitswelt auszubilden. Nicht nur vor digitale Lernen und Lehren nicht auf Hardwarefragen re- diesem Hintergrund sind viele Ausbildungsberufe nach duzieren. Es geht um mehr und gleichzeitig wird es immer wie vor sehr attraktiv und bieten zahlreiche Chancen zur beim Primat des Pädagogischen bleiben. Gleichwohl stel- beruflichen Entfaltung und Weiterentwicklung. len sich diese Fragen natürlich. Und ja, grundsätzlich sind die Träger für die Ausstattung der Schulen zuständig. Wir Das muss man immer wieder deutlich machen und beto- zeigen aber nicht mit dem Finger, sondern reichen die nen. Wir tun das in Rheinland-Pfalz etwa im Zuge unserer Hand. MINT-Strategie oder durch eine gezielte Berufsorientie- rung an den Schulen. Zu den Maßnahmen der beruflichen Im Rahmen von Medienkompetenz unterstützen wir Orientierung zählen der verbindliche Tag der Berufs- und Schulen auch bei der Ausstattung. So erhält jede Grund- Studienorientierung an allen weiterführenden Schulen, schule – 262 sind es bereits –, die in das Programm auf- das Langzeitpraktikum Praxistag, an dem in Rhein- genommen wird, ein Ausstattungsbudget von 7.500 Euro. land-Pfalz jährlich ca. 9.000 Schülerinnen und Schüler Wir haben die Mittel für den Bereich Digitalisierung im teilnehmen, oder die Potenzialanalyse, die an Schulen kommenden Doppelhaushalt nochmals enorm ausgewei- mit Berufsreife bereits in der 7. Klasse eine erste stärken- tet. Rund 17 Millionen Euro pro Jahr sollen dafür künftig orientierte Rückmeldung zu Potenzialen und Interessen zur Verfügung stehen. Außerdem soll der angekündigte liefert. Digitalpakt des Bundes neue Möglichkeiten eröffnen. Wir hoffen, dass Berlin nach all den Gesprächen jetzt schnell liefert. Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 13
Thema Vor allem halte ich es aber für falsch, dass bei dieser und 2019/2020 für Kitas und Schulen zur Verfügung. Wir neh- anderen Zukunftsfragen immer und immer die vermeintli- men also insgesamt nochmals deutlich mehr Geld in die chen Mängel in den Vordergrund gestellt werden. Wir ste- Hand, um die Bildungslandschaft von der Kita bis in Aus- hen in Rheinland-Pfalz sehr gut da, das bestätigen uns bildung oder Studium zu stärken. Studien regelmäßig, wir haben aber letztlich auch noch viele Herausforderungen vor uns. Und weil das so ist, Thema Lehrermangel: Wie konnte es passieren, dass es muss man das auch sagen: Das haben wir gemeinsam mit – geradezu aus heiterem Himmel – zu echten Engpässen dem Pädagogischen Landesinstitut, den Trägern und vor auf dem Lehrerarbeitsmarkt und schlussendlich bei der allem ganz vielen engagierten Schulleitungen und Lehr- Unterrichtsversorgung kommt? Wer hat sich verrechnet kräften geschafft. Ganz grundsätzlich würde ich mir für – die Statistiker oder die Kämmerer? Was tut die Landes- diese Engagierten und für die Sache an sich wünschen, regierung, um neue Lehrerinnen und Lehrer zu gewin- dass man im allgemeinen Diskurs bei vielen Themen zu nen? Was unternehmen Sie gegen Abwanderung? Muss einer Kultur der Ermutigung findet, anstatt zu entmutigen es nicht auch finanzielle Anreize geben, um mit den an- oder zu katastrophieren. deren Ländern konkurrieren zu können? Der nächste Doppelhaushalt steht zur Beratung und Ver- Ich habe ja schon darauf hingewiesen: Wir leben in Rhein- abschiedung im Landtag an. Welche sind Ihre schulpoli- land-Pfalz; im Gegensatz zu vielen anderen Bundeslän- tischen Schwerpunkte im nächsten Doppelhaushalt dern konnten auch zu diesem Schuljahr erneut alle Plan- 2019/2020? stellen an Grundschulen, Gymnasien, Realschulen plus und Integrierten Gesamtschulen mit grundständig ausge- Ein Schwerpunkt ist ganz klar die weitere Verbesserung bildeten Lehrkräften besetzt werden. Eine Ausnahme wa- der Personalausstattung an unseren Schulen. Jedes Jahr ren die Förderschulen, dort blieben zum Schuljahresstart kommen 130 Stellen für die Unterrichtsversorgung hinzu, zunächst 20 Stellen unbesetzt, aber auch hier konnte be- dazu kommen 80 Stellen für die sogenannten Feuer- reits jetzt das Gros abgearbeitet werden und wir sind op- wehr-Lehrkräfte und 50 Stellen für Sprachförderlehrkräfte. timistisch, dass spätestens zum Halbjahr alle Stellen be- setzt sein werden. Aber es soll nicht nur quantitative, sondern auch qualita- tive Verbesserungen geben. Etwa mit den didaktischen Rheinland-Pfalz ist vom Fachkräftemangel bisher also Koordinatorinnen und Koordinatoren an den Realschulen nicht im gleichen Ausmaß betroffen, wie viele unserer plus oder der Möglichkeit weiterer Beförderungen im Zuge Nachbarländer, was im Umkehrschluss bedeutet: Wir sind der Wechselprüfung II. Dann wollen wir den Ansatz rund sehr konkurrenzfähig. um Maßnahmen, die man unter der Überschrift „digitale Bildung“ fassen kann, ganz massiv ausweiten. Und ich habe auch eine Erklärung dafür: Wir bilden in allen Das sind aber nur zwei Beispiele, insgesamt stehen über Schularten aus, stellen trotz sinkender Schülerzahlen kon- 4,6 Milliarden Euro im Entwurf des Doppelhaushalts tinuierlich ein, machen verbindliche Vorabzusagen bereits 14 Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019
in der Ausbildung, bieten Perspektiven und binden so die piert. In anderen Bundesländern beginnen Grund- Lehrerinnen und Lehrer von morgen. Außerdem bieten wir schul-Lehrkräfte ihre Laufbahn regelmäßig in A 12, Stufe 1 gute Rahmenbedingungen, die sich etwa in der Schü- und die Lehrkräfte werden in Rheinland-Pfalz grundsätz- Thema ler-Lehrer-Relation abbildet, die sich seit Jahren kontinu- lich verbeamtet. ierlich verbessert. Wir haben außerdem eines der jüngs- ten Lehrerkollegien bundesweit, die im Durchschnitt Die Zunahme rechtspopulistischer und demokratiefeind- kleinsten Grundschulklassen. licher Tendenzen in unserem Land wird auch auf einen Mangel an politischer Bildung zurückgeführt. Wie kann Ein Pro ist auch, dass wir an der Verbeamtung von Lehr- die Demokratie auch in der Schule gestärkt werden, nur kräften festhalten, was ja längst nicht mehr in allen Bun- durch mehr politische Bildung? desländern der Fall ist. Und man muss hierbei anfügen, dass die Landesregierung eine Besoldungserhöhung für Lassen Sie uns doch mal positiv sein und sagen, dass un- Beamtinnen und Beamte angekündigt hat: zweimal zwei sere Schulgemeinschaften auch im Kontext der politischen Prozent zusätzlich zur Übertragung des Tarifabschlusses Bildung sehr gute, vielfältige Arbeit machen: im Unter- im öffentlichen Dienst. richt, in Projekten und, und, und. Halbzeit Ich kann bei jungen Menschen also nur dafür werben, Leh- Unsere Schulen müssen Orte der Begegnung sein. Dort rerinnen oder Lehrer in Rheinland-Pfalz zu werden – gera- sollen ein freier Meinungsaustausch ermöglicht und de im Grund- und Förderschulbereich. Es ist ein erfüllen- gleichzeitig Werte wie Toleranz und Respekt im täglichen der Beruf, der die Perspektive auf ein abwechslungsrei- Umgang erfahren werden. Alle Kinder sollen hier die Mög- ches und trotzdem abgesichertes Berufsleben bietet. lichkeit haben, Demokratie zu erleben und so zu aktiven Mitgliedern unserer Gesellschaft heranzuwachsen, aber Wann werden in Rheinland-Pfalz Grundschullehrkräfte sich auch gleichzeitig selber aktiv an demokratischen Pro- endlich in A 13 eingestuft? Wird es für die Kolleginnen zessen beteiligen, wie zum Beispiel im Schülerparlament und Kollegen an den Grundschulen, die zurzeit im Dienst oder im Klassenrat, in den Schulen mit Courage und ohne sind, eine ähnliche Wechselprüfung geben wie für Rassismus. Demokratiebildung ist eine Querschnittsauf- GHS-Lehrkräfte an Realschulen plus und Integrierten Ge- gabe aller Fächer und ist nicht auf den Bereich der politi- samtschulen? schen Bildung wie dem Fach Sozialkunde beschränkt. Da- rüber hinaus engagiert sich die Landesregierung mit einer Die Besoldung von Beamtinnen und Beamten richtet sich Vielzahl von Präventionsprogrammen gegen Rassismus, nach Art und Länge der absolvierten Ausbildung. Diese Fremdenfeindlichkeit, jedwede Form von Extremismus und besoldungsrechtliche Regelung greift auch für Lehrkräfte. gegen Gewalt. Da für die verschiedenen Lehrämter unterschiedlich lange Für das Gespräch bedanken sich Regelstudienzeiten vorgesehen sind, ist dementspre- Elisa Engert und Hjalmar Brandt. chend auch die Besoldung unterschiedlich. PS: Letzte Meldung: Im Zuge der bevorstehenden Europa- Ein Vergleich der Besoldung zwischen den Ländern ist wahlen wird Stefanie Hubig als künftige Bundesjustizmi- hierbei nicht ohne Weiteres möglich und bedarf eines dif- nisterin gehandelt, wenn die SPD-Spitzenkandidatin für ferenzierten Blicks auf die Details. die Wahlen, die jetzige Bundesjustizministerin Katarina Barley, nach Brüssel wechselt (wovon sicher ausgegangen Um den Grundschulbereich beispielhaft herauszugreifen: werden kann). Ob Stefanie Hubig dann dieses neue Amt Verbeamtete Grundschullehrkräfte in Rheinland-Pfalz wer- genau so gerne ausfüllen wird wie in Rheinland-Pfalz das den sofort in die besser dotierte Stufe 3 der A 12 eingrup- als Bildungsministerin? RED Rheinland-pfälzische Schule 12/2018-01/2019 15
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