Uniulm intern Das Ulmer Universitätsmagazin

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Uniulm intern Das Ulmer Universitätsmagazin
Nr. 339 (47. Jg.) I Februar 2017

                                   uniulm intern
                                          Das Ulmer Universitätsmagazin
Uniulm intern Das Ulmer Universitätsmagazin
2 | Rubrik
                          Editorial
                                 ,Thema, Titel

                                                 Liebe Leserinnen und Leser,

                                                 1967 gegründet, ist die Universität Ulm mit ihren    Wir möchten die Feierlichkeiten auch nutzen, um
Foto: Eberhardt/kiz

                                                 50 Jahren die jüngste Landesuniversität.             uns bei allen Partnern zu bedanken, die uns auf
                                                 In diesem halben Jahrhundert hat sich die einstige   dem Weg zum 50. Geburtstag begleitet und un-
                                                 Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule        terstützt haben. Der Erfolg lässt sich an hohen
                                                 hervorragend entwickelt: Während die ersten rund     Drittmitteleinwerbungen und an hervorragenden
                                                 60 Studierenden unter beengten, provisorischen       Platzierungen in internationalen Hochschulran-
                                                 Bedingungen in der Ulmer Innenstadt lernten, ist     kings ablesen: Wir sind zum wiederholten Male
                                                 die Uni heute Teil der florierenden Wissenschafts-   die beste junge Uni Deutschlands! Mit 50 ist eine
                                                 stadt auf dem Eselsberg. Inzwischen studieren        Universität im Jugendalter. Deshalb freue ich mich
                                                 fast 11 000 junge Menschen in über 60 Studi-         darauf, die nächsten Jahre an unserer aufstreben-
                                                 engängen an unserer Universität. Rund um den         den Forschungsuniversität mitzugestalten.
                                                 Campus haben sich neben Forschungsinstituten
                                                 und Kliniken der Maximalversorgung rund 90 Un-       Ich wünsche viel Spaß beim Lesen dieser Jubilä-
                                                 ternehmen – vom Start-up bis zum Konzern – an-       umsausgabe.
                                                 gesiedelt. So wird der Ulmer Gründungsgedanke
                  Prof. Michael Weber
                                                 von der engen Verknüpfung der Grundlagenfor-
                                                 schung mit der Anwendung bis heute gelebt.           Ihr

                                                 Im Jubiläumsjahr wollen wir jedoch nicht nur in
                                                 die Vergangenheit schauen, sondern uns weiter-
                                                                                                      Prof. Dr.-Ing. Michael Weber
                                                 hin dem nationalen und internationalen Wettbe-
                                                 werb stellen. Als dynamische Forschungsuniver-
                                                 sität mit zukunftsweisenden Schwerpunkten sind
                                                 wir für künftige Herausforderungen hervorragend
                                                 gerüstet. In dieser Sonderausgabe unseres Uni-
                                                 versitätsmagazins können Sie sich sowohl über
                                                 die Universitätsgeschichte als auch über unsere
                                                 aktuellen wissenschaftlichen Schwerpunkte infor-
                                                 mieren. Weitere Einblicke bieten Vortragsreihen
                                                 im Jubiläumsjahr und vor allem auch die lange
                                                 Nacht der Wissenschaft am 21. Juli. Im Namen der
                                                 Universitätsmitglieder würde ich mich freuen, Sie
                                                 bei unseren Geburtstags-Veranstaltungen in der
                                                 Stadt und auf dem Campus begrüßen zu dürfen.

                                                                                                                             uni ulm intern 339/Februar 2017
Uniulm intern Das Ulmer Universitätsmagazin
Inhalt | 3

        Inhalt
        Campus                                                         50      A
                                                                                lternsforschung: Krebs und Demenz
                                                                               verhindern
4        Uni Ulm – 50 Jahre Wissen2:
          Ein Rückblick in Bildern                                     58      D
                                                                                enkfabrik und Impulsgeber:
                                                                               Mathematik und Wirtschaftswissenschaften
20       Wissen schafft Zukunft:
          Die Ulmer Wissenschaftsstadt
                                                                               Uni (er)leben
         Forschen & entdecken:                                        62 Glückwünsche zum 50. Geburtstag
30       Traumaforschung: Wenn Körper und Seele                       66 	Hochschullandschaft 2030:
           verletzt sind                                                       Vier wichtige Trends

36       Auf der Suche nach der Zukunfts-Batterie                      69 Uni-Präsident Prof. Weber im Interview
40       Die Geburt der Quantenphysik                                  72 	Das gibt es nur in Ulm:
                                                                               UNIkate
46        utomatisiertes Fahren in der
         A
         digitalen Stadt

Liebe Leserinnen und Leser,

wie fasst man 50 Jahre in einem Unimagazin zusammen? Wir ha-           Weiterhin widmen wir uns einigen wichtigen aktuellen Forschungs-
ben ganz tief in verschiedene Bildarchive gegriffen und einige         schwerpunkten und blicken in die „Kristallkugel“.
„Schätze“ gehoben. Wichtige, wenn auch stumme „Zeitzeugen“             Universität Ulm quo vadis? Dieser Frage nähern sich abschließend
waren auch die alten Ausgaben des seit 1971 erscheinenden Ma-          Universitätspräsident Professor Michael Weber im Interview und un-
gazins uni ulm intern, die die Redaktion in den Sommer-Semester-       ser Gastautor, der Bildungsjournalist Dr. Jan-Martin Wiarda.
ferien durchforstet hat. Anhand historischer Fotos und Anekdoten
beleuchten wir in dieser Sonderausgabe bemerkenswerte Statio-          Viele Inhalte dieser Sonderausgabe können im Laufe des Jubilä-
nen der Universitätsgeschichte. Allen aktuellen und ehemaligen         umsjahres durch eine Ausstellung zur Universitätsgeschichte sowie
Unimitgliedern, die ihre Erinnerungen mit uns geteilt haben, dan-      Beiträge auf der eigens eingerichteten und ständig „wachsenden“
ken wir an dieser Stelle recht herzlich. Mit unserem Rückblick erhe-   Jubiläums-Webseite samt Social Media-Präsenzen vertieft werden.
ben wir natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und verwei-      Zudem richtet die Ulmer Universitätsgesellschaft im Herbst ein Zu-
sen auf Autoren, die sich in ihren Werken deutlich ausführlicher       kunftsforum aus. Wir freuen uns, das Universitäts-Jubiläum mit Ih-
mit dem Werden der Ulmer Alma Mater beschäftigt haben.                 nen zu feiern!

                                                                       Ihre Redaktion

uni ulm intern 339/Februar 2017
Uniulm intern Das Ulmer Universitätsmagazin
4 | Campus

                                                 März 1964
     März 1961
                                                 Einsetzung eines                         Januar 1966
      er Arbeitskreis „Uni-
     D                                           Gründungsausschusses
     versität Ulm“ legt eine                                                               Der Ministerrat stimmt
                                                 für die Medizinische
     Denkschrift mit Argu-                                                                 dem „Bericht des
                                                 Hochschule Ulm
     menten für eine weitere                                                               Gründungsausschusses
                                                 (Vorsitzender Prof.
     baden-württembergi-                                                                   für die Errichtung der
                                                 Ludwig Heilmeyer)
     sche Universität vor                                                                  Medizinisch-Natur-
                                                                                           wissenschaftlichen
                                                                                           Hochschule Ulm“ zu
                                                                                                                            März 1966
                                                                                                                            Inkrafttreten der
                                                                                                                             „Vorläufigen Grundord-
                                                                                                                             nung der Medizinisch-
                                                                                                                             Naturwissenschaftlichen
                                                                                                                             Hochschule Ulm“

Uni Ulm – 50 Jahre Wissen2
                                          Die unerwartete Neugründung
                                          „Ulm wird nie und nimmer Universitätsstadt.“ Mit
                                          dieser Aussage von 1961 sollte der damalige
                                          baden-württembergische Ministerpräsident, Kurt
                                          Georg Kiesinger, nicht recht behalten. Denn die
                                          Ulmer ertrotzten sich ihre Universität. Erste Bemü-
                                          hungen gehen Ende der 1950er-Jahre auf die Aka-       spätere Ulmer Oberbürgermeister), Ernst Ludwig,
                                          demikervereinigung zurück: Durch eine Universi-       eine „Kampagne“ für die Neugründung. Und tat-
                                                                                                sächlich errangen die Ulmer 1962 einen Teilsieg,
                                                                                                als die Einrichtung einer Medizinischen Akademie
                                                                                                in Ulm beschlossen wurde. Die erhoffte Universi-
                                                                                                tät erhielt allerdings Konstanz. Doch die Mitglie-
                                                                                                der des Arbeitskreises blieben hartnäckig und
                                                                                                erreichten immerhin eine „Aufwertung“ der
                                                                                                geplanten Akademie zur Medizinisch-Naturwis-
                                                                                                senschaftlichen Hochschule. Als Vorsitzender des
                                                                                                Gründungsausschusses konnte Pfizer den Freibur-
                                                                                                ger Medizinprofessor und späteren Gründungs-
                                                                                                rektor Ludwig Heilmeyer gewinnen.

                                                                                                Am 25. Februar 1967 waren die Ulmer endlich am
                                                                                                Ziel: Im Kornhaus wurde die heutige Universität
                                                                                                gegründet. Unter den Festrednern war auch der
Das Bild zeigt die Gründungsprofesso-     tät erhoffte sich der Kreis um den Kaufmann Hel-      inzwischen zum Bundeskanzler gewählte Kurt
ren (v.l.): Werner Zeil, Theodor          mut Hauser neue geistige und kulturelle Impulse       Georg Kiesinger – und wurde so Augenzeuge der
Fliedner, Emil Tonutti, Rektor Ludwig     für die Donaustadt. Trotz Ankündigungen Kiesin-       unerwarteten Neugründung.
Heilmeyer, Thure von Uexküll, Ernst       gers, eine neue Landesuniversität in Konstanz
Friedrich Pfeiffer, Karl Knörr und Hans
                                          gründen zu wollen, verfolgten die „Akademiker“
Helmut Kornhuber
                                          ihren Traum unbeirrt weiter. Ein wichtiges „Sprach-
                                          rohr“ war die Vorläuferin der Südwest Presse, die     QR Code:
                                                                                                Gründungsfilm
                                          Schwäbische Donauzeitung. So wurde 1960 der
                                          „Arbeitskreis Universität Ulm“ gegründet, der
                                          einen Universitätsplan erarbeitete, und dessen
                                          Vorsitz Oberbürgermeister Theodor Pfizer über-
                                          nahm. Als „Universitätsbeauftragter“ startete der
                                          damalige Leiter des städtischen Rechtsamts (und
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Freud’scher Schreibfehler                             Reform in der Zeitkapsel?
Bis heute ist die Uni Ulm die jüngste Landesuni-      Die Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hoch-
versität. Trotzdem besann man sich bei der Grün-      schule in Ulm wurde als Reformuniversität gegrün-
dungsfeier auf akademische Traditionen: Im her-       det. Das Konzept umfasste eine enge Verknüpfung
melinbesetzten Talar nahm Gründungsrektor Pro-        der Naturwissenschaften mit der klinischen For-
fessor Ludwig Heilmeyer die goldene Amtskette         schung, was auch ins Bauliche als „Uni unter
von Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger entge-       einem Dach“ übersetzt werden sollte. Weiterhin
gen. Und auch die Leitidee der Uni „Sciendo –         wollte man das Medizinstudium auf 12 Semester
Docendo – Curando“ , zu deutsch „durch Wissen,        verkürzen und ein praktisches „Internatsjahr“
Lehren und Heilen (nützen wir)“, prangt bis dato      integrieren. An der Universitätsklinik sollte darü-
in lateinischer Sprache auf dem „Logo“ der Uni-       ber hinaus eine Departmentstruktur eingeführt
versität.                                             werden: An der Spitze einer Klinik steht demnach
                                                      nicht länger ein Ordinarius, vielmehr wirken Abtei-
In ihrem Buch zur Universitätsgründung „Sag nie-
                                                      lungen unterstützt von Sektionen und übergrei-
mals nie“ berichtet die Ulmer Journalistin Barbara
                                                      fenden zentralen Einrichtungen zusammen. Ein-
Schäuffelen von einem „Freud’schen Verschrei-
                                                      nahmen aus der Behandlung von Privatpatienten
ber“ bei der Gründungsfeier: Hinter dem Redner-
                                                      sollten in einen gemeinsamen Topf fließen und
pult hatte man eben jene Bildmarke inklusive
                                                      aufgeteilt werden. Für diesen Reformkurs gab es
„Wahlspruch“ aufgehängt, doch „Curando“ war
                                                      viel Lob – sogar aus Harvard. Und auch Grün-
mit zwei „r“ geschrieben und ließ fast weniger ans
                                                      dungsrektor Heilmeyer war offenbar so angetan,
Heilen (curare) als ans Laufen beziehungsweise
                                                      dass er nach seiner Wahl einen Schwur auf die
Jagen (currere) denken. „Und eine Hatz war es in
                                                      Denkschrift der Universität Ulm leistete – und
der Tat, bis die Ulmer ihre Uni endlich hatten“,
                                                      Gleiches von berufenen Professoren erwartete.
schreibt Schäuffelen.
                                                      Nach einem Bericht der Schwäbischen Zeitung
                                                      soll er sogar die Vergrabung des Modells der
                                                      „modernsten Medizinisch-Naturwissenschaftli-
                                                      chen Hochschule Europas“ in einer 5000 Jahre
                                                      haltbaren Zeitkapsel im Schlosspark Osakas in
                                                      Japan veranlasst haben. Allerdings soll sich die
                                                      Aktion anlässlich der Weltausstellung im Herbst
                                                      1970 zugetragen haben, und Heilmeyer starb
                                                      bereits 1969 bei einem Badeunfall. Wie dem auch
                                                      sei, eine „Schatzkarte“ liegt der heutigen Univer-
                                                      sitätsleitung leider nicht vor.

                                                      Link zum Artikel: http://t1p.de/sz

                                                                                           „SCIENDO -
                         1.1.1967
                         Übernahme der Inneren
                          Medizin und der Frau-
                                                                                           DOCENDO -
                                                                                           CURRANDO“
                          enklinik durch Universi-
                          tätsprofessoren

                                 Januar 1967
                                 Aufnahme des For-
                                  schungsbetriebes

                                      ab 1967
                                      Prof. Ludwig Heilmeyer
                                      Rektor
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             Von der Bahnhofstraße ins                           „Studentenprotest“ bei
             Ulmer Münster?                                      der Grundsteinlegung
             Die Uni Ulm und der Obere Eselsberg sind heute      Im Sommer 1969 klaffte eine riesige Baugrube auf
             eng verbunden. Doch als erste Pläne aufkamen,       dem Eselsberg. Endlich sollte die Medizinisch-
             eine Universität zu gründen, wurde der heutige      Naturwissenschaftliche Hochschule einen Neu-
             Campus vor allem als Schießplatz und Munitions-     bau bekommen. Und alle waren sie zur feierlichen
             depot der US-Army genutzt. Rektorat, Verwaltung     Grundsteinlegung am 14. Juli gekommen: Uni-
             und Bauamt bezogen also zunächst in einer           Angehörige, interessierte Bürger und natürlich
             „Baracke“ in der Bahnhofstraße Quartier (Foto:      Amts- und Würdenträger aus Stuttgart sowie dem
             unten). Weitere Provisorien umfassten vor allem     Ulmer Rathaus. Der baden-württembergische
             die ehemalige Privatklinik „Johanneum“, die als     Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger vollzog
             Keimzelle der Forschungsuniversität gilt, und das   höchstpersönlich, wenn auch nicht ganz ohne
             Kloster Wiblingen als Standort der Bibliothek.      Unterstützung, die Grundsteinlegung. Doch der
                                                                 Politprominenz schlug weniger Dankbarkeit ent-
             In Zeiten knapper Kassen war der Neubau eines
                                                                 gegen als erwartet: „Wir grüßen die Ordnungshü-
             Klinikums nicht vorgesehen, weshalb die Univer-
                                                                 ter und Freiheitsverhüter“, stand auf einem gro-
             sität die städtischen Kliniken, das Nervenzentrum
                                                                 ßen Transparent, das Unbekannte am Rande der
             Dietenbronn und weitere akademische Kranken-
                                                                 Baugrube enthüllten. Im Anekdotenbuch zum
             häuser nutzte. Das 1969 als Gästehaus erworbene
                                                                 25-jährigen Bestehen der Uni Ulm beschreibt „der
             Schloss Reisensburg war das Schmuckstück im
                                                                 Chronist“ die Panik, die sich bei den Uni-Verant-
             landesübergreifenden Immobilienportfolio der
                                                                 wortlichen einstellte: „Waren es auswärtige Stu-
             Neugründung. Die Raumsituation der jungen
                                                                 denten oder gar jene professionellen Revoluzzer,
             Hochschule inspirierte 1973 zu einem Aprilscherz:
                                                                 die von Universität zu Universität zogen, um hand-
             Warum sollte die Uni-Verwaltung nicht ins Müns-
                                                                 greifliche Proteste zu entfachen und die beste-
             ter ziehen?
                                                                 hende Ordnung zu stürzen?“ Doch der damalige
                                                                 Universitätsbauamtsleiter Walter Henrich konnte
                                                                 die erregten Gemüter beruhigen: Die Protestler
                                                                 seien seine Mitarbeiter, die nur etwas Pfeffer
                                                                 unter die Prominenz streuen und daran erinnern
                                                                 wollten, dass hier eine Hochschule für freie junge
                                                                 Menschen und keine Kadettenanstalt entstehen
                                                                 solle.

                                                                                            14.7.1969
                                                                                            Grundsteinlegung für
                                                                                            die Neubauten auf dem
                                                                                            Oberen Eselsberg

                                                                      25.2.1967
                                                                      Gründungsfeier der
                                                                      Medizinisch-Natur-
                                                                      wissenschaftlichen
                                                                      Hochschule in Ulm

                                                                                        uni ulm intern 339/Februar 2017
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                                                  Medizinstudium in drei Räumen
                                                  Etwas mehr als 60 Studierende der Medizin und
                                                  Physik haben im Wintersemester 1969/70 ein Stu-
                                                  dium an der jungen Hochschule aufgenommen –
                                                  teils unter abenteuerlichen Bedingungen. Die 50
                                                  angehenden Ärztinnen und Ärzte verbrachten ihre
                                                  ersten beiden Semester in nur drei Räumen in der
                                                  Parkstraße: „Hörsaal“, Fachbibliothek sowie ein
                                                  Raum für anatomische Präparate standen den
                                                  Studiosi zur Verfügung. Die naturwissenschaftli-
                                                  chen Fächer wurden zudem in den Laboren der
                                                  staatlichen Ingenieurschule (heute Hochschule
                                                  Ulm) unterrichtet, und künftige Physiker paukten
                                                  in Räumen der Firma Laumayer an der Blaubeurer
                                                  Straße. Teile des Studiums mussten sogar an
                                                  anderen Landesuniversitäten absolviert werden.
                                                  Um Einblicke in klinische Fächer wie Neurologie
                                                  und Orthopädie zu bekommen, fuhr der erste
                                                  Medizinerjahrgang auch schon einmal busweise
                                                  in die umliegenden Krankenhäuser. Trotzdem
Der Grundstein kann übrigens noch heute von der   oder gerade aufgrund dieser Umstände sind die
Anatomischen Lehrsammlung im Uni-Forum aus        Pioniere von einst ihrer Alma Mater eng verbun-
betrachtet werden.                                den und kamen zahlreich zum Alumni-Treffen im
                                                  Sommer 2015. Darunter war auch der Crailsheimer
                                                  Facharzt für Pädiatrie und Allgemeinmedizin, Dr.
                                                  Hans-Paul Kienzle, der mit als erster das Medizin-
                                                  studium an der Uni Ulm erfolgreich abgeschlos-
                                                  sen hatte. „In den Anfangsjahren war zwar vieles
                                                  provisorisch, doch bei nur 52 Studienanfängern
                                                  haben wir ein hervorragendes Betreuungsverhält-
                                                  nis genossen“, so der heute 66-Jährige.

                                                         WS 1969/1970
                                                         Aufnahme des Lehrbe-
                                                                                            ab 1970
                                                         triebes in den Fächern
                                                         vorklinische Medizin               Prof. Helmut Baitsch
                                                         und Physik                         Rektor                            WS 1970/1971
                                                                                                                              Aufnahme des Lehr-
                                                                                                                              betriebes im Fach
                                                                                                                              Mathematik

                                                  Das Bild zeigt Hans-Paul Kienzle 1975 (3. v.l.) mit seinen   Dr. Hans-Paul Kienzle
                                                  Kommilitonen Gerhard Bullinger, Ulrich Bloching, und         beim Alumni-Treffen 2015
                                                  Helmut Volz (v.l.) bei der Staatsexamensprüfung im Fach
                                                  Neurologie bei Prof. Hans Helmut Kornhuber (links)

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                               Umzug auf den Eselsberg                             Überleben im Ulmer Zelt
                               Im Sommer 1971 wurden die ersten Gebäude auf        Die erfolgreiche Verbindung von medizinischer
                               dem Oberen Eselsberg fertig, und zwei bis drei      Forschung und Krankenversorgung brachte der
                               Jahre später konnten die als „Betriebsstufen A      Neugründung bereits Anfang der 1970er-Jahre
                               und B“ bezeichneten Abschnitte mit insgesamt        weltweit positive Schlagzeilen ein. Dem jüngsten
                               43 000 Quadratmetern Hauptnutzfläche von den        Gründungsprofessor und späteren Rektor, Profes-
                               mittlerweile rund 150 Studierenden bezogen wer-     sor Theodor Fliedner, war es gelungen, die mit
                               den.                                                einem schweren kombinierten Immundefekt
                                                                                   geborenen Rohringer-Zwillinge in einer keimfreien
                               In unmittelbarer Nachbarschaft war die DRK-Blut-
                                                                                   Umgebung zu behandeln. Die Jungen wuchsen
                               spendezentrale entstanden, und bald tat sich in
                                                                                   zweieinhalb Jahre lang im eigens entwickelten
                               Nachbarschaft der Universität die damals größte
                                                                                   „Ulmer Zelt“ auf, bevor ihnen Thymusgewebe ein-
                               Baugrube Süddeutschlands auf: Hier entstand
                                                                                   gepflanzt wurde und Werner zusätzlich eine Kno-
                               das Bundeswehrkrankenhaus mit einem unterirdi-
                                                                                   chenmarkspende seiner Mutter erhielt. Noch im
                               schen Schutzbunker für rund 2000 Menschen.
                                                                                   Zelt wurde die Darmflora von Erwin und Werner
                               Heute umfasst die Nutzfläche der Uni Ulm auf dem    aufgebaut – ein einzigartiges Experiment, das
       H                       Eselsberg übrigens rund 125 000 Quadratmeter.       gelang. Sie konnten daraufhin die „Plastikwelt“
           H
                                                                                   verlassen. Erwin starb sechs Monate später an
                                                                                   einer viralen Lungenentzündung, doch Werner
                                                                                   entwickelte sich normal. In jedem Fall wurde die
                                                                                   Behandlung der Zwillinge ein wichtiges Kapitel
                                                                                   der Erfolgsgeschichte „Forschungsuniversität
                                                                                   Ulm“. Übrigens tragen noch weitere medizinische
                                                                                   Innovationen den Namen der Donaustadt: Vom
                                                                                   Ulmer Notfallkoffer über die Ulmer Zuckeruhr bis
                                                                                   zum Ulmer Fass …

                                             SS 1972		                 SS 1973		                 WS 1973/1974
                                                                       Fertigstellung der        Aufnahme des                   April 1974
                                             Aufnahme des
                       WS 1971/1972          klinischen Studiums
                                                                       Betriebsstufe A           Lehrbetriebes im               Fertigstellung der
                       Aufnahme des                                                              Fach Biologie                  Betriebsstufe B
                                             Medizin
 Juli 1971             Lehrbetriebes
 Belegung der ersten   im Fach Chemie
 Gebäude auf dem
 Oberen Eselsberg

                                                                                            QR Code:
                                                                                            Rohringer Zwillinge

                                                                                                                  uni ulm intern 339/Februar 2017
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Leibesübungen für die Zahnmedizin                       Willi Wacker will’s wissen
Mathematik, Chemie, Biologie oder der seiner-           Eine Hochburg des Studierendenprotests war Ulm
zeit deutschlandweit einmalige, 1977 gestartete         nie. Doch das Hochschulgesetz von 1978 stieß auf
Studien­gang Wirtschaftsmathematik  … das               vehemente Ablehnung, sah es doch die Abschaf-
Fächerspektrum der Universität Ulm wuchs stetig.        fung der Verfassten Studentenschaft vor. Dadurch
Besondere körperliche Anstrengungen musste der          wurde nämlich der Allgemeine Studierendenaus-
ehemalige Rektor Professor Ernst Friedrich Pfeiffer     schuss (AStA) zum Ausschuss des großen Senats
offenbar für die Einrichtung der Zahnmedizin auf        degradiert und hatte kein politisches Mandat
sich nehmen – wie er selbst im Anekdotenbuch            mehr. Aus Protest stellten die angehenden Akade-
beschreibt. Die Universität hatte sich dieses Fach      miker den Hund Willi Wacker bei den Gremien-
zum zehnjährigen Bestehen gewünscht, doch               wahlen im Sommer 1979 auf. Tatsächlich vereinte
Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger verwehrte          der Vierbeiner sensationelle 40 Prozent der Stim-
den Ulmern das erhoffte Geburtstagsgeschenk.            men auf sich. Die Verfasste Studentenschaft
Am Rande des Festaktes erzählte Pfeiffer dem            konnte natürlich auch der wackere Willi nicht
Landesvater von seinem Fitnessprogramm, das er          zurückbringen, doch die angehenden Akademiker
der kanadischen Luftwaffe abgeschaut hatte: Die         wussten sich anderweitig zu helfen: Für mehr poli-
Piloten waren so durchtrainiert, dass sie               tisches Mitspracherecht gründeten sie den unab-
„Sprungliegestützen“ vollführen konnten. Anders         hängigen Studierendenausschuss (UStA) – der
als bei normalen Liegestützen schnellt man dabei        personell mit dem AStA identisch war – als einge-
von der Matte in die Höhe und klatscht sich mit         tragenen Verein. Bis zur tatsächlichen Wiederein-
den Händen an die Brust. Solche sportlichen             führung der Verfassten Studierendenschaft sollte
Höchstleistungen traute Filbinger dem Rektor            es noch bis 2013 dauern.
offenbar nicht zu und schloss eine folgenschwere
Wette ab: Sollte Professor Pfeiffer die Sprunglie-
                                                        Deutsch-norwegisches Skispringen
gestütze vorführen können, bekommt Ulm die
gewünschte Zahnmedizin. Und was soll man                In den 1970er-Jahren stand ein Medizinstudium
sagen? Im Wintersemester 1982/83 wurde die              an deutschen Universitäten bei jungen Norwegern
Zahnklinik eingeweiht und der Lehrbetrieb mit 27        hoch im Kurs. Mit den Skandinaviern kam eine
Studierenden aufgenommen.                               studentische Tradition nach Ulm, die sich bis in
                                                        die 1980er-Jahre großer Beliebtheit erfreute: Das
                                                        Internationale deutsch-norwegische Skispringen.
                                                        Unterhalb der heutigen Mensa-Süd wurde im Win-
                                                        ter 1977 erstmals eine Schanze errichtet, von der
                                                        aus die Hobbysportler durch die Lüfte flogen –
                                                        gerne auch verkleidet. Nach und nach kamen
                                                        Disziplinen wie „Badewannenweitflug“ und als
                                                        Training fürs Nabada ein winterliches Schlauch-
                                                        bootrennen hinzu.

                                                      ab 1975
                                                      Prof. Ernst Friedrich Pfeiffer
                                                      Rektor
                                                                        WS 1977/1978
                                                                        Aufnahme des Lehr­
                                                                        betriebes im Fach
                                                                        Wirtschaftsmathematik

                                                                                       1.1.1978
                                                                                       Die Universität wird
                                                                                       rechtsfähig

                                                                                             ab 1979
                                                                                             Prof. Detlef Bückmann
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                                                                                             Rektor
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                                Uniklinik: Richtfest mit                              Grüne Oase auf dem Campus:
                                Gründungs­tier                                        der Botanische Garten
                                Am 1. Januar 1982 schlug die Geburtsstunde des        Eine grüne Oase auf dem Campus ist der Botani-
                                Universitätsklinikums Ulm – und „Gründungstier“       sche Garten der Universität Ulm. Er ist Naherho-
                                wurde ein betagtes Nashorn. Als Vorhut des Kran-      lungsgebiet für die Stadt und dient der Uni
                                kenhauses der Maximalversorgung baute man zu          zugleich als Bildungs- und Forschungsstätte. Dass
                                dieser Zeit die Universitätsklinik für Innere Medi-   auf dem alten Schießplatz heute Bäume, Blumen
                                zin auf dem Eselsberg. Mit dem benachbarten           und Kräuter gedeihen, ist nicht nur dem Engage-
                                Bundeswehrkrankenhaus und dem damaligen               ment der Initiatoren und Unterstützer zu verdan-
                                Rehabilitationskrankenhaus Ulm sollte der Neu-        ken, sondern auch einem eher zufälligen bauli-
                                bau einen Verbund bilden und später durch eine        chen Umstand geschuldet. So konnte Anfang der
                                neue chirurgische Uniklinik ergänzt werden. Doch      80er-Jahre mit dem Aushub für den Bau der Klinik
                                bei den Bauarbeiten gab es einen Überraschungs-       für Innere Medizin der Südost-Hang zum Lehrer Tal
                                fund: Im Boden schlummerten 20 Millionen Jahre        modelliert und das „Tälchen“ in seiner ursprüngli-
                                alte Fossilien, darunter ein beinahe vollständiges    chen Form wiederhergestellt werden. Hiermit
                                Nashorn-Skelett. Eine hölzerne Nachbildung des        wurde sozusagen das Fundament für den 1981 von
                                Gründungstiers aus dem Miozän wohnte im Sep-          der Landesregierung genehmigten Lehr- und For-
                                tember 1982 dem Richtfest der Klinik für Innere       schungsgarten gelegt. Mit seinen 28 Hektar
                                Medizin bei. Und schließlich wurde eine Nashorn-      gehört der Botanische Garten nicht nur zu den
                                Wetterfahne auf dem Dach der 1988 übergebenen         größten Universitätsgärten, sondern hat mit sei-
                                Klinik montiert. Die Chirurgie sollte erst 2012 auf   nen Tropenhäusern, dem Bauern- und Rosengar-
                                den Eselsberg ziehen und etliche Unikliniken ver-     ten, dem Arboretum und dem Apothekergarten
                                bleiben bis heute auf dem Michelsberg.                zudem zahlreiche botanische Attraktionen vorzu-
                                                                                      weisen, die sich auch bei den Ulmer Bürgern gro-
                                                                                      ßer Beliebtheit erfreuen. Vor Kurzem entstand
                                                                                      eine weitere ökologische Kostbarkeit, die Wissen-
                                                                                      schaftler und Besucher gleichermaßen fasziniert:
                                                                                      das Farntal.

                                                                                                                          10.10.1983
                                                                                                                          Fertigstellung der
                                                                                                                          Baustufe C 1

                                                                                                   WS 1982/1983
                                                                                                   Aufnahme des Lehr­
                                                   1.1.1982                                        betriebs im Fach
                                                   Bildung des Universitäts­                       Zahnmedizin
                                                   klinikums Ulm

  30.1.1979
  Inkrafttreten der   30.9.1980
  Grundordnung        Teilweise Fertigstellung
                      der Baustufe C 1

                                                                                                             uni ulm intern 339/Februar 2017
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                                                          Eine Schreibmaschine als „Keim­
                                7.9.1987
                                                          zelle“ der Geisteswissenschaften
                                Regierungserklärung
                                des Ministerpräsidenten   Auf einer alten, eingerosteten Olympia-Schreib-
                                zur Wissenschaftsstadt
                                                          maschine in einem abgelegenen Physik-Prakti-
                                Ulm sowie zum Ausbau
                                der Universität Ulm um    kumsraum wurde ein Stück geisteswissenschaftli-
                                Informatik und Inge­      che Universitätsgeschichte geschrieben. Aus dem
                                nieurwissenschaften
                                                          Altgerätelager hervorgekramt wurde diese 1984
                                                          für den Pädagogen und Philosophen Professor
                                                          Klaus Giel, der an der Uni Ulm mit dem Aufbau
                          3.6.1986                        eines Seminars für Pädagogik für die Lehramts-
                          Überreichung der Denkschrift    ausbildung betraut worden war. Zwei Jahre später
                          des Senats an Minister­         – die Maschine war nun ordentlich eingeschrie-
                          präsident Lothar Späth
                                                          ben – verfasste er auf dieser im Auftrag von Rektor
                                                          Professor Theodor Fliedner große Teile eines
                                                          Memorandums zur Gründung eines geisteswis-
                   6.4.1986                               senschaftlichen Bildungs-
                   Senatsbeschluss zur                    zentrums. Die Studieren-
                   Gründung des Humboldt-                 den sollten die Möglich-
                   Studienzentrums für                    keit bekommen, beglei-
                   Geisteswissenschaften
                                                          tend zu ihrem Fachstu-
                                                          dium auch in die Geis-
                                                          teswissenschaften
            18.5.1984                                     und die Philosophie
            Einweihung der                                einzutauchen. So
            Zahnklinik                                    wurde im Jahr 1986
                                                          das Humboldt-Studienzentrum
                                                          für Geistes- und Sprachwissen-
ab 1983                                                   schaften (HSZ) geboren, aus des-
Prof. Theodor Fliedner                                    sen Schoß heraus sich zudem das
Rektor                                                    1992 in die Eigenständigkeit ent-
                                                          lassene Zentrum für Sprachen und
                                                          Philologie (ZSP) entwickelte.

                                                          Unterstützt in seiner erziehungs-
                                                          wissenschaftlichen Aufbauarbeit am
                                                          Seminar für Pädagogik wurde Professor Giel übri-
                                                          gens von einer Pädagogin, die an der Universität
                                                          Ulm ebenfalls Geschichte schreiben sollte: Car-
                                                          men Stadelhofer, die spätere Wegbereiterin und
                                                          langjährige Geschäftsführerin des 1993 gegründe-
                                                          ten Zentrums für Allgemeine Wissenschaftliche
                                                          Weiterbildung (ZAWiW). Der Praktikumsraum, in
                                                          dem die alte Schreibmaschine stand, wurde somit
                                                          zur „Keimzelle“ für gleich drei erfolgreiche univer-
                                                          sitäre Einrichtungen, die sich jeweils aus einer
                                                          fachlichen Nische heraus einen festen Platz im
                                                          öffentlichen Bewusstsein der Universität und der
                                                          Stadt erarbeitet haben. Damit fanden nun die
                                                          Sprachwissenschaften, die Philosophie und Päda­
                                                          gogik an der Uni Ulm eine kleine aber feine Hei-
                                                          mat, heute unter einem Dach zusammengeführt
                                                          im Department für Geisteswissenschaften.

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                                                                                          „Baggerbiss“ für die Uni West
                                                                                          Mit einem „Baggerbiss“, unter fachkundiger
                                                                                          Anleitung ausgeführt von Rektor Professor Theo-
                                                                                          dor Fliedner persönlich, feierte die Universität
                                                                                          Anfang April 1990 den offiziellen Baubeginn der
                                                                                          Universität West. Während Fliedner – als „Gene-
                                                                                          ralzeitnehmer“ des universitären Fortschritts –
                                                                                          eigens für diesen Job mit einem vergoldeten
                                                                                          Schutzhelm samt knallroter Weckeruhr ausgerüs-
                                                                                          tet wurde, erhielten die ingenieurwissenschaftli-
                                                                                          chen Professoren vom Staatlichen Hoch- und
                                                                                          Universitätsbauamt Ulm mit Fahnen bestückte
                                                                                          vergoldete Positionsstangen. Ob diese von den
                                                                                          Ingenieuren nun als Orientierungshilfe im noch
                                     Hoher Besuch in der                                  unbebauten Gelände eingesetzt werden sollten
                                     Wissenschaftsstadt                                   oder zur späteren Reviermarkierung, ist aller-
                                                                                          dings nicht überliefert. Sollten sich doch sieben
   Film über die                     Am 14. September 1988 stattet Bundeskanzler          „elektrotechnische“ Abteilungen den dort für 155
   Wissenschaftsstadt                Helmut Kohl der Universität Ulm und dem damali-      Millionen DM entstehenden 13 000 Quadratme-
   http://t1p.de/                    gen Rektor Professor Theodor Fliedner einen vier-    ter großen Gebäudekomplex teilen.
   wissenschaftsstadt
                                     stündigen Besuch ab. Kohl lobt dabei die damals
                                                                                          Zweieinhalb Jahre später – zur offiziellen Einwei-
                                     noch junge Ulmer Wissenschaftsstadt als ein
                                                                                          hung – war auf dieser Baustelle ein eindrucksvol-
                                     „Stück Übermorgen“, das man unter die Leute
                                                                                          ler Neubau entstanden; ein farbenfroher, lichthel-
                                     bringen müsse, weil hier die Zukunft mit Händen
                                                                                          ler und sehr ungewöhnlich konstruierter Holzbau,
                                     zu greifen sei. Die Grundidee: im Umfeld der Uni
                                                                                          dessen Pläne aus der Feder des Architekten Pro-
                                     siedeln sich auf dem Eselsberg forschungsstarke
                                                                                          fessor Otto Steidle und seines Münchner Büros
                                     Unternehmen und Start-ups an. Von der Vernet-
                                                                                          stammten. Mit der – von den Studierenden später
                                     zung universitärer Grundlagenforschung und
                                                                                          liebevoll „Villa Kunterbunt“ genannten – Uni West
                                     anwendungsbezogener Industrieforschung soll-
                                                                                          bekam die Universität nicht nur ein vielfach aus-
                                     ten dabei nicht nur Großunternehmen, sondern
                                                                                          gezeichnetes architektonisches Wahrzeichen,
                                     auch der Mittelstand profitieren. Rief diese „pro-
                                                                                          sondern auch ein neues akademisches Weltbild,
                                     vokative“ Vision in den Gründerjahren der Wissen-
                                                                                          das eine vorläufige Abkehr darstellte von der
                                     schaftsstadt Mitte der 80er-Jahre noch enormen
                                                                                          „Alles unter einem Dach“-Philosophie des
                                     Widerstand hervor, wird der enge Austausch zwi-
                                                                                          ursprünglichen Reformkonzeptes. Und im „Beton-
                                     schen Wissenschaft und Wirtschaft heute mit
                                                                                          zeitalter“ setzte der flach gebaute, intensiv durch-
                                     großer Selbstverständlichkeit gelebt. Übrigens
                                                                                          grünte und ökologisch konzipierte Holzbau mit
                                     dauerte es kein halbes Jahr, bis Helmut Kohl wie-
                                                                                          seinen angrenzenden ausgedehnten Biotopen
  21.6.1988                          der zu Gast an einer Einrichtung der Universität
                                                                                          zudem einen besonderen Akzent. Dem ursprüngli-
  Einweihung der                     Ulm war. Gemeinsam mit dem französischen Prä-
                                                                                          chen Auftrag des Architekten, die Arbeitsfreude,
  Medizinischen Klinik               sidenten François Mitterand traf er sich im Früh-
  der Universität
                                                                                          Entdeckerlust und Kreativität der Wissenschaftler
                                     jahr 1989 zum 65. deutsch-französischen Gipfel
                                                                                          herauszufordern und zu fördern, ist der Neubau
                                     auf Schloss Reisensburg in Günzburg.
                                                                                          jedenfalls gerecht geworden. Davon ließen sich
                                                                                          auch die später zugezogenen Informatiker und
          1.10.1989                                                                       Psychologen wissenschaftlich beflügeln, um wel-
          Inkrafttreten der Grund-                                                        che die Fakultät in den Folgejahren erweitert
          ordnungsänderung mit
                                                                                          wurde.
          Neuordnung der Fakul-
          tätsstruktur

                                                                                             2.4.1990
                                                                                             Baubeginn Universität II
                                                                                             (Ingenieurwissenschaften)      ab 1991
                                                                                                                            Prof. Wolfgang Pechhold
                                                                                                                            Rektor

                                                                                                                  uni ulm intern 339/Februar 2017
Campus | 13

Heimat der Musen
Kunstpfad und Musisches Zentrum
Mit dem Ausbau der Universität und der Entste-                                                                   2.2.1995
hung der Wissenschaftsstadt wird zunehmend                                                                       Die letzten Institute
Wert gelegt auf die künstlerische Belebung des                                                                   beziehen das neue
Uni-Lebens. Gestalt gewinnt diese Idee mit dem                                                                   Gebäude der Uni West

„Kunstpfad“, der von Professor Caius Burri und
der von ihm gegründeten Kunststiftung pro arte
vorangetrieben und im September 1990 mit politi-
scher Prominenz eröffnet wurde. Nachdem bereits
in den 70er-Jahren erste Kunstwerke in und um die     Feueralarm!
Universität herum eine feste Heimstätte gefunden
                                                      Doch auch von Unglücken blieb die Universität
hatten, zogen über das „Kunst am Bau“-Programm
                                                      Ulm nicht verschont. So kam es am Abend des 29.            ab 1995
des Landes Baden-Württemberg drei Großplasti-
                                                      November 1999 im Festpunkt O26 zu einem Brand.             Prof. Hans Wolff
ken auf den Campus, darunter Max Bills „Drei                                                                     Rektor
                                                      Das Feuer, ausgebrochen auf dem 4. Niveau im
Bildsäulen“ und Niki de Saint Phalles „Der Dichter
                                                      Praktikumsraum Chemie, entwickelte sich in kür-
und seine Muse“. Heute zieht sich der 1,5 Kilome-
                                                      zester Zeit zu einem Großbrand. 250 Einsatzkräfte
ter lange Rundweg mit 58 Kunstwerken aus den
                                                      waren bei den Löscharbeiten im Einsatz, doch
Werkstätten renommierter zeitgenössischer
                                                      Menschen kamen glücklicherweise nicht zu Scha-
Künstler und junger Nachwuchstalente quer über
                                                      den. Neben den Verheerungen am Brandort gab
den Universitätscampus.
                                                      es in den darunter liegenden Etagen beträchtliche
                                                                                                           1.10.1993
Und auch die anderen Musen sollten auf dem            Löschwasserschäden. Den Räumen des Universi-
                                                                                                           Vereinigung der Fakultä-
Campus eine Heimat finden. Mit den vier               tätsrechenzentrums darüber setzte die starke         ten für Theoretische und
gebrauchten Holzhütten, die aus dem Baubezirk         Rauch- und Rußentwicklung zu. Glück im Unglück:      Klinische Medizin zur
Biberach an die Uni Ost zogen, bekam die Musi-        die Überdruck-Klimatisierung konnte verhindern,      Medizinischen Fakultät
sche Werkstatt, wie sie damals hieß, im Juli 1991     dass die Großrechner beschädigt wurden. Der
ihre neue Heimat samt Kulturbüro, Werkstatt,          Schaden betrug insgesamt 30 bis 35 Millionen
Atelier und Musikhaus. Selbstverständlich, dass       DM. Zwar wurde bereits zehn Wochen später der
dort die Kreativen – allen voran auch Hauptinitia-    Lehrbetrieb wieder aufgenommen, und auch die
tor Altrektor Professor Helmut Baitsch – selbst mit   Mitarbeiter des Rechenzentrums fanden schnell
Hand anlegten. Aus dem ursprünglichen Provisori-      ein provisorisches Exil; jedoch sollten über zwei
um – dank der Recycling-Idee des Universitäts-        Jahre vergehen, bis die Sanierungsmaßnahmen
bauamtes betrugen die Gesamtkosten für die            abgeschlossen waren. Im Mai 2002 wurden die
Errichtung damals lediglich 150 000 DM – ist          totalrenovierten und modernisierten Praktikums-
heute das Musische Zentrum (MUZ) eine feste           räume offiziell eingeweiht.
Größe im kulturellen Leben der Universität und
                                                      Einen Schaden in ähnlicher Höhe – ebenfalls
der Stadt geworden; und zwar in allen künstleri-
                                                      mehr als 30 Millionen DM – hatte bereits zuvor die
schen Sparten: in Musik und Tanz, der Literatur,
                                                      Brandnacht am Safranberg Ende Oktober 1986
Malerei und Bildhauerei.
                                                      verursacht, deren Feuerschein weithin sichtbar
Infos zum Kunstpfad unter http://t1p.de/kunstpfad     war. Wie das Anekdotenbuch zum 25. Jubiläum
                                                      verrät, hatte ein 18-jähriger junger Mann, zuvor
Denkschrift zur MUZ-Gründung
http://t1p.de/denkschrift                             Patient des Hauses, im Mikroskopierraum im
                                                      Untergeschoss mit einer brennbaren Flüssigkeit
                                                      Akten in Brand gesetzt. Von dort aus breitete sich
                                                      das Feuer schnell im ganzen Gebäude aus. Eine
                                                      medizinisch-technische Assistentin aus dem Not-
                                                      falllabor brach sich beim Sprung aus dem Fenster
                                                      den Fuß. Da sich der Rauch des Großbrandes
                                                      rasch über den Westflügel des Hauptgebäudes
                                                      ausbreitete, mussten zudem gut 200 Patienten
                                                      aus acht Krankenstationen evakuiert werden, dar-
                                                      unter auch viele intensivmedizinisch betreute.

uni ulm intern 339/Februar 2017
14 | Campus

                        Die GUC: ein Meilenstein
                        der Internationalisierung
                        Dass die Universität Ulm mit der Universität Stutt-    Etwa 25 Jahre später ist der Anteil der Studieren-
                        gart einmal in Ägypten Pate stehen würde für die       den aus dem Ausland an der Uni Ulm auf zehn
                        Gründung einer Universität nach deutschem Vor-         Prozent gestiegen, und sogar 13,6 Prozent der
                        bild, wer hätte das gedacht? Doch genau so kam         Studierenden hatte im Wintersemester 2016/17
                        es im Oktober 2003 zur feierlichen Eröffnung der       einen ausländischen Pass. Besonders groß ist das
                        German University in Cairo (GUC). Heute studie-        Interesse der ausländischen Studierenden noch
                        ren dort rund 10 000 junge Menschen in 71 Studi-       immer am internationalen Masterstudiengang
                        enprogrammen. Als akademische Brücke zwi-              Communications Technology, der im Jahr 1998 an
                        schen Deutschland und der arabischen Welt              der Universität Ulm als erstes englischsprachiges
                        wurde die GUC zu einem Erfolgsmodell und gilt          Studienangebot ins Lehrprogramm genommen
                        bis heute als eine der größten und erfolgreichsten     wird, und auch bundesweit zum ersten Masterstu-
                        Universitäten, die im Ausland nach deutschem           diengang in der Elektrotrechnik gehört, der in
                        Vorbild lehrt. Der ägyptische Gründervater der         englischer Sprache angeboten wird. Aktuell sind
                        GUC, der Physiker Professor Ashraf Mansour, der        rund 120 junge Männer und Frauen für CT einge-
                        in Ulm promoviert und habilitiert hat, gehörte im      schrieben, die meisten davon kommen aus Indi-
                        Jahr seiner Promotion (1992) zu den wenigen            en, Bangladesh, Pakistan und Ägypten.
                        Ulmer Studierenden, die aus dem Ausland
                                                                               Enge Partnerschaften unterhält die Universität
                        kamen.
                                                                               Ulm heute nicht nur mit der GUC, sondern – geför-
                                                                               dert über die DAAD Programmlinie „Strategische
                                                                               Partnerschaften“ – auch mit der größten ägypti-
                                                                               schen Universität, der Cairo University mit ihren
                                                                               über 200 000 Studierenden, als auch mit for-
                                                                               schungsstarken Universitäten in Jinan und Nan-
                                                                               jing (China) sowie in Moskau und Krasnojarsk
                                                                               (Russland), den sogenannten U5.

                                                                                                           9.4.2003
                                                                                                           Einweihung des
                                                                                                           Klinikum-Verwaltungs-
                                                                                                           gebäudes
                                                                ab 2003
                                                                Prof. Karl Joachim Ebeling
                                                                Präsident

                                           7.11.2002
                                           Übergabe Betriebs- und
                                           Verwaltungsgebäude des
                                           Botanischen Gartens

              April 2001
              Eröffnung der Zentralen
              Universitätsbibliothek
              Oberer Eselsberg

                                                                                                      uni ulm intern 339/Februar 2017
Campus | 15

„Holz für die Uni“ – Protest gegen                    Exzellente Nachwuchsförderung:
die Verheizung von Studiengebühren                    die IGradU
Mit der Aktion „Holz für die Uni“ protestierten       Mit der International Graduate School in Molecu-
rund 800 Studierende der Universität Ulm im           lar Medicine Ulm (IGradU) punktet die Universität
Januar 2007 gegen die „Verheizung“ von Studien-       Ulm im Oktober 2007 in der zweiten Runde der
gebühren. Der damalige AStA hatte Studentinnen        Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder in
und Studenten daher aufgerufen, Holz von zu           der Förderlinie der „Graduiertenschulen“. Sie
Hause mitzubringen und der Uni-Leitung zu spen-       gehört zwar nicht in den engeren Kreis der erlauch-
den. Auch Professoren haben sich an der Aktion        ten Eliteuniversitäten, bekommt aber für die 2006
beteiligt – sie strampelten auf fixierten Zweirä-     gegründete IGradU ein ordentlichen Stück ab vom
dern öffentlichkeitswirksam für die Stromgewin-       Kuchen: nämlich jährlich eine Million Euro für die
nung per Dynamo. Andere Landesuniversitäten           ersten fünf Jahre. Freude und Erleichterung sind
zeigten sich ebenfalls solidarisch und spendeten      groß (siehe Foto links unten), als die erfolgreiche
Energie: die Universität Karlsruhe, die im Rahmen     Doktorandenschmiede 2012 für eine zweite För-
der Exzellenzinitiative zur Eliteuniversität gekürt   derphase von der Deutschen Forschungsgemein-
worden war, unterstützte die Aktion mit einer         schaft verlängert wird, und das sogar mit 1,8 Milli-
selbstironischen Ladung „Elite-Holz“. Sogar die       onen Euro pro Jahr. Zurzeit durchlaufen 248 Dok-
Mensa leistete einen kulinarischen Protest-Bei-       toranden aus 37 Ländern dieses interdisziplinär
trag und setzte ein „Holzfällersteak“ auf die Spei-   angelegte biomedizinische Promotionsprogramm,
sekarte. Kürzungen im Globalhaushalt der Lan-         das medizinische, molekularbiologische und
desuniversitäten, steigende Energiekosten und         andere naturwissenschaftliche Ansätze in der
eine Änderung im Energieversorgungsvertrag des        Doktorandenausbildung miteinander verbindet.
Landes hatten im Uni-Etat zu einer millionen-
schweren Deckungslücke bei den Energiekosten
geführt. Die Studierenden befürchteten, dass
rund eine Million an Studiengeldern indirekt in die
Heizkostenfinanzierung fließen würde.
http://t1p.de/protest

                                                                         5.10.2003
                                                                         Eröffnung der German
                                                                         University Cairo (GUC)

                                                                                                             1.10.2006
                                                                                                             Inkrafttreten der neuen
                                                                                                             Grundordnung (u. a.
                                                                                                             Zusammenlegung der
                                                                                                             Fakultät für Ingenieur-
                                                                                                             wissenschaften und der
                                                                                                             Fakultät für Informatik
                                                                                                             zur Fakultät für Inge­
                                                                                                             nieurwissenschaften
                                                                                                             und Informatik)

uni ulm intern 339/Februar 2017
16 | Campus

                               Bildungsstreik mit                                    „Fliegender Wechsel“ am Uni-
                               „eierlegender Wollmilchsau“                           Klinikum – die Chirurgie zieht um!
                               Im Rahmen der bundesweiten Bildungsstreiks in         Eine logistische Meisterleistung war am 15. Juni
                               den Jahren 2009 und 2010 engagierte sich auch         2012 der Umzug der Chirurgischen Klinik vom
                               die Ulmer Studierendenschaft mit zahlreichen          Safranberg in den Neubau Chirurgie / Dermatolo-
                               Aktionen. Dass die Aktivisten dabei nicht nur kre-    gie, akribisch geplant und vorbereitet von einer
                               ativ waren, sondern auch handwerkliches               fächerübergreifenden Projektgruppe des Uniklini-
                               Geschick an den Tag legten, zeigte sich am            kums. Für den Transport der insgesamt 118 Patien-
                               Nordeingang der Uni Ost. In unmittelbarer Nach-       ten waren 38 Fahrzeuge des Deutschen Roten
                               barschaft zu Niki de Saint Phalles Skulptur „Der      Kreuzes von 8:00 bis 12:00 Uhr unterwegs. Beson-
                               Dichter und seine Muse“ leistete die – leider nicht   ders herausfordernd war dabei der Transport von
                               ganz wetterfeste – „eierlegende Wollmilchsau“         21 Patienten unter notärztlicher und intensivmedi-
                               ästhetischen Widerstand gegen die damalige            zinischer Begleitung. Während am Safranberg um
                               Hochschulpolitik. Aufs „Horn“ genommen wurden         11:00 Uhr die letzte Operation beendet wurde,
                               damit die von der Landesregierung im Sommerse-        gingen in der Neuen Chirurgie in der Albert-Ein-
                               mester 2007 eingeführten Studiengebühren sowie        stein-Allee eine halbe Stunde später die Ärzte in
                               die Auswirkungen der 1999 beschlossenen Bolog-        den nagelneuen Operationssälen ans Werk. An
                               na-Reform, in deren Folge europaweit auf Bache-       der Mammutaufgabe beteiligten sich neben zahl-
                               lor- und Masterstudiengänge umgestellt wurde.         reichen Klinikmitarbeitern über 100 Mitarbeiter
                               Kritisiert wurden von den studentischen Aktivis-      des DRK. Und auch die Polizei und das Technische
                               ten nicht nur die starke Verschulung und die ext-     Hilfswerk waren bei der Absicherung der Patien-
                               rem hohe Prüfungsbelastung in den reformierten        tenkonvois im Einsatz.
                               Studiengängen. Auch die geringe Wahlfreiheit
                                                                                     Dass dabei die Sicherheit der Patienten im Mittel-
                               und die restriktive Zulassung zum Masterstudium
                                                                                     punkt stand, versteht sich von selbst. Bei der
                               war Gegenstand des Protestes. Und wofür steht
                                                                                     abgebildeten rasanten Bettenfahrt, mit der Klini-
                               sie nun, die „eierlegende Wollmilchsau“? Viel-
                                                                                     kumsfotograf Heiko Grandel den fliegenden Wech-
                               leicht für all die unrealistischen Erwartungen der
                                                                                     sel am Universitätsklinikum in Szene gesetzt hat,
      15.6.2012                Politik und Wirtschaft, die an die Studierenden in
                                                                                     handelte es sich natürlich um eine Leerfahrt ganz
      Umzug der Chirurgie in   den neuen, vermeintlich arbeitsmarktoptimierten
                                                                                     ohne Patient. Übrigens bietet der rund 240 Millio-
      den Neubau auf dem       Studiengängen herangetragen wurden?
      Eselsberg                                                                      nen Euro teure Neubau Raum für 235 Normalpfle-
                                                                                     ge- und 80 Intensivbetten. In den 15 OP-Sälen
                                                                                     werden jährlich rund 20 000 ambulante und stati-
                                                                                     onäre Operationen durchgeführt. Nach einer Bau-
                                                                                     zeit von vier Jahren konnte das neue Klinikgebäu-
                                                                                     de etwa einen Monat vor dem Umzug feierlich
                                                                                     eröffnet werden. Zwar fiel die mediale Berichter-
                                                                                     stattung zum Neubau aufgrund von Finanzie-
                                                                                     rungsproblemen und Baumängeln teilweise recht
                                                                                     kritisch aus, doch blieben dem Gebäude und sei-
                                                                                     nen Schöpfern (Architekt: Jürgen Engel) die Lor-
                                                                                     beeren nicht verwehrt. So wurde die „Neue Chirur-
                                                                                     gie“ unter anderem rund ein Jahr später mit einem
                                                                                     Architekturpreis für herausragende Gesundheits-
                                                                                     bauten ausgezeichnet und genießt auch in der
                                                                                     Medizin hohes Ansehen als Vorzeigemodell.

                                                                                     Weitere Informationen zum Umzug
                                                                                     http://www.uniklinik-ulm.de/news/article/1119/
                                                                                     wir-sind-da.html

                                                                                     Weitere Bilder von Heiko Grandel aus
                                                                                     der Fotoserie zum Umzug
                                                                                     http://grandel-werbefotografie.de/portfolio/
                                                                                     chirurgen-auf-der-baustelle

                                                                                                            uni ulm intern 339/Februar 2017
Campus | 17

„Nabada auf dem Eselsberg“
Beim landesweiten Aktionstag Hochschulfinan-
zierung, der im Sommer 2014 unter dem Motto
„Weiter sparen heißt schließen! – Universitäten in
Not“ ausgetragen wurde, gingen neben den Stu-
dierenden auch die Hochschulleitungen auf die
Straße. In Ulm trugen unter anderem Präsident
Professor Karl Joachim Ebeling und Kanzler Dieter
Kaufmann den Protest eigenhändig in die Stadt-
mitte und warnten dort unter dem Motto „Nabada
auf dem Eselsberg“ davor, dass die Universität
Ulm baden geht, wenn die Grundfinanzierung für
die Hochschulen nicht inflationsgemäß erhöht
würde. Initiiert wurde der Aktionstag, an dem sich
alle Universitäten in Baden-Württemberg beteiligt
hatten, von der Landesrektorenkonferenz höchst-
selbst. An der Universität Hohenheim wurde bei-          Neue Heimat für die
spielsweise mit Vorlesungen in der Straßenbahn           Batterieforschung
auf die dramatische Raumnot hingewiesen. Dass
                                                         Mit der feierlichen Übergabe des Neubaus Ende
die Landesregierung die Botschaft verstanden
                                                         Oktober 2014 erhält das 2011 gegründete Helm-
hatte, zeigte sich im Januar 2015 bei der Novellie-
                                                         holtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energie-
rung des Hochschulfinanzierungsvertrags. Die
                                                         speicherung (HIU) eine neue Forschungsstätte.
grün-rote Landesregierung erhöhte dabei nicht
                                                         Mit seiner metallisch glänzenden Fassade und
nur die Grundfinanzierung der Landesuniversitä-
                                                         seiner schnittig-kompakten Form ist das 12 Millio-
ten, sondern sagte den Hochschulen zugleich die
                                                         nen Euro teure Gebäude, das zu 90 Prozent vom
Übernahme steigender Energiekosten zu.
                                                         Bund und zu zehn Prozent vom Land Baden-Würt-
                                                         temberg finanziert wurde, nicht nur ein echter
                                                         Blickfang, sondern auch ein würdiges Zuhause für
                                                         die außeruniversitäre Forschungseinrichtung auf
                                                         dem Campus. Die hochmoderne Laborinfrastruk-
                                                         tur und die 2400 Quadratmeter an Platz für Labore
                                                         und Büros sind – unter dem Vorzeichen der Ener-
                                                         giewende – allesamt der Batterieforschung gewid-
                                                         met. Die vier HIU-Partner nutzen den Neubau
                                                         gemeinsam. Nun arbeiten Wissenschaftlerinnen
                                                         und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für
                                                         Technologie (KIT) und der Universität Ulm mit Bat-
                                                         terieforschern des Deutschen Zentrums für Luft-
An vorderster Front: Der damalige Präsident Prof. Karl   und Raumfahrt (DLR) und des Zentrums für Son-
Joachim Ebeling (links) mit Uni-Kanzler Dieter Kauf-     nenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-
mann (rechts), flankiert von Unimitgliedern              Württemberg (ZSW) unter einem Dach an der Ent-
                                                         wicklung leistungsfähiger, langlebiger und kos-
                                                         tengünstiger Energiespeicher.
                                                                                                              ab 2015
                                                                                                              Prof. Michael Weber
                                                                                                              Präsident

                                                                             31.10.2014
                                                                             Eröffnung des Helm-
                                                                             holtz-Instituts Ulm
                                                                             für Elektrochemische
                                                                             Energiespeicherung

uni ulm intern 339/Februar 2017
18 | Campus

              Beste junge Uni Deutschlands!
              Im Frühjahr 2014 wurde die Universität Ulm erst-
              mals zur besten jungen Uni Deutschlands gekürt.
              Sie landet im weltweiten Ranking „THE 150 Under
              50“ auf Rang 16. Die Rankings des britischen
              Magazins „Times Higher Education“ gehören zu
              den renommiertesten internationalen universitä-
              ren Leistungsvergleichen, und die Uni Ulm punk-
              tet dort insbesondere in den Kategorien Zitatio-
              nen, Drittmittelaufkommen und Internationalisie-
              rungsgrad. Ein Jahr später – diesmal mit Rang 15
              im selben Ranking – setzt sich die Uni Ulm wieder
              gegen die Konkurrenz aus Konstanz durch und
              wird erneut beste junge Uni Deutschlands. Im Jahr
              2016 – die Uni Konstanz feierte ihr 50. Jubiläum
              – muss sich nun Ulm zwar der Jubilarin und dem
              erstmals in dieser Kategorie antretenden KIT
              geschlagen geben, kann sich im internationalen
              Vergleich allerdings erneut verbessern.

                                    uni ulm intern 339/Februar 2017
Campus | 19

Im weltweiten Leistungsvergleich, bei dem alte      Das erfolgreiche Abschneiden der Universität Ulm
und junge Universitäten gegeneinander antreten      in internationalen Rankings sowie die hohen
– dem „THE World University Ranking“ – lag die      Drittmitteleinwerbungen und steigenden Studie-
Uni Ulm 2016 auf Rang 135. Im bundesweiten Ver-     rendenzahlen – zurzeit studieren hier fast 11 000
gleich schaffte es die Uni somit auf Platz 13 und   junge Männer und Frauen – zeigen, dass sich die
platzierte sich damit noch vor dem Karlsruher       Ulmer Alma Mater im Jubiläumsjahr und auch
Institut für Technologie (KIT), den Universitäten   darüber hinaus durchaus mit traditionellen und
Konstanz, Stuttgart, Dresden und Köln. Die Spit-    weitaus größeren Universitäten messen kann.
zenposition der Ulmer Universität bestätigt wie-    Das Forschungsprofil, geprägt von Forschungsfra-
derholt auch das QS University Ranking „Top 50      gen, die globale gesellschaftliche Herausforde-
Under 50“, bei dem die Uni seit 2013 bereits        rungen adressieren, hat in den vergangenen fünf
dreimal als beste junge Uni Deutschlands ausge-     Jahrzehnten nicht nur an Kontur und Schärfe
zeichnet wurde (2013, 2014 und 2016). Dort schla-   gewonnen, sondern zudem massiv an internatio-
gen Faktoren zu Buche wie Ansehen bei Unterneh-     naler Sichtbarkeit zugelegt. Auch wenn die Uni-
men, Betreuungsverhältnis, Zitationsleistung und    versität Ulm den Kreis der „jungen“ Universitäten
Internationalisierungsgrad.                         im nächsten Jahr formell verlassen muss, ist sie
                                                    bestens gerüstet, um zuversichtlich in die Zukunft
                                                    zu blicken.                                 ab/wt

                                                                    Literatur:
                                                                    ■ 25 Jahre Universität Ulm 1967–1992.
                                                                    Universitätsgeschichte in Anekdoten von
                                                                    Universitätsmitgliedern.
                                                                    Ulm: Universitätsverlag Ulm, 1992.

                                                                    ■ Foos, Karl: Universität Ulm.
                                                                    Die bauliche Entwicklung.
                                                                    Ulm: Klemm+Oelschläger, 2013.

                                                                    ■ Hepach, Wolf-Dieter: Die Universität Ulm.
                                                                    Lebendige Tradition Neue Horizonte.
                                                                    Ulm: Süddeutsche Verlagsgesellschaft, 2007.

                                                                    ■ Schäuffelen, Barbara: Sag niemals nie!
                                                                    Wie sich die Ulmer ihre Universität ertrotzten.
                                                                    Ulm: Süddeutsche Verlagsgesellschaft, 2003.

                                                                    ■ Stadt Ulm (Hg): 20 Jahre Wissenschaftsstadt Ulm 2006.
                                                                    Wissen schafft Zukunft. Ulm: Ebner Verlag, 2006.

                                                                    ■ uni ulm intern 1971–2016

                                                                    Bildquellen:

                                                                    Stadtarchiv Ulm, Südwest Presse, Universität Ulm, Univer-
                                                                    sitätsklinik Ulm, Vermögen und Bau Baden-Württemberg/
                                                                    Ulm, M. Duckek/Ulm

uni ulm intern 339/Februar 2017
20 | Rubrik ,Thema, Titel

                            uni ulm intern 339/Februar 2017
Rubrik ,Thema, Titel | 21

                                  Wissenschaftsstadt Ulm

                                  „Technopolis“
                                  auf dem Eselsberg
                                  Mitte der 1980er-Jahre steckte die Stadt Ulm in einer tiefen wirtschaftli-
                                  chen Krise. Da hatte Rektor Professor Theodor Fliedner die rettende Idee:
                                  Eine Wissenschaftsstadt mit forschenden Unternehmen und Instituten
                                  sollte um die junge Universität entstehen. Scharfe Kritik ließ nicht lange
                                  auf sich warten, doch mittlerweile hat sich die „Zukunftsstadt“ auf dem
                                  Eselsberg zum vielfach kopierten Erfolgsmodell entwickelt.

                                  Tag für Tag pendeln mehr als 12 500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
                                  in die Wissenschaftsstadt auf dem Oberen Eselsberg. Dazu kommen mindes-
                                  tens ebenso viele Studierende an Universität und Hochschule. Doch Anfang
                                  der 1980er-Jahre war das Gebiet um die Universität Ulm noch dicht bewaldet.
                                  Gleichzeitig beutelte ein schwerer wirtschaftlicher Einbruch die Stadt Ulm und
                                  ihr Umland: Ausgelöst durch die Ölkrise und die daraus resultierende geringe-
                                  re Nachfrage nach Baustellenfahrzeugen baute Iveco-Magirus kontinuierlich
                                  Stellen ab, und auch AEG reduzierte die Belegschaft. Von einem Tag auf den
                                  anderen standen darüber hinaus etwa 1700 Arbeitnehmer durch die Stillle-
                                  gung des Videocolor-Werks (ehemals Telefunken) auf der Straße. Kurzum: Bis
                                  1984 fielen, so schreibt der Historiker Dr. Wolf-Dieter Hepach, rund 7500 in-
                                  dustrielle Arbeitsplätze weg.
                                  In dieser Krise hatte der 1983 zum Rektor gewählte Gründungsprofessor, Theo-
                                  dor Fliedner, die zündende Idee: Eine Wissenschaftsstadt nach angelsächsi-
                                  schem und japanischem Vorbild müsste um die Uni Ulm entstehen. So sollte
                                  die in der Medizin erfolgreiche Kooperation von Grundlagenforschung und An-
                                  wendung auf andere Bereiche übertragen werden.

                                  Um die Gründung der Wissenschaftsstadt ranken sich verschiedene Mythen:
                                  Oft zitiert wird ein Spätzle-Essen im Lehrer Gasthof Engel, bei dem der dama-
                                  lige Oberbürgermeister Ernst Ludwig den AEG-Chef Heinz Dürr für den Standort
                                  Oberer Eselsberg begeistern wollte. Denn die gerade in der Daimler AG aufge-
                                  gangene AEG dachte über einen Neubau für ihre Forschungsaktivitäten nach.
                                  Weiterhin werden die Grundsteinlegung des An-Instituts für Lasertechnologi-
                                  en in der Medizin und Messtechnik (ILM) im Jahr 1985, ein Tennismatch mit
                                  anschließendem Umtrunk zwischen Ministerpräsident Späth und Dürr oder
                                  Verhandlungen des Landesvaters mit der Daimler-Benz AG über das Werk in
                                  Rastatt als Geburtsstunde gehandelt.
                                  Als gesichert gilt, dass die 1983 in einer Senatsklausur erstellte „Denkschrift
                                  Universität Ulm 2000“ rund drei Jahre später dem Ministerpräsidenten
                                  übergeben wurde. 1987 trat Lothar Späth vor die Medien und verkündete,
                                  dass die Ulmer Universität um die Ingenieurwissenschaften erweitert und
                                  in unmittelbarer Nähe Forschungszentren von Daimler beziehungsweise
                                  AEG ebenso wie außeruniversitäre Institute entstehen sollten. Zudem sei
                                  eine enge Zusammenarbeit der Uni mit der ebenfalls zu erweiternden Fach-
                                  hochschule vorgesehen. Kurz zuvor hatte man einen entsprechenden Len-
                                  kungsausschuss aus Wissenschaftlern, Industrievertretern und Amtsträgern
                                  eingesetzt, und die Wochenzeitung „Die ZEIT“ titulierte das Vorhaben als
                                  „Technopolis am Eselsberg“. 

uni ulm intern 339/Februar 2017
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