MAX PLANCK FORSCHUNG - UND JETZT ALLE! - MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT
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Ausgabe 02 | 2021 Max Planck Forschung Materialforschung Informationstechnik Umweltrecht Tuning für den Sonnenstrom Die Architektur des Quanteninternets Gerichte als Klimaschützer … und jetzt alle!
F o t o: I M AG O / image b rok e r 2 M ustergültige Team- arbeit: Tropische Weber- ameisen leben hoch in den Bäumen, wo sie große Kolonien bilden. Charak- teristisch für sie sind kunst- volle Nester aus Blättern, die sie mit der Spinnseide ihrer Larven errichten. In gemeinsamer Kraft- anstrengung ziehen zunächst einige von ihnen die Blatt- ränder zusammen. Andere Arbeiterinnen, die Seide pro- duzierende Larven in ihren Kiefern tragen, verweben anschließend die Blätter. Die kleinen Insekten sind damit ein Paradebeispiel für Zusammenhalt! Max Planck Forschung · 2 | 2021
Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Die Ameisen auf unserem Titel sind ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was sich zusammen mit anderen erreichen lässt. Aber wie konnte Zusammenhalt in der Evolution überhaupt entstehen? Schließlich erfordert das Gruppenleben immer auch Kompromisse auf Kosten des Individuums. Auf der Suche nach den Ursprüngen von Gemeinschaften lassen Forschende im Labor Evolution im Zeitraffer ablaufen. Ihr Untersuchungsobjekt: Bakterien. Die Einzeller bilden unter geeigneten Bedingungen Zellverbände, die neue Lebens- räume besiedeln und sich eigenständig weiterentwickeln können. Ist das der erste Schritt auf dem Weg zum Organismus? 3 Auch Paviane profitieren vom Leben in Gruppen. Es hilft ihnen bei der Nahrungssuche und bietet Schutz vor Feinden. Aber wer sagt der Horde eigentlich, wo’s langgeht? Neueste Ergebnisse zeigen, dass es überraschenderweise nicht die Alphamännchen sind, die die Richtung vorgeben. Zu unbestrittener Meisterschaft in puncto Zusammenhalt hat es der Mensch gebracht. Aber das Miteinander in unserer Gesellschaft wird immer wieder auf die Probe gestellt. Ein wichtiger Kitt ist Zivilcourage. Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler wollen verstehen, warum manche Menschen mehr Zivilcourage zeigen als andere und wie sich die Bereitschaft erhöhen lässt, für andere einzustehen. Auf ihrem Weg zu neuem Wissen überschreitet die Forschung immer wieder Grenzen und macht Ungesehenes sichtbar. Von dieser Ausgabe an präsentieren wir in jedem Heft ein Bilderpaar, das einen „zweiten Blick“ auf einen Forschungsgegenstand ermöglicht. Die Abbildungen stellen erstaunliche Zusammenhänge her oder lassen Vertrautes in neuem Licht erscheinen. Seien Sie neugierig. In diesem Sinn wünschen wir viel Freude beim Lesen und Staunen! Ihr Redaktionsteam Max Planck Forschung · 2 | 2021
F o t o s: D oro t h e a Plu ta ( l i n ks ob e n ), Dav id Ausse r hof e r ( r ec h ts ob e n ), VU B russe l/M ic h a e l A nsl ow ( l i n ks u n t e n ), pict u r e a l l ia nc e / x im.gs ( r ec h ts u n t e n ) 34 48 4 56 76 34 Energisch 48 Erfinderisch 56 Polemisch 76 Kämpferisch Im Ernstfall zeigen nur Majd Al-Naji will Pflanzen- In den sozialen Medien Klimaschützer gehen nicht wenige Courage, wenn sie Zeuge abfälle und Plastikmüll laufen politische Debatten nur auf die Straße, sondern eines Verbrechens werden. in Treibstoffe verwandeln. häufig aus dem Ruder. auch vor Gericht. Max Planck Forschung · 2 | 2021
Inhalt 03 | Editorial 48 | besuch bei Majd Al-Naji 06 | orte der forschung Auf dem Sprung zur grünen Chemie Der Palazzo Grifoni Budini Gattai in Florenz 54 | Zweiter Blick 08 | kurz notiert wissen aus 56 | Im Getriebe der Meinungsmaschine 16 | ZUR SACHE Politische Debatten geraten heute oftmals zur China – ein Partner im Wandel verbalen Keilerei, vor allem in sozialen Medien. Die Max-Planck-Gesellschaft pflegt seit bald Wie aber kommt es zu Polarisierung? Und 50 Jahren enge Kontakte zu China. Das Land wie funktioniert Meinungsbildung in Gruppen? hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Damit ergeben sich ganz neue 62 | Tuning für den Sonnenstrom Herausforderungen für die Zusammenarbeit. Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Das kann nur durch massiven Ausbau der Solarenergie und bessere Fotovoltaik- 24 | infografik module gelingen. Neue Materialien sollen Die Toten des ersten Corona-Jahres effizientere Anlagen ermöglichen. 5 68 | Die Architektur des iM FOKUS Quanteninternets … und jetzt alle! Die Attacken von Hackern dürften durch neue Techniken immer größere Schäden 26 | Die ganze Affenschar auf Kurs anrichten. Doch zumindest die Übertragung von Daten könnte in Zukunft sicherer BIOmax Paviane durchstreifen in großen Gruppen werden – durch Quantenkommunikation. Im Wettlauf mit dem die Savanne auf der Suche nach Nahrung. Virus – kein Impfstoff ohne Nahezu ein Jahrzehnt lang hat eine Wissen- 76 | Gerichte als Klimaschützer Grundlagenforschung schaftlerin in Kenia eine solche Horde beobachtet. Sie will verstehen, was die Ge- Die Auswirkungen der Erderwärmung zeigen meinschaft zusammenhält. sich immer deutlicher. Weltweit ziehen Klimaschützer vor Gericht, um die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen einzuklagen. 34 | Selten mutig Zivilcourage ist in einer freiheitlichen Gesell- schaft unersetzlich. Doch im Ernstfall wagen 82 | Post aus ... es nur wenige, die Opfer von Verbrechen Indien zu schützen oder sich aktiv gegen Hass und Rassismus zu stellen. Was sind Anlässe, was Bedingungen für Zivilcourage? 84 | neu erschienen 40 | Die Geburt des Kollektivs 86 | fünf fragen Wer betrügt, fliegt raus. Im Fall von Bakterien Zu Glyphosat ist das Schummeln hingegen erwünscht. Denn wenn aus Einzelzellen ein vielzelliger Organis- mus werden soll, kann zu viel Zusammenhalt 87 | impressum für die Gemeinschaft kontraproduktiv sein. Max Planck Forschung · 2 | 2021
Forschen im Piano Nobile D as Kunsthistorische Institut in Florenz (KHI) ist eine der ältesten Einrichtungen zur Erforschung der Kunst- und Archi- tekturgeschichte Italiens. 1897 als private Initiative von Gelehrten gegründet, gehört es seit 2002 mit erweitertem Forschungsprofil zur Max-Planck-Gesellschaft. Was tun, wenn das Gebäude eines solch renommierten Instituts renoviert werden soll, ohne dass der Forschungsbetrieb ein- geschränkt wird? Als das KHI im Jahr 2010 vor dieser F o t o: Bä r b e l R e i n h a r d, Ku nst h ist or isc h e s I nstit u t i n F l or e nz – M a x- Pl a nck- I nstit u t schwierigen Frage stand, kam die Idee auf, die Photothek für 6 die Dauer der Arbeiten in den Palazzo Grifoni Budini Gattai zu verlagern. Der Palast liegt im Zentrum von Florenz zwischen dem Dom und der Kirche Santissima Annunziata, in unmittel- barer Nähe zur Akademie, zur Universität und zum Institut. Trotz des Umzugs blieb so auch der räumliche Zusammenhalt wichtiger Bereiche des Kunsthistorischen Instituts gewahrt. Der Palazzo Grifoni wurde im 16. Jahrhundert im Auftrag von Ugolino Grifoni erbaut und 1890, nachdem die Familie Budini Gattai das Renaissance-Gebäude erworben hatte, neu aus- gestattet. In die um 1900 gestalteten Repräsentationsräume im Piano Nobile konnte im Jahr 2010 die Photothek in einem Raum-im-Raum-Konzept eingebaut werden, ohne dass dies die denkmalgeschützten Säle gefährdete. Jeder Quadrat- zentimeter wurde genutzt, um die Fotografien den Forschen- den auch weiterhin in Freihandaufstellung zugänglich zu machen und gleichzeitig Archivmaterialien, die Fotobibliothek sowie Arbeitsplätze und einen Vortragssaal unterzubringen. Die Photothek ist mit 620 000 Fotografien eine der wichtigs- ten Sammlungen zur Erforschung italienischer Kunst und Architektur. Bestand und Archiv sind längst selber zu For- schungsobjekten geworden. Mit Projekten, Tagungen, Work- shops und Publikationen spielt die Photothek eine Haupt- rolle in der internationalen Debatte über die Funktion von Fotoarchiven im 21. Jahrhundert. Online-Ausstellung des KHI www.mpg.de/02202101de Max Planck Forschung · 2 | 2021
EcoBus nimmt Fahrt auf Menschen effizienter und umwelt- reife gebracht und freundlicher zu befördern – mit die- vermarktet werden. ser Absicht tritt die EcoBus GmbH Die Idee ist, dass die an. Die neu gegründete Firma will Shuttles vor allem F o t o: Ec oBus Gm b H ein Ridepoolingsystem in die breite im ländlichen Anwendung bringen, das am Max- Raum gemein- Planck-Institut für Dynamik und sam mit beste- Selbstorganisation in Göttingen ent- henden Linien- wickelt wurde. In Testläufen im Jahr diensten ein Ge- 2018 konnten Fahrgäste im Harz und samtsystem bilden, Bus mit Taxifunktion: in Bad Gandersheim mithilfe des mit dem Passagiere Mit Kleinbussen EcoBus bereits ohne eigenes Auto zum Tarif des öffent- werden die Fahrgäste mobil sein. Mit Kleinbussen wurden lichen Personennah- zu Hause abgeholt sie zu Hause abgeholt und an ihr verkehrs von Tür zu und an ihr Wunschziel gebracht. Damals stand Tür fahren können. Wunschziel gebracht. das Angebot in direkter Konkurrenz Die EcoBus GmbH zum Linienverkehr, weshalb es wie- bietet ihre Leistungen allen Ver- Zwei neue der eingestellt wurde. Inzwischen hat kehrsunternehmen an und will in das Team am Max-Planck-Institut Zukunft neben der Buchung von re- Max Planck das Konzept weiterentwickelt. Die gionalen Fahrten auch längere Rei- zugrunde liegende Software soll nun sen ermöglichen. Center von der EcoBus GmbH zur Markt- www.mpg.de/17031613 Bessere Therapien von Erkrankun- gen wie Demenz oder Parkinson, aber auch leistungsfähigere Com puter und neue Verfahren der künst- 517 000 lichen Intelligenz – das sind die Ziele, die Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler am Max Planck – Uni- 8 versity of Toronto Centre for Neural Science and Technology verfolgen werden. Das Centre wurde im April 2021 in einer virtuellen Veranstal- tung offiziell eröffnet – mit Max- Planck-Präsident Martin Stratmann; Aufrufe der Videos zu Interstellar gab es bis Anfang Juli. dem Präsidenten der Universität To- ronto, Meric Gertler; der deutschen Botschafterin in Kanada, Sabine Sparwasser, und Stéphane Dion, Blockbuster auf YouTube dem kanadischen Botschafter in Deutschland. Nur zwei Monate spä- Die Zukunft ist düster, die Mensch- der Max-Planck-Gesellschaft reist ter, im Juni 2021, fiel der Startschuss heit muss die zunehmend unbewohn- der Youtuber Cedric Engels in Be- für ein weiteres Max Planck Center, bare Erde verlassen. Ein Dutzend gleitung von Silke Britzen vom das Max Planck – Radboud Univer- Astronauten macht sich daher auf die Max-Planck-Institut für Radio sity Center. Im Mittelpunkt stehen Suche nach einer neuen Heimat im astronomie und Frank Ohme vom Freie-Elektronen-Laser, die infra Weltall. Die Exkursion ist unkonven- Max-Planck-Institut für Gravitati- rotes Licht abgeben. Ihre Einsatz- tionell, denn die Wagemutigen wer- onsphysik in die fünfte Dimension möglichkeiten reichen von der Bio- den durch ein Wurmloch geschickt. und stellt Interstellar auf den physi- medizin über die Chemie und Mate- Dieses führt in eine andere Galaxie kalischen Prüfstand. Das geschieht rialwissenschaft bis zur Astrophysik. zu einem Planetensystem um ein im lockeren und erhellenden Ge- Laseranlagen dieser Art sind sehr schwarzes Loch. Mit seiner spannen- spräch – und macht den Zuschaue- aufwendig, weshalb es weltweit nur den Handlung, den wissenschaftli- rinnen und Zuschauern offenbar wenige gibt – davon je eine am chen Zutaten und der visuellen Um- Spaß: Innerhalb der ersten sieben Fritz-Haber-Institut in Berlin und an setzung wurde der Film Interstellar Wochen wurde das Video mehr als der Radboud-Universität in Nijme- nicht nur ein Publikumserfolg, son- 137 000-mal aufgerufen. Und der gen. Der Zusammenschluss der bei- dern auch mit einem Oscar ausge- erste Teil auf dem Kanal von Doktor den Einrichtungen im neuen Center zeichnet. Der Astrophysiker und spä- Whatson erreichte bisher mehr als ermöglicht einen intensiven Aus- tere Nobelpreisträger Kip Thorne 380 000 Views. tausch von Erfahrungen und neuen begleitete die Filmproduktion. Was Ideen für die Infrarotlaser. ist science? Was ist fiction? In der www.mpg.de/interstellar01 www.mpg.de/16746136 Reihe Wissen was mit Doktor Whatson www.mpg.de/interstellar02 www.mpg.de/17048390 Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Forschung in Gebärden F o t o: T h e C apt u ry Gm b H Wenn sich schwerhörige und gehör- lose Menschen wissenschaftlich aus- tauschen wollen, fehlten ihnen bis- lang für viele wissenschaftliche Be- griffe die passenden Fachgebärden. Diese Lücke schließt Sign2MINT. Das Fachgebärdenlexikon, das im Mai 2021 online gegangen ist, wurde am Max-Planck-Institut für Mikro- strukturphysik in Halle mitentwi- 9 ckelt. Es dokumentiert in Deutscher Gebärdensprache Fachgebärden aus den Bereichen Mathematik, Physik, Geowissenschaften, Chemie, Biolo- gie und Medizin. Zum Start bietet eine Datenbank 1135 Fachgebärden Virtueller Tanz: Die Motion-Capture-Technologie der als Kurzvideos an, und die Samm- Max-Planck-Ausgründung The Captury erlaubt das Erfassen und lung wächst noch weiter. Die Soft- Aufzeichnen von Bewegungen ohne Marker und spezielle Geräte. ware von Sign2MINT ermöglicht die Darstellung der Gebärden auf PCs, Tablets und Smartphones. Damit sind die Gebärdenvideos auch mobil Bewegungen – nutzbar und können in sozialen Me- dien wie Whatsapp, Facebook oder einfach analysiert Twitter geteilt werden. Ein nennens- werter Teil der Fachgebärden musste Motion-Capture-Verfahren können liche Bewegungen verfälschen kön- extra für das Lexikon von dem Team Bewegungen erfassen und aufzeich- nen. Eine am Max-Planck-Institut für Sign2MINT entwickelt werden. Das nen, um sie am Computer wiederzu- Informatik entwickelte Methode er- Projekt wird von der Max-Planck- geben, zu analysieren und weiterzu- möglicht es jedoch, Bewegungen von Förderstiftung unterstützt. verarbeiten. Die Technik wird häufig Menschen in normaler Bekleidung www.mpg.de/16890214 in Filmen eingesetzt, um animierte mit normalen Kameras aufzunehmen. Charaktere zum Leben zu erwecken. Eine spezielle Software analysiert die In Sport und Medizin lassen sich da- Bewegungen und überträgt sie auf mit Bewegungsabläufe untersuchen eine virtuelle Figur. Das 2013 in Saar- und optimieren sowie Erkrankungen brücken gegründete Unternehmen und Operationsfolgen therapieren. The Captury hat dieses Verfahren zur Herkömmliche Motion-Capture- Marktreife entwickelt und vermarktet Verfahren benötigen in der Regel es. Die US-Firma Dari Motion hat Spezialkameras sowie hautenge An- nun The Captury gekauft und wird züge mit speziellen Markern, die un- die Technik in eine breitere Anwen- angenehm zu tragen sind und natür- dung bringen. www.mpg.de/16775434 Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Brüchige Relikte: F o t o: M a rti nón -T or r e s , et a l ., 2 021 Teile des Skeletts und Das älteste des Schädels wurden in einem Erdblock aus Grab dem Kindergrab geborgen. Die Funde Afrikas wurden dann im Labor freigelegt und analysiert. Obwohl sich auf dem afrikanischen Kontinent die frühesten Hinweise auf Homo sapiens finden, sind Belege a für frühhistorische Bestattungen in Afrika sehr selten. Der Fund eines 78 000 Jahre alten Kinderskeletts am Eingang der Höhle Panga ya Saidi in Kenia war daher eine archäologische Sensation. Das Forschungsteam, da- runter Wissenschaft lerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-In- stituts für Menschheitsgeschichte, entdeckte Teile der Knochen erst- mals 2013 bei Ausgrabungen. Aber erst 2017 wurde die kleine Grube mit dem Skelett vollständig freigelegt, die detaillierte Analyse dauerte wei- tere Jahre. Demnach wurde das zwei- einhalb- bis dreijährige Kind in ge- bückter Haltung in einem flachen b Grab direkt unter dem schützenden 10 Felsüberhang am Eingang der Höhle begraben. Da der Körper auf der rechten Seite mit zur Brust gezoge- nen Knien lag, gehen die Forschen- den davon aus, dass das Begräbnis sorgfältig vorbereitet und der Körper hierfür eng umhüllt wurde. Die Posi- tion des Kopfes deutet zudem darauf hin, dass er auf einer Art Kissen ruhte. Vermutlich hat die Gemein- 0 5 cm schaft das Kind nach einer Art Ritus bestattet. www.mpg.de/16810984 Schubladendenken Ein Stuhl ist ein Stuhl ist ein Stuhl. Mäuse kategorisieren können. In des Gehirns ergaben, dass im soge- Diese scheinbar triviale Erkenntnis Verhaltensexperimenten konnten die nannten präfrontalen Kortex des und die damit verbundene Fähigkeit Tiere Streifenmuster anhand der Mäusegehirns Nervenzellen aktiv zur Kategorisierung sind unver- Breite oder der Orientierung der werden, wenn die Tiere die Streifen- zichtbar, wenn wir uns in der Welt Streifen in Kategorien einordnen. muster in Kategorien ordnen. Un- zurechtfinden wollen. Denn wenn Die Mäuse erlernten die Regel und terschiedliche Gruppen von Ner- wir bei jedem Stuhl erst wieder ler- sortierten die Muster der richtigen venzellen reagieren dabei selektiv nen müssten, dass es ein Stuhl ist, Kategorie zu. Änderten die For- auf einzelne Kategorien. Die Ergeb- wäre das natürlich sehr ineffektiv. schenden die Sortierregel, ignorier- nisse zeigen, dass nicht nur wir Forschende des Max-Planck-Insti- ten die Mäuse das zuvor Erlernte Menschen zu komplexen Denkvor- tuts für Neurobiologie in Martins- und sortierten die Bilder nach der gängen wie Abstraktion fähig sind. ried haben nun entdeckt, dass auch neuen Regel um. Untersuchungen www.mpg.de/16745001 Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Durstige Pflanzen durch viel Mönchsgrasmücken Stickstoff zieht’s auf die Insel Pflanzen leben nicht von Wasser und Bis vor 50 Jahren verbrachten Mönchsgrasmücken, die regelmäßig Kohlendioxid allein. Sie brauchen Mönchsgrasmücken den Winter in englischen Gärten gefüttert wer- auch Stickstoff und Phosphor. In meist im Mittelmeerraum. Seither den, besitzen demnach geringere welchem Verhältnis diese Nährstoffe werden die Vögel in den Wintermo- Fettreserven. Offenbar müssen sie zur Verfügung stehen, bestimmt we- naten immer häufiger auch in Groß- weniger Energie speichern, da Nah- sentlich, wie effizient Pflanzen Was- britannien und Irland gesichtet. Von rung in den englischen Gärten durch ser und Kohlenstoff nutzen. Ein in- dort treten sie den Frühjahrszug in das angebotene Futter zuverlässig ternationales Team um Forschende ihre Brutgebiete etwa zehn Tage vor vorhanden ist. Gleichzeitig sind sie des Max-Planck-Instituts für Bio- den im Süden überwinternden Art- so beweglicher und können Räubern geochemie in Jena hat festgestellt, genossen an und können so die bes- leichter entkommen. Darüber hinaus dass mehr Stickstoff alleine klein- ten Reviere besetzen. Die neue Zug- besitzen diese Tiere längere Schnä- wüchsige Pflanzen in einer halbtro- route ist wahrscheinlich die Folge der bel – vermutlich eine Folge des brei- ckenen Savanne zwar besser wachsen immer milder werdenden Winter teren Futterangebots, das ihnen ne- lässt, aber auch zu höherem Wasser- und des reichhaltigen Futterangebots ben ihrer natürlichen Insektennah- verbrauch führt. Wurden hingegen in britischen Gärten. Forschende des rung zur Verfügung steht. Und auch Stickstoff und Phosphor zugeführt, Max-Planck-Instituts für Evoluti- ihre Flügelspitzen sind runder, wuchs die Vegetation stärker und onsbiologie in Plön haben nun über- wahrscheinlich weil sie weniger mo- nahm mehr Kohlenstoff auf, benö- raschende Unterschiede zwischen bil sind als ihre Artgenossen im tigte aber nicht mehr Wasser. Dass den Vögeln, die verschiedene Win- Süden. eine unausgewogene Nährstoffbilanz terquartiere nutzen, festgestellt: www.mpg.de/16715680 11 den Durst der Pflanzen verstärkt, lässt sich unter anderem mit der un- terschiedlichen Wirkung von Stick- stoff und Phosphor auf die Spaltöff- nungen erklären. Ob das Verhältnis von Stickstoff und Phosphor auch den Wasserverbrauch von Bäumen beeinflusst, ist noch unklar. www.mpg.de/16896805 F o t o: B e n e h a ro Rodr ígu e z Mönchsgrasmücken erschließen sich neue Winterquartiere. Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Das Spike-Protein ist mit einem schlanken Löchriger Stiel an die Membran des Coronavirus ge- Schutz bunden. Die violett dargestellten Bereiche Kaum ein Protein ist je so berühmt auf der Oberfläche sind geworden wie das Spike-Protein des nicht durch Zucker- Coronavirus Sars-CoV-2. Mit dem moleküle (grün) ge- Protein, das wie ein Stachel von der schützt und daher Virusoberfläche absteht, dockt der potenzielle Angriffs- Erreger an menschliche Zellen an. stellen für Antikörper. Während an den oberen Teil des Spike-Proteins leicht Antikörper des Immunsystems binden können, sind andere Stellen des Proteins durch Zuckerketten, sogenannte Glykane, Bi l d: M PI fü r Bioph ysik / M at eusz Sikor a et a l . vor der Erkennung durch das Im- munsystem geschützt. Ein detaillier- tes Modell von Forschenden des Max- Planck-Instituts für Biophysik in Frankfurt zeigt nun, dass die Gly- kane wie ein dynamischer Schutz- Trommler schild wirken, mit dem sich das Virus dem menschlichen Immunsystem in eigener entziehen kann. Ähnlich wie die Scheibenwischer eines Autos bewe- Sache gen sich die Zuckermoleküle hin und her und bedecken so einen großen Bei vielen Tieren entscheidet die Teil der Proteinoberfläche, auch Körpergröße darüber, wie erfolg- wenn sie diese zu jedem einzelnen reich sie im Wettbewerb mit Artge- Zeitpunkt nur minimal abdecken. 12 nossen und beim Werben um Weib- Die Forschenden identifizierten Stel- chen sind. Damit es gar nicht erst zu len, die am wenigsten durch die Gly- einem möglicherweise blutigen kan-Schilde geschützt sind. Diese Kampf kommt, versuchen sie, dem bislang unbekannten Schwachstellen Kontrahenten ihre Größe unmiss- könnten zur Entwicklung von Impf- verständlich zu demonstrieren. Go- stoffen gegen neue Virusvarianten rillamännchen tun dies, indem sie genutzt werden. sich in schneller Folge mit hohlen www.mpg.de/16654091 Händen auf die Brust schlagen. Ver- mutlich wollen sie mit dem trommel- artigen Klang, der über einen Kilo- meter weit hörbar ist, konkurrierende Männchen einschüchtern und Weib- chen anlocken. Forschende des Max-Planck-Instituts für evolutio- Männlicher Berggorilla näre Anthropologie in Leipzig haben beim Brusttrommeln. im Volcanoes National Park in Ru- anda die Trommelgeräusche von Berggorillas aufgezeichnet und an- schließend die Körpergröße der Tiere gemessen. Demnach klingt das F o t o: Dia n F o ssey G or i l l a F u n d Trommeln großer Männchen tiefer als das kleiner Tiere. Gorillamänn- chen können also anhand der Trom- melschläge von Weitem die Größe ihres Kontrahenten zuverlässig ab- schätzen. Da größere Individuen do- minanter sind, können sie dann ent- scheiden, ob sich eine Auseinander- setzung lohnt. Weibchen wiederum nutzen diese Information wahr- scheinlich für die Partnerwahl. www.mpg.de/16681380 Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Lagerfeuer auf der Sonne Eine totale Sonnenfinsternis setzt Solar Orbiter kleine, hell aufleuch Strahlungsausbrüche nur jeweils we- unserem Stern die Krone auf: Um tende Regionen in der unteren Son- nige Minuten und erreichen Tempe- die abgedunkelte Scheibe herum nenkorona entdeckt. Die lediglich raturen von mehr als einer Million leuchtet dann ein diffuser Kranz. 400 bis 4000 Kilometer großen Grad – und könnten zur Koronahei- Diese Korona erstreckt sich viele Strahlungsausbrüche treten deutlich zung beitragen. Wie stark, hängt laut Millionen Kilometer ins All. Seit häufiger auf als ihre bereits bekann- Hardi Peter vom Max-Planck-Insti- Jahren rätseln die Forschenden über ten größeren Verwandten und entste- tut für Sonnensystemforschung je- die Temperatur der äußeren Sonnen- hen wie diese durch eine Art von ma- doch nicht nur von ihrer Häufigkeit hülle: Während sie auf der sichtbaren gnetischem Kurzschluss im Sonnen- ab. Ebenso wichtig sei ihr Energie Sonnenoberfläche bei rund 5500 plasma. Etwa 1500 dieser solaren anteil an der Gesamtbilanz der sola- Grad liegt, steigt sie in der Korona Lagerfeuer haben die Wissenschaft- ren Gashülle – eine Frage, die auf mehr als eine Million Grad an. lerinnen und Wissenschaftler bisher Computersimulationen beantworten Jetzt hat die europäische Raumsonde untersucht. Demnach dauern die sollen. www.mpg.de/16786850 Scharfer Blick auf die Sonne: Die Lagerfeuer (1) sind etwa 400 bis 4000 Kilometer große Bereiche in der unteren Korona, die für kurze 1 Zeit extrem kurzwelliges ultraviolettes Licht Bi l d: S ol a r Or bit e r / EU I T e am / E SA & NA SA hoher Intensität abstrahlen. Sie ent- stehen durch Kurz- schlüsse der magnetischen Feldlinien (2). 13 2 Auch Gebildete bauen ab Das menschliche Gehirn schrumpft gelegter Verlaufsstudien hat diese teilnehmenden mehr Zeit in der im Laufe des Erwachsenenalters. Annahme nun widerlegt. Das Team Schule und in weiterführenden Bil- Nach bislang vorherrschender wis- aus acht Ländern, darunter For- dungseinrichtungen verbracht haben. senschaftlicher Meinung soll jedoch schende des Max-Planck-Instituts Mit zunehmendem Alter baut das ein höherer Bildungsabschluss die für Bildungsforschung, analysierten, Hirnvolumen allerdings bei Personen Schrumpfung verlangsamen oder so- die Rolle, die Bildung beim geistigen mit höherer Bildung genauso ab w ie gar aufhalten. Eine Untersuchung Abbau spielt. Die Ergebnisse zeigen bei Menschen mit niedrigeren des EU-Konsortiums „Lifebrain“ zwar, dass einige Bereiche des Ge- Abschlüssen. auf der Grundlage mehrerer groß an- hirns größer sind, wenn die Studien- www.mpg.de/16828246 Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Verblassender Blitz: Die H.E.S.S.-Himmelskarten -8°36 ' A 20 B 5 C 3 Gr afik : H .E . S. S.- Kol l a b or ation von GRB 190829A zeigen das Abklingen des Nachglühens über die 48 ' σ σ 0 σ 0 drei Beobachtungsnächte 0 (von links). -9°00 ' -5 -5 -3 12 ' 24' 3h00m 2h59m 58m 57m 3h00m 2h59m 58m 57m 3h00m 2h59m 58m 57m Ungewöhnlicher Gammablitz Gammablitze gehören zu den gewal- aus dem Max-Planck-Institut für tigsten Ausbrüchen im Universum. Kernphysik, das Nachleuchten eines Innerhalb von wenigen Sekunden set- solchen ultraschnellen Gammabursts Computer zen sie so viel Energie frei wie die nachgewiesen. Überraschenderweise Sonne während Milliarden von Jah- ähnelt das Gammaspektrum dieses lernen, was ren. Hinter einer solchen Urgewalt GRB 190829A genannten Ereignisses steckt vermutlich der Kollaps eines dem viel energieärmeren Röntgen nicht ist massereichen Sterns zu einem spektrum. Auch das Abklingen über schwarzen Loch. Ein Teil der dabei drei Tage hinweg verlief in beiden Wenn ein Hotel keinen Aufzug bietet, freigesetzten Energie treibt eine Stoß- Spektralbereichen parallel. Bisher dürfte das für viele Gäste relevant welle an, die unter anderem Elektro- dachte man, Gamma- und Röntgen- 14 sein. Algorithmen von Buchungspor- nen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit strahlung entstünden in verschiede- talen berücksichtigen in ihren Ant- beschleunigt. Dabei zuckt ein hoch- nen Prozessen und verhielten sich un- worten auf Suchanfragen bislang je- energetischer Gammablitz auf. Mit terschiedlich. Diese Theorie scheint doch fast nur Angaben zu vorhande- dem H.E.S.S.-Teleskop in Namibia jetzt infrage zu stehen. nen Merkmalen, also etwa, dass ein haben Forschende, unter anderem www.mpg.de/16993438 Hotelzimmer über einen Balkon oder ein eigenes Bad verfügt. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Infor- matik in Saarbrücken hat nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich auch Aussagen über fehlende Eigen- schaften eines Suchobjekts machen lassen. Die Methode kann automati- siert Wissen über nicht zutreffende Merkmale für Datenbanken erzeu- gen. Entscheidend ist dabei, dass der Risikofaktoren verlieren Algorithmus unter den unzähligen negativen Aussagen, die über ein im Alter an Gewicht Objekt möglich sind, die relevanten identifiziert. Zu diesem Zweck orien- Wer raucht, an Bluthochdruck, Über- wie Demenz oder Schlaganfall ge- tiert er sich daran, ob bei gleichen gewicht und Diabetes leidet, ist nicht zeigt, dass eine Kombination mehre- Suchanfragen eine Eigenschaft ge- nur einer höheren Gefahr ausgesetzt, rer Risikofaktoren im Alter zwischen nannt wird, wenn sie zutrifft. Wenn einen Schlaganfall oder Herzinfarkt 40 und 65 Jahren häufiger dazu führt, in entsprechenden Antworten also zu erleiden oder dement zu werden. dass die Krankheit ausbricht, als im häufig die Aufzüge von Hotels er- Für ihn oder sie steigt auch das Risiko, hohen Alter. Wie Forschende des wähnt werden, schließt der Algorith- von einer depressiven Verstimmung Max-Planck-Instituts für Kognitions- mus, dass es auch relevant ist, wenn oder Depression betroffen zu sein. Je und Neurowissenschaften in Leipzig die Unterkunft keinen besitzt. Der mehr Risikofaktoren eine Person da- und der Universität Münster nun he- Zugriff auf solches Wissen könnte bei erfüllt, desto wahrscheinlicher rausfanden, gilt das ebenso für De- nicht nur die Empfehlungen von Bu- wird das. Bislang war jedoch unklar, pressionen. Bei Menschen, die über chungsportalen aussagekräftiger ma- ob diese Wahrscheinlichkeit auch 65 Jahre alt sind, verlieren auch dafür chen, sondern auch die von Internet- vom Alter abhängt. Frühere Studien die Risikofaktoren an Gewicht. shops. www.mpg.de/16772520 hatten bereits für andere Krankheiten www.mpg.de/16899845 Max Planck Forschung · 2 | 2021
Kurz notiert Nanoschutz für Akkus Festkörperbatterien könnten Elekt- roautos zu längeren Reichweiten ver- helfen als die derzeit gebräuchlichen Lithiumbatterien. Sie sind zudem si- cherer, allerdings noch nicht lang lebig genug. Ein Team des Fritz-Ha- ber-Instituts, der TU München und des Forschungszentrums Jülich weist jetzt jedoch einen Weg, die Lebens- dauer der Feststoffbatterien zu erhö- F o t o: Li z a Su mm e r / Pe x e l s hen. Die Forschenden haben festge- stellt, dass ungeordnete Nanoschich- ten an den Grenzen zwischen den winzigen Kristallkörnern des Fest- stoffelektrolyten die Batterien stabili- sieren können. Um einen möglichst effizienten Ladungstransport durch den Elektrolyten zu ermöglichen, versuchen Forschende bisher, die un- geordneten Schichten möglichst dünn zu machen. Die neuen Er- kenntnisse könnten sie jedoch um- denken lassen. Denn die Schichten versperren Elektronen den Weg, die zum einen unmittelbar Kurzschlüsse Schreiende Unklarheit: Die Lautäußerungen von 15 bewirken und zum anderen zum intensiven Gefühlen lassen sich oft nicht mehr eindeutig Wachstum metallischer Verästelun- interpretieren. gen beitragen können. Letztere füh- ren ebenfalls zu Kurzschlüssen und zerstören die Batterie. Es könnte also sinnvoll sein, bei der Dicke der Na- Starke Gefühle – schwer noschichten einen Kompromiss zwi- schen effizientem Ladungstransport zu verstehen und Schutz vor Kurzschlüssen zu su- chen. www.mpg.de/17016734 Der Klang einer Stimme verrät viel ihrer Stärke von minimal bis maxi- über den Gefühlszustand eines Men- mal intensiv reichen. Anschließend schen. Doch wie gut können wir Ge- untersuchten sie, wie eindeutig die Elektronenmikroskopisches fühlsäußerungen anderer deuten? Zuhörenden diese Laute abhängig Bild eines Feststoffelektrolyten: Ein Forschungsteam des Max-Planck- von ihrer emotionalen Intensität ver- Die Kristallkörner weisen Instituts für empirische Ästhetik hat stehen. Zwar ließen sich zunächst, Bi l d: S t egmai e r et a l ., A dva nc e d E n e rgy M at e r ia l s 2 021 eine geordnete Struktur auf gemeinsam mit Forschenden aus wie erwartet, die Emotionen mit stei- (links und rechts), die New York erstmals systematisch den gender Intensität besser einordnen. Grenzschicht eine ungeordnete. Der Ausschnitt in der Mitte Zusammenhang zwischen emotiona- Doch je intensiver der Gefühlsaus- stellt eine Simulation dar. ler Intensität und den damit zusam- druck wurde, desto geringer stieg das menhängenden Lautäußerungen un- Verständnis an. Bei extrem starken Experiment tersucht. Sie sammelten eine Vielzahl Emotionen sank es sogar drastisch. nonverbaler Laute wie Schreien, La- Die intensivsten Gefühle waren also chen, Seufzen, Ächzen oder Stöhnen, in ihrem Ausdruck am schwierigsten Simulation die verschiedene positive und nega- zu deuten. tive Emotionen ausdrücken und in www.mpg.de/17022007 5 nm 5 nm Max Planck Forschung · 2 | 2021
China – ein Partner im Wandel Die Max-Planck-Gesellschaft pflegt seit bald 50 Jahren enge Kontakte zu China. Das Land hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt und ist inzwischen in der Forschung auf Augenhöhe mit Europa und den USA. Damit ergeben sich ganz neue Herausforderungen für die wissenschaftliche Zusammenarbeit, wie 16 Max-Planck-Vizepräsident Klaus Blaum beschreibt. Auf einem Schwarz-Weiß-Foto sieht man zwei Männer nebeneinander auf einem Sofa sitzen, über ihnen das Bild des „Großen Vorsitzenden“ der Kommunistischen Partei Chinas, Mao Zedong. Das Foto entstand im April 1974 in Peking und zeigt den damaligen Max-Planck-Präsidenten Reimar Lüst im Gespräch mit dem Vizepräsidenten der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Wu Youxun. Dieses Treffen legte den Grundstein für eine außerordentlich erfolgreiche Zusammenarbeit in den folgenden Jahrzehnten, die sicher auch zum wissenschaftlichen Auf- stieg Chinas beigetragen hat. Den Beginn der Kooperation prägten vor allem die Aus- und Weiter- bildung von Stipendiatinnen und Stipendiaten, die zunächst nur in kleiner Zahl nach Deutschland kamen. Mit Beginn der 1980er-Jahre war die Max-Planck-Gesellschaft dann schon mit einem eigenen Gästelabor am Institut für Zellbiologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Shanghai präsent und eröffnete so zahlreichen Forschenden aus Deutschland die Möglichkeit, vor Ort gemeinsam mit chinesischen Kolle- ginnen und Kollegen zu arbeiten und den chinesischen Nachwuchs zu unterrichten. 1995 wurden dann erstmals Selbstständige Nachwuchs- gruppen nach dem Vorbild der Max-Planck-Forschungsgruppen ein- gerichtet. Sie sollten für junge, im Ausland lebende chinesische Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler die Rückkehr nach China attraktiv machen. Das Programm führte wichtige Elemente wie eine internationale Ausschreibung sowie eine unabhängige Begutachtung durch internatio- Max Planck Forschung · 2 | 2021
ZUR Sache Klaus Blaum 17 Klaus Blaum studierte Physik an der Universität Mainz und promovierte dort im Jahr 2000. Danach forschte er am Cern, von 2002 bis 2004 als Projekt- leiter für „Massenspektro- metrie exotischer Kerne“. Ab 2004 übernahm er eine Helmholtz-Hochschul-Nach- wuchsgruppe an der Univer- sität Mainz und habilitierte sich 2006 über Hochpräzi- sionsmassenspektrometrie mit Penningfallen und Speicher- ringen. Im Oktober 2007 wurde Blaum als Direktor und Wissenschaftliches Mitglied an das Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg berufen. Seit Juli 2020 ist er Vizepräsident der Max- Planck-Gesellschaft und unter anderem zuständig für die Zusammenarbeit mit China. I l lust r ation: S oph i e K ett e r e r fü r M PG Klaus Blaum selber pflegt seit vielen Jahren enge wissen- schaftliche Kooperationen im asiatischen Raum. Max Planck Forschung · 2 | 2021
nale Fachbeiräte ein. Junge Forschende mit vielversprechenden Karriere- perspektiven in den USA waren nun bereit, diese zugunsten dieser Gruppenleitungen aufzugeben. Rund ein Drittel aller Führungspositionen im Bereich Forschung und Entwicklung in China sind heute mit Personen besetzt, die in Deutschland wissenschaftlich ausgebildet wurden. Im Jahre 2014, auf der Feier zum 40-jährigen Jubiläum der Zusammen- arbeit der Max-Planck-Gesellschaft mit China, erklärte der damalige Max- Planck-Präsident Peter Gruss: „In den Anfängen unserer Zusammen- arbeit waren die Verhältnisse alles andere als stabil, denn die Anfänge lagen mitten im Kalten Krieg und in einer Zeit, in der die Kulturrevolution das Leben in China beherrschte. Der Aufbau einer Partnerschaft zwischen Deutschland und China erforderte damals eine Menge Mut und Weit- sicht.“ Wie viel Mut und Weitsicht wir heute unter erneut sich ändernden politischen Rahmenbedingungen benötigen, darauf möchte ich später noch eingehen. Doch zunächst möchte ich darauf schauen, wie sich China in den vergangenen zehn Jahren verändert hat – und zwar vor allem im Bereich der Forschung. China ist heute die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, hinter den USA. Betrug der Anteil Chinas am Welthandel 1995 lediglich 2,3 Prozent, so lag er 2019 bereits bei 10 Prozent (Schätzungen der UNO). 377 Milliarden 18 US-Dollar hat China laut Bloomberg im Jahr 2020 in Forschung und Ent- wicklung investiert, das waren 2,4 Prozent seines BIP. Damit hat das Land zum Euroraum aufgeschlossen. Und diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren beschleunigen. Laut dem in Peking jüngst verabschiedeten Fünfjahresplan für 2021 bis 2026 wird China Allein in der sein Forschungs- und Entwicklungsbudget auf den Stand der USA erhöhen und damit die Weichen für die kommende wissen- Grundlagen- schaftliche Entwicklung stellen. Allein in der Grundlagenfor- schung steigen die Ausgaben in diesem Jahr um fast elf Prozent. forschung Dabei nimmt China vor allem zukünftige technologische Innova- steigert tionen in den Blick. Die Grundlagenforschung konzentriert sich daher auf Themen wie Quanteninformationstechnik und künstli- china Seine che Intelligenz. Schwerpunkte werden auch die Informations- und Kommunikationstechnologien sein, die Halbleitertechnik, die Ausgaben Biotechnologie, hier insbesondere die Hirn- und die Genfor- schung, die Erforschung des Weltraums, der Tiefsee und der um fast Polargebiete sowie neue Materialien und Rohstoffe. elf Prozent Dieses große Investment in Forschung schlägt sich auch in ande- ren Zahlen nieder: Mittlerweile forschen in China 1,82 Millionen Menschen und damit mehr als in jedem anderen Land der Welt. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung Chinas sind das allerdings nur circa 0,1 Pro- zent. Zum Vergleich: Der Anteil der Forschenden in Deutschland liegt bei 0,5 Prozent. Zudem ist der Bildungsstand in China nicht überall gleich – in weiten Landstrichen (im Hinterland im Westen und Norden Chinas) ist er sehr niedrig. Die staatliche Führung befürchtet daher, dass der Rückstand der ländlichen Regionen in naher Zukunft den Aufstieg Chinas negativ Max Planck Forschung · 2 | 2021
Zur Sache beeinflussen könnte. Und auch bei der Zahl der wissenschaftlichen Pu- blikationen hat China aufgeholt: 2017 produzierte das Land 19 Prozent aller wissenschaftlichen Publikationen weltweit und damit mehr als die USA. Spitzenreiter sind allerdings die Länder der Europäischen Union, die gemeinsam einen Anteil von 26 Prozent an den weltweiten Veröffentli- chungen haben. Was aber viel wichtiger ist: Es ist schon lange nicht mehr nur Masse, was China produziert. Im renommierten Nature Index bei- spielsweise, der die Zahl der Top-Publikationen auswertet, steht die Chi- nesische Akademie der Wissenschaften inzwischen auf Platz eins, vor der Harvard University und der Max-Planck-Gesellschaft. Neun von zehn Universitäten, die sich laut dem Index am stärksten verbessert haben, sind in China. Und in bestimmten Fachgebieten stellt China heute schon das Gros der meistzitierten wissenschaftlichen Publikationen. Das gilt für die Computerwissenschaften und die Kybernetik mit 80 Prozent und für Auto- mationskontrolle, Nanowissenschaften, Nanotechnologie und Elektroche- mie mit 50 Prozent. Es ist also keine Frage mehr: China ist wissenschaftlich auf Augenhöhe mit den USA und Europa. Die chinesischen Regierungen haben die Wis- senschaft jahrzehntelang gefördert, indem sie sehr genau hingeschaut haben, was den Westen und andere Teile der Welt erfolgreich gemacht hat – durch Beobachtung, Übernahme und Anpassung an die chinesi- 19 schen Bedingungen. Und sie tun dies mit einer sehr langfristigen Perspek- tive. Während im Jahr 2000 nur 20 Prozent der im Ausland studierenden Chinesinnen und Chinesen nach beendetem Studium in die Heimat zurückkehrten, sind es heute 80 Prozent. China ist attraktiv für die eigenen Leute. Dazu beigetragen haben auch das 100-Talente-Programm der Chi- nesischen Akademie der Wissenschaften, im Rahmen dessen vor allem junge Leute mit großem Potenzial aus dem In- und Ausland rekrutiert werden, sowie das 1000-Talente-Programm der chinesischen Regierung – Letzteres stellt Ressourcen für die dauerhafte Einstellung von Spitzen- kräften an Chinas Hochschulen bereit, aber auch für die befristete Ernen- nung internationaler Expertinnen und Experten, die an führenden Universi- täten oder Forschungseinrichtungen im Ausland tätig sind. Wir haben in der Max-Planck-Gesellschaft pro Jahr etwa 1400 wissen- schaftliche Gäste aus China. Das ist die größte Kohorte ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei insgesamt 9000 Gästen, die jedes Jahr bei uns arbeiten. 15 Prozent unserer Postdocs und PhDs kommen aus China. Viele Postdocs kehren nach China zurück und bleiben, wenn es sich um besonders profilierte Nachwuchstalente handelt, für fünf Jahre noch über eine Partnergruppe mit dem Max-Planck-Institut ver- bunden, an dem sie zuvor geforscht haben. Von den derzeit 36 ehemali- gen Partnergruppenleitungen sind inzwischen 32 auf leitende wissen- schaftliche Positionen in China berufen worden. Diese Personen sind Teil eines über die Jahre hinweg in China etablierten Netzwerks, auf das wir zurückgreifen können. Darüber hinaus haben wir mit China heute knapp 200 wissenschaftliche Kooperationsprojekte, darunter Kollaborationen des Max-Planck-Instituts für Chemie zu Luftverschmutzung und Klima- Max Planck Forschung · 2 | 2021
auswirkungen im Yangtze-Flussdelta, die gemeinsame Suche nach neuen Materialien mit neuartigen Funktionalitäten mit dem Max-Planck-Institut für Festkörperforschung oder auch Projekte des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik über die Synthese mechanistischer und neurobiologi- scher Modelle von Sprache. Dabei ist die Chinesische Akademie der Wissenschaften weiterhin unser wichtigster Kooperationspartner. In Gebieten wie der Radioastronomie beziehungsweise der Gravi- China inves- tationswellenforschung, der biophysikalischen Chemie sowie der Ökologie und den Verhaltenswissenschaften erhalten Max-Planck- tiert mehr und Teams privilegierten Zugang zu teils weltweit einzigartigen und exzellenten Infrastrukturen der Chinesischen Akademie der Wis- mehr in eigene senschaften. Von diesen Kollaborationen profitieren beide Seiten. anspruchs- China investiert zunehmend in eigene anspruchsvolle wissen- volle wissen- schaftliche Infrastruktur. So baut das Land für die Materialwissen- schaften seit etwa zwei Jahren eine Hochenergie-Synchrotron- schaftliche Strahlungsquelle auf, die in etwa dem entspricht, was am Desy in Infrastruktur Hamburg Mitte der 2020er-Jahre erreicht wird. Im Bereich der Astrophysik und Astronomie hat China das mit 500 Metern Haupt- spiegeldurchmesser weltweit größte Radioteleskop in Betrieb genommen. Zum Vergleich: Unser Radioteleskop in Effelsberg hat etwa 100 Meter Spiegeldurchmesser, ist dafür allerdings frei beweglich. Im Bau 20 befindet sich auch eine neue Interferometer-Anlage, die der experimentel- len Erforschung von Gravitationswellen dienen soll und auf einer völlig neuen Physik basiert, sowie eine Schwerionenbeschleunigeranlage zur Erzeugung von Radionukliden für Grundlagenforschung und medizinische Anwendungen, ähnlich dem Fair-Projekt in Darmstadt. Und in der Teil- chenphysik ist ein Circular Electron Positron Collider in der Provinz Hebei in Planung mit einer Beschleunigungslänge von 50 bis 70 Kilometern. Auch hier ein Vergleich: Der Large Hadron Collider am Cern in Genf hat 27 Kilometer Länge. Man erkennt, dass China auf zahlreichen Forschungsgebieten mit Groß- forschungsanlagen in die Weltspitze drängt, deren Entwickler häufig im Westen, viele bei Max-Planck, ausgebildet wurden. China weiß aber auch, dass Wissenschaftsfortschritt transnationale Zusammenarbeit erfordert. Es ist daher auf die Akzeptanz durch das globale Wissen- schaftssystem angewiesen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Vielzahl globaler Herausforderungen gibt, die wir nur gemeinsam, mithilfe internationaler Wissenschaftskooperationen, werden bewältigen können. Die globale Pandemie hat uns das gerade eindrücklich vor Augen geführt. Selten zuvor hat die internationale Wissenschaftsgemeinde so schnell und umfangreich Wissen miteinander geteilt, um Lösungen zur Eindämmung der Pandemie zu entwickeln. Der Klimawandel und die Frage, wie wir die wachsende Weltbevölkerung mit CO2-neutraler Energie versorgen können, ist die andere große Herausforderung, die wir nur durch Bündelung der Kräfte weltweit meistern werden. Vor diesem Hintergrund ist eine strate- gische Zusammenarbeit mit China auf bestimmten Forschungsfeldern unverzichtbar. Aber so fruchtbar die Zusammenarbeit mit China im Max Planck Forschung · 2 | 2021
Zur Sache Bereich der Naturwissenschaften ist, insbesondere auf den Forschungs- gebieten der Chemisch-Physikalischen-Sektion, für die ich als Vizepräsi- dent zuständig bin, so herausfordernd ist die Zusammenarbeit in anderen, etwa sozialwissenschaftlichen Forschungsfeldern. Hier sehen wir in den letzten Jahren eine deutliche Verschlechterung. So wurden beispielsweise in den 1990er-Jahren begonnene Forschungsarbeiten zu den Lebens- umständen der Uiguren in Xinjiang zunehmend eingeschränkt, seit 2016 ist praktisch keine Forschung vor Ort mehr möglich, da unsere Wissen- schaftler seither keine Forschungsgenehmigung für diese Region erhalten. Gleichwohl werden die Forschungsergebnisse weiter publiziert, auch wenn das der chinesischen Administration gegebenenfalls nicht gefällt. Einer Art Selbstzensur werden wir uns in der Max-Planck-Gesellschaft nicht unterwerfen. Nicht jede Entwicklung in China stimmt uns daher opti- mistisch. Während in den Naturwissenschaften die Exzellenz nach interna- tionalem Maßstab im Vordergrund steht – etwas, das den Max-Planck- Prinzipien sehr entgegenkommt –, werden Disziplinen wie die Sozial- wissenschaften zur Bearbeitung „chinesischer Theorien“ und zu einer vor- nehmlich angewandten Forschung zur Lösung nationaler Probleme aufge- fordert. Das erschwert eine internationale Anknüpfung. Darüber hinaus ist es für manche unserer Kolleginnen und Kollegen in den Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaften schwieriger geworden, Feldforschung effektiv durchzuführen, weil die Akteure in China bei Forschung etwa zu politi- schen Prozessen vorsichtiger geworden sind und es immer weniger 21 Gesprächspartner und Gelegenheiten zum Austausch vor Ort sowie Zugang zu Daten und Material gibt. Die Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts der Europäischen Union sowie die US-amerikanischen Sanktionen gegenüber China, die dazu geführt haben, dass bestimmte US-Technologien nicht ohne Genehmigung an Einrichtungen in China ausgeliefert werden Nicht jede dürfen, können die Kollaborationsmöglichkeiten deutscher Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler in China ebenfalls erheb- Entwicklung lich einschränken. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen wir auch die chinesischen Gesetzgebungsverfahren zu Forschung in China und Entwicklung. Hier plant die Volksrepublik eine Reihe von stimmt uns Gesetzen, die direkte Auswirkungen auf Forschungskooperatio- nen haben könnten, zum Beispiel auf die Verwendung von For- daher schungsdaten, die in gemeinsamen Projekten in China generiert wurden. Sollten solche Gesetze tatsächlich in der vorliegenden optimistisch Form in Kraft treten, werden Forschungskooperationen mit unse- ren chinesischen Partnern sicher deutlich schwieriger. Wie also sollen wir nun umgehen mit diesem aufstrebenden China? Zunächst einmal werden wir mit der Ambivalenz leben müssen und trotz allem die Kooperation in all jenen Bereichen suchen, in denen dies sinnvoll und für beide Seiten fruchtbar ist. Wir brauchen, wie schon 1974, Mut und Weitsicht – Mut, um für unsere eigenen Werte und Standards einzustehen, und Weitsicht, um die Partnerschaft mit China klug und fair fortzuführen. Wir brauchen Transparenz in der Ausgestaltung und im Management Max Planck Forschung · 2 | 2021
unserer Partnerschaft. Der Wissenstransfer darf nicht einseitig sein. Und wir müssen ein gemeinsames Verständnis von „guter wissenschaftlicher Praxis“ sicherstellen, insbesondere im Sinne von Forschungsethik (etwa bei der Erhebung personenbezogener Forschungsdaten), bei den Risiken von Dual Use und dem Schutz intellektuellen Eigentums. Wir sollten uns auch nicht scheuen, immer wieder für unsere Vorstellung von Wissen- schaftsfreiheit einzutreten. Nicht umsonst stand die Kampagne der deut- schen Wissenschaftsorganisationen zum 70-jährigen Jubiläum der im deutschen Grundgesetz verfassungsrechtlich verankerten Wissenschafts- freiheit unter dem Leitsatz „Freiheit ist unser System“. In seiner Sitzung im März 2021 hat der Senat der Max-Planck-Gesell- schaft Leitlinien zur Ausgestaltung der internationalen Kooperation beschlossen. Sie sollen unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- lern bei Auslandskooperationen im Spannungsfeld von Wissenschafts- freiheit und rechtlicher sowie ethischer Verantwortung Orientierung geben. Zwei Max-Planck-eigene Gremien – der Ethikrat und die Kommission für die Ethik sicherheitsrelevanter Forschung – stehen allen Max-Planck- Forschenden beratend zur Seite. Wir müssen uns mit Fragen zu Dual Use auseinandersetzen, das heißt mit Forschungsarbeiten, die Ergebnisse oder Technologien hervorbringen können, die von Wir müssen die Dritten missbraucht werden können. Forschungsarbeiten, welche 22 Beiträge zu Überwachungstechnologien liefern können, wären China-Kompe- hier ein Beispiel. Dieser Leitfaden soll dafür sensibilisieren, nicht tenz auf allen blauäugig in Kooperationen hineinzugehen, sich gut zu überlegen, was man mit dieser Kooperation erreichen will, und gegebenen- Ebenen weiter falls auch Nein zu sagen, wenn die Bedingungen nicht passen oder aber zu viele Kompromisse gemacht werden müssen. stärken und bündeln Darüber hinaus müssen wir die China-Kompetenz in der Max- Planck-Gesellschaft auf allen Ebenen weiter stärken und bündeln und die Kommunikation sicherstellen über das, was in der Zu- sammenarbeit mit China passiert. Es geht um einen Erfahrungsaustausch, um die Bewertung aktueller Entwicklungen. Dafür hat die Max-Planck- Gesellschaft einen „China Roundtable“ unter meiner Leitung eingerichtet, also einen internen Expertenrat, der sich unter anderem mit Best-Practice- Beispielen in der Kooperation mit China beschäftigt. Vom Sommer 2021 an werden wir auch Vorträge und Workshops für alle wissenschaftlich Mitarbeitenden der Max-Planck-Gesellschaft zur Stärkung der China- Kompetenz anbieten. Und wir werden uns mehr darum bemühen, unseren Nachwuchs auch für einen Forschungsaufenthalt in China zu motivieren. Denn tatsächlich kennen wesentlich mehr junge Chinesen Europa und die Vereinigten Staaten als umgekehrt junge Europäer China. Wir müssen das Interesse an China und an einer Zusammenarbeit mit China steigern – unser Blick geht allzu häufig nur in die USA – und uns mit den kulturellen Eigenheiten Chinas vertraut machen. Unsere Kooperationen mit China haben über fast 50 Jahre hinweg sehr gute, aber auch schwierigere Zeiten erlebt. So waren auch die Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 eine Belastung für die Beziehungen. Im Gegensatz Max Planck Forschung · 2 | 2021
Zur Sache zu anderen internationalen Organisationen haben wir die Kontakte zu China damals jedoch nicht ausgesetzt. Wir haben uns dabei von dem Gedanken leiten lassen, dass die restriktiven Maßnahmen der internatio- nalen Gemeinschaft gerade jene treffen, die unter den damaligen Vor- kommnissen in China ohnehin schon zu leiden hatten. Offizielle Kontakte wurden zwar zunächst vermieden, die wissenschaftlichen Programme und Projekte aber so weit wie möglich fortgeführt. Dabei ist Vertrauen entstanden, das vor allem in China ein wichtiges soziales Kapital für Kooperationen ist. Wir werden die weiteren Entwicklungen in China auch nur in, mit und durch Kooperation beeinflussen. Über Wissenschaftskontakte kann man Türen offen halten, die man in anderen Bereichen aus guten Gründen geschlossen halten muss oder aber die verschlossen sind. Die Max-Planck- Gesellschaft hat damit viel Erfahrung gesammelt, und ich bin optimistisch, dass insbesondere individuelle wissenschaftliche Kontakte ein Motor bleiben werden für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit. A nz e ige M AG AZ IN FÜ R W IS SE NS CH AF T UN D GE SE LL SC HA F T DUZ // AU SG AB E 3.20 21 GESELLSCHAFT BRAUCHT WISSENSCHAFT. WISSENSCHAFT BRAUCHT GESELLSCHAFT. DER DIALOG, EIN FORUM, DIE DUZ. LESEN SIE DIE DUZ IM PROBEABONNEMENT: 3 AUSGABEN FÜR 15 EURO SHOP.DUZ-MEDIENHAUS.DE/DM-TESTEN.HTML // unabhängig und // dialogorientiert biss // // JOUR NA LIS M US Journalis ten so llte n RE BE L M Wi sse ns ch me hr Dis aft sb etrieb tanz zum IN DS wage n Ge nia le Erf ind erinnen M IT DUZ verände rt , die die We SPEC habe n lt IA L Neue Pe rsp ek tive n de Ge sundhe s itsmanag ements
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