FACHKRÄFTE-SICHERUNG - IHK Frankfurt am Main
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141. Jahrgang 03.18 www.frankfurt-main.ihk.de A 4836 FACHKRÄFTE- SICHERUNG 8 – 27 RECRUITING – ARBEITSWELT IM WANDEL – DIGITALISIERUNG – ERFOLGSFAKTOR FAMILIE STANDORTPOLITIK AUSBILDUNG INTERNATIONAL STEUERN We do digital Award: Duale Ausbildung: USA-Geschäftsrei- Pensionszusagen: Digitalisierung mit Kein Deutsch, keine sen: Sensible Daten Brand in den Ge- Gesicht 35 Perspektive 44 schützen 50 schäftsbilanzen 52
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Vorwort Die Arbeit geht uns nicht aus Liebe Leserinnen, liebe Leser! K aum ein Tag vergeht, an dem nicht eine neue Studie zur verän- derten Arbeitswelt und den Jobs von morgen erscheint. Allzu oft werden beängstigende Szenarien beschrieben, beispiels- weise wie viele Jobs künftig wegfallen und von Robotertechnologie übernommen werden könnten. Man mag zu diesen Zukunftsvisionen stehen, wie man will – zumindest aktuell zeigt sich ein anderes Bild auf dem Arbeitsmarkt in FrankfurtRheinMain, nämlich: rückläufige Arbeitslosenzahlen, Fachkräfteengpässe und Beschäftigungsrekorde. Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Sie bietet jedoch auch, insbesondere in Metropolregionen, viele Chancen. „Die Digitalisierung Vor diesem Hintergrund wird die Personalpolitik, zu Neudeutsch verändert die Arbeitswelt.“ Workforce Management, zu dem wohl wichtigsten Handlungsfeld für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. An erster Stelle steht dabei die Bindung der Fachkräfte an die Unternehmen. Damit wird die Aus- und Weiterbildung zu einem ausschlaggebenden Faktor für Wettbewerbsfähigkeit und für die Innovationskraft. Darüber hinaus bietet sich den Unternehmen ein ganzer Katalog an Maßnahmen ge- gen den Fachkräftemangel an – Positionierung der Arbeitgebermarke, Qualifizierungen, ein innovatives Arbeitsklima, Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis hin zur Anwerbung von ausländischen Fachkräften. Bei all diesen Themen gilt es, auch die Chancen von Arbeit 4.0 zu nutzen und die Herausforderungen im Blick zu behalten. Gerade weil die digitalisierte Arbeitswelt die Zukunft unserer Arbeit beeinflussen wird, bleiben gut ausgebildete Fachkräfte weiter die zentrale Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand in FrankfurtRheinMain. Bleiben Sie agil. Karen Hoyndorf Stellvertretende Präsidentin, IHK Frankfurt IHK WirtschaftsForum 03.18 3
08–27 INHALT 03.18 VORWORT 3 03 Die Arbeit geht uns nicht aus Karen Hoyndorf, stellvertretende Präsidentin, IHK Frankfurt 06 KURZMELDUNGEN 3 SPECIAL FACHKRÄFTESICHERUNG 3 08 Metropolregion Wettbewerb um kluge Köpfe 10 Recruiting Betriebe in der Bewerberrolle 12 Digitalisierung Arbeitswelt im Wandel 14 Neuer Ausbildungsberuf Die digitalen Kaufleute kommen 16 Erfolgsfaktor Familie „Alte Denkmuster aufbrechen“ 17 Beruf und Familie Die neue Vereinbarkeit 18 Neue Arbeitswelt Alte Werte, neue Werte 20 Fachkräftemangel Neue Wege im Recruiting 22 Kinderbetreuung im Betrieb Eine Zukunftsinvestition 24 Neues Onlineportal Fachkräfte für FrankfurtRheinMain 26 Nachhaltigkeit Mitarbeiter mitnehmen 4 IHK WirtschaftsForum 03.18
30 50 39 46 IHK-EHRENAMT 3 AUS- UND WEITERBILDUNG 3 28 Ausschuss Kleine und Mittlere Unternehmen Den Mittelstand 42 Berufswahl „Ich Tarzan – du Jane“ stärken 44 Duale Ausbildung Kein Deutsch, keine Perspektive 46 Frankfurter Ausbildungsprojekt „Ein tolles Resultat“ UNTERNEHMENSREPORT 3 30 Serie Existenzgründung Eine App bittet zu Tisch INTERNATIONAL 3 48 Südkorea Bislang unterrepräsentiert STANDORTPOLITIK 3 50 USA-Geschäftsreisen Sensible Daten schützen 32 Frankfurter Immobilienbörse Wohnungsmarktbericht 2017 / 2018 RECHT UND STEUERN 3 34 Schienenverkehr Stressfreier pendeln 52 Pensionszusagen Brand in den Bilanzen 36 Kombinierter Verkehr Neue Erfa-Gruppe in Frankfurt 54 Öffentliche Ausschreibungen Einfacher zum Auftrag 38 IHK-Konjunkturumfrage Konjunktur im Höhenflug 67 VORSCHAU | IMPRESSUM | IHK-EHRENAMT | UNTERNEHMENSFÖRDERUNG UND STARTHILFE 3 UNTERNEHMENSREPORT 3 39 Digitalisierung Alles auf Neuanfang Beilagenhinweis: Einem Teil unserer Ausgabe liegen Beilagen der BIEG Hessen GbR, Frankfurt, und der IHK Frankfurt bei. Wir bitten um freundliche Beachtung! IHK WirtschaftsForum 03.18 5
KURZMELDUNGEN ARBEITSMAKRT „Ankommen in Deutschland“ FOTO: DEUTSCHE BÖRSE AG / KONTEXT ARCHITEKTUR Der DIHK zieht eine Zwischenbi- Vorrangprüfung in vielen Agen- lanz des von der IHK-Organisation turbezirken und die 3+2-Regelung gestarteten Aktionsprogramms zur Ausbildungsduldung schaffen „Ankommen in Deutschland – mehr Rechtssicherheit.“ Daneben Gemeinsam unterstützen wir In- komme dem Spracherwerb enorme tegration“: Danach setzen sich Bedeutung zu: „Daher sehen wir die 79 IHKs bundesweit dafür den erleichterten Zugang und eine ein, Flüchtlinge in Ausbildung mögliche Teilnahmeverpflichtung IHK INTERN und Beschäftigung zu bringen. zu Integrationskursen für Asylsu- Umbau im Frankfurter „Das Engagement der Unterneh- men bei der Beschäftigung und chende mit guter Bleibeperspektive positiv“, so Schweitzer. „Allerdings Börsengebäude Ausbildung von Flüchtlingen ist halten fast drei Viertel der IHKs weiterhin hoch“, so DIHK-Präsident das Angebot an berufsbezogenen Im IHK-Gebäude am Börsenplatz stands, Deutsche Börse. „Mit Eric Schweitzer. Das 2016 einge- Sprachkursen noch nicht für aus- sind die Bauarbeiter angerückt. dem Umbau lenken wir die führte Integrationsgesetz wirke reichend.“ In etlichen Regionen Grund: Die Deutsche Börse baut Aufmerksamkeit noch stärker sich aus Sicht der IHKs positiv aus. stelle die Mindestteilnehmerzahl das historische Gebäude in der auf den Standort Frankfurt.“ „Insbesondere die Aussetzung der von 15 eine Hürde dar. \ Frankfurter Innenstadt, das der IHK-Präsident Prof. Mathias IHK Frankfurt gehört, zu einer Müller begrüßte die Pläne der attraktiven Anlaufstelle für den Deutschen Börse zur Öffnung INTERNATIONAL Finanzplatz Frankfurt und die ihrer Räumlichkeiten und das breite Öffentlichkeit aus. Der langfristige Bekenntnis zum Brexit: Bundesfinanzministerium Mietvertrag mit der IHK Frank- angestammten Standort. Zum und DIHK beraten über Zollfragen furt wurde bis zum Jahr 2048 Umbau, der in zwei Jahren ab- abgeschlossen. „Das historische geschlossen sein soll, gehören Das Bundesfinanzministerium anmelden müssen. Das Minis- Gebäude in der Frankfurter In- unter anderem die Neugestal- will gemeinsam mit den IHKs den terium reagiert damit auf eine nenstadt ist das Herzstück der tung des Besucherzentrums und Kontakt zu Unternehmen suchen, Warnung des DIHK. Dieser rechnet Deutschen Börse“, so Dr. Theodor ein Konferenzzentrum für bis zu um sie auf die negativen Folgen mit jährlich etwa 15 Millionen Weimer, Vorsitzender des Vor- 200 Personen. \ durch den Brexit vorzubereiten. zusätzlichen Zollanmeldungen bei Nach dem Austritt der Briten wer- Ex- und Importen. Das entspricht den die deutschen Unternehmen Mehrkosten für deutsche Unter- jede einzelne Lieferung von und nehmen von schätzungsweise AUSBILDUNG nach Großbritannien beim Zoll 200 Millionen Euro pro Jahr. \ Mit Auslandsaufenthalten gewinnen FOTO: GETTYIMAGES / LUIS DIAZ DEVESA Beim „Deutsch-Französischen möglichst viele kleine und mitt- Tag der Mobilität von Auszu- lere Unternehmen ihren Aus- bildenden in Europa“ stand am zubildenden einen Auslands- 22. Januar in Berlin das Thema aufenthalt ermöglichten. Aus Auslandsaufenthalte im Fokus. Sicht von DIHK-Präsident Eric „Sie sind ein wichtiges Instru- Schweitzer sind sie eine Win- ment, um die duale Berufsbildung win-Situation: Unternehmen attraktiver und internationaler könnten ihre Ausbildungsplät- zu gestalten“, sagte Bundes- ze besser vermarkten, erhielten wirtschaftsministerin Brigitte hochmotivierte Auszubildende Zypries. Ziel müsse es sein, dass und neue Auslandskontakte. \ 6 IHK WirtschaftsForum 03.18
AUSBILDUNG FOTO: GETTYIMAGES / DANE_MARK Ausbildungsabbrüche verhindern Eine gute Nachricht für alle Jugend- wurde gemeinsam mit dem DIHK, lichen mit Startschwierigkeiten in dem ZDH und dem Bundesverband der Ausbildung: Dank der Unterstüt- der Freien Berufe entwickelt und zung des DIHK wird das Programm wird in enger Zusammenarbeit mit „Verhinderung von Ausbildungsab- den Kammern vor Ort umgesetzt. brüchen“ verlängert. Das Bundesmi- Senior-Experten greifen Azubis in- nisterium für Bildung und Forschung dividuell unter die Arme, unterstüt- (BMBF) hat nun die Förderung für zen bei der Prüfungsvorbereitung, weitere vier Jahre bis Ende 2022 kümmern sich um den Ausgleich zugesagt. Die ehrenamtliche Initi- von sprachlichen Defiziten oder ative des Senior-Experten-Service fördern soziale Kompetenzen. Bis verhilft seit zehn Jahren Auszu- Ende 2017 unterstützten persönli- bildenden zu einem erfolgreichen che Ausbildungsbegleiter mehr als IHK INTERN Ausbildungsabschluss. Das Projekt 10 000 junge Menschen. \ Umfrage: Umgang mit Konflikten im Unternehmen FOTO: PICTURE-ALLIANCE / FABIAN SOMMER In einer Umfrage will die IHK der Streitkultur in Unternehmen Frankfurt zusammen mit dem liefern, und zugleich können Institut für Vertragsgestal- daraus Strategien abgeleitet tung und Konfliktlösung der werden, die Unternehmen bei Frankfurt University of Applied außergerichtlichen Streitbeile- Sciences aktuelle Erkenntnisse gungen besser unterstützen. Die gewinnen, wie Unternehmen Teilnahme an der Onlineumfra- ihre Konflikte lösen. Die Ergeb- ge nimmt etwa zehn Minuten nisse sollen fundierte Anhalts- Zeit in Anspruch (www.ihkfra. punkte zur Weiterentwicklung de/streit). \ STANDORTPOLITIK UMWELT 5. Kreativwirtschaftsreport Wirtschaftsfreundliche vorgelegt Energiepolitik Die Wirtschaftsförderung Frank- trugen damit nahezu 45 Prozent furt hat dem Magistrat der zum Umsatz der hessischen Kre- Das Europäische Parlament hat zu Einsparungen führen. Der Stadt Frankfurt den 5. Kreativ- ativwirtschaft bei. Der Werbe- eine Forderung des DIHK auf- Industrieausschuss des Parla- wirtschaftsreport 2015 / 2016 markt und die Software- und gegriffen, wonach die Möglich- ments hatte sich im Novem- vorgelegt. Danach wies die Games-Industrie sind die beiden keiten zur Erreichung des Ener- ber dagegen ausgesprochen. Mainmetropole in 2015 rund größten kreativwirtschaftlichen gieeinsparziels nach 2020 nicht In den bald beginnenden Ver- 36 800 Erwerbstätige in der Kre- Teilmärkte. In Frankfurt sind über eingeschränkt werden sollen. handlungen zwischen Rat und ativwirtschaft aus. Damit kommen 8 200 Personen im Werbemarkt Der DIHK hatte sich zuvor mit Parlament plädiert der DIHK auf 1000 Einwohner 50 Erwerbs- tätig und über 9 000 in der Soft- anderen deutschen Wirtschafts- weiterhin dafür, dass die eu- tätige aus der Kultur- und Krea- ware- und Games-Industrie. Der verbänden dafür eingesetzt, dass roparechtlichen Vorgaben den tivwirtschaft. Das sind mehr als Umsatz lag in 2015 im Werbe- weiterhin vor 2014 ergriffene Staaten bei der Erreichung ihrer doppelt so viele kreative Köpfe wie markt bei 1,8 Milliarden Euro Energieeffizienzmaßnahmen auf Ziele Flexibilität gewähren und im Landesdurchschnitt. Die Un- und in der Software- und Games- das von der EU vorgeschriebene eine wirtschaftsfreundliche ternehmen der Kreativwirtschaft Industrie bei 1,6 Milliarden Ziel angerechnet werden dürfen, Energieeffizienzpolitik möglich erwirtschafteten 2015 einen Um- Euro. Weitere Infos online unter solange sie tatsächlich noch bleibt. \ satz von 5,5 Milliarden Euro und www.creativehubfrankfurt.de. \ IHK WirtschaftsForum 03.18 7
FOTO: GETTYIMAGES / CHRIS RYAN Wer sich rechtzeitig mit der Fachkräftesicherung im eigenen Un- ternehmen auseinandersetzt, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. ME TROPOLREGION WETTBEWERB UM KLUGE KÖPFE Die Sicherung des Fachkräftepotenzials ist eine der zentralen Zukunftsaufgaben, der sich Unternehmen in FrankfurtRheinMain stellen müssen. Gute Mitarbeiter sind mittlerweile stark umworben. I n der Wirtschaft in FrankfurtRheinMain läuft es rund wie lange nicht. denn kleinere Unternehmen müssen oftmals mehr Aufwand betreiben, Besonders günstig entwickelt sich der regionale Arbeitsmarkt, der um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dies gilt von einer Rekordmarke zur nächsten jagt. Allein in den vergangenen auch für die duale Berufsausbildung, die oftmals die erste Wahl ist, drei Jahren sind fast 146 000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs um Fachkräfte für den eigenen Betrieb zu sichern. entstanden, erstmals wurde die Marke von 2,2 Millionen sozialversiche- Immer mehr wird also deutlich: Um gute Mitarbeiter werden Unter- rungspflichtig Beschäftigten in der Metropolregion geknackt. Parallel nehmen in Zukunft immer stärker wetteifern müssen. Jedes Talent wird dazu geht die Zahl der Arbeitslosen weiter zurück. gebraucht, Beschäftigte werden mehr denn je zu einer wertvollen Ressource. Aber wie so vieles im Leben hat auch diese Entwicklung eine Viele Unternehmen sind inzwischen aufgewacht und haben dies erkannt. Kehrseite: Den Unternehmen fällt es nämlich zunehmend schwerer, Ausbildung, Employer Branding und moderne Personalpolitik werden immer passende Fachkräfte für ihren Betrieb zu finden. Im schlimmsten Fall öfter zur Chefsache. Der Bereich Human Resources ist in der empfundenen bleiben Stellen unbesetzt, Arbeitsplätze regelrecht verwaist. Die Folge: Wertigkeit der Geschäftsbereiche deutlich nach oben gerutscht. Aufträge müssen abgelehnt werden, Umsätze und Wachstumschancen Auch wenn die Herausforderung erkannt ist: Häufig fällt es den- bleiben unrealisiert. Den Unternehmen und damit letztlich der gesamten noch schwer, in den passenden Aktionsmodus zu kommen. Oftmals Volkswirtschaft entgeht eine enorme Wertschöpfung. sind im Unternehmen zu viele Themen zu drängend, als dass sie alle Mehr als jeder zweite Betrieb in FrankfurtRheinMain sieht mittler- gleichzeitig bearbeitet oder delegiert werden könnten. Hinzu kommt ein weile im Fachkräftemangel ein Risiko für die weitere Entwicklung – ein notgedrungen kurzer Zeithorizont: Unter der Last des Tagesgeschäfts trauriger neuer Rekord. Fachkräfteengpässe sind damit zum Geschäftsri- fällt es gerade Mittelständlern oft schwer, längerfristige Vorstellungen siko Nummer eins geworden. Insbesondere der Mittelstand ist betroffen, zu entwickeln, wohin die Personalpolitik im Unternehmen steuern soll. 8 IHK WirtschaftsForum 03.18
Fachkräftesicherung Und doch ist eines klar: Wer sich rechtzeitig mit der Fachkräf- PENDLERSTATISTIK tesicherung im eigenen Betrieb auseinandersetzt, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil und gehört langfristig zu den Gewinnern. Dabei Frankfurt gilt als Pendlerhauptstadt Deutschlands: Mehr als 362 000 so- sind die Themen so vielseitig wie die Mitarbeiter, für die sie angeboten zialversicherungspflichtig Beschäftigte pendeln in die Stadt ein, rund 95 000 pendeln aus. Der Pendlersaldo in Höhe von knapp 267 400 sorgt werden: Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie dafür, dass die Mainmetropole tagsüber zur Millionenstadt wird. Auch oder zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter, die Integration von Men- der Hochtaunuskreis (6 700 Personen) sowie der Main-Taunus-Kreis schen mit Behinderung, die Integration ausländischer Fachkräfte, die (4 400 Personen) verzeichnen einen positiven Pendlersaldo. Qualifizierung von bisher Ungelernten sowie eine verstärkte Aus- und Weiterbildung. Die Liste an möglichen Zielgruppen ist lang und diejenige für einzelne Maßnahmen noch länger. Hinzu kommt, dass gerade kleine können aber erst dann zu einem entscheidenden Faktor werden, wenn und mittlere Unternehmen gefordert sind, ihre begrenzten Ressourcen auch die Basis stimmt. Es muss ausreichend attraktiven Wohnraum zu möglichst treffsicher und passgenau einzusetzen. angemessenen Preisen geben. Daher gilt: Weniger, aber gut gesetzte Schwerpunkte, die zum jewei- Fachkräfte sind auf entsprechenden Wohnraum angewiesen. ligen Unternehmen passen, sind besser als breit gestreute Ansätze ohne In FrankfurtRheinMain wird dieser allerdings zunehmend zu einem Tiefenwirkung. Wenn ein Unternehmen einen roten Faden im Bereich Engpass-Faktor, der das unternehmerische Wachstum behindert. der Personalarbeit hat und diesen konsequent verfolgt, ist es oftmals Dabei geht es nicht nur um Wohnraum für niedrige oder für hohe schon in einer sehr guten Position gegenüber seinen Konkurrenten. Einkommensgruppen, sondern um bezahlbaren Wohnraum für alle Der Gedanke der Zukunftsorientierung gilt für Wirtschaftsun- Einkommensschichten. Letzten Endes muss das Gesamtpaket stimmen ternehmen gleichermaßen wie für Kommunen, in denen Menschen und die wirtschaftliche Qualität des Standorts mit der Lebensqualität sich niederlassen und leben wollen. Auch Städte und Gemeinden sind in Einklang gebracht werden. Wohnen, Leben, Arbeiten: Diese drei gefordert, für die Zeit der Knappheit vorzusorgen. Immerhin sichern Bereiche müssen ineinandergreifen, damit Fachkräfte sich in einer die Menschen, die in die Region ziehen oder dort bleiben, nicht nur Region wohlfühlen. die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsdynamik. Als Bürger leisten FrankfurtRheinMain hat hier definitiv einiges zu bieten und muss sie außerdem einen maßgeblichen Beitrag zum Steueraufkommen der sich im internationalen Wettbewerb nicht verstecken. Hier gehen jeweiligen Kommune. Gründe genug also, dass auch Kommunen das Wirtschaftskraft und ein hoher Freizeitfaktor Hand in Hand. Die Region Thema Fachkräftesicherung als strategische Zukunftsaufgabe begrei- verfügt über vielfältige Ressourcen und hat alle Chancen, die Zukunft fen – ähnlich wie es von den Unternehmen erwartet wird. positiv zu gestalten. Wenn Auszubildende und Fachkräfte in der Region Mit Blick auf die Generationen Y und Z wird deutlich, dass ein gehalten oder in die Region geholt werden sollen, müssen alle maß- attraktives Gehalt alleine nicht mehr ausreicht, um die besten Mit- geblichen Institutionen und Akteure – egal ob Unternehmen, Behörden, arbeiter zu gewinnen, zu halten und zu motivieren. Weitere Kriterien Universitäten oder Schulen – an einem Strang ziehen. Denn auch beim gewinnen bei der Wahl des Arbeitgebers an Bedeutung – beispielsweise Thema Fachkräfte gilt: Gemeinsam sind wir stärker als allein. \ die Lebensraumqualität der Region. Qualifizierte Mitarbeiter werden nur dann für einen bestimmten Standort arbeiten wollen, wenn dieser das AUTOR Umfeld für ein sicheres, angenehmes und gut vernetztes Leben bieten PROF. MATHIAS kann: breite Sport- und Freizeitangebote, attraktive Innenstädte, gute MÜLLER Präsident, Betreuungsinfrastruktur für Kinder und Alte, modern ausgestattete IHK Frankfurt Schulen, vielfältiges Kulturangebot, ein gut ausgebauter öffentlicher praesident@frank- furt-main.ihk.de Personennahverkehr. Für die Standortwahl von Fachkräften und damit letztlich auch für Unternehmen werden weiche Standortfaktoren immer wichtiger. Diese ARBEITSMARK T Vergessene Potenziale erschließen Das Hessische Perspektivpro- zu gewinnen. Ziel des Pro- für Soziales und Integration gleichsabgabe bereitgestellt. gramm zur Verbesserung der gramms ist es, schwerbehin- arbeitet hierbei eng mit den Weitere Infos: Bildungswerk Arbeitsmarktchancen schwer- derte Menschen in ein regu- Agenturen für Arbeit und den der hessischen Wirtschaft, Re- behinderter Menschen (He- läres, möglichst dauerhaftes Jobcentern zusammen. Für gion Südhessen, Gloria Helm, pas II) bietet Unternehmen Beschäftigungs- und Ausbil- Maßnahmen und Einstellungen Telefon 0 61 51 / 2 71 09 66, finanzielle Anreize, behinder- dungsverhältnis zu vermitteln. bis 31. Dezember 2019 wer- E-Mail helm.gloria@bwhw.de, te Menschen als Fachkräfte Das hessische Ministerium den dafür Mittel aus der Aus- Internet www.bwhw.de. \ IHK WirtschaftsForum 03.18 9
FOTO: PICTURE-ALLIANCE / IKON IMAGES Mit einer klaren Positionierung sollten kleine und mittelständische Unternehmen die gesuchten Talente auf sich aufmerksam machen. RECRUITING BETRIEBE IN DER BEWERBERROLLE Wer heute neue Fachkräfte einstellen möchte, muss das Recruiting anders angehen als noch vor ein paar Jahren. Der Auf- und Ausbau digitaler Kompetenzen wird dabei zur Pflicht. Personaler müssen dort präsent sein, wo sich die gesuchten Talente aufhalten, nicht mehr umgekehrt. D er Arbeitsmarkt hat sich längst zu einem Bewerbermarkt gewan- die Geschäftsführung zeitgleich die Bereiche HR und Marketing delt, wo sich Kandidaten die passende Stelle im passenden Un- abdeckt, können eine Arbeitgebermarke aufbauen. Mitarbeiter- ternehmen aussuchen und sich die Arbeitgeber bei den Talenten Benefits, alternative Arbeitszeitmodelle, Homeoffice, Regionalität „bewerben“ müssen. Doch wie sieht eine moderne Bewerbungsmappe oder eine gute Verkehrsanbindung wiegen dabei oft mehr als Bonus- eines Unternehmens heute aus? Eine durchdachte Arbeitgeberpositio- zahlungen. Entscheidend ist vielmehr, dass Unternehmensangebot nierung, die die Attraktivität als Arbeitgeber und Unternehmen in den und Bewerberbedürfnis deckungsgleich sind und beide voneinander Vordergrund stellt, sollte das Fundament für Rekrutierungsmaßnahmen Kenntnis haben. bilden und sowohl die Rekrutierung der besten Kandidaten als auch Sind die Grundlagen für eine Arbeitgebermarke geschaffen, sollten deren Bindung zum Ziel haben. sich die Verantwortlichen im Unternehmen die zu besetzende Vakanz Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen genauer anschauen und im Rahmen eines Perspektivwechsels genau stehen vor der Herausforderung, die neuen, gesuchten Talente auf überlegen, was die Attraktivität der Stelle und der damit verbunde- sich aufmerksam zu machen. Dies kann jedoch nicht die alleinige nen Aufgaben für potenzielle Kandidaten ausmacht. Ähnlich wie in Aufgabe der Human-Resources(HR)-Abteilung oder des Personal- der klassischen Produktwerbung sollten die Produkteigenschaften, verantwortlichen sein. Eine Arbeitgebermarke kann nur entstehen, also die konkreten Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Vorzüge der wenn sie vom gesamten Unternehmen gelebt und getragen wird. offenen Position beschrieben und beworben werden. Denn am Ende Dazu bedarf es der Zusammenarbeit der Fachabteilungen HR und ist ein potenzieller Kandidat immer auch Konsument mit gelernten Marketing sowie Geschäftsführung. Auch kleine Betriebe, in denen Verhaltensweisen und Erwartungen. 10 IHK WirtschaftsForum 03.18
Fachkräftesicherung Gelernt durch Amazon und Co., erwartet der potenzielle Kandidat Je genauer die Zielgruppe definiert ist, desto effizienter können als Konsument auch bei einer Bewerbung eine ansprechende und Strategie und Kanäle für die Rekrutierung festgelegt werden. Um genaue Produktbeschreibung, eine Vorteilsargumentation, einfache beispielsweise jüngere Berufseinsteiger aus dem Officebereich zu Bestell- beziehungsweise Bewerbungsprozesse, und nicht zuletzt wird rekrutieren, die nach abgeschlossener Ausbildung gerade auf Stellen- er, wie bei Produkten, unterschiedliche Stellenausschreibungen und suche sind, sollten Kanäle gewählt werden, die dem Suchverhalten der Unternehmen miteinander vergleichen. Die letztendliche Entscheidung, Kandidaten entsprechen und für jüngere Zielgruppen interessant sind. sich für eine bestimmte Stelle zu bewerben, hängt von den jeweils Geht es bei der zu besetzenden Stelle dagegen um einen erfahrenen individuellen Jobvorstellungen (zum Beispiel Gehalt, Sozialleistungen, Spezialisten, beispielsweise aus der IT-Branche, wo bereits offensichtlich Arbeitszeitmodell, Entwicklungschancen) des Bewerbers ab. ist, dass es nur sehr wenige in einer bestimmten Region gibt, muss die Unternehmen sollten sich schon im Vorfeld genau überlegen, welche Vorgehensweise eine andere sein. Die Strategie könnte in diesem Fall Rekrutierungskanäle sie wählen. Bei der klassischen Stellenschaltung sein, im Rahmen von Active Sourcing passende Kandidaten ausfindig in gängigen Jobbörsen muss vorausgesetzt werden, dass die anzu- zu machen und direkt anzusprechen. In beiden Fällen ist die eigene sprechende Zielgruppe aktuell auf Stellensuche ist. Bei der Schaltung Attraktivität als Arbeitgeber oder Unternehmen und letztlich das per- von Werbebannern steht die Aufmerksamkeit oder Bekanntmachung sönliche individuelle Angebot an den Kandidaten erfolgsentscheidend. im Vordergrund. Eine aktive Jobsuche muss hier nicht vorausgesetzt Es lohnt sich in jedem Fall, ausreichend Zeit und Ressourcen für die werden, im Fokus steht eher die Inszenierung als attraktiver Arbeitgeber Definition der Zielgruppe einzuplanen. Anhand einer exakt definierten und das Wecken von Interesse. Zielgruppe fällt der Fokus auf die relevanten Kanäle um ein Vielfaches Bei der Suchmaschinenoptimierung (SEO) und Suchmaschinenwer- leichter. Letztlich geht es darum, ein Verständnis dafür zu entwickeln, bung (SEM) wird hingegen eine aktive Suche der favorisierten Zielgruppe welche Strategie, Methode und welcher Kanal zur entsprechenden Ziel- vorausgesetzt. Basiert SEO auf der aufwendigen technischen und text- gruppe passen. Dies wiederum ist die Voraussetzung, um das limitierte lichen Optimierung der eigenen Karriereseite und der Stellenangebote, Budget für die Rekrutierung besser auf die passenden Kanäle zu verteilen. um in Google eine bessere Positionierung im Suchergebnis zu erreichen, Eine qualifiziertere Kosten-Nutzen-Abwägung pro Kanal, wie es im so geht es bei SEM um die kostenpflichtige Buchung der relevanten Onlinemarketing bereits zum Standard gehört, ist damit auch zwischen Suchbegriffe und Einblendung von Anzeigen im Suchergebnis, zum den einzelnen Rekrutierungsmaßnahmen möglich – vorausgesetzt, die Beispiel bei Google Adwords oder Bing Ads. jeweilige Anzahl der qualifizierten Kandidaten wird pro Kanal bezie- Xing und LinkedIn wiederum bieten mehrere Möglichkeiten und hungsweise Maßnahme dokumentiert. Die rasante Entwicklung im Vorgehensweisen zur Rekrutierung. Zum einen können hier Stellen- Bereich der Rekrutierung wird sich zukünftig weiter beschleunigen. Die angebote veröffentlicht werden (Funktion einer Jobbörse) und zum fortschreitende Digitalisierung und die damit verbundenen Konzepte aus anderen ist es auch möglich, Bannerschaltungen zu buchen. Die weitaus Onlinemarketing und E-Commerce werden dabei sicherlich eine tragende häufiger genutzte Möglichkeit in diesen Netzwerken ist jedoch das Rolle spielen und machen eine engere Zusammenarbeit zwischen Human Active Sourcing. Hierbei wird vom Recruiter oder beauftragten Per- Resources, Marketing und IT notwendiger denn je. \ sonalberater nach potenziellen Kandidaten im Netzwerk gesucht und diese werden direkt angesprochen. Dies ist sicherlich eine aufwendigere AUTOR Rekrutierungsmöglichkeit, aber gerade hinsichtlich höher qualifizierter FRANK WAGNER Kandidaten und Spezialisten eine sehr erfolgreiche. Manager Online-Marketing Analog zu Onlineshops wie Amazon und Co., wo es für jedes Produkt Content & Ana- eine sehr genaue Käufer-Zielgruppendefinition gibt, muss bei einer lytics, Randstad Deutschland, vakanten Position eine exakte Kandidaten-Zielgruppe definiert werden. Eschborn Die Auswahl der einzelnen Kanäle im Recruitingmix ist dann wiederum frank.wagner2 @randstad.de abhängig von der jeweiligen Zielgruppe und gewählten Strategie. Azubion | Deine Erlebnistour Donnerstag, 7. Juni, 11 bis 15 Uhr, Eschborn Bei der Azubion-Erlebnistour Vorstellung des Angebots an zwischen den verschiedenen Eschborn, Wirtschaftsförde- präsentieren sich kleine, mitt- dualen Studiengängen, Ausbil- Unternehmen. Die Teilnahme ist rung, Telefon 0 61 96 / 4 90-127, lere und internationale Un- dungs- und Praktikumsmöglich- kostenfrei, eine Anmeldung ist E-Mail wirtschaft@eschborn. ternehmen und Einrichtungen keiten erwartet die Besucher nicht erforderlich. Veranstalter de, Internet www.azubion.de, in Eschborn allen interessier- ein spannendes Rahmenpro- ist die Stadt Eschborn, die IHK Social Media www.facebook. ten Schülern, Lehrkräften und gramm. Shuttlebusse sorgen Frankfurt ist Kooperations- de/azubion, www.instagram. Eltern vor Ort. Neben einer für eine perfekte Verbindung partner. Weitere Infos: Stadt com/azubion. \ IHK WirtschaftsForum 03.18 11
FOTO: GETTYIMAGES / WESTEND61 Zunehmend setzen zukunftsorientierte Unternehmen schon wäh- rend der Ausbildung junger Talente auf digitale Schwerpunkte. DIGITALISIERUNG ARBEITSWELT IM WANDEL Die Arbeit der Zukunft steht in engem Zusammenhang mit dem Megatrend der Digitalisierung. Um Veränderungsprozesse in Unternehmen künftig erfolgreich zu gestalten, müssen traditionelle und digitale Kompetenzen zusammenwirken. D igitalisierung bedeutet zunächst, dass Dinge, die in der Ver- Das geänderte Kommunikations- und Einkaufsverhalten von Kunden gangenheit ohne technische Unterstützung abliefen, vermehrt und Geschäftspartnern sowie die voranschreitende Vernetzung und online stattfinden. Im privaten Umfeld wird der digitale Wandel Automatisierung der Produktion führen unterm Strich zu einem dy- durch die weite Verbreitung von internetfähigen Smartphones und namischen Wettbewerbsumfeld. Bei der Digitalisierung handelt es sich Tablets vorangetrieben: Rund drei Viertel der deutschen Haushalte somit um ein wichtiges strategisches Handlungsfeld, dessen Chancen nutzen bereits fast täglich das Internet, und beinahe neun von zehn seitens der Unternehmen ergriffen werden sollten. Die Nutzung digitaler deutschen Internetnutzern suchen auch online nach Informationen zu Technologien sowie die Erbringung digitaler Dienstleistungen stellen Produkten und Dienstleistungen. auch neue inhaltliche Anforderungen an die betriebliche Aus- und Wei- Auch im industriellen Bereich findet eine zunehmende Vernetzung terbildung. Teils werden diese Anforderungen sogar in gänzlich neuen statt. Im Kontext der Industrie 4.0 melden Maschinen ihren Wartungsbe- Berufen umgesetzt, wie etwa im neu geschaffenen Ausbildungsberuf darf, Verbrauchsmaterial wird automatisch nachbestellt oder Werkstücke Kaufleute für E-Commerce. teilen den Maschinen im Fertigungsprozess die vom Kunden definierten Zudem ermöglicht es die Organisation des dualen Ausbildungssys- Spezifikationen mit. Die Arbeit der Zukunft wird entscheidend davon tems, neuen inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden. Aufgrund geprägt sein, wie sehr digitale Technologien und Geschäftsmodelle sich der technikneutralen und gestaltungsoffen formulierten Ausbildungs- auf einzelne Tätigkeiten sowie das Gesamtsystem Arbeit auswirken. ordnungen haben schon viele zukunftsorientierte Unternehmen digitale Hierbei werden sowohl Prozess- als auch Produktinnovationen eine Schwerpunkte in der betrieblichen Ausbildung umgesetzt. Darüber Rolle spielen. Welche konkreten Auswirkungen diese Entwicklung auf hinaus besteht die Möglichkeit des Angebots von Zusatzqualifikatio- einzelne Arbeitsplätze haben wird, ist schwer vorherzusagen. Aus Per- nen, wie es aktuell für die Metall- und Elektroindustrie im Kontext der spektive des Arbeitsmarktes lässt sich aktuell festhalten, dass es keine Industrie 4.0 in der Planung ist. Hinweise auf schwerwiegende Beschäftigungsrückgänge gibt. Vielmehr Laut Personalpanel 2014 des Instituts der deutschen Wirtschaft gilt eine Verschiebung von Tätigkeitsschwerpunkten und nachgefragten erwarten Geschäftsführer und Personalverantwortliche innerhalb der Kompetenzen als wahrscheinlich. nächsten fünf bis zehn Jahre für den Großteil ihrer Beschäftigten eine 12 IHK WirtschaftsForum 03.18
Fachkräftesicherung Unternehmen in Deutschland: LINKS ZUM THEMA Fit für die Digitalisierung? Ergebnisse einer Befragung von Personalleitern in Unternehmen im 2. Quartal 2017 Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) geförderte Kompe- tenzzentrum Fachkräftesicherung (www.kofa.de) informiert Unterneh- So viel Prozent der Unternehmen sind (sehr) stark von der Digitalisierung betroffen men unabhängig und kostenfrei zu den Themen Digitalisierung, digitale mit bis zu 49 Mitarbeitern 47 % Bildung sowie weiteren Aspekten einer guten Personalarbeit. Die Mit- mit 50 bis 249 Mitarbeitern 51 telstand-4.0-Kompetenzzentren (www.mittelstand-digital.de) stehen mit 250 bis 499 Mitarbeitern 50 mit 500 und mehr Mitarbeitern 67 ebenfalls als Ansprechpartner zur Verfügung. Ebenso möglich ist die fi- alle Unternehmen 51 nanzielle Förderung einer Prozessbegleitung durch akkreditierte Berater im Rahmen des BMWi-Förderprogramms „go-digital“ (www.innovation- beratung-foerderung.de). Wie gut sind die Mitarbeiter auf die Digitalisierung vorbereitet? weniger gut/ Betroffene Unternehmen aus (sehr) gut schlecht Industrie 42 % 54 % 46 % Handel 55 54 46 DIGITALISIERUNGSPROJEKTE IN FÜNF SCHRITTEN PLANEN Dienstleistungen 56 70 31 Schritt 1: Verstehen, worum es eigentlich geht Es gilt, sich nicht von der teils überhitzten Digitalisierungsdiskussi- Quelle: Randstad, ifo Institut rundungsbed. Differenz © Globus 11972 on irritieren zu lassen und sich über die Chancen der Digitalisierung unabhängig zu informieren. Beispielsweise anhand der Handlungs- empfehlungen und Praxisbeispiele des Kompetenzzentrums Fachkräfte- steigende Bedeutung folgender Kompetenzen: Kommunikations- und sicherung. Kooperationsfähigkeit (78 Prozent), Planungs- und Organisationsfä- Schritt 2: Anknüpfungspunkte identifizieren higkeit, Selbstständigkeit (76 Prozent), berufliches und betriebliches Die Digitalisierung innerhalb eines Unternehmens sollte nicht zum Fachwissen (66 Prozent), berufsspezifische Onlinekompetenzen (62 Selbstzweck stattfinden, und nicht jedes Digitalisierungsprojekt ist per Prozent), technisches Fachwissen (57 Prozent), kaufmännisches und se besser als der Status quo. Damit Maßnahmen dauerhaft zum Ge- betriebswirtschaftliches Fachwissen (56 Prozent), IT-Fachwissen und schäftserfolg beitragen können, sollten diese in der jeweiligen Unter- nehmensstrategie verankert werden. Softwareprogrammierung (52 Prozent). Demzufolge spielen neben dem beruflichen und betrieblichen Schritt 3: Projekte bewusst auswählen Erfahrungswissen insbesondere Selbst- und Sozialkompetenzen Im laufenden Geschäftsbetrieb bedeutet Digitalisierung nicht, alle vor- in Zukunft eine noch wichtigere Rolle. Traditionelle und digitale handenen Prozesse auf einmal umzukrempeln. Vielmehr erscheint es in den meisten Fällen sinnvoll, Schritt für Schritt Erfahrungen zu sammeln Kompetenzen ergänzen sich insofern, dass zur Bewältigung von und ein Gefühl dafür zu erhalten, wie sich Projekte initiieren und steu- Veränderungsprozessen im Unternehmen beide Kompetenzbereiche ern lassen. Von daher ist eine Priorisierung sehr wichtig, um besonders zusammenwirken müssen. jene Bereiche zu fokussieren, die für den Geschäftserfolg wichtig er- Auch betriebliche Lernprozesse selbst laufen zunehmend digital scheinen. ab. Die aktuelle Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Schritt 4: Beschäftigte mitnehmen Wirtschaft zeigt, dass Unternehmen immer stärker auf digitale Lern- Die Erfolgschancen von Digitalisierungsaktivitäten sind deutlich größer, formate setzen. Beispielsweise bieten rund die Hälfte der Unternehmen wenn Mitarbeiter von Anfang an mit im Boot sind. So kann ein Klima bereits heute Lernvideos, Onlinekurse oder computerbasierte Selbst- geschaffen werden, in dem ein offener Austausch über mögliche Be- denken oder weitere Ideen und Verbesserungsvorschläge möglich ist. lernprogramme an, und etwa 30 Prozent setzen in der betrieblichen Weiterbildung unter anderem auf Apps. Schritt 5: Anfangen Das Lernen mit digitalen Medien (E-Learning) bietet Unternehmen Mitarbeitern sollten die benötigten Ressourcen (Informationen, Weiter- und Beschäftigten verschiedene Potenziale. Hierzu gehört beispiels- bildung, Arbeitszeit, technische Infrastruktur et cetera) zur Verfügung gestellt und eindeutige Zuständigkeiten vergeben werden. weise die größere zeitliche und räumliche Flexibilität des Lernens, die es leichter macht, Weiterbildung in betriebliche Abläufe zu integrieren. Die multimediale und damit häufig greifbarere Darstellung von Lernin- halten kann den Zugang zu bestimmten Lerninhalten vereinfachen. Um diese Potenziale praktisch umzusetzen, bleiben pädagogische Konzepte und didaktische Kompetenz seitens des betrieblichen und schulischen Lesen Sie unser 03 2 0 18 Bildungspersonals genauso wichtig wie bei klassischen Lernformen. \ VERLAGSTHEMA mit interessanten accadis Hoc Wir haben Experten hsch Ihre digita ule len AUTOR Seite 4 DAVID B. Beiträgen zum MEINHARD Referent für Digi- tale Bildung und Thema Aus- und Weiterbildung Duales Stud E-Learning, Kompe- Der Aufwärtst ium rend hält an Seite 5 tenzzentrum Fach- kräftesicherung, ab Seite 60. RossHel He c / RossH len elen Helen een IW Köln, mein- tock Aus- und W toc sto kst nkst st Foto: Think eiterbildung hard@iwkoeln.de ww w.z arb ock .de Impressum: Druck- und Die Textbeit Verlagshaus räge in diesem Zarbock GmbH Verlagsthema & Co. KG, wurden von Sontraer Straße den werbend 6, 60386 en Unterne Frankfurt am hmen verfasst Main, Telefon . 0 69/42 09 03-75 IHK WirtschaftsForum 03.18 13
NEUER AUSBILDUNGSBERUF DIE DIGITALEN KAUFLEUTE KOMMEN Während der stationäre Einzelhandel stagniert, wächst der Onlinehandel ungebremst. Trotzdem spielte dieses Segment in der Ausbildung im Einzelhandel bisher nur eine untergeordnete Rolle. Das ändert sich am 1. August: Dann geht die neue duale Ausbildung Kaufmann/-frau im E-Commerce an den Start. FOTO: GETTYIMAGES / MYILLO Online- und Versandhandel 2017 Umsatz im Online- und Versandhandel in Deutschland in Milliarden Euro Top-10-Waren in Milliarden Euro 58,5 Mrd. € Bekleidung 11,8 Mrd. € Online* 52,7 Elektronikartikel, klassisch (z. B. Katalog) Telekommunikation 9,9 46,9 42,8 Computer, Zubehör, 4,4 Software 39,1 Schuhe 3,8 Haushaltswaren, H 3,8 27,6 -geräte Möbel, 3,8 21,7 Lampen u.ä. 18,3 Bücher, Bü E-Books, 3,4 Hörbücher Quelle: bevh, HDE 15,1 12,3 Hobby, Freizeitartikel 2,8 13,6 9,2 12,0 11,7 5,5 Videos, Musik 2,3 7,4 3,7 Mrd. € 4,4 Baumarkt, Garten 1,8 2009 10 11 12 13 14 15 16 2017 *einschließlich Händler, die Mischformen der Bestellung anbieten (Katalog, Telefon, Internet) Befragung von 40 000 Personen ab 14 Jahren von Januar bis Dezember 2017 © Globus 12259 Mit der Evaluierung der Berufe im Einzelhandel war seit August bereits die Ausbildung in einer neuen Wahlqualifikation „Onlinehandel“ möglich. Doch schnell war klar, dass das spezielle Segment E-Commerce einen eigenen Beruf benötigt, der die besonderen Aufgabenstellungen Die Ausbildung für Kaufleute im E-Commerce bewältigen kann. E-Commerce ist mehr als nur Versandhandel: Von der ist eine gute Alternative zum Studium. Personalsuche, der Steuererklärung über die Buchung eines Urlaubes, den Abschluss einer Versicherung bis hin zum Onlinebanking kann D er stark wachsende Wirtschaftsbereich E-Commerce leidet unter mittlerweile vieles online abgewickelt werden. erheblichem Fachkräftemangel. Die Qualifikationen, die in den bis- Der Beruf Kaufmann/-frau im E-Commerce wird künftig schwer- herigen Ausbildungsberufen vermittelt werden, passen nämlich nur punktmäßig im Handel (Einzel-, Groß- und Außenhandel) ausgebildet. teilweise zu den vielfältigen und speziellen Anforderungen im Bereich des Er kann aber auch für andere Branchen wie touristische Unternehmen, E-Business. Deshalb haben DIHK, HDE und BEVH in Zusammenarbeit mit Un- Dienstleistungsanbieter oder Hersteller, die ihre Angebote online ternehmen einen neuen dualen Ausbildungsberuf erarbeitet: Kaufmann/-frau vertreiben, infrage kommen. Ziel ist es, auch solche Betriebe für die im E-Commerce. Ab August 2018 kann der neue Beruf ausgebildet werden. duale Ausbildung zu gewinnen, die bisher wenig oder gar nicht aus- Mit dem maßgeschneiderten dualen Ausbildungsberuf Kauf- bilden, da bislang ein entsprechender Beruf fehlte. Für Unternehmen, mann/-frau im E-Commerce wird eine auf digitale Geschäftsmodelle die in der Vergangenheit Studienabbrecher oder junge akademische und -prozesse ausgerichtete kaufmännische Qualifikation angeboten, die Quereinsteiger an die betrieblichen Anforderungen heranführen eine solide und breite Basis für den Fachkräftenachwuchs im Handel legt. mussten, ist die neue und hochwertige duale Ausbildung eine sehr Die Erarbeitung des Fachwirts im E-Commerce hat ebenfalls begonnen. gute Alternative zum Studium. Ausbildende Unternehmen können Das E-Business besteht zu 70 Prozent aus Versandhandel im Internet zum Beispiel aus folgenden Bereichen kommen: Einzel- oder Groß- bestellter Waren. Der E-Commerce hat bereits den Versandhandel via handel, Dienstleistungen, Tourismus, Logistik, Mobilität, Banken und Katalog abgelöst, aber damit nicht genug. Er eröffnet neue Wege der Versicherungen. Kundenansprache und erhöht durch die Internetpräsenz die Reichweite. Der Kompetenzerwerb findet über 36 Monate hinweg sowohl im Traumhafte Steigerungsraten sind die Folge. Die Zuwachsprognose Ausbildungsbetrieb als auch in der Berufsschule statt. Kaufleute im für das Jahr 2017 liegt bei etwa zehn Prozent. Damit erreichte das E-Commerce wählen Vertriebskanäle aus und setzen diese ein. Sie Onlinehandelsvolumen im vergangenen Jahr knapp zehn Prozent des analysieren das Nutzerverhalten, kooperieren mit internen und exter- Handelsvolumens des deutschen Einzelhandels, Tendenz steigend. nen Dienstleistern und sind mit den rechtlichen Regelungen vertraut Während der Einzelhandel stagniert, wächst der Onlinehandel weiterhin. (unter anderem Wettbewerbsrecht, Urheberrecht, Datenschutz). Sie 14 IHK WirtschaftsForum 03.18
Fachkräftesicherung sorgen für die Beschaffung und das Einstellen von Produktdaten in kundenfreundlicher Form. Sie legen Angebotsregeln fest, wählen KONTAKT Bezahlsysteme aus, setzen Testmethoden ein und werten diese aus. Weitere Infos zur Ausbildung für Kaufmann/-frau im E-Commerce bei Die angehenden Fachkräfte setzen agile Arbeitsweisen ein und Daniel Friedrich, Ausbildungsberater, Telefon 0 69 / 21 97-15 16, E-Mail d.friedrich@frankfurt-main.ihk.de, Internet www.frankfurt-main.ihk. nehmen die Planung, Umsetzung und Auswertung von Projekten vor. de/e-commerce. Dazu gehört auch die Beschaffung und Auswertung von englischspra- chigen Informationen. Weitere Schwerpunkte legt die Ausbildung auf die Kundenkommunikation über verschiedene Kanäle, die Vorbereitung ARBEITSLOSE IM IHK-BEZIRK FRANKFURT und Durchführung von Maßnahmen des Onlinemarketings, das Planen Die Zahl der Arbeitslosen ist in den Kommunen des IHK-Bezirks zwi- und Optimieren der Customer Journey sowie die Anbahnung und Ab- schen 2012 und 2017 um rund 2 900 Personen zurückgegangen. Ende wicklung von Online-Waren- und Dienstleistungsverträgen (inklusive Januar lag die Arbeitslosenquote sowohl in der Stadt Frankfurt (5,9 Pro- der Organisation von Rückabwicklungsprozessen). Zudem erwerben zent) als auch im Main-Taunus-Kreis (3,6 Prozent) und Hochtaunuskreis die angehenden Kaufleute der dreijährigen Ausbildung Know-how (3,7 Prozent) deutlich niedriger als noch vor fünf Jahren. Die Top-5- Gemeinden (prozentual): Sulzbach (minus 20,7 Prozent), Hofheim (mi- für den Einsatz kennzahlenbasierter Instrumente der kaufmännischen nus 17,5 Prozent), Grävenwiesbach (minus 16 Prozent), Kriftel (minus Steuerung und zur Durchführung von Kundenwertanalysen. \ 14,6 Prozent) und Schwalbach (minus 14,4 Prozent). AUTOR DANIEL ZAHL DER AUSZUBILDENDEN IM IHK-BEZIRK FRANKFURT FRIEDRICH Ausbildungs- Im Jahr 2017 bildeten die Betriebe im IHK-Bezirk Frankfurt knapp berater, 12 900 Menschen im Rahmen der dualen Berufsausbildung aus. Rund IHK Frankfurt 4 800 Ausbildungsverhältnisse wurden in 2017 neu eingetragen. Im d.friedrich@ IHK-Bezirk existieren 21 Berufsschulen, die für viele Berufe Gebiets- frankfurt- main.ihk.de oder sogar Landesfachklassen anbieten können und somit ein wichtiger Standortfaktor für die Region sind. IHK WirtschaftsForum 03.18 15
ERFOLGSFAK TOR FAMILIE „ALTE DENKMUSTER AUFBRECHEN“ Ein Gespräch mit Kirsten Frohnert, Projektleiterin, Netzwerkbüro „Erfolgsfaktor Familie“, Berlin, über eine familien- freundliche Arbeitskultur sowie die Balance zwischen Wünschen der Beschäftigten und betrieblichen Erfordernissen. Frau Frohnert, was bedeutet neue Vereinbarkeit ganz konkret für Sie? FROHNERT: Die neue Vereinbarkeit drückt das gemeinsame Verständnis von Wirtschaft, Politik und Verbänden aus, dass familienbewusste Kirsten Frohnert, Projektleiterin, Netzwerk- Arbeitsbedingungen ganz wesentlich zu einer erfolgreichen wirt- büro „Erfolgsfaktor Familie“: schaftlichen Entwicklung beitragen. Ich begrüße sehr, dass die neue „Vereinbarkeit ist keine Frage mehr des Ob, Vereinbarkeit eine familienbewusste Unternehmens- und Arbeitskultur sondern des Wie. Aber alte Denk- und Hand- lungsmuster aufzubrechen und Veränderun- in den Mittelpunkt rückt. Damit durchdringt Familienfreundlichkeit alle gen in der Arbeits- und Unternehmenskultur Bereiche des Unternehmens und richtet sich an Frauen und Männer. zu initiieren, ist nicht immer einfach.“ Eine partnerschaftliche Vereinbarkeit wird möglich. Wo stehen die Unternehmen heute beim Thema neue Vereinbarkeit? FROHNERT: Die Mitglieder im Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ zeigen, dass sie im Aufbruch sind: Der Arbeitsmarkt verändert im Unternehmensnetzwerk gute Beispiele, wie Apps die Baustel- sich, Bewerber und Beschäftigte formulieren ihre Erwartungen klarer, lendokumentation erleichtern und Fahrtwege überflüssig machen, die Personalarbeit wird individueller. Vereinbarkeit ist keine Frage mehr also helfen, Zeit zu sparen. Oder wie digitale Tauschbörsen auch im des Ob, sondern des Wie, also wie man sie ausgestaltet. Dabei muss es Schichtdienst eine bessere Vereinbarkeit ermöglichen. gelingen, Wünsche der Beschäftigten und betriebliche Erfordernisse auszubalancieren. Aber alte Denk- und Handlungsmuster aufzubre- Neue Vereinbarkeit: Wunsch oder Wirklichkeit? chen und Veränderungen in der Arbeits- und Unternehmenskultur zu FROHNERT: Wir als Netzwerkbüro wollen weiterhin dafür sensibilisie- initiieren, ist nicht immer einfach. ren, dass sich die betrieblichen Vereinbarkeitsangebote auch an Väter, Pflegende oder Führungskräfte richten. Das ist noch nicht überall Welche Themen müssen noch stärker in den Vordergrund gestellt selbstverständlich. werden? FROHNERT: Die Chancen, die für eine gute Vereinbarkeit in der Di- Was empfehlen Sie Unternehmen, wenn sie die Vereinbarkeit von gitalisierung liegen, werden noch nicht ausgeschöpft. Viele denken Beruf und Familie fördern möchten? dabei an die Wissensarbeiter, die mit dem Laptop mobil arbeiten. FROHNERT: Wir empfehlen den Betrieben, alle Beschäftigten in den Aber welche digitalen Lösungen unterstützen die Vereinbarkeit bei- Blick zu nehmen und passgenaue Maßnahmen anzubieten. Kennt spielsweise in der Produktion oder in Schichtbetrieben? Wir haben man den Vereinbarkeitsbedarf der Beschäftigten wirklich? Diesen kann man über eine Beschäftigtenbefragung oder auch in Mitarbei- tergesprächen ermitteln. Das Thema Pflege ist beispielsweise in vielen FAMILIE UND ARBEITSWELT Betrieben noch ein Tabu. Vielleicht ist die flexiblere Pausenregelung Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, darunter auch der Deut- geeignet, die Vereinbarkeit zu erleichtern, weil man Angehörige zu sche Industrie- und Handelskammertag, erarbeiteten 2015 gemein- einem Arztbesuch begleiten kann. Manchmal sind es schon kleine sam mit dem Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Gewerk- Dinge, die wirken. Wichtig ist weiterhin, offen zu kommunizieren und schaftsbund das Memorandum „Familie und Arbeitswelt – Die neue Vereinbarkeit“. Damit gelang den Partnern aus Wirtschaft, Politik und Angebote transparent zu machen. Klare Regeln geben zudem allen Gewerkschaften ein zukunftsweisender Konsens für eine lebensphasen- Beteiligten, also Beschäftigten und Führungskräften, die notwendige orientierte Arbeitszeitgestaltung. Vor Kurzem erschien der „Fortschritts- Sicherheit darüber, was im Betrieb geht und was nicht. Und natürlich index 2017“. Dieser zeigt anhand von Zahlen und Fakten in den wich- sollten Betriebe reflektieren, ob ihre Kultur einlädt, die Angebote auch tigen Handlungsfeldern der neuen Vereinbarkeit messbare Erfolge und die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre auf – unter ande- zu nutzen. \ rem die steigende Väterbeteiligung im Elterngeld, die steigende Müt- tererwerbstätigkeit und das steigende Engagement von Unternehmen. INTERVIEW Der Fortschrittsindex 2017 ist online unter www.bmfsfj.de (Suchbegriff CHRISTIAN WEßLING VICTORIA LASSAK „Fortschrittsindex“) abrufbar. Infos rund um das Thema Familienfreund- Chefvolkswirt, IHK Frankfurt Referentin, Wirtschafts- lichkeit in Unternehmen bietet das Unternehmensprogramm „Erfolgs- c.wessling@frankfurt-main.ihk.de politik und Metropolenent- faktor Familie“ unter www.erfolgsfaktor-familie.de. wicklung, IHK Frankfurt v.lassak@frankfurt-main.ihk.de 16 IHK WirtschaftsForum 03.18
Fachkräftesicherung BERUF UND FAMILIE DIE NEUE VEREINBARKEIT Wirtschaft, Politik und Gesellschaft haben in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit viel Engagement große Fortschritte erzielt. Unternehmen haben damit zugleich ihre Attraktivität als Arbeitgeber erhöht. F ür immer mehr Unternehmen sind Vereinbarkeitsmaßnah- FOTO: PICTURE-ALLIANCE / WESTEND61 men ein zentraler Hebel zur Fachkräftesicherung und zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Dabei wird immer deutlicher, dass Vereinbarkeit längst kein Wohlfühlthema mehr ist, sondern auch klare betriebswirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. Dies belegt beispielsweise eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger, die ein Renditepotenzial von bis zu 25 Prozent auf die getätigten Investitionen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermittelt. Dabei hat die Vereinbarkeit viele Gesichter: Eine alleinerziehen- de Mutter arbeitet Vollzeit als Pflegekraft. Ein Ingenieur reduziert vorübergehend seine Arbeitszeit, damit seine Frau einen wichtigen Karriereschritt machen kann. Ein Facharbeiter pausiert wegen des pflegebedürftigen Vaters ein halbes Jahr. Ein Vertriebsfachmann arbeitet jeden zweiten Montag von einem anderen Arbeitsort aus, um seine Ansatzpunkte für eine familienorientierte Arbeits- und Prozessorganisation gibt es in jedem Unternehmen. Kinder am Wochenende sehen zu können. Möglichkeiten und Ansatzpunkte für eine familienbewusste Arbeitsorganisation in Unternehmen gibt es also viele. Nicht alle Flexibilisierung des Arbeitsortes vorantreiben. Beides geht häufig Hand eignen sich überall gleichermaßen. In dem einen Betrieb werden sich in Hand. Allerdings ist mobiles Arbeiten nicht für alle Beschäftigten flexible Arbeitsformen eher organisieren lassen als in dem anderen. gleichermaßen geeignet beziehungsweise nicht von allen Beschäftig- Teaminterne Absprachen über bestimmte Arbeitsarrangements las- ten erwünscht. Deshalb bedarf es neben der Identifikation geeigneter sen sich möglicherweise häufiger umsetzen. Vereinbarungen über Aufgaben(-teile) auch entsprechender Rahmenbedingungen am jewei- Belegplätze in einer Kindertageseinrichtung mögen sich vor allem ligen Arbeitsplatz. Die technischen Voraussetzungen müssen genauso dort anbieten, wo sich in der näheren oder weiteren Nachbarschaft wie die Anforderungen an Arbeits- und Datenschutz erfüllt sein, um eine Kita befindet. mobile Arbeit zu ermöglichen. Viele dieser Beispiele gelten als Bausteine im Rahmen des Konzeptes der sogenannten neuen Vereinbarkeit. Diese ist durch drei verbindende Lebensphasenorientierung Elemente charakterisiert: Durch eine lebensphasenorientierte Personalpolitik können Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben an die unterschiedlichen Flexible Arbeitsorganisation Anforderungen in verschiedenen Lebensphasen der Beschäftigten an- Ein wesentliches Handlungsfeld für die neue Vereinbarkeit ist eine gepasst werden. Ziel ist es, den Mitarbeiter in jeder seiner individuellen flexible Gestaltung von Arbeitszeit und Arbeitsort, verbunden mit Lebensphasen optimal zu unterstützen und zu fördern. Also egal, ob Planbarkeit und Verlässlichkeit für den Arbeitnehmer und -geber. Durch sich der Mitarbeiter in Ausbildung, Eltern- oder Erziehungszeit befindet, mehr familienorientierte Flexibilität entstehen für die Beschäftigten ob er Angehörige pflegt oder sich selbst im Vorruhestand befindet: Freiräume, welche die Attraktivität eines Unternehmens auf dem Flexibilität ist das Stichwort. \ Arbeitsmarkt erhöhen können. Die Gewinnung von Arbeitskräften und eine ausgewogene Personaldecke sind Einflussgrößen, die – im AUTOREN Interesse des Unternehmens und der Beschäftigten – nicht aus dem CHRISTIAN WEßLING VICTORIA LASSAK Blick geraten dürfen. Vollzeitnahe Teilzeitstellen gewinnen dabei Chefvolkswirt, Referentin, Wirt- IHK Frankfurt schaftspolitik und weiter an Bedeutung. c.wessling@frank- Metropolenentwick- furt-main.ihk.de lung, IHK Frankfurt v.lassak@frankfurt- Flexibilisierung des Arbeitsortes main.ihk.de Für bestimmte Tätigkeitsfelder und Berufsgruppen wird die Digitali- sierung sowohl die Individualisierung der Arbeitszeiten als auch die IHK WirtschaftsForum 03.18 17
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