Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ

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Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Ausgabe 2 / 2018

Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung

                                       Besonders
Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Inhalt
Liebe                                                             Thema
                                                                  8     Besonders …

Leserinnen                                                        Pflege
und Leser!                                                        11 Das Leben mit einem ganz besonderen Kind
                                                                  13 Besonders
In meiner Tätigkeit im Hospiz- und Palliativbereich begegne
ich immer wieder BESONDEREN Menschen, sowohl bei                  Medizin
meinen Kolleginnen und Kollegen, als auch bei den von uns
betreuten Menschen.                                               15 Unser Leitthema

Oft höre ich von Außenstehenden, dass die Mitarbeiter             PatientInnen
auf der Palliativstation „besonders“ sind, genau könne man
                                                                  17 Nicolas aus Ghana
es nicht erklären, aber sie sind in jedem Fall „anders als auf
den anderen Stationen“. In diesem „besonders“ oder „anders“       19 Du bist etwas Besonderes
steckt meiner Meinung nach viel Arbeit und viel Wissen, es
ist das Zugehen auf den Menschen, das Zeitnehmen, das Zu-         Ehrenamtliche
hören und auf den anderen Eingehen.                               21 Eine besondere Begleitung
Giovanni Majo hat in seinem Vortrag Anfang Oktober                22 Dann der freie Fall …
bei der Jubiläumsfeier des Klinischen Ethikkommitees im
Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz auf die             Angehörige
Wichtigkeit dieses Zuganges zu den Menschen hingewiesen,
er hat uns angehalten, diesen Beziehungsfaktor zu pflegen.        23 Eine ganz besondere Zeit
Ein wertvolles Gut.                                               25 Ihr Leben gemeistert

Genauso wichtig ist es, das Wertvolle und Besondere in al-
                                                                  Weitere Sichtweisen
len Patientinnen und Patienten zu suchen, die uns anvertraut
sind. Es ist oft nicht einfach, allen mit der gleichen Aufmerk-   27 Bestattungskultur verbunden mit Tradition
samkeit und der gleichen Wertschätzung gegenüberzutreten.         28 Hebammen – Besonders! Besonders?
So ganz ohne Vorurteile werden wir es wohl nicht schaffen,        30 Besonders – VS Seewalchen
wir gehen ja auch immer mit unserer eigenen Geschichte hin.

Besondere Zuneigung durfte ich heuer in der Betreuung             Aktuelles & Nützliches
der geistig beeinträchtigten Sportler im Rahmen der Special       29 Literaturtipps
Olympics hier in Oberösterreich erfahren. Auf dringendes          32 Neues aus den Regionen
Anraten meiner zehnjährigen Tochter haben wir dort als Vo-
                                                                  46 Kontakte Hospiz & Palliative Care OÖ
lunteers gearbeitet, der Benefit für uns beide überwog klar
die körperlichen Anstrengungen. Menschen mit geistiger
Beeinträchtigung werden auch oft mit dem Terminus „an-
ders“ benannt, ich denke, auch hier kann man das „anders“ in
„besonders“ umbenennen. Ich freue mich, dass sich zum The-

                                                                      Kontakt
ma Palliative Care bei Menschen mit Beeinträchtigung bald
ein eigener Lehrgang, beginnend in Kärnten, formieren wird.

Ihnen wünsche ich besondere Begegnungen, die Sie in Ihrer             Landesverband Hospiz OÖ
Palliativ- und Hospizarbeit weitermachen lassen!                      Büroleitung: Wolfgang Wöger & Andrea Peterwagner
                                                                      Pfalzgasse 2, 4055 Pucking
                                        Dr.in Christina Grebe         Telefon: 0699 173 470 24; E-Mail: lvhospizooe@gmx.at
                 Vorsitzende des Landesverbandes Hospiz OÖ            Bürozeiten Montag und Mittwoch: 8.30 - 15.30

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Landesverband

Bitte um Ihre Unterstützung                                                                  Web-Site
In den letzten 10 Jahren hat sich die Fi-    Spendenkonto: Hypo OÖ, IBAN AT56                Landesverband
nanzierung der Hospiz- und Palliative        5400 0000 0037 9313, BIC: OBLAAT2L
Care - Versorgung auch in Oberöster-         Auch die Mitarbeit von Freiwilligen             Hospiz OÖ
reich deutlich verbessert.                   ist ein wichtiges Element in der Hos-           Auf http://www.hospiz-ooe.at fin-
Nach wie vor ist diese aber auf Spen-        piz- und Palliative Care-Versorgung.            den Sie ausführliche Informatio-
den angewiesen, ebenso die Mitglieds-        Engagieren können Sie sich z. B. bei            nen zu den Themen Hospiz und
vereine des Landesverbandes Hospiz           allen unabhängigen Hospizbewegun-               Palliative Care, dazu Adressen und
Oberösterreich.                              gen in OÖ, bei der Caritas OÖ und               Weiterbildungsangebote in Ober-
Mit Ihren finanziellen Beiträgen unter-      beim Roten Kreuz OÖ.                            österreich und Informationen zu
stützen Sie unsere Arbeit und setzen so      Mitarbeit ist ebenso immer wieder               Projekten des Landesverbandes.
Impulse, die Begleitung in der letzten Le-   bei der Realisierung von Veranstal-             Wir freuen uns auf Ihren Besuch
bensphase zu verbessern und Akzente in       tungen und Projekten des Landesver-             auch dort!
der Öffentlichkeitsarbeit zu setzen:         bandes gefragt.

 Interdisziplinärer
                                             Besondere Augenblicke
                                             Eine halb geöffnete, etwas verstaubte
 Basislehrgang für                           Türe führt in dieses Heft … sie ist trotz
 Palliativpflege am                          ihres Alters etwas Besonderes. Und so
                                             sind auch die Texte und Fotografien auf
 BFI in Linz                                 das Besondere hingerichtet. Für mich ist
                                             es gerade auch der Blick auf das Detail,
 Weiterbildung nach GuKG § 64                der Einzigartiges hervorbringt – Schön-
                                             heit, die nicht auf den ersten Blick er-
 Dauer des Lehrganges:                       sichtlich ist, im Vorbeigehen schnell
 25. April 2019 – 23. April 2020             übersehen wird. Die Intention meiner
                                             Fotografien ist, diese Schönheit be-
 Lehrgangsleitung:                           wusst wahrzunehmen. Detail (französ.
 DDr.in Sabine Wöger                         „abteilen“) bezeichnet eine Einzelheit,
                                             einen Ausschnitt aus einem größeren           Foto: Sabine Prötsch
 Nähere Auskünfte, Homepage:                 Ganzen. Die Übung, Aufmerksamkeit
                                             auf „besondere“ Augenblicke zu richten,       ten im Alltag den un-alltäglichen Blick
 www.bfi-ooe.at
                                             auf Farben, Formen, Struktur und At-          zu üben, zu schauen und für sich neue
 Tel.: 0810/004 005,                         mosphäre, führt zu Einzelheiten, aber         Seh-räume zu eröffnen. Viel Freude
 Email: service@bfi-ooe.at                   auch zum großen Ganzen. Ich lade Sie          wünsche ich Ihnen dabei.
                                             ein, innezuhalten, wahrzunehmen, mit-                 DGKP Angelika Schwarz, MSc.

  Dank & Impressum
  Vielen Dank allen MitarbeiterInnen         fer, Doris Fasthuber, Ursula Leithinger,    Spenden auf Grundlage des EStG. Ihre
  der regionalen Hospiz-Stützpunkte          Michaela Linek, Alois Jaburek, Claudia      Spende wird an die Mitglieder des Lan-
  und Palliativstationen für ihre Beiträge   Kargl, Elisabeth Neureiter, Gerald Pra-     desverbands Hospiz OÖ weitergeleitet
  für Lebenswert. Fotos, wenn nicht an-      mesberger, Veronika Praxmarer, Brigit-      und dabei Ihre Daten (Name, Adres-
  ders angegeben, Angelika Schwarz.          te Riedl, Angelika Schwarz, Wolfgang        se und Spendebetrag) weitergegeben.
  Für den Inhalt verantwortlich:             Wöger, Karin Zwirzitz; Lektorat: Ste-       Weitere Infos zum Datenschutz finden
  Dr.in Christina Grebe                      fan Maringer.                               Sie hier: www.hospiz-ooe.at
  Pfalzgasse 2, 4055 Pucking                 Die Verarbeitung Ihrer Daten erfolgt        Wollen Sie Lebenswert abbestellen,
  Redaktionsteam: Anneliese Amerstor-        nur zu Verwaltungszwecken Ihrer             nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf!

                                                                                                                                  3
Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Landesverband

Der Vorsorgedialog© in oö. Alten- und
Pflegeheimen
Der Vorsorgedialog® (VSD) ist ein             OÖ und des Landesverbandes Hospiz          Die medizinethische und juristische
strukturiertes, in definierten Zeitab-        OÖ durchgeführt.                           Komplexität von vielfach krisenhaften
ständen wiederholt geführtes Ge-                                                         und prekären Lebenssituationen er-
spräch, welches auf Wunsch der                Ausgangslage                               fordert eine verlässliche Informations-
Heimbewohner/-innen durchgeführt              Innerhalb von Teams in geriatrischen       grundlage über verbale bzw. nonverbale
wird. Gesprächsteilnehmende sind              Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen        Willensbekundungen, eingebettet in
der/die Bewohner/-in, das betreuende          führen zuvor verbal deklarierte Wil-       eine EDV-gestützte und rasch zugäng-
und hierfür eigens geschulte Betreu-          lenserfassungen von Bewohner/-innen        liche Dokumentation.2
ungs- und Pflegepersonal, die Ärztin/         dann zu moralischem Stress und Dis-
                                                                                         Inhalte
der Arzt, Angehörige, Vertrauens-             sonanzen, wenn diese beispielswei-
personen bzw. gesetzliche Vertreter/-         se situativ fragwürdig erscheinen, gar     Im Anschluss an die Erhebung des
innen der Bewohner/-innen. Sofern             nicht bzw. seit längerem nicht hinter-     Ist-Zustandes seitens der Bewohner/-
ein Bewohner/eine Bewohnerin zum              fragt wurden, sich die Personen in einer   innen und Gesprächsteilnehmenden
Gesprächszeitpunkt urteilsfähig ist,          fortgeschrittenen Phase einer Demen-       werden Willensäußerungen zu einem
entspricht der VSD einer beachtlichen         zerkrankung befinden, bzw. wenn die        guten Leben und würdigen Sterben
Patientenverfügung. Im § 239 (2) des          Erkrankten nicht mehr einsichtsfähig       erfasst. Diese beziehen sich sowohl auf
Erwachsenenschutzgesetzes i. d. F. vom        sind. Beispielhaft sei die Frage nach      psycho-soziale und spirituelle, medizi-
25.04.2017 findet der VSD seine Ver-          der Entscheidung, ob und zu welchem        nische, betreuerische und pflegerische
ankerung.1 Entwickelt wurde der VSD           Zeitpunkt die Durchführung einer pa-       Interventionen, wie auch auf den Ster-
unter der Leitung des Dachverbandes           renteralen Ernährungstherapie erfol-       beprozess und auf Wünsche, die die
Hospiz Österreich. In Oberösterreich          gen soll, genannt. Dies erfordert eine     Zeit nach dem Ableben betreffen. Jene
wird dieses Projekt in Kooperation mit        Abwägung zwischen subjektiver Belas-       Willensbekundungen, welche im Kri-
der Altenbetreuungsschule des Landes          tung und Nutzen für die Betroffenen.       senfall den herbeigerufenen (Not)ärzt/
                                                                                         -innen vorgelegt werden, werden im so-
                                                                                         genannten Krisenblatt kurz und aussa-
                                                                                         gekräftig festgehalten.
                                                                                         Ziele
                                                                                         Das prioritäre Ziel liegt in einer um-
                                                                                         fassenden     Willensdarlegung       der
                                                                                         Bewohner/-innen. Im Krisenfall sol-
                                                                                         len Betreuungs- und Pflegepersonen
                                                                                         und (Not)ärzt/-innen auf Basis einer
                                                                                         kompetenten dokumentierten Ent-
                                                                                         scheidungsgrundlage im Sinn der
                                                                                         Bewohner/-innen handeln können.
                                                                                         Bei eingeschränkter bzw. fehlender
                                                                                         Einsichts- und Urteilsfähigkeit soll der
                                                                                         mutmaßliche Wille der Bewohner/-
                                                                                         innen möglichst authentisch erfasst
                                                                                         werden.
                                                                                         Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung
                                                                                         der Kommunikationsprozesse innerhalb
Dr.in Christina Grebe im Gespräch mit einer Patientin.                                   wie auch zwischen allen Einrichtungen

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Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Landesverband

des Gesundheitswesens. Willensäuße-
rungen, die auf Basis von umfassender
Information und somit selbstbestimmt
erfolgen, werden beim VSD im richti-
gen Augenblick der richtigen Person
vorgelegt und beachtet.
Die Wurzeln des VSD liegen im Ad-
vance Care Planning (ACP), zu Deutsch
„Gesundheitliche Vorausplanung“.3

Voraussetzungen für eine
Implementierung
Eine vertiefende Befassung mit Hos-
piz- und Palliativkultur in der geri-
atrischen Pflege- und Betreuungs-
einrichtung, eingebettet in einen
Organisationsentwicklungsprozess, ist
Voraussetzung für die Durchführung
des Projektes VSD. Es sind Kriterien       Die Arbeitsgruppe Palliative Care im Zentrum für Betreuung und Pflege in Traun.
seitens des Dachverbandes Hospiz Ö
                                           Unterstützende Angebote                     Rahmen einer Visite. Die Gesprächs-
und des Landesverbandes Hospiz OÖ
                                           Palliativmediziner/-innen des Landes-       prozesse verliefen durchwegs positiv. Die
zu erfüllen. Voraussetzung ist die Zu-
                                           verbandes Hospiz OÖ unterstützen            Bewohner/-innen und deren An- bzw.
stimmung der Geschäftsführenden
                                           gegebenenfalls die Hausärzt/-innen in       Zugehörigen fühlten sich umfassend in-
und Leitenden der jeweiligen Einrich-
                                           der Anfangsphase. Bei ethisch heraus-       formiert und erlebten eine einfühlsame
tungen. Die Hausärzt/-innen von über
                                           fordernden Fragestellungen kann eine        Kommunikation. Dem Anspruch auf
50 % der Bewohner/-innen müssen der
                                           Ethische Fallberatung in Anspruch           Mitsprache von Heimbewohner/-innen
Mitwirkung am Projekt im Vorfeld zu-
                                           genommen werden. Nähere Informati-          im Hinblick auf die Lebensphase des
stimmen. Weiters müssen mindestens
                                           onen entnehmen Sie bitte der Home-          Alters, auf Krankheit, Sterben und Tod
75 % der Betreuungs- und Pflegeper-
                                           page des Landesverbandes Hospiz OÖ          gerecht zu werden, bestärkt das Tun der
sonen in der Einrichtung innerhalb der
                                           unter URL https://www.hospiz-ooe.           Betreuenden. Zudem erfährt das Team
letzten drei Jahre eine eintägige Grund-
                                           at/geriatrische-langzeitpflege/ethische-    auch Entlastung durch eine eindeutige
schulung über Palliative Care absolviert
                                           fallberatung/.                              und nachvollziehbare Willensbildung
haben. Bei Nichterfüllung entsprechen-
                                                                                       und -erklärung.
der Voraussetzungen werden adaptive
                                           Pilotprojekt VSD im Zentrum
Schulungsmaßnahmen empfohlen und                                                       Erfahrungen vom Zentrum
                                           Betreuung und Pflege in Traun
von der Altenbetreuungsschule des                                                      Betreuung und Pflege Traun:
Landes OÖ angeboten. Die Prüfung           Begonnen wurde das VSD Pilotprojekt
entsprechender Kriterien erfolgt durch     im April 2017, Veranstalter war die Al-     Leiter des Betreuungs- und Pflegedienstes
Personen, welche vom Landesverband         tenbetreuungsschule des Landes OÖ in        DGKP Stefan Umbauer
Hospiz OÖ hierfür beauftragt sind.         Kooperation mit dem LV Hospiz OÖ.           „Wir beschäftigen uns im Haus seit Beginn
                                           Die Projektleitung lag bei Frau Sabine      2014 mit Hospiz- und Palliativkultur.
Ablauf der                                 Wöger.                                      Alle Mitarbeiter/-innen absolvierten eine
Implementierung                            Rückblickend auf die VSD-Pilotierung        eintägige Grundschulung (über Palliativ-
Nach einer Informationsveranstaltung,      im Zentrum Betreuung und Pflege             kultur) und seit Frühjahr 2014 gibt es bei
zu der alle Mitarbeiter/-innen des         Traun kann Folgendes gesagt werden:         uns im Haus eine Arbeitsgruppe Palliative
Hauses, ebenso die Mediziner/-innen        Der Zeitaufwand für die Organisation        Care. Die praxisnahe Auseinandersetzung
eingeladen sind, werden Schulungen         und Durchführung der VSD-Gespräche          mit menschlichen Werten, die Bereitschaft
für Moderatorinnen und Modera-             beträgt pro Bewohner/-in zwischen 2 bis     und Fähigkeit der Mitarbeiter/-innen,
toren im Umfang von 3 x 3 Stunden          4 Stunden. Ärzt/-innen waren aufgrund       die Begleitung und Betreuung unserer
durchgeführt. Nach Führen der ers-         knapper Zeitressourcen nicht während        Bewohner/-innen zugunsten ihrer Le-
ten Vorsorgedialoge treffen sich die       des ganzen Gespräches anwesend. Sie         bensqualität auszurichten, sind meines Er-
Moderator/-innen zur Evaluierung der       besprachen medizinisch relevante Be-        achtens ganz wichtige Voraussetzungen für
Gesprächsverläufe.                         lange mit den Bewohner/-innen im            die Implementierung des Vorsorgedialoges“.

                                                                                                                               5
Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Landesverband

                                                                                          Landesverband      Hospiz     Oberöster-
                                                                                          reich, Email: lvhospizooe@gmx.at,
                                                                                          004369917347024
                                                                                          Dr.in Birgit Hofmann-Bichler: Projektlei-
                                                                                          tung, birgit.hofmann-bichler@gmx.at,
                                                                                          0699/17347024
                                                                                          DDr.in Sabine Wöger, MMMSc, MEd:
                                                                                          Schulung, sabine.woeger@gmail.com /
                                                                                          0664/81297144
                                                                                          Altenbetreuungsschule des Landes OÖ,
                                                                                          Michaela Amerstorfer, michaela.amer-
                                                                                          storfer@ooe.gv.at 0732/7720/34720.

Heimleiterin Mag.a Beatrix Kloiber, B.A.     „Ein großes Dankeschön an alle Kollegen/-
„Seit der Einführung des VSD setzt sich      innen für das Mittragen des Hospizgedan-
das gesamte Team noch mehr mit dem The-      kens im ganzen Team und der Bereitschaft,
ma Sterbebegleitung, Autonomie und der       der ARGE-Palliativ, die zeitlichen Res-
Würde unserer Bewohner/-innen ausein-        sourcen zur Verfügung zu stellen. Ein be-
ander. Es ist als Führung ein beruhigendes   sonderer Dank gilt dem ARGE-Team für
Gefühl zu sehen, dass unsere Bewohner/-      das tatkräftige Mitwirken, den Ideen und
innen nicht alleine den letzten Weg gehen    professionellen Umsetzungen! Herzlichen
müssen und ihr Wille bzw. Bedürfnisse        Dank für das Ermöglichen und die Unter-
berücksichtigt werden. Der zeitliche und     stützung geht an Sabine Wöger, Michaela
organisatorische Aufwand für die Durch-      Amerstorfer und Christina Grebe!“
führung des VSD ist groß und stellt eine
Herausforderung für das Team dar, da         Fazit und Ausblick                           Autorin: DDr.in Sabine Wöger,
keine zusätzlichen personellen Ressour-      Wir sehen den Vorsorgedialog als wert-       MMMSc, MEd, Gesundheitswissen-
cen vorhanden sind (Terminkoordinati-        volles Instrument zur Stärkung der Au-       schaft, Tiefenpsychologie/Psychotherapie,
on aller Beteiligten; die Durchführung ist   tonomie der Menschen am Lebensen-            Palliative Care
immer tagesabhängig von Bewohner/-in;        de, darüber hinaus wird die transparente     Literatur
Mediziner/-innen führen VSD meist im         Kommunikation über die Wünsche und
Rahmen der Visite durch).“
                                                                                          1
                                                                                              Coors, M., Jox, R. J. & in der Schmitten, J.
                                             den Willen der Bewohner/-innen zu                (2015). Advance Care Planning: eine Ein-
Leitungsteam Zentrum Betreuung und           einer Verbesserung der Betreuung und             führung. In M. Coors, R. J. Jox & J. in der
Pflege Traun: Mag.a Beatrix Kloiber,         Pflege der Bewohner/-innen, ebenso               Schmitten (Hrsg.), Advance Care Plan-
                                             Ihrer An- und Zugehörigen führen.                ning. Von der Patientenverfügung zur ge-
B.A., PDL Stefan Umsauer
                                                                                              sundheitlichen Vorausplanung (S. 11-22).
                                             Für Einrichtungen, die den VSD ein-
                                             geführt haben, besteht die Möglichkeit       2
                                                                                              Riedel, A. (2015). Wirkungslosigkeit von
                                             der Zertifizierung durch den Landes-             Patientenverfügungen in der stationären
                                                                                              Altenpflege – Einflussfaktoren und Pos-
                                             verband Hospiz OÖ. Die Kriterien für
                                                                                              tulate. In M. Coors, R. J. Jox & J. in der
                                             die Zertifizierung sind derzeit in der           Schmitten (Hrsg.), Advance Care Plan-
                                             Erarbeitungsphase. Ab 2019 können                ning. Von der Patientenverfügung zur ge-
                                             Ansuchen um eine Zertifizierung beim             sundheitlichen Vorausplanung (S. 62-74).
                                             LV Hospiz OÖ gestellt werden.                    Stuttgart: Kohlhammer.
                                                                                          3
                                                                                              Bundesgesetzblatt für die Republik Öster-
                                             Information und Kontakt                          reich. 2. Erwachsenenschutz-Gesetz in der
                                                                                              Fassung vom 25. April 2017- Verfügbar
                                             Falls Sie in Ihrer Einrichtung am Vor-           unter URL https://www.ris.bka.gv.at/Do-
                                             sorgedialog oder an Grundschulungen              kumente/BgblAuth/BGBLA_2017_I_59/
                                             in Palliative Care interessiert sind, wen-       BGBLA_2017_I_59.html [04-06-17 /
                                             den Sie sich bitte an:                           15.00].

6
Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Landesverband

Gesetz für „Erwachsenenschutz“ rasch umsetzen!
Österreich hat seit Kurzem ein mo-              die Sachwalterschaft oder die verbind-       gen dieser Bevollmächtigung kann in
dernes       „Erwachsenenschutzgesetz“,         liche Patientenverfügung. Ein weiteres       den Grundzügen noch verstanden wer-
das dazu beitragen soll, Wünsche von            Instrument ist die Vorsorgevollmacht,        den. Die Vereinbarung über die selbst-
Patienten in der letzten Lebensphase            mit der eine Person festhalten kann,         gewählte Erwachsenenvertretung ist
besser zu erfüllen. Jetzt allerdings gilt es,   wer im Fall des Verlustes ihrer Ent-         vor einem Notar, einem Rechtsanwalt
dieses Gesetz rasch in der Praxis um-           scheidungsfähigkeit für sie als Bevoll-      oder einem Erwachsenenschutzverein
zusetzen, fordert der Landesverband             mächtigter auftreten darf. Dazu Lenz:        zu treffen.
für Hospiz in Oberösterreich. Dazu              „Die Patientenverfügung und die Vor-         Darüber hinaus gibt es auch die Mög-
Univ. Prof. Kurt Lenz vom Landesver-            sorgevollmacht setzen jedoch eine Ent-       lichkeit einer „gesetzlichen Erwachse-
band: „Oft können Menschen in ihrer             scheidungsfähigkeit ohne jegliche Ein-       nenvertretung“, die von Angehörigen
letzten Lebensphase nicht mehr ihre             schränkung voraus. Ist eine geistige oder    – ohne Einbeziehung des Betroffenen
Wünsche ausreichend klar formulieren.           psychische Einschränkung vorhanden,          – angeregt werden kann und ebenfalls
Das neue Erwachsenenschutzgesetz ist            so ist es für diese Maßnahmen zu spät“.      vor einem Notar, Anwalt oder einem
ein weiterer Schritt, Menschen in jenen                                                      Erwachsenenschutzverein eingerich-
Situationen zu helfen, in denen ihre            „Selbstgewählte Vertretung“                  tet werden kann. Die bisherige Sach-
Selbstständigkeit und Entscheidungsfä-                                                       walterschaft wird in eine vom Gericht
                                                Hier gibt es nun die neue „selbstgewähl-
higkeit nicht mehr ausreichend gegeben                                                       bestellte Erwachsenenvertretung um-
                                                te Erwachsenenvertretung“. Das heißt,
ist“. Vor allem auch Angehörige sollten                                                      gewandelt. „Das soll aber nur mehr als
                                                eine Person kann ihren „Vertreter“
daher an die Möglichkeiten des neuen                                                         letzter Schritt zur Anwendung kom-
                                                selbst bestimmen, der dann sofort für
Gesetzes denken.                                                                             men“, meint der Landesverband Hospiz
                                                sie tätig werden soll. Diese Wahl eines
                                                                                             OÖ.
                                                Vertreters ist auch bei geminderter Ent-
Besonderer Schutz
                                                scheidungsfähigkeit möglich, weil zu-
Menschen, die ihre Angelegenheiten              mindest das Bewusstsein darüber noch
                                                                                             Für Rückfragen:
nicht mehr selbst besorgen können, ste-         vorhanden ist, welche Angelegenheiten
hen unter dem besonderen Schutz der             anstehen und wer sich darum kümmern          Univ.Prof. Dr. Kurt Lenz,
Gesetze. Es gab in der Vergangenheit            soll. Auch die Bedeutung und die Fol-        lvhospizooe@gmx.at

        Von Herzen „DANKE“
        Der erste Dank gilt Ursula Leithinger! Von Frau Leit-          Ebenso wird sie uns als Mitglied des Redaktionsteams
        hinger müssen wir uns gleich in 3-facher Hinsicht ver-         fehlen – wobei hier wie in allen genannten Bereichen
        abschieden.                                                    die Hoffnung auf wohlwollende Unterstützung durch
                                                                       deinen beispiellosen Erfahrungsschatz besteht.
        Als langjähriges Mitglied des Vorstandes des Landes-
        verbandes Hospiz OÖ hat sie ebenso wie in den vielen
        Jahren als Angestellte des Verbandes das Geschick der                                    *
        Hospizbewegung in Oberösterreich maßgeblich mit-
                                                                       Auch großer Dank gilt dem langjährigen Ersteller des
        geprägt.
                                                                       Layouts der „Lebenswert“, Herrn Christian Freisleben-
        Von der Pionierzeit bis heute hat sie alles miterlebt und      Teutscher, für seine professionelle Arbeit, seine Rat-
        vieles mitgetragen, war in allen Höhen und Tiefen ein          schläge und seine Geduld, die mitgeholfen haben, das
        verlässlicher Fixpunkt.                                        jetzige Format der „Lebenswert“ zu definieren.

                                                                                                                                 7
Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
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Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Thema

Besonders …
                                                                                                            OA Dr. Bernhard
                                                                                                            Mossbauer
                                                                                                            Arzt auf der Palliativ-
                                                                                                            station im Ordens-
                                                                                                            klinikum Barmherzige
                                                                                                            Schwestern Linz

Beim Einstimmen auf das gestellte Mot-       im Garten und in der Natur. Familie,       ein gelingendes Leben gut zu verstehen.
to kamen mir besondere Erinnerungen          Tiere, Natur. Die Balance von Geben        Carpe diem – Nütze den Tag?!
an lang vergangene Zeiten in den Sinn:       und Nehmen, Nähe – Distanz. Familie.
                                                                                        Was ist (für mich) besonders an
Deutschschularbeit – Wird mir zu die-        Gesundheit. Freunde. Lebensrhyth-
                                                                                        der Arbeit in Palliative Care?
sem Thema etwas einfallen? Aber heute        mus, der halbwegs meiner Person ent-
                                             spricht. Zufriedenheit und Gesundheit.     Ein „Stück Leben“ begleiten bzw. ken-
schreibe ich nicht für die Schule, sondern                                              nen zu dürfen, das im Leben „anderer“
                                             Freunde und Familie. Ein gutes Maß
für „Lebenswert“. Also habe ich mich ent-                                               nicht in diesem Beruf stehenden Men-
                                             an Gelassenheit (der „heilige Zorn“ hat
schieden, meinen KollegInnen des inter-                                                 schen noch kaum oder keinen Platz
                                             auch seine Berechtigung). Glaube. Be-
disziplinären Teams der Palliativstation     ziehungen (Familie, Partner, Freunde).     findet. Der Austausch zwischen den
dazu drei Fragen zu stellen.                 Das Gefühl, frei zu sein. Selbstbestim-    Berufsgruppen – jeder versucht seinen
                                             mung. Gesundheit. Harmonie in der          /ihren Teil zum „Wohlergehen“ der
Gerade im 20. Jahr seit unserem Start        Familie. Sportlicher Ausgleich. Das Le-    Patienten und deren Angehörigen in
hat es mich sehr gefreut, dass trotz der     ben – die Beziehungen zu mir selbst, zu    einer sehr schwierigen Zeit beizutragen
täglichen palliativen Routine viele wert-    denen, die mir nahe stehen, zur Natur,     – ohne Anspruch, alles lösen zu können.
volle und persönliche Rückmeldungen          meinen Tieren – zu Gott. Dankbarkeit.      Die Begleitung von Angehörigen, von
zu den Fragen gekommen sind. Die             Verbundenheit durch den Glauben. Bü-       Menschen in ihrer letzten Lebenspha-
Antworten aus den Fragebögen (über-          cher. Gesundheit. Die Begegnung und        se. Die Dankbarkeit spüren zu dürfen,
nommene Mehrfachnennungen zeigen             das Gespräch mit den Menschen. Die         wenn die Patienten und deren Ange-
die Relevanz auf!) möchte ich ganz           Wunder der Natur. Menschen, denen          hörige sich gut begleitet und betreut
konkret hier einfließen lassen und Sie       ich am Herzen liege und die mir am         fühlen. Wertschätzung. Mich bewusst
und mich damit zum Nachdenken an-            Herzen liegen (Partner, Freundeskreis,     einem Menschen und seiner Geschich-
regen!                                       KollegInnen…) Glaube als Interpreta-       te zuwenden zu können. Respekt. Die
                                             tionshilfe des Lebens. Sicherheit (Woh-    Arbeit auf der Palliativstation gibt mir
                                             nen, Arbeit, Gesellschaft...). Natur.      die Gelegenheit, sehr kranke Menschen
Was ist besonders (wichtig) im/                                                         zu begleiten, Anteil an ihrem Leben zu
in deinem Leben?                             „Herr Doktor, heben Sie sich nichts        haben und dabei etwas zu lernen, ihnen
Am Leben zu sein. Zeit für meine Fami-       auf…!“, riet mir ein Patient vor einigen   meine Zeit und Energie zu schenken.
lie – meinen Partner und unsere Kinder       Jahren und wünschte mir gute Gesund-       Das Leben – jeder einzelne, einzigar-
zu haben, uns einander anzuvertrauen.        heit. Eine andere Patientin erzählte vom   tige Mensch, Patient, Angehörige, das
Alles und jeder wird zu etwas Besonde-       Genuss eines letzten „einfachen“ Früh-     Team. Die Lebensqualität des Patienten
rem, wenn ich meine Aufmerksamkeit           stücks mit ihrer Familie. Das Erfahren     zu erhalten/verbessern. Ruhe. In einer
dorthin lenke. Das können Menschen           der ganz konkreten Beschränktheit der      offenen, vertrauensvollen Atmosphäre
sein, aber auch Vorkommnisse in der          Lebenszeit führt viele Menschen zu         bekommen Gespräche manchmal eine
Natur (z.B. Spinnennetz im Morgentau;        ähnlichen Gedanken: Dankbarkeit für        besondere Tiefe – und es können neue
ein Gespräch mit „besonderer“ Tiefe, al-     heilsame Beziehungen mit Freunden          Erkenntnisse gewonnen, vielleicht ein
les was mich innerlich berührt – wovon       und Familie, Suchen und Finden von         neuer Aspekt dazu ergänzt werden. Die
ich mich berühren lasse). Gesundheit.        Kraft in Glaube und Natur – Sehnsucht      Intensität (manchmal Intimität) der
Anderen Menschen zu helfen und mich          nach Gesundheit und Leben. Wir Be-         Begegnungen in dieser besonderen Si-
als Mensch weiter zu entwickeln. Ein-        treuende dürfen ja „vorerst“ weiterleben   tuation, das Vertrauen der Patienten und
klang mit einem Selbst. Freundeskreis.       und versuchen, diese in unserer Arbeit     Angehörigen – sie vertrauen uns sehr
Finanzielle Sicherheit. Zeit verbringen      „alltäglichen“ besonderen Hinweise für     viel an. Den Menschen Autonomie und

                                                                                                                              9
Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
Thema

Individualität auch im Sterbeprozess zu       Was ist besonders (wichtig)               Hinweise. Manchmal das Bild: Mit der
gewähren. Die Menschen so sein zu las-        beim Sterben, Sterbeprozess,              Geburt haucht Gott seinen Atem in den
sen, wie sie sind (ohne sich alles gefallen   Abschied …?                               Menschen ein – beim Sterben geben
zu lassen). Zeit. Auch in jungen Jahren       Dass das Sterben zum Leben dazuge-        wir den Lebensatem wieder zurück in
schon sehr oft in die „Akzeptanz“ zu ge-      hört und man auf der Palliativstation     Gottes Hand … Den Menschen (Pati-
hen – und zu erkennen, dass schließlich       täglich daran „erinnert“ wird. Ausrei-    enten, Angehörige) Anregungen mitge-
alles vergänglich ist. Gutes zu tun. Krea-    chend Zeit und Raum. Dass sich das        ben. Respekt vor den unterschiedlichen
tivität. Mehr Zeit in der Betreuung. In-      Personal verabschieden darf und Zeit      Wegen. Aufmerksamkeit. In Unsicher-
dividualität ist für Betroffene und auch      braucht. Behutsame Klarheit in den        heit Sicherheit bieten (z.B. die Erlaub-
für uns Profis möglich. Menschlichkeit        Worten und Handlungen. Aufmerk-           nis aussprechen, dass der Abschied auch
in der Begleitung ist in diesem Rahmen        samkeit. Professionelle Begleitung.       ungewöhnlich sein darf.) Individualität,
leichter und intensiver möglich. Sicht-       Familie. Eine Atmosphäre von Ruhe.        weil „jeder“ braucht etwas anderes. Dem
bares Selbstbewusstsein in den Kompe-         Meine offenen Sinne. Den Prozess des      Gegenüber das Gefühl, besonders zu
tenzen – der Versuch, sich nach schwie-       Sterbens still begleiten. Abschied neh-   sein, vermitteln. Offenheit. Einen Men-
rigen Situationen Zeit zu nehmen und          men – können, dürfen. Familie = wich-     schen in seiner ganzen Menschlichkeit
diese zu verdauen. Umfassende kör-            tig. Den Angehörigen Raum und Zeit        stärken. Bis zuletzt Mensch sein dürfen.
perliche, psychische, soziale Betreuung.      für Gefühle zu geben. Sich zu fragen,
Der Mensch kann im Miteinander – im                                                     „Das sind jetzt die schwierigsten Exer-
                                              was man in diesem Moment tun kann,        zitien in meinem Leben“, meinte eine
DU – immer mehr er/sie selbst werden          um manches erträglicher zu machen –
- und dies steht vor dem Krankheitsbild.                                                Ordensfrau, als sie sich ruhig auf ihr
                                              und am Ende des Tages zu akzeptieren,     kommendes Sterben vorbereitete. „Der
Der Patient muss nicht, darf aber. Enges      dass es nichts mehr gibt, was man tun
und gut vernetztes Team (interdiszipli-                                                 Tod soll sich als Freund zu mir ans Bett
                                              könnte. Familie und Freunde, die einen    setzen und mich mitnehmen“ – diese
närer Austausch, einander hören, zuhö-        begleiten. Kein Leid zu erfahren. Das
ren, vertrauen).                                                                        Erinnerung bleibt mir aus einem Ge-
                                              Sterben – der Weg, den ein Mensch         spräch mit einem Patienten, der bald
„So gut ist es mir in meinem Leben            dabei gehen muss, ist für mich ein Ge-    danach in der Osternacht zu Hause
noch nie gegangen, Herr Doktor“ –             heimnis, zu dem wir keinen Zugang ha-     verstarb. „Herr Doktor, wie merke ich
Eine Lebensrückschau mit belastenden          ben. Besonders wichtig beim Abschied      eigentlich, dass ich gestorben bin?“,
Erlebnissen und Beziehungen bewog             ist meine stille Anwesenheit und das      fragte mich vor kurzem lächelnd ein
eine betagte Dame kurz vor ihrem              Einfühlen in diese einmalige Situation.   alter Herr. Gemeinsam diskutierten wir
Sterben zu diesem Satz. Ein entspan-          Die „Verwandlung“ im Prozess. Zeit,       mögliche Hinweise dafür – er weiß es
nendes Aromabad, eine zarte Massage           Ruhe, Raum, Geduld – Abschied neh-        nun schon viel besser als ich, da er bald
mit wohlriechenden Ölen – Respekt             men zu können. Der Glaube, dass die       darauf friedlich verstarb.
zu erfahren und Vertrauen zu haben            Sterbenden in einen Frieden hineinge-
ohne Angst, waren mit ausreichende            hen dürfen und dort gut aufgehoben        Ihnen und mir wünsche ich besondere
Gründe für dieses Zeugnis. „I war mein        sind. Nachdenken über das ablaufen-       Begleiter, wenn wir mit Neugier, Angst,
Leben lang a Sau, und jetzt holt mich         de Leben der sterbenden Person und        Dankbarkeit und hoffentlich Zuversicht
der Teifi“ – diesen vor vielen Jahren ge-     lichtvolle Gedanken, die den Patienten    einmal unsere eigene Nacht am Ölberg
hörten Ausspruch eines Patienten voller       begleiten. Die letzten Konflikte lösen.   durchleben. Danke an alle KollegInnen,
Galgenhumor einfach anzuhören und             Abschied nehmen zu können von Fa-         die mir geholfen haben – keineswegs
so stehen zulassen, war glaube ich für        milie und Freunden. Nur die nötigsten     eine Themaverfehlung – ihr seid ganz
ihn Teil einer möglichen Aussöhnung           Worte, eventuell kleine unterstützende    BESONDERS!
mit seiner Vergangenheit. Neben aus-
reichend Zeit, Raum und gesundem
Selbstvertrauen braucht es für hilf-
reiches Mitaushalten von Ohnmacht
oder sogar Verzweiflung – gerade wenn                     Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln:
jüngere Menschen sterben – besonde-
re Kraftquellen. Wertschätzung und                        Erstens durch Nachdenken, das ist der edelste.
Rückhalt im Team sind dafür Voraus-                       Zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste.
setzung, um im nicht immer konflikt-
freien Arbeitsalltag angesichts der eige-                 Drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.
nen Begrenztheit und Sterblichkeit eine                                                                              Konfuzius
gute Balance zu finden.

10
Pflege

Das Leben mit einem
ganz besonderen Kind
                                                                                                             Mag.a Ulrike Pribil MSc
                                                                                                             (Palliative Care)
                                                                                                             GF KinderPalliativ-
                                                                                                             Netzwerk

Im KinderPalliativNetzwerk betreuen           Unterstützung individuell auf die jewei-   ren, gemeinsame Spaziergänge, zusam-
wir Familien, in denen ganz besondere         ligen Bedürfnisse und Besonderheiten       men lachen können und zu wissen, wir
Kinder leben. Kinder, die lebensbedroh-       optimal abstimmen.                         sind alle füreinander da.“
lich erkrankt sind, Kinder die schwer
                                              Wie alles begann …                         Was ist euch wichtig?
beeinträchtigt sind und deren Leben
begrenzt ist, Kinder in der Zeit des Ab-      „Nach einer unkomplizierten Schwan-        „In Bezug auf Lea’s Betreuung ist uns
schiednehmens von einem nahestehenden         gerschaft und Entbindung wurden wir        wichtig, dass wir uns zum Beispiel bei
Menschen und Kinder, die trauern. Da-         nach drei Tagen gesund aus der Klinik      Fragen oder Ängsten an das Kinder­
bei ist uns eine individuell abgestimmte,     entlassen. Lea ging es sehr gut und sie    PalliativNetzwerk wenden können, egal
umfassende Betreuung und Begleitung           zeigte keinerlei Auffälligkeiten. Nach     zu welcher Zeit, sodass wir in Notfällen
zu jedem Zeitpunkt wichtig. Unser in-         ungefähr drei Wochen zuhause wurde         nicht auf uns alleine gestellt sind.“
terdisziplinäres Team kümmert sich            Lea unruhig und weinte auf einmal sehr
                                              viel. Wir fuhren mit ihr zum Notdienst,    Was sind eure Erwartungen und
um pflegerische und medizinische An-                                                     Wünsche?
liegen, leistet umfassende Beratung und       wo sie plötzlich immer schlechter wurde
begleitet die gesamte Familie nach psy-       und schließlich mit der Rettung auf die    „Das ist schwierig zu beantworten.
chosozialen und psychotherapeutischen         Intensivstation gebracht werden muss-      Wünschen würden wir uns, dass Leas
Gesichtspunkten. Die bestmögliche Le-         te. Anfangs wussten die Ärzte nicht,       Zustand zumindest für eine gewisse
bensqualität aus Sicht der Betroffenen        was Lea fehlt. Nach etlichen Untersu-      Zeit wieder stabil bleibt. In Bezug auf
leitet unser Handeln.                         chungen stellte man dann eine schwere      unsere Situation wäre ein großes An-
                                              Meningitis, verursacht durch Strep-        liegen, dass wir so akzeptiert werden,
Ich bedanke mich bei allen Familien, die      tokokken, fest. Diese schien man erst      wie wir sind, kein Mitleid oder Ange-
uns ihr Vertrauen schenken, die wir auf       unter Kontrolle zu haben, doch in der-     starrtwerden in der Öffentlichkeit, dass
ihrem Weg begleiten und unterstützen          selben Nacht entwickelte Lea schwerste     das Thema „Palliativ“ bei Kindern oder
dürfen. Ein besonderer Dank gilt der Fa-      Krampfanfälle und musste schließlich       Schwerstbehinderung kein Tabuthe-
milie von Lea, die uns im nachfolgenden       ins künstliche Koma versetzt werden.       ma ist. Ein offener Umgang mit diesen
Beitrag in ganz berührender Weise an          Sie war intubiert, bekam unzählige Me-     Themen wäre sehr wünschenswert.“
ihrem Leben teilhaben lässt. Ich habe Lea     dikamente und musste innerhalb von
und ihre Familie vor vielen Jahren, als                                                  Was gibt euch Kraft?
                                              drei Wochen zweimal reanimiert wer-
Lea gerade einmal ein paar Monate alt         den. Leas Gehirn war komplett zerstört     „Kraft schöpfen wir aus den schönen
war, kennen gelernt und wir haben uns         und die Ärzte gaben uns wenig Hoff-        Momenten, die wir mit Lea haben, ein
über die Jahre nie ganz aus den Augen         nung. Aber für uns war klar, wir geben     Lächeln von ihr reicht da oft schon aus,
verloren, wissend, dass es sehr intensive     nicht auf. Heute ist Lea zwar ein schwe-   auch aus der gemeinsamen Familien-
Phasen der Betreuung gibt, aber auch          rer Pflegefall, aber wir sind glücklich    zeit. Gelernt haben wir, dass Jammern
Phasen, in denen die Familie ein ganz         und unendlich dankbar, dass Lea ihren      nicht hilft und da die Zeit bemessen
normales Leben mit einem ganz beson-          mittlerweile 8. Geburtstag mit uns fei-    ist, genießen wir ganz bewusst und ver-
deren Kind führen kann. Ich habe Leas         ern konnte.“                               suchen das Beste aus allen Situationen
Mutter viele, viele Fragen gestellt, so wie                                              heraus zu holen. Selbst die Zeit auf der
ich es auch immer wieder in der Beglei-       Lebensqualität – was bedeutet              Intensivstation versuchen wir zu genie-
tung mache, um von den betroffenen Fa-        das für euch?                              ßen, denn solange Lea noch bei uns ist,
milien zu erfahren, was sie bewegt, was       „Es bedeutet für uns als komplette Fa-     wird noch nicht aufgegeben. Sicher gibt
sie brauchen, was sie belastet und vor al-    milie zusammen sein zu können, kleine      es auch Zeiten, in denen wir unendlich
lem entlastet. Nur so können wir unsere       Dinge zu genießen, die Sonne zu spü-       traurig sind, aber solange Lea uns ver-

                                                                                                                              11
Pflege

                                                                                      sonderen Bedürfnissen und diese versu-
                                                                                      chen wir zu erfüllen.
                                                                                      Lea mag es überhaupt nicht, wenn wir
                                                                                      ihre Haare kämmen müssen, oder wenn
                                                                                      ich ihr Zöpfe machen möchte, das fin-
                                                                                      det sie wirklich schrecklich und teilt ih-
                                                                                      ren Unmut lautstark mit. Aber sie liebt
                                                                                      es zu baden, nur das Abtrocknen ist
                                                                                      dann auch nicht so ihr Ding.“
                                                                                      Ein ganz besonderer Moment,
                                                                                      an dem wir teilhaben dürfen …
                                                                                      „Besondere Momente haben wir viele,
                                                                                      aber ein ganz besonderer Moment war
                                                                                      erst vor Kurzem, als Lea in der Kli-
                                                                                      nik war. Es ging ihr sehr schlecht und
                                                                                      sie wollte sich scheinbar auf ihre letzte
                                                                                      Reise begeben. Wir waren alle bei ihr
                                                                                      – Mama, Papa, Schwester und Bruder.
                                                                                      Wir haben mit ihr gesprochen, sie ge-
Foto: privat
                                                                                      streichelt und nach einer Weile hat sich
mittelt, dass sie noch bleiben möchte,     Lea hat einen großen Bruder                ihr Zustand wieder stabilisiert. Das war
sind wir an ihrer Seite und bleiben po-    – Salvo – und ihre jüngere                 für uns ein sehr bewegendes Erlebnis.
sitiv.“                                    Schwester Emilie, was zeichnet             Es hat uns gezeigt, wieviel wir als Fami-
                                                                                      lie erreichen können.“
                                           diese Geschwisterbeziehung
Was erlebt ihr als wenig hilfreich,
                                           aus?
als belastend?
„Was uns nicht hilft ist Mitleid. Belas-   „Emilie und Lea haben, wie auch mit
tend ist oft der ständig wiederkehrende    dem großen Bruder Salvo, eine ganz
Kampf und die Diskussionen, wenn es        besondere Bindung und Beziehung
um Lea’s Lebensqualität geht, das ist      zueinander. Da ist ein ganz liebevoller
schon sehr belastend.“                     Umgang mit viel Verständnis und Zu-
                                           neigung. Emilie singt ihr Lieder vor,
Wie sieht euer Alltag mit Lea              erzählt ihr Geschichten, bastelt im Kin-
aus?                                       dergarten für Lea. Sie kümmern sich
„Unser Alltag unterscheidet sich nicht     sehr, sehr liebevoll um Lea.“
extrem von dem anderer Familien. Si-
                                           Wenn’s Lea gut geht…
cher, Lea braucht 24 Stunden Unter-
                                           was Lea nicht so mag …
stützung, aber das haben wir ganz gut
im Griff. Ihre jüngere Schwester Emilie    „Wenn es Lea gut geht, dann lächelt sie
besucht den Kindergarten, es gibt den      ganz viel. Sie nimmt ihre Umgebung,
Haushalt, unseren Hund „Paula“ und         Geräusche, den Wind oder Vogelge-
bei Lea’s Betreuung wechseln mein          zwitscher aufmerksam wahr. Sie genießt
Mann und ich uns ab und ergänzen           jeden Moment und ist sehr entspannt.
uns recht gut. Lea bekommt einen Teil      Wenn Emilie ihr Lieder vorsingt, hat       Foto: privat
ihrer Nahrung sondiert, die parenterale    Lea besondere Freude.
Ernährung muss zubereitet werden, sie      Lea ist eine große Kämpferin und sie       „Was ich noch sagen möchte ist, dass
bekommt Einläufe, wird umgelagert,         hat sich in den letzten Jahren immer       das Leben mit einem behinderten und
Physiotherapie, Atemtherapie, wird         wieder zurück ins Leben gekämpft,          lebensbegrenzt erkrankten Kind nicht
massiert und beschäftigt, und wenn das     auch wenn man sie oft aufgegeben hat.      immer einfach ist, aber es gibt unend-
Wetter passt, gehen wir spazieren. Also    Ich, wir glauben, dass Lea ihr Leben       lich viele schöne Momente und es lohnt
im Großen und Ganzen für uns ein           trotz aller Hindernisse genießt. Lea ist   sich auf jeden Fall zu kämpfen!“
normaler Tagesablauf.“                     ein ganz besonderes Mädchen mit be-

12
Pflege

                                                                                                              Martina Kern
Besonders                                                                                                     Gesundheits- und
                                                                                                              Krankenpflegerin
                                                                                                              Leiterin ALPHA
                                                                                                              Rheinland
                                                                                                              Leiterin Zentrum
                                                                                                              für Palliativmedizin,
                                                                                                              Malteser Krankenhaus
Was sind Merkmale der Palliativpflege                                                                         Seliger Gerhard Bonn/
und tragen sie?                                                                                               Rhein-Sieg

Palliativpflege ist besonders – das wer-     Das Alltägliche als Besonders               Kinderwunsch und endet mit dem Satz:
den viele Kolleginnen und Kollegen im        und Einzigartig wahrnehmen                  „Wissen Sie, von solch einem Bauch
Feld bestätigen. Doch was genau ist be-      Frau Träger, 45 Jahre alt, sitzt im Rah-    habe ich immer geträumt – und nun ist
sonders, oder präziser: das Besondere?       men der Morgenpflege am Waschbe-            nur der Tod drin“. Dann schweigt sie.
Welche Merkmale kennzeichnen unser           cken. Sie leidet an einem Ovarialcarci-     Ich selbst bin tief erschüttert, überfor-
Arbeitsfeld, wie zeigen sie sich im Alltag   nom, das vor zehn Jahren diagnostiziert     dert von dieser starken Reaktion. Zwei-
und was hält uns in der oft leidvollen Ar-   wurde. Sie benötigt Unterstützung bei       fel beginnen sich zu regen: Hätte ich das
beit?                                        der Körperpflege. Plötzlich beim Wa-        Thema besser nicht angesprochen, was
Wie kann das implizite Wissen explizit       schen sagt sie unvermittelt: „Schwes-       habe ich nur angerichtet? Was kann ich
ausgedrückt werden?                          ter, schauen Sie mich an: Wie sehe ich      ihr antworten? Was soll ich machen?
                                             denn aus? Wird das noch was mit mir?“       Soll ich einfach weiter eincremen? Sie
Diese und ähnliche Fragen bewegen uns        Meine Antwort auf diese Fragen wird         sitzt ja noch halb bekleidet am Wasch-
in der Palliativpflege. Vier Kernelemen-     darüber entscheiden, in welche Rich-        becken. Nach einer gefühlten Ewigkeit
te kennzeichnen hierbei das Arbeitsfeld:     tung sich das Gespräch entwickeln           breche ich das Schweigen und frage
Leiblichkeit, verstehende Pflegediag-        wird. Ich trete innerlich einen Schritt     sie, wo sie gerade mit ihren Gedanken
nostik, Care Ethik sowie evidence-based      zurück, schaue Frau Träger an, nicht        ist. Wieder eine Entscheidung, die ich
nursing and caring.1, 2 Dieses vierteilige   mehr nur ihren Arm, den ich gerade          getroffen habe. Ich hätte auch fragen
Modell bietet eine Grundlage für die        eincreme. Ich sehe einen ausgezehrten       können: „Ist Ihnen kalt und soll ich mit
Theorie der Palliativen Pflege. Das          Körper, einen aufgetriebenen Bauch,         dem Eincremen weitermachen?“ Sie
Kern­element Leiblichkeit setzt voraus,      einen traurigen Blick. Einer Eingebung      sagt: „Das habe ich noch niemandem
dass die Wahrnehmung von Befinden            folgend fokussiere ich das Thema Leib-      erzählt, es ist einfach alles nur schlimm.“
und Befindlichkeiten nicht allein auf        lichkeit („Wie sehe ich denn aus!?“) und    Die Erschütterung steht im Raum, ich
das körperliche Empfinden beschränkt         nicht das Lebensende („Wird das noch        creme sie nun weiter ein, begleite sie ins
sein dürfen. Die verstehende Pflegedi-       etwas mit mir?“). Ich antworte fragend:     Bett und decke sie zu. Danach bedankt
agnostik als weitere Facette bezeichnet      „Ihr Körper hat sich sehr verändert         sie sich bei mir. Ich überlege einen klei-
die Verbindung von Wahrnehmungen,            durch die Erkrankung?“ Sie berichtet        nen Moment. Bedanken? Wofür? Ich
Empfindungen,         Selbstbeobachtung      dann, wie sie sich nach der Operation       habe doch gar nichts gemacht. Oder
und Wissen. Care Ethik als drittes Ele-      entstellt gefühlt hat, sie mit den vielen   wenn etwas, dann alles vielleicht nur
ment beschreibt, dass Fühlen, Denken         Narben nicht zurechtkommt, sie ihren        noch schlimmer … Und dann entschei-
und Handeln untrennbar miteinander           Körper als Feind erlebt. Ich spreche sie    de ich wieder. Bedanke mich bei ihr für
verwoben sind. Evidence-based nursing        auf die Auswirkung der Erkrankung           das Vertrauen, dass sie ihre Gedanken
and caring als viertes Element steht für     auf ihre Partnerschaft an. „Cremen Sie      mit mir geteilt hat. Ein Blick, eine tiefe
eine Pflegepraxis, in der wissenschaft-      bitte weiter, mich hat so lange niemand     Begegnung, die ich nie vergessen werde.
lich fundiertes Wissen, professionelle       mehr angefasst!“, antwortet sie leise.      Diese Begegnung liegt bereits viele Jah-
klinische Expertise und die Erfahrung        „Und dann dieser Bauch …“. Plötzlich        re zurück, sie klingt immer noch nach,
und Präferenz der Betroffenen zusam-         beginnt sie zu weinen, erzählt von der      wenn ich daran denke, ist handlungslei-
men agieren. Ich möchte versuchen,           abweisenden Haltung, die sie ihrem          tend für mich geworden. Sie hat mich
dieses Modell auf eine Pflegesituation       Mann gegenüber zeigt, von ihren Sehn-       mit einer Grundhaltung in Palliative
zu übertragen.                               süchten, ihrer Scham, ihrem unerfüllten     Care in Verbindung gebracht: der ge-

                                                                                                                                 13
Pflege

teilten Ohnmacht. Sie ist dadurch ge-       Hier setzen verstehende Pflegediagnos-     Verlust von Leichtigkeit. Dies gilt es
kennzeichnet, dass es in einer solchen      tik und Care Ethik an.                     immer wieder in den Blick zu nehmen
Situation kein oben und unten, keine                                                   und Ausgleiche zu schaffen, damit Le-
Unterscheidung zwischen Profi und Pa-       Die Wahrnehmung reflektieren               bendigkeit in der Rolle als Pflegende
tientIn gibt, sondern „nur“ die Erschüt-    und analysieren                            und als Mensch erhalten bleiben kann.
terung zwischen zwei Menschen. Und          In der Reflexion von Alltagssituatio-      Nicht nur im Berufs-, sondern auch im
ich habe verstanden, dass dies viel mehr    nen wird deutlich, dass die Pflege von     Privatleben. So kann evidence-based
ist als eine einsame Hilflosigkeit. Ohn-    schwerstkranken und sterbenden Men-        nursing and caring – wie hier als wis-
macht fühlt sich nicht gut an, sie lädt     schen ein leiddurchsetztes Arbeitsfeld     senschaftlich fundierte Befragung – ein
zur Handlung ein, um sie loszuwerden,       ist, das Einfluss auf das eigene Leben     wichtiges Element gelingender und zu-
doch hier gibt es nichts zu handeln. Hier   hat und bei vielen Mitarbeitenden im-      kunftsfähiger Palliativpflege sein.
gilt es, die Ohnmacht eine kleine Weile     mer wieder die Frage aufwirft: „Wie
mitzutragen und damit das Unerträgli-       lange kann ich in diesem Arbeitsfeld       Literatur:
che etwas erträglicher zu machen.           tätig sein?“ Eine wissenschaftliche        1
                                                                                           Hach M., Goudinoudis K., Klimsch C.,
Und das ist sehr schwer auszuhalten!        Untersuchung zur Zufriedenheit von             Müller-Mundt, Becker D., Entwicklung
                                            Mitarbeitenden in Hospizarbeit und             eines Grundmodells für eine „Theorie der
Hätte ich gesagt: „Bedanken, wofür? Ich
                                                                                           Palliativen Pflege“ Abstract: A-936-0007-
habe doch gar nichts gemacht!“ oder         Palliativversorgung3 zeigt, dass die           00331 Kongress Deutsche Gesellschaft für
„Das ist doch meine Aufgabe!“, dann         Sinnhaftigkeit der Arbeit, das Ler-            Palliativmedizin 2018
hätte ich den Wert der miteinander ge-      nen von Sterbenden als Lebensschule,       2
                                                                                           Hach M., in: Z Palliativmed Aktuelles aus
teilten Ohnmacht abgewehrt und damit        und das Team selbst tragfähige Säulen          der Sektion Pflege der DGP, Ausgabe 32,
die Besonderheit des Augenblickes zer-      sind, die im Arbeitsfeld halten. Gleich-       März 2018
                                                                                       3
                                                                                           Von Schmude, A., Kern M.; in: Z Pallia-
stört. Das „nur“ Aushalten, nichts ma-      zeitig beschreiben Mitarbeitende als
                                                                                           tivmed 2017;18 305-309 Untersuchung
chen können, ist für uns Pflegende, de-     Grund für einen möglichen Ausstieg             zur Zufriedenheit von Mitarbeitenden in
nen das Handeln als Aufgabe zu eigen        den Einfluss des Themas auf die eigene         Hospizarbeit und Palliativversorgung – eine
ist, eine besondere Herausforderung.        Person – hierbei vor allem durch einen         quantitative Studie

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Medizin

Unser Leitthema

                                                                                                            Dr.in Silvia Prochaska
                                                                                                            SK Vöcklabruck
Aus der Sicht einer Palliativmedizinerin                                                                    Palliativstation

Ein ganz besonderer Sommer                   was ganz Besonderes ist. Jedoch ist es     Natürlich ist es uns allen bewusst, dass
2018 war bisher, wettertechnisch gese-       für die Krankenhausangestellten viel-      es für jeden Patienten und dessen Ange-
hen, ein ganz besonderes Jahr. Es war        leicht die 5. Geburt in dieser Nacht,      hörigen immer eine außergewöhnliche
der wärmste April, der wärmste Mai,          die 17. in dieser Woche und die 178.       Situation ist. Dennoch passiert es uns
ein sehr heißer Juni und Juli und der        in diesem Jahr. In dieser Routine ist es   im Alltag manchmal, dass der Umgang
heißeste August. Auch der Herbst war         schier unmöglich, an den bewegenden        mit dem Sterben zur Routine wird. Es
bisher ein besonders warmer und schö-        Gefühlen der Eltern immer im selben        erschreckt mich immer, wenn von An-
ner. Insgesamt eben ein ganz besonde-        Ausmaß teilzuhaben.                        gehörigen Sätze kommen wie: „Naja,
rer Sommer. Auch für mich war es ein         Bei sterbenden Patienten stehen wir        ihr seid das ja gewohnt.“ oder „Für euch
besonderer Sommer: Mein Ältester hat         einer sehr ähnlichen, weitaus belas-       ist das ja Alltag“. Der Gedanke daran,
den Kindergarten beendet und in die          tenderen Herausforderung gegenüber.        dass ich das Miterleben des Sterbens
Schule gewechselt, meine zwei Jüngeren       Dennoch ist es weder notwendig noch        gewöhnen könnte, lässt mir einen kalten
wechselten von der Krabbelstube in den       möglich, bei jedem Patienten „mitzu-       Schauer den Rücken hinunterlaufen.
Kindergarten. Eine aufregende Zeit.          sterben“. Wichtig ist das Bewusstsein      Dass eine gewisse Begabung und gute
                                             dafür, dass es für jeden Einzelnen eine    Schulung dazu gehören, um mit dem
Für die meisten unserer Patienten war
                                             besondere, vor allem besonders schwere     oft tragischen Sterben von Patienten
es ebenfalls ein besonderer Sommer,
                                             Zeit ist, nicht zu verlieren.              umzugehen, ist allerdings auch nicht zu
nämlich der letzte ihres Lebens. Dies
                                             Vor wenigen Tagen führte ich mit dem       leugnen.
klingt sehr hart, ist aber unser tägliches
Brot. Meist beschäftigt man sich erst        Gatten einer schwer kranken Frau ein       Eine besondere Aufgabe, ganz
dann mit dem Sterben, respektive dem         Gespräch, das von ihm eingefordert         besondere Geschenke
Tod, wenn er an die Tür klopft, uns          wurde. Obwohl ich mit ihm schon viele
                                             gute Gespräche geführt hatte, war er –     Dabei erlebe ich es jeden Tag, dass ich
beschäftigt er jeden Tag unseres beruf-
                                             für mich überraschend – sehr ungehal-      zu den unterschiedlichsten Patienten
lichen Lebens. Und während zu Hause
                                             ten und warf mir und der Station vor,      eine Beziehung aufbaue. Es ist ganz na-
das blühende Leben in all seinen bunten
                                             seine Frau vor die Tür setzen zu wollen    türlich, dass es mit manchen Patienten
Facetten abläuft, ist es in der Betreuung
                                             und die Schwere der Situation nicht zu     besser und mit anderen schlechter ge-
von Palliativpatienten unsere Aufgabe,
                                             erkennen. Auf Nachfrage, woher die-        lingt, diese Beziehung aufzubauen und
ihre individuelle Situation wahrzuneh-
                                             ser Frust so plötzlich käme, da wir die    daher ist es auch so außergewöhnlich
men und sie auf ihrem Weg zu beglei-
                                             bevorstehende Entlassung ja schon oft      wichtig, in einem guten und vielfältigen
ten.
                                             besprochen hatten, stellte sich heraus,    Team zu arbeiten und jede Ressource
Eine besondere Situation                     dass er eine große Angst davor hatte,      daraus zu nutzen.
Wenn junge Menschen das erste Mal            was alles auf ihn zukäme, wenn seine       Um jede Situation und jeden Patienten
Eltern werden, ist das eine ganz be-         Gattin erst einmal zuhause ist. Erst in    als besonders wahrnehmen zu können,
sondere Erfahrung. Oft habe ich ge-          der Nachbetrachtung dieses Gesprächs       braucht man aber zusätzlich zu einem
hört, wie junge Mütter und Väter be-         fiel mir auf, dass der Angehörige selbst   guten Team, vor allem eines: ganz viel
richteten, dass auf ihre individuellen       formulierte, ob wir denn nicht anerken-    Zeit. Und sich die nehmen zu können,
Bedürfnisse nicht ausreichend einge-         nen könnten, dass es sich um eine ganz     ist die wichtigste Ressource in allen un-
gangen wurde. Meiner Meinung nach            besondere Situation handle. Er fühlte      seren Berufsgruppen.
entsteht dieses Gefühl daraus, dass          sich als Einer von Vielen und nicht per-   In einem Vortrag zitierte Prof. Dr. Ar-
eine Geburt für die Eltern eben et-          sönlich wahrgenommen.                      nold Mettnitzer selbst aus der Gehirn-

                                                                                                                              15
Medizin

forschung: „Kern aller menschlichen        Lebens- und Leidensgeschichte erzählt,        Anzahl an Mitwirkenden und Gleich-
Motivation ist es, zwischenmensch-         erhalte ich etwas zurück – sei es Dank-       denkenden zu haben. Und dafür bin ich
liche Anerkennung, Wertschätzung,          barkeit für’s Zuhören, oder sei es ein Teil   dankbar – jeden Tag.
Zuwendung & Zuneigung zu finden            seiner Lebenserfahrung.                       So geht dieser besondere Sommer vor-
und zu geben.“ ( Joachim Bauer, Prin-                                                    bei und ich bin dankbar, dass ich viele
zip Menschlichkeit. Warum wir von          Besondere Dankbarkeit                         Patienten und Angehörige begleiten
Natur aus kooperieren, Hoffmann und        So denke ich, ist eines in meinem Leben       durfte, auf ihren schweren Wegen und
Campe, Hamburg 2006, S. 21). Was mir       wichtiger denn je geworden; die Wert-         dass ich dadurch weiterwachsen durf-
daran besonders gefällt, ist das „Finden   schätzung. Die Wertschätzung des Le-          te. Ich bin dankbar dafür, dass ich ei-
und Geben“. Mettnitzer sagte weiter        bens an sich, der Zeit, die mir geschenkt     nen Beruf habe, der mich erfüllt und
(inhaltsgetreu): „Immer wenn es gelingt,   wird und die Wertschätzung der Be-            Teamkollegen habe, mit denen schwere
dass sich zwei Menschen wertschätzend      gleiter, die mit mir ein Stück des We-        Aufgaben schaffbar werden. Und ganz
begegnen, kann man nicht vorhersagen,      ges gehen. Die Aufgaben, die uns in der       besonders dankbar bin ich dafür, dass
wer das größere Geschenk erhält.“          Palliativbetreuung gestellt werden, sind      ich eine gesunde Familie habe, die mich
Dieser Gedanke wurde zum Leitge-           bestimmt nicht immer einfach, aber sie        nach schwierigen Tagen immer wieder
danken meines täglichen Tun’s, denn        verbinden uns – sowohl innerhalb eines        auffängt und mir das Begleiten von Pa-
immer, wenn ich einem Patienten wert-      Teams, aber auch darüber hinaus und           tienten in ganz besonderen Situationen
schätzend begegne und er mir aus seiner    es ist ein gutes Gefühl, so eine große        erst ermöglicht.

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PatientInnen

Nicolas aus Ghana

                                                                                                         DGKP Bianca Pölzgutter
Erinnerungen verlieren an Farbkraft,                                                                     Mobiles Palliativteam
aber das Besondere bleibt                                                                                Salzkammergut

„Besonders“ waren schon viele mei-         Mittel kein Zusammentreffen mit Ehe-      ten auch die Nachbarn Kontakt zu ihm
ner Betreuungen während meiner nun         frau und Tochter mehr statt.              und nahmen Anteil an seiner Geschich-
11jährigen Tätigkeit als DGKP beim         Als ich Nicolas kennenlernte, wurde er    te. Nicolas verbrachte seine Tage jedoch
Mobilen Palliativteam Salzkammer-          bereits umfassend von meiner dama-        meist zurückgezogen in seiner Woh-
gut. An eine dieser Betreuungen möchte     ligen Kollegin aus dem MPT, sowie         nung, vor seinem geliebten Fernseher.
ich mich im Rahmen dieser Zeitungs-        auch von einer Ehrenamtlichen Mitar-      Die motorischen Ausfälle besserten sich
ausgabe besonders erinnern. Denn diese     beiterin der Hospizbewegung, Pauline,     durch eine palliative Bestrahlungsthe-
Betreuung führte zu einer tatsächlichen    betreut.                                  rapie enorm, sodass sich Nicolas bis zu
Begleitung nachhause – nämlich im          Zu diesem Zeitpunkt lebte Nicolas in      unserer besonderen Reise in seiner klei-
Flugzeug!                                  einer Einzimmerwohnung eines völlig       nen Wohnung gut zurechtfand.
                                           desolaten Hauses und hatte dort nicht     Er war laufend in chemotherapeuti-
Nicolas lernte ich ca. 2 Jahre nach mei-   einmal warmes Wasser, sowie eine Hei-     scher Behandlung und sehr lange voller
nem Eintritt in das Team kennen. Er        zung zur Verfügung.                       Hoffnung auf Heilung, ständig in Sor-
war 53 Jahre alt, stammte aus Ghana        Gemeinsam mit meiner Kollegin und         ge um das Wohl seiner Tochter und mit
und litt an einem bösartigen Gehirntu-     dem Einbeziehen des Bürgermeisters        dem Wunsch, seine Familie bald wie-
mor, der ihn bereits motorisch erheblich   wurde ein Umzug in eine gut annehm-       derzusehen. Die Kommunikation zwi-
einschränkte. Insgesamt betreuten und      bare und leistbare Wohnung ermög-         schen Nicolas und mir verlief meistens
begleiteten wir Nicolas etwa 1 1/2 Jahre   licht. Vor allem Pauline kümmerte sich    auf Englisch, da er Deutsch nicht allzu
lang.                                      um gebrauchte Möbel, Bettwäsche,          gut beherrschte. Sehr viel redeten wir
In Österreich lebte Nicolas bereits seit   Geschirr etc. Außerdem versorgte sie      dennoch nicht miteinander, da Nicolas
ca. 6 Jahren, um Geld für die Schulbil-    Nicolas regelmäßig mit „gutem Was-        im Umgang mit Wörtern sehr sparsam
dung seiner damals 7jährigen Tochter       ser“, welches sie in Flaschen abgefüllt   war. Und trotzdem verstanden wir uns
zu verdienen. Ausgewandert ist er, als     regelmäßig zu ihm brachte. Das fand       gut.
sich seine Tochter im Säuglingsalter be-   ich damals auch sehr „besonders“.         Mit der Zeit verschlechterte sich sein
fand, seither fand mangels finanzieller    In seiner neuen Wohnumgebung such-        Gesundheitszustand zunehmend, wie-
                                                                                     derholt wurde sowohl von uns, als auch
                                                                                     von Nicolas eine Heimreise nach Gha-
                                                                                     na thematisiert. Aber konkrete Unter-
                                                                                     nehmungen wünschte er noch nicht.
                                                                                     Nicolas wollte jede noch mögliche The-
         Höflichkeit ist wie ein Luftkissen:
                                                                                     rapie in Österreich ausschöpfen und
         Es mag wohl nicht viel drin sein,                                           hegte nach wie vor Hoffnung auf viel
                                                                                     mehr Zeit.
         aber es mildert die Stöße des Lebens.                                       Bei einer erneuten CT-Kontrolle wurde
                                                                                     eine deutliche Progredienz des Tumors
                                    Arthur Schoppenhauer
                                                                                     festgestellt und auch seine behandeln-
                                                                                     de Onkologin machte sich Sorgen um

                                                                                                                          17
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