Die oberösterreichische Hospiz- und Palliativzeitung - Ausgabe 2 / 2018 - Landesverband Hospiz OÖ
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Inhalt Liebe Thema 8 Besonders … Leserinnen Pflege und Leser! 11 Das Leben mit einem ganz besonderen Kind 13 Besonders In meiner Tätigkeit im Hospiz- und Palliativbereich begegne ich immer wieder BESONDEREN Menschen, sowohl bei Medizin meinen Kolleginnen und Kollegen, als auch bei den von uns betreuten Menschen. 15 Unser Leitthema Oft höre ich von Außenstehenden, dass die Mitarbeiter PatientInnen auf der Palliativstation „besonders“ sind, genau könne man 17 Nicolas aus Ghana es nicht erklären, aber sie sind in jedem Fall „anders als auf den anderen Stationen“. In diesem „besonders“ oder „anders“ 19 Du bist etwas Besonderes steckt meiner Meinung nach viel Arbeit und viel Wissen, es ist das Zugehen auf den Menschen, das Zeitnehmen, das Zu- Ehrenamtliche hören und auf den anderen Eingehen. 21 Eine besondere Begleitung Giovanni Majo hat in seinem Vortrag Anfang Oktober 22 Dann der freie Fall … bei der Jubiläumsfeier des Klinischen Ethikkommitees im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz auf die Angehörige Wichtigkeit dieses Zuganges zu den Menschen hingewiesen, er hat uns angehalten, diesen Beziehungsfaktor zu pflegen. 23 Eine ganz besondere Zeit Ein wertvolles Gut. 25 Ihr Leben gemeistert Genauso wichtig ist es, das Wertvolle und Besondere in al- Weitere Sichtweisen len Patientinnen und Patienten zu suchen, die uns anvertraut sind. Es ist oft nicht einfach, allen mit der gleichen Aufmerk- 27 Bestattungskultur verbunden mit Tradition samkeit und der gleichen Wertschätzung gegenüberzutreten. 28 Hebammen – Besonders! Besonders? So ganz ohne Vorurteile werden wir es wohl nicht schaffen, 30 Besonders – VS Seewalchen wir gehen ja auch immer mit unserer eigenen Geschichte hin. Besondere Zuneigung durfte ich heuer in der Betreuung Aktuelles & Nützliches der geistig beeinträchtigten Sportler im Rahmen der Special 29 Literaturtipps Olympics hier in Oberösterreich erfahren. Auf dringendes 32 Neues aus den Regionen Anraten meiner zehnjährigen Tochter haben wir dort als Vo- 46 Kontakte Hospiz & Palliative Care OÖ lunteers gearbeitet, der Benefit für uns beide überwog klar die körperlichen Anstrengungen. Menschen mit geistiger Beeinträchtigung werden auch oft mit dem Terminus „an- ders“ benannt, ich denke, auch hier kann man das „anders“ in „besonders“ umbenennen. Ich freue mich, dass sich zum The- Kontakt ma Palliative Care bei Menschen mit Beeinträchtigung bald ein eigener Lehrgang, beginnend in Kärnten, formieren wird. Ihnen wünsche ich besondere Begegnungen, die Sie in Ihrer Landesverband Hospiz OÖ Palliativ- und Hospizarbeit weitermachen lassen! Büroleitung: Wolfgang Wöger & Andrea Peterwagner Pfalzgasse 2, 4055 Pucking Dr.in Christina Grebe Telefon: 0699 173 470 24; E-Mail: lvhospizooe@gmx.at Vorsitzende des Landesverbandes Hospiz OÖ Bürozeiten Montag und Mittwoch: 8.30 - 15.30 2
Landesverband Bitte um Ihre Unterstützung Web-Site In den letzten 10 Jahren hat sich die Fi- Spendenkonto: Hypo OÖ, IBAN AT56 Landesverband nanzierung der Hospiz- und Palliative 5400 0000 0037 9313, BIC: OBLAAT2L Care - Versorgung auch in Oberöster- Auch die Mitarbeit von Freiwilligen Hospiz OÖ reich deutlich verbessert. ist ein wichtiges Element in der Hos- Auf http://www.hospiz-ooe.at fin- Nach wie vor ist diese aber auf Spen- piz- und Palliative Care-Versorgung. den Sie ausführliche Informatio- den angewiesen, ebenso die Mitglieds- Engagieren können Sie sich z. B. bei nen zu den Themen Hospiz und vereine des Landesverbandes Hospiz allen unabhängigen Hospizbewegun- Palliative Care, dazu Adressen und Oberösterreich. gen in OÖ, bei der Caritas OÖ und Weiterbildungsangebote in Ober- Mit Ihren finanziellen Beiträgen unter- beim Roten Kreuz OÖ. österreich und Informationen zu stützen Sie unsere Arbeit und setzen so Mitarbeit ist ebenso immer wieder Projekten des Landesverbandes. Impulse, die Begleitung in der letzten Le- bei der Realisierung von Veranstal- Wir freuen uns auf Ihren Besuch bensphase zu verbessern und Akzente in tungen und Projekten des Landesver- auch dort! der Öffentlichkeitsarbeit zu setzen: bandes gefragt. Interdisziplinärer Besondere Augenblicke Eine halb geöffnete, etwas verstaubte Basislehrgang für Türe führt in dieses Heft … sie ist trotz Palliativpflege am ihres Alters etwas Besonderes. Und so sind auch die Texte und Fotografien auf BFI in Linz das Besondere hingerichtet. Für mich ist es gerade auch der Blick auf das Detail, Weiterbildung nach GuKG § 64 der Einzigartiges hervorbringt – Schön- heit, die nicht auf den ersten Blick er- Dauer des Lehrganges: sichtlich ist, im Vorbeigehen schnell 25. April 2019 – 23. April 2020 übersehen wird. Die Intention meiner Fotografien ist, diese Schönheit be- Lehrgangsleitung: wusst wahrzunehmen. Detail (französ. DDr.in Sabine Wöger „abteilen“) bezeichnet eine Einzelheit, einen Ausschnitt aus einem größeren Foto: Sabine Prötsch Nähere Auskünfte, Homepage: Ganzen. Die Übung, Aufmerksamkeit auf „besondere“ Augenblicke zu richten, ten im Alltag den un-alltäglichen Blick www.bfi-ooe.at auf Farben, Formen, Struktur und At- zu üben, zu schauen und für sich neue Tel.: 0810/004 005, mosphäre, führt zu Einzelheiten, aber Seh-räume zu eröffnen. Viel Freude Email: service@bfi-ooe.at auch zum großen Ganzen. Ich lade Sie wünsche ich Ihnen dabei. ein, innezuhalten, wahrzunehmen, mit- DGKP Angelika Schwarz, MSc. Dank & Impressum Vielen Dank allen MitarbeiterInnen fer, Doris Fasthuber, Ursula Leithinger, Spenden auf Grundlage des EStG. Ihre der regionalen Hospiz-Stützpunkte Michaela Linek, Alois Jaburek, Claudia Spende wird an die Mitglieder des Lan- und Palliativstationen für ihre Beiträge Kargl, Elisabeth Neureiter, Gerald Pra- desverbands Hospiz OÖ weitergeleitet für Lebenswert. Fotos, wenn nicht an- mesberger, Veronika Praxmarer, Brigit- und dabei Ihre Daten (Name, Adres- ders angegeben, Angelika Schwarz. te Riedl, Angelika Schwarz, Wolfgang se und Spendebetrag) weitergegeben. Für den Inhalt verantwortlich: Wöger, Karin Zwirzitz; Lektorat: Ste- Weitere Infos zum Datenschutz finden Dr.in Christina Grebe fan Maringer. Sie hier: www.hospiz-ooe.at Pfalzgasse 2, 4055 Pucking Die Verarbeitung Ihrer Daten erfolgt Wollen Sie Lebenswert abbestellen, Redaktionsteam: Anneliese Amerstor- nur zu Verwaltungszwecken Ihrer nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf! 3
Landesverband Der Vorsorgedialog© in oö. Alten- und Pflegeheimen Der Vorsorgedialog® (VSD) ist ein OÖ und des Landesverbandes Hospiz Die medizinethische und juristische strukturiertes, in definierten Zeitab- OÖ durchgeführt. Komplexität von vielfach krisenhaften ständen wiederholt geführtes Ge- und prekären Lebenssituationen er- spräch, welches auf Wunsch der Ausgangslage fordert eine verlässliche Informations- Heimbewohner/-innen durchgeführt Innerhalb von Teams in geriatrischen grundlage über verbale bzw. nonverbale wird. Gesprächsteilnehmende sind Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen Willensbekundungen, eingebettet in der/die Bewohner/-in, das betreuende führen zuvor verbal deklarierte Wil- eine EDV-gestützte und rasch zugäng- und hierfür eigens geschulte Betreu- lenserfassungen von Bewohner/-innen liche Dokumentation.2 ungs- und Pflegepersonal, die Ärztin/ dann zu moralischem Stress und Dis- Inhalte der Arzt, Angehörige, Vertrauens- sonanzen, wenn diese beispielswei- personen bzw. gesetzliche Vertreter/- se situativ fragwürdig erscheinen, gar Im Anschluss an die Erhebung des innen der Bewohner/-innen. Sofern nicht bzw. seit längerem nicht hinter- Ist-Zustandes seitens der Bewohner/- ein Bewohner/eine Bewohnerin zum fragt wurden, sich die Personen in einer innen und Gesprächsteilnehmenden Gesprächszeitpunkt urteilsfähig ist, fortgeschrittenen Phase einer Demen- werden Willensäußerungen zu einem entspricht der VSD einer beachtlichen zerkrankung befinden, bzw. wenn die guten Leben und würdigen Sterben Patientenverfügung. Im § 239 (2) des Erkrankten nicht mehr einsichtsfähig erfasst. Diese beziehen sich sowohl auf Erwachsenenschutzgesetzes i. d. F. vom sind. Beispielhaft sei die Frage nach psycho-soziale und spirituelle, medizi- 25.04.2017 findet der VSD seine Ver- der Entscheidung, ob und zu welchem nische, betreuerische und pflegerische ankerung.1 Entwickelt wurde der VSD Zeitpunkt die Durchführung einer pa- Interventionen, wie auch auf den Ster- unter der Leitung des Dachverbandes renteralen Ernährungstherapie erfol- beprozess und auf Wünsche, die die Hospiz Österreich. In Oberösterreich gen soll, genannt. Dies erfordert eine Zeit nach dem Ableben betreffen. Jene wird dieses Projekt in Kooperation mit Abwägung zwischen subjektiver Belas- Willensbekundungen, welche im Kri- der Altenbetreuungsschule des Landes tung und Nutzen für die Betroffenen. senfall den herbeigerufenen (Not)ärzt/ -innen vorgelegt werden, werden im so- genannten Krisenblatt kurz und aussa- gekräftig festgehalten. Ziele Das prioritäre Ziel liegt in einer um- fassenden Willensdarlegung der Bewohner/-innen. Im Krisenfall sol- len Betreuungs- und Pflegepersonen und (Not)ärzt/-innen auf Basis einer kompetenten dokumentierten Ent- scheidungsgrundlage im Sinn der Bewohner/-innen handeln können. Bei eingeschränkter bzw. fehlender Einsichts- und Urteilsfähigkeit soll der mutmaßliche Wille der Bewohner/- innen möglichst authentisch erfasst werden. Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung der Kommunikationsprozesse innerhalb Dr.in Christina Grebe im Gespräch mit einer Patientin. wie auch zwischen allen Einrichtungen 4
Landesverband des Gesundheitswesens. Willensäuße- rungen, die auf Basis von umfassender Information und somit selbstbestimmt erfolgen, werden beim VSD im richti- gen Augenblick der richtigen Person vorgelegt und beachtet. Die Wurzeln des VSD liegen im Ad- vance Care Planning (ACP), zu Deutsch „Gesundheitliche Vorausplanung“.3 Voraussetzungen für eine Implementierung Eine vertiefende Befassung mit Hos- piz- und Palliativkultur in der geri- atrischen Pflege- und Betreuungs- einrichtung, eingebettet in einen Organisationsentwicklungsprozess, ist Voraussetzung für die Durchführung des Projektes VSD. Es sind Kriterien Die Arbeitsgruppe Palliative Care im Zentrum für Betreuung und Pflege in Traun. seitens des Dachverbandes Hospiz Ö Unterstützende Angebote Rahmen einer Visite. Die Gesprächs- und des Landesverbandes Hospiz OÖ Palliativmediziner/-innen des Landes- prozesse verliefen durchwegs positiv. Die zu erfüllen. Voraussetzung ist die Zu- verbandes Hospiz OÖ unterstützen Bewohner/-innen und deren An- bzw. stimmung der Geschäftsführenden gegebenenfalls die Hausärzt/-innen in Zugehörigen fühlten sich umfassend in- und Leitenden der jeweiligen Einrich- der Anfangsphase. Bei ethisch heraus- formiert und erlebten eine einfühlsame tungen. Die Hausärzt/-innen von über fordernden Fragestellungen kann eine Kommunikation. Dem Anspruch auf 50 % der Bewohner/-innen müssen der Ethische Fallberatung in Anspruch Mitsprache von Heimbewohner/-innen Mitwirkung am Projekt im Vorfeld zu- genommen werden. Nähere Informati- im Hinblick auf die Lebensphase des stimmen. Weiters müssen mindestens onen entnehmen Sie bitte der Home- Alters, auf Krankheit, Sterben und Tod 75 % der Betreuungs- und Pflegeper- page des Landesverbandes Hospiz OÖ gerecht zu werden, bestärkt das Tun der sonen in der Einrichtung innerhalb der unter URL https://www.hospiz-ooe. Betreuenden. Zudem erfährt das Team letzten drei Jahre eine eintägige Grund- at/geriatrische-langzeitpflege/ethische- auch Entlastung durch eine eindeutige schulung über Palliative Care absolviert fallberatung/. und nachvollziehbare Willensbildung haben. Bei Nichterfüllung entsprechen- und -erklärung. der Voraussetzungen werden adaptive Pilotprojekt VSD im Zentrum Schulungsmaßnahmen empfohlen und Erfahrungen vom Zentrum Betreuung und Pflege in Traun von der Altenbetreuungsschule des Betreuung und Pflege Traun: Landes OÖ angeboten. Die Prüfung Begonnen wurde das VSD Pilotprojekt entsprechender Kriterien erfolgt durch im April 2017, Veranstalter war die Al- Leiter des Betreuungs- und Pflegedienstes Personen, welche vom Landesverband tenbetreuungsschule des Landes OÖ in DGKP Stefan Umbauer Hospiz OÖ hierfür beauftragt sind. Kooperation mit dem LV Hospiz OÖ. „Wir beschäftigen uns im Haus seit Beginn Die Projektleitung lag bei Frau Sabine 2014 mit Hospiz- und Palliativkultur. Ablauf der Wöger. Alle Mitarbeiter/-innen absolvierten eine Implementierung Rückblickend auf die VSD-Pilotierung eintägige Grundschulung (über Palliativ- Nach einer Informationsveranstaltung, im Zentrum Betreuung und Pflege kultur) und seit Frühjahr 2014 gibt es bei zu der alle Mitarbeiter/-innen des Traun kann Folgendes gesagt werden: uns im Haus eine Arbeitsgruppe Palliative Hauses, ebenso die Mediziner/-innen Der Zeitaufwand für die Organisation Care. Die praxisnahe Auseinandersetzung eingeladen sind, werden Schulungen und Durchführung der VSD-Gespräche mit menschlichen Werten, die Bereitschaft für Moderatorinnen und Modera- beträgt pro Bewohner/-in zwischen 2 bis und Fähigkeit der Mitarbeiter/-innen, toren im Umfang von 3 x 3 Stunden 4 Stunden. Ärzt/-innen waren aufgrund die Begleitung und Betreuung unserer durchgeführt. Nach Führen der ers- knapper Zeitressourcen nicht während Bewohner/-innen zugunsten ihrer Le- ten Vorsorgedialoge treffen sich die des ganzen Gespräches anwesend. Sie bensqualität auszurichten, sind meines Er- Moderator/-innen zur Evaluierung der besprachen medizinisch relevante Be- achtens ganz wichtige Voraussetzungen für Gesprächsverläufe. lange mit den Bewohner/-innen im die Implementierung des Vorsorgedialoges“. 5
Landesverband Landesverband Hospiz Oberöster- reich, Email: lvhospizooe@gmx.at, 004369917347024 Dr.in Birgit Hofmann-Bichler: Projektlei- tung, birgit.hofmann-bichler@gmx.at, 0699/17347024 DDr.in Sabine Wöger, MMMSc, MEd: Schulung, sabine.woeger@gmail.com / 0664/81297144 Altenbetreuungsschule des Landes OÖ, Michaela Amerstorfer, michaela.amer- storfer@ooe.gv.at 0732/7720/34720. Heimleiterin Mag.a Beatrix Kloiber, B.A. „Ein großes Dankeschön an alle Kollegen/- „Seit der Einführung des VSD setzt sich innen für das Mittragen des Hospizgedan- das gesamte Team noch mehr mit dem The- kens im ganzen Team und der Bereitschaft, ma Sterbebegleitung, Autonomie und der der ARGE-Palliativ, die zeitlichen Res- Würde unserer Bewohner/-innen ausein- sourcen zur Verfügung zu stellen. Ein be- ander. Es ist als Führung ein beruhigendes sonderer Dank gilt dem ARGE-Team für Gefühl zu sehen, dass unsere Bewohner/- das tatkräftige Mitwirken, den Ideen und innen nicht alleine den letzten Weg gehen professionellen Umsetzungen! Herzlichen müssen und ihr Wille bzw. Bedürfnisse Dank für das Ermöglichen und die Unter- berücksichtigt werden. Der zeitliche und stützung geht an Sabine Wöger, Michaela organisatorische Aufwand für die Durch- Amerstorfer und Christina Grebe!“ führung des VSD ist groß und stellt eine Herausforderung für das Team dar, da Fazit und Ausblick Autorin: DDr.in Sabine Wöger, keine zusätzlichen personellen Ressour- Wir sehen den Vorsorgedialog als wert- MMMSc, MEd, Gesundheitswissen- cen vorhanden sind (Terminkoordinati- volles Instrument zur Stärkung der Au- schaft, Tiefenpsychologie/Psychotherapie, on aller Beteiligten; die Durchführung ist tonomie der Menschen am Lebensen- Palliative Care immer tagesabhängig von Bewohner/-in; de, darüber hinaus wird die transparente Literatur Mediziner/-innen führen VSD meist im Kommunikation über die Wünsche und Rahmen der Visite durch).“ 1 Coors, M., Jox, R. J. & in der Schmitten, J. den Willen der Bewohner/-innen zu (2015). Advance Care Planning: eine Ein- Leitungsteam Zentrum Betreuung und einer Verbesserung der Betreuung und führung. In M. Coors, R. J. Jox & J. in der Pflege Traun: Mag.a Beatrix Kloiber, Pflege der Bewohner/-innen, ebenso Schmitten (Hrsg.), Advance Care Plan- Ihrer An- und Zugehörigen führen. ning. Von der Patientenverfügung zur ge- B.A., PDL Stefan Umsauer sundheitlichen Vorausplanung (S. 11-22). Für Einrichtungen, die den VSD ein- geführt haben, besteht die Möglichkeit 2 Riedel, A. (2015). Wirkungslosigkeit von der Zertifizierung durch den Landes- Patientenverfügungen in der stationären Altenpflege – Einflussfaktoren und Pos- verband Hospiz OÖ. Die Kriterien für tulate. In M. Coors, R. J. Jox & J. in der die Zertifizierung sind derzeit in der Schmitten (Hrsg.), Advance Care Plan- Erarbeitungsphase. Ab 2019 können ning. Von der Patientenverfügung zur ge- Ansuchen um eine Zertifizierung beim sundheitlichen Vorausplanung (S. 62-74). LV Hospiz OÖ gestellt werden. Stuttgart: Kohlhammer. 3 Bundesgesetzblatt für die Republik Öster- Information und Kontakt reich. 2. Erwachsenenschutz-Gesetz in der Fassung vom 25. April 2017- Verfügbar Falls Sie in Ihrer Einrichtung am Vor- unter URL https://www.ris.bka.gv.at/Do- sorgedialog oder an Grundschulungen kumente/BgblAuth/BGBLA_2017_I_59/ in Palliative Care interessiert sind, wen- BGBLA_2017_I_59.html [04-06-17 / den Sie sich bitte an: 15.00]. 6
Landesverband Gesetz für „Erwachsenenschutz“ rasch umsetzen! Österreich hat seit Kurzem ein mo- die Sachwalterschaft oder die verbind- gen dieser Bevollmächtigung kann in dernes „Erwachsenenschutzgesetz“, liche Patientenverfügung. Ein weiteres den Grundzügen noch verstanden wer- das dazu beitragen soll, Wünsche von Instrument ist die Vorsorgevollmacht, den. Die Vereinbarung über die selbst- Patienten in der letzten Lebensphase mit der eine Person festhalten kann, gewählte Erwachsenenvertretung ist besser zu erfüllen. Jetzt allerdings gilt es, wer im Fall des Verlustes ihrer Ent- vor einem Notar, einem Rechtsanwalt dieses Gesetz rasch in der Praxis um- scheidungsfähigkeit für sie als Bevoll- oder einem Erwachsenenschutzverein zusetzen, fordert der Landesverband mächtigter auftreten darf. Dazu Lenz: zu treffen. für Hospiz in Oberösterreich. Dazu „Die Patientenverfügung und die Vor- Darüber hinaus gibt es auch die Mög- Univ. Prof. Kurt Lenz vom Landesver- sorgevollmacht setzen jedoch eine Ent- lichkeit einer „gesetzlichen Erwachse- band: „Oft können Menschen in ihrer scheidungsfähigkeit ohne jegliche Ein- nenvertretung“, die von Angehörigen letzten Lebensphase nicht mehr ihre schränkung voraus. Ist eine geistige oder – ohne Einbeziehung des Betroffenen Wünsche ausreichend klar formulieren. psychische Einschränkung vorhanden, – angeregt werden kann und ebenfalls Das neue Erwachsenenschutzgesetz ist so ist es für diese Maßnahmen zu spät“. vor einem Notar, Anwalt oder einem ein weiterer Schritt, Menschen in jenen Erwachsenenschutzverein eingerich- Situationen zu helfen, in denen ihre „Selbstgewählte Vertretung“ tet werden kann. Die bisherige Sach- Selbstständigkeit und Entscheidungsfä- walterschaft wird in eine vom Gericht Hier gibt es nun die neue „selbstgewähl- higkeit nicht mehr ausreichend gegeben bestellte Erwachsenenvertretung um- te Erwachsenenvertretung“. Das heißt, ist“. Vor allem auch Angehörige sollten gewandelt. „Das soll aber nur mehr als eine Person kann ihren „Vertreter“ daher an die Möglichkeiten des neuen letzter Schritt zur Anwendung kom- selbst bestimmen, der dann sofort für Gesetzes denken. men“, meint der Landesverband Hospiz sie tätig werden soll. Diese Wahl eines OÖ. Vertreters ist auch bei geminderter Ent- Besonderer Schutz scheidungsfähigkeit möglich, weil zu- Menschen, die ihre Angelegenheiten mindest das Bewusstsein darüber noch Für Rückfragen: nicht mehr selbst besorgen können, ste- vorhanden ist, welche Angelegenheiten hen unter dem besonderen Schutz der anstehen und wer sich darum kümmern Univ.Prof. Dr. Kurt Lenz, Gesetze. Es gab in der Vergangenheit soll. Auch die Bedeutung und die Fol- lvhospizooe@gmx.at Von Herzen „DANKE“ Der erste Dank gilt Ursula Leithinger! Von Frau Leit- Ebenso wird sie uns als Mitglied des Redaktionsteams hinger müssen wir uns gleich in 3-facher Hinsicht ver- fehlen – wobei hier wie in allen genannten Bereichen abschieden. die Hoffnung auf wohlwollende Unterstützung durch deinen beispiellosen Erfahrungsschatz besteht. Als langjähriges Mitglied des Vorstandes des Landes- verbandes Hospiz OÖ hat sie ebenso wie in den vielen Jahren als Angestellte des Verbandes das Geschick der * Hospizbewegung in Oberösterreich maßgeblich mit- Auch großer Dank gilt dem langjährigen Ersteller des geprägt. Layouts der „Lebenswert“, Herrn Christian Freisleben- Von der Pionierzeit bis heute hat sie alles miterlebt und Teutscher, für seine professionelle Arbeit, seine Rat- vieles mitgetragen, war in allen Höhen und Tiefen ein schläge und seine Geduld, die mitgeholfen haben, das verlässlicher Fixpunkt. jetzige Format der „Lebenswert“ zu definieren. 7
Thema Besonders … OA Dr. Bernhard Mossbauer Arzt auf der Palliativ- station im Ordens- klinikum Barmherzige Schwestern Linz Beim Einstimmen auf das gestellte Mot- im Garten und in der Natur. Familie, ein gelingendes Leben gut zu verstehen. to kamen mir besondere Erinnerungen Tiere, Natur. Die Balance von Geben Carpe diem – Nütze den Tag?! an lang vergangene Zeiten in den Sinn: und Nehmen, Nähe – Distanz. Familie. Was ist (für mich) besonders an Deutschschularbeit – Wird mir zu die- Gesundheit. Freunde. Lebensrhyth- der Arbeit in Palliative Care? sem Thema etwas einfallen? Aber heute mus, der halbwegs meiner Person ent- spricht. Zufriedenheit und Gesundheit. Ein „Stück Leben“ begleiten bzw. ken- schreibe ich nicht für die Schule, sondern nen zu dürfen, das im Leben „anderer“ Freunde und Familie. Ein gutes Maß für „Lebenswert“. Also habe ich mich ent- nicht in diesem Beruf stehenden Men- an Gelassenheit (der „heilige Zorn“ hat schieden, meinen KollegInnen des inter- schen noch kaum oder keinen Platz auch seine Berechtigung). Glaube. Be- disziplinären Teams der Palliativstation ziehungen (Familie, Partner, Freunde). findet. Der Austausch zwischen den dazu drei Fragen zu stellen. Das Gefühl, frei zu sein. Selbstbestim- Berufsgruppen – jeder versucht seinen mung. Gesundheit. Harmonie in der /ihren Teil zum „Wohlergehen“ der Gerade im 20. Jahr seit unserem Start Familie. Sportlicher Ausgleich. Das Le- Patienten und deren Angehörigen in hat es mich sehr gefreut, dass trotz der ben – die Beziehungen zu mir selbst, zu einer sehr schwierigen Zeit beizutragen täglichen palliativen Routine viele wert- denen, die mir nahe stehen, zur Natur, – ohne Anspruch, alles lösen zu können. volle und persönliche Rückmeldungen meinen Tieren – zu Gott. Dankbarkeit. Die Begleitung von Angehörigen, von zu den Fragen gekommen sind. Die Verbundenheit durch den Glauben. Bü- Menschen in ihrer letzten Lebenspha- Antworten aus den Fragebögen (über- cher. Gesundheit. Die Begegnung und se. Die Dankbarkeit spüren zu dürfen, nommene Mehrfachnennungen zeigen das Gespräch mit den Menschen. Die wenn die Patienten und deren Ange- die Relevanz auf!) möchte ich ganz Wunder der Natur. Menschen, denen hörige sich gut begleitet und betreut konkret hier einfließen lassen und Sie ich am Herzen liege und die mir am fühlen. Wertschätzung. Mich bewusst und mich damit zum Nachdenken an- Herzen liegen (Partner, Freundeskreis, einem Menschen und seiner Geschich- regen! KollegInnen…) Glaube als Interpreta- te zuwenden zu können. Respekt. Die tionshilfe des Lebens. Sicherheit (Woh- Arbeit auf der Palliativstation gibt mir nen, Arbeit, Gesellschaft...). Natur. die Gelegenheit, sehr kranke Menschen Was ist besonders (wichtig) im/ zu begleiten, Anteil an ihrem Leben zu in deinem Leben? „Herr Doktor, heben Sie sich nichts haben und dabei etwas zu lernen, ihnen Am Leben zu sein. Zeit für meine Fami- auf…!“, riet mir ein Patient vor einigen meine Zeit und Energie zu schenken. lie – meinen Partner und unsere Kinder Jahren und wünschte mir gute Gesund- Das Leben – jeder einzelne, einzigar- zu haben, uns einander anzuvertrauen. heit. Eine andere Patientin erzählte vom tige Mensch, Patient, Angehörige, das Alles und jeder wird zu etwas Besonde- Genuss eines letzten „einfachen“ Früh- Team. Die Lebensqualität des Patienten rem, wenn ich meine Aufmerksamkeit stücks mit ihrer Familie. Das Erfahren zu erhalten/verbessern. Ruhe. In einer dorthin lenke. Das können Menschen der ganz konkreten Beschränktheit der offenen, vertrauensvollen Atmosphäre sein, aber auch Vorkommnisse in der Lebenszeit führt viele Menschen zu bekommen Gespräche manchmal eine Natur (z.B. Spinnennetz im Morgentau; ähnlichen Gedanken: Dankbarkeit für besondere Tiefe – und es können neue ein Gespräch mit „besonderer“ Tiefe, al- heilsame Beziehungen mit Freunden Erkenntnisse gewonnen, vielleicht ein les was mich innerlich berührt – wovon und Familie, Suchen und Finden von neuer Aspekt dazu ergänzt werden. Die ich mich berühren lasse). Gesundheit. Kraft in Glaube und Natur – Sehnsucht Intensität (manchmal Intimität) der Anderen Menschen zu helfen und mich nach Gesundheit und Leben. Wir Be- Begegnungen in dieser besonderen Si- als Mensch weiter zu entwickeln. Ein- treuende dürfen ja „vorerst“ weiterleben tuation, das Vertrauen der Patienten und klang mit einem Selbst. Freundeskreis. und versuchen, diese in unserer Arbeit Angehörigen – sie vertrauen uns sehr Finanzielle Sicherheit. Zeit verbringen „alltäglichen“ besonderen Hinweise für viel an. Den Menschen Autonomie und 9
Thema Individualität auch im Sterbeprozess zu Was ist besonders (wichtig) Hinweise. Manchmal das Bild: Mit der gewähren. Die Menschen so sein zu las- beim Sterben, Sterbeprozess, Geburt haucht Gott seinen Atem in den sen, wie sie sind (ohne sich alles gefallen Abschied …? Menschen ein – beim Sterben geben zu lassen). Zeit. Auch in jungen Jahren Dass das Sterben zum Leben dazuge- wir den Lebensatem wieder zurück in schon sehr oft in die „Akzeptanz“ zu ge- hört und man auf der Palliativstation Gottes Hand … Den Menschen (Pati- hen – und zu erkennen, dass schließlich täglich daran „erinnert“ wird. Ausrei- enten, Angehörige) Anregungen mitge- alles vergänglich ist. Gutes zu tun. Krea- chend Zeit und Raum. Dass sich das ben. Respekt vor den unterschiedlichen tivität. Mehr Zeit in der Betreuung. In- Personal verabschieden darf und Zeit Wegen. Aufmerksamkeit. In Unsicher- dividualität ist für Betroffene und auch braucht. Behutsame Klarheit in den heit Sicherheit bieten (z.B. die Erlaub- für uns Profis möglich. Menschlichkeit Worten und Handlungen. Aufmerk- nis aussprechen, dass der Abschied auch in der Begleitung ist in diesem Rahmen samkeit. Professionelle Begleitung. ungewöhnlich sein darf.) Individualität, leichter und intensiver möglich. Sicht- Familie. Eine Atmosphäre von Ruhe. weil „jeder“ braucht etwas anderes. Dem bares Selbstbewusstsein in den Kompe- Meine offenen Sinne. Den Prozess des Gegenüber das Gefühl, besonders zu tenzen – der Versuch, sich nach schwie- Sterbens still begleiten. Abschied neh- sein, vermitteln. Offenheit. Einen Men- rigen Situationen Zeit zu nehmen und men – können, dürfen. Familie = wich- schen in seiner ganzen Menschlichkeit diese zu verdauen. Umfassende kör- tig. Den Angehörigen Raum und Zeit stärken. Bis zuletzt Mensch sein dürfen. perliche, psychische, soziale Betreuung. für Gefühle zu geben. Sich zu fragen, Der Mensch kann im Miteinander – im „Das sind jetzt die schwierigsten Exer- was man in diesem Moment tun kann, zitien in meinem Leben“, meinte eine DU – immer mehr er/sie selbst werden um manches erträglicher zu machen – - und dies steht vor dem Krankheitsbild. Ordensfrau, als sie sich ruhig auf ihr und am Ende des Tages zu akzeptieren, kommendes Sterben vorbereitete. „Der Der Patient muss nicht, darf aber. Enges dass es nichts mehr gibt, was man tun und gut vernetztes Team (interdiszipli- Tod soll sich als Freund zu mir ans Bett könnte. Familie und Freunde, die einen setzen und mich mitnehmen“ – diese närer Austausch, einander hören, zuhö- begleiten. Kein Leid zu erfahren. Das ren, vertrauen). Erinnerung bleibt mir aus einem Ge- Sterben – der Weg, den ein Mensch spräch mit einem Patienten, der bald „So gut ist es mir in meinem Leben dabei gehen muss, ist für mich ein Ge- danach in der Osternacht zu Hause noch nie gegangen, Herr Doktor“ – heimnis, zu dem wir keinen Zugang ha- verstarb. „Herr Doktor, wie merke ich Eine Lebensrückschau mit belastenden ben. Besonders wichtig beim Abschied eigentlich, dass ich gestorben bin?“, Erlebnissen und Beziehungen bewog ist meine stille Anwesenheit und das fragte mich vor kurzem lächelnd ein eine betagte Dame kurz vor ihrem Einfühlen in diese einmalige Situation. alter Herr. Gemeinsam diskutierten wir Sterben zu diesem Satz. Ein entspan- Die „Verwandlung“ im Prozess. Zeit, mögliche Hinweise dafür – er weiß es nendes Aromabad, eine zarte Massage Ruhe, Raum, Geduld – Abschied neh- nun schon viel besser als ich, da er bald mit wohlriechenden Ölen – Respekt men zu können. Der Glaube, dass die darauf friedlich verstarb. zu erfahren und Vertrauen zu haben Sterbenden in einen Frieden hineinge- ohne Angst, waren mit ausreichende hen dürfen und dort gut aufgehoben Ihnen und mir wünsche ich besondere Gründe für dieses Zeugnis. „I war mein sind. Nachdenken über das ablaufen- Begleiter, wenn wir mit Neugier, Angst, Leben lang a Sau, und jetzt holt mich de Leben der sterbenden Person und Dankbarkeit und hoffentlich Zuversicht der Teifi“ – diesen vor vielen Jahren ge- lichtvolle Gedanken, die den Patienten einmal unsere eigene Nacht am Ölberg hörten Ausspruch eines Patienten voller begleiten. Die letzten Konflikte lösen. durchleben. Danke an alle KollegInnen, Galgenhumor einfach anzuhören und Abschied nehmen zu können von Fa- die mir geholfen haben – keineswegs so stehen zulassen, war glaube ich für milie und Freunden. Nur die nötigsten eine Themaverfehlung – ihr seid ganz ihn Teil einer möglichen Aussöhnung Worte, eventuell kleine unterstützende BESONDERS! mit seiner Vergangenheit. Neben aus- reichend Zeit, Raum und gesundem Selbstvertrauen braucht es für hilf- reiches Mitaushalten von Ohnmacht oder sogar Verzweiflung – gerade wenn Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu handeln: jüngere Menschen sterben – besonde- re Kraftquellen. Wertschätzung und Erstens durch Nachdenken, das ist der edelste. Rückhalt im Team sind dafür Voraus- Zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste. setzung, um im nicht immer konflikt- freien Arbeitsalltag angesichts der eige- Drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste. nen Begrenztheit und Sterblichkeit eine Konfuzius gute Balance zu finden. 10
Pflege Das Leben mit einem ganz besonderen Kind Mag.a Ulrike Pribil MSc (Palliative Care) GF KinderPalliativ- Netzwerk Im KinderPalliativNetzwerk betreuen Unterstützung individuell auf die jewei- ren, gemeinsame Spaziergänge, zusam- wir Familien, in denen ganz besondere ligen Bedürfnisse und Besonderheiten men lachen können und zu wissen, wir Kinder leben. Kinder, die lebensbedroh- optimal abstimmen. sind alle füreinander da.“ lich erkrankt sind, Kinder die schwer Wie alles begann … Was ist euch wichtig? beeinträchtigt sind und deren Leben begrenzt ist, Kinder in der Zeit des Ab- „Nach einer unkomplizierten Schwan- „In Bezug auf Lea’s Betreuung ist uns schiednehmens von einem nahestehenden gerschaft und Entbindung wurden wir wichtig, dass wir uns zum Beispiel bei Menschen und Kinder, die trauern. Da- nach drei Tagen gesund aus der Klinik Fragen oder Ängsten an das Kinder bei ist uns eine individuell abgestimmte, entlassen. Lea ging es sehr gut und sie PalliativNetzwerk wenden können, egal umfassende Betreuung und Begleitung zeigte keinerlei Auffälligkeiten. Nach zu welcher Zeit, sodass wir in Notfällen zu jedem Zeitpunkt wichtig. Unser in- ungefähr drei Wochen zuhause wurde nicht auf uns alleine gestellt sind.“ terdisziplinäres Team kümmert sich Lea unruhig und weinte auf einmal sehr viel. Wir fuhren mit ihr zum Notdienst, Was sind eure Erwartungen und um pflegerische und medizinische An- Wünsche? liegen, leistet umfassende Beratung und wo sie plötzlich immer schlechter wurde begleitet die gesamte Familie nach psy- und schließlich mit der Rettung auf die „Das ist schwierig zu beantworten. chosozialen und psychotherapeutischen Intensivstation gebracht werden muss- Wünschen würden wir uns, dass Leas Gesichtspunkten. Die bestmögliche Le- te. Anfangs wussten die Ärzte nicht, Zustand zumindest für eine gewisse bensqualität aus Sicht der Betroffenen was Lea fehlt. Nach etlichen Untersu- Zeit wieder stabil bleibt. In Bezug auf leitet unser Handeln. chungen stellte man dann eine schwere unsere Situation wäre ein großes An- Meningitis, verursacht durch Strep- liegen, dass wir so akzeptiert werden, Ich bedanke mich bei allen Familien, die tokokken, fest. Diese schien man erst wie wir sind, kein Mitleid oder Ange- uns ihr Vertrauen schenken, die wir auf unter Kontrolle zu haben, doch in der- starrtwerden in der Öffentlichkeit, dass ihrem Weg begleiten und unterstützen selben Nacht entwickelte Lea schwerste das Thema „Palliativ“ bei Kindern oder dürfen. Ein besonderer Dank gilt der Fa- Krampfanfälle und musste schließlich Schwerstbehinderung kein Tabuthe- milie von Lea, die uns im nachfolgenden ins künstliche Koma versetzt werden. ma ist. Ein offener Umgang mit diesen Beitrag in ganz berührender Weise an Sie war intubiert, bekam unzählige Me- Themen wäre sehr wünschenswert.“ ihrem Leben teilhaben lässt. Ich habe Lea dikamente und musste innerhalb von und ihre Familie vor vielen Jahren, als Was gibt euch Kraft? drei Wochen zweimal reanimiert wer- Lea gerade einmal ein paar Monate alt den. Leas Gehirn war komplett zerstört „Kraft schöpfen wir aus den schönen war, kennen gelernt und wir haben uns und die Ärzte gaben uns wenig Hoff- Momenten, die wir mit Lea haben, ein über die Jahre nie ganz aus den Augen nung. Aber für uns war klar, wir geben Lächeln von ihr reicht da oft schon aus, verloren, wissend, dass es sehr intensive nicht auf. Heute ist Lea zwar ein schwe- auch aus der gemeinsamen Familien- Phasen der Betreuung gibt, aber auch rer Pflegefall, aber wir sind glücklich zeit. Gelernt haben wir, dass Jammern Phasen, in denen die Familie ein ganz und unendlich dankbar, dass Lea ihren nicht hilft und da die Zeit bemessen normales Leben mit einem ganz beson- mittlerweile 8. Geburtstag mit uns fei- ist, genießen wir ganz bewusst und ver- deren Kind führen kann. Ich habe Leas ern konnte.“ suchen das Beste aus allen Situationen Mutter viele, viele Fragen gestellt, so wie heraus zu holen. Selbst die Zeit auf der ich es auch immer wieder in der Beglei- Lebensqualität – was bedeutet Intensivstation versuchen wir zu genie- tung mache, um von den betroffenen Fa- das für euch? ßen, denn solange Lea noch bei uns ist, milien zu erfahren, was sie bewegt, was „Es bedeutet für uns als komplette Fa- wird noch nicht aufgegeben. Sicher gibt sie brauchen, was sie belastet und vor al- milie zusammen sein zu können, kleine es auch Zeiten, in denen wir unendlich lem entlastet. Nur so können wir unsere Dinge zu genießen, die Sonne zu spü- traurig sind, aber solange Lea uns ver- 11
Pflege sonderen Bedürfnissen und diese versu- chen wir zu erfüllen. Lea mag es überhaupt nicht, wenn wir ihre Haare kämmen müssen, oder wenn ich ihr Zöpfe machen möchte, das fin- det sie wirklich schrecklich und teilt ih- ren Unmut lautstark mit. Aber sie liebt es zu baden, nur das Abtrocknen ist dann auch nicht so ihr Ding.“ Ein ganz besonderer Moment, an dem wir teilhaben dürfen … „Besondere Momente haben wir viele, aber ein ganz besonderer Moment war erst vor Kurzem, als Lea in der Kli- nik war. Es ging ihr sehr schlecht und sie wollte sich scheinbar auf ihre letzte Reise begeben. Wir waren alle bei ihr – Mama, Papa, Schwester und Bruder. Wir haben mit ihr gesprochen, sie ge- Foto: privat streichelt und nach einer Weile hat sich mittelt, dass sie noch bleiben möchte, Lea hat einen großen Bruder ihr Zustand wieder stabilisiert. Das war sind wir an ihrer Seite und bleiben po- – Salvo – und ihre jüngere für uns ein sehr bewegendes Erlebnis. sitiv.“ Schwester Emilie, was zeichnet Es hat uns gezeigt, wieviel wir als Fami- lie erreichen können.“ diese Geschwisterbeziehung Was erlebt ihr als wenig hilfreich, aus? als belastend? „Was uns nicht hilft ist Mitleid. Belas- „Emilie und Lea haben, wie auch mit tend ist oft der ständig wiederkehrende dem großen Bruder Salvo, eine ganz Kampf und die Diskussionen, wenn es besondere Bindung und Beziehung um Lea’s Lebensqualität geht, das ist zueinander. Da ist ein ganz liebevoller schon sehr belastend.“ Umgang mit viel Verständnis und Zu- neigung. Emilie singt ihr Lieder vor, Wie sieht euer Alltag mit Lea erzählt ihr Geschichten, bastelt im Kin- aus? dergarten für Lea. Sie kümmern sich „Unser Alltag unterscheidet sich nicht sehr, sehr liebevoll um Lea.“ extrem von dem anderer Familien. Si- Wenn’s Lea gut geht… cher, Lea braucht 24 Stunden Unter- was Lea nicht so mag … stützung, aber das haben wir ganz gut im Griff. Ihre jüngere Schwester Emilie „Wenn es Lea gut geht, dann lächelt sie besucht den Kindergarten, es gibt den ganz viel. Sie nimmt ihre Umgebung, Haushalt, unseren Hund „Paula“ und Geräusche, den Wind oder Vogelge- bei Lea’s Betreuung wechseln mein zwitscher aufmerksam wahr. Sie genießt Mann und ich uns ab und ergänzen jeden Moment und ist sehr entspannt. uns recht gut. Lea bekommt einen Teil Wenn Emilie ihr Lieder vorsingt, hat Foto: privat ihrer Nahrung sondiert, die parenterale Lea besondere Freude. Ernährung muss zubereitet werden, sie Lea ist eine große Kämpferin und sie „Was ich noch sagen möchte ist, dass bekommt Einläufe, wird umgelagert, hat sich in den letzten Jahren immer das Leben mit einem behinderten und Physiotherapie, Atemtherapie, wird wieder zurück ins Leben gekämpft, lebensbegrenzt erkrankten Kind nicht massiert und beschäftigt, und wenn das auch wenn man sie oft aufgegeben hat. immer einfach ist, aber es gibt unend- Wetter passt, gehen wir spazieren. Also Ich, wir glauben, dass Lea ihr Leben lich viele schöne Momente und es lohnt im Großen und Ganzen für uns ein trotz aller Hindernisse genießt. Lea ist sich auf jeden Fall zu kämpfen!“ normaler Tagesablauf.“ ein ganz besonderes Mädchen mit be- 12
Pflege Martina Kern Besonders Gesundheits- und Krankenpflegerin Leiterin ALPHA Rheinland Leiterin Zentrum für Palliativmedizin, Malteser Krankenhaus Was sind Merkmale der Palliativpflege Seliger Gerhard Bonn/ und tragen sie? Rhein-Sieg Palliativpflege ist besonders – das wer- Das Alltägliche als Besonders Kinderwunsch und endet mit dem Satz: den viele Kolleginnen und Kollegen im und Einzigartig wahrnehmen „Wissen Sie, von solch einem Bauch Feld bestätigen. Doch was genau ist be- Frau Träger, 45 Jahre alt, sitzt im Rah- habe ich immer geträumt – und nun ist sonders, oder präziser: das Besondere? men der Morgenpflege am Waschbe- nur der Tod drin“. Dann schweigt sie. Welche Merkmale kennzeichnen unser cken. Sie leidet an einem Ovarialcarci- Ich selbst bin tief erschüttert, überfor- Arbeitsfeld, wie zeigen sie sich im Alltag nom, das vor zehn Jahren diagnostiziert dert von dieser starken Reaktion. Zwei- und was hält uns in der oft leidvollen Ar- wurde. Sie benötigt Unterstützung bei fel beginnen sich zu regen: Hätte ich das beit? der Körperpflege. Plötzlich beim Wa- Thema besser nicht angesprochen, was Wie kann das implizite Wissen explizit schen sagt sie unvermittelt: „Schwes- habe ich nur angerichtet? Was kann ich ausgedrückt werden? ter, schauen Sie mich an: Wie sehe ich ihr antworten? Was soll ich machen? denn aus? Wird das noch was mit mir?“ Soll ich einfach weiter eincremen? Sie Diese und ähnliche Fragen bewegen uns Meine Antwort auf diese Fragen wird sitzt ja noch halb bekleidet am Wasch- in der Palliativpflege. Vier Kernelemen- darüber entscheiden, in welche Rich- becken. Nach einer gefühlten Ewigkeit te kennzeichnen hierbei das Arbeitsfeld: tung sich das Gespräch entwickeln breche ich das Schweigen und frage Leiblichkeit, verstehende Pflegediag- wird. Ich trete innerlich einen Schritt sie, wo sie gerade mit ihren Gedanken nostik, Care Ethik sowie evidence-based zurück, schaue Frau Träger an, nicht ist. Wieder eine Entscheidung, die ich nursing and caring.1, 2 Dieses vierteilige mehr nur ihren Arm, den ich gerade getroffen habe. Ich hätte auch fragen Modell bietet eine Grundlage für die eincreme. Ich sehe einen ausgezehrten können: „Ist Ihnen kalt und soll ich mit Theorie der Palliativen Pflege. Das Körper, einen aufgetriebenen Bauch, dem Eincremen weitermachen?“ Sie Kernelement Leiblichkeit setzt voraus, einen traurigen Blick. Einer Eingebung sagt: „Das habe ich noch niemandem dass die Wahrnehmung von Befinden folgend fokussiere ich das Thema Leib- erzählt, es ist einfach alles nur schlimm.“ und Befindlichkeiten nicht allein auf lichkeit („Wie sehe ich denn aus!?“) und Die Erschütterung steht im Raum, ich das körperliche Empfinden beschränkt nicht das Lebensende („Wird das noch creme sie nun weiter ein, begleite sie ins sein dürfen. Die verstehende Pflegedi- etwas mit mir?“). Ich antworte fragend: Bett und decke sie zu. Danach bedankt agnostik als weitere Facette bezeichnet „Ihr Körper hat sich sehr verändert sie sich bei mir. Ich überlege einen klei- die Verbindung von Wahrnehmungen, durch die Erkrankung?“ Sie berichtet nen Moment. Bedanken? Wofür? Ich Empfindungen, Selbstbeobachtung dann, wie sie sich nach der Operation habe doch gar nichts gemacht. Oder und Wissen. Care Ethik als drittes Ele- entstellt gefühlt hat, sie mit den vielen wenn etwas, dann alles vielleicht nur ment beschreibt, dass Fühlen, Denken Narben nicht zurechtkommt, sie ihren noch schlimmer … Und dann entschei- und Handeln untrennbar miteinander Körper als Feind erlebt. Ich spreche sie de ich wieder. Bedanke mich bei ihr für verwoben sind. Evidence-based nursing auf die Auswirkung der Erkrankung das Vertrauen, dass sie ihre Gedanken and caring als viertes Element steht für auf ihre Partnerschaft an. „Cremen Sie mit mir geteilt hat. Ein Blick, eine tiefe eine Pflegepraxis, in der wissenschaft- bitte weiter, mich hat so lange niemand Begegnung, die ich nie vergessen werde. lich fundiertes Wissen, professionelle mehr angefasst!“, antwortet sie leise. Diese Begegnung liegt bereits viele Jah- klinische Expertise und die Erfahrung „Und dann dieser Bauch …“. Plötzlich re zurück, sie klingt immer noch nach, und Präferenz der Betroffenen zusam- beginnt sie zu weinen, erzählt von der wenn ich daran denke, ist handlungslei- men agieren. Ich möchte versuchen, abweisenden Haltung, die sie ihrem tend für mich geworden. Sie hat mich dieses Modell auf eine Pflegesituation Mann gegenüber zeigt, von ihren Sehn- mit einer Grundhaltung in Palliative zu übertragen. süchten, ihrer Scham, ihrem unerfüllten Care in Verbindung gebracht: der ge- 13
Pflege teilten Ohnmacht. Sie ist dadurch ge- Hier setzen verstehende Pflegediagnos- Verlust von Leichtigkeit. Dies gilt es kennzeichnet, dass es in einer solchen tik und Care Ethik an. immer wieder in den Blick zu nehmen Situation kein oben und unten, keine und Ausgleiche zu schaffen, damit Le- Unterscheidung zwischen Profi und Pa- Die Wahrnehmung reflektieren bendigkeit in der Rolle als Pflegende tientIn gibt, sondern „nur“ die Erschüt- und analysieren und als Mensch erhalten bleiben kann. terung zwischen zwei Menschen. Und In der Reflexion von Alltagssituatio- Nicht nur im Berufs-, sondern auch im ich habe verstanden, dass dies viel mehr nen wird deutlich, dass die Pflege von Privatleben. So kann evidence-based ist als eine einsame Hilflosigkeit. Ohn- schwerstkranken und sterbenden Men- nursing and caring – wie hier als wis- macht fühlt sich nicht gut an, sie lädt schen ein leiddurchsetztes Arbeitsfeld senschaftlich fundierte Befragung – ein zur Handlung ein, um sie loszuwerden, ist, das Einfluss auf das eigene Leben wichtiges Element gelingender und zu- doch hier gibt es nichts zu handeln. Hier hat und bei vielen Mitarbeitenden im- kunftsfähiger Palliativpflege sein. gilt es, die Ohnmacht eine kleine Weile mer wieder die Frage aufwirft: „Wie mitzutragen und damit das Unerträgli- lange kann ich in diesem Arbeitsfeld Literatur: che etwas erträglicher zu machen. tätig sein?“ Eine wissenschaftliche 1 Hach M., Goudinoudis K., Klimsch C., Und das ist sehr schwer auszuhalten! Untersuchung zur Zufriedenheit von Müller-Mundt, Becker D., Entwicklung Mitarbeitenden in Hospizarbeit und eines Grundmodells für eine „Theorie der Hätte ich gesagt: „Bedanken, wofür? Ich Palliativen Pflege“ Abstract: A-936-0007- habe doch gar nichts gemacht!“ oder Palliativversorgung3 zeigt, dass die 00331 Kongress Deutsche Gesellschaft für „Das ist doch meine Aufgabe!“, dann Sinnhaftigkeit der Arbeit, das Ler- Palliativmedizin 2018 hätte ich den Wert der miteinander ge- nen von Sterbenden als Lebensschule, 2 Hach M., in: Z Palliativmed Aktuelles aus teilten Ohnmacht abgewehrt und damit und das Team selbst tragfähige Säulen der Sektion Pflege der DGP, Ausgabe 32, die Besonderheit des Augenblickes zer- sind, die im Arbeitsfeld halten. Gleich- März 2018 3 Von Schmude, A., Kern M.; in: Z Pallia- stört. Das „nur“ Aushalten, nichts ma- zeitig beschreiben Mitarbeitende als tivmed 2017;18 305-309 Untersuchung chen können, ist für uns Pflegende, de- Grund für einen möglichen Ausstieg zur Zufriedenheit von Mitarbeitenden in nen das Handeln als Aufgabe zu eigen den Einfluss des Themas auf die eigene Hospizarbeit und Palliativversorgung – eine ist, eine besondere Herausforderung. Person – hierbei vor allem durch einen quantitative Studie 14
Medizin Unser Leitthema Dr.in Silvia Prochaska SK Vöcklabruck Aus der Sicht einer Palliativmedizinerin Palliativstation Ein ganz besonderer Sommer was ganz Besonderes ist. Jedoch ist es Natürlich ist es uns allen bewusst, dass 2018 war bisher, wettertechnisch gese- für die Krankenhausangestellten viel- es für jeden Patienten und dessen Ange- hen, ein ganz besonderes Jahr. Es war leicht die 5. Geburt in dieser Nacht, hörigen immer eine außergewöhnliche der wärmste April, der wärmste Mai, die 17. in dieser Woche und die 178. Situation ist. Dennoch passiert es uns ein sehr heißer Juni und Juli und der in diesem Jahr. In dieser Routine ist es im Alltag manchmal, dass der Umgang heißeste August. Auch der Herbst war schier unmöglich, an den bewegenden mit dem Sterben zur Routine wird. Es bisher ein besonders warmer und schö- Gefühlen der Eltern immer im selben erschreckt mich immer, wenn von An- ner. Insgesamt eben ein ganz besonde- Ausmaß teilzuhaben. gehörigen Sätze kommen wie: „Naja, rer Sommer. Auch für mich war es ein Bei sterbenden Patienten stehen wir ihr seid das ja gewohnt.“ oder „Für euch besonderer Sommer: Mein Ältester hat einer sehr ähnlichen, weitaus belas- ist das ja Alltag“. Der Gedanke daran, den Kindergarten beendet und in die tenderen Herausforderung gegenüber. dass ich das Miterleben des Sterbens Schule gewechselt, meine zwei Jüngeren Dennoch ist es weder notwendig noch gewöhnen könnte, lässt mir einen kalten wechselten von der Krabbelstube in den möglich, bei jedem Patienten „mitzu- Schauer den Rücken hinunterlaufen. Kindergarten. Eine aufregende Zeit. sterben“. Wichtig ist das Bewusstsein Dass eine gewisse Begabung und gute dafür, dass es für jeden Einzelnen eine Schulung dazu gehören, um mit dem Für die meisten unserer Patienten war besondere, vor allem besonders schwere oft tragischen Sterben von Patienten es ebenfalls ein besonderer Sommer, Zeit ist, nicht zu verlieren. umzugehen, ist allerdings auch nicht zu nämlich der letzte ihres Lebens. Dies Vor wenigen Tagen führte ich mit dem leugnen. klingt sehr hart, ist aber unser tägliches Brot. Meist beschäftigt man sich erst Gatten einer schwer kranken Frau ein Eine besondere Aufgabe, ganz dann mit dem Sterben, respektive dem Gespräch, das von ihm eingefordert besondere Geschenke Tod, wenn er an die Tür klopft, uns wurde. Obwohl ich mit ihm schon viele gute Gespräche geführt hatte, war er – Dabei erlebe ich es jeden Tag, dass ich beschäftigt er jeden Tag unseres beruf- für mich überraschend – sehr ungehal- zu den unterschiedlichsten Patienten lichen Lebens. Und während zu Hause ten und warf mir und der Station vor, eine Beziehung aufbaue. Es ist ganz na- das blühende Leben in all seinen bunten seine Frau vor die Tür setzen zu wollen türlich, dass es mit manchen Patienten Facetten abläuft, ist es in der Betreuung und die Schwere der Situation nicht zu besser und mit anderen schlechter ge- von Palliativpatienten unsere Aufgabe, erkennen. Auf Nachfrage, woher die- lingt, diese Beziehung aufzubauen und ihre individuelle Situation wahrzuneh- ser Frust so plötzlich käme, da wir die daher ist es auch so außergewöhnlich men und sie auf ihrem Weg zu beglei- bevorstehende Entlassung ja schon oft wichtig, in einem guten und vielfältigen ten. besprochen hatten, stellte sich heraus, Team zu arbeiten und jede Ressource Eine besondere Situation dass er eine große Angst davor hatte, daraus zu nutzen. Wenn junge Menschen das erste Mal was alles auf ihn zukäme, wenn seine Um jede Situation und jeden Patienten Eltern werden, ist das eine ganz be- Gattin erst einmal zuhause ist. Erst in als besonders wahrnehmen zu können, sondere Erfahrung. Oft habe ich ge- der Nachbetrachtung dieses Gesprächs braucht man aber zusätzlich zu einem hört, wie junge Mütter und Väter be- fiel mir auf, dass der Angehörige selbst guten Team, vor allem eines: ganz viel richteten, dass auf ihre individuellen formulierte, ob wir denn nicht anerken- Zeit. Und sich die nehmen zu können, Bedürfnisse nicht ausreichend einge- nen könnten, dass es sich um eine ganz ist die wichtigste Ressource in allen un- gangen wurde. Meiner Meinung nach besondere Situation handle. Er fühlte seren Berufsgruppen. entsteht dieses Gefühl daraus, dass sich als Einer von Vielen und nicht per- In einem Vortrag zitierte Prof. Dr. Ar- eine Geburt für die Eltern eben et- sönlich wahrgenommen. nold Mettnitzer selbst aus der Gehirn- 15
Medizin forschung: „Kern aller menschlichen Lebens- und Leidensgeschichte erzählt, Anzahl an Mitwirkenden und Gleich- Motivation ist es, zwischenmensch- erhalte ich etwas zurück – sei es Dank- denkenden zu haben. Und dafür bin ich liche Anerkennung, Wertschätzung, barkeit für’s Zuhören, oder sei es ein Teil dankbar – jeden Tag. Zuwendung & Zuneigung zu finden seiner Lebenserfahrung. So geht dieser besondere Sommer vor- und zu geben.“ ( Joachim Bauer, Prin- bei und ich bin dankbar, dass ich viele zip Menschlichkeit. Warum wir von Besondere Dankbarkeit Patienten und Angehörige begleiten Natur aus kooperieren, Hoffmann und So denke ich, ist eines in meinem Leben durfte, auf ihren schweren Wegen und Campe, Hamburg 2006, S. 21). Was mir wichtiger denn je geworden; die Wert- dass ich dadurch weiterwachsen durf- daran besonders gefällt, ist das „Finden schätzung. Die Wertschätzung des Le- te. Ich bin dankbar dafür, dass ich ei- und Geben“. Mettnitzer sagte weiter bens an sich, der Zeit, die mir geschenkt nen Beruf habe, der mich erfüllt und (inhaltsgetreu): „Immer wenn es gelingt, wird und die Wertschätzung der Be- Teamkollegen habe, mit denen schwere dass sich zwei Menschen wertschätzend gleiter, die mit mir ein Stück des We- Aufgaben schaffbar werden. Und ganz begegnen, kann man nicht vorhersagen, ges gehen. Die Aufgaben, die uns in der besonders dankbar bin ich dafür, dass wer das größere Geschenk erhält.“ Palliativbetreuung gestellt werden, sind ich eine gesunde Familie habe, die mich Dieser Gedanke wurde zum Leitge- bestimmt nicht immer einfach, aber sie nach schwierigen Tagen immer wieder danken meines täglichen Tun’s, denn verbinden uns – sowohl innerhalb eines auffängt und mir das Begleiten von Pa- immer, wenn ich einem Patienten wert- Teams, aber auch darüber hinaus und tienten in ganz besonderen Situationen schätzend begegne und er mir aus seiner es ist ein gutes Gefühl, so eine große erst ermöglicht. 16
PatientInnen Nicolas aus Ghana DGKP Bianca Pölzgutter Erinnerungen verlieren an Farbkraft, Mobiles Palliativteam aber das Besondere bleibt Salzkammergut „Besonders“ waren schon viele mei- Mittel kein Zusammentreffen mit Ehe- ten auch die Nachbarn Kontakt zu ihm ner Betreuungen während meiner nun frau und Tochter mehr statt. und nahmen Anteil an seiner Geschich- 11jährigen Tätigkeit als DGKP beim Als ich Nicolas kennenlernte, wurde er te. Nicolas verbrachte seine Tage jedoch Mobilen Palliativteam Salzkammer- bereits umfassend von meiner dama- meist zurückgezogen in seiner Woh- gut. An eine dieser Betreuungen möchte ligen Kollegin aus dem MPT, sowie nung, vor seinem geliebten Fernseher. ich mich im Rahmen dieser Zeitungs- auch von einer Ehrenamtlichen Mitar- Die motorischen Ausfälle besserten sich ausgabe besonders erinnern. Denn diese beiterin der Hospizbewegung, Pauline, durch eine palliative Bestrahlungsthe- Betreuung führte zu einer tatsächlichen betreut. rapie enorm, sodass sich Nicolas bis zu Begleitung nachhause – nämlich im Zu diesem Zeitpunkt lebte Nicolas in unserer besonderen Reise in seiner klei- Flugzeug! einer Einzimmerwohnung eines völlig nen Wohnung gut zurechtfand. desolaten Hauses und hatte dort nicht Er war laufend in chemotherapeuti- Nicolas lernte ich ca. 2 Jahre nach mei- einmal warmes Wasser, sowie eine Hei- scher Behandlung und sehr lange voller nem Eintritt in das Team kennen. Er zung zur Verfügung. Hoffnung auf Heilung, ständig in Sor- war 53 Jahre alt, stammte aus Ghana Gemeinsam mit meiner Kollegin und ge um das Wohl seiner Tochter und mit und litt an einem bösartigen Gehirntu- dem Einbeziehen des Bürgermeisters dem Wunsch, seine Familie bald wie- mor, der ihn bereits motorisch erheblich wurde ein Umzug in eine gut annehm- derzusehen. Die Kommunikation zwi- einschränkte. Insgesamt betreuten und bare und leistbare Wohnung ermög- schen Nicolas und mir verlief meistens begleiteten wir Nicolas etwa 1 1/2 Jahre licht. Vor allem Pauline kümmerte sich auf Englisch, da er Deutsch nicht allzu lang. um gebrauchte Möbel, Bettwäsche, gut beherrschte. Sehr viel redeten wir In Österreich lebte Nicolas bereits seit Geschirr etc. Außerdem versorgte sie dennoch nicht miteinander, da Nicolas ca. 6 Jahren, um Geld für die Schulbil- Nicolas regelmäßig mit „gutem Was- im Umgang mit Wörtern sehr sparsam dung seiner damals 7jährigen Tochter ser“, welches sie in Flaschen abgefüllt war. Und trotzdem verstanden wir uns zu verdienen. Ausgewandert ist er, als regelmäßig zu ihm brachte. Das fand gut. sich seine Tochter im Säuglingsalter be- ich damals auch sehr „besonders“. Mit der Zeit verschlechterte sich sein fand, seither fand mangels finanzieller In seiner neuen Wohnumgebung such- Gesundheitszustand zunehmend, wie- derholt wurde sowohl von uns, als auch von Nicolas eine Heimreise nach Gha- na thematisiert. Aber konkrete Unter- nehmungen wünschte er noch nicht. Nicolas wollte jede noch mögliche The- Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: rapie in Österreich ausschöpfen und Es mag wohl nicht viel drin sein, hegte nach wie vor Hoffnung auf viel mehr Zeit. aber es mildert die Stöße des Lebens. Bei einer erneuten CT-Kontrolle wurde eine deutliche Progredienz des Tumors Arthur Schoppenhauer festgestellt und auch seine behandeln- de Onkologin machte sich Sorgen um 17
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