"Was ist Leistung?" Anlässlich 20 Jahre Überparteiliche Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen e.V. 1992 2012 - Überparteiliche ...
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„Was ist Leistung?“ Dokumentation der Veranstaltung am 30. November und 01. Dezember 2012 im Abgeordnetenhaus von Berlin Anlässlich 20 Jahre Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. 1992 - 2012
Kongressdokumentation „Was ist Leistung?“ am 30. November und 01. Dezember 2012 im Abgeordnetenhaus von Berlin Anlässlich 20 Jahre Überparteiliche Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen e.V. 1992 - 2012
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Impressum Gefördert durch: Verein der Bundestagsfraktion Impressum Herausgeberin: Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. Marienburger Straße 6 10405 Berlin Internet: www.berlin-stadtderfrauen.de E-Mail: info@berlin-stadtderfrauen.de Redaktion: Pia Kaiser Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. Grafische Bearbeitung: J. Bley Herstellung und Druck: duruprint Berlin Fotos: Dagmar Stratenschulte Redaktionsschluss: Februar 2013 Diese Dokumentation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Überparteilichen Frauen- initiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. Alle Rechte vorbehalten. © Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. 2 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Inhaltsverzeichnis | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ Inhalt Vorwort Pia Kaiser, Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. ......................................................4 Begrüßung Carola von Braun, Sprecherin, Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. ......................7 Grußworte Ralf Wieland MdA, Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin ................................................................8 Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung ...........................................................10 Barbara LothStaatssekretärin, Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen ...................................13 Einführung ins Thema: Mythos Leistung Judith Brandner, Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. ..........................................15 Gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung und Geschlechterverhältnisse Prof. Friederike Maier, Vizepräsidentin Hochschule für Wirtschaft und Recht, Direktorin Harriet-Taylor-Mill Institut, Berlin .................................................................................................17 Geld und Leistung – ein feministisch-kulturhistorischer Rückblick Prof. Christina von Braun, Kulturwissenschaftlerin, Humboldt-Universität, Berlin ........................................21 Leben und Arbeiten – wofür kämpfen die verschiedenen Frauengenerationen? Ein Gespräch zwischen Frauengenerationen in Ost und West Magda Albrecht, Mädchenmannschaft e.V. ...................................................................................................33 Kerstin Wietusch, Vorstand ÜPFI, Mitglied B90|Grüne .................................................................................38 Hannelore Buls, Vorsitzende Deutscher Frauenrat ........................................................................................40 Astrid Landero, Leiterin Frauenprojekt Paula Panke e.V. ................................................................................44 Rollenmodelle im Wandel – Beispiel Ballungsraum Berlin Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen in Berlin ...............................................................46 „Gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung“ - oder: Ein Kontinuum von Freiheit, Sozialität und Demokratie Mechtild Jansen, Autorin ...............................................................................................................................52 Arbeit in Parteien, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen Dr. Christina Klenner, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut in der Hans-Böckler-Stiftung .........63 Agnes Alpers, MdB, Fraktion Die Linke ...........................................................................................................66 Barbara Baumbach, Bundes- und Landesvorstandsmitglied der Frauen-Union Berlin ..................................67 Bärbel Freudenberg-Pilster,FDP, Staatssekretärin a.D. Sachsen-Anhalt, Rechtsanwältin ..............................69 Simon Kowalewski MdA, Frauenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Piraten .............................................71 Zusammenfassung – Resümee Carola von Braun, Sprecherin, Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. ....................75 Anlagen Programm und Fotos ......................................................................................................................................77 Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 3
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Vorwort Dokumentation finden Sie Antworten auf diese Fra- Vorwort genkomplexe, von Frauen aus der Wissenschaft, der Politik, der Publizistik, der Initiativen und Organisa- tionen, von jüngeren und älteren aus Ost und West. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Kongresses war der 20-jährige Geburtstag unseres Vereins. Im Zusammenhang mit diesem Jubiläum, luden wir zu einer Pressekonferenz und zur Ausstellungseröff- nung mit dem Titel: „Ehrenamtliches Engagement – am Beispiel 20 Jahre ÜPFI.“ Im Anhang finden sich Bilder, die einen kleinen Eindruck der Pressekonfe- renz und der Ausstellung geben. Letztere wird auf unserer Webseite www.berlin-stadtderfrauen.de vollständig dargestellt werden. An dieser Stelle möchten wir unseren Förderern, Pia Kaiser ohne die unser rein ehrenamtlicher Verein einen Für den Vorstand der Überparteilichen Fraueninitia- solchen Kongress und deren Dokumentation nie- tive Berlin – Stadt der Frauen e.V. mals finanzieren könnte, unseren herzlichen Dank aussprechen. Wir danken Thomas Krüger, Präsident Im Spätherbst 2012, lud die Überparteiliche Frauen- der Bundeszentrale für Politische Bildung sowie Bar- initiative Berlin – Stadt der Frauen e.V. (ÜPFI) zu ei- bara Loth, Staatsekretärin der Senatsverwaltung für nem zweitägigen Kongress zum Thema „Was ist Leis- Arbeit, Integration und Frauen und dem Förderver- tung?“ ins Abgeordnetenhaus zu Berlin ein. In der ein der Bundestagsfraktion DIE LINKE. vorliegenden Broschüre möchten wir nun die fach- lichen Ergebnisse dieser Veranstaltung dokumen- Außerdem bedanken wir uns herzlich bei unserem tieren. Im ersten Teil des Kongresses ging es um die Gastgeber, Ralf Wieland, Präsident des Abgeordne- Fragen: Was definieren wir eigentlich als „Arbeit“ tenhauses von Berlin, der seine Tür für unsere eh- und „Leistung“ und inwiefern unterscheidet sich renamtliche überparteiliche Arbeit offen hält. „Männerarbeit“ von „Frauenarbeit“, wie wird diese entlohnt und in welchem Maße tragen Männer und Herzlichen Dank auch an Ina Krauss, für Ihre Mit- Frauen unterschiedlich zum „gesamtgesellschaftli- arbeit bei der Organisation und Durchführung der chen Wohl“ bei? Welche Rolle spielt dabei das Geld, Pressekonferenz sowie an unsere Vorstandskollegin die Erwerbsarbeit, die Ehrenamtsarbeit und die un- Kerstin Wietusch, für die Konzipierung und Organi- bezahlte Familienarbeit? sation der Ausstellung. Im zweiten Teil des Kongresses fragten wir: Was ist Des Weiteren danken wir unserer Fotografin Dagmar die soziale, ökonomische und ökologische Kosten- Stratenschulte, für die professionellen bildlichen Nutzen-Relation der heutigen gesamtgesellschaft- Eindrücke von allen offiziellen und nicht offiziel- lichen Arbeitsteilung? Wie wird diese von den un- len Facetten des Kongresses sowie Gina und Frau- terschiedlichen Frauengenerationen bewertet? ke Pietsch, für Ihr musikalisches Abendprogramm: Warum ist es – vielleicht sogar mehr denn je – wich- „Wenn Du stolperst Schwester, Mutter, Tochter, ich tig, dass Frauen sich weiterhin in Initiativen, Verbän- halte Dich“. Auch von diesem Programmpunkt kön- den, Parteien und Gewerkschaften einsetzten, für nen wir in dieser Dokumentation nur einen kleinen ein nachhaltiges Modell einer geschlechtergerech- Eindruck durch die Bilder im Anhang vermitteln. ten gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung? Inwie- fern haben sich die Geschlechterrollen schon ganz Und „last but not least“ danken wir herzlich unserem konkret am Beispiel Berlin gewandelt? In dieser Vorstandsmitglied Christel Wietusch, welche dieses 4 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Vorwort | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ Kongressgesamtkunstwerk für uns ehrenamtlich or- In bezeichnender Weise, stellt Mechtild Jansen in ih- ganisiert und durchgeführt hat. rem Vortrag fest: Die Vorträge der Referentinnen und die Redebei- „Die Lage ist kompliziert, widersprüchlich, komplex. träge der PodiumsteilnehmerInnen, sind in der Rei- Die moderne Gesellschaft hat beileibe noch keine henfolge, wie sie im Programm abgedruckt sind, Antwort gefunden, wie modernes Berufsleben und sofern sie vorlagen, dokumentiert. Die Moderati- wie modernes soziales „familiäres“ Leben, aussehen onsbeiträge der Staatssekretärin im Ministerium und miteinander verbunden sein kann, dass es zum für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Wohle der Einzelnen wie der Gesellschaft wäre. Es Brandenburg, Almuth Hartwig-Tiedt, und der Jour- wäre der Bau einer Sozialgesellschaft, die systemisch nalistin, Ina Krauss, sowie der Vorstandskollegin- den Wert des Menschen realisiert.“ nen der ÜPFI, konnten wir in dem uns vorgegebe- nen Rahmen nicht dokumentieren. Leider auch Wir hoffen, durch die Dokumentation der unter- nicht die interessanten Fragen und Statements schiedlichen Beiträge beim Kongress, Impulse für des Kongresspublikums. Diese Beiträge sind, zu- die Planung einer solchen geschlechtergerechten mindest in Teilen, in die Zusammenfassung der Gesellschaft geben zu können. Tagung mit eingeflossen. Können jedoch, in vol- ler Länge, als Tonmitschnitt auf unserer Websei- te unter www.berlin-stadtderfrauen.de, angehört werden. Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 5
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Impressionen Impressionen 6 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Begrüßung | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ was uns sehr freut, lieber Herr Krüger. Vielen Dank Begrüßung auch Ihnen! Wir freuen uns auf das Grußwort von Staatssekretä- rin Barbara Loth, zuständig für Frauenpolitik in der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Frau- en, die unseren Kongress ebenfalls gefördert hat. Vielen Dank, liebe Frau Loth! Wir danken außerdem dem Förderverein der Bun- destagsfraktion DIE LINKE für ihre finanzielle Unter- stützung unseres Kongresses. Was ist Leistung? Wie wird sie bewertet? Wie wirkt sich die Bewertung aus? Das fragt dieser Kongress. Und dabei geht es uns nicht nur um bezahlte Arbeit, sondern auch um un- bezahlte Arbeit, um die Ehrenamtliche Arbeit. Eine sehr weitgehende Frage, die jeden Lebensbereich von Männern und Frauen tangiert. Dazu werden wir kompetente Referentinnen hören, die Ihnen im Verlauf des Kongresses jeweils einzeln vorgestellt werden. Mindestens genauso wichtig ist uns die Dis- kussion zwischen Ihnen, dem fachkundigen Publi- Carola v. Braun kum und mit den Referentinnen. Deshalb haben wir Sprecherin, Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – diesen Kongress von Anfang an plenar geplant, ohne Stadt der Frauen Arbeitsgruppen, damit alle Kongressteilnehmerin- nen Ihren Beitrag mitbekommen und umgekehrt. Begrüßung der Kongress-Teilnehmerinnen Heute richten wir den Blick auf das Thema von oben, aus der Sicht der Wissenschaft, morgen Vormittag Meine Damen und Herren, folgt der Blick von innen aus der Sicht der Betroffe- herzlich willkommen im Namen der Überparteili- nen und danach befassen wir uns mit der Frage: was chen Fraueninitiative Berlin (ÜPFI) im Festsaal des muss sich ändern. Abgeordnetenhauses von Berlin! Neben mir sitzt meine Vorstandskollegin Judith Bevor wir aber unseren Gastgeber und unsere För- Brandner, sie ist die Ideengeberin des heutigen Kon- derer um ihre Grußworte bitten, wollten wir Ihnen gresses. Mein Name ist Carola v. Braun, Sprecherin aber doch mitteilen, wen außer unseren Referentin- der Überparteilichen Fraueninitiative – gemeinsam nen und Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmern mit meinen Vorstandskolleginnen, werden wir Sie wir noch besonders begrüßen möchten. Ich schlage und den Kongress heute und morgen begleiten und vor, dass Sie alle diese spannenden TeilnehmerInnen moderieren. zum Schluß mit einem großen Applaus begrüssen (in Wir danken unserem Gastgeber – dem Präsident des alphabetischer Reihenfolge): Abgeordnetenhauses von Berlin, Ralf Wieland – und den Abgeordneten dieses Hauses, für die 20-jährige ▪▪ Unsere Unterstützerin und langjährige Förderin Unterstützung unserer Aktivitäten und dafür, dass von Anfang an, Bundesministerin a. D. Dr. Chris- wir Gäste dieses Hauses sein dürfen. tine Bergmann Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für ▪▪ die frischgewählte Bundesvorsitzende des Deut- Politische Bildung und Förderer dieses Kongresses, schen Frauenrates, Hannelore Buls hat es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, am 20. ▪▪ die frauenpolitische Sprecherin der SPD-Frakti- Geburtstag der ÜPFI persönlich zu uns zu sprechen, on im Abgeordnetenhaus, Dr. Ina Czyborra Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 7
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Grußworte ▪▪ Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt aus Brandenburg, langjähriges Mitglied der ÜPFI Grußworte ▪▪ die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Integration und Frauen im Abgeordnetenhaus von Berlin, frauenpolitische Sprecherin und stellv. Fraktionsvorsitzende der Fraktion B90/ Grüne, Anja Kofbinger ▪▪ den Abgeordneten und frauenpolitischen Spre- cher der PIRATEN-Fraktion, Simon Kowalewski MdA ▪▪ die Berliner Bundestagsabgeordnete, Dr. Gesi- ne Loetzsch von der Fraktion DIE LINKE ▪▪ die Vizepräsidentin des Deutschen Bundesta- ges, Petra Pau von der Fraktion DIE LINKE, beide Unterstützerinnen der ÜPFI seit ihren Jahren im Berliner Abgeordnetenhaus ▪▪ die Abgeordnete Ülker Radziwil, stellv. Frakti- onsvorsitzende und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion ▪▪ Prof. Ingrid Stahmer, ehemalige Bürgermeis- terin, heute Sprecherin der Landesarmutskon- ferenz, die uns mit Christine Bergmann in den Ralf Wieland Gründungsjahren im Senat zur Seite stand Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin ▪▪ die Staatssekretärin für Jugend, Sigrid Klebba ▪▪ die frauenpolitische Sprecherin der CDU-Frakti- Sehr geehrte Frauen der ÜPFI, sehr geehrte Frau von on im Abgeordnetenhaus, Katrin Vogel Braun, sehr geehrte Gäste, ▪▪ und last but not least: Carmen Boltz, Grün- dungsvorsitzende der ÜPFI bei Vereinsgründung 20 Jahre Überparteiliche Fraueninitiative in Berlin – das ist wahrlich ein Grund zum Feiern. Deshalb be- Ihnen Allen herzlich willkommen! Wir freuen uns, glückwünsche ich Sie, die Akteurinnen des Vereins dass Sie da sind! – auch im Namen des Berliner Abgeordnetenhauses – sehr herzlich. Mein besonderer Dank geht an die Gründerinnen der Überparteilichen Fraueninitiative, die vor 20 Jahren, 1992, den Schritt gewagt haben, sich über die Parteigrenzen hinweg zusammenzutun, um gemeinsam für die Rechte der Frauen zu kämp- fen. In Ihrer damaligen Presseerklärung schrieben sie: „Wir, Frauen im Parlament, wollen, dass Berlin eine Stadt der Frauen ist!“ In den letzten 20 Jahren haben Sie mit unzähligen Veranstaltungen und Aktionen Ihr großes Engage- ment für Geschlechtergerechtigkeit unter Beweis ge- stellt. Dafür gebührt Ihnen meine uneingeschränkte Hochachtung. Hier auf die Fülle Ihrer Aktivitäten eingehen zu wollen, wäre vermessen. Besonders herausstellen möchte ich aber, dass sich Ihr Verein über die Jahre hinweg zu einem weit verzweigten politischen Netz- 8 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Grußworte | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ werk entwickelt hat, das bundesweit seinesgleichen die Politik. Der Anteil von Frauen in Führungsposi- sucht. tionen kann als symptomanisch genommen werden Als Initiative aus dem Abgeordnetenhaus heraus hat für die Chancen von Frauen in unserer Gesellschaft alles begonnen, und so sind Sie all die Jahre immer insgesamt. ganz nah an der Politik geblieben. Sie binden die Se- In den letzten Wochen wurde viel über einen Ge- natorInnen ein, laden zu Fachgesprächen mit den setzentwurf des Europäischen Parlamentes für eine frauenpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen verbindliche Frauenquote in Aufsichtsräten und und arbeiten im Frauenpolitischen Rat der Senato- Vorständen diskutiert. Es hat sich deutlich gezeigt: rin für Frauen mit. Appelle und freiwillige Selbstverpflichtungen der Das Abgeordnetenhaus von Berlin hat ihre an- Wirtschaft reichen nicht aus. Unter den Chefs der spruchsvolle Arbeit immer unterstützt, wo es ging. größten Europäischen Unternehmen befinden sich Das werden wir auch weiter tun. nur ca. 3 % Frauen, in den Aufsichtsräten gerade mal Das Berliner Parlament möchte damit auch seiner 13 %. Auch in der Politik ging es seit 1949 mit den besonderen Anerkennung für Ihren aktiven und – Frauen nur langsam voran. Erst zwölf Jahre nach der wie ich besonders hervorheben möchte – ehren- Gründung der Bundesrepublik, nämlich 1961, wur- amtlichen Einsatz, für die Rechte der Frauen Aus- de zum ersten Mal eine Frau als Bundesministerin druck verleihen. vereidigt, nämlich Elisabeth Schwarzhaupt für das Ressort Gesundheitswesen. Bei der Gleichstellung von Mann und Frau handelt In der öffentlichen Vermittlung steht die Sache der es sich nicht um irgendein politisches Ziel, sondern Frauen gut: Wir haben eine weibliche Bundeskanzle- es handelt sich um die Erfüllung eines Verfassungs- rin, wir haben mehrere Ministerpräsidentinnen und auftrags. Wenn wir in das Jahr 1949 zurückblicken, Präsidentinnen von Landtagen. Da scheint es, dass so war es der Politikerin Elisabeth Selbert im Parla- von Frauen gemachte Politik ganz selbstverständlich mentarischen Rat gelungen, die rechtlich uneinge- ist. Eine andere Zahl lässt mich allerdings doch ganz schränkte Gleichberechtigung im Grundgesetz der nachdenklich werden: Nur rund 5 % aller Bürger- Bundesrepublik Deutschland zu verankern. Artikel 3 meister in deutschen Städten über 10.000 Einwoh- machte auch den Weg frei, ihm entgegenstehendes ner sind Frauen. Recht zu verändern. 1994 wurde der Artikel 3, Abs. 2 Grundgesetz „Männer und Frauen sind gleichbe- Liebe Gäste, zum Abschluss möchte ich noch ein- rechtigt“ ergänzt durch den Satz „Der Staat fördert mal auf die ehrenamtliche Arbeit der Überparteili- die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberech- chen Fraueninitiative hier in Berlin zurückkommen. tigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Ehrenamtlicher Einsatz ist Motor einer lebendigen Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Zivilgesellschaft. Sie beteiligen sich mit ihren Ide- en und Projekten aktiv am Leben in unserer Stadt Wir Politiker, Männer wie Frauen, sind uns bewusst, und beweisen damit: Ehrenamtliche Arbeit ist kein dass offene oder versteckte Diskriminierungen auch Auslaufmodell, sondern hat eine wichtige und nicht heute noch ein Problem in unserer Gesellschaft dar- wegzudenkende Funktion für unsere Gesellschaft. stellen. Besonders plastisch zeigt sich der lange Weg Ich möchte Ihnen deshalb auch ganz persönlich sa- zur Gleichstellung, wenn man sich die Arbeitswelt gen, wie beeindruckend ich die Vielzahl Ihrer Initiati- ansieht. So betitelte der Tagesspiegel vor ca. zwei ven finde. Darin drückt sich viel Verantwortungsbe- Wochen seinen Bericht über den geringen Anteil wusstsein für unsere Gesellschaft aus. von Frauen in Führungspositionen mit der Über- Ich wünsche Ihnen für Ihre weitere Arbeit viel Erfolg, schrift: „Noch 792 Jahre bis zur Gleichstellung.“ Ich viel Kraft und Zähigkeit. Für Ihre beiden Kongressta- möchte an dieser Stelle nicht auf die Berliner Studie ge wünsche ich Ihnen gute und anregende Diskussi- eingehen, die Sie sicherlich alle kennen, sondern an onen und ganz persönlich sage ich Ihnen noch ein- dieser Stelle nur so viel sagen: Die Beibehaltung von mal: Dankeschön! Frauenquoten und die Einführung von Frauenquo- ten in bestimmten Bereichen ist leider immer noch notwendig. Das gilt für die Wirtschaft und auch für Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 9
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Grußworte völlige Überbewertung von vermeintlichen Leistun- gen im Banken- und Fondsbereich seit Beginn der 1990er Jahre. Was wird denn da eigentlich geleis- tet? Und: wer profitiert davon? Wirklich nachhaltige Leistungen für unsere Gesellschaft werden hier wohl kaum erbracht. Ganz im Gegenteil wirkt die Über- bewertung dieser Art von Leistung desintegrierend; sie forciert die Spaltung der Gesellschaft. In unserer Gesellschaft nimmt leider das Klassendenken wieder zu und die relative Armut steigt, weil die Schere zwi- schen Arm und Reich immer weiter aufgeht. Anspruch und Wirklichkeit des Leistungsprinzips Schauen wir uns unseren Leistungsbegriff genau- er an: Leistung ist der zentrale Parameter unseres modernen Lebens. Leistung ist eng verbunden mit Wachstum und Entlohnung und das wiederum emp- finden wir als etwas Positives. Dem Leistungsdenken an sich wohnt auch durchaus zum einen ein eman- zipatorisches wie zum anderen demokratisches Thomas Krüger Potential inne. Nur nach Leistung, nicht nach Her- Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung kunft beurteilt zu werden, ist ein Versprechen der demokratischen Gesellschaftsordnung. Individuelle Sehr geehrte Damen und Herren, Leistung sollte das Kriterium für einen beruflichen Aufstieg sein. Dieses Denken kann vielen Menschen ich freue mich sehr, Sie bei diesem Kongress der Möglichkeiten eröffnen, die sie in traditionellen „Überparteilichen Fraueninitiative Berlin“ begrüßen Gesellschaften nicht hätten – auch und gerade den zu dürfen. Nicht zum ersten Mal bin ich bei einer Frauen. Ihrer Veranstaltungen zu Gast, denn als politisches Netzwerk in der Zivilgesellschaft widmen Sie sich Aber individuelle Leistung ist nach wie vor nur ein zentralen Zielen der politischen Bildung. Kriterium unter vielen, denn das meritokratische Prinzip verschleiert eben auch soziale Ungleichhei- Was ist „Leistung“? Kaum ein anderer Begriff hat ten. Längst wissen wir: Nicht nur Leistung spielt eine uns seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts so sehr Rolle bei der Verteilung von Gütern und für die Zu- geprägt. Leistungsdenken und das Streben nach weisung unseres Platzes in der Gesellschaft. Auch Wachstum im gewinnmaximierenden Sinne haben soziale Herkunft, Geschlecht oder Ethnie. Zudem in den westlichen Gesellschaften ein hohes Wohl- individualisiert das Leistungsprinzip. Es macht den standsniveau hervorgebracht – aber gleichzeitig Einzelnen allein verantwortlich. Es blendet Sozialisa- sprechen wir auch von den ‚Verlierern der Leistungs- tionsprozesse, Strukturen und Rahmenbedingungen gesellschaft‘. Gerade vor dem Hintergrund der aktu- weitgehend aus. ellen Wirtschaftskrise sollten wir über Leistung neu nachdenken. Schauen wir uns also auch diese Rahmenbedingun- gen einmal genauer an: Noch immer haben Frauen Problematisch ist nicht nur der oft ausgrenzende eine geringere Erwerbsbeteiligung. Der Einkom- Umgang mit Menschen, die sich nicht in die so ge- mensunterschied liegt bei ca. 23 Prozent. Dies liegt nannte Leistungsgesellschaft integrieren können hauptsächlich daran, dass viele Frauen im Niedrig- oder wollen. Problematisch ist häufig auch die De- lohnbereich, in geringfügigen Beschäftigungsver- finition von Leistung: Nehmen Sie als Beispiel die hältnissen und in Teilzeit arbeiten. Ihr beruflicher 10 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Grußworte | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ Aufstieg ist nach wie vor erschwert, insbesondere satz und ich denke, es zeigt, dass der vorherrschen- aufgrund von Unterbrechungen durch Mutterschaft de Leistungsbegriff auf den Prüfstand gekommen ist. oder Pflegezeiten. Auch wenn Frauen eine denen Dass das Umdenken so langsam verläuft, liegt nicht der Männer vergleichbare Tätigkeit ausüben – Art zuletzt an der langen Dauer der Fehlentwicklung. der Arbeit, Ausbildung, Alter, Erwerbserfahrung Es ist für uns alle hier ein alter Hut: Spätestens mit und Betriebsgröße mit betrachtet –, bleibt ein Un- der industriellen Revolution und dem Aufstieg des terschied von etwa 10 Prozent beim Stundenlohn! Kapitalismus systematisierte und zementierte die Und da unsere sozialen Sicherungssysteme einkom- traditionelle Arbeitsaufteilung zwischen den Ge- menszentriert sind, benachteiligen sie Frauen zu- schlechtern in der Trennung von Produktions- und dem im Falle von Arbeitslosigkeit und im Alter. Der Reproduktionssphäre. Es gab öffentliche, männliche Heiratsmarkt, stellte Jutta Allmendinger in unserer Erwerbsarbeit. Uns es gab private, weibliche un- Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ pointiert bezahlte Hausarbeit. Anerkennung und monetäre fest, sichert Frauen immer noch besser ab als der Belohnung wurde nur der „echten“ Arbeit in der Arbeitsmarkt. Produktionssphäre zugebilligt, während die Wert- schätzung der häuslichen Arbeit sank. Dabei bräche Leisten Frauen also weniger? Wir müssen uns die jede westliche Ökonomie zusammen, wenn die un- Maßstäbe anschauen! bezahlte Arbeit in der Reproduktionssphäre nicht mehr erledigt würde. Unser Leistungsbegriff hat sich in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell verschoben: Nicht mehr Was läuft also in der Reproduktionssphäre oder: persönlicher Input – wie Aufwand, Arbeitsintensität Wer macht eigentlich die „Drecksarbeit“? und Qualifikation – zahlt sich aus. Frauen mit ihren durchschnittlich höheren Bildungserfolgen wären Noch immer erledigen vor allem Frauen die „Drecks- sonst im Vorteil. Nur noch der Output, der Mark- arbeit“, so die feministische Bloggerin Laurie Penny terfolg, bestimmt über die Höhe der Entlohnung. in ihrer Streitschrift „Fleischmarkt“. Sie beschreibt So wird auch gerechtfertigt, dass Manager ein Viel- das Dilemma der Frauen folgendermaßen: „Ein Jahr- faches von dem erhalten, was Niedriglohnbezieher hundert nach dem Aufkommen des Feminismus verdienen. Gesellschaftsschädigende Tätigkeiten verrichten Frauen noch immer den Löwenanteil der wie Finanzspekulationen haben nicht selten einen Betreuung, der Nahrungszubereitung und des Sau- vergleichsweise hohen Marktwert. Demgegenüber bermachens, und zwar unentgeltlich. Abgesehen werden viele gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten davon sollen wir heutzutage zusätzlich zu diesen im sozialen und kulturellen Bereich nicht als bedeu- häuslichen Pflichten ‚echte‘ Arbeit leisten, also Ar- tende Leistung gewürdigt und entlohnt. beit, die traditionellerweise von Männern außerhalb des Hauses getan wird, allerdings für weniger Geld Alternativen in Sicht? und Anerkennung.“ Frauen in der Altersgruppe zwi- schen 30 und 44 Jahren leisten fast doppelt so viel Die Enquetekommission des Bundestags „Wachs- unbezahlte Arbeit wie Männer (5:21h zu 2:57h). tum, Wohlstand und Lebensqualität“ hat begonnen, Väter nehmen zwar zunehmend das neue Eltern- unseren Wachstums- und Fortschrittsbegriff zu pro- geld in Anspruch, aber oftmals nur die zwei Monate, blematisieren. Die Mitglieder sehen sich nach Alter- die sonst verfallen würden. Wird sich daran künftig nativen zur Brutto-Inlandsprodukt-Messung um. In etwas ändern? Wahrscheinlich eher langsam. Das Zukunft sollen der soziale und ökologische Wohl- zeigt eine jüngere Umfrage von Infratest Dimap vom stand, der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Oktober 2012, die auch gleichzeitig die Kluft der Chancen zur Verwirklichung individueller Potentia- Wahrnehmung häuslicher Arbeit offenbart. Männer le bei der Messung von individuellen und sozialen verneinen mehrheitlich die Aussage „Die Hausarbeit Wohlergehen mit berücksichtigt werden. Auch die wird auch in 15 Jahren hauptsächlich von Frauen ge- Möglichkeiten, die sich den Bürgern für kreatives macht“. Frauen sind aber nicht so optimistisch: 64 und politisches Schaffen bieten, sollen gemessen Prozent glauben, dass dies auch in 15 Jahren noch werden. Dies halte ich für einen sehr wichtigen An- der Fall sein wird. Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 11
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Grußworte Lohn für Hausarbeit? chen einhergehen darf. Es liegt in unserer Verant- wortung. Und genau hier setzt die Arbeit der politi- Die Diskussion um die Aufwertung und Entlohnung schen Bildung an – durch Sie als Stimme der vielen von Hausarbeit ist nicht neu. Die Probleme sind Ih- Frauen, die sich einen neuen Umgang mit Leistung nen bekannt: Wo sollen die Mittel herkommen? Und wünschen. Aber auch durch uns als staatliche Ein- wollen wir diesen privaten Bereich des Familienle- richtung der politischen Bildung. Wir können The- bens wirklich auch noch den Kriterien des Marktes men setzen, in die Öffentlichkeit tragen, die Debatte unterwerfen? Eine Entlohnung, die an den Mark- stimulieren. Wir müssen die Kontroversen sichtbar terfolg gekoppelt würde, wäre wahrscheinlich sehr machen. Aber gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, die niedrig. Das zeigt sich z.B. im Pflegebereich, wo ja Diskussion durch Fakten und Argumente zu versach- schon geradezu infame Vorschläge zur Auslagerung lichen, wo sie wie oft emotional und leider auch po- der Alten in Niedriglohnländer gemacht wurden. lemisch geführt wird. Auch ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass vor allem Frauen diese Arbeiten machen würden. Bereits vor zwei Jahren haben wir einen großen, Das zeigt sich bei der entlohnten Weitergabe von internationalen Genderkongress organisiert unter häuslichen Tätigkeiten wie Putzen. Wir benötigen dem Thema „Das flexible Geschlecht – Gender, Glück einen Plan, der auch die Männer in die Verantwor- und Krisenzeiten in der globalen Ökonomie“. Auch tung nimmt. in unseren verschiedenen Gender-Webdossiers und der APuZ haben wir uns in den vergangenen Jahren Wie sehen die Alternativen aus? – etwa unter dem Stichwort Geschlechteridentität, Frauen in Europa oder Humanisierung der Arbeit – Wie so oft führt der Weg in eine lebenswertere Zu- immer wieder mit dem Thema auseinandergesetzt. kunft über die Krise. Wirtschaftskrise, demographi- Und ich kann Ihnen versichern, dass wir es nicht da- scher Wandel, Klimakatastrophe – die Krisenphäno- bei bewenden lassen werden. mene unserer stündlichen Nachrichten stehen mit Leistung und Wachstum in engem Zusammenhang. Ich bin der „Überparteilichen Fraueninitiative Ber- Die Ökonomisierung hat alle unsere Lebensbereiche lin“ sehr dankbar, dass sie das brisante Thema Leis- unterwandert: Liebe und die Geschlechterbeziehun- tung hier zur Diskussion stellt. Außerdem danke ich gen, Erziehung und Bildung der Kinder, die Pflege den Veranstalterinnen für ihr außerordentliches der Alten, die Arbeitswelt, Freizeit und Kunst usw. 20-jähriges Engagement. Es wird überdeutlich, was Unsere Lebensqualität schwindet und eine zuneh- ein Netzwerk von Ehrenamtlichen als Partner der mende Zahl von Menschen bleibt auf der Strecke. politischen Bildung ‚leisten‘ kann und wie hoch dies Wer mitzumachen versucht, riskiert den Burn-out; einzuschätzen ist und freue mich auf eine kontrover- die Abgehängten riskieren das Bore-out: das Abge- se und deshalb anregende Diskussion! stempelt-sein als ‚nutzloser‘ Empfänger wertvollen Steuergeldes. Wir müssen also wieder das Ruder in die Hand nehmen und eine grundsätzliche Diskussion darü- ber führen, welche gesellschaftlichen Tätigkeiten erwünscht und notwendig sind. Welche tragen zu einem nachhaltigen, gerechten Wirtschaften bei? Welche zu einer lebenswerten Existenz? Wir brau- chen die Aufwertung jetzt schlecht bezahlter Arbeit im Sorgebereich jenseits eines ‚Markterfolgs‘. Wir brauchen auch eine Neubewertung der jetzt unbe- zahlt geleisteten Arbeiten im sozialen und häusli- chen Bereich – die jedoch nicht mit einer erneuten Verdrängung der Frauen aus anderen Arbeitsberei- 12 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Grußworte | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ Frauenbündnisse sind aber auch notwendig um Ge- staltungsmöglichkeiten und gleichberechtigte Teil- habe von Frauen am öffentlichen und privaten Le- ben zu vergrößern. Aber auch die gleichberechtigte Teilhabe an Ressourcen zu gewährleisten. Und gera- de das findet immer noch nicht statt. Denn wer ein Leben lang einen Minijob ausübt, hat keine gleichbe- rechtigte Teilhabe am kulturellen und gesellschaftli- chen Leben. Ist und bleibt abhängig. Ein Leben lang. Wir sagen nicht nur Altersarmut ist weiblich, son- dern auch prekäre Beschäftigung ist weiblich. An dieser Stelle möchte ich Ihnen aber auch Mut machen und Sie in Ihrem Engagement unterstüt- zen. Auch wenn die Erfolge unserer aller Arbeit sich nicht sofort einstellen, es gibt Bewegung. Und dazu gehört die Diskussion über die Quote in den Auf- sichtsräten und Vorständen, aber dazu gehört auch der massive überparteiliche Widerstand gegen das Betreuungsgeld. Barbara Loth Dazu gehört der Girlsday. Dazu gehören auch die Staatssekretärin, Senatsverwaltung für Arbeit, Inte- vielen Gutachten von Wirtschaftsprüfern und Unter- gration und Frauen nehmensberatern, die nachweisen, dass Frauen an der Spitze zum Erfolg führen. Dazu gehört aber auch Sehr geehrte Damen und Herren, die Tatsache, dass die Bundesagentur für Arbeit das Thema Frauen und Arbeit als ein Schwerpunktthema auch ich möchte Sie heute – zu diesem wirklich au- benannt hat. Und vieles mehr. ßerordentlichen Kongress begrüßen. Und trotzdem, Äußerungen wie die von Carla Bru- Es macht mich stolz heute hier ein Grußwort spre- ni-Sarkozy, die die Gleichberechtigung als erreicht chen zu dürfen. Denn das gibt mir zum einen die ansieht, begegnen uns jeden Tag. Und auch ich in Möglichkeit die außerordentliche Arbeit der über- meiner Funktion als Frauenstaatssekretärin erlebe parteilichen Fraueninitiative zu würdigen, aber auch tägliche Widerstände. Angefangen von einem mit- zu dem von Ihnen gewählten Themen, das gerade leidigen Belächeln über die Sinnlosigkeit meiner mir besonders wichtig ist, etwas sagen zu können. Tätigkeit. Über die Wut, wenn ich die paritätische Besetzung mit Hilfe des LGG durchsetze. Hier in dieser großartigen Stadt – ich sage immer, der Stadt der Frauenbewegung – Staatssekretärin Es ist das in vielen Köpfen noch tief verwurzelte Rol- für Frauen zu sein, ist eine besondere Auszeichnung. lendenken. Und nicht nur Männer sind immer noch Und das, wofür Sie sich – liebe Frauen von Üpfi – tief davon überzeugt, dass Frauen in der Arbeitswelt eingesetzt haben, bleibt aktuell. Denn es gibt immer nur als Hilfskraft fungieren sollten, nur arbeiten müs- noch viel zu tun. sen, wenn der Mann nicht genug Geld nach Hause bringt. Aber auch – und das ist meine Überzeugung- Als Politikerin weiß ich, dass überparteiliche Bünd- tief davon überzeugt sind, dass Frauen es nicht kön- nissen von Frauen dringend nötig sind. Nötig nicht nen. Und die vielen positiven Beispiele werden als nur für uns Frauen selbst. Frauenbündnisse sind Zu- Ausnahme von der Regel empfunden. kunftsstrategie. Um gesellschaftliche Erneuerungs- prozesse anzustoßen und auch umzusetzen. Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 13
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Grußworte Und machen wir uns nichts vor: Viele Mädchen in Gerade deshalb möchte ich mich an dieser Stel- unserer Stadt warten immer noch auf ihren Prinzen. le noch einmal dafür bedanken, dass Sie dieses so Wollen immer noch Jobs, von denen sie nicht leben wichtige Thema gewählt haben. Dass Sie den Kon- können. Nehmen immer noch die Rollenteilung im gress durchführen. Schön, dass er gerade hier statt- Haushalt, bei der Kindererziehung, bei der Pflege findet. Deshalb danke ich auch Ralf Wieland, dass er gerne an. Und Alleinerziehende sind immer noch die Räume zur Verfügung gestellt hat. Und Thomas überwiegend weiblich. Krüger und der Bundeszentrale für politische Bil- dung für die Unterstützung bei der Durchführung Gerade deshalb ist das Thema Frauen und Arbeit so des Kongresses. wichtig. Denn Arbeit ist keine Pflicht. Arbeit bedeu- tet gesellschaftliche Wertschätzung und persönliche Ich wünsche Ihnen einen erfolgreichen und span- Stärkung. Vor allem bezahlte Arbeit. nenden Verlauf des Kongresses. Als ehemalige Arbeitsrichterin habe ich das täglich in den Verhandlungen erlebt. Bei Männern wie Frauen. Was es bedeutet, Arbeit zu verlieren, ar- beitslos zu sein. Aber Arbeit ist eben nicht gleich Arbeit. Warum verdient ein Banker mehr als ein Bauer. Ist dessen Tätigkeit mehr wert? Warum? Warum verdient eine Krankenschwester weniger als ein IT-Spezialist? Wa- rum wird die Leistung eines Übungsleiters im Verein nicht anerkannt? Ich finde es gut, dass Sie sich heute mit diesen The- men beschäftigen. Denn das ist dringend nötig. Denn wenn wir nichts tun, werden wir in Zukunft wichtige Aufgaben nicht lösen können. Wir brau- chen dringend mehr Menschen, die im Pflege- und Erziehungsbereich arbeiten. Das werden wir nicht erreichen, wenn diese Tätigkeiten so schlecht be- zahlt werden. Aber wir brauchen auch ein Umdenken in Bezug auf gesellschaftliche Verantwortung. Wenn jeder nur für sich sorgt, wenn ihm oder auch ihr die Sorgen und Nöte des Nachbarn weiterhin gleichgültig sind, werden wir die großen Probleme der Zukunft in un- serer Gesellschaft nicht lösen. 14 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Einführung ins Thema | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ eine Mutter, die ein Kind aufzieht, erbringt sie auto- Einführung matisch eine Leistung für die Gesellschaft? Hängt die Bewertung ihrer Arbeit davon ab, ob das Kind später für die Gesellschaft Steuern zahlt oder von ihr So- zialleistungen erhalten muss? Fest steht, dass kein gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, was Leistung ist. Bei Wikipedia wird Leistung als erstes als Arbeit pro Zeit definiert. Wir wollen zu einer neuen ge- sellschaftlichen Bewertung von Erwerbsarbeit, Re- produktions- und Fürsorgearbeit anregen und lang- fristig zu einer neuen Arbeitsteilung kommen, die unabhängig vom Geschlecht ist. Zu einer neuen Bewertung von Leistung hilft die Stu- die „A Bit Rich: Calculating the real value to society Judith Brandner of different professions“ des britischen Think Tanks Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der New Economic Foundation (NEF). Darin wird die Frauen e.V. Arbeit von sechs Berufsgruppen anhand des Krite- riums „Social Return on Investment (SROI)“ (soziale Kapitalrendite), also ihres gesellschaftlichen Wertes Einführung ins Thema: Mythos Leistung bemessen. Es wird danach gewertet, welche sozia- len und ökologischen Gewinne und welche Schäden Wer sich mit Frauenrechten beschäftigt, stößt ir- der Gesellschaft durch diese Arbeiten entstehen. gendwann auf das Thema Leistung. Frauen arbei- Grob zusammengefasst: für jeden Pfund den ein ten in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Ihre Mann erwirtschaftet, werden acht Pfund vernich- Arbeit wird unterbewertet. Die Unterscheidung der tet. Eine Frau schafft mit jedem Pfund Lohn einen Menschen nach ihrem Geschlecht und die scheinbar sozialen und ökologischen Wert von 11 Pfund. Un- zwingend folgende Ungleichbehandlung der Frauen tersucht wurden die Berufe Investmentbanker/in, prägen gesellschaftliche Verhältnisse grundlegend. Steuerberater/in, Werbedesigner/in, Kinderbetreu- Auch der scheinbar neutrale Begriff Leistung und ung, Reinigungskraft im Krankenhaus und Angestell- was wir jeweils darunter verstehen, spiegelt dieses te im Recyclingbereich. Phänomen wider. Die Studie verdeutlicht die Tendenz, dass die unter- Leistung ist nicht objektiv messbar. Wer seinen suchten Berufsgruppen, die gesellschaftlich wirklich Herrschaftsanspruch, seine sozial exklusive Rolle, notwendige Tätigkeiten verrichten, im Niedriglohn- einen wie auch immer gearteten Vorteil elegant le- sektor angesiedelt sind, obwohl sie der Gesellschaft gitimieren möchte, begründet dies am besten mit einen höheren sozialen und ökologischen Mehrwert seiner Leistung. Soweit der Blick in die Geschichte bringen, als sie an Löhnen kosten. Die Arbeit der un- zurückreicht, haben Herrscher aller Art ihre einmal tersuchten Spitzenverdiener/-innen hingegen führte durch Gewalt oder Glück gewonnene Vorherrschaft tendenziell eher zu sozialen und ökologischen Schä- im Nachhinein mit ihrer Leistung zu begründen ver- den. Die Arbeit im Bereich der unterfinanzierten sucht. Kinderbetreuung ermöglicht etwa Eltern, unbesorgt weiter zu arbeiten, also unabhängig zu bleiben, Auch heute erklären uns selbst ernannte „Leistungs- Steuern zu zahlen und einen höheren Lebensstan- träger“, die das 52fache Gehalt des Durchschnitts- dard für ihre Familien zu unterhalten. Sie ermöglicht einkommens ihrer Angestellten erhalten, dass sie den betreuten Kindern eine bessere sprachliche, das 52fache leisten. Ist das überhaupt möglich? Und geistige und soziale Entwicklung und verringert die Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 15
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Einführung ins Thema Gefahr von Arbeitslosigkeit und Prekäreinkommen im Vergleich zu nicht in einer Kindereinrichtung be- treuten Kindern. Laut der Studie generiert die Arbeit in der Kinder- betreuung mit jedem verdienten Pfund 7 bis 9,50 Pfund an gesellschaftlichem Wert. Die Studie räumt auch mit vermeintlichen Wahrheiten auf: viele My- then werden widerlegt: Wer mehr verdient, arbeitet mehr! Reiche tragen mehr zur Gesellschaft bei, als Arme! Aufstiegschancen sind für alle gleich! Erbrachte Leistungen müssen also gesellschaftlich anders bewertet werden. Besonders Frauen, die ganz überwiegend gesellschaftlich notwendige Ar- beit unbezahlt oder niedrig entlohnt erbringen, können davon profitieren. Es braucht einen neuen Diskurs über den Mythos Leistung. Und eine wache, starke Gesellschaft, die ehrlich schaut, wer was für das Gemeinwohl und die Gesamtwirtschaft beiträgt. www.neweconomics.org/publications/bit-rich www.neweconomics.org, siehe auch http://www. happyplanetindex.org/ 16 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Vortrag | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ tun sollten indem sie gut sind und in dem sie pro- Was ist Arbeit, was ist Leistung? duktiv sind. Keiner kann alles, wir tauschen. Dieses Denken über die gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung, bezieht sich auf alle Formen der menschlichen Arbeit, hat also keine spezifische Zu- spitzung auf Erwerbsarbeit. Die Bedingung, dass solch ein Arbeitsmodell funktio- niert ist, dass es zu symmetrischen Austauschbezie- hungen kommt. Geld spielt dabei eine sehr wichtige Rolle, denn es vermittelt diesen Tausch. Das klassische Beispiel für diese Handelstheorie ist: England soll Tuch herstellen – Portugal Wein und nicht umgekehrt. So ist Arbeitsteilung wohlfahrts- steigernd. Prof. Dr. Friederike Maier Es gibt aber auch einen Zweig in der Ökonomie, der Harriet Taylor-Mill-Institut der HWR Berlin sich auf die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in den Sphären der Haus- und der Erwerbsarbeit Gesamtgesellschaftliche Arbeitsteilung und bezieht, der sog. New Home Economics (1960). Die Geschlechterverhältnisse stellt die Frage, wie teilen Männer und Frauen Er- werbsarbeit auf und unterstellt, dass Männer und In diesem Vortrag geht es nicht darum, wie Leistung Frauen rationale Entscheidungen treffen. ganz konkret bewertet wird. Nicht darum, wie Ta- rifpartner und Personalmanager das machen. Das Wie sich Frauen und Männer Tätigkeiten aufteilen, alles könnte Gegenstand eines eigenen Kongresses basiert somit auf rationalen Entscheidungen, basie- sein. Denn die Frage, wie bewertet man eine ganz rend einerseits auf Talenten und Fähigkeiten (Hu- bestimmte Erwerbsarbeit, ist ein hochkomplexes mankapital) und andererseits auf Alternativen. Zum und ebenfalls geschlechtsspezifisch stark beeinfluss- Beispiel, lohnt es sich für mich zu putzen, wenn ich tes Gebiet. dafür nur zehn Euro pro Stunde spare, ich aber an- dererseits in meinem Beruf 20 Euro pro Stunde be- Hier und heute rede ich über die gesamtgesell- komme (Marktlohn versus Reservationslohn)? schaftliche Arbeitsteilung und die Geschlechterver- hältnisse und damit über einen sehr viel breiteren In der Realität bedeutet dass: Männer sind speziali- Rahmen. siert auf Erwerbsarbeit und Frauen geben Erwerbs- arbeit auf für Haus- und Sorgearbeit. Zunächst zum Thema Arbeitsteilung im ökonomi- schen Denken. Ist das jedoch ein fairer und symmetrischer ÖkonomInnen sagen Arbeitsteilung ist gesellschaft- Tausch??? lich notwendig und produktivitätssteigernd. Denn es ist sinnvoll, dass Menschen sich auf etwas speziali- Die TheoretikerInnen sagen, dass ist doch ok so, der sieren, dass Menschen das tun was sie können und Mann bring Geld in den Haushalt und die Frau „er- in einem Tauschverhältnis die Dinge bekommen, die wirtschaftet“ ordentliche Kinder und alle sind glück- sie selbst nicht produzieren können. lich. Früher, solange es keine Scheidungsmöglichkeit gab, Das Stichwort was hier benutzt wird, ist komparati- hielt diese symmetrische Arbeitsteilung ein ganzes ve (Kosten-) Vorteile, also die Idee, dass Leute das Leben lang. Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 17
Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ | Vortrag Wir wissen, dass diese Theorie falsch ist. Erwerbs- Arbeit ist nur das was über die Märkte vermittelt arbeit macht unabhängig, denn alle Produkte und wird. Auch Marx hat sich im Wesentlichen nur die Dienstleistungen sind bezahlbar. Wer ein hohes Ein- Lohnarbeit angekuckt. Und auch Polany und Esping- kommen hat, braucht keine Hausfrau oder keinen Andersen reden ausschließlich von „Kommodifizier- Hausmann mehr. te Arbeit“, also Arbeit die als Ware auf den Märkten gehandelt wird. Je länger eine Frau aus dem Erwerbsleben aus- scheidet, desto geringer wird ihr Marktwert, um so Für diese Lehren ist Haus- und Sorgearbeit ökono- weniger wird sie verdienen, wenn sie wieder in das misch nicht relevant. Und das schlägt sich nieder in Erwerbsleben einsteigt. Wir wissen diese Arbeitsei- Entscheidungen, z.B. was wir als ökonomisch rele- lung zwischen Männern und Frauen ist nicht sym- vant im Bruttoinlandsprodukt (BIP) erfassen. Das metrisch und auch nicht fair. ist eine Entscheidung, die vor ungefähr 120 Jahren gefällt wurde, um eine Aussage darüber zu treffen, Ich habe dazu ein Zitat gefunden: welche Daten eine Gesellschaft erheben muss, um „Oft quält sich ein schlecht ausgebildeter Mann im ihren Wohlstand zu messen. Berufsleben und bringt gerade mal das Allernötigste nach Hause, gleichzeitig unterbricht seine Partnerin Und das bedeutet, wir wissen in Deutschland alles ihre Erfolgskarriere und gefährdet sie, um die Haus- über Mastschweine, und nichts über die (unentgelt- arbeit zu machen. Dabei wäre die Frau möglicher- liche) Hausarbeit. Ihren Umfang ihre quantitative weise intelligenter und besser ausgebildet als der und qualitative Bedeutung. Jedes Mastschwein ist Mann - und er im Haushalt besser aufgehoben. Es genauestens dokumentiert, die Hausarbeit ermit- ist nicht nur für die Familie, sondern auch für die teln wir heute in komplizierten aufwendigen Verfah- Volkswirtschaft insgesamt von Vorteil, wenn klügere ren nur alle 10 bis 12 Jahre mal. Das heißt, die dama- Frauen Karriere machen und dümmere Männer zu lige Entscheidung hat erhebliche Bedeutung was wir Hause bleiben.“ heute (nicht) wissen, über das was gesellschaftliche Thomas Straubhaar Präsident des Hamburger Welt- notwendige Arbeit ist. wirtschaftsinstituts in der FAZ, Rubrik „Erklär mir die Welt“ 14.11.2006 zum Thema Arbeitsteilung Das ist eine alte Kritik. Feministische Ökonominnen haben schon immer gesagt: Man muss den Beitrag Ja, aber! – Ich würde hier ein „aber“ sagen, denn von Frauen und Männern zur ökonomischen und ge- was für ein Bild von Hausarbeit hat dieser Mann. sellschaftlichen Entwicklung in beiden Sphären mes- Also Leute die Hausarbeit machen sind dumm, ha- sen. Man muss sagen was passiert in der bezahlten ben offensichtlich irgendein Problem. Die Volks- Erwerbsarbeit und was in der unbezahlte Hausar- wirtschaft hat ein Problem, wenn die Dummen die beit. Der Maßstab dafür sind Geldeinheiten. Erwerbsarbeit machen und die Schlauen Zuhause arbeiten. Ich finde dieses Zitat ist ganz bezeich- Die bezahlte Erwerbsarbeit können wir relativ leicht nend und prägt nicht nur die Volkswirtschaftslehre messen. Die ist gut dokumentiert und unbezahlte (VWL) sonder auch unser gesellschaftliches Denken, Arbeit ist schlecht dokumentiert. Was wir benut- nämlich, dass Erwerbsarbeit gut ist und Hausarbeit zen sind Haushaltsbefragungen. Wir fragen einzelne irgendwas anderes nicht wirklich Wichtiges. Diese Menschen räprensentativ, wie sie ihre Zeit verwen- Denkart hat eine lange Tradition. Die VWLer haben den, ganz detailliert in 15 Minuten Schritten. Was immer nur die Erwerbsarbeit im Blick, wenn sie von davon ist Erwerbsarbeit, was davon Weg zur Arbeit Arbeit reden. und was ist dann Haus- und Sorgearbeit und was ist Freizeit. Z. B. wenn Sie ein Buch für sich lesen, ist das Die Definition der überall gelehrten Volkswirt- Freizeit, wenn Sie es mit ihrem Kind lesen, ist das schaftslehre ist: Sorgearbeit. Die Größenordnungen dieser Erhebung Die Wohlfahrt der Familie und der Volkswirtschaft für Deutschland sehen sie in der folgenden Tabelle: ist ausschließlich abhängig von der Erwerbsarbeit. 18 | Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012
Vortrag | Kongressdokumentation: „Was ist Leistung?“ Größenordnung Erwerbsarbeit Hausarbeit 56 Milliarden Stunden (2008) 96 Milliarden Stunden (2008) F: 39% des Erwerbsarbeitsvolumens F: 62% des Volumens F: 33% der Bruttolohnsumme Bewertung: Haushälterin (7,50 € netto) Absolut in 2008: Frauen erhielten 310 Milliarden € Frauen: 417 Milliarden € Männer erhielten 640 Milliarden € Männer: 276 Milliarden € Gerechnet mit Durchschnittslohn: Frauen: 1.375 Milliarden € Männer: 837 Milliarden € Frauen leisten also fast doppelt so viel Hausarbeit Wir haben versucht abzubilden was Frauen und wie Erwerbsarbeit. Für die Bewertung der bisher Männer in ihrem Lebensverlauf an geldumgerech- unbezahlten Arbeit kann man den Lohn einer Haus- neten Leistungen erbracht haben. Solche Berech- hälterin ansetzten (7,50 € in 2008) oder den Durch- nungen erforderten folgende Annahmen: Wir legten schnittslohn, denn die Hausarbeit hat so viele unter- bestimmte Modelltypen von Lebensverläufe fest, schiedliche Facetten. mit Annahmen über den Eintritt von Risiken (Ar- beitslosigkeit, Krankheit, Alter) basierend auf Daten Wenn Sie sich die Zahlen genau anschauen, sehen über Lebensverläufe und Daten über Sozialtransfers Sie, die Gesellschaft braucht sehr viel Hausarbeit, differenziert nach Männern und Frauen, nach Alters- ohne Hausarbeit ist Erwerbsarbeit nicht möglich. gruppen. Erste Beispiele wurden von Tanja Schmidt Und wenn man es quantifiziert, so ist die Hausarbeit im 7. Kapitel des Gleichstellungsberichts berechnet der Frauen sehr viel mehr wert, als das was sie in der und sind in der Tabelle auf der nächsten Seite dar- Erwerbsarbeit erzielen. gestellt. Kann man fragen: was „leisten“ Männer und Frauen im Lebensverlauf? Und wie sichert der Sozialstaat Männer und Frauen gegen ökonomische Risiken ab? Kann und darf man das quantifizieren? Darf man Le- bensverläufe einen Geldwert geben? Und genau das haben wir gemacht. Und zwar in einer Studie (Gen- der Accounting) für den ersten Gleichstellungsbe- richt der Bundesregierung, gemeinsam mit Prof. Dr. Miriam Beblo und Dr. Julia Schneider. Die Kurzfas- sung finden Sie im Kapitel 7 des Gleichstellungsbe- richts und die längere Fassung als discussion paper des Harriet Taylor Mill-Instituts unter:www.harriet- taylor-mill.de/pdfs/discuss/DiscPap15.pdf Kongress der Überparteilichen Fraueninitiative Berlin - Stadt der Frauen 2012 | 19
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