TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT

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TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
TRANSFER
     DAS STEINBEIS MAGAZIN 02|20

OPERATION 4.0 –
DATENENABLING
IN DER GESUNDHEIT
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
STEINBEIS: PLATTFORM FÜR ERFOLG
Steinbeis ist mit seiner Plattform ein verlässlicher Partner für Unter-
nehmensgründungen und Projekte. Wir unterstützen Menschen und
Organisationen aus dem akademischen und wirtschaftlichen Umfeld,
die ihr Know-how durch konkrete Projekte in Forschung, Entwicklung,
Beratung und Qualifizierung unternehmerisch und praxisnah zur
Anwendung bringen wollen.

Über unsere Plattform wurden bereits über
2.000 UNTERNEHMEN
gegründet.

Entstanden ist ein Verbund aus mehr als 6.000 EXPERTEN
      1.100 UNTERNEHMEN, die jährlich mit mehr als
in rund
10.000 KUNDEN Projekte durchführen.

So werden Unternehmen und Mitarbeiter professionell in der Kompetenz-
bildung und damit für den Erfolg im Wettbewerb unterstützt.

Und unser Verbund wächst stetig: Infos und Kontaktdaten unserer
aktuell gegründeten Unternehmen finden Sie unter

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TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
EDITORIAL             3

LIEBE LESERINNEN UND LESER,
was Willem Einthoven vor über hundert Jahren mit der Fernübertragung von einfachen Herz-
signalen über eine Telegrafenleitung begann, legte den Grundstein für die Herausbildung einer
zukunftsträchtigen neuen Disziplin – der Telemedizin.

Immer kleinere Sensoren sowie intelligente und zuverlässige Analyse- und Übertragungs-
algorithmen ermöglichen das vollautomatische Monitoring einer Vielzahl von Biosignalen wie
Herzfrequenz, Herzrhythmusstörungen, Blutdruck, Blutzucker und Körpertemperatur in Echt-
zeit. Damit wird Medizinern schon heute eine umfangreiche und klinisch sinnvolle Nachsorge
ihrer Patienten möglich. Strukturiert angewendet reduzieren diese Technologien Hospitalisie-
rungen und Gesamtsterblichkeit chronisch kardiovaskulär erkrankter Patienten um bis zu ein
Drittel. Ökonomisch betrachtet sinken stationäre Verweildauer und Behandlungskosten.

Damit zukünftig eine Großzahl an Patienten unabhängig von der regionalen Versorgungssitu-
ation von diesen positiven Effekten profitieren kann, ist der Ausbau eines leistungsstarken
Datenmanagements inklusive Übertragungstechnologien, Analyseverfahren, Prozessver-
antwortlichkeiten, multidimensionalen Datenaustausches sowie eines erstklassigen Daten-
schutzes erforderlich. Daneben ist ein ökonomisch basierter Vergütungsausbau digitaler medi-
zinischer Logistikprozesse wichtig.

Derart organisiert können Telemonitoring/Telemedizin zu einem tragenden Versorgungs-
konzept der Zukunft werden. Dafür sind ein gesundheitspolitischer Wille und eine ergebnis-
offene Diskussion über Technologien, Verantwortlichkeiten, Chancen wie auch Risiken und die
jeweiligen technischen, juristischen und strukturellen Rahmenbedingungen nötig.

Wir sind überzeugt, dass Telemonitoring, Big Data und künstliche Intelligenz ärztliches Denken
und Handeln bereichern können. Datenenabling ist die Grundlage dafür. In dieser Ausgabe
des Steinbeis Transfer-Magazins berichten Steinbeis-Experten daher über ihre Erfahrungen
und Sichtweisen zum Thema „Operation 4.0 – Datenenabling in der Gesundheit“.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

Ihre

DR. MED. JUDITH PIORKOWSKI                                    DR. MED. BETTINA KIRSTEIN
judith.piorkowski@steinbeis.de (Autorin)                      info.b.kirstein@gmail.com (Autorin)

Dr. med. Judith Piorkowski leitet das Dresdner Steinbeis-     Dr. med. Bettina Kirstein ist Ärztin in Weiterbildung zur Kardio-
Forschungszentrum Rhythm and Heart. Die Experten im           login. Gemeinsam mit Judith Piorkowski bringt sie ihre Exper-
Zentrum fokussieren das Datenmanagement im Telemonito-        tise in Steinbeis-Projekte ein.
ring sowie die Datenlogistik bei Studien auf dem Gebiet des
Telemonitorings.

www.steinbeis.de/su/1822

                                                                         Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
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                             EDITORIAL                                             SENSORUNTERSTÜTZTE DIAGNOSE:
                                                                                  DIREKT, ZUVERLÄSSIG UND SCHNELL
                                                                            Bioelektronische Sensoren spielen bei der Therapie
                                                                                         eine immer größere Rolle
                             FOKUS
                                                                                                    32
                                                                         DATEN: BASIS DER GESCHÄFTSMODELLE DER ZUKUNFT
                                 08                                          Kundenprobleme verstehen und nachhaltig lösen
„DIE CHANCEN LIEGEN IN DEN OPTIMIERUNGSMÖGLICHKEITEN
              VON DIAGNOSTIK UND THERAPIE“
Im Gespräch mit Professor Dr. med. Daniel König, Steinbeis-Unter-                                   36
 nehmer am Steinbeis-Transfer­zentrum Gesundheitsförderung und                #TECHOURFUTURE: ZUKUNFT GESUNDHEIT –
                     Stoffwechselforschung                                          MEDIZIN, MENSCH, TECHNOLOGIE
                                                                         Alle reden über Gesundheit – wir (auch) über Technologie!

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          CYTOREADER: KI IM KAMPF GEGEN DEN KREBS                                                   40
         Steinbeis-Experten setzen künstliche Intelligenz für        „ES IST WICHTIG, DASS JEDER EINZELNE DIE MÖGLICHKEIT HAT,
             Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung ein                   DAS VERSTÄNDNIS FÜR EINE TECHNOLOGIE ZU ENTWICKELN“
                                                                         Im Gespräch mit Stefan Lob, Geschäftsführer der Praxis für
                                                                                           Führung – X.0 GmbH
                                 14
                       STRESS LASS NACH!
Steinbeis-Experten helfen Belastungssituationen am Arbeitsplatz zu                                  42
             evaluieren und frühzeitig zu eliminieren                 „ICH BIN ÜBERZEUGT, DASS TELEMEDIZIN DEN ARZTBESUCH
                                                                                 NICHT ERSETZT, SONDERN ERGÄNZT“
                                                                         Im Gespräch mit Angelika Walliser, Allgemeinmedizinerin,
                                 16                                          Chirurgin & Leiterin der Notfallpraxis Reutlingen
    „ENTSCHEIDEND FÜR DEN ERFOLG VON DATA-ANALYTICS-
    PROJEKTEN IST DIE KOMBINATION VON KÜNST­LICHER UND
                   HUMANER INTELLIGENZ“                                                             44
       Im Gespräch mit Dr. Philipp Liedl, Geschäftsführer der        „DIE ERKENNTNIS, DASS WIR MIT TECHNOLOGIEN NEUE MEHR-
        STASA Steinbeis Angewandte Systemanalyse GmbH                   WERTE SCHAFFEN KÖNNEN, IST IN DER GESELLSCHAFT
                                                                                             ANGEKOMMEN“
                                                                     Im Gespräch mit Matthias Struck, stellvertretender Abteilungsleiter
                                 19                                      Smart Sensing and Electronics am Fraunhofer-Institut für
                  DATEN SIND DER SCHLÜSSEL                                               Integrierte Schaltungen
    Steinbeis-Experten entwickeln ein digitales Daten-Ökosystem
                     für klinische Studien mit
                                                                                                    47
                                                                                   „DER DATENSCHUTZ MUSS STIMMEN“
                                 22                                  Im Gespräch mit Professor Dr. Tobias Preckel (Steinbeis-Transfer-
                     BIG DATA? BIG DATA!                             zentrum Medizintechnik & Life Sciences) und Professor Dr. Sascha
     Daten im Gesundheitswesen: Ein Essay über Potenziale und            Seifert (Steinbeis-Transferzentrum E-Health-Systeme und
                       Herausforderungen                                                   Medizinische Informatik)

                                 24                                                                 50
       KALLIOPE: DIGITALE UNTERSTÜTZUNG DER PFLEGE                   „VERTRAUEN IN DIE ZUKUNFTSTECHNO­LOGIEN KANN NUR DURCH
                      IM LÄNDLICHEN RAUM                             INFORMATION, AUFKLÄRUNG UND TRANSPARENZ ENTSTEHEN“
    Steinbeis-Experten setzen auf Digitalisierung und Kooperation     Im Gespräch mit Dr. med. Thomas Wüst, Facharzt für Orthopädie
                                                                                            und Sportmedizin

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
82                                                              5

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                                54                                                                      76
                           STEINWURF!                                          DIE EXZELLENZ IM BLICK: GRÜNE TECHNOLOGIEN IN
                                                                                               SCHWELLENLÄNDERN
                                                                        Ein integriertes Technologiemanagement erzeugt Energie aus Abfällen

                      QUERSCHNITT                                                                       78
                                                                             QUALILEO – EIN PRÜFSYSTEM, DAS SIEHT UND LERNT
                                                                          Ein Exkurs in die automatisierte industrielle Qualitätssicherung

                                57
                 PROF. DR. PETER NEUGEBAUER                                                             80
                            Nachruf                                                MIT PSYCHOLOGIE ERFOLGREICH FÜHREN
                                                                        Steinbeis-Experten setzen auf die Verzahnung von psychologischem
                                                                         Wissen und praktischer Anwendung im Alltag einer Führungskraft
                                58
        COVID-SPITZEN­FORSCHUNG IN DER ONKOLOGIE
   Steinbeis-Team untersucht in Verbundprojekt den Verlauf von                                          82
       SARS-CoV-2-Infektionen bei onkologischen Patienten                „RESTART YOUR FUTURE“: MIT NETZWERKEN ERFOLGREICH
                                                                           bwcon GmbH begleitet den Mittelstand beim Strukturwandel

                                60
       BEIM EXPERIMENTIEREN DIE WELT ENTDECKEN                                                          84
 Die Experimentierwelten in Rottweil verbinden Spiel und Bildung        FIT FÜR DIE ZUKUNFT: INDUSTRIE 4.0 IN DER BERUFSBILDUNG
                                                                          Vor welche Herausforderungen die Digitalisierung europäische
                                                                                               Fachkräfte stellt
                                62
       DAS H2-INNOVATIONSLABOR MACHT’S MÖGLICH:
       EIN WASSERSTOFF-ÖKOSYSTEM FÜR DIE REGION                                                         87
                    HEILBRONN-FRANKEN                                          WIE MASCHINEN IM ALTER LÄNGER FIT BLEIBEN
         Steinbeis-Experten forschen an den Potenzialen                        EU-Projekt verlängert mit intelligenten Fabriken und
                  der Wasserstoffwirtschaft mit                                  Kreislaufwirtschaft Lebensdauer von Maschinen

                                64                                                                      90
  „DAS WESENTLICHE IST, DASS UNTERNEHMEN ÜBERHAUPT                            DER AUGSBURGER WEG: IN SIEBEN SCHRITTEN ZUM
                EINE KLARE STRATEGIE HABEN“                                                GESUNDEN UNTERNEHMEN
Im Gespräch mit Dr. Stefan Pastuszka, Dozent der Steinbeis-Hochschule         Steinbeis-Experten unterstützen bei der Förderung des
                                                                                     betrieblichen Gesundheitsmanagements

                                67
         DIE BESSEREN ENTSCHEIDUNGEN TREFFEN –
              SCHNELL, TRANSPARENT, EFFIZIENT                                                           92
Kollaborative Zusammenarbeit im Problemlösungssprint als Weg zu                NEUERSCHEINUNGEN IN DER STEINBEIS-EDITION
                  abgestimmten Entscheidungen
                                                                                                        94
                                                                                             VORSCHAU & TERMINE
                                70
          MENSCH UND ROBOTER – EIN STARKES TEAM
Das Steinbeis-Team in Friedrichshafen setzt Roboter als Unterstützung                                   95
                für Menschen mit Behinderung ein                                                   IMPRESSUM

                                72
                     DIE ABSCHIRM-PROFIS
    Steinbeis entwickelt mit Isocoll Chemie ein elastomerisches
   Beschichtungssystem auf Basis von gefülltem Butylkautschuk

                                                                                            Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
OPERATION 4.0 –
  DATENENABLING
IN DER GESUNDHEIT

    Als KONRAD ZUSE 1941 seinen Z3, den ersten FUNKTIONSFÄHIGEN COMPUTER
    der Welt, vorstellte, ahnte wohl keiner, dass keine hundert Jahre später Computer
    und die darauf aufbauende DIGITALISIERUNG in nahezu allen Bereichen unseres
    Lebens präsent sein werden. Auch das GESUNDHEITSWESEN und die MEDIZIN
    werden davon nachhaltig verändert.

    Beherrschte der Z3 nur die Grundrechenarten sowie das Wurzelziehen und konnte
    gerade einmal 64 WORTE speichern, kann KI heute komplizierte Zusammenhänge
    analysieren und in der ÄRZTLICHEN BEHANDLUNG zum Beispiel bei der Diagnose-
    stellung unterstützen. Was aller computerbasierter Hardware gemein ist: die Da-
    tengrundlage. Daten sind gerade im Gesundheitsbereich sehr sensibel und müssen
    umsichtig behandelt werden. Steinbeis-Experten beleuchten auf den folgenden
    Seiten CHANCEN WIE AUCH RISIKEN des Datenenablings in der Gesundheit und
    zeigen, wie in Steinbeis-Projekten heute schon die DIGITALEN VORTEILE für das
    Gesundheitswesen genutzt werden.

                                                                  © istockphoto.com/metamorworks

                                                             © istockphoto.com/DrAfter123
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
8       FOKUS

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020   © istockphoto.com/sorbetto
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
FOKUS         9

    „DIE CHANCEN LIEGEN IN DEN
   OPTIMIERUNGSMÖGLICHKEITEN
  VON DIAGNOSTIK UND THERAPIE“
IM GESPRÄCH MIT PROFESSOR DR. MED. DANIEL KÖNIG, STEINBEIS-UNTERNEHMER
      AM STEINBEIS-TRANSFER­ZENTRUM GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND
                      STOFFWECHSELFORSCHUNG

  Digitalisierung spielt in der Medizin eine große Rolle. Der richtige Umgang mit Daten ist dabei besonders wichtig, damit
der befürchtete „gläserne Patient“ nicht zur Realität wird. Professor Dr. med. Daniel König, Steinbeis-Experte für Gesundheits-
  förderung und Stoffwechselforschung, sprach mit der TRANSFER über die wichtigsten Meilensteine sowie Chancen und
Risiken bei der Einführung digitaler Technologien in der Medizin und darüber, dass trotz der vielfältigen Möglichkeiten der
                    Digitalisierung der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient entscheidend ist.

  Herr Professor König, der Einzug di-      des Stoffwechsels hervor­heben. Ich den-       aktuelle COVID-19-Pandemie hat hier
  gitaler Technologien in die Medizin       ke hier beispielsweise an neue Tools           neue Möglichkeiten und Chancen, aber
  verändert diese grundlegend, was          zur Messung und Dokumentation von              auch Limitierungen aufgezeigt, wenn wir
  sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten      Laborparametern. Aber auch die Diag-           zum Beispiel an die konkrete Testung
  Meilensteine? Auf welche Verände-         nostik von Herzrhythmusstörungen wird          denken.
  rungen sollten wir uns in nächster        durch neue Technologien und Telematik-
  Zeit einstellen?                          infrastruktur zunehmend verbessert.            Auch im Bereich der Intervention wer-
                                                                                           den durch online angebotene Schu-
In meinem Spezialisierungsbereich kann      Im therapeutischen Bereich ist vor allem       lungs- und Interventionsprogramme zu-
man vor allem die Bereiche Diagnostik,      die Entwicklung der Telemedizin bedeut-        nehmend neue Wege beschritten, damit
Therapie und die Entwicklung bezie-         sam, das heißt, dass zumindest ein Teil        Gesunde im präventiven Setting, aber
hungsweise Implementierung digitaler        der ärztlichen Konsultation beziehungs-        auch Patienten in der Sekundärpräven-
Interventionskonzepte abgrenzen.            weise der Patient-Arzt-Kommunikation           tion ihre Gesundheit durch Teilnahme an
                                            über digitale Technologien ablaufen kann.      solchen Online-Gesundheitskonzepten
Im diagnostischen Bereich will ich insbe-   Zum Teil wird diese Kommunikation              optimieren können.
sondere das Monitoring von Funktions-       durch die eben angesprochenen diag-
zuständen des Herzkreislaufsystems und      nostischen Tools ergänzt. Gerade die

                                                                                        Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
TRANSFER - OPERATION 4.0 - DATENENABLING IN DER GESUNDHEIT
10       FOKUS

»
DIGITALE TECHNOLOGIEN SOLLTEN NUR ALS
UNTERSTÜTZUNG IN DER ÄRZTLICHEN
THERAPIE ANGESEHEN WERDEN.

     Welche Chancen, aber auch Risiken              Wir beschäftigen uns unter anderem mit      zum Beispiel über Aktivitätstracker, dür-
     bringen Ihrer Meinung nach diese               dem Einfluss des Lebensstils auf ge-        fen keine Rückschlüsse auf Einzelper-
     Entwicklungen mit sich? Wie beein-             sundheitliche Risikofaktoren für Herz-      sonen durch Anwendung der sogenann-
     flussen sie Ihre tägliche Arbeit?              Kreislauferkrankungen beziehungsweise       ten Pseudonymisierung möglich sein.
                                                    Diabetes mellitus Typ 2. Hier ergeben
Die Chancen liegen eindeutig in den Op-             sich über Aktivitätsscanner vielfältige     Viele dieser Aspekte werden durch die
timierungsmöglichkeiten von Diagnos-                Auswertungs- aber auch Interventions-       Datenschutz-Grundverordnung bereits
tik und Therapie. Trotzdem sollten digi-            möglichkeiten. Dies gilt jedoch nicht nur   ausführlich adressiert. Bei einer ver-
tale Technologien nur als Unterstützung             für die diagnostische Evaluation. Eine      antwortungsvollen Umsetzung im Rah-
in der ärztlichen Therapie beziehungs-              sehr gute Chance liegt darin, diese Aus-    men der Patientenversorgung bezie-
weise der Arzt-Patient-Beziehung an-                wertungen dem Benutzer unmittelbar          hungsweise klinischer Studien werden
gesehen werden. Durch eine Betonung                 in Form von digitalen oder Online-Coa-      bereits viele Datenschutzfragen aus-
digitalisierbarer Kenngrößen könnten                chings verfügbar zu machen und da-          reichend berücksichtigt. Gerade die Dis-
wichtige individuelle Aspekte von Krank-            durch sein Verhalten zu optimieren.         kussion um den Datenschutz bei der ak-
heit und Gesunderhaltung in den Hin-                                                            tuellen Corona-App hat aber gezeigt,
tergrund rücken. Man sollte daher nie                 Big Data in der Medizin: Heute lassen     dass hier immer wieder neue Aspekte
vergessen, dass der persönliche Arzt-                 sich immer mehr Gesundheitsdaten          diskutiert und berücksichtigt werden
besuch, das Gespräch und die ärztliche                erheben und miteinander vernetzen,        müssen.
Untersuchung immer ein wichtiger Be-                  wovon sowohl die Patienten als auch
standteil der Diagnostik und Therapie                 die medizinische Forschung profitie-
sein werden.                                          ren. Der Umgang mit diesen hoch-
                                                      sensiblen Patientendaten wirft aber
Obwohl im Bereich der Datensicherheit                 auch viele ethische Fragen auf, wie
gute Fortschritte erzielt wurden, ist der             kann aus Ihrer Sicht eine für alle
Datenschutz nach wie vor ein Risikobe-                Seiten gute Lösung aussehen?
reich. Auch wenn viel unternommen
wird, damit der viel zitierte „gläserne             Beim Umgang mit hochsensiblen Pati-
Patient“ nicht zunehmend Realität wird,             entendaten müssen bestimmte Aspekte
bestehen doch gerade bei der cloud-                 im Vorfeld ganz klar geregelt und auch
basierten, dezentralen Datenverarbei-               kommuniziert werden: Warum werden
tung oder bei der Kommunikation über                die Daten erhoben? Es muss Transpa-
soziale Medien Bedenken hinsichtlich                renz darüber geben, wo die Daten ge-
des Datenschutzes.                                  speichert werden und wer Zugriff dar-
                                                                                                PROF. DR. MED. DANIEL KÖNIG
                                                    auf haben darf sowie wer die Daten          daniel.koenig@steinbeis.de (Autor)
     Ihr Steinbeis-Unternehmen beschäf-             analysieren kann und darf. Das Einver-
                                                                                                                Steinbeis-Unternehmer
     tigt sich intensiv mit dem Thema Ge-           ständnis des Patienten muss und darf                        Steinbeis-Transferzentrum
     sundheitsförderung, wie wird Ihre              erst nach einer vollumfänglichen Auf-                       Gesundheitsförderung und
                                                                                                                Stoffwechselforschung (Freiburg)
     Arbeit in diesem Bereich durch die             klärung eingeholt werden. Bei Studien
     Digitalisierung beeinflusst?                   oder Erhebungen großer Datenmengen,                         www.steinbeis.de/su/1172

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS        11

             CYTOREADER:
     KI IM KAMPF GEGEN DEN KREBS
              STEINBEIS-EXPERTEN SETZEN KÜNSTLICHE INTELLIGENZ FÜR
                   GEBÄRMUTTERHALSKREBS-FRÜHERKENNUNG EIN

Ein Zervixkarzinom, besser bekannt als     trieb eines verbesserten Krebs-Scree-         verhindert. Bei der Prävention des Zer-
Gebärmutterhalskrebs, verursacht zu        nings beim Gebärmutterhalskrebs mit-          vixkarzinoms gab es in den letzten Jahr-
Beginn meist keine Beschwerden, die zu     tels des Dual-Stain-Tests (CINtec® Plus)      zehnten wichtige Fortschritte, ermöglicht
einer möglichst frühzeitigen Diagnose      unterstützt. Auf diese Weise wird die         durch die Entdeckung des humanen
führen können. Es kann aber mithilfe der   diagnostische Qualität verbessert und         Papillomavirus (HPV) als Ursache des
Früherkennung relativ leicht entdeckt      die Effizienz des Screenings erhöht.          Zervixkarzinoms durch Harald zur Hau-
werden. Das Steinbeis-Transferzentrum                                                    sen. Gebärmutterhalskrebs kann da-
Medizinische Systembiologie entwickelt     Ziel des Zervixkarzinom-Screenings ist        her mit einer Kombination von Impfung
mit CYTOREADER eine cloudbasierte          die Detektion von Krebsvorstufen, die         und regelmäßigen Screening-Tests ver-
Künstliche-Intelligenz-Plattform, die      behandelt werden können, was eine             hindert werden.
Labore bei der Einführung und dem Be-      Entwicklung von invasiven Karzinomen

                                                                                      Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
12      FOKUS

FRÜHERKENNUNG MIT DEM                               CYTOREADER AUTOMATISIERT                    plexe Bildverarbeitungstechniken wie
DUAL-STAIN-TEST                                     DAS SCREENING                               Deep-Learning-Netzwerke eingesetzt,
                                                                                                die mit „guten“ und „schlechten“ Bei-
Der zytologische Nachweis der verän-                Experten am Steinbeis-Transferzentrum       spielqualitäten trainiert wurden. An-
derten Zellen von Abstrichen im Gebär-              Medizinische Systembiologie in Heidel-      schließend werden die digitalen Abbil-
mutterhals hat entscheidend dazu bei-               berg haben daher die Plattform CYTO-        der der Patientenproben in die Cloud
getragen, die Zervixkarzinom-Mortalität             READER entwickelt, die diesen letzten,      transferiert, wo sie weiter verwaltet, be-
in Industrienationen mit Screening-Pro-             subjektiven Schritt beim Screening des      gutachtet und archiviert werden. Durch
grammen drastisch zu reduzieren. Be-                Gebärmutterhalses mit Hilfe von künst-      die browserbasierte Cloud-Lösung kön-
reits 1943 wurde mit der Verwendung                 licher Intelligenz automatisiert. Diese     nen die Proben weltweit von Experten
der sogenannten „Pap-Tests“ die Grund-              Plattform wurde jetzt umfangreich in        über das Internet analysiert werden.
lage hierfür geschaffen. Allerdings ist             ersten epidemiologischen Studien in
deren Auswertung schwierig, zeitinten-              Kooperation mit dem US-National Can-        Diese Deep-Learning-Netzwerke zur
siv, nicht besonders sensitiv und neigt             cer Institute und dem Gesundheitskon-       vollautomatischen Bildanalyse der zel-
zu falsch-positiven Ergebnissen. In den             zern Kaiser Permanente Northern Ca-         lulären zytologischen Patientenproben
letzten Jahren wurde daher mit dem                  lifornia an 4.253 Patienten evaluiert       sind das Herzstück von CYTOREADER.
Dual-Stain-Test ein biomarkerbasier-                (Journal of the National Cancer Institu-    Sie wurden auf Proben zweier Dünn-
ter zytologischer Test entwickelt. Dabei            te, 25. Juni 2020). Dabei konnte eine       schicht-Präparationsarten zytologischer
wird die gleichzeitige Expression der               30 %ige Reduktion von Kolposkopien (Bi-     Objektträger (ThinPrep®, SurePath™)
beiden Proteine p16 und Ki-67 in Zellen             opsien) im Vergleich zum Standardver-       trainiert. Bei einer Analyse zerlegt CY-
nachgewiesen, die hierbei für eine er-              fahren – der Pap-Zytologie – erreicht       TOREADER das gesamte Bild des digi-
höhte Zellteilung (Ki-67) bei gleichzeiti-          werden, ohne Einbußen in der Detektion      talisierten Objektträgers in tausende
ger Fehlsteuerung der Zellteilung (p16)             von Krebsvorstufen. CYTOREADER läuft        von Kacheln und sortiert diese in Rei-
stehen. Im März dieses Jahres wurde                 hierbei als vollautomatisches System im     henfolge des Krebsrisikos. Dem diag-
dieser Test von der Arzneimittelbehör-              Hintergrund und kann die Materialquali-     nostizierenden Arzt oder Zytologen
de der Vereinigten Staaten (U. S. FDA)              tät der mikroskopischen Patientenpro-       werden dann die 30 auffälligsten
zugelassen, was eine Verbesserung der               ben beurteilen sowie die diagnostische      Krebsvorstufen in einer Galerie prä-
Früherkennung zur Folge hat. Die ma-                Entscheidung unterstützen. Das KI-Sys-      sentiert. Mithilfe weniger Maus- oder
nuelle Auswertung des Dual-Stain-Tests              tem erlaubt damit eine Verbesserung         Tastatur-Klicks konnte in Studien so ei-
ist zwar konsistenter, spezifischer und             der diagnostischen Qualität mit höhe-       ne Diagnose in unter einer Minute ge-
sensitiver als die des PAP-Tests, un-               rer Sensitivität und Spezifität und führt   stellt werden.
terliegt aber noch einer gewissen Sub-              zu einer erhöhten Effizienz des Scree-
jektivität. Glasobjektträger mit zellulä-           ning-Programms. Mithilfe vollautoma-        BESSERE DIAGNOSEN,
rem Material des Gebärmutterhalses                  tischer Slide-Scanner können zytologi-      HÖHERE KAPAZITÄTEN
werden dabei zytologisch unter dem Mik-             sche Glasobjektträger vollautomatisch
roskop auf das Vorhandensein der bei-               mit mikroskopischer Auflösung digita-       Der direkte Vergleich mit der Pap-Zy-
den Proteine hin untersucht.                        lisiert werden. Hierbei werden kom-         tologie zeigte, dass CYTOREADER die

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS     13

gegenüber Pap-Tests bereits erhöhte          die Cloud-Implementierung im Projekt-                       Mikroskopisches Bild einer
                                                                                                         Dual-Stain Zytologie.
Diagnosequalität des Dual-Stain-Tests        verlauf deutliche Vorteile. Labore brau-
weiter stark verbessern kann. So             chen keine komplexe, wartungsauf-
konnte die Zahl der falsch-positiven         wendige eigene IT-Infrastruktur mehr.
Diagnosen signifikant gesenkt (höhe-         Die Patientenproben stehen global rund
re Spezifität) sowie die Detektion der       um die Uhr zur Verfügung. Die IT-ba-
tatsächlichen Fälle erhöht werden (hö-       sierte Analysekapazität für die Deep-
here Sensitivität). Die Zahl der positiven   Learning-Netzwerke ist nahezu unlimi-
Patientinnen, denen eine Kolposkopie         tiert skalierbar durch Rekrutierung von
empfohlen wurde (die invasive Gewebe-        Cloud-Computing-Ressourcen. Durch
Biopsie), konnte von 60 % auf 42 % der       die Digitalisierung der Labore werden
HPV-positiven Fälle gesenkt werden.          so Wertschöpfungsketten partiell neu          auch über regionale, nationale oder
Damit übertrifft CYTOREADER den ak-          arrangiert werden. Dies wird ein we-          institutionelle Grenzen hinweg, wird
tuellen Performance-Standard der Pap-        sentlicher Treiber für die Struktur der       auch global gravierende Auswirkungen
Zytologie in der diagnostischen Güte er-     ökonomischen Landschaft der Labore            haben. Da 80  % der Fälle des Gebärmut-
heblich.                                     in den nächsten Jahren sein, möglicher-       terhalskrebses in Entwicklungs- und
                                             weise komplementär zu Konzentrations-         Schwellenländern auftreten, kann die
Der Einsatz von CYTOREADER erfordert         prozessen. Generell beseitigt die Cloud       Cloud auch hier einen großen Sprung
die Nutzung eines Slide-Scanners. Dies       nämlich existierende lokale technische        in Richtung der modernen Gesundheits-
kann lokal im Labor als auch über einen      Hürden und erlaubt es Laboren und             technologie liefern. Nach den positiven
Service erfolgen. Entsprechend muss          Fachkräften sich auf ihre Kernkompe-          Studienergebnissen wird nun für CYTO-
die Probenlogistik im Labor angepasst        tenzen zu konzentrieren. Dieses Auf-          READER eine FDA- oder IVD-Zulassung
werden. Auf der anderen Seite zeigte         brechen von Wertschöpfungsketten,             angestrebt.

                                                                                           PROF. DR. NIELS GRABE
MEHR INFORMATIONEN ZUM                                                                     niels.grabe@steinbeis.de (Autor)

                                                                                                           Steinbeis-Unternehmer
CYTOREADER UNTER                                                                                           Steinbeis-Transferzentrum
                                                                                                           Medizinische Systembiologie (MSB)
                                                                                                           (STCMED) (Heidelberg)
WWW.CYTOREADER.COM                                                                                         www.steinbeis.de/su/1745
                                                                                                           www.stcmed.com

                                                                                        Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
14      FOKUS

STRESS LASS NACH!
STEINBEIS-EXPERTEN HELFEN BELASTUNGSSITUATIONEN AM ARBEITSPLATZ ZU
EVALUIEREN UND FRÜHZEITIG ZU ELIMINIEREN

Die Zahl der Fehltage wegen psychischer Probleme steigt, der dadurch verursachte wirtschaftliche Schaden ist groß. Wie
können Unternehmen frühzeitig eine Belastungssituation erkennen, um rechtzeitig reagieren zu können? Dieser Frage ging
das Steinbeis-Team Elke Kirchner und Dr. Holger Gast in einem gemeinsamen Projekt nach und entwickelte ein Online-Tool, das
Belastungssituationen am Arbeitsplatz erfasst, die bei dauerhaftem Zustand die Leistungsfähigkeit und Arbeitsergebnisse
beeinträchtigen. Somit haben Unternehmen ein verständliches und benutzerfreundliches Werkzeug zur Hand, das ihnen er-
möglicht Fehlzeiten zu reduzieren und wirtschaftlich erfolgreich zu agieren.

Der Markt braucht eine unkomplizierte               lage für Maßnahmen, die an den Verhält-      menbereich die Möglichkeit zu geben,
Lösung, mit der Unternehmer die poten-              nissen (zum Beispiel Lärm) oder dem          die Situation im Unternehmen ohne
ziellen Belastungssituationen frühzei-              Verhalten (Kommunikation, Führung) an-       Angst vor Konsequenzen offen zu be-
tig identifizieren können und die die               setzen, um die Leistungsfähigkeit des        schreiben, aber auch um die Arbeit-
zeitlichen und personellen Ressourcen               Einzelnen zu stärken und die Zusammen-       nehmervertretungen und Personalver-
schont und gleichzeitig die Anforde-                arbeit in Teams zu verbessern. Damit         antwortlichen von dem Projekt zu
rungen gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz                gelingen eine intensivere Mitarbeiterbin-    überzeugen.
erfüllt. Das von den Steinbeis-Experten             dung und die Reduzierung von krank-
Elke Kirchner (Steinbeis-Beratungszen-              heitsbedingten Fehlzeiten. Investitionen     Im ersten Schritt akzeptiert das System
trum Gesunde Organisationen) und Dr.                in die Erhebung und Reduzierung von          nur verschlüsselte (https-)Verbindun-
Holger Gast (Steinbeis-Beratungszen-                Stressbelastungen zahlen sich langfris-      gen, sodass die übertragenen Antwor-
trum Agile Entwicklung von Informati-               tig aus: „Zufriedene, engagierte und ge-     ten nicht abgefangen werden können.
onssystemen) entwickelte Online-Tool                sunde Mitarbeiter bleiben dem Unter-         Das System läuft auf einem dedizierten
in Form eines Online-Fragebogens hat                nehmen länger erhalten und steigern          Server, der nicht nebenbei für andere
die Beurteilung und Gestaltung der Ar-              die Attraktivität der Firma als potenziel-   Aufgaben verwendet wird. „Außerdem
beitsbedingungen mit dem Ziel im Fokus,             ler Arbeitgeber“, davon ist Elke Kirchner    haben wir beim Datenbank-Design da-
Gefährdungen durch die psychische Be-               überzeugt. Das spart Kosten bei der Ak-      rauf geachtet, nur die tatsächlichen Ant-
lastung am Arbeitsplatz zu minimieren.              quise und Einarbeitung neuer Arbeit-         worten zu speichern, also nicht etwa
Dabei spielen vier Handlungsfelder eine             nehmer und führt zu einer Steigerung         nebenbei, wie es bei vielen Umfrage-
wichtige Rolle:                                     der Produktivität durch reduzierte           tools geschieht, Informationen über den
                                                    Ausfallzeiten. Die Durchführung der          Browser oder den Ausfüllzeitpunkt,
   ie Arbeitsumgebung/der Arbeitsplatz,
  d                                                 Gefährdungsbeurteilung psychischer           denn daraus lassen sich eventuell Rück-
  die Arbeitsorganisation,                         Belastungen erfordert jedoch auch ei-        schlüsse auf den Ausfüller ziehen“, so
  d ie Arbeitsaufgaben und -inhalte sowie          ne fundierte Expertise, da sie über die      Holger Gast.
   die sozialen Beziehungen/Kontakte in            Ansprüche, die an eine typische Mitar-
    der Zusammenarbeit.                             beiterbefragung gestellt werden, weit        Aber schon die Reihenfolge des Ausfül-
                                                    hinausgeht.                                  lens durch die verschiedenen Mitarbei-
ÖKONOMISCHE FAKTOREN DER                                                                         ter kann Rückschlüsse erlauben, bei-
PSYCHISCHEN GEFÄHRDUNGS­                            STEINBEIS-ONLINE-TOOL:                       spielsweise wenn die Internetanbindung
BEURTEILUNG                                         ANONYM, SICHER, EFFEKTIV                     des Unternehmens Protokolle über die
                                                                                                 Zugriffe auf externe Server führt und in
Die psychische Gefährdungsbeurteilung               Schon bei der ersten Anforderungsana-        den Berichten die Antworten genau in
ermittelt, ob beziehungsweise welche                lyse wurde Holger Gast klar, dass die        der Reihenfolge des Ausfüllens auftau-
Belastungssituationen im Unternehmen                Anonymisierung der Antworten an              chen. Das von den beiden Steinbeis-Ex-
von den Mitarbeitenden festgestellt wer-            erster Stelle stehen muss, um den Mit-       perten entwickelte Tool wählt schon
den. Die Auswertung dient als Grund-                arbeitenden in diesem sensiblen The-         beim Speichern der Datensätze die tech-

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS        15

                                                                BERATUNG BEI DER
                                                                 ERKENNUNG VON
                                                            PSYCHISCHEN BELASTUNGEN

                                         PROFESSIONELLE                                  GEFÄHRDUNGEN ERMITTELN
                                         DOKUMENTATION                                        UND BEWERTEN

                                  FACHLICHE MODERATION UND                               GEEIGNETE MAßNAHMEN
                                   WIRKSAMKEITSKONTROLLE                               ENTWICKELN UND UMSETZEN

          Ablauf einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen gemäß §5 Abs. 3 Nr. 6 Arbeitsschutzgesetz

nisch notwendige ID-Nummer rein zu-                   reiche Kooperation im Steinbeis-Ver-                flexible Umsetzung sorgt. Zusammen
fällig aus, anstatt wie üblich fortlaufend,           bund. Die fachliche Expertise des                   konnten die für die Kunden unkompli-
und sortiert die Ausgabe nach der Zu-                 Steinbeis-Beratungszentrums Gesun-                  zierten und ressourcenschonenden Pro-
falls-ID. So bleibt selbst bei vollem Zu-             de Organisationen führt zu einem auf                jekte zum Thema „psychische Gefähr-
griff auf die Datenbank die Reihenfolge               das Wesentliche fokussierten Entwurf                dungsbeurteilung“ erfolgreich realisiert
der Antworten verborgen.                              des Fragebogens, während die techni-                werden. Und ganz nebenbei stärkt solch
                                                      sche Expertise und der spezielle Ansatz             eine Verknüpfung von Expertisen die Ge-
DURCH KOOPERATION ZUM ERFOLG                          einer „Software, die Software schreibt“             meinschaft im Verbund.
                                                      des Steinbeis-Beratungszentrums Agile
Die Zusammenarbeit beider Steinbeis-                  Entwicklung von Informationssystemen
Unternehmen ist ein Beispiel für erfolg-              für eine gleichermaßen schlanke und

                                                                                                          ELKE KIRCHNER
  Eine Demoversion des Fragebogens finden Interessierte unter                                             elke.kirchner@steinbeis.de (Autorin)
  www.gesunde-organisationen.com/demo-fragebogen                                                                           Steinbeis-Unternehmerin
                                                                                                                           Steinbeis-Beratungszentrum
  Diese ist technisch vollständig unabhängig gelöst und wird nur im Browser                                                Gesunde Organisationen (Bensheim)

  des Benutzers ausgeführt. Die eingegebenen Daten werden nicht übertragen.                                                www.steinbeis.de/su/2018
                                                                                                                           www.gesunde-organisationen.com

                                                                                                          DR. HOLGER GAST
                                                                                                          holger.gast@steinbeis.de (Autor)
Quellen
                                                                                                                           Steinbeis-Unternehmer
  ttps://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/betriebliche-gesundheitsfoer-
 h                                                                                                                         Steinbeis-Beratungszentrum
 derung/gesundheit-und-wohlbefinden-am-arbeitsplatz.html#c3286, zugegriffen am 12.06.2020                                  Agile Entwicklung von Informations-
 IGA Report 28 „Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Prävention“                                                          systemen (Freilassing)

IGA Report 1/2013 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen                                                          www.steinbeis.de/su/1819
BAUA: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Organisationale Resilienz, 2016                                         https://software40.de

                                                                                                       Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
16       FOKUS

„ENTSCHEIDEND
FÜR DEN ERFOLG VON
DATA-ANALYTICS-
PROJEKTEN IST
DIE KOMBINATION
VON KÜNST­LICHER
UND HUMANER
INTELLIGENZ“
IM GESPRÄCH MIT DR. PHILIPP LIEDL,
GESCHÄFTSFÜHRER DER STASA STEINBEIS
ANGEWANDTE SYSTEMANALYSE GMBH

Wir sind umgeben von Daten, beruflich               satz von KI-Methoden zur Datenanalyse       senschaftlichen Bereich. Hier müssen
wie privat. Die relevanten Daten heraus-            helfen. Dabei ist jedoch die geeignete      vermehrt automatisierte Testmethoden
zufiltern und diese sinnvoll zu verwen-             Auswahl der Eingangsgrößen – Fea-           verwendet werden, um die notwendige
den, ist eine der größten Herausforde-              tures – wichtig, die in die KI-Modelle      Datenqualität sicherzustellen, zum Bei-
rungen unserer Zeit. Dabei spielt die               eingehen, sonst führt die Datenanalyse      spiel, um Ausreißer in den Daten oder
Qualität der Daten eine wichtige Rolle.             am Ende zu mehr Fragen als Antworten.       Datenfehler zu identifizieren.
Steinbeis-Experte Dr. Philipp Liedl kennt           Dies kann durch die Einbeziehung von
sich damit aus und hat mit der TRANS-               Expertenwissen aus dem jeweiligen An-          Welche Rolle spielt das interdiszipli-
FER über die KI in der Datenanalyse,                wendungsgebiet erreicht werden. Damit          näre Querdenken bei der Bewälti-
Big Data und die angewandte System-                 werden die Wirkungszusammenhänge               gung der Datenflut?
analyse in der Medizin gesprochen.                  sicherer erkannt und die Ergebnisse
                                                    schneller interpretiert. Entscheidend für   Es kann helfen, Methoden anwendungs-
     Herr Dr. Liedl, in Ihrem Steinbeis-            den Erfolg von Data-Analytics-Projekten     übergreifend zur Verarbeitung und Ana-
     Unternehmen verwandeln Sie Daten               ist aus unserer Erfahrung daher die         lyse der Datenflut einzusetzen und da-
     in Wissen. Wo sehen Sie die größten            Kombination von KI-Algorithmen und          rüber hinaus die tatsächlich relevanten
     Herausforderungen aktuell, da die              menschlichem Expertenwissen, also von       Informationen zu filtern, mit dem Ziel die
     Flut an Daten und Informationen ste-           künstlicher und humaner Intelligenz.        Datenkomplexität zu reduzieren. So ha-
     tig zunimmt?                                                                               ben wir bei STASA beispielsweise Al-
                                                    Darüber hinaus macht die zunehmende         gorithmen, die wir ursprünglich für die
Eine der größten Herausforderungen                  Menge an Daten eine Prüfung der Daten-      statistische Analyse von Massendaten
besteht darin, aus der Fülle an Daten die           qualität schwieriger. Dies gilt für Daten   aus Fertigungsprozessen und für die
tatsächlich relevanten Informationen zu             aus technischen Prozessen und noch          Identifikation von relevanten Größen da-
extrahieren. Hier kann der gezielte Ein-            viel mehr für Daten aus dem sozialwis-      raus entwickelt haben, erfolgreich in an-

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS             17

                                                                                                         © istockphoto.com/metamorworks

dere Anwendungsgebiete transferiert,      einer Win-win-Situation gemeinsam mit       an Gesundheitsdienstleistungen durch
um diese auch dort für die Merkmals-      dem Kunden umsetzen.                        eine immer älter werdende Gesellschaft.
extraktion in Massendaten zu verwenden.                                               Diese Bedarfe werden regional unter-
                                            Welche Potenziale, aber auch Risi-        schiedlich sein, insbesondere im länd-
In den vergangenen Jahren haben wir         ken bringt Ihrer Meinung nach der         lichen Raum steigt der Anteil der Älteren
durch unsere interdisziplinäre Herange-     Einsatz von Big-Data-Techniken in         überproportional, da viele junge Men-
hensweise Best-Practice-Methoden für        der Medizin? Welchen Einfluss haben       schen in die Ballungsräume abwandern.
eine erfolgreiche Umsetzung von Pro-        diese auf Ihre Arbeit?                    Gerade im ländlichen Raum ist auch
jekten rund um die Datenanalyse, Mo-                                                  die gesundheitliche Versorgung schwie-
dellierung und Prognose gemeinsam mit     Im Gesundheitsbereich führen wir re-        riger, da größere Entfernungen zum Arzt
unseren Kunden aus der Industrie, dem     gionale Datenanalysen durch und ent-        zurückgelegt werden müssen. Auch
Handel und mit öffentlichen Auftragge-    wickeln Softwaretools. Von diesem           Dienstleistungen in der häuslichen Pfle-
bern entwickelt. Dabei zielen wir immer   Blickwinkel aus besteht ein erhebli-        ge sind in dünn besiedelten Regionen mit
auf eine enge Kooperation mit unseren     ches Potenzial in einer stärkeren Ver-      langen Fahrwegen und damit mit einem
Auftraggebern ab, um die spezifischen     netzung von Gesundheitsdienstleistun-       insgesamt höheren Zeitaufwand für die
Besonderheiten der jeweiligen Anwen-      gen auf entsprechenden Plattformen          Pflegekräfte verbunden als in Ballungs-
dung in unseren Lösungen zu berück-       für gesundheitsrelevante Themen, zum        räumen. Angebote zu Telemedizin oder
sichtigen und in der Diskussion mit un-   Beispiel Telemedizin und häusliche          Plattformen zur besseren Organisation
seren Kunden aus unterschiedlichsten      Pflege.                                     von Gesundheits- und Pflegedienstleis-
Fachbereichen Querverbindungen zwi-                                                   tungen können hier einen Beitrag leis-
schen den Disziplinen zu schaffen. So     Die demografische Veränderung führt         ten, dem wachsenden Bedarf besser zu
kann man Data-Analytics-Projekte in       zukünftig zu einem steigenden Bedarf        begegnen. Gleichzeitig ist aber gerade

                                                                                   Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
18       FOKUS

                                                                 »
 EINE DER GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN
BESTEHT DARIN, AUS DER FÜLLE AN DATEN DIE
 TATSÄCHLICH RELEVANTEN INFORMATIONEN
            ZU EXTRAHIEREN.
für ältere Menschen der Umgang mit den              heitswesens. Aktuell entwickeln wir bei-     daraus schnell Erkenntnisse für die
digitalen Medien schwieriger und sie sind           spielsweise im Projekt DiCaSa – Digital      Bedarfsplanung gewinnen. Auf Seiten
weniger geübt darin. Daher müssen ent-              Care Supply Advisor, einem durch die         der Patienten sind Plattformen, die die
sprechende Lösungen mehr noch als in                NBank geförderten und mit den Mitteln        Angebotsseite des Gesundheitssystems
anderen Bereichen benutzerfreundlich                des Europäischen Sozialfonds unter-          abbilden, interessant, um sich beispiels-
und intuitiv bedienbar gestaltet werden.            stützten Projekt – eine webbasierte          weise zu informieren, wo die nächstge-
                                                    Plattform, die unter anderem die Ange-       legenen Ärzte oder Apotheken ansässig
Risiken bestehen vor allem im Bereich               bote für die häusliche Pflege im länd-       sind und sich darüber hinaus gleich die
des Datenschutzes. Das Vertrauen bei                lichen Raum verbessern soll. Über die        beste Route zu Fuß, mit dem Pkw oder
den Nutzern muss geschaffen werden.                 Plattform werden die Pflegebedürftigen       öffentlichen Verkehrsmitteln anzeigen
Daher ist die Einhaltung der gängigen               beziehungsweise deren Angehörige mit         zu lassen.
Datenschutzrichtlinien extrem wichtig.              den Pflegediensten zusammengebracht
Außerdem sollten auf derartigen Platt-              und zwar so, dass einerseits für die Pfle-   Aktuell informieren sich die meisten von
formen nur die wirklich für die Erbrin-             gebedürftigen eine möglichst gute Pfle-      uns zu den aktuellen COVID-19-Fallzah-
gung der Online-Dienstleistung erfor-               gelösung gefunden wird und anderer-          len auf interaktiven Landkarten im In-
derlichen Daten beim Nutzer abgefragt               seits die Pflegedienste besser planen        ternet, die von verschiedenen Instituten
werden. Hier stehen wir als Entwickler,             und ihre Einsätze koordinieren können.       und den Medien bereitgestellt werden.
aber auch die Betreiber solcher Platt-              So sollen die Kapazitäten der Pflege-        In der geografischen Epidemiologie
formen in der Verantwortung.                        dienste besser genutzt und optimal für       sind entsprechende Analysen zum
                                                    die Pflegebedürftigen eingesetzt werden.     Ausbreitungsverhalten von Epidemien,
     In Ihrer Arbeit wenden Sie oft die Me-                                                      auch modellgestützt, bereits seit Jah-
     thoden der angewandten System-                 Darüber hinaus sind weitere Ansätze in-      ren etabliert.
     analyse an. Lassen sich diese auch auf         teressant. Auf Seiten der Anbieter im
     das Gesundheitswesen übertragen?               Gesundheitswesen, wie Krankenhäuser,
                                                    Ärzte, Apotheken, ist die – anonymisier-
Die Methoden der Systemanalyse las-                 te – visuelle Darstellung von Patienten-
sen sich gut auf das Gesundheitswe-                 merkmalen auf der räumlichen Ebene
sen übertragen und werden dort heute                (Landkarte) für die Angebots- und Be-
schon angewendet. Auch wir setzen                   darfsplanung von großem Wert. So kann
unsere Methoden im Bereich des Ge-                  beispielsweise auf einer interaktiven
sundheitswesens ein, indem wir zum                  Landkarte auf einen Blick erfasst wer-
Beispiel unsere Modelle der kleinräu-               den, aus welchen Postleitzahlgebieten
migen demografischen Bevölkerungs-                  besonders viele oder wenige Patienten        DR. PHILIPP LIEDL
                                                                                                 philipp.liedl@steinbeis.de (Autor)
entwicklung mit Fragestellungen aus                 kommen. Reichert man die eigenen Da-
                                                                                                                  Geschäftsführer
dem Gesundheitswesen kombinieren.                   ten mit weiteren sozioökonomischen                            STASA Steinbeis Angewandte
                                                    Daten an, wie zum Beispiel der Bevöl-                         Systemanalyse GmbH (Stuttgart)
Hier hilft uns auch die zunehmende Di-              kerungszahl nach verschiedenen Al-
                                                                                                                  www.steinbeis.de/su/1390
gitalisierung im Bereich des Gesund-                tersklassen und Geschlecht, lassen sich                       www.stasa.de

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS        19

DATEN SIND DER SCHLÜSSEL
STEINBEIS-EXPERTEN ENTWICKELN EIN DIGITALES DATEN-ÖKOSYSTEM
FÜR KLINISCHE STUDIEN MIT

Es ist in gewisser Weise ziemlich paradox:
Der Fortschritt der letzten Jahrzehnte in
der Medizin hat wesentlich dazu beige-
tragen, dass die zukünftige Versorgung
von Menschen eine echte Herausforde-
rung bleibt. Denn die Lebenserwartung
steigt und damit auch die Zahl derer, die
medizinische Versorgung benötigen.
Gleichzeitig nimmt aber auch der Man-
gel an Fachkräften im Gesundheitswe-
sen immer weiter zu. Bei der Lösung
dieses Konfliktes kann Digitalisierung
helfen, indem sie neue Wege bei der Dia-
gnosestellung, Therapie, aber auch in
der Dokumentation aufzeigt. Damit die-
se Wege aber beschritten werden kön-
nen, braucht es ein stimmiges Daten-
Ökosystem. Hier setzten die Experten
der TZM GmbH im Steinbeis-Verbund im
Rahmen des Forschungsvorhabens
„KIKS – Künstliche Intelligenz in Klini-
schen Studien“ mit ihren Softwarelösun-
gen und der UMG-Plattform an, um das
Problem der fehlenden Standardisierung
in der Vernetzung von Medizingeräten zu
lösen.                                             Daten im klinischen Umfeld – vielfältig und recht unstrukturiert

Wohlstand führte in den entwickelten         laut einer bereits vor einigen Jahren               suchen. Neue Digitaltechnologien wei-
Nationen weltweit zu grundlegend bes-        durchgeführten Untersuchung der Wirt-               sen einen Ausweg. Durch die Nutzung
seren Lebens- und Arbeitsbedingungen.        schaftsprüfungsgesellschaft Pricewa-                von künstlicher Intelligenz, den Einsatz
In der Folge sank die Sterblichkeitsrate     terhouseCoopers wird bis zum Jahr 2030              von IoT-basierenden („Internet of Things“)
bei Säuglingen und gleichzeitig stieg die    im Bereich der Gesundheitsversorgung                Ansätzen, die Etablierung von Telemo-
Lebenserwartung der Menschen stetig.         eine Personallücke von 800.000 Perso-               nitoring und Telemedizin sowie die Nut-
Der Fortschritt in der Medizin ist einer     nen entstehen, gleichzeitig wird eine               zung neuer Robotertechnologien können
der Faktoren, die dazu führen, dass Men-     hohe Anzahl von Arztstellen unbesetzt               viele der beschriebenen Herausforde-
schen immer älter werden. Der steigen-       sein [2].                                           rungen gemeistert werden. Diese Tech-
den Anzahl von Menschen, die eine me-                                                            nologien verbessern und beschleunigen
dizinische Versorgung bis ins hohe Alter     DIGITALISIERUNG: CHANCEN UND                        die Diagnose, personalisieren und opti-
in Anspruch nehmen, steht jedoch ein         HERAUSFORDERUNGEN                                   mieren die Therapie und führen zu Er-
massiver und steigender Mangel an                                                                leichterungen in der Dokumentation und
medizinischem Fachpersonal und Pfle-         Die Medizin der Zukunft kommt nicht                 im Zeiteinsatz.
gekräften gegenüber. So fehlen in den        umhin, neue Wege zur Aufrechterhal-
deutschen Kliniken heute bereits min-        tung einer qualitativ hochwertigen und              Es gibt jedoch eine große Herausforde-
destens 50.000 Pflegefachkräfte [1] und      angemessen effizienten Versorgung zu                rung: Die neuen Digitaltechnologien kön-

                                                                                             Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
20      FOKUS

nen nur in dem Maße wirksam einge-                  zung von Medizinprodukten führt in die     dien als wichtige Etappe bei der Validie-
setzt werden, in dem verwertbare Daten              Sackgasse, wenn die Datenströme aus        rung und Zulassung von Medikamenten
in ausreichender Menge zur Verfügung                den übergebenden Einheiten (Daten-         und Behandlungsmethoden stehen da-
stehen. Wenn man sich die Abläufe in                quellen) von den jeweiligen empfangen-     bei im Mittelpunkt. Deshalb hat das Bun-
einer Klinik ansieht, erkennt man auf               den Einheiten (Datensenken) nicht ver-     desministerium für Wirtschaft und Ener-
den ersten Blick, dass an vielen Stellen            standen werden. Eine Konnektivität ist     gie einen Wettbewerb ausgeschrieben,
des Versorgungsprozesses Daten ent-                 nicht ausreichend hergestellt, wenn für    aus dem das Forschungsvorhaben „KIKS
stehen. Besonders auffällig ist, dass               eine Datensenke unklar ist, welche In-     – Künstliche Intelligenz in Klinischen
eine große Heterogenität in der Art und             formation aus den einzelnen Datenströ-     Studien“ als einer der Sieger hervorge-
Weise der Datenerfassung, Speicherung               men einer bestimmten Datenquelle wo        gangen ist. Das Gesamtprojektvolumen
und Verarbeitung vorliegt. Für Ärzte,               und wie genau herauszulesen ist. Die       beläuft sich auf über 15 Millionen Euro
das Pflegepersonal und die klinischen               Gefahr, dass falsche Werte zur Weiter-     und insgesamt 16 Konsortialpartner –
IT-Abteilungen ist diese Situation abso-            verarbeitung oder Analyse herangezo-       darunter fünf Universitätskliniken – sind
lut unbefriedigend und führt zu einem               gen werden, ist höchst real. Echte         daran beteiligt. Ziel des Projektes ist die
erheblichen, unnötigen Mehraufwand.                 Konnektivität ermöglicht eine Interope-    Entwicklung eines digitalen Ökosystems,
                                                    rabilität, also einen Datenaustausch auf   von dem Patienten, Kliniken und Medi-
Neben diesem Aspekt und der vielfach                der Grundlage standardisierter, belast-    zintechnikhersteller gleichermaßen pro-
zu Recht diskutierten Anforderung eines             barer Daten.                               fitieren. Im Rahmen von KIKS sollen zum
sicheren Umgangs mit personenbezo-                                                             einen die Anforderungen von Medizin-
genen Gesundheitsdaten gibt es dabei                DATEN-ÖKOSYSTEM ALS                        produkteherstellern und Kliniken zur
eine weitere Dimension, die aktuell eine            VORAUSSETZUNG FÜR ERFOLG                   effektiven Nutzung klinischer Daten er-
der größten Barrieren zur Anwendung                                                            arbeitet werden. Zum anderen geht es
neuer Technologien in der Medizin dar-              Insbesondere die Nutzung der künstli-      darum, auf der Grundlage der Anfor-
stellt: Die fehlende Standardisierung in            chen Intelligenz zur besseren Diagnose     derungen ein cloudbasiertes digitales
den Kommunikationsprotokollen. Die                  und Behandlung von Krankheiten erfor-      Ökosystem zu entwickeln, das durch
dadurch entstehende „Vielfalt“ ist ein              dert den Aufbau und die Kultivierung       modernste Architektur und Sicherheits-
Hemmschuh, denn die digitale Vernet-                eines Daten-Ökosystems. Klinische Stu-     technologien die Einhaltung rechtlicher

                                                                 »
 DIE MEDIZIN DER ZUKUNFT KOMMT NICHT UMHIN,
  NEUE WEGE ZUR AUFRECHTERHALTUNG EINER
  QUALITATIV HOCHWERTIGEN UND ANGEMESSEN
      EFFIZIENTEN VERSORGUNG ZU SUCHEN.

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS      21

       UMG verbindet klinische Geräte durch Plug & Play.

und ethischer Rahmenbedingungen ge-                  mittlung dieser Daten an klinische Sys-          werden. Andererseits ermöglicht UMG
währleistet.                                         teme realisiert werden. Das UMG ist              als „Brückenelement“, dass Daten aus
                                                     eine flexible und herstellerunabhängi-           bislang nicht erschlossenen Quellen zu-
UMG STELLT DEN                                       ge Anbindungsplattform, die für einen            verlässig erfasst und zur Verarbeitung
DATENAUSTAUSCH SICHER                                gesicherten Datenaustausch zwischen              mittels neuer Technologien bereitge-
                                                     Medizingeräten sorgt. Es gewährleistet           stellt werden. Die Plattform besticht
Die TZM GmbH ist aufgrund ihrer jah-                 somit eine Konnektivität, die die Grund-         durch ihren „Plug & Play“-Ansatz und
relangen Erfahrung bei der Entwick-                  lage für echte Interoperabilität darstellt.      kann sehr einfach bedient werden. Es
lung medizinischer Software in das                   Dadurch können einerseits wesentliche            erfordert keine aufwendigen Konfigura-
Konsortium aufgenommen worden. Ins-                  operative Vorteile wie etwa erweitertes          tionen und Einstellungen und setzt keine
besondere über die von TZM entwi-                    Patienten-Monitoring, verbesserte Pa-            spezielle Krankenhausinfrastruktur vo-
ckelte Plattform UMG (Universal Medi-                tientenversorgung, optimierte Admi-              raus. Die Lösung kann gekauft oder im
cal Gateway) können Datenerfassungen                 nistration und Abrechnungen, akkura-             Rahmen eines serviceorientierten Mo-
von Medizinprodukten und die Über-                   te Patientendokumentation etc. erzielt           dells genutzt werden.

Quellen
                                                     PROF. DR. RAINER WÜRSLIN                         BASTIAN MAZZOLI
                                                     rainer.wuerslin@steinbeis.de (Autor)             bastian.mazzoli@steinbeis.de (Autor)
[1] Deutscher Pflegerat (2018):
    Positionspapier zum Personalmangel
                                                                      Senior Advisor                                  Solution Manager
     in der Pflege
                                                                      TZM GmbH (Göppingen)                            Medical Connectivity
[2] PricewaterhouseCoopers (2010):                                                                                   TZM GmbH (Göppingen)
    Fachkräftemangel – Stationärer und                                www.steinbeis.de/su/1831
    ambulanter Bereich bis zum Jahr 2030                              www.tzm.de                                      www.steinbeis.de/su/1831
                                                                                                                      www.tzm.de

                                                                                                   Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
22      FOKUS

BIG DATA? BIG DATA!
DATEN IM GESUNDHEITSWESEN:
EIN ESSAY ÜBER POTENZIALE UND
HERAUSFORDERUNGEN

Daten sind der Rohstoff des 21. (unseres!)          der aus den zurückgemeldeten Positi-          modelle oder sich selbstanpassende,
Jahrhunderts. Kaum ein Satz fällt im Zu-            onsdaten unzähliger Mobiltelefone An-         selbstlernende Algorithmen,
sammenhang mit Big Data so regelmä-                 gaben zum aktuellen, aber auch zum            künstliche Intelligenz).
ßig wie dieser. Aber was versteht man               prognostizierten Verkehrsaufkommen
eigentlich darunter? Und was bedeutet               an bestimmten Wochentagen oder Ta-          KÜNSTLICHE INTELLIGENZ:
Big Data für das Gesundheitswesen?                  geszeiten ableitet.                         CHANCEN UND RISIKEN
Die Steinbeis-Experten Dr. Martin Vogel
und Jürgen Blume vom Steinbeis-For-                 Als Expertenbezeichnung für alle tech-      Insbesondere KI-Algorithmen bieten aus
schungszentrum Medizintechnik und                   nischen Themen um Big Data hat sich         der Sicht von Dr. Martin Vogel und Jür-
Biotechnologie haben sich für die                   der Begriff des Data Scientist etabliert.   gen Blume die größten Anwendungs-
TRANSFER mit diesen Fragen ausein-                  Sie oder er arbeitet an vielfältigen He­    chancen für Big Data: Das Computer-
andergesetzt.                                       rausforderungen:                            system kann auf große Datenmengen
                                                                                                – Erfahrungswissen – zurückgreifen
Für die beiden Steinbeiser steht fest,                 eine zur Fragestellung passende         und leitet daraus Prognosen ab. Der
dass mit Big Data nicht allein eine Grö-               Systemtopologie zu wählen                Erfolg jeder neuen Entscheidung, die
ßenangabe gemeint ist, denn das Auf-                   (zum Beispiel welche System­             das System trifft, wird zur Optimierung
treten riesiger Datenmengen ist in der                  komponente – Zentralrechner,            der Entscheidungsfindung genutzt. So
bildgebenden Wissenschaft und Medi-                    Peripherierechner, Mobiltelefon etc.     entstehen sich permanent verbessern-
zin seit Jahrzehnten eine bekannte Tat-                – übernimmt welche Aufgaben),            de Systeme, deren Vorhersagepräzision
sache (und Herausforderung). Unter                      Speichermodelle vorzuschlagen,         die der klassischen Modelle übertrifft.
Big Data versteht man daher das eher                   die auch zukünftige Entwicklungen        In Einzelfällen sind diese Systeme in
neue Phänomen der permanenten Er-                     des Systems einbeziehen (zum Beispiel     ihrem speziellen Feld sogar bereits
hebung großer Datenmengen und die                     normalisierte Speicherung in SQL-         „besser“ (genauer: präziser und schnel-
damit einhergehenden Anforderungen                    Datenbanken oder dokumenten­              ler) als menschliche Experten.
an Systemdesign, Speicherung, Analy-                  zentriert in NoSQL-Datenbanken)
se und Darstellung. Ein bekanntes Bei-                oder passende Analysen zu entwickeln     An diesem Punkt muss man jedoch
spiel ist der Google-Kartendienst „Maps“,             (zum Beispiel klassische Analyse-         auch die Risiken betrachten: Die in KI-

Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
FOKUS         23

                                                                                                                                                 © istockphoto.com/ipopba
Algorithmen entstehenden Entschei-          als Rohstoff“ an dieser Stelle. Im Gegen-              lich auf den Stand zurück, den die deut-
dungsketten oder „-bäume“ sind zum          satz zum klassischen Rohstoff können                   sche Datenschutzgesetzgebung früher
Teil sehr umfangreich (Millionen von        Daten nicht einfach gewonnen und ver-                  hatte und der sich mit ihrem Ruf ver-
untereinander abhängigen Einzelent-         kauft werden, denn gerade im Gesund-                   band, die strengste weltweit zu sein.
scheidungen) und entziehen sich damit       heitswesen gehören sie oft bereits je-
jeder Nachvollziehbarkeit für Menschen.     mandem: in der Regel dem Patienten,                    Ganz allgemein muss aus Sicht der
Mit anderen Worten: Wir wissen dann         möglicherweise auch noch anderen re-                   Steinbeis-Experten das Ziel bei jegli-
in den meisten Fällen nicht, worauf die     levanten Stakeholdern, wie Krankenkas-                 cher Nutzung von Big Data immer sein,
Prognose oder Entscheidung des Com-         sen, Ärzteschaft oder anderen Leis-                    dass die Menschen verstehen, was man
putersystems beruht. Dies ist insbe-        tungserbringern. Sogar der Gesetzgeber                 tun will und wie es sie tangiert bezie-
sondere dann kritisch, wenn das Sys-        kann durch nicht sauber formulierte                    hungsweise tangieren wird. Darüber hi-
tem über „ungewohnte“ Randfälle (im         neue Gesetzgebungen einen wichtigen,                   naus muss gerade im Gesundheitswe-
Sinne seines Erfahrungsspeichers) zu        möglicherweise aber gar nicht beab-                    sen sichergestellt werden, dass die
entscheiden hat.                            sichtigten Einfluss haben.                             entsprechenden flankierenden rechtli-
                                                                                                   chen wie vertrauensbildenden Maß-
Daher sind nach der Auffassung der bei-     In jedem Fall ist daher nicht nur die                  nahmen nicht im Nachhinein gestartet
den Steinbeis-Experten KI-Systeme im        Analyse der Daten spannend, sondern                    werden, sondern bereits so früh wie
Gesundheitswesen sinnvoll nur dann          auch die eindeutige Klärung, wem wel-                  möglich greifen.
einzusetzen, wenn sie entweder rein un-     che Daten gehören und wessen Einver-
terstützend wirken, das heißt, die letzte   ständnis Voraussetzung für die Ver-                    Big Data-Projekte unter diesen beiden
Entscheidung trifft hier immer ein Ex-      wendung der Daten ist.                                 Blickwinkeln – technisch wie rechtlich
perte (wobei dann Mechanismen gegen                                                                und sozial – übergreifend von Anfang
gewohnheitsmäßiges „Durchklicken“ ge-       Dies ist eine unmittelbare Folge des                   an zu betrachten, ist gewiss eine He­
funden werden sollten) oder eine Risi-      Datenschutzes, insbesondere der seit                   rausforderung, im Ergebnis aber loh-
koanalyse stellt sicher, dass autonom       Mai 2018 geltenden EU-Datenschutz-                     nend!
arbeitende Systeme keine irreversib-        Grundverordnung. Sie führt letztend-
len Schäden an Leib und Leben verur-
sachen können.

VOM ROHSTOFF UND DATENSCHUTZ
                                            DR. MARTIN VOGEL                                       JÜRGEN BLUME
                                            martin.vogel@steinbeis.de (Autor)                      juergen.blume@steinbeis.de (Autor)
Werden diese Aspekte beachtet, können
                                                            Steinbeis-Unternehmer                                  Steinbeis-Unternehmer
KI-Algorithmen jedoch sehr hilfreich
                                                            Steinbeis-Forschungszentrum                            Steinbeis-Forschungszentrum
dabei sein unbekannte Zusammenhän-                          Medizintechnik und Biotechnologie                      Medizintechnik und Biotechnologie
ge in Daten zu entdecken. Allerdings                        (Weinheim)                                             (Weinheim)

hinkt die Modellvorstellung von „Daten                      www.steinbeis.de/su/895                                www.steinbeis.de/su/895

                                                                                                Technologie.Transfer. Anwendung. TRANSFER 02|2020
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