Wissenschaft erleben - Thünen-Institut
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Wissenschaft erleben Schotten dicht! – Drei Jahre russisches Importembargo auf deutsche Fleischprodukte Buchhaltung für die Klimapolitik Quicklebendig aus dem Tal des Todes – Mit Bacillus vallismortis schneller und effizienter zu 2,3-Butandiol Interviews zum Wolf und zur Zukunftsstrategie ökologischer Landbau 2017 / 1
Inhalt Ausgabe 1/2017 STANDPUNKT Überfischung – ein einfaches Wort mit kompliziertem Inhalt Von Gerd Kraus und Alexander Kempf 1 INFO-SPLITTER · Holzeinschlag neu gerechnet · Schaf- und Ziegenmilch: Nische mit Potenzial · Leicht und bio · Von hart bis zart 600 2 · Haltungsumgebung naturnah gestalten · Überangebot an Stickstoff im Wald in Euro/kg Schlachtgewicht (Mastschwein) 2–3 1,9 500 1,8 Exportwerte in Mio. Euro 1,7 400 Erzeugerpreise 1,6 20 Monate
Wissenschaft erleben 2017/1 STANDPUNKT 1 Überfischung – ein einfaches Wort mit kompliziertem Inhalt Von Gerd Kraus und Alexander Kempf Wann immer wir zu Vorträgen zum Thema Fisch Fischereibiologen von Rekrutierungsüberfischung. eingeladen werden, kommt in der Diskussion das Die ultimative Konsequenz wäre das Aussterben Thema Überfischung zur Sprache. Die weltweite eines Fischbestandes. Das ist aber in der Meeresfi- Überfischung gilt heute als eine der größten Bedro- scherei noch nie vorgekommen, da sich bei gerin- hungen für die Gesundheit der Meere und die wirt- gen Bestandsgrößen gezielte Fischerei nicht mehr schaftliche Existenzgrundlage der Fischer. lohnt und eingestellt wird. Aber auch diesseits der Häufig werden zur Unterfütterung von Aussa- Aussterbensschwelle drohen schwerwiegende Kon- gen zur Überfischung die Zahlen der Ernährungs- sequenzen für den Bestand, das Ökosystem sowie und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten für die Fischer und ihre Familien, die auf die Einnah- Nationen (FAO) herangezogen. Die FAO sagt in men angewiesen sind. ihrem jüngsten Gutachten, dass sich rund 69 % der Nach EU-Regeln gelten Bestände allerdings weltweiten Fischbestände innerhalb nachhaltiger, bereits als überfischt, wenn sie nicht nach dem Prin- biologischer Grenzen befinden, wobei 58 % voll zip des maximalen Dauerertrages bewirtschaftet genutzt und 11 % unternutzt sind. Die verblei- werden. Diese Form der Überfischung nennen wir benden 31 % gelten als überfischt. Erstaunlicher- Wachstumsüberfischung: Jenseits dieser Grenze weise werden diese Zahlen in der öffentlichen lassen sich die Erträge pro Fangstunde nicht stei- Debatte fast immer anders interpretiert: Die 58 % gern oder nehmen sogar wieder ab, aber es wird voll genutzter Bestände werden mit den überfisch- nicht zwingend so viel gefangen, dass schwerwie- ten in einen Topf geworfen und diese Gruppe dann gende biologische Konsequenzen eintreten. Knapp als »bis an die Grenze genutzt oder überfischt« die Hälfte der Fischbestände im Europäischen Nord- bezeichnet. So kommt man schnell zu dem Ergeb- atlantik leiden darunter, aber immerhin 38 % davon nis, dass der weit überwiegende Anteil unserer sind zusätzlich noch rekrutierungsüberfischt, da Fischbestände in größter Gefahr schwebt, obwohl sich die Bestände nach Jahrzehnten allzu intensiver »voll genutzt« das international vereinbarte, nach- Fischerei nur langsam erholen. haltige Managementziel des maximalen Dauerer- Bei genauerer Betrachtung wird deutlich: Über- trages bezeichnet. fischung ist aus ökonomischer Sicht immer schlecht, Noch verwirrender wird das Ganze, weil nicht aber nicht jede Form der Überfischung ist gleich- nur die FAO Zustandsbewertungen für Fischbe- zusetzen mit einer ökologischen Katastrophe in stände herausgibt, sondern auch die EU-Kommis- den Meeren. Nachhaltige Fischerei und Schutz der sion und nationale Behörden. Dabei sind allerdings Meere sind über gute, wissenschaftlich fundierte weder Datengrundlagen noch Schwellenwerte zur Managementkonzepte miteinander vereinbar und Überfischung global vereinheitlicht, und es gibt fun- zwingend erforderlich, um der globalen Heraus- damental unterschiedliche theoretische Ansätze für forderung der Ernährungssicherung zu begegnen. ihre Definition. Hier gehört endlich Klarheit in die Unnötige Panikmache in Sachen Überfischung nützt Diskussion! niemandem und macht unsensibel gegenüber den Wenn Fischerei dazu führt, dass mehr Fische langfristigen Bedrohungen der Meere, wie der Zer- aus einem Bestand entnommen werden, als in den störung von Lebensräumen (auch durch Fischerei), Folgejahren durch natürliche Vermehrung und dem Klimawandel samt Ozeanversauerung oder der Zuwanderung nachwachsen können, sprechen zunehmenden Vermüllung der Meere.
2 INFO-SPLITTER InfoSplitter Holzeinschlag neu Leicht und bio Haltungsumgebung gerechnet naturnah gestalten Viele Möbel bestehen aus Holzwerkstoffen wie Die amtliche Holzeinschlagstatistik unterschätzt Spanplatten oder Sperrholz als Trägermaterial, Lachsartige Fische, wie Forellen und Saiblinge, den tatsächlichen Holzeinschlag in Deutschland häufig versteckt unter einer dekorativen Oberflä- wachsen während der Aufzucht üblicherweise deutlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Unter- che. Sie sind meist preiswert, nachteilig ist aller- in Haltungseinrichtungen ohne Kies und jegli- suchung des Thünen-Instituts für Internationale dings ihr hohes Gewicht beim Transport. Wissen- che Strukturen auf. Dies erleichtert die Handha- Waldwirtschaft und Forstökonomie und der Uni- schaftler des Thünen-Instituts für Holzforschung bung, die täglichen Arbeitsroutinen und die Rei- versität Hamburg. haben gemeinsam mit Forschungspartnern nigung; die Haltungsumgebung ist aber mono- Die Wissenschaftler nutzten ein modifiziertes nach einer Lösung gesucht, damit Werkstoffe mit ton und wenig naturnah. Nicht zuletzt im Zuge Modell, welches unterschiedlichste Informatio- leichterem Material die gleiche Leistung erzielen der öffentlichen Diskussion um tiergerechte nen und eigens modellierte Daten zur Rohholz- können. Basis war ein im Thünen-Institut bereits Haltungsformen haben Wissenschaftler des verwendung mit Lagerbestandsveränderungen entwickeltes Herstellungskonzept für Sandwich- Thünen-Instituts für Fischereiökologie zusam- und dem Außenhandel verrechnet. Berücksich- platten, bei dem der Innenteil aus einem festen men mit Fischzuchtbetrieben untersucht, wie tigt wurden auch die gefällten, aber im Wald ver- Schaummaterial – allerdings erdölbasiert – be- eine natürlichere Haltung aussehen könnte. bliebenen Holzmengen. steht. Ziel war es, einen Schaum aus nachwach- Auf den Betrieben wurden Forellen und Saib- Die jährliche Differenz zwischen der amtli- senden Rohstoffen zu entwickeln, der industriell linge auf konventionelle und auf naturnahe Wei- chen Statistik und den eigenen Ergebnissen be- verarbeitet werden kann. se erbrütet und aufgezogen. Zur naturnahen Er- trägt durchschnittlich ca. 16 Mio. m³, wobei sie in Als geeignet hat sich ein Biopolymerschaum brütung wurden die Bruteinsätze mit einer Lage den einzelnen Jahren deutlich variiert (im Zeit- auf Basis von Celluloseacetat erwiesen. Dieser aus feinkörnigem Kies versehen. In die zur weite- raum 1995 bis 2015 zwischen 8 und 21 Mio. m³). kann das Gewicht der Werkstoffe um die Hälfte ren Aufzucht verwendeten Rinnen und Becken Somit werden im Mittel nur ca. 75 % des berech- senken, wobei die relevanten Eigenschaften auf wurde eine dünne Schicht aus gewaschenem neten Holzeinschlags amtlich erfasst. Die Ergeb- gleichem Niveau bleiben oder sogar besser wer- Sand eingebracht. Es zeigte sich, dass die natur- nisse konnten durch die Befunde der dritten den. Für Verbraucher und Handel attraktiv, denn nahe Aufzucht auf Kies und Sand gut in der Praxis Bundeswaldinventur verifiziert werden. Pakete aus dem Möbelmarkt ließen sich dadurch anwendbar ist, allerdings mit etwas höherem Ar- Neben möglichen stichprobenbedingten leichter transportieren. Die Herstellung funktio- beitsaufwand als in der konventionellen Auf- Fehlern in Erhebungen kann die Diskrepanz niert ebenso gut wie mit fossil basierten Syste- zucht. Der Gesundheitszustand der Fische war in auch dem Umstand geschuldet sein, dass ca. men. Auch wenn es sich derzeit erst um eine La- beiden Ansätzen vergleichbar gut. Forellen 48 % der Waldfläche in Privatbesitz sind und die borlösung handelt, wurde gezeigt, dass leichte wuchsen unter den modifizierten Bedingungen Einschlagszahlen für den Privatwald zumeist ge- Bioschäume für eine Industrieanwendung mög- ebenso gut wie unter konventionellen Bedingun- schätzt werden. lich sind. Wirtschaftlich kann ein solches System gen. Saiblinge wuchsen signifikant besser, wenn Für die Ermittlung ungenutzter Rohholzpo- dann sein, wenn sich der Mehrwert des geringen sie in einer naturnahen Umgebung erbrütet und tenziale sowie die Bewertung der Nachhaltigkeit Gewichts auszahlt. Das eingesparte Holz wird zu- aufgezogen wurden. Anders als Forellen schei- der deutschen Forstwirtschaft sind derartige dem für andere Verwendungen frei. nen Saiblinge auf dem Substrat ruhiger zu ste- Fehlmengen in der Statistik von großer Bedeu- In nächsten Schritten sollen die Eigenschaf- hen. Hierdurch wird Energie eingespart, die zu- tung. Ergebnisse der Berechnungen können auf ten des neuen Biopolymers weiter verbessert sätzlich für das Wachstum zur Verfügung steht. der Webseite des Instituts (www.thuenen.de/wf) und neue Anwendungsgebiete erschlossen wer- Die Ergebnisse stehen als praktischer Leitfa- unter »Zahlen und Fakten« abgerufen werden. den. MO den auf der Thünen-Webseite zum Download NW zur Verfügung. UK KONTAKT: jan.luedtke@thuenen.de KONTAKT: dominik.jochem@thuenen.de KONTAKT: stefan.reiser@thuenen.de
Wissenschaft erleben 2016 /2 INFO-SPLITTER 3 Schaf- und Ziegenmilch: Von hart bis zart Überangebot an Stickstoff Nische mit Potenzial im Wald Polyester repräsentieren eine wichtige Gruppe Produkte aus Schaf- und Ziegenmilch erfreuen der Kunststoffe. Je nach Art können sie für Texti- Stickstoff (N) ist ein wichtiger Nährstoff für Bäu- sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. lien, Flaschen, Verpackungsfolien, für Faserver- me. Unter natürlichen Bedingungen ist er für die Dementsprechend wuchs die Zahl der Schaf- bundwerkstoffe oder als Lacke und Beschichtun- Wälder in Europa ein Faktor, der ihr Wachstum li- und Ziegenmilchproduzenten seit Anfang der gen eingesetzt werden. Für letztere kommen vor mitiert. Dieser Zustand hat sich stark gewandelt. 1990er Jahre. Geschätzt werden Zunahmen von allem ungesättigte Polyesterharze in Betracht. Seit einigen Jahrzehnten werden erhöhte Stick- bis zu 10 % jährlich. Genaue Zahlen sind nicht Im Rahmen eines europäischen Verbundpro- stoffeinträge in Wälder gemessen. Diese stam- verfügbar, da die amtliche Statistik diesen doch jekts hatte das Thünen-Institut für Agrartechno- men aus der Landwirtschaft, aus dem Verkehr recht kleinen Markt in den letzten Jahrzehnten logie die Aufgabe übernommen, Polyesterharze oder anderen Verbrennungsprozessen. Zu hohe nicht erfasst hat. Ohne genaue Daten über Pro- aus agrarischen Reststoffen herzustellen. Hierfür Einträge können negative Auswirkungen haben duktionsmengen, Betriebsstrukturen und Ein- wurde Weizenspreu als Ausgangsstoff verwen- wie Veränderung der Artenzusammensetzung, schätzungen zum Handlungsbedarf kann die det. Nach dessen Vorbehandlung und Aufschluss Nitratauswaschung ins Grundwasser oder gas- Weiterentwicklung des Sektors aber nicht sinn- wurden die darin enthaltenen Zucker nach Auf- förmige, klimarelevante Ausgasungen. voll geplant werden. reinigung biotechnisch zu Itaconsäure umge- Zur Abschätzung des langfristigen Gefähr- Die Bioland Beratung GmbH hat daher ge- setzt. dungspotenzials von Wäldern durch N-Einträge meinsam mit der BAT Beratung Artgerechte Tier- Des Weiteren wurde ein katalytisches Verfah- aus der Luft hat das Thünen-Institut für Waldöko- haltung e.V. und dem Thünen-Institut für Ökolo- ren entwickelt, Itaconsäure zu Methylbernstein- systeme kritische Belastungsgrenzen für Wälder gischen Landbau eine Systemanalyse der säure zu hydrieren. Zusammen mit dem eben- und ihre Überschreitungen berechnet. Bei dieser Schaf- und Ziegenmilchproduktion in Deutsch- falls biobasierten 1,3-Propandiol wurden an- Betrachtung müssen – ähnlich wie bei einer land erstellt. Die Daten wurden mithilfe schriftli- schließend Polyester hergestellt und durch Waage – Einträge auf der einen Seite sowie Aus- cher und mündlicher Befragungen gewonnen. Quervernetzung, also die Verbindung benach- träge und Immobilisation auf der anderen Seite Die Ergebnisse (veröffentlicht bei orgprints. barter Molekülketten, ausgehärtet. Da in den Po- innerhalb des Waldökosystems ausgeglichen org) zeigen für die 290 befragten Schaf- und Zie- lyesterketten nur die ungesättigte Itaconsäure sein. An den Punkten der Bodenzustandserhe- genmilchproduzenten jeweils Schwerpunkte in zur Quervernetzung beiträgt, kann über das Mi- bung wurde die Belastungsgrenze im Jahr 2015 den südlichen Bundesländern. Rund zwei Drittel schungsverhältnis von Itacon- und Methylbern- an 52 % der Punkte überschritten. Im Oberboden der Erzeuger bewirtschaften ihre Betriebe ökolo- steinsäure die Festigkeit des Polyesterharzes nahmen die Stickstoffvorräte zu, während sie in gisch. Die Ziegenbetriebe sind mit durchschnitt- quasi maßgeschneidert werden. den unteren Tiefen abnahmen. Dies spricht da- lich 125 Tieren größer als die Schafbetriebe mit Damit stehen in einfacher Weise harte oder für, dass die Bindungsfähigkeit für Stickstoff von 96 Tieren. 35 % der befragten Milchziegenbetrie- auch zarte, das heißt flexible, Polyesterharze zur Wäldern erreicht ist. Diese ist in Wäldern nur ge- be bzw. 10 % der Milchschafbetriebe liefern die Verfügung, die vollständig biobasiert sind. Die ring und wird vor allem durch den Zuwachs der Milch an eine Molkerei ab, die meisten verarbei- harten können beispielsweise als Grundkompo- Bäume und die Immobilisation im Boden be- ten sie selbst. Für die Verarbeiter ist dabei die Sai- nente in hochfesten Faserverbundwerkstoffen stimmt. Betroffen sind vor allem Regionen mit sonalität der Produktion ein Problem. For- verwendet werden, während die zarten eine flexi- hohen N-Einträgen, z. B. aus der Landwirtschaft, schungsbedarf besteht in hohem Maße bei der ble Beschichtung bilden, die nicht abplatzt. UP und Wälder mit geringer Bindungsfähigkeit wie Tiergesundheit, der Fütterung und Haltung so- in Nordwestdeutschland. NW wie bei der Vermarktung von Lämmern. MW KONTAKT: henning.storz@thuenen.de KONTAKT: nicole.wellbrock@thuenen.de KONTAKT: heiko.georg@thuenen.de
4 FORSCHUNG Schotten dicht! Drei Jahre russisches Importembargo auf deutsche Fleischprodukte Das 2014 verhängte Importverbot auf Schweinefleisch hat zu drastischen Rückgän- gen der deutschen und europäischen Schweinefleischexporte nach Russland ge- führt. Wissenschaftler des Thünen-Instituts haben sich der Frage gewidmet, wie die deutsch-russischen Handelsströme aussehen würden, falls das Embargo demnächst aufgehoben wird. Die Entwicklungen im russischen Schweinefleischsektor deuten darauf hin, dass die Situation vor dem Embargo passé ist. Als Reflex auf die Sanktionen des Westens im Zuge zurückgegriffen werden; zeitweise stellte Russland der russischen Annexion der Krim hat Russland am sogar einen der größten Importeure für Fleisch- 6. August 2014 ein Importverbot auf Agrarprodukte waren weltweit dar. Um hier gegenzusteuern, hat aus der EU, den USA, Kanada, Australien und Norwe- der Kreml seine Agrarpolitik neu ausgerichtet. Im gen verhängt. Das zunächst auf ein Jahr angelegte Fleischsektor soll der Selbstversorgungsrad insge- Embargo wurde mehrfach verlängert und läuft am samt von etwa 70 % im Jahr 2012 auf knapp 90 % 31. Dezember 2017 aus; weitere Verlängerungen im Jahr 2020 erhöht werden. Dieses Ziel wird mit sind jedoch durchaus möglich. Das Importverbot diversen handelspolitischen Maßnahmen flan- umfasst neben Fleisch und Fleischprodukten von kiert, wie etwa dem Einfuhrverbot für europäisches Rindern, Schweinen und Geflügel auch Fisch und Schweinefleisch wegen der Afrikanischen Schwei- Meeresfrüchte, Milch und Milchprodukte sowie nepest im Februar 2014, welches mittlerweile von Obst, Gemüse und Nüsse. Obwohl sich das Embargo der Welthandelsorganisation (WTO) als unrecht- auf alle oben genannten Produkte auswirkt, erge- mäßig beurteilt wurde. In diesem Licht ist das rus- ben sich für Schweinefleisch die größten Marktver- sische Embargo auch als drastische Maßnahme zur werfungen. Vor diesem Hintergrund soll der Fokus Erzielung eines höheren Selbstversorgungsgrades im Folgenden auf Schweinefleisch gelegt werden. zu sehen. Betrachtet man den zeitlichen Verlauf der rus- Trend zu höherer Selbstversorgung sischen Schweinefleischimporte, wird deutlich, Um die Ereignisse besser beurteilen zu können, ist es dass die Importe seit Inkrafttreten des Embargos sinnvoll, sie in den Kontext der jüngeren historischen abgenommen haben. Neben dem Importstopp Entwicklung Russlands zu setzen. Mit dem Fall des ist der schwache Rubel für diese Entwicklung ver- Eisernen Vorhangs kam es zu Marktreformen, die antwortlich. So ist auch zu erklären, dass die aus zu einem starken Rückgang der russischen Fleisch- dem Westen weggefallenen Fleischimporte nicht produktion führten. Um den heimischen Bedarf wesentlich durch einen vermehrten Import aus nicht an Fleisch zu decken, musste verstärkt auf Importe vom Embargo betroffenen Ländern kompensiert werden. Beim Schweinefleisch stellte die EU den mit Produktion und 2013 2014 2015 2016 Abstand wichtigsten Lieferanten Russlands dar. Es Konsum in 1.000 t, Selbstversorgungsgrad in % Produktion 2190 2510 2630 2780 ist zu beachten, dass Russland aufgrund der Afrika- in Russland. Konsum 3090 3024 2929 2979 nischen Schweinepest im Februar 2014, also bereits SVG 71 83 90 93 ein halbes Jahr vor dem Embargo, ein Einfuhrverbot
Wissenschaft erleben 2017/1 FORSCHUNG 5 600 2 in Euro/kg Schlachtgewicht (Mastschwein) 1,9 500 1,8 Importwerte in Mio. Euro 1,7 400 Erzeugerpreise 1,6 20 Monate
6 FORSCHUNG Quicklebendig aus dem Tal des Todes Mit Bacillus vallismortis schneller und effizienter zu 2,3-Butandiol Wenn es um die biotechnologische Herstellung von Stoffen für die chemische Indus- trie geht, sind die verwendeten Mikroorganismen das A und O. Sie entscheiden darü- ber, ob bestimmte Synthesewege in effizienter Weise möglich sind. Doch wie findet man in der schier unüberschaubaren Vielfalt der Bakterien und Pilze den speziellen Stamm, der alle notwendigen Anforderungen erfüllt? Es braucht Spürsinn, analyti- sches Denken – und das kleine Quäntchen Glück. 2,3-Butandiol (2,3-BDO) ist eine biobasierte Chemi- Umkreis der Gattung Bacillus in den Fokus. Doch kalie. Sie kann als Ausgangsmaterial für Methylethyl- auch hier gibt es noch immer mehr als 200 Fami- keton, ein viel verwendetes Lösungsmittel in Farben lienmitglieder! Somit beschränkten die Forscher und Lacken, oder auch 1,3-Butadien, dem Grund- ihre Auswahl nur auf die nächsten Verwandten der stoff für Gummi, genutzt werden. Derzeit werden bekannten 2,3-BDO-Produzenten. Bakterien mit beide Chemikalien noch aus fossilen Rohstoffen exotischen Namen wie Bacillus amyloliquefaciens, B. hergestellt. Mit der Entwicklung eines geeigneten atrophaeus, B. mojavensis oder B. vallismortis kamen biotechnischen Produktionsverfahrens von 2,3-BDO in Betracht. Diese wurden daraufhin bei verschie- könnten beide Stoffe in Zukunft aus nachwachsen- denen Bakterien-Stammsammlungen bestellt. den Rostoffen hergestellt werden. Welcher Rohstoff eignet sich? Suche nach neuen Bakterien Ein Zucker muss es sein, um gut von den Bakterien Doch der Weg dahin ist lang. Zwar sind schon viele genutzt werden zu können. Um nicht in Konkurrenz Bakterien zur biotechnischen Herstellung von mit der Lebensmittel- oder Futterindustrie zu gera- 2,3-BDO bekannt, doch es gibt Probleme bei der ten, fiel die Wahl auf Hemicellulosen aus Birkenholz. industriellen Umsetzung. Einige der Bakterien sind Sie kommen in großen Mengen vor und werden gesundheitsgefährdend für den Menschen. Andere derzeit nur wenig genutzt. Die Hemicellulose ist im sind zwar ungefährlich, benötigen für die Fermenta- Wesentlichen aus Xylose-Zucker-Einheiten aufge- tion von 2,3-BDO aber viele teure Zusatzstoffe. baut und lässt sich einfach in die Zuckermonomere Das Thünen-Institut begab sich nun auf die zerlegen. Doch bei der Gewinnung von Xylose aus Suche nach neuen geeigneten Bakterien, die weder Holz entstehen auch noch Nebenprodukte, die ein Risiko für den Menschen darstellen, noch wei- die Umsetzung von den Bakterien stören können. tere teure Stoffe benötigen. Doch dieses Screening Im Screening-Prozess müssen die Nebenprodukte gestaltete sich alles andere als einfach. Es gibt über daher mit einbezogen werden. 10.000 bekannte Bakterienarten. Wo also anfan- gen? Die Forscher des Instituts grenzten die Suche Untersuchung der neuen Bakterien zunächst ein und konzentrierten sich auf Bakterien, Im Screening wurden 15 Stämme untersucht und die für die Produktion von 2,3-BDO bereits bekannt verglichen. Im ersten Versuch wurden alle Stämme sind. Hier rückten vor allem Bakterien aus dem zunächst mit dem Zucker Glucose kultiviert. Dieser
Wissenschaft erleben 2017/1 FORSCHUNG 7 Zucker wird von den meisten Bakterien bevorzugt, gewünschten Eigenschaften, nach denen gesucht daher lässt sich ein allgemeiner Vergleich bei guten wurde. Es ist für den Menschen ungefährlich, kann Wachstumsbedingungen ziehen. Bereits in diesem Zucker aus hydrolysierter Biomasse sehr gut ver- ersten Versuch zeigten sich Unterschiede in der werten und benötigt kaum Zusatzstoffe, was Kosten Produktion. Drei der Stämme bildeten kein 2,3-BDO spart. Vielleicht sind es die unwirtlichen Lebens- und konnten direkt ausgeschlossen werden. bedingungen in der Heimat von B. vallismortis, die In der zweiten Versuchsreihe wurde Glucose dieses Bakterium besonders robust und bescheiden durch Xylose ersetzt. Hier zeigten sich große gemacht haben. Unterschiede. Von den verbleibenden 12 Stäm- Dabei zeichnet sich B. vallismortis gegenüber men konnten nur zwei Stämme die Xylose gut ver- anderen bekannten Produzenten durch eine breite werten. Akzeptanz unterschiedlicher Rohstoffe, eine gute Durch die Zugabe von Nebenprodukten in einer Ausbeute und hohe Endkonzentration aus. So lassen dritten Versuchsreihe kristallisierte sich ein Bakte- sich mit Glucose 2,3-BDO-Endkonzentrationen von rium heraus, das deutlich besser abschnitt als all weit über 100 g/L erzielen, mit Xylose bislang 80 die anderen. Genetisch waren zwar alle getesteten g/L, wobei hier noch weiteres Optimierungspoten- Bakterien nahezu identisch, doch mit ungünstigen zial gesehen wird. Die Ausbeute an 2,3-BDO liegt Bedingungen kam nur dieses eine Familienmitglied bei 0,43 bis 0,45 g pro Gramm eingesetztem Zucker, deutlich besser zurecht als der Rest. Die Xylose Werte, die nahe am theoretisch Möglichen liegen. wurde von dem Bakterium beinahe so gut umge- Weiterhin toleriert B. vallismortis viele Hemmstoffe, setzt wie der Lieblingszucker Glucose. Auch von den die in aufgeschlossenen Biomassen zu finden sind. Nebenprodukten ließ sich dieses robuste Bakterium Die Produktivität der 2,3-Butandiolherstellung ist nicht beeindrucken. Es stammt aus dem US-ameri- zudem rund doppelt so hoch wie bei anderen Pro- kanischen Death Valley, dem Tal des Todes, daher duzenten – ein Zeichen dafür, dass Bewohner des der Name Bacillus vallismortis. Tals des Todes durchaus quicklebendig sein können. Durch die Entdeckung von B. vallismortis rückt die 2,3-BDO-Herstellung mit B. vallismortis Aussicht auf einen wirtschaftlichen industriellen Das vom Thünen-Institut für die 2,3-BDO-Produk- Prozess ein großes Stück näher. UP tion entdeckte Bakterium wurde genauer unter die Lupe genommen. Das Bakterium hat all die KONTAKT: malee.kallbach@thuenen.de
8 MENSCHEN & MEINUNGEN »Beim Wolf ist der Faktor Mensch entscheidend...« Ein Gespräch über die Rückkehr der grauen Räuber Die Zahl der Wölfe in Deutschland steigt. Die einen freut dies, die anderen sehen eher Konflikte. Welche Fakten sind bekannt und wie kann ein Ausgleich zwischen den Interessen gefunden werden? Diese Fragen beantwortet Wildtierökologe Frank Tottewitz. In den Medien wird viel und kontrovers über den polnischen Gebieten alle potenziell geeigneten Wolf diskutiert. Wie sieht es mit den Fakten aus? Lebensräume für den Wolf in Deutschland erfasst. Es gibt im Rahmen der Berner Konvention zur Erhal- Mit diesem theoretischen Modell ist ermittelt tung wild lebender Arten einen europäischen Wolfs- worden, dass es hier Platz für maximal 440 Wolfsru- Aktionsplan aus dem Jahr 2000. Er verfolgt das Ziel, del gibt. dass sich Wölfe in Europa wieder flächendeckend ausbreiten und sich eine lebensfähige Wolfspopu- Wie steht das Thünen-Institut zu diesem Modell- lation als integraler Bestandteil der europäischen wert? Landschaft entwickelt und erhalten bleibt. Nach Dass es sich hierbei nicht um einen Zielwert han- der Ausrottung vor rund 150 Jahren ist der Wolf deln kann, zeigt bereits die derzeitige Situation. nun zurück und breitet sich schneller aus als von Zum einen halten sich oftmals Populationen nicht vielen Experten erwartet. Im September 2016 hat an solche Modelle. Zum anderen bleibt der Faktor das Bundesamt für Naturschutz für Deutschland Mensch in solchen Betrachtungen völlig unbeach- 46 bestätigte Wolfsrudel und weitere 15 bestätigte tet. Und besonders beim Wolf spielt dieser die ent- Wolfspaare bekannt gegeben. scheidende Rolle. Akzeptanz und Finanzierbarkeit von Entschädigungen für Nutztierrisse nehmen Das Fachgebiet Wildtierökologie am Thünen- dabei eine Schlüsselstellung ein. Institut beschäftigt sich eigentlich nur mit bejagdbarem Wild. Jetzt auch mit dem Wolf? Wir beraten das BMEL zu allen Fragen des Wild- tiermanagements, des Artenschutzes und der Tier- seuchenbekämpfung. Das betrifft vorrangig die jagdbaren Wildarten. Der Wolf unterliegt nur in Sachsen dem Jagdrecht. Demgegenüber sind aber seine natürlichen Beutetiere vorrangig Tierarten, die bejagt werden. Insofern übt die Dichte und Rudel- verteilung der Wölfe einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Beutetiere. Abschusspläne und Bejagungsstrategien müssen angepasst werden. Wie viel Wölfe »verträgt« Deutschland? Um dieser Frage nachzugehen, hat das Bundes- amt für Naturschutz im Jahr 2009 eine Studie in Auftrag gegeben, die anhand von Vergleichen mit
Wissenschaft erleben 2017/1 MENSCHEN & MEINUNGEN 9 Wenn die Zahl der Wölfe zunimmt, steigt dann auch die Anzahl der Konflikte? Das lässt sich so nicht pauschalisieren und ist sicher- lich von Bundesland zu Bundesland verschieden. Fakt ist, dass bereits jetzt bei der derzeitigen Besie- delungsdichte die Zahl der Konflikte, vorrangig mit Weidetierhaltern, kontinuierlich zugenommen hat. Und eine immer großflächigere Ausbreitung der Wölfe mit einem jährlichen Zuwachs von 30 %, trotz zahlreicher Verluste, trägt in diesem Zusammen- hang nicht zu einer Verbesserung der Situation bei. Dürfen Wölfe außerhalb von Sachsen, wo sie dem Jagdrecht unterliegen, geschossen werden? Bereits jetzt können in bestimmten Fällen Problem- wölfe erlegt werden, die verhaltensauffällig gewor- den sind. Dass dies äußerst schwierig ist, zeigte nicht zuletzt ein Problemwolf in der Stadt Rathenow. Nachdem er ohne sichtbare Scheu mehrmals in der Stadt gesehen wurde, fürchtete der Leiter der örtlichen Schule um die Sicherheit der Schulkinder. Der Wolf wurde zum Abschuss frei gegeben. Dazu kam es allerdings nicht, weil er wieder die freie Wild- bahn aufgesucht hatte. Ist er aber dadurch kein Pro- blemwolf mehr? Das ist eine schwierige Frage, die nur durch ein funktionierendes Monitoring für alle Wie sähe ein Wolfs-Management aus Sicht des Wölfe z. B. über Fotofallen zu beantworten ist. Thünen-Instituts aus? Zunächst sollten wir möglichst frühzeitig eine Strate- Und wie sieht es mit den Wölfen aus, die nicht ver- gie entwickeln, die künftigen Maßnahmen zugrunde haltensauffällig sind? Geht es ohne Regulation? liegt und die auf breiter Akzeptanz basiert. Für Eine biologische Selbstregulation durch Verringe- ein Management sollten unvoreingenommen alle rung der Zuwachsrate ist unter den Bedingungen Möglichkeiten diskutiert werden: Meldewege, Ver- unserer Kulturlandschaft mit einer Vielzahl an geeig- antwortlichkeiten, Entnahmen, Wolfsgebiete oder neten Lebensräumen mit »reich gedecktem Tisch« wolfsfreie Zonierungen und vieles mehr. Eingriffe eine Illusion. Bereits jetzt hat sich die Akzeptanz in die Bestände, die auf breiter Basis abgestimmt im ländlichen Raum zunehmend verringert. Nach sind, würden auch dazu beitragen, dass der Wolf Angaben des Bundesamtes für Naturschutz wurden die nötige Scheu vor dem Menschen aufbaut. Der bisher für Nutztiere, die von Wölfen getötet wurden, Wolf ist ein hochintelligenter und auf großer Fläche knapp 108.000 Euro Ausgleichszahlungen geleistet. lebender Spitzenprädator, der auch nur auf großer Und einer ständig zunehmenden Finanzierung von Fläche gemanagt werden kann. Er ist zweifellos eine Präventionsmaßnahmen und Entschädigungen sind hochinteressante Tierart und eine Bereicherung der zwangsläufig Grenzen gesetzt. Es bedarf also einer heimischen Tierwelt. Es wäre fatal, den Dialog erst gesellschaftlichen Diskussion, in welchem Maß der dann zu suchen, wenn das Ruder bereits aus den Wolf bei uns akzeptiert wird und was wir uns seine Händen geglitten ist und Aktionismus das Handeln Wiederkehr kosten lassen wollen. Letztlich wird die bestimmt. Zahl der in Deutschland lebenden Wölfe ein Kom- promiss aus wildbiologisch sinnvoller und gesell- Vielen Dank für das Gespräch. NW schaftlich akzeptierter Zahl sein.
10 FORSCHUNG Alles hat seinen Preis Kosten der Schutz- und Erholungsleistungen im Wald Die deutschen Forstbetriebe sind gesetzlich verpflichtet, den Wald ordnungsgemäß und nachhaltig zu bewirtschaften. Viele gesellschaftliche Gruppen legen großen Wert auf diverse Schutz- und Erholungsleistungen des Waldes, und sie richten entsprechende Forderungen an die Politik. Wie hoch die Kosten sind, die bei den Forstbetrieben durch diese Leistungen verursacht werden, hat das Thünen-Institut ermittelt. Waldbesitzer müssen viele gesetzliche und außer- für Schutz- und Erholungsleistungen bereits heute gesetzliche Vorgaben beachten. Diese zielen darauf tragen, zumindest ungefähr bekannt sein. Aus ab, dass der Wald den vielfältigen Ansprüchen, die diesem Grunde muss die Bundesregierung dem an ihn gestellt werden, dauerhaft gerecht werden Bundestag gemäß § 41 (3) des Bundeswaldgesetzes kann. Neben der Holzproduktion (Nutzfunktion) berichten, wie hoch die Belastungen sind, die aus der geht es dabei um verschiedene Schutz- und Erho- Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes erwach- lungsfunktionen, insbesondere für den Natur- und sen. Da diese nicht einfach aus einer Statistik abge- Wasserhaushalt, das Landschaftsbild und den Erho- lesen werden können, hat sie das Thünen-Institut für lungswert. den Körperschafts- und Privatwald untersucht. Die Frage, wie die Vorgaben für die Forst- wirtschaft weiterentwickelt werden sollen, ist ein Buchführungsdaten und ergänzende politischer Dauerbrenner. Dabei sind schwierige Befragungen Abwägungen zu treffen, denn eine Steigerung der Als Datengrundlage wurde das Testbetriebsnetz Schutz- und Erholungsfunktion ist für die Volkswirt- Forst gewählt. Dieses weist die Buchführungser- schaft nicht kostenlos. Aus forstpolitischer Sicht ist gebnisse einer Stichprobe von Betrieben ab 200 hier zweierlei zu entscheiden. Erstens: Wie viel ist Hektar Wald aus. Die Auswertung der Bücher ergab, uns als Gesellschaft eine verbesserte Schutz- und dass sich die Netto-Belastungen (Aufwand minus Erholungsfunktion wert, d. h. welche Mehrkosten Erträge) für die Erbringung von Schutz- und Erho- wollen wir hierfür in Kauf nehmen? Zweitens: Wer lungsleistungen im Jahr 2011, dem Basisjahr der soll die Mehrkosten tragen, d. h. zu welchem Teil Studie, auf durchschnittlich 17 Euro/ha im Körper- wollen wir sie den Waldbesitzern aufbürden und zu schaftswald und auf durchschnittlich 5 Euro/ha im welchem Teil allen Bürgern? Privatwald beliefen. Die von den Betrieben empfan- Damit die Politik solche Entscheidungen tref- genen Fördermittel von 4 Euro/ha (Körperschafts- fen kann, müssen die Kosten, die die Forstbetriebe wald) bzw. einem Euro/ha (Privatwald) sind hier schon eingerechnet. Steuergröße Körperschaftswald Privatwald Doch neben den unmittelbar verbuchten Mehr- Realbetrieb Referenzbetrieb Realbetrieb Referenzbetrieb aufwendungen gibt es weitere Belastungen, die Anteil Nadelbäume (%) 54,7 59,3 56,5 63,5 sich nicht aus der Buchführung ablesen lassen. Produktionszeiten über alle 123 119 117 108 Überwiegend handelt es sich hierbei um gezielte Baumarten (Ø in Jahren) Unterlassungen der Betriebe, zum Beispiel der Holz- Anteil des nicht verwerteten nutzungsverzicht für den Erhalt von geschützten 8,3 7,0 6,1 4,2 Derbholzes (%) Waldtypen in FFH-Gebieten: Hierfür müssen die Anteil des nicht verwerteten Forstbetriebe auf die Anpflanzung einiger schnell- 58,4 66,6 60,9 58,2 Nichtderbholzes (%) wachsender und gut bezahlter Baumarten wie die Stilllegungsfläche (%) 5,4 2,7 2,3 0,7 Douglasie zum Teil verzichten und können auch Unbestockter Holzboden (%) 4,4 4,2 3,4 3,3 einen Teil des Holzes nicht nutzen, damit Totholz
Wissenschaft erleben 2017/1 FORSCHUNG 11 und Habitatbäume erhalten bleiben. Dass diese Finanzielle Belastungen sind erheblich Maßnahmen zu Ertragseinbußen führen, ist offen- Ergebnis: Im Vergleich zum Referenzszenario ent- kundig, auch wenn sie sich nicht aus der Buchfüh- steht im Realszenario ein durchschnittlicher jährli- rung ablesen lassen. cher Minderertrag von knapp 0,5 m³ Holz je Hektar. Aus diesem Grund wurde bei den Testbetrieben Minderertrag und Mehraufwand führen zu jähr- eine Zusatzbefragung durchgeführt. Die Bewirt- lichen finanziellen Belastungen von insgesamt 35 schafter wurden gebeten, ihre Waldbewirtschaf- Euro/ha im Körperschaftswald und 40 Euro/ha im tungskonzepte für zwei Fälle darzulegen: Zum einen Privatwald. Diese Durchschnittswerte liegen deut- im »Realbetrieb«, bei dem alle aktuellen Maßnah- lich über jenen 17 bzw. 5 Euro/ha zurechenbaren men und künftigen Planungen zur Bereitstellung Kosten aus den Buchführungsunterlagen. von Schutz- und Erholungsleistungen auf gesetz- Addiert man beide Belastungszahlen und setzt licher Basis und weitere nichtgesetzliche Verpflich- sie ins Verhältnis zu den aktuellen Reinerträgen (Pri- tungsgrundlagen zugrunde gelegt wurden. Zum vatwald 188 Euro/ha und Körperschaftswald 124 anderen in der Alternative »Referenzbetrieb«, bei Euro/ha), so wird deutlich: Die durchschnittlichen der den Forstbetrieben freigestellt wurde, ob und Belastungen sind erheblich. Interessant ist wei- wie sie zukünftig Schutz- und Erholungsleistungen terhin: Die Privat- und Körperschaftswaldbetriebe bereitstellen. Die Forstbetriebe sollten hierbei unter schätzen, dass zwei Drittel der Belastungen durch anderem Angaben zur Baumartenwahl bei Jung- Schutzleistungen und ein Drittel durch Erholungs- beständen oder zu Waldflächen ohne Holznutzung leistungen verursacht werden. Während Schutz- machen. Die durchschnittlichen Steuergrößen für leistungen zu zwei Dritteln aufgrund gesetzlicher den Körperschafts- und den Privatwald sind in Vorgaben erfolgen, werden Erholungsleistungen zu Tabelle 1 aufgeführt. einem vergleichbaren Anteil als freiwillige Selbst- Mit Hilfe eines forstbetrieblichen Simulations- verpflichtungen erbracht. modells wurde dann für jeden Betrieb über einen Derzeit werden die Belastungen größtenteils 200-jährigen Simulationszeitraum berechnet, wie von den Waldeigentümern getragen. Ob dies hoch in den beiden Waldbewirtschaftungskon- gerechtfertigt ist oder geändert werden sollte, ist zepten (a) die verkauften Rohholzmengen und (b) letztlich eine politische Entscheidung. FI die finanziellen Nettoerträge sind. Daraus wurden durchschnittliche Jahreswerte ermittelt. KONTAKT: bjoern.seintsch@thuenen.de
12 FORSCHUNG Buchhaltung für die Klimapolitik Wissenschaftliche Bestandsaufnahmen geben Auskunft über Quellen und Senken für Treibhausgase Wer sich vertraglich verpflichtet, den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu verrin- gern, muss auch dokumentieren, dass er seinen Verpflichtungen nachkommt. Hierzu dient in Deutschland die landesweite Treibhausgas-Emissionsberichterstattung, die für den Agrar- und Forstbereich vom Thünen-Institut durchgeführt wird. der jährlich von der Nationalen Koordinierungs- stelle am Umweltbundesamt veröffentlicht wird und Daten zur gesamten deutschen Emissions- situation der Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) enthält. Für die Bereiche Landwirtschaft, Landnutzung, Landnut- zungsänderung und Forstwirtschaft erstellt das Thünen-Institut die nationalen Emissionsinventare im Auftrag des BMEL. Das Thünen-Institut ist als Ressortforschungseinrichtung für eine solche Auf- gabe prädestiniert. Zum einen zählt es zu seinen Kernaufgaben, wissenschaftliche Grundlagen für die Politikberatung bereitzustellen, zum anderen verfügt es über den notwendigen langen Atem, Erhebungen über viele Jahre hinweg durchführen zu können und durch Forschung zu untersetzen. Beteiligt sind die Thünen-Fachinstitute für Agrarkli- maschutz, für Waldökosysteme, für Holzforschung und für Ländliche Räume; Unterstützung kommt vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Treibhausgase sieht man Eine Begrenzung der globalen Erwärmung von deut- Landwirtschaft. nicht – aber ihre landesweite lich unter 2 °C: Dieses Ziel hat sich die internationale Erfassung ist möglich. Staatengemeinschaft 2016 mit dem Pariser Klima- Bedeutung von Landwirtschaft und Landnutzung schutzabkommen gesteckt. Im Zuge der internatio- Die Erstellung des Inventars ist eine komplexe Mate- nalen Klimaschutzabkommen hat sich Deutschland rie, wie am Beispiel der Landwirtschaft und landwirt- verpflichtet, seinen Treibhausgas-Ausstoß bis zum schaftlichen Landnutzung deutlich wird. Zunächst Jahr 2020 um 40 % und bis 2050 um 80 bis 95 % muss eine Fülle von Daten erhoben werden: Da geht gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu verringern. es um Nutztierzahlen, Tierleistungen und Haltungs- Um diese ambitionierten Zielmarken zu errei- verfahren, um Ausbringungsverfahren von Mist und chen, müssen alle Bereiche der Gesellschaft – auch Gülle, um den Einsatz von synthetischen Stickstoff- die Landwirtschaft – ihren Beitrag zur Minderung düngern, um die Vergärung von Energiepflanzen, leisten. Die Politik ist gefragt, entsprechende Rah- aber auch um landwirtschaftliche Böden oder um menbedingungen zu schaffen. Damit die politi- Änderungen der Landnutzung. Diese Daten werden schen Entscheidungsträger wissen, wo man steht, in komplexen Modellen, die teils im Thünen-Institut müssen regelmäßig Zwischenergebnisse ermittelt entwickelt wurden, weiterverarbeitet, sodass sich und dokumentiert werden. Dazu dient der Natio- am Ende klar erkennen lässt, wie viel Treibhausgase nale Inventarbericht für Treibhausgas-Emissionen, insgesamt freigesetzt wurden. Jedes Jahr werden
Wissenschaft erleben 2017/1 FORSCHUNG 13 diese Berechnungen einer internationalen Überprü- fung unterzogen. Eine Übersicht über die Treibhausgas-Emissi- onen in Deutschland zeigt, dass die Freisetzungen in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten um rund ein Viertel gesunken sind. Allerdings: Die Rück- gänge sind vor allem auf verbesserte Verfahren im Bereich Energie, der für den Löwenanteil der Emis- sionen verantwortlich ist, und im Bereich Industrie zurückzuführen. Bei der Landwirtschaft und land- wirtschaftlichen Landnutzung hat sich nicht so viel bewegt – mit dem Resultat, dass ihr relativer Anteil am Gesamtausstoß gestiegen ist und aktuell bei ca. 11 % liegt. Entsprechend dem internationalen Regel- werk werden hierbei nur Emissionen bilanziert, die direkt in Deutschland auftreten. Treibhausgas-Emissionen: Verschiedene Ursachen Die Emissionen aus der Landwirtschaft und land- wirtschaftlichen Landnutzung verteilen sich zu annähernd gleichen Teilen auf die Treibhausgase CO2, CH4 und N2O. Beim Kohlendioxid, das zeigen die Berechnungen, gehen über 90 % der Emissionen auf die Entwässerung und landwirtschaftliche Nut- verringert, zum anderen werden fossile Energieträ- Treibhausgasemissionen zung von Mooren zurück. Mit dem Absenken des ger eingespart. unterschiedlicher Sektoren in Deutschland und Wasserspiegels dringt vermehrt Sauerstoff in den Die Lachgasemission aus der Landwirtschaft prozentuale Aufteilung der torfreichen Boden ein, was den mikrobiellen Abbau wird vor allem verursacht durch die Stickstoff- Emissionen aus der der organischen Substanz stark beschleunigt. Hier einträge in die Böden im Zuge der Düngung. Der Landwirtschaft und hilft im Grunde nur eine schrittweise Wiederver- wichtigste Ansatzpunkt, entsprechende Emissionen landwirtschaftlichen nässung von Moorböden. Damit dies nicht einseitig zu verringern, ist ein effizientes und verlustarmes Landnutzung auf CO2, CH4 und N2O. zu Lasten der betroffenen Agrarbetriebe geht, ist Stickstoffmanagement im Betrieb: Das beginnt mit die Politik gefordert, langfristige agrarstrukturelle einer Protein-optimierten Fütterung im Stall, setzt Lösungen zu entwickeln. sich fort mit einem Stickstoff-konservierenden Für die landesweiten Emissionen von Methan Wirtschaftsdüngermanagement und erfordert eine und Lachgas ist die Landwirtschaft derzeit mit rund strikt bedarfs- und standortgerechte Düngung. 60 % bzw. 80 % der Hauptverursacher. Die Methanemissionen im landwirtschaftlichen Sektorale Minderungsziele Bereich stammen überwiegend aus Wiederkäuer- Im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sind mägen (ca. 80 %), dazu kommen Emissionen aus erstmals Minderungsziele für einzelne Handlungs- der Lagerung von Wirtschaftsdüngern und aus felder – Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Indus- Biogasanlagen (zusammen ca. 20 %). Die Möglich- trie und Landwirtschaft – festgeschrieben. Für den keiten, die Methanbildung im Pansen zu beeinflus- Sektor Landwirtschaft ist ohne Berücksichtigung sen, sind begrenzt. Der Blick richtet sich daher vor der CO2-Emissionen aus Humus- und Torfverlusten allem auf die Verbraucherinnen und Verbraucher, vorgesehen, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgas- die mit einer Änderung ihres Konsumverhaltens Emissionen gegenüber 1990 um 31 bis 34 % zu (weniger Milchprodukte und Rindfleisch nachfra- senken. Betrachtet man die entsprechende Bilanz gen) dazu beitragen können, Methanemissionen der Landwirtschaft im Jahr 2015, so beträgt die über den Weg eines verringerten Tierbestandes zu erreichte Minderung erst 16 % – vor uns liegt noch senken. Effizient ist auch die Nutzung tierischer Aus- ein langer Weg. MW scheidungen für die Biogasproduktion. Zum einen werden Methan-Ausgasungen aus den Güllelagern KONTAKT: dieter.haenel@thuenen.de
14 MENSCHEN & MEINUNGEN »Alle müssen an einem Strang ziehen« Ein Gespräch über die Zukunftsstrategie ökologischer Landbau 20 % Ökolandbau: Dieses Ziel hat die Bundesregierung bereits 2002 in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie formuliert. Weil die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Deutschland seither allerdings nicht über 7 % hinausgekommen ist, hat das BMEL nun eine Strategie mit Wachstumsimpulsen für den ökologischen Landbau vorge- legt. Agrarökonom Jürn Sanders vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft hat den Strategieprozess koordiniert. Mithilfe der Zukunftsstrategie können also 20 % und Berater sowohl aus der ökologischen als auch Ökolandbau in Deutschland Wirklichkeit werden? aus der konventionellen Landwirtschaft, Experten Das ist sicherlich ein sehr plakatives Ziel. Wir leben aus Bundes- und Landesverwaltungen und auch ja nicht in einer Planwirtschaft. Die Politik möchte einige Wissenschaftler. Ich denke, das merkt man neue Wachstumsimpulse setzen. Letztendlich sind der Strategie auch an. Initiiert wurde dieser Prozess es aber die Verbraucher und Landwirte selbst, die von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt. entscheiden, ob sie ein ökologisch erzeugtes Pro- dukt kaufen oder ihren Betrieb auf eine ökologische Welche Rolle spielte das Thünen-Institut? Bewirtschaftung umstellen. Wir haben das Prozessmanagement übernommen – eine Aufgabe, die nicht zum Tagesgeschäft einer Kann Politik diese Entscheidungen beeinflussen? Ressortforschungseinrichtung gehört. Uns war es Ja, die Politik setzt schließlich die Rahmenbedin- dabei wichtig, von Anfang an jene mit einzubezie- gungen. Allerdings liegt die Handlungskompetenz hen, die die Strategie am Ende umsetzen müssen. hier nicht allein beim Bund, sondern auch bei den Bundesländern und der EU. Um eine nachhaltige Die Bio-Verbände haben die Initiative des Mini- Verbesserung für den Ökolandbau zu erreichen, sters begrüßt. Kritisiert wurde allerdings, dass müssen alle an einem Strang ziehen. die Zukunftsstrategie offen lässt, bis wann 20 % Ökolandbau in Deutschland erreicht sein sollen. Steht die Zukunftsstrategie des BMEL in Konkur- Es wäre niemandem wirklich geholfen, wenn die renz zu den Öko-Aktionsplänen der Länder? Wettbewerbsbedingungen des ökologischen Land- Da Bund und Länder eigenständige Kompetenz- baus durch das Ordnungsrecht oder eine immens bereiche haben, gibt es keine direkte Konkurrenz hohe Finanzspritze schlagartig so verbessert wer- zu den Öko-Aktionsplänen der Länder. Vielmehr den, dass innerhalb von wenigen Jahren 20 % Öko- können sich die regionalen Öko-Aktionspläne und landbau erreicht werden würden. Ich denke, ein die Zukunftsstrategie des BMEL ergänzen. Einige solches Wachstum wäre nicht nachhaltig. Immerhin Bundesländer haben sich auch sehr engagiert an geht es ja nicht nur darum, dass zusätzliche Betriebe dem Prozess zur Zukunftsstrategie beteiligt. auf eine ökologische Wirtschaftsweise umstellen. Es braucht beispielsweise auch gute Berater, und die Wie lief der Strategieprozess ab? fallen nicht vom Himmel. Auch sie müssen ausgebil- Der Strategieprozess war eine große Teamarbeit. det werden. Dafür braucht man wiederum gute Aus- Rund 200 Leute haben an der Zukunftsstrategie bilder an den Fachschulen und an den Universitäten. mitgedacht und mitgearbeitet – Verbandsvertreter Hier soll die Zukunftsstrategie bessere Grundlagen
Wissenschaft erleben 2017/1 MENSCHEN & MEINUNGEN 15 schaffen. Ich gehe davon aus, dass es realistischer zum Ziel hat, hat das BMEL einen ersten Grund- und nachhaltiger ist, eine mittelfristige Perspektive stock gelegt. Es ist aber auch wichtig, darüber anzusetzen, um das Ziel zu erreichen. hinaus ausreichende Ressourcen für das Prozess- management zur Verfügung zu stellen. Die Strate- Wie sollte sich das Wachstum idealerweise gie wird nur dann erfolgreich umgesetzt werden, gestalten? wenn – wie bisher auch – alle Beteiligten konstruk- Die Handlungsfelder der Zukunftsstrategie ökologi- Wir haben das in 24 Maßnahmen, aufgegliedert in tiv mitarbeiten. scher Landbau sind: fünf Handlungsfelder, relativ konkret beschrieben. 1. Rechtsrahmen des Wir haben auch dargelegt, wann diese Maßnahmen Wodurch kann das Ziel »20 % Ökolandbau« Ökolandbaus zukunftsfähig umgesetzt werden sollen. Zum Beispiel sollen noch gefährdet werden? gestalten, in diesem Jahr, spätestens aber 2018 die Fördermittel Für die Entwicklung des Ökolandbaus insgesamt 2. Zugänge zur ökologischen Landwirtschaft erleichtern, für die Umstellungsberatung aufgestockt werden. ist sicherlich die Revision der EU-Öko-Verordnung 3. Leistungsfähigkeit Im Jahr 2019 soll eine erste Zwischenbilanz gezogen eine Herausforderung: Der Vorschlag der EU-Kom- ökologischer Agrarsysteme werden. 2022 soll ein Fortschrittsbericht erarbeitet mission, der unter anderem die Abschaffung beste- verbessern, werden, der darlegt, wie die Zukunftsstrategie für hender Ausnahmegenehmigungen in den nächsten 4. Nachfragepotenzial voll die kommenden sieben, acht Jahre fortgeschrieben Jahren vorsieht, wurde von vielen Seiten kritisiert ausnutzen und weiter ausbauen, werden soll. Bis zum Jahr 2030 ist also ziemlich klar, und für praxisfremd befunden. Würde er so wie 5. Umweltleistungen was passieren wird. bisher geplant umgesetzt, könnte das der Entwick- angemessen honorieren. lung des Ökolandbaus schaden. Da die EU-Öko-Ver- Das Maßnahmenspektrum für Welche nächsten Schritte müssen jetzt erfolgen? ordnung eine so große Bedeutung für die Zukunft die nächsten Jahre reicht von Für eine erfolgreiche Umsetzung der Zukunftsstra- des Sektors hat, ist ihre problembezogene Weiter- einer intensiveren fachlichen Begleitung der Betriebe, die auf tegie braucht es entsprechende Ressourcen. Mit entwicklung ein Bestandteil der Zukunftsstrategie. Ökolandbau umstellen wollen, 30 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2018 plus 6 bis hin zur Unterstützung von Millionen für die Eiweißpflanzenstrategie, die eine Vielen Dank für das Gespräch. UH Kantinen, die Gästen mehr Erweiterung der Fruchtfolgen um Leguminosen Bioprodukte anbieten wollen.
16 PORTRAIT Landatlas Informationslücke zu ländlichen Räumen geschlossen Seit Ende 2016 füllt der Landatlas eine eines bestimmten Radius lebenden Bevölkerung wichtige Lücke für alle, die an und die Entfernung zu nächstgelegenen Zentren. kleinräumigen und flächen- Aus diesen Merkmalen hat das Thünen-Institut eine deckenden Informationen Kategorisierung vorgenommen, nach der ca. 57 % über ländliche Räume in der Bevölkerung in ländlichen Räumen leben, die Deutschland interessiert 91 % der Fläche Deutschlands ausmachen. sind. Mit seinen inter- aktiven Karten gibt er Gliederung in neun Themenblöcke einen breiten Über- Der Landatlas bietet in neun Themenblöcken blick über die soziale, unterschiedliche Indikatoren an. So gibt es im The- demografische und menblock »Raumstruktur« Indikatoren zur Sied- ökonomische Situa- lungsdichte und zur sozioökonomischen Lage tion sowie über die ländlicher Räume. Daten zu Binnenwanderungen, Erreichbarkeit von zur Altersstruktur oder zu den unterschiedlichen Einrichtungen der Lebenserwartungen von Frauen und Männern Grundversorgung. bietet der Bereich »Bevölkerung«. Damit wird dem Wer wissen möchte, großen gesellschaftlichen und politischen Inte- wie vielfältig und unterschied- resse am demografischen Wandel entsprochen. lich ländliche Lebensbedingungen Der Themenblock »Soziales« stellt Haushaltsein- in Deutschland sind, wird hier künfte sowie Löhne und Gehälter kartografisch dar. fündig – zum Vergleich Baulandpreise und Wohnungsleerstand sind zwei lassen sich per Mausklick Indikatoren im Themenbereich »Wohnen«. Unter stets auch die Daten für »Versorgung« lassen sich Einblicke in die Kinderbe- die großen Agglomerati- treuungssituation, Pflege und ärztliche Versorgung onsräume darstellen. Rund gewinnen. Auch die mittleren Entfernungen zum 60 Indikatoren werden meist nächsten Haus-, Fach- und Zahnarzt, zu Apotheken auf Kreisebene kleinräumig oder zu Supermärkten und Discountern können per dargestellt. Karte abgerufen werden. Die Situation der kommu- nalen Haushalte wird über die Steuerkraft und die Was ist ländlich? Schulden erfasst. Den letzten Themenblock bildet Bei der Entwicklung des Landatlas ging es zunächst die »Landnutzung«, in der sich etwa Informationen um die Frage, was ländliche Räume in Deutsch- zur Veränderung der Siedlungs- und Verkehrsfläche land heute besonders kennzeichnet und wie sie finden lassen. sich abgrenzen lassen. Der Landatlas geht davon Für den Landatlas wurden vor allem Daten aus aus, dass dünn besiedelte Räume und städtische der Laufenden Raumbeobachtung des Bundesin- Ballungszentren die zwei Pole der Siedlungsstruk- stituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (INKAR- tur und Landnutzung darstellen. Zwischen diesen Datenbank) herangezogen. Der Landatlas ist Teil des finden sich unterschiedliche Ausprägungen an Länd- BMEL-Infoportals »Zukunft.Land« (www.zukunft. lichkeit. Diese ist umso stärker, je aufgelockerter die land). Alle dargestellten Indikatoren werden regel- Bebauung und je höher der Anteil der land- und mäßig aktualisiert. FI forstwirtschaftlichen Fläche ist. Wichtig ist auch die Lage im Raum, genauer die Zahl der innerhalb KONTAKT: annett.steinfuehrer@thuenen.de
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