Wolfi: 25 Jahre Taormina - Wo Välte lebt

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Wolfi: 25 Jahre Taormina - Wo Välte lebt
Gallispitz Nr. 188, März 2021 Trägerschaft Ortsverein Veltheim

                                                  W              das thema: w

                                                                 Wolfi: 25 Jahre Taormina
                                                                 Mit diesem Foto haben sich Matteo
                                                                 und Sigi Taormina beworben – wir
                                                                 feiern sie mit Interview, State-
                                                                 ments, Gratulationen ... Seite 8

                                                                 kultur & schule

                                                                 Kommt Ronja?
                                                                 Die Theaterchischte hofft, dass sie
                                                                 das verschobene Musical im Juni
                                                                 aufführen kann ... Seite 26

                                                                 beizengeschichten

                                                                 Hunger und Durst
                                                                 Wie überleben unsere Beizen die
                                                                 Coronakrise – und wie können sie
                                                                 gegensteuern? Der Gallispitz fragt
                                                                 nach ... Seite 32
2     Editorial    gallispitz 1|21

           W wie Wohnen

Liebe Leserin                                                 Im Studium wohnen wir wochenweise. Im alten Bauern-
Lieber Leser                                                  haus von Raphis Eltern im Nirgendwo wuseln Marder im
                                                              Dach. Die Hauskatze stiehlt gelegentlich unser Essen und
In meiner Muttersprache gibt es das Wort «Wohnen» nicht.      beschenkt uns dafür mit säuberlich geköpften Mäusen.
Man sagt einfach: Ich lebe hier.                              Nachts flattern Fledermäuse ins Zimmer. Meine WG in
    Als ich gerade zu sprechen lerne, leben/wohnen wir in     Cham liegt direkt am Zugersee, dafür hat sie keine Zentral-
einem Studentenwohnheim in Moskau, in einem Seiten-           heizung. Alle drei Tage holen wir ein Kännchen Heizöl im
flügel des prunkvollen Hauptgebäudes der Lomonossow-          Keller. Nachts schleichen Güterzüge im Schritttempo am
Universität. Heute nennt man das Sozialistischen Klassi-      Fenster vorbei.
zismus. Damals nenne ich es Zuhause. Unser Zimmer teilen          Die langen Zugreisen nach Winterthur schweissen uns
wir uns mit einer Maus, vor der ich Angst habe, und mit       zusammen. Wir suchen eine eigene Wohnung. In Neuhau-
einigen Kakerlaken, die ich lustig finde.                     sen am Rheinfall besichtigen wir eine. Das Badezimmer
    Acht Umzüge und zwei Länder später lerne ich an der       liegt ausserhalb der Wohnung im Treppenhaus. Kein Pro-
ZHAW in Winterthur Raphi kennen. Wir tauschen Ge-             blem, sagen die Vormieter, die Nachbarn gehen nur selten
schichten von unseren Wohneskapaden aus. Meine erste          auf den Estrich. Hoffnungslos. Aber dann finden wir sie:
WG in Zürich, die zweimal im Jahr von einem halben            in Winterthur-Veltheim, an der Juchstrasse. Schön, gross,
Dutzend chinesischer Geschäftsleute heimgesucht wur-          günstig. Badezimmer in der Wohnung selbst, ein Luxus.
de. Sein Haus in der Anton-Graff-Strasse, wo sein bester      Auf dem Weg zur Besichtigung läuft uns ein Igel über den
Freund nachts in sein Zimmer einstieg, weil er den letzten    Weg – mitten in der Stadt. Ein gutes Zeichen, sage ich.
Zug ins Tösstal verpasst hatte und den kleinen Bruder nicht       Als wir einziehen, ist die VOLG Weinkellerei um die
wachklingeln wollte.                                          Ecke noch in Betrieb. Acht Jahre lang wohnen wir gemein-
                                                                                sam in der Juchstrasse – ein Rekord für
                                                                                uns beide. Keine unserer Familien war
                                                                                jemals besonders sesshaft. Ausbildun-
                                                                                gen werden abgeschlossen, Jobs werden
                                                                                gefunden. Im Januar 2020 ist die Wein­
                                                                                kellerei eine Baustelle. «Wohnüberbauung
                                                                                zur Weinlese», steht auf dem Schild. Am
                                                                                gleichen Abend debattieren wir, ob wir
                                                                                im Bewerbungsformular unseren Katzen-
                                                                                wunsch erwähnen sollen. Ein Jahr später
                                                                                – auf den Tag! – trappeln kleine Pfötchen
                                                                                über die grünen Plättli im Gang. Wir sind
                                                                                glücklich.
                                                                                    Wir sind Anna und Raphi und wir
                                                                                leben hier in der Weinlese.

                                                                               Anna Ettlin schreibt für die ETH Zürich. Ra-
                                                                               phael Schmid kommuniziert für Sunrise UPC.
                                                                               Sie wohnen in der Weinlese mit ihren zwei
Raphael Schmid und Anna Ettlin «zur Weinlese». bild ks                         einäugigen Katzen und vier Vogelspinnen.
gallispitz 1|21   Inhalt   3

        Das Thema: W                            Kultur und Schule                            Regelmässig
    Titelbild                                23 Bibliothek                               4/5 Veltheim früher

        Bewerbungsfoto Taormina, 1995        26 Theaterchischte Välte                    8   Who Is Who

    Letzte Seite                             27 Kreisschulpflege                         16 Augenschein

        BuebeWäldli bild dl                  28 Filasez                                  24 Veranstaltungskalender

                                                                                         32 Beizengeschichten

    4   Weinbau früher                          Aktuell                                  35 Soziale Dienste

    5   Waldschule Güetli                    24 Dorffest                                 39 Gewerbe und Dienstleistungen

    6   Wanderweg durch Veltheim             29 Naturlehrgarten                          43 Gratulationen

    8   Wolfi: 25 Jahre Matteo & Sigi T.     31 Dorfplatz: Erweiterung Markt

                                             32 Veltheims «Katastromie»                      Quartierzentrum
                                                                                         43 Vermietungen

                                                                                             Ortsverein Veltheim
                                                                                         44 Vorstand & Ortsverein intern
    11 Das Gedicht

    12 «Zur Weinlese»: Drei Bewohner         33 Abenteuerspielplatz
                                                                                             Unsere Vereine
                                             35 Schwimmbad Wolfensberg
                                                                                         45 Quartierverein Rosenberg
                                             36 Veltheimer Fonds
                                                                                         45 Turnverein
                                             37 Jugendarbeit
                                                                                         46 Natur- und Vogelschutzverein

                                                                                         47 Musikverein

    15 «Zur Weinlese»: Die Geschichte

    16 Waagrecht
                                              Schreiben Sie uns!
                                               (gall) Wir von der Redaktion schrei-
                                               ben gern. Viermal im Jahr bringen
                                              wir Ihnen Aktuelles und Anekdoti-
                                               sches, Vorder- und Hintergründiges        47 Verzeichnis der Inserenten
                                               aus unserem Stadtkreis nahe. Das
                                                                                         47 Impressum
                                               Editorial verfassen wir nie selbst – es
                                               gehört einer Aussenstimme. Sind Sie
                                               die nächste zum Thema «X» im Juni?
                                              Wir freuen uns immer über Anregun-
                                               gen, Ideen, Wünsche oder Beiträge an
                                              ­redaktion@gallispitz.ch. Oder möch-
                                               ten Sie vielleicht in der Redaktion
                                               mitmachen? Dann heissen wir Sie
                                               herzlich willkommen!

Das Gallispitz-Thema im Juni                                         Wollen Sie über 10 000 Leserinnen und Leser ansprechen?

X                                                                    Dann inserieren Sie im Gallispitz
Die Redaktion lässt sich seit 2015 pro Ausgabe von einem Buch-       Den Insertionsauftrag finden Sie auf Seite 42 und als PDF auf
staben des Alphabets inspirieren. X-Beiträge finden sich ab          unserer Website gallispitz.ch. Unverbindliche Auskunft gibt:
15. Juni in ­allen Veltheimer Briefkästen.                           079 422 92 73 oder inserate@gallispitz.ch.
4   Thema   gallispitz 1|21

     Rebbau im früheren Veltheim

    Von Weinbauern und Weinbussen
     Der folgende Text ist eine stark gekürzte und geraffte Fassung
     des Kapitels «Vom Rebbau» in Peter Zieglers Dorfchronik über
     Veltheim.

     peter ziegler

     Bereits im Mittelalter dehnten sich am     ser, wie sie beispielsweise in Seen oder         strikte zu halten hatten. Dass sie auch
     Abhang des Wolfensberges oberhalb der      Oberwinterthur zu finden sind. Der Reb-          den Rebbau regelte, erstaunt in einem
     Siedlung Veltheim Rebberge aus. Schon      bauer hatte keine Zeit, noch einen gros-         Dorf nicht, dessen Bewohner zur Haupt-
     1279 ist von Winzern die Rede, und aus     sen Viehstand zu pflegen, sondern hielt          sache vom Weinbau lebten. Der Wein
     dem habsburgischen Urbar von 1305 er-      sich Kühe, Ziegen und übrige Tiere wohl          aus Bussen kam der Allgemeinheit zu-
     fährt man, dass die Herrschaft Öster-      nur zur Selbstversorgung. Die grösse-            gut; man schenkte ihn bei Festen, Bür-
     reich die Weingärten in Veltheim gegen     ren Bauernhöfe lagen am Rande des al-            gertrünken und Ehrenmahlzeiten aus.
     den halben Ertrag parzellenweise an die    ten Dorfkerns: an der Feldstrasse (beim
     dortigen Bauern verpachtet hatte. Dies     Kirchgemeindehaus) der Besitz Ägerter,           Ein Eimer Wein als Busse
     brachte Habsburg in den besten Jahren      nebenan der Hof zum ‹Storchen›. Auch             Die Gemeindeversammlung bestimm-
     Einnahmen von 40 Saum Wein (646 Li-        im Ausserdorf, an der Weinbergstrasse,           te auch, wer an welchen Tagen in den
     ter), im schlechtesten Jahr von 15 Saum    standen grosse Bauernhäuser.»                    Reben arbeiten durfte. Ein Hausvater
     Wein (242 Liter).                              Am Ende des 18. Jahrhunderts zähl-           hatte das Recht, alle Tage seinen Reb-
         1348 berichtet eine Urkunde von ei-    te Veltheim rund 40 Häuser. Die Wein-            berg zu betreten, um darin zu arbeiten
     nem Weingarten an des Kramers Halden       berge der Rebbauern erstreckten sich             oder nach dem Rechten zu schauen. Das
     zu Veltheim, 1384 eine andere von einem    über den ganzen Hang des Wolfensber-             gleiche Privileg genossen die Witwen.
     Acker unter den Weingärten, «so man                                                         Andere Frauen durften sich nur an den
     baut von Veltheim nach Wülflingen».                                                         vorgeschriebenen Rebtagen im Wein-
     Ulrich Veiss von Wülflingen war 1456                                                        berg aufhalten; das Gesinde durfte erst
     Eigentümer von zwei Jucharten Reben                                                         während des Wümmets in den Rebberg
     am Veltheimer Berg; 1503 hört man von                                                       gehen. Zuwiderhandelnde hatten eben-
     Ulrich Sibers Weingarten und von Reb-                                                       falls Wein als Busse abzuliefern.
     land, das Heinrich Freihofer von Velt-                                                          An der Berchtoldsgemeinde 1751
     heim dem Kloster auf dem Heiligberg                                                         wurde ein Beschluss von 1717 betref-
     bei Winterthur verkaufte. Die Tatsache,                                                     fend den Verkauf von Rebstecken erneu-
     dass Bauern ihre Rebgrundstücke ver-                                                        ert. Die Bürger von Veltheim hatten das
     kaufen konnten, deutet auf Eigenbesitz     Jakob Kuhn: Veltheim, Mitte 18. Jh. bild zb zh   Recht, für den Eigenbedarf Holz für Reb-
     hin. Demnach gehörten nicht alle Reb-                                                       stecken aus dem Gemeindewald zu be-
     berge dem Lehenherrn.                      ges; ihre Lage lässt sich umschreiben            ziehen. Der Verkauf von Rebstickeln war
         1474 bestätigte das Kyburger Graf-     mit den Flurnamen Knorren, Leuen, Lee,           hingegen untersagt, die Busse ebenfalls
     schaftsgericht auf Begehren der Dorf-      Kramer, Kurzhalde, Gallispitz und Steig.         ein Eimer Wein.
     meier das alte Dorfrecht von Veltheim.     Viele Rebparzellen trugen eigene Na-                 Weinbussen waren nicht die einzi-
     Mit der erneuerten Öffnung waren auch      men, die sich heute nicht mehr lokali-           gen Strafen für Vergehen gegen die Flur-
     einige Bestimmungen betreffend Wein-       sieren lassen: Denzler, Kappeler, Trüebli,       ordnung. Ursula Keller hatte 1764 trotz
     bau, Wümmet und Trottenbetrieb wie-        im Jörg, im Keller, im Küefer.                   Verbot in den Reben «gesüchelt», das
     der rechtsgültig fixiert. Um Lichtmess                                                      heisst Trauben abgelesen. Der Landvogt
     hatte der Kelnhofbauer zwölf Karren        Erde schroten                                    von Kyburg verfügte, die Missetäterin
     Mist (genannt Buw) in die immer noch       Die beiden Flurnamen «Herdblätz» am              solle am 1. Weinmonat auf die Kyburg
     an Dorfbewohner verpachteten Lehen-        Abhang des Grettelbergs und – bereits            gebracht, dort während 24 Stunden ein-
     reben zu bringen, von denen noch heute     auf Wülflinger Boden – «im Herdträger»           gesperrt und dann an der Stud gezüch-
     der Flurname «Lee» zeugt.                  stehen ebenfalls in direkter Beziehung           tigt werden. Anschliessend sollte ihr
                                                zum Rebbau. An diesen in der Nähe des            der Stillstand Veltheim noch die Leviten
     Weinbauern und Ackerbauern                 Waldrandes gelegenen Orten schrote-              lesen. Als der Weibel Ursula Keller zum
     Im Dorf des 17. Jahrhunderts muss es       ten die Rebbauern Erde («Herd») ab, die          Gang nach Kyburg abholen wollte, war
     zwei Arten von Bauern gegeben haben:       sie in die Rebberge trugen. Der frühere          sie nicht aufzufinden. Man ergriff sie
     Weinbauern und Ackerbauern. Nicht je-      Erdabbau im Grettelberg beeinträchtigt           später in der Stadt Winterthur. Sie ge-
     der Hauseigentümer verfügte über Reb-      noch heute stellenweise den Waldbau;             stand ihr Verbrechen und wurde für 24
     land. Mit Bezug auf die Zeit um 1920       auf einer grossen Fläche ist nur noch ro-        Stunden getürmt. Die zweimalige Züch-
     schrieb Heinrich Zindel im Winterthu-      her Mergelboden vorhanden.                       tigung an der Stud erliess der Landvogt
     rer Jahrbuch 1972: «Die Struktur des al-       Wie in den meisten Bauerngemein-             von Kyburg aus Gnade.
     ten Rebbauerndorfes blieb erhalten. Der    den mit Dreizelgensystem gab es auch
     älteste, um die Dorfkirche gescharte       in Veltheim seit alters eine klare Flur-         neujahrsblatt der stadtbibliothek
     Kern zeigt keine grossen Bauernhäu-        ordnung, an die sich die Einwohner               winterthur, 1981
gallispitz 1|21   Thema   5

Veltheim früher
                                                                                           Das Gallispitz-Thema: Von A bis Z

Waldschule Güetli                                                                          W
                                                                                           Die Redaktion widmet sich pro
                                                                                           Ausgabe einem Buchstaben des
Jakob Schlumpf ist an der Ausserdorfstrasse in Veltheim aufge-                             Alphabets. Der März kreist um
                                                                                           das W:
wachsen. Er hat manche seiner Kindheits- und Jugenderinne-
                                                                                           • Weinbauern und Waldschule
rungen aufgeschrieben. Die Erzählung von der Waldschule Güetli                             • W wie Walo: 4 Vältemer(innen)
stammt von einem Schreibwettbewerb im Jahr 2008.                                           • Wanderung über den Gretelberg
                                                                                           • Wolfi: 25 Jahre mit Matteo & Sigi
jakob Schlumpf (1921 – 2015)                                                               • «Zur Weinlese»: drei Bewohner
                                                                                           • Waagrecht: der Augenschein
Wir Sekundarschüler des Jahrgangs 1921       Richtung schaute. Paul sah sich nun
waren jeweils überglücklich, wenn unser      gezwungen, den Käfer im Mund zu be-
Lehrer am Vormittag eines schönen Ta-        halten, statt sofort wieder auszuspucken,
ges verkündete: «Am Nachmittag findet        wie er geplant hatte.
der Zeichnungs- und Geschichtsunter-             Wie dann später bekannt wurde,
richt in der Waldschule auf dem Güetli       hatte der Lehrer geahnt, was Paul vor-
statt, Schulbeginn ist 14 Uhr.»              hatte. Auf alle Fälle schlenderte dieser
    Etwas vor dieser Zeit fanden wir uns     gemächlich auf Paul zu und begann
dann, die Zeichnungsmappe unter den          ganz gemächlich dessen Zeichnung zu
Arm geklemmt, einzeln oder in Grup-          betrachten. Die Augen sämtlicher Schü-
pen beim Güetli ein. Dort, kurz bevor        ler waren natürlich auf die beiden fixiert,
die Wolfensbergstrasse den höchsten          und als Herr Amgwerd mit Paul zu spre-
Punkt erreicht, standen im Wäldchen          chen anfing und dieser antworten sollte,
rechts von der Strasse Bänke und Tische,     bewegte sich kein einziger Zeichnungs-
ähnlich wie sie an Festanlässen benutzt      stift mehr. Die ganze Klasse visierte mit     Vier Vältemer mit Vornamen auf W
werden. Die ganze Klasse schätzte es         ihren Blicken Paul Müller und sah dann,
sehr, dort unter Schatten spendenden         wie sich dieser mit dem Käfer im Mund         Walo
Bäumen, in freier Natur, unterrichtet zu     verschluckte und heftig zu husten be-         Walo Fuchs, 56 Jahre, Mechaniker
werden. An einen dieser Freilicht-Un-        gann. Als der Käfer endlich aus Pauls
terrichte dürften sich wohl die meisten      Mund auf den Tisch fiel, erhob sich ein       Biografische W-Worte:
Schüler noch ganz besonders erinnern.        Riesengelächter, an dem Lehrer und            Wasser
    Es war ein sonniger, ausgespro-          Schüler beteiligt waren.                      widerspenstig
chen schöner, milder Maitag. In Gottes           Am meisten lachte wohl Herr Amg-          Wylerhorn
freier Natur unterrichtet zu werden,         werd, der nämlich die Situation beob-         wandern
war ein Ding, das uns alle in Hoch-          achtet und entsprechend auch provo-           Wildnis
stimmung versetzte. Wir wurden im            ziert hatte.
Zeichnen unterrichtet, und weil ein
Maikäfer-Flugjahr war, schien es unse-
rem Lehrer, Herrn Amgwerd, das Rich-
tige zu sein, von uns zu verlangen, dass
wir mit Pastellfarben ein Buchenblatt
mit einem darauf sitzenden Maikäfer
zeichnen sollten. An Vorlagen fehlte es
uns ja nicht, fielen doch in relativ kur-
zen Abständen Maikäfer samt grünem
Buchenblatt direkt vom Baum auf uns
herab. Wer flink genug war, schnappte
sich einen Käfer in vollem Flug. Andere
schüttelten an einem Stamm einer jun-
gen Buche und erhielten dadurch weit                                                       Vier Vältemer mit Vornamen auf W
mehr Käfer, als sie für eine gute Vorlage
benötigten.                                                                                Walter
    In einer Pause wurde mit Maikä-                                                        Walter Schmid, 66 Jahre, Lehrer in
fern gespielt, und da versprach unter                                                      Pension
anderem unser Mitschüler, Paul Müller,
gegen ein Entgelt von 20 Rappen wäh-                                                       Biografische W-Worte:
rend des Unterrichts einen Maikäfer in                                                     Weinreisen
den Mund zu nehmen. Und tatsächlich                                                        Wo ist Walter
steckte Paul, als er glaubte, der Lehrer                                                   Westerngitarre
sehe es nicht, einen Käfer blitzschnell in                                                 Wollschweine
den Mund, und zwar Sekundenbruch-                                                          wohlproportioniert
teile bevor der Lehrer wieder in seine
6   Thema   gallispitz 1|21

     Wanderweg

    Wer wandert über den Gretelberg?
     Ein regionaler Wanderweg führt vom Walcheweiher durch
     Veltheim zur Chöpfi. Wir haben ganz verschiedene Menschen
     an der Route angetroffen und sie gefragt, was sie hierher führt.
     Wirklich gewandert ist kaum jemand.

     kurt steiger (text & bild)

     Pfadimeitli, 13 bis 16                 Boule-Spieler, 23                           Töfffahrer, 64
     Lindspitz                              Dorfplatz                                   Trottenstrasse

     Die Gruppe kommt vom Walcheweiher,     Er wirft Kugeln mit seinen Kollegen.        Er stellt seine Moto Guzzi auf der Trot-
     auf dem Heimweg vom Samstagstreff.                                                 tenstrasse ab und besucht einen Freund.

     Frau mit Hund, 38                      Enkelin, 32                                 Züglerin, 36
     Dorfplatz                              Felsenhofstrasse                            Trottenstrasse

     Sie war mit ihren beiden Nichten und   Sie war bei ihren Grosseltern in Wülflin-   Sie stösst ihr voll beladenes Velo (Kleider,
     dem Hund im Wald spazieren.            gen zu Besuch.                              Esswaren, Bürokram) die Steig hoch.

     Nichten mit Tante, 10                  Skifahrer, 59                               Spaziergänger, 72
     Dorfplatz                              Felsenhofstrasse                            Treppe zum Gallispitz

     Die Zwillinge aus Zürich übernachten   Er kommt vom Skitourentag im Urner          Nach dem Znacht macht er seinen Ver-
     bei ihrer Tante in Veltheim.           Unterland nach Hause.                       dauungsspaziergang.
gallispitz 1|21   Thema   7

Hanglage: Veltheimer Wanderweg. bild wanderland plus

Zuzügerin mit Gotti, 22 und 51
Gallispitz, der Abendsonne folgend

Sie zeigt ihrem Gotti, der Cousine und
der Mutter ihren neuen Wohnort.

Drohnen-Pilot, 42
Gallispitz

                                                       Dorfplatz    Lindspitz

                                                       Gretelberg   Treppe zum Gallispitz

Er lässt mit seinen beiden Söhnen die
Drohne durch den Abendhimmel fliegen.

Rapper und sein Manager, 23
Gretelberg

Rappend hören sie Musik für ihre spiri-
tuelle Weiterentwicklung.
8    Thema     gallispitz 1|21

       Die Wolfi-Macher

       Arbeiten im Paradies
       Matteo und Sigi Taormina arbeiten seit 25 Jahren als Betriebsleiter
       im Schwimmbad Wolfensberg. Seit 1996 führen sie umsichtig und
       kreativ den Badebetrieb. Vom Schwümbi-Alltag berichten sie, aber
       auch von der Zeit ganz am Anfang, wie sie zu diesem Job kamen
       und von den ersten Schwierigkeiten.

       kurt steiger (text)
                                                                                            Sigi und Matteo, 2021.

Wörtlich: Wolfi-Fans                           Bei kaltem Februar-Wetter besuche ich       liches, Schulhausabwart oder so.» Im
                                               das Bademeisterpaar in ihrem Zuhause        Tagesanzeiger war dann die Betriebs-
Lieber Matteo, liebe Sigi ...                  über dem Schwimmbad. Die beiden ha-         leiter-Stelle fürs Wolfi ausgeschrieben.
In meinen bald zehn Jahren in Win-             ben einiges zu erzählen. Erst mal gibt es   «Darauf haben wir uns beworben, mit
terthur habe ich vielleicht fünfmal das        einen feinen italienischen Cappuccino       einem Foto mit Palmen und Papageien
Schwimmbad Wolfensberg genossen.               zum Aufwärmen.                              [siehe Titelseite]. Wir haben keine kon-
Aber auch von aussen sehe ich eines der            Matteo wartet ruhig und gelassen        ventionelle Bewerbung gemacht», sagt
schönsten Freibäder der Schweiz, das           auf unser Gespräch, so wie man ihn          Sigi lachend. «Wir dachten, die Leute
enorme Engagement und die liebevolle           sommers im Badetrubel am Schwimm-           im Schwimmbad sind sicher sehr offen.
Pflege der Anlage. Den beiden gilt ein         badrand sieht. Sigi hat einen grossen       Dann blieb es aber lange still. Es kam
riesengrosses Dankeschön. Gabriela, 60         Stapel Bücher auf dem Küchentisch be-       keine Antwort auf die Bewerbung.»
                                               reitgelegt: «Ich hab die vielen Fotos in
Die ältesten Gäste vom «Wolfi» wün-            den Jahrbüchern angeschaut, um wieder       Zusage
schen den beiden Jubilaren weiterhin           ein bisschen à jour zu sein. He, schau      «Ich wurde langsam ungeduldig», er-
vollen Erfolg und alles Gute für die Zu-       mal, am 28. April hats einmal so viel       zählt Matteo. «Am 31. Dezember habe
kunft. Marcus, 97, und Marianne, 86            Schnee gehabt.» Matteo zeigt virtuel-       ich Bruno Camanni, den damaligen
                                               le 20 cm Schnee auf dem Küchenboden.        Präsidenten der SGV, angerufen und
Das Wolfi ist nicht nur das schöns-            «Oben beim Schwimmbad haben wir ei-         gefragt: ‹Wie gseets uus?› Ich hatte be-
te Schwimmbad, sondern es hat mit              nen Schneemann gemacht. Der Schnee          reits einen Vorvertrag mit einer anderen
Sigi und Matteo auch noch südlichen            blieb ja dann nicht lange liegen. Zwei      Firma, die auf die Unterschrift wartete.
Charme! Jules, 86                              Tage später haben wir aufgemacht und        Und eine zweite Firma wollte mich auch
                                               die Saison eröffnet.»                       anstellen, auf meinem Beruf quasi. Aber
Matteo, du bist lustig und nett und der                                                    wir wollten gerne ins Wolfi.»
beste Bademeister der Stadt. Ela & Alisa, 11   Corona und Schnee                               Am 3. Januar 1996 rief Bruno Ca-
                                               Das letzte Jahr war ein ausserordentli-     manni die beiden an und sagte: «So, Ihr
Ihr seid die nettesten und lustigsten          ches Jahr wie überall auf der Welt. Durch   könnt Euch auf einen neuen Lebensab-
Bademeister. Es ist cool, dass ihr uns         die Corana-Zeit sind sie im Wolfi relativ   schnitt freuen.» Sigi lacht: «Ein Lebens-
immer die Schanzen aufbaut. Bleibt ge-         glimpflich durchgekommen. «Wir ha-          abschnitt, der nun bereits ein Viertel-
sund! Fiona &Juliana, 11                       ben eine so treue Kundschaft. Die Leute     jahrhundert dauert.»
                                               kommen auch zu uns zum Spielen auf
Ihr seid sehr hilfsbereit und könnt super      der Wiese oder oben im Wäldchen. Mit        Der Anfang
pfeifen.                                       dem Restaurant und den Sitzplätzen          Sigi: «1996, als wir die Stelle im Wol-
Glenn, 10, und Nyma, 11                        oben auf der Terrasse hat es mit den nö-    fi antraten, waren wir um die Dreissig
                                               tigen Abständen ganz gut funktioniert.»     und hatten kleine Kinder. Monica war
Ihr seid die nettesten, coolsten, fairsten         «Wir sind eigentlich das ganze Jahr     7, Nino 5 Jahre alt. Die Reisezeit hatten
und hilfsbereitesten Bademeister, die          dran. Aber gerade diesen Winter, als der    wir ausgelebt und hinter uns. Wir wa-
ich kenne. Bleibt gesund. Milla, 10            schwere Schnee war, da mussten wir ta-      ren also bereit für eine neue Herausfor-
                                               gelang holzen», erzählt Sigi. «Wir muss-    derung. Die ersten Monate wohnten wir
Dank eurer angenehmen Art komme ich            ten sechs grosse Bäume umtun», fügt         noch in Uster. Das Badmeisterhaus im
mit der Klasse jeden Sommer gerne ins          Matteo an.                                  Wolfi wurde noch von den Vorgängern
Wolfi. Ihr zeigt viel Verständnis für die                                                  bewohnt. Als wir hierher kamen, war
Eigenheiten einiger Kinder und greift,         Stellenbewerbung                            der Zustand des Wolfi – mmmh – bau-
wo nötig, stets mit einem Lächeln auf          Das Vorstellungsgespräch mit dem Vor-       lich desolat, muss man fast sagen. 1997
den Lippen ein. Das gibt mir als Lehrper-      stand der Schwimmbad-Genossenschaft         war sogar die Rede davon, dass das Wolfi
son das gute Gefühl, mit meiner Klasse         fand statt im kalten, ungeheizten Kas-      geschlossen würde. Die Wasseraufberei-
am richtigen Ort willkommen zu sein.           senraum des Schwimmbads. Es war kurz        tung war noch mit Chlorgas. In einem
Danke dafür, ihr seid grossartig! Ruth, 35     vor Weihnachten 1995. Matteo erinnert       Wohngebiet war das eine ziemlich ge-
                                               sich: «Ich hatte noch ein anderes Job-      fährliche und riskante Angelegenheit.»
Matteo, danke, dass du immer so nett           Angebot als Elektro-Tableau-Bauer. Ich          Matteo: «Einmal war ich an ei-
bist und für den Verband! Louisa, 6            wollte immer gerne etwas Handwerk-          nem Hochzeitsfest von einem Kollegen.
gallispitz 1|21   Thema    9

                                                                                                Matteo: immer freundlich, offen, warm-
                                                                                                herzig, geduldig, wach, da bist du sicher,
                                                                                                sag ich meinem Kind. Salome, 43

                                                                                                Das Wolfi ist in Winterthur unbestritten
                                                                                                die wunderschönste Schwümbi-Perle.
                                                                                                Aber was es ausmacht, dass man sich
                                                                                                wohl fühlt und immer wieder kommt,
                                                                                                ist auch das familiäre Flair und der ganz
                                                                                                persönliche Touch, den Matteo und Sigi
                                                                                                dem Wolfi geben. Sara, 38

                                                                                                es ist sehr toll im wolfi. ich find dich
Matteo und Sigi mit Nino auf dem Sprungbrett, 1996. bilder: archiv sigi taormina                ein sehr cooler bademeister. wenn ich
                                                                                                ins wolfi gehe, treffe ich immer irgend
Morgens um vier Uhr bin ich heimge-              Gefahr, in ein Burnout zu geraten. Die         jemanden, den ich kenne. das wolfi ist
kommen und hab gesehen, dass der                 Hauptsaison sei sehr, sehr streng. Meis-       mein lieblings-schwimmbad. Annica, 10
Wasserspiegel um einen halben Meter              tens seien sie im Herbst dann auch
gefallen war. Ich hab gedacht, was ist da        krank, hätten eine Erkältung. Doch dann        DU BIST KUL. Mathis, 7
nur passiert, hab jeden Schachtdeckel            können sie sich erholen und auftanken.
aufgemacht, hab mit der Taschenlampe                                                            Das Wolfi ist eines der schönsten Freibä-
in der Kanalisation nachgeschaut, aber           Der Pfiff                                      der überhaupt, die Stimmung lässt Feri-
nichts gefunden. Danach – es war Sonn-           Sigi: «Es muss permanent jemand das            engefühle mitten im Alltag entstehen -
tag – hab ich überall rumtelefoniert, bei        Becken im Blick haben – das ist eine           und das liegt besonders auch an Sigi und
der Schwimmbadgenossenschaft, beim               Vorschrift des Verbandes ‹Hallen- und          Matteo! Frank, 47, und Monika, 43
Tiefbauamt, beim Sportamt, bei den Vor-          Freibäder›. Zum Glück haben wir ein
gängern. Diese meinten dann: ach, das            kleines Becken, das können wir auch            Wolfi ohne Matteo und Sigi gibts gar
sei ganz normal. 100 Kubikmeter Wasser           von der Kasse aus beobachten.» Matteo          nicht für mich. Schön, die persönliche
würden täglich versickern.» Das dauerte          fügt schelmisch hinzu: «Oder von oben,         Begrüssung von Matteo und seinem
aber zum Glück nur zwei Saisons. 1998            von der Restaurant-Terrasse, mit einem         Team. Immer fühlen wir uns willkom-
wurde das Becken saniert. «Nachts um             Kaffee.» Der beste Platz sei wirklich oben     men. Mille Grazie, Sigi und Matteo.
elf bis Mitternacht stand ich aber jede          auf der Terrasse. «Dort sehe ich aufs Bas-     Ursula, 58
Nacht unten in der Werkstatt und hebel-          sin, auf die Liegeplätze rund ums Becken
te am Schieber rum. Wir mussten in der           und auf die Liegewiese. Das Wichtigste         Ich freue mich immer wahnsinnig auf
Anfangszeit lernen, wie das Wolfi funkti-        bei der Arbeit ist, dass nichts passiert. Es   die Badesaison. Diese Zeit geniesse ich
oniert. Es dauerte seine Zeit, bis wir alle      braucht einen sechsten Sinn für heikle         dann mit meinen Freunden und meiner
Feinheiten rausgefunden hatten.»                 Situationen. Diese Momente der mögli-          Familie. Ich schätze es sehr, dass man
                                                 chen Gefahr musst du spüren, das kann          immer herzlich begrüsst wird und es
Der Job                                          man nicht lernen.» In solchen Situatio-        tolle Events gibt. Larina, 11 Jahre
Als Betriebsleiter sind Matteo und Sigi          nen, wenn jemand etwas Gefährliches
angestellt und müssen dafür einen                macht, auf der Stange rumturnt oder            Ich finde das neue Restaurant ist echt
Leistungsauftrag erfüllen. «Wie wir das          andere gefährdet, dann hört man den            cool! Der Rasen ist immer gut. Ihr seid
hinbringen, ist uns freigestellt», erklärt       bekannten, schrillen Pfiff von Matteo,         mega nett. Andrin, 10 Jahre
Sigi. Er macht alles Handwerkliche, sie          nach dem jeder aufschaut und sich wie-
hilft ihm mit Administration und Buch-           der korrekt verhält.                           Das Beste im Wolfi ist und bleibt für
haltung. «Wir haben keinen Arbeitsauf-               Schön ist aber auch, wenn wir die          mich das «Vollmondschwimmen», weil
trag, bei dem du von morgens um 8 bis            Leute sehen, wie sie schwimmen ler-            das Wasser beleuchtet wird. Dann fun-
abends um 17 Uhr im Büro sitzt, mit vier         nen, Kinder oder Flüchtlinge. Und dann         kelt es immer. Danke euch beiden.
Wochen Ferien im Jahr.» Die Ziele des            können wir miterleben, wie sie plötzlich       Selina, 11 Jahre
Leistungsauftrags zu erfüllen, das sei bei       stolz durchs Becken schwimmen.»
ihnen eben auch das Spannende, meinen                                                           Mir ist Matteo immer so vorgekommen,
die beiden unisono.                              Restaurant                                     als hätte er eine gute Übersicht über das
                                                 Angefangen hat es 2000. Sigi erzählt:          Wolfi. Genau wie James Rodriguez auf
Alltag                                           «Wir schrieben der Stadt einen Brief.          dem Fussballplatz. Janic, 11 Jahre
Matteo fasst die Saison kurz zusammen:           2000 entschloss sich die Genossenschaft,
«Im Sommer geht es los – und du weisst,          das Restaurant nicht mehr extern zu            Für Schulen, die dieses Schwimmbad be-
 jetzt ist richtig arbeiten angesagt. Und        vergeben, da fast jährlich die Pächter         suchen dürfen, ist Matteo unentbehrlich.
 dann Mitte September macht es peng              wechselten. Um etwas Kontinuität rein-         Man kann sich als Schüler und Lehrer
– und dann weisst du, jetzt wird es bis          zubringen, wurde es in den Gesamtbe-           auf ihn verlassen und weiss, dass man
Weihnachten ruhig und du hast Ferien.            trieb integriert, und seit nunmehr 20          eine gute Zeit haben wird.
Dann im Januar freust du dich, es geht           Jahren führt es die Genossenschaft selbst.     Lehrerin Schule Schachen, 59 Jahre
 langsam wieder los.»                            Dafür musste Sigi, nicht ganz freiwillig,
     In diesem Zyklus von grosser Akti-          Gastronomin werden. Mit den Jahren
vität und Anspannung und zwei, drei              fiel das Gebäude aber immer mehr aus-
 ruhigeren Monaten laufen sie auch nie           einander. Wir hatten kein heisses Wasser
10   Thema     gallispitz 1|21

                                             Stadträtin Pearl Pedergnana zu Besuch im Wolfi, 2012.

Offiziell                                    mehr, der Strom war ständig ausgefallen                  dann jeweils liegen, so müde war ich von
                                             im damaligen Kiosk-Restaurant. Matteo                    der Saison. Dann aber gab es Gelati und
Liebe Sigi                                   als Stromer musste ständig rumbasteln.                  ­Pizza bei Mama auf Sizilien.»
Lieber Matteo                                2008 gab es dann nur eine Pinselrenova-
Seit 25 Jahren seid Ihr das Gesicht vom      tion. Innen fiel es langsam auseinander.                Whisky und Zigarren
Wolfi. Es war ein langer und stetiger        Es hatte Risse in der Decke. Es kam Was-                Nach den sehr langen Präsenzzeiten
Aufbau des Vertrauens aller Badegäste        ser rein bei Regen. Die Friteuse war dann               im Sommerhalbjahr freut sich das Be-
aus dem Quartier. Die kleinen Kinder         sehr gefährlich. Zur Diskussion stand,                  triebsleiterpaar jedes Jahr auf seine Fe-
und deren Eltern fühlen sich im Wolfi        ob einfach nur noch Selbstbedienungs-                   rien. Es tue gut, auf andere Gedanken zu
ebenso willkommen, wie ältere Perso-         Automaten aufgestellt würden. Dann                      kommen und den Kopf durchzulüften,
nen. In diesen 25 Jahren habt Ihr mehr       gab es Ideen für eine Renovation. Die                   meint Matteo. «Zuerst gibt es aber eine
als eine Generation Kinder gesehen,          Situation war günstig, das Restaurant                   Schlusszeremonie, im September, am
welche nun erwachsen ist und mit ih-         nach den Plänen von 1936 durchgehend                    Bettagssonntag, abends um sechs. Zuerst
ren Kindern wiederum ins Schwimmbad          mit Bäumen zu gestalten. Der vorherige                  gibt es eine ‹Uusfrässete› im Restaurant.
kommen.                                      Kiosk war 1970 errichtet worden und viel                Und dann gibts Whisky mit Zigarren.
Ihr habt es geschafft, das Wolfi zu per-     zu weit vorne. Deshalb hab ich jetzt im                 Das ist ein Ritual, das mach ich auch
sonifizieren. Man geht nicht einfach         Wohnhaus eine so grosse Küche.»                         beim Füllen des Bades im April. Wo kann
schnell schwimmen, sondern man                                                                       man sonst als Bademeister Whisky trin-
kommt zu Sigi und Matteo zu Besuch.          Die Baustelle                                           ken und Zigarren rauchen? Im Frühling
Das ist so, weil Ihr allen mit Eurer offe-   Und sie lacht: «Das Wolfi ist eine dau-                 fülle ich das Bad mit einem Feuerwehr-
nen und freundlichen Art begegnet. So        ernde Baustelle, aber es ist die schönste               schlauch. Die Kinder fragen schon Tage
kommen Gross und Klein, Jung und Alt,        Baustelle in der Stadt. Seit über 20 Jah-               zuvor, wann es soweit sei. Dann kom-
Eingesessene und Neuzuzüger gerne ins        ren sind wir am Sanieren. Erst die Was-                 men sie in Badehosen und rutschen auf
Wolfi.                                       seraufbereitung, dann das Chromstahl-                   dem Chromstahlboden durchs Becken.»
In diesen 25 Jahren haben nicht nur Ge-      becken, dann der Beton.» Matteo: «Der
nerationen gewechselt. Auch die Vor-         ganze Hang drückt. Du siehst das bei den                Ein Traumjob?
schriften, die kulinarischen Vorlieben,      Pfosten beim Parkplatz, die stehen nicht                Matteo sinniert und meint dann ganz
die Technik und die Umweltauflagen           gerade im Blei. Ein Statiker hat aber alles             klar: «Ja, ich glaube schon. Wir leben in
haben sich verändert. Ihr habt mit dem       geprüft und für sicher befunden.»                       einem Paradies. Wir sagen immer wie-
Wandel stets Schritt gehalten und seid                                                               der, wir haben keinen Job, wir haben ein
immer vorne mit dabei, wenn es darum         Ferien                                                  Hobby.» Sigi wendet ein: «Eine Berufung.
geht, sich den neuen Gegebenheiten an-       «Einmal waren wir – zusammen mit                        Du musst es aber gerne machen.» Mat-
zupassen.                                    Ruedi Anneler, dem Präsidenten der                      teo ergänzt: «Von aussen sieht es nicht
Wir danken Euch herzlich für alles, was      Schwimmbadgenossenschaft – in San                       so anstrengend aus, aber alles drumrum
Ihr fürs Wolfi geleistet habt.               Diego in Kalifornien Motorrad fah-                      braucht viel Aufmerksamkeit und Zeit.
                                             ren. Am 18. September machten wir das                   In den letzten Jahren wurde es zudem
Im Namen des gesamten Vorstands der          Schwimmbad zu, am 19. September sas-                    viel strenger mit den Vorschriften.»
Schwimmbadgenossenschaft Veltheim            sen wir bereits im Flugzeug. Das war                        Schön sei auch der Kontakt mit den
Ruedi Anneler, Präsident                     einmalig. In der Nacht dazwischen hab                   Leuten. «Jung und Alt kommen zu uns.
                                             ich aber durchgearbeitet, geputzt und                   Wir mögen alle sehr als Gäste. Wir kön-
Es ist unglaublich toll, mit einem so en-    aufgeräumt. Wir waren dann drei Wo-                     nen mit ihnen über alles reden. Wir sind
gagierten und zuverlässigen Betriebslei-     chen mit dem Motorrad unterwegs. Ich                    eigentlich generationenübergreifende
terpaar zusammen zu arbeiten. Davon          musste nicht mehr überlegen: muss ich                   Sozialarbeiter.» Man müsse die Men-
profitieren alle. Ich komme jederzeit        jetzt das Wasser abstellen in der Nacht,                schen mögen für diesen Job. Matteo:
gerne ins Wolfi, weil da auch für Be-        wird es kalt oder eher nicht? – Das                     «Die Leute sagen, zu mir kommen sie in
sprechungen eine Willkommenskultur           kannst du aber nicht immer so machen.»                  die Ferien. Anfangs haben wir ganz be-
herrscht.                                    Früher gingen sie mit ihren Kindern in                  wusst alle begrüsst am Eingang. Die Leu-
Im Namen der Stadt Winterthur ein            die Herbstferien. Ende Saison mussten                   te fühlen sich so willkommen bei uns.»
ganz grosses Danke für so viel Herzblut!     sie dann aber bis dahin immer arbei-                        Manchmal komme ein Telefon und
Dave Mischler, Leiter Sportamt               ten. «Die ersten zwei Tage musste ich                   eine Mutter suche ihr Kind und frage, ob
gallispitz 1|21   Thema    11

                                                                                                   Das Gedicht zum Thema

                                                                                                   1. Gedicht des Vierteilers
                                                                                                   Wurmstichig – Xund –
                                                                                                   Y-verändert – Zusatzstoffe

                                                                                                   Wurmstichig
                                                                                                   Vom Apfelwickler heimgesucht:
                                                                                                   Ein Falter legte nach der Blüte
Orka auf dem Bassinboden, mit Peter Gut und Kindern, 1997.                                         Eier an den Apfel, dass sie der ausbrüte
                                                                                                   und ernähre mit der Apfelfrucht.
es noch in der Badi sei. Matteo sage dann,           so kam Matteo ins Wolfi.
ja, es sei unterwegs nach Hause. Oder er                 Sigi ist Österreicherin aus der Steier-   Der Eier Glück: Der Baum war bio,
pfeift es aus dem Wasser und schickt es              mark. Sie ist aber in Uster aufgewachsen      ohne Gift, sonst: «Ciao! Addio!»
nach Hause. «Viele Gäste kamen bereits               und hat dort gelebt, bis sie mit Matteo       Nach zehn Tagen ausgeschlüpft
als kleine Kinder zu uns. Und jetzt kom-             nach Winterthur zog. «Ich hatte die erste     der Maden Herz und Magen hüpft.
men sie mit ihren eigenen Kindern. Das               Zeit Mühe gehabt mit dem Ortswechsel.
gibt eine grosse Vertrautheit.»                      Anfangs bin ich sogar nach Uster ein-         Ihre Welt: die Apfelwelt.
                                                     kaufen gegangen.» Sie lacht laut. «Und        Ihr Essen Tag für Tag bestellt.
Das schönste Bad                                     ich vermisse einen See hier in Winter-        Ein Fest! Sie sassen fest im Apfel, frassen,
«Und jetzt – seit 2020 – ist es super. Du            thur.» Da sie das KV gemacht hat, führt       bis sie siebenfache Länge massen.
kommst auf die Terrasse rauf – und wow,              sie im Wolfi auch die Administration
alles frei. Es fühlt sich an wie auf einem           und die Buchhaltung.                          Ein Apfel, Abbild unsrer Erde:
Dampfschiff an der Reling», meint Mat-                   «Als Matteo mich 1984 kennenge-           Um Stiel, um Fliege, diese Achse,
teo, der stolze Capitano. «Seit 2008 gehö-           lernt hatte, wollte er nicht mehr nach        dreht die Apfelwelt, dass wachse
ren wir offiziell zu den schönsten Badis             Sizilien.» Sie heirateten 1986, relativ       Apfel wie auch Larve werde.
der Schweiz. Es gibt keine andere in der             bald, wie Sigi meint, weil Matteo als Sai-
Region. Die nächste ist die Rheinbadi bei            sonnier jedes Jahr drei Monate aus der        – «Wer nagt denn neben mir?», dies fragte
Schaffhausen und die Seebadi in Zürich.              Schweiz raus musste. Und jetzt sind sie        sich die Made, als sie selbst nicht nagte.
                                                     seit 25 Jahren im Wolfi, die beiden. Nun      «Will jemand mich von hier verjagen
Matteo und Sigi                                      ist er 56 und sie 54 Jahre alt. Die Jahre      oder gar mir an den Kragen?»
Matteo wurde in Wetzikon geboren. Der                seien sehr schnell vorbei gegangen, fin-
Vater ist Sizilianer, die Mutter Deutsche.           den sie. «Und immer wieder, Ende Jahr,        – «Du schwarzer Kopf!» – Beide schauten.
Die Eltern hatten sich in der Schweiz                denke ich – wow, zack! – schon wieder         – «Du schwarzer Kopf!» – Beide kauten.
kennengelernt. «Als ich zwei Jahre alt               eine Saison vorbei», sagt Matteo.             «Was sollen wir Geschwister uns
war, sagte der Grossvater meinem Vater:                  Für jede Wolfi-Saison gibt es ein             bekämpfen?
‹Die Schweiz ist nichts für dich, komm               Jahresbuch mit Fotos. Eine ganz schöne        Hat es doch genug zu mampfen!»
zurück nach Palermo.› Nonno wollte                   Sammlung ist das mittlerweile gewor-
seine Familie bei sich haben. So lebte               den. Und hoffentlich kommen noch ein          Die beiden frassen wie die Mäuse
ich von 2 bis 19 in Palermo. Dann ging               paar dazu. Die vielen, vielen Wolfi-Fans      süsse Tunnelgänge ein-
ich zu meinem Onkel in der Schweiz in                wären sehr glücklich darüber.                 wärts, nimmersatt ganz tief hinein
die Ferien. Ich konnte bei ihm als Gipser                                                          ins delikate Kerngehäuse.
schnuppern. Dann meinte er, ich könne
bleiben. Teilweise arbeitete ich Akkord,                                                           Gut genährt von zarten Kernen
bis ich dann einen                                                                                 griffen sie nun nach den Sternen,
Bandscheiben-                                                                                      frassen rückwärts sich ans Licht,
vorfall hatte. Ich                                                                                 zur Welt in neuem Angesicht.
lag am Boden und
konnte mich nicht                                                                                  Jetzt unübersehbar lang und dick,
mehr bewegen. So                                                                                   verpuppt die Raupe mit Geschick
musste ich den                                                                                     sich im Kokon unter der Rinde,
Beruf wechseln.»                                                                                   wo sie Schutz vor Feinden findet.
So kam er zurück
zum erlernten Be-                                                                                  Der Apfelwickler schlüpft als Falter
ruf Elektriker. Als                                                                                dieses oder nächstes Jahr.
die Firma 1995 auf-                                                                                Der Mensch, er pflückt zuletzt, fürwahr,
gekauft und liqui-                                                                                 den Apfel vorgekostet erst im reifen Alter.
diert wurde, muss-
te er sich nach
einer neuen Arbeit                                                                                 Andreas Herbert Meier
umschauen, und
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      Wohnen «zur Weinlese» im ehemaligen VOLG-Areal

      Ohne Auto – mit Réduit – mit Platten
      Wie lebt es sich im ehemaligen Volg-Areal? Wir haben eine junge
      Familie, eine ältere Hausärztin und einen frisch Pensionierten
      befragt. Und erzählen, wie es zu dieser Überbauung kam.

      kurt steiger (text & bild)

      Selina und Iassen mit Alice                        schon immer die beste Wohnlage. Nach          Elisabeth Werder,
      und Matej, Magazingasse 4                          längerer Suche klappte es dann mit der        Magazingasse 4
                                                         4½-Zimmer-Wohnung.
      Erst mal warten wir noch auf Alice, den                 «Nun mussten wir uns aber schon          Am Telefon klingt ihr Dialekt irgendwie
      vierjährigen Wirbelwind. Sie besucht das           an die neue Situation gewöhnen», fügt         ein bisschen appenzellerisch. Der Ein-
      Kinder-Yoga im Nachbarhaus und taucht              Iassen an. «In Uster gab es sehr regen        druck täuscht nicht. Elisabeth Werder ist
      schon bald mit ihrem Vater Iassen auf,             Austausch zwischen den Nachbarn. Die          in Speicher AR geboren, aufgewachsen
      der sie abgeholt hat. Währenddessen                genossenschaftliche Idee vom Wohnen           dann im St. Galler Rheintal, in Buchs.
      trägt Mutter Selina den kleinen Bruder             hat diesbezüglich engagierte Menschen         «Wir waren sechs Kinder, eine richtige
      im Tragetuch durch das Wohnzimmer,                 zusammengeführt. Zum Glück sind wir           Grossfamilie», erinnert sich die älte-
      der Einjährige macht noch seinen Mit-              hier zusammen mit einer befreundeten          re quirlige Dame in ihrem lebendigen
      tagsschlaf.                                        Familie eingezogen.» Und vom Sommer           Appenzeller-St.-Galler-Zürcher-Dialekt.
          Selina hat mir bereits von den letz-           erhoffen sich die vier vermehrt Kontakte      Und alle sechs besuchten in St. Gallen
      ten Jahren erzählt. Beide wohnten über             im Haus und im Quartier.                      die Mittelschule. «Während des Gymis
      zehn Jahre in München, wo sie sich                      Der 41-Jährige Iassen arbeitet als In-   wohnten wir bei Pfarrsleuten, alle in ei-
      kennengelernt haben. «Wir haben die                dustrieprojektleiter in Zürich. Er arbei-     ner anderen Familie.»
      baye­rische Grossstadt in vollen Zügen             tet Teilzeit und hat wöchentlich seinen           Elisabeth Werder lernte nach der
      genossen, aber irgendwann hat es mich              Vatertag. Er spricht mit seinen Kindern       Matura im Lindenhofspital in Bern
      zurück in die Heimat gezogen, Zürich               bulgarisch. Selina ist Creative Director      Krankenschwester. Danach arbeitete sie
      war da ein guter Startpunkt», meint die            und führt eine Strategie- und Design-         während zwölf Jahren als Operations-
      35-Jährige.                                        Agentur in Zürich.                            schwester in verschiedenen Spitälern.
          Bevor die beiden in die Weinle-                     Die junge Familie lebt ohne Auto: ein    Mit 32 Jahren begann sie ihr Medizin-
      se gezogen sind, wohnten sie in Uster              Aspekt, der eben bei der Wohnungssu-          studium. «Ich wurde dann Oberärztin
      in einem 100-jährigen Haus in einer                che auch entscheidend war: schnell am         in einem Spital. Aber ich hatte mehr
      Wohnbaugenossenschaft. Es hat ihnen                Bahnhof, aber auch in der Natur. Eben-        Lust, als Hausärztin zu wirken und mei-
      dort eigentlich sehr gut gefallen. Weil            so ist ihnen ein lebendiges Quartier mit      ne eigenen Patienten zu betreuen. «Ich
      aber Selinas Mutter aus der Ostschweiz             einer guten Infrastruktur sehr wichtig.       schloss mich zwei Hausärzten an und
      wöchentlich die Kinder hütet, sich be-             «Ja, und das haben wir hier in Veltheim       erweiterte so 15 Jahre lang die Gemein-
      ruflich jedoch beide Richtung Zürich               gefunden. Wir sind glücklich, hier leben      schaftspraxis in Herisau AR.» Sie war die
      orientieren, war Winterthur eigentlich             und wohnen zu können.»                        einzige Frau Doktor im Dorf.

      Vater Iassen mit Matej, Mutter Selina mit Alice.                                                 Elisabeth Werder vor einem Bild des Winterthurer Kün
gallispitz 1|21   Thema   13

      Nach ihrer Pensionierung fand Frau        Gerald Vogel,                                          gen, aus Schlüchtern in Hessen. Bis Ende
  Werder ihre erste grosse Liebe – in Win-      Walkestrasse 32                                        2020 hat er in der Bibliothek im Stadt-
  terthur. «1998 zog ich auf den Rosenberg                                                             spital Waid in Zürich gearbeitet. Nun ge-
  an die Seuzacherstrasse.» Mit ihrem           «Ich bin vor wenigen Monaten von Zü-                   niesst er seine Pensionierung und lernt
  Partner bewohnte sie ein grösseres Ein-       rich nach Winterthur gezogen und woh-                  seine neue Stadt kennen.
  familienhaus auf dem Amelenberg. 22           ne jetzt in der Walkestrasse 32 in einer                    Im Sommer 2020 hat er in Winter-
  Jahre lang wohnten die beiden dort – in       kleinen Wohnung im 5. Stock mit schö-                  thur nach einer Wohnung gesucht. Bald
  einer harmonischen und zugewandten            ner Aussicht über Stadt und Hügel. Von                 ist er auf die Überbauung «zur Weinlese»
  Partnerschaft. Elisbeth Werder erinnert       Zürich nach Winterthur: das ist für Zür-               aufmerksam geworden und hat sich für
  sich an diese sehr schönen Jahre: «Mein       cher eigentlich nur schwer vorstellbar,                eine 1½-Zimmer-Wohnung beworben.
  Mann starb im 97. Lebensjahr, nachdem         man wird dafür auch immer etwas be-                    Zuerst war es eine Wohnung im zweiten
  ich ihn die letzten Jahre gepflegt hatte.»    mitleidet. Für mich war es aber ein völ-               Stock, doch dann hat die Dame vom Ver-
      Nach dem Tod ihres Lebenspart-            lig logischer Schritt, wohnt doch meine                mietungsbüro gefragt, auf welcher Eta-
  ners suchte sie sich etwas zum Wohnen         Partnerin in Winterthur und ich benö-                  ge er denn am liebsten wohnen würde.
  in Veltheim. «Ich habe mich in diesem         tigte nach über 30 Jahren in Zürich und                «Tja, schon gerne so hoch wie möglich»,
  Stadtteil wohl und heimisch gefühlt»,         nach meiner Scheidung dringend eine                    meinte Gerald Vogel. Und sein Wunsch
  meint die 85-Jährige. «Es war anfangs         Ortsveränderung.»                                      hat sich erfüllt.
  eine schwierige Zeit.» Doch mit ihrer              Und wie fühlt es sich nun an in der                    Ich staune über die exklusive Samm-
  lebensbejahenden Art fand sie bald eine       kleinen Nachbarstadt, möchte ich gerne                 lung von LPs aus Vinyl in seinem Wohn-
  passende Wohnung. Per Internet ent-           wissen. Gerald Vogel findet es in Winter-              zimmer. «Ja, das sind meine geliebten
  deckte sie die geplante Volg-Überbauung       thur ganz gemütlich und unaufgeregt.                   Jazz-Platten. Im Keller hab ich eine noch
  an der Feldstrasse. «Meine 4½-Zimmer-         «Wenn ich hier am Bahnhof ankomme,                     grössere Anzahl von CDs. Aber die höre
  Wohnung gefällt mir sehr gut. Ich habe        ist weniger Trubel als am HB Zürich.                   ich kaum mehr. Dann streame ich lieber
  ein Gästezimmer und ein Réduit – eine         Und die Stadt ist angenehm überschau-                  Songs auf Qobuz.» Der Musikliebhaber
  Abstellkammer – für meine vielen Sa-          bar.» Jetzt nach den ersten Corona-Lo-                 spielt auch selber ab und zu auf seinem
  chen aus dem Haus.»                           ckerungen geniesst der 65-Jährige wie-                 Digitalpiano. Der junge Pensionär freut
      Und sie hofft, dass die Sache mit Co-     der den Besuch in den Museen.                          sich: «Jetzt hab ich auch wieder mehr
  rona bald vorbei ist. Sie freut sich: «Dann        Gerald Vogel ist in den achtziger Jah-            Zeit dafür.»
  kann ich endlich mal die vielen Leute im      ren nach Zürich gekommen und hat ge-
  Haus besser kennenlernen.»                    heiratet. Er ist aus Deutschland zugezo-

nstlers Henri Schmid.                           Gerald Vogel auf seinem Balkon mit Blick über die Stadt.
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 Fritz Hebeisen AG   Telefon   052 222 25 23   info@hebeisen-maler.ch
 Weinbergstrasse 6   Telefax   052 222 77 50
 8400 Winterthur     Natel     079 286 87 28   www.hebeisen-maler.ch

     Heimlieferung / Heimberatung / Service
gallispitz 1|21   Thema   15

Vom VOLG zur «Weinlese»

Wo Wein und Ideen reiften
Trauben aus 78 Nordostschweizer Gemeinden wurden einst in
Veltheims Kellern gekeltert. Inzwischen wird da «zur Weinlese»
gewohnt – nur mit dem Kulturkaffee hat es nicht geklappt.

dieter langhart

Vor über zehn Jahren hat sich mein Re-             wartenden Mehrverkehrs, sondern auch
daktionskollege Kurt Steiger durch die             der Wunsch nach einem Begegnungs-
Kellereien der Volg führen lassen. Hat             ort. Auf Initiative von Sabine Thommen
vom Abpressen und Vergären erzählt,                und Joëlle Allet setzten sich Einzelper-
wie die Trauben der angeschlossenen                sonen, Firmen und Institutionen zu-
Genossenschaften in die Stahltanks                 sammen, dachten intensiv nach, fassten
oder Eichenfässer und schliesslich in die          den prägenden Rundbau ins Auge, der
Flaschen kommen. Und hat auch auf-                 stehenbleiben sollte, gründeten die «IG
gelistet, in welchen Restaurants unser             Kulturkaffee im Rundbau». Thommen
«Hauswein», der Gallispitz, ausgeschenkt           dokumentierte regelmässig im Gallispitz:
wird. Nicht mehr alle existieren noch.             «Ein gediegener, unaufgeregter, inspi-
    2016 kauften die Helvetia Versi-               rierender, runder Ort der Begegnung im
cherungen das stillgelegte und rund                Quartier, der den Ruhtalplatz belebt und
8000  m 2 grosse Volg-Gelände an der               in Veltheim neue Vernetzung ermög-
Feldstrasse. Sie hatten Grosses vor: die           licht», schrieb sie im März 2018. Nach
Überbauung mit dem netten Namen                    der rappelvollen Informationsveran-         Vier Vältemer mit Vornamen auf W
«zur Weinlese». Angelehnt war er an das            staltung im QZ vom 3. Oktober schaffte
grosse Sgraffito «Weinlese» des Urner              das Crowdfunding die 20 000-Franken-        Walter
Malers Heinrich Danioth von 1943.                  Marke. Weiter ging es «mit aufgeblähtem     Walter Zünd, 72 Jahre,
    Im Januar 2017 verschickten die Bau-           Segel und voller Tatendrang», angedacht     Psychotherapeut a. D., Pensionär
herren eine Medienmitteilung und lu-               wurde auch eine Quartiergenossenschaft.
den zu einer Informationsveranstaltung.            Dann kam das Fallbeil.                      Biografische W-Worte:
Das Vorhaben: mehr als 120 Wohnungen                   Im letzten Newsletter (alle sind noch   Wohlergehen
hochzuziehen, ergänzt durch Gewerbe-               auf der Website) stand: «Es hat sich ge-    Widerstand
flächen und Ateliers, angeordnet in zwei           zeigt, dass die Mietpreise im Rundbau       Würde
länglichen Riegeln, dazwischen Grün-               für die Geschichte, wie wir sie erzäh-      Weltliteratur
flächen, darunter eine Tiefgarage. Weil            len wollten, zu teuer ausfallen. Darum      Wandern
es sich um eine Areal­überbauung han-              lassen wir den Traum vom runden Be-
delte, waren in der Bauzone W4 sechs               gegnungsraum in Veltheim los.» Das
Geschosse erlaubt. Architekt war Beat              gesammelte Geld kam, wie angekün-
Rothen, der Gallispitz berichtete aus-             digt, dem Schwimmbad Wolfensberg als
führlich in der März-Ausgabe 2017.                 Beitrag zur Renovation des Restaurants
                                                   zu Gute. «Am 21. September 2020 wurde
«Ein runder Ort der Begegnung»                     dem Wolfi der gesamte Spendenbetrag
Aus der Bevölkerung kamen nicht nur                von 20 603 Franken überwiesen.»
Bedenken wegen der wenigen geplan-
ten Familienwohnungen und des zu er-                kulturkaffeeimrundbau.ch

                                                                                               Vier Vältemer mit Vornamen auf W

                                                                                               Wanda
                                                                                               Wanda Zoller, 23 Jahre,
                                                                                               Pharmaziestudentin

                                                                                               Biografische W-Worte:
                                                                                               Waldmann
                                                                                               Wirkstoff
                                                                                               Winti
                                                                                               Wasserfall
                                                                                               WG
5. März 2017: Die Vältemer nehmen einen Augenschein. bild dl
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Augenschein: waagrecht
Dorfplatz und Umgebung: 24. Februar 2021, 16.17 – 16.44 Uhr & 26. Februar 2021, 15.39 – 16.20 Uhr

bilder: dieter langhart
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Spielgruppe                                 Den anderen respektieren lernen              Figurentheater Winterthur

Jetzt anmelden                              Buch aus Oberwinterthur                      Fertig Theaterwinter

(gall) In der Spielgruppe lernt das Kind,   (gall) Mitte März erscheint «Ella und        (dl) «Zum Glück machen wir keinen Win-
sich in einer Gruppe von Gleichaltrigen     das Huhn», das neue Kinderbuch des           terschlaf», schrieb uns Mitte Januar Ur-
zu bewegen, seinen Platz zu finden und      Oberwinterthurers Bruno Hächler, im          sula Bienz, die im Tambürlihus wohnt
sich mit anderen Kindern auseinander-       Baeschlin Verlag.                            und das Figurentheater Winterthur lei-
zusetzen. Es bietet sich die Gelegenheit,       Ella wünscht sich ein Haustier zum       tet, «denn sonst hätten wir den Schnee-
in verschiedenen Bereichen kreativ und      Knuddeln. Einen Hund. Einen Hamster.         Winter einfach verpasst und es gib doch
lustvoll tätig zu sein und beim gemein-     Am liebsten eine Katze, die sie den gan-     so viel zum Staunen!» Und ob! Das The-
samen Spielen Freunde zu finden. Oft        zen Tag streicheln kann. An ein Huhn         ater im Waaghaus war bis Ende Februar
wird das Kind zum ersten Mal mit ei-        hat sie nicht unbedingt gedacht. Aber        geschlossen, seit 3. März sind zahlreiche
ner aussenstehenden Bezugsperson            genau so ein Huhn steht plötzlich vor        Vorstellungen geplant – ein randvoll
konfrontiert und kann erste Ablösungs-      ihrer Tür. Dieses Huhn ist etwas Beson-      gepacktes Programm, ein Aufhol- und
schritte wagen.                             deres, das merkt Ella gleich. Neugierig      Nachholprogramm gewissermassen.
     In Veltheim besteht ein Angebot von    folgt es ihr überall hin – nur streicheln         Bei Redaktionsschluss des Gallispitz
verschiedenen Drinnen- oder Draussen-       lässt es sich nicht. Nach und nach be-       stand der Spielplan bis Ende Mai, wer
spielgruppen, in denen die Kinder unter     greift Ella, dass man die Eigenart des an-   aber auf Nummer sicher gehen will,
anderem spielen, werken, singen und         deren respektieren muss.                     schaue auf der Website nach, was wann
Versli hören, sich bewegen, Geschichten         Eine fröhliche, verschmitzte Ge-         gegeben wird: etwa «Till Eulenspiegel»
lauschen, die Natur entdecken oder bas-     schichte über Nähe und Distanz und           für Knirpse oder Ottfried Preusslers
teln können.                                eine aussergewöhnliche Freundschaft.         «Krabat» für alle über 4. Im bunten Pro-
     Die Spielgruppe bietet den Kindern     Mit tollen, pfiffigen Bildern von Katha-     gramm findet jeder etwas, auch Auftrit-
und ihren Eltern neue Kontakte und          rina Madesta. Natürlich gibt es auch         te von Gastspieltruppen.
Anregungen in einer erweiterten Begeg-      einen Song zum Buch: «Mis Huehn» ist
nungs- und Erfahrungswelt.                  erschienen auf der CD «De Has und de         figurentheater-winterthur.ch
                                            Hund».
infos und adressen der
spielgruppen unter
spielgruppen-winterthur.ch

        Lerne lernen.
        Lerne leben.
        Alternative Bildung für Kopf, Herz und Hand

        Kita, Spielgruppe, Primarstufe, PrimarstufePlus,
        Hort, Sekundarstufe & Progymnasium

        Infos auf SalZH.ch
gallispitz 1|21    Kultur & Schule   23

         Bibliothek

         Auf die Plätze, fertig ... lesen
         Wir sind immer noch da! Die Bibliothek ist offen und bietet allen
                                                                                                              Öffnungszeiten
         Besucherinnen und Besuchern ein grosses Sortiment – zum Lesen,
                                                                                                              Dienstag            14 bis 19 Uhr
         Schauen und Hören. Kommen Sie vorbei, wir freuen uns auf Sie                                         Mittwoch            14 bis 18 Uhr
         und auf dich!                                                                                        Donnerstag          14 bis 18 Uhr
                                                                                                              Freitag             14 bis 18 Uhr
         kurt steiger (text & bild)                                                                           Samstag             10 bis 14 Uhr

         Neue Präsentation                                 Lesesommer                                         Rückgabe durch Medieneinwurf ist
         Die Medien in unserer Bibliothek prä-             Sicher ist schon jetzt: Es gibt 2021 ei-           durchgehend möglich.
         sentieren sich in neuer Aufstellung. Wir          nen Lesesommer. Unter dem Motto
         haben die Romane, Krimis und Biografi-            «Auf die Plätze, fertig … lesen» geht es
         en ins Parterre verlegt. Geplant ist eine         mit Schwung durch die warme Jahres-
         bequeme Sitz-Lounge mit Kafi. Doch                zeit. Wie beim Sport ist regelmässiges           das grosse Schlussfest mit Musik und
         damit müssen wir noch ein bisschen                Training auch beim Lesen entscheidend.           Preisverteilung geplant, als fulminanter
         warten, bis die Schutzmassnahmen ge-              Auch im vollsten Ferienterminkalender            Höhepunkt des Lesesommers 2021. Ein
         lockert werden.                                   lassen sich täglich fünfzehn Minuten             der Pandemielage entsprechendes Pro-
             Im 1. Obergeschoss sind nun die               Zeit zum Lesen finden. Der Lesesom-              gramm und Schutzkonzept bildet die
         Sachbücher für Erwachsene und Kin-                mer dauert vom 19. Juni bis am 15. Au-           Grundlage des diesjährigen Lesesom-
         der. Und die Comic-Abteilung haben wir            gust. Jeder «erlesene» Tag darf in einen         mers.
         auch hierher verlegt, auch sie mit einer          Lesepass eingetragen werden. Nicht nur
         kuschligen Sitzecke, die ebenfalls noch           die absoluten Vielleserinnen und -leser          Vorlesetag
         auf ihre Nutzung warten muss.                     bis 15 Jahre werden belohnt, sondern             Falls es die Corona-Schutzmassnahmen
             Insgesamt erhält die Kinder- und Ju-          alle, die das gemeinsame Ziel erreicht           zulassen, wird der Stadtrat am 26. Mai in
         gendabteilung mehr Platz. Für alle aber           haben. Gestartet wird der Lesesommer             den Winterthurer Bibliotheken vor Ort
         wird es gemütlicher mit Kafi-Ecke und             mit dem Eröffnungsfest am Samstag, 19.           vorlesen. Wenn kein physischer Anlass
         mehr Sitzgelegenheiten. Sobald wieder             Juni. Wir hoffen, dass es bis dann wie-          stattfinden kann, gibt es eine Online-
         etwas mehr Ruhe vor dem Virus einkehrt.           der möglich sein wird. Am 18. August ist         Variante.

Belletristik Erwachsene mit Selbstverbucher im Parterre.                     Comic-Ecke für die Kids im Obergeschoss.
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