Zu alt, um neu zu starten, zu jung, um aufzuhören - Swiss Dental Journal SSO
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ZAHNMEDIZIN AKTUELL 989 Der Vizepräsident der SSO, Olivier Marmy, ist Zu alt, um neu zu mit seiner Praxis JO2 médecine dentaire SA starten, zu jung, der Zahnärztekette Adent beigetreten. Im Interview erklärt er seine Beweggründe. um aufzuhören Interview: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ Fotos: Annette Boutellier, Fotografin Olivier Marmy, seit Anfang Oktober ist Ihre In welchem Masse haben Sie künftig noch niemals akzeptiert, weder für mich noch Praxis JO2 Teil von Adent. Wie kam es zu Einfluss auf die Unternehmensführung? für meine Angestellten. diesem Schritt? Meine Praxis wird wie bisher funktionie- Ende 2016 habe ich erfahren, dass das Ge- ren. Ich bleibe der Chef der Praxis, mit Müssen Sie klinische oder produktive Vor- bäude, in dem sich meine Praxis befindet, meinen Werten und Qualitätskriterien. gaben erfüllen? 2022 totalsaniert wird. Alle Mieter müs- Auf der betriebswirtschaftlichen und or- Es ist klar, dass ich meiner Art zu prakti- sen ausziehen. Das war eine sehr schlim- ganisatorischen Ebene hingegen kann ich zieren und meiner Ethik im Umgang mit me Nachricht! Anfang 2017 bot mir der von der Infrastruktur der Gruppe profi- Patienten treu bleibe. Das war nicht ver- Eigentümer der Liegenschaft andere Räu- tieren und Synergien nutzen, etwa bei handelbar. Andernfalls hätte ich das Zu- me an – nicht weit entfernt, sehr zentral, Bestellungen, beim technischen Support, sammengehen mit Adent nicht realisiert. unterhalb des Bahnhofs von Lausanne. bei internen Fortbildungsprogrammen Als SSO-Mitglied halte ich mich wie Aber ein Umzug wäre mit erheblichen und bei der Regelung der Stellvertretung. meine Berufskollegen und -kolleginnen Investitionen für Einrichtung, Umzugs- an unsere Standesordnung und unsere organisation und Neuinstallierung ver- Was ändert sich für Ihre Patienten? Statuten. bunden. Ausserdem hätte ich dort schon Mein Team bleibt bestehen. Meine Art, 2018 einziehen müssen. Ich prüfte wei- wie ich mich um Patienten kümmere, Ist die Situation (Auslastung, Praxisfinan tere Optionen: Teilhaberschaft, gemein- wird sich auch nicht ändern – nur eben zierung, Amortisationskosten, Konkurrenz sam mit den Kollegen aus dem bisherigen ab August 2018 mit einer komplett neuen usw.) in gewissen Regionen so schwierig, Gebäude neue Räume beziehen, Unter- Praxiseinrichtung! dass die sogenannt traditionellen Praxen miete … Alle diese Möglichkeiten haben verschwinden werden? sich nicht konkretisiert. Dann habe ich Müssen Umsatz- und Renditeziele verfolgt Die Einzelpraxis bleibt weiterhin das erfahren, dass die Gruppe Adent plant, werden? Hauptmodell. Zahnärzteketten wie Adent beim Bahnhof Lausanne eine Praxis zu Ich habe mich nicht verpflichtet, finan- sind ein weiteres mögliches Modell. Aber eröffnen. Es gab also offensichtlich ein zielle Ziele zu erreichen. Das hätte ich ich sehe tatsächlich eine zusätzliche wirt- gemeinsames Interesse zu prüfen. Das haben wir getan, und wir sind uns einig geworden. Das war für Sie ein folgenreicher Ent- schluss … Ja, ich wollte vor allem das Weiterbeste- hen meines Unternehmens sichern. Ich praktiziere seit 30 Jahren als Zahnarzt. Seit 27 Jahren habe ich eine eigene Praxis. Vor 14 Jahren konnte ich in eine grössere Praxis ziehen, und vor sechs Jahren grün- dete ich eine AG. Heute bin ich für 15 An- gestellte verantwortlich. Meine Praxis hat eine lange Geschichte und ist ein wichti- ger Teil meines Lebens. Sie einfach aufzu- geben, war für mich keine Option. Ich bin 53 Jahre alt; leider ein schlechtes Alter für eine solche unliebsame Überraschung: Es ist zu spät – vor allem in finanzieller Hin- sicht –, um neu zu starten, und zu früh, um aufzuhören. Dies hat mich veranlasst, alle Möglichkeiten ohne Vorurteile zu Olivier Marmy: «Es ist für die SSO wichtig, dass wir nicht nur zu traditionellen Praxen Verbindungen prüfen. knüpfen, sondern auch zu anderen Unternehmensmodellen.» SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
990 ZAHNMEDIZIN AKTUELL schaftliche Herausforderung. Verglichen Einzelpraxen ausgeübt. Doch die SSO ver- nen gibt es bereits Mitglieder, die als mit unseren Vorgängern sind wir dem schliesst sich der Realität nicht: Wir sehen Zahnärzte bei Ketten angestellt sind – technologischen Wandel viel stärker un- natürlich, dass sich die Welt verändert. und das werte ich positiv. Es sind in ers- terworfen. Kaufte ein Zahnarzt in den Schon seit Jahren suchen wir konstruktive ter Linie die Sektionen, die darüber ent- 1970er-Jahren eine Behandlungseinheit, Antworten auf die Herausforderungen der scheiden, ob sie diese Kollegen aufneh- war diese zwar teurer als heute, sie hielt sich beschleunigenden Entwicklung. Uns men oder nicht. Diesbezüglich gibt es aber 25 bis 30 Jahre. Heutzutage hat man ist nicht entgangen, dass viele junge Kol- grosse Unterschiede zwischen den ein- den Eindruck, man müsse alle drei bis leginnen und Kollegen, die in Zentren ar- zelnen Sektionen, und der SSO als föde- fünf Jahre eine grosse Investition tätigen, beiten, nicht Mitglied der SSO sind. Um ralem Dachverband ist es wichtig, diese um technisch auf der Höhe zu bleiben. genau diese Kolleginnen und Kollegen Autonomie zu respektieren. Die Sektio- verstärkt zu integrieren, hat die SSO ihre nen sind vor Ort und kennen diese Insti- Dann sind die Gründe für die Zunahme von Statuten betreffend Mitgliedschaftskate- tutionen und deren Angestellte. Die Sek- Gruppenpraxen und Zahnzentren also wirt- gorien vor einigen Jahren angepasst. tionen können auch am besten einschät- schaftlicher Natur? zen, ob eine Mitgliedschaft dem Image Ja, aber nicht nur. Junge Zahnärztinnen Im Spätsommer haben Sie den Zentralvor- der SSO schaden würde. und Zahnärzte haben auch andere Erwar- stand der SSO über Ihr Vorhaben informiert. tungen an den Beruf als ältere Kollegen. Wie hat er reagiert? Welches sind die Risiken für die SSO? Die Generation Y hat nicht mehr dasselbe Meine Kollegen im Zentralvorstand rea Das Überangebot in gewissen Regionen Verhältnis zu ihrer Arbeit, und die mit der gierten sehr nüchtern und besonnen. kann zu Überversorgung führen. Aber Selbstständigkeit verbundene Belastung Das hat mich beeindruckt. Sie kamen diese Gefahr besteht unabhängig von der und die Risiken haben offensichtlich nicht zum Schluss, dass sich an meiner Rolle Grösse der Unternehmen. Als spezielles Risiko in grossen Institutionen sehe ich die unterschiedlichen Ausbildungsniveaus der Behandler. Es ist bekannt, dass die «Ziel des Zentralvorstands ist es, dass die SSO als Schweiz zu wenig Zahnärztinnen und Berufs- und Standesorganisation weiterhin die Zahnärzte ausbildet. Zentren und Ketten haben deshalb Mühe, in der Schweiz aus- grosse Mehrheit der in der Schweiz praktizierenden gebildetes Personal zu finden. In der Folge Zahnärztinnen und Zahnärzte repräsentiert.» rekrutieren sie im europäischen Raum. Wir erinnern uns: Es ist nachgewiesen, dass die Ausbildung in den verschiedenen Ländern grosse Unterschiede aufweist. mehr denselben Stellenwert. Ein anderer als Vizepräsident der SSO und als Kollege Und die Ausbildung kann die Behand- Aspekt, der bei dieser Entwicklung mit- nichts ändern wird. Vielmehr sehen sie lungsqualität beeinflussen. Das ist eine spielt, ist die Feminisierung des Berufs. das Ganze als Chance, sich an reale Gege- grosse Herausforderung für jene Zahn Heute ist die grosse Mehrheit der Studien- benheiten anzupassen. Meine Kollegen ärztezentren, denen eine hohe Behand- abgänger in der Zahnmedizin weiblich. vertrauen mir weiterhin. Aber natürlich lungsqualität wichtig ist. Es gilt Lösungen Viele davon wollen nicht alleine arbeiten hat die Delegiertenversammlung bei Wah- zu finden, welche sowohl die Interessen und das Familienleben mit dem Beruf ver- len das letzte Wort; das ist Demokratie. der Patienten als auch den Respekt vor einbaren. Und diesen Wunsch teilen sie unserer Berufsethik wahren. zum Glück immer häufiger mit den Män- Wird Ihr Engagement für die SSO unter der nern … Es ist offensichtlich, dass ein Be- neuen Situation leiden? Welchen Weg soll aus Ihrer Sicht die SSO rufsverband diese Veränderungen nicht Im Gegenteil. Die neue Situation gibt mir betreffend Zentren und Ketten gehen? steuern kann; er kann sie aber als Heraus- mehr Freiheiten, weil ich jetzt nicht mehr Ziel des Zentralvorstands ist es, dass die forderung begreifen und begleiten. im selben Masse wirtschaftliche Verant- SSO als Berufs- und Standesorganisation wortung trage. Auch habe ich meine Ar- weiterhin die grosse Mehrheit der in der Die Konkurrenzierung der sogenannt tradi- beitszeit reduziert, um mehr Zeit für mein Schweiz praktizierenden Zahnärztinnen tionellen SSO-Mitglieder durch Kliniken und Engagement in der SSO zu haben. Man und Zahnärzte repräsentiert. Meines Er- Ketten wurde in der jüngeren Vergangenheit muss wissen, dass die Tätigkeit im Zen- achtens hat die SSO keine andere Wahl, kontrovers diskutiert. tralvorstand zeitintensiv ist und den Pra- als sich noch stärker für alle wirtschaftli- Ja, darüber habe ich natürlich nachge- xisalltag wirtschaftlich und organisato- chen Modelle zu öffnen, welche mit unse- dacht, und es hat mir einige schlaflose risch beeinflusst. ren berufsethischen Regeln und Statuten Nächte bereitet. Ich habe mich gefragt, vereinbar sind. Dabei gilt es zu unter welche Tragweite meine Entscheidung Unterminieren die Zahnärztezentren nicht streichen, dass nicht die Institutionen hat. Handle ich statutenkonform? Halte den Repräsentationsgrad der SSO? SSO-Mitglied sind, sondern die Zahnärz- ich mich an die Standesordnung? Deshalb Es ist für die SSO wichtig, dass wir nicht tinnen und Zahnärzte selbst. Die Heraus- habe ich mein Vorhaben juristisch prüfen nur zu traditionellen Praxen Verbindun- forderung ist, die SSO so flexibel und stark lassen. Es zeigte sich: Rechtlich spricht gen knüpfen, sondern auch zu anderen zu positionieren, dass wir diese neuen nichts dagegen. Aber historisch gesehen Unternehmensmodellen. Denn die neuen Modelle integrieren können, ohne unsere war die SSO natürlich immer ein Verband Modelle existieren ja bereits! In diesem Werte zu verraten oder unserer Standes- für Einzelzahnärzte. Dieser liberale Beruf Bereich bleibt noch einiges zu tun. Dazu ordnung untreu zu werden. Ich bin über- wurde früher nahezu ausschliesslich in kann ich beitragen. In mehreren Sektio- zeugt, dass dies möglich ist. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
992 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Ob medizinische Forschung von der Industrie finanziell unterstützt wird, sollte keine Rolle spielen – solange die Bedürfnisse der Patienten im Vordergrund bleiben. Die Industrie ist ein wichtiger Geldgeber Zwischen gesund der medizinischen Forschung. Doch diese und gewinn Kooperationen stehen seit geraumer Zeit in Verruf. Ist patientenorientierte Forschung orientiert eine Illusion? Text: Gabriela Troxler, Presse- und Informationsdienst SSO Foto: iStock Dieser Artikel erschien erstmals in doc.be 3/2017, dem Magazin der Ärztegesellschaft des Kantons Bern. «Pharma ignoriert Kinder mit Krebs» dass Pharmafirmen zu wenig in seltene Medizinische Forschung am Gängelband titelte unlängst die «Berner Zeitung». Erkrankungen investieren – zu hohe der Industrie Immer öfter prangern Medien die von Kosten, zu kleiner Markt. Emotionale Tatsächlich ist das nur die Spitze des Eis- Pharma- und Bioindustrie geförderte Einzelfälle treffen auf kühle Berechnung, bergs. Die Industrie beeinflusst nicht nur medizinische Forschung an. Von Interes- ethische Verpflichtungen auf gewinn die Forschungsagenda in der Medizin, senkonflikten ist die Rede und davon, orientiertes Denken. weiss Dr. Matthias Egger. Der Professor SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 993 «Tatsache ist: Ohne die Industrie wäre hochstehende medizinische Forschung undenkbar.» ment erst zwei ausländische Studien hän Studien, die zur wirksamen Bekämpfung gig. Patienten werde vorgegaukelt, sie von HIV führten. Erst die Tripletherapie nähmen an einer Studie teil. Sie stiegen HAART, die drei Medikamente wirksam auf ein Medikament um, nur damit sich kombinierte, brachte 1996 den Durch- dieses im Markt etabliert. bruch. Heute unterscheidet sich die Le- Laut Matthias Egger ist auch die Wahl der benserwartung von HIV-Infizierten kaum Studienteilnehmer nicht vor Einflussnah- von der von gesunden Menschen. Ohne me gefeit. Es werden nur die Probanden die gezielte Zusammenarbeit von Indus- ausgewählt, mit denen die Studie wahr- trie und Wissenschaft und eine Vielzahl scheinlich besonders günstig ausfällt. von klinischen Studien wäre dieser Erfolg Nicht zuletzt herrsche eine Verzerrung nicht möglich gewesen. der Studienlage, auch «publication bias» genannt. Das heisst, abweichende Ergeb- Grauzonen umgehen nisse würden gar nicht erst publiziert. Die von der Industrie unterstützte For- schung ist heute stark reglementiert. Es Böse, böse Pharmaindustrie? gibt wenig Raum für Verfehlungen. In- Die Ausführungen werfen kein gutes dustrie und Wissenschaft arbeiten daran, Licht auf die industriegeförderte medizi- das zwielichtige Image ihrer Zusammen- nische Forschung. Dem hält André Da- arbeit abzulegen. Zugleich aber investiert hinden, General Manager von Amgen die Industrie zunehmend in langfristige Schweiz, entgegen, Pharmafirmen gebe Kooperationen, um die Forschung früher es nur, um Patientinnen und Patienten in erfolgsversprechende Bahnen lenken zu helfen. Die Industrie fragt nach dem zu können. «Eine an sich gute Sache», Grund für eine Krankheit. Um effektive meint Matthias Egger, «aber mehr Regu- Therapien ableiten zu können, arbeitet sie lierung wäre wünschenswert.» eng mit der Medizin und den Universitä- Wenn es um Patienten gehe, betont Erika ten zusammen. Aus dieser Optik gestaltet Ziltener, sei die medizinische Indikation sich der Forschungsprozess ein wenig die einzige Legitimation für eine Thera- anders: Er beginnt nicht mit einem Medi- pie. Egger und Ziltener sind sich einig: für Epidemiologie präsidiert den For- kament, sondern endet damit. «Nicht Was Patientinnen und Patienten brau- schungsrat des Schweizerischen Natio- das Medikament begleitet den Patienten, chen, ist mehr Transparenz. Sie müssen nalfonds. Bei Arthrose beispielsweise, sondern der Arzt», stellt André Dahinden gründlich über Risiken und mögliche einer durchaus häufigen und gut er- denn auch klar. Die Industrie gebe den Alternativen aufgeklärt werden, damit forschten Krankheit, beträfen 81 Prozent Ärzten lediglich Hilfsmittel an die Hand. sie selbst eine mündige Entscheidung der Studien die Wirksamkeit von Medika- Der Arzt entscheide gemeinsam mit dem treffen können. Das nimmt nicht mehr menten. Ärzte und Patienten dagegen Patienten, welche Therapie angemessen die Industrie, sondern besonders ihre wünschten sich mehr Daten zum Nutzen sei. Zudem, so Dahinden, böten klinische Ärztinnen und Ärzte in die Pflicht. von Physiotherapie und Chirurgie. Statt- Studien eine Chance für Patienten, die dessen geht weitere Forschungskapazität sonst keinen Ausweg mehr sehen. Und an unzählige Me-too-Studien verloren – auch der Publication Bias sei heute nicht Studien, die Medikamente in der gleichen mehr gegeben. Eine gewisse Selbstregu- Substanzklasse untersuchen. lierung verhindere das, aber auch die Existenz von Social Media. Gegenstimmen werden nicht gehört Richtig unschön wird es, wenn sich Pro- Innovationsland Schweiz – dank der Dieser Artikel entstand im Anschluss an die duktemarketing als Forschung verkleidet. Industrie Veranstaltung «Berner Dialog Medizin und «9 von 10 Patientinnen wollen das Medi- Tatsache ist: Ohne die Industrie wäre Gesellschaft» der Schweizerischen Stiftung kament XY gegen Brustkrebs», zitiert hochstehende medizinische Forschung, für Gefässmedizin vom 2. Mai 2017. Er gibt die Patientenschützerin Erika Ziltener ein wie sie in der Schweiz betrieben wird, Auffassungen der Exponentinnen und Expo- Inserat aus der «Schweizerischen Ärzte- undenkbar. Das sieht auch Matthias nenten wieder, die den Ansichten der SSO zeitung». Dabei seien zu diesem Medika- Egger ein. Er nennt als Beispiel klinische nicht zu entsprechen brauchen. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
994 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Sie sind 7 cm hoch, 18 cm breit und bieten Rote Boxen für Platz für gesunde Knabbereien: die Znüni- gesunde Znüni boxen. Schulzahnpflege-Instruktorinnen im Kanton Solothurn verteilten diesen Herbst wieder rund 2000 Exemplare an Schüler und Kindergärtler. Text: Markus Gubler, Andrea Renggli, Presse- und Informations- dienst SSO; Fotos: Martin Bichsel, Fotograf Heute ist die Schulzahnpflege-Instrukto- sund für Zähne und Körper ist alles, was Bewusstsein für gesunde Zwischen rin Caroline Jaeggi zu Gast im Kindergar- weissen Zucker enthält: Gummibärchen, mahlzeiten ten. Anhand von farbigen Kärtchen und Milchschnitte und Cola. «Davon wird Mit den Znüniboxen wollen die Instruk- einem kleinen Spiel zeigt sie den Kin- man schlapp», sagen die Kinder im Chor. torinnen die Kinder zur regelmässigen dern, welche Znüni gesund sind. Es stellt Isst man hingegen Gesundes zum Znüni, Zahnpflege und zu gesunden Zwischen- sich heraus, dass die Kinder bereits viel bleibt man fit und kann sich gut konzen- mahlzeiten anleiten. Denn sie beobachten über das Thema wissen. Gesunde Znüni trieren. All das haben die Kinder bereits ein sinkendes Bewusstsein für die Mass- sind Äpfel, Gurken, Rüebli, Kiwi, Nüsse, von ihrer Schulzahnpflege-Instruktorin nahmen, die in den letzten 30 Jahren zu oder ein Käsebrot, zählen sie auf. Unge- gelernt. einem Rückgang der Karies bei Schweizer SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 995 Schulkindern beigetragen haben. «Kinder konsumieren in der Schule und im Kin- dergarten wieder vermehrt zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten – häufig ohne es zu wissen», erklärte Caroline Jaeggi bei der Präsentation des Projekts Znünibox in Solothurn. «Viele Nahrungsmittel sind nur vermeintlich gesund. Gerade die be- liebten Smoothies und Quetschies – pü- riertes Obst im Plastikbeutel – enthalten viel Zucker. Und weil sich das Ess- und Trinkverhalten verändert, ist ständige Aufklärung und Prävention wichtig.» Ideen fürs Znüni Am Ende der Lektion schenkt Caroline Jaeggi jedem Kind seine eigene Znünibox, die es mit seinem Namen anschreibt. Sie können darin ihr Znüni transportieren. Für die Eltern hat die Instruktorin einen Flyer in die Box gelegt. Er vermittelt ei- nerseits Informationen und soll anderer- seits Ideen für gesunde Zwischenmahl- zeiten geben und so für Abwechslung sorgen. «Schaut den Flyer mit euren Eltern oder Grosseltern gut an», fordert Caroline Jaeggi die Kinder auf. «Sagt ihnen, welche Znüni auf dem Flyer ihr gerne esst.» Zu viel Fett, zu viel Zucker Heute wird immer weniger Zeit für die Zubereitung und den Genuss von Mahl zeiten aufgewendet. Besonders fertig zu- bereitete Snacks gewinnen an Bedeutung. Damit verbunden ist das Risiko einer ein- seitigen, zu fett- und zuckerreichen Er- nährung. Deshalb macht das Projekt Znü nibox seit 2011 Schulkinder und ihre Eltern auf zahnschonende Zwischenmahlzeiten aufmerksam. Die Instruktorinnen besu- chen die Primarklassen bis zu viermal im Jahr und greifen dabei auch das Thema ge- sunde Ernährung auf. Knapp 14 000 Boxen sind im Kanton Solothurn seit 2011 über- geben worden, weitere Boxen werden im Kanton Bern verteilt. Finanziert wird die Aktion Znünibox von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesell- schaft SSO, dem Amt für soziale Sicher- heit des Kantons Solothurn und der Stif- tung Gesundheitsförderung Schweiz. Die Berner Kantonalbank BEKB produziert die Boxen und stellt sie für die Aktion gratis zur Verfügung. Foto links: Schulzahnpflege-Instruktorin Caroline Jaeggi verteilt rote Znüniboxen an Kindergärtler in Solothurn. Foto rechts: Mit den Znüniboxen wollen die Instruk- torinnen die Kinder zur regelmässigen Zahnpflege und zu gesunden Zwischenmahlzeiten anleiten. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
996 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Irgendwann trifft wohl jeder Mediziner im Klassische Berufsalltag auf ethische Fragen und Pro- P hilosophie bleme. In einem CAS-Lehrgang der Univer- sität Luzern lernen Ärzte die Perspektive als Wegweiser der akademischen Philosophie zu nutzen, um eine Neuorientierung zu schaffen. im Praxisa lltag Text: Andrea Renggli, Redaktorin SDJ; Foto: iStock Moderne Medizin ist hochspezialisiert Medizin als Heilkunst Magdalena Hoffmann. «Vielmehr sind die und durch Technologie geprägt. Jedoch Ein weiteres Thema, das auch Teilnehmer Dozierenden dazu angehalten, Gründe für werden Ärzte auch immer wieder mit selbst immer wieder in den Lehrgang und gegen eine bestimmte Position auf- grundlegenden, existenziellen Fragen eingebracht haben, ist die Entmenschli- zuführen und so Orientierung anzubie- konfrontiert. Sterblichkeit, Schmerz, das chung des Arztberufs. «Wir wollen den ten.» Verhältnis zwischen Arzt und Patient – Mediziner wieder stärker als Arzt anspre- Andererseits gehe es oft auch nur darum, alles Themen, die im Medizinstudium chen, der sich mit dem Menschen be- die Frage richtig zu verstehen und Begrif- kaum oder nur am Rande angesprochen schäftigt. Er soll die Medizin als Heilkunst fe zu klären, fährt Magdalena Hoffman werden. Die Universität Luzern bietet in wahrnehmen dürfen. Viele Ärzte empfin- fort: «Beim Thema Gerechtigkeit zum diesem Spannungsfeld Orientierung mit den die Reduktion der Medizin auf die Beispiel laufen Diskussionen häufig ins dem berufsbegleitenden Zertifikatslehr- blosse Auswertung von Laborparametern Leere, weil die beteiligten Gruppen einen gang CAS Philosophie und Medizin. Zur- als unbefriedigend. Denn sie selbst erle- völlig unterschiedlichen Gerechtigkeits- zeit läuft bereits der sechste Durchgang. ben die Praxis als komplexer. Vor allem, begriff verwenden. Die Philosophie kann Die meisten Teilnehmer sind Ärzte, ver- wenn es um den Anspruch der Medizin dazu beitragen, eine begriffliche Klärung einzelt auch Pflegefachkräfte oder Perso- geht, Leid und Schmerzen zu lindern und vorzunehmen.» Auch ethische Probleme nen aus dem Versicherungswesen. Gesundheit zu fördern. Das sind Konzep- müsse man häufig erst einmal einord- te, die sehr viel mehr umfassen als die nen, bevor man sich eingehend damit Sterblichkeit, Wirtschaftlichkeit, Vertrauen Biologie des Menschen», so Magdalena beschäftigen könne. Oder die Begriffe Dr. Magdalena Hoffmann ist die Studien- Hoffmann. Auch Vorgaben der Bürokrati- Krankheit und Gesundheit: Deren Defi- leiterin des Lehrgangs. «Wir versuchen sierung und der Qualitätsmessung wür- nition hätte beispielsweise Einfluss auf mit diesem Angebot, drängende Fragen zu den als entfremdend wahrgenommen, den Leistungskatalog einer Krankenver- beantworten oder sie zumindest anzudis- weil sie die Ärzte von ihrer Kernaufgabe sicherung. kutieren», erzählt sie. «Dabei bewegen ablenken. Wichtig ist den Verantwortlichen des wir uns im Bereich Medizin und Ethik, Lehrgangs der Praxisbezug. Medizinern aber auch im Spannungsfeld von Medizin Keine klaren Antworten stellen sich im Praxisalltag häufig her- und Ökonomie oder im Gebiet der Medi- Der Lehrgang der Universität Luzern will ausfordernde Fragen zur individuellen zin als Wissenschaft.» Insgesamt umfasst mithilfe der Philosophie drängende Fra- Beziehung zwischen Arzt und Patient. der modulartig aufgebaute Lehrgang zwölf gen aus dem Praxisalltag angehen. Die Je nach Fachgebiet können aber auch Kurstage, verteilt auf ein Jahr. behandelten Texte stammen von klassi- ganz andere Fragen im Vordergrund ste- Drei Themen beschäftigten die Ärzte im schen Philosophen sowie von zeitgenös- hen. Um den Transfer vom Hörsaal in den Kurs am meisten, weiss Hoffmann: «Ers- sischen Autoren. Aber: «Wir vermitteln Alltag zu realisieren, schreiben die Teil- tens die Frage nach der Verletzlichkeit keine klaren Antworten. Wir sagen nicht, nehmer zum Abschluss des Kurses eine und Sterblichkeit des Menschen. Zwei- das ist richtig, und das ist falsch», erklärt Arbeit. Dort sind sie aufgefordert, ihren tens die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, nach der gerechten Verteilung von medi- zinischer Betreuung. Wofür soll die All- gemeinheit aufkommen? Wie viel darf CAS Philosophie und Medizin Medizin überhaupt kosten? Als wie wert- voll erachten wir das Gut der Gesund- Der Lehrgang wird mit einem Certificate of Advances Studies in Philosophie und Medi- heit? Und drittens Fragen zur individuel- zin abgeschlossen. Neben dem CAS bietet die Universität Luzern auch einen MAS Philo- len Arzt-Patienten-Beziehung: Ist der Pa- sophie und Medizin an. Er soll voraussichtlich 2018 wieder angeboten werden; derzeit tient autonom? Wenn ja, bis zu welchem wird der Inhalt und die Struktur überarbeitet. Ziel der Umstrukturierung ist eine grös Grad?» Die individuellen Vorlieben der sere Flexibilität bei der Studienorganisation sowie die inhaltliche Optimierung des Stu- Teilnehmer variieren natürlich je nach dienangebots. Spezialisierung. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 997 ganz konkreten Berufsalltag mithilfe der früher oder später gelangten die meisten rungen, die Allgemeinheit, zum Teil Philosophie zu reflektieren. Ausserdem Ärzte in eine Situation, in der ihr natur- auch Kollegen. Ihre Arbeit ist sicher enthält jedes Modul eine Transferdiskus- wissenschaftlich ausgerichtetes Studium schwieriger geworden. Dazu kommt, sion. sie an Schranken bringe. Sei dies eine dass sie sich immer stärker in ihrer Ex- schwierige Diagnose oder wenn in einem pertise infrage gestellt sehen. Patienten Die Schranken der Naturwissenschaft Fall die Grenzen der Medizin erreicht informieren sich im Internet und kon- Das Bedürfnis nach Beschäftigung mit sind. «Dann merken sie, dass im hekti- frontieren den Arzt mit einer ausführli- solchen grundlegenden Fragen sei unter schen Berufsalltag kaum Zeit für Refle- chen Frageliste oder lassen ihn rechtfer- den Medizinern durchaus vorhanden, xion oder Diskussion bleibt. Viele fühlen tigen, warum er gerade diese Therapie erzählt Magdalena Hoffmann weiter. sich dann mit ihren Fragen allein gelas- wählt.» Die Medizin sei im Umbruch, Auch wenn dies häufig erst einige Jahre sen.» glaubt Magdalena Hoffmann. Umso nach dem Berufseinstieg offenkundig nützlicher kann es für einen Arzt sein, werde. «Jüngere Ärzte sind mit ihrer Ärzte unter Druck durch die Philosophie eine neue, über- Facharztausbildung beschäftigt. Sie Magdalena Hoffmann sagt: «Ich habe geordnete Perspektive einnehmen zu müssen sich etablieren und setzen an den Eindruck, dass viele Ärzte sich unter können. dere Prioritäten. Es bedarf einiger Zeit Druck fühlen, weil immer mehr An- praktischer Tätigkeit, bis diese Fragen spruchsgruppen auf sie einwirken. Nicht als drängend empfunden werden.» Aber nur Patienten, sondern auch Versiche- Weitere Informationen: www.philomedizin.ch Der Eid des Hippokrates – hier der griechische Arzt als Kühlschrankmagnet – ist die wohl bekannteste ethische Verpflichtung für Ärzte. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
998 ZAHNMEDIZIN AKTUELL I N T E R N AT I O N A L E S Der 105. Weltkongress der FDI fand in Madrid Weltkongress statt. Vom 29. August bis zum 1. September 2017 der FDI fanden sich Tausende von Tagungsteilneh- mern in der spanischen Hauptstadt ein. Text und Fotos: Dr. Philippe Rusca, SSO-Abgeordneter in der FDI Bereits am Sonntag, 27. August, kamen die Delegierten aus der ganzen Welt in der IFEMA (Feria de Madrid) für die Generalver- sammlung des Weltparlaments der Zahnärzte zusammen. Zur Erinnerung: Die FDI umfasst über 200 Mitgliedsverbände aus über 130 Ländern. Der abtretende Präsident Patrick Hescot (F) schloss seine Amts- periode mit dem Tätigkeitsbericht ab. Die FDI ist gut aufgestellt, und die Aufwertung der Regionalorganisationen in Afrika, im asiatisch-pazifischen Raum und in Lateinamerika ist auf gutem Weg. Der Welttag der Mundgesundheit ist in der ganzen Welt bekannt, und die zentrale Botschaft «Mundgesundheit = Le- bensqualität» wird überall immer bekannter. Die Finanzen sehen wieder etwas rosiger aus, und die Zeit der budgetären Der Vorstand der ERO Einschränkungen hat einer Politik Platz gemacht, die stärker auf vielversprechende Projekte setzt. Zu den grössten Heraus- forderungen, vor denen die FDI steht, gehört die Überalterung der Bevölkerung und deren Auswirkungen auf die Gesundheit. Leider wachsen die Probleme, die sich aus dieser Entwicklung ergeben, schneller als die Lösungen, die die Akteure des Ge- sundheitswesens anbieten können. Die neue Präsidentin der FDI, Kathryn Kell (USA), ist eine sehr erfahrene Frau, die lange Zeit für die mächtige American Dental Association (ADA) tätig war und die Funktionsweise der FDI bes- tens kennt. Erwähnt sei an dieser Stelle auch noch, dass der bei den Europäern bestens bekannte Gerhard Seeberger (I) glanzvoll zum «President-elect» gewählt wurde. Damit wird der FDI- Vorsitz 2019 wieder in europäischer Hand sein. Die ERO (Europäische Regionalorganisation) nutzte den Um- stand, dass die meisten ihrer Mitglieder anwesend waren, um ebenfalls ihre Vollversammlung durchzuführen. Viele junge Kollegen Ich lade Sie dazu ein, die Website der FDI, www.fdiworlddental. org, zu besuchen, wo Sie weiterführende Informationen zu lau- fenden Projekten und die in Madrid verabschiedeten Grund Hinzu kam, dass die Räumlichkeiten in der riesigen «Feria de satzerklärungen finden sowie weitere für unseren Beruf nütz Madrid» nicht wirklich bequem waren und den Tagungsteil- liche Hinweise. nehmern kaum Komfort boten. Unvollständige Trennwände Der Kongress selbst gehörte nicht unbedingt zur Kategorie führten zu einer Akustik, die angesichts des Umgebungslärms, «unvergesslich». 3723 Personen nahmen teil (darunter den die Messe produzierte, sehr zu wünschen übrig liess. Auch 64 Schweizer), aber praktisch keine Spanier – das war schon die kahlen Betonböden wirkten nicht einladend. Das war umso sehr enttäuschend. Die Vereinigung der spanischen Zahnärzte bedauerlicher für die Redner, die unter schwierigen Bedingun- zählt über 35 000 Mitglieder, und einmal mehr sind die lokalen gen auftreten mussten. Mitglieder der Veranstaltung ferngeblieben. Es war leider nicht Der nächste Kongress der FDI findet vom 5. bis zum 8. Septem- das erste Mal, dass dies passiert, mit entsprechend negativen ber 2018 in Buenos Aires (Argentinien) statt. Hoffen wir, dass finanziellen Folgen für die Veranstalter. Neben den wissen- die Organisatoren dort ein besseres Händchen haben und den schaftlichen Veranstaltungen ermöglichen es diese Anlässe, Details einer derart wichtigen Veranstaltung mehr Aufmerk- Kontakte zu Kollegen aus der ganzen Welt zu knüpfen. samkeit schenken. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 999 KO N G R E S S E / FAC H TAG U N G E N Die Schweizerische Gesellschaft für Minimalinvasive Parodontologie (SSP) veranstaltete ihre Behandlungen in Jahrestagung im Forum Fribourg. Nach dem interessanten Kongress 2016 waren der Parodontologie die Erwartungen hoch. Konnten die Ver- anstalter sie erfüllen? 47. Jahrestagung der SSP Text und Fotos: med. dent. Daniel Nitschke, Bonstetten Der Willen, zwei Kongresstage mit rele- eine Behandlung mit EDTA (24%) und Verwendung der entsprechenden tech vanten und praxisbezogenen Vorträgen mit Chlorhexidin-Gel (1%). nischen Hilfsmittel. Zuhr erklärte, dass zu füllen, war zu erkennen. Doch das Auch die Dimensionen der Transplantate schon die heute verwendeten Instrumen- Feuerwerk des letzten Jahres an ausser sind gleich: eine Höhe von vier Millime- te eigens für die zahnärztliche Mikrochi- gewöhnlich interessanten Vorträgen blieb tern und eine Dicke von bis zu einem rurgie entwickelt werden mussten. Die diesmal aus. Millimeter. Die Grösse des CTG (nicht Herausforderung war die Verbindung von Dazu kam der Veranstaltungsort. Das Fo- die Dicke) habe im Übrigen praktisch Grazilität und Stabilität. So konnten bei- rum Fribourg besitzt in etwa den Charme keine Auswirkung auf die Erfolgsrate. spielsweise Instrumente aus der Neuro- des verlassenen Flughafens aus Steven Diese liege bei 96 Prozent nach einem chirurgie oder Augenchirurgie nicht ver- Kings Horrorfilm «The Langoliers – Ver- Jahr. Es sei jedoch zu beachten, dass die wendet werden, da sie bei Kontakt mit schollen im Zeitloch». Da auch die Lage Dicke von Lappen und Transplantat bei den rigiden Geweben der Mundhöhle nicht ideal ist, ist es nicht ganz nachvoll- der Deckung von Rezessionen am Im- schnell verbogen. Optisch reiche meist ziehbar, weshalb dieses Jahr neben dem plantat mindestens zwei Millimeter be- die Lupenbrille, ein Mikroskop sei nicht SSO-Kongress nun schon die zweite tragen muss, um ein ästhetisch zufrie- grundsätzlich erforderlich. grosse Veranstaltung dort stattfinden denstellendes Ergebnis zu erreichen. Bei Bezüglich der operativen Faktoren legte durfte. Zähnen spielt dieser Faktor eine unter- der Referent den Fokus auf die Blutver- geordnete Rolle. Nach der Entnahme des sorgung im Operationsgebiet und die Mukogingivalchirurgie CTG werden das submukosale Gewebe primäre Wundstabilität. Dies seien zwei Über die Unterschiede bezüglich der Mu- und das Epithel entfernt. Die Naht er- der wenigen Faktoren, die vom Chirur- kogingivalchirurgie an Zähnen und Im- folgt bei der Deckung von Zahnberei- gen überhaupt beeinflusst werden kön- plantaten referierte in der Folge Prof. Dr. chen nur koronal, während am Implan- Giovanni Zuchelli von der Universität Bolo- tat sowohl vertikal als auch horizontal gna. Er erklärte, dass es vom chirurgi- vernäht werde. Danach folge bei Zähnen schen Standpunkt aus nicht besonders eine einfache und bei Implantaten eine viele Unterschiede gebe. Bei Rezessionen doppelte Umschlingungsnaht. Im An- entstehe im sichtbaren Bereich bei Im- schluss an die Behandlung müsse der plantaten jedoch eine schnellere Behand- Patient in ein strenges Recall-Programm lungsindikation aus Gründen der Ästhe- eingebunden werden. Ausserdem sollte tik. die Operation nicht bei Rauchern oder Der Professor formulierte drei Schlüssel- Patienten mit generalisierter Parodonti- faktoren für die Deckung von Rezessio- tis durchgeführt werden. nen an Implantaten. Die Positionierung des CTG (connective tissue graft, Binde- Erfolgsfaktoren in der Mikrochirurgie gewebstransplantat), die Dicke und Für den Privatpraktiker Dr. Otto Zuhr ist Qualität des CTG und die Erhöhung des das Schlüsselthema in der rekonstrukti- Volumens des interproximalen Gewebes. ven Parodontalchirurgie die klinische Das Design des Lappens sei dasselbe – Relevanz. Anders ausgedrückt: Nützt der ein Trapezlappen. Nach der Präparation Eingriff dem Patienten wirklich? Und des Lappens erfolgt bei Zähnen ein SRP können die Zahnärzte mit der Mikrochi- (scaling and root planning) und eine rurgie voraussagbare Ergebnisse errei- zweiminütige Behandlung mit EDTA chen? Für den Referenten liegen die Er- Für Dr. Otto Zuhr ist das Schlüsselthema in der (24%). Bei Implantaten erfolge eine folgsparameter in der Symbiose zwischen rekonstruktiven Parodontalchirurgie die klinische Glättung mit einem Titan-Mikrobrush, den Fähigkeiten des Zahnarztes und der Relevanz. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017P
1000 ZAHNMEDIZIN AKTUELL nen. Die postoperative Blutversorgung könne beispielsweise mit einer kürzeren vertikalen Inzision positiv beeinflusst werden. Die Primärstabilität sei u.a. von der Lappendicke und der Qualität des CTG (beides vom Chirurgen nicht oder kaum beeinflussbar) und der Nahttech- nik bzw. der Wahl des Nahtmaterials ab- hängig. Vordergründig sei auf eine atrau- matische und präzise Arbeitsweise zu achten. Rekonstruktive Parodontalchirurgie – lohnt sich der Aufwand? Prof. Dr. Anton Sculean von der Universität Bern sprach in seinem Referat über die rekonstruktive Parodontalchirurgie und verglich die Langzeiterfolge mit anderen Behandlungen. Das primäre Ziel der Be- Prof. Dr. Anton Sculean verglich die Langzeiterfolge Prof. Dr. Giovanni Salvi erörterte, ob die Ablehnung handlung sei die Reduzierung der Son- der rekonstruktiven Parodontalchirurgie mit an- der minimalinvasiven Periimplantitistherapie noch dierungstiefen (auf weniger als fünf Milli- deren Behandlungen. zeitgemäss ist. meter), so Sculean. Ausserdem sollen Nischen, beispielsweise Furkationen, eliminiert werden. Gerade Furkationen sere. Notabene bei kluger Indikations- tis (!) an der periimplantären Gingiva dia- seien ein Hauptgrund für den späteren stellung und adäquater Durchführung. gnostiziert, sei die Plaquekontrolle mit Zahnverlust, da diese Zähne für den Pa- Darüber hinaus biete die Behandlung mechanischer Reinigung die empfohlene tienten kaum zu reinigen sind. deutliche finanzielle Vorteile von teil Therapie. Ein weiteres Ziel sei eine Situation ohne weise mehr als fünfzig Prozent gegenüber Der Referent zeigte anhand einer Studie Blutung auf Sondieren (BoP). Sculean einer Extraktion mit anschliessender (Costa et al. 2012), dass die mechanische zeigte anhand einer eigenen Studie von Augmentation, Implantation und Supra- Reinigung im Recall die Langzeitprognose 2008, dass die Kombinationstherapie aus konstruktion. von Implantaten mit diagnostizierter Mu- gesteuerter Geweberegeneration (GTR) kositis verbessert. So waren 30,5 Prozent und der Verwendung von Schmelz-Ma- Minimalinvasive Therapie auch bei Peri der Implantate nach fünf Jahren und re- trix-Proteinen oder Knochenersatzmate- implantitis möglich? gelmässiger Reinigung entzündungsfrei. rialien zu besseren Ergebnissen führt als Die minimalinvasive Parodontitistherapie Zu einer Periimplantitis kam es nur in eine Open-Flap-Therapie, also dem ope- gehört zur Standardtherapie der meisten 18 Prozent der Fälle. Fand keine regel- rativen Scaling unter Aufklappung. Das Zahnarztpraxen. Auch weil die Effekti mässige Plaqueentfernung in der Praxis gilt sowohl für Kurzzeit- als auch für vität der Behandlung als gesichert gilt. statt, war kein einziges der Implantate Langzeitergebnisse. Die Studie bezog sich Zahnärzte haben mit SRP ohne adjuvante mit Mukositis nach fünf Jahren entzün- auf intraossäre Defekte. Der Referent er- Antibiotikatherapie gute Erfahrungen dungsfrei. Dafür führte die Mukositis klärte, dass es für diese Art von Defekten gemacht. Bei der Periimplantitis galt die bei 43,9 Prozent der Implantate zu einer eine deutlich bessere Datenlage gebe als gleiche Therapie bisher hingegen als nicht Periimplantitis. Die Ergebnisse waren bei für Furkationen. ausreichend. Prof. Dr. Giovanni Salvi erör- supramukösen Kronenrändern besser. In einer anderen, noch unveröffentlich- terte in seinem Referat, ob die Ablehnung Selbstverständlich bleibe jedoch die täg ten Studie ist erkennbar, dass Kombina- der minimalinvasiven Periimplantitisthe- liche mechanische Plaqueentfernung tionstherapien offenbar auch zu besseren rapie noch zeitgemäss ist. Salvi beschrieb durch den Patienten die Grundlage der Ergebnissen führen als rekonstruktive folgende Erfolgskriterien: Sondierungs- Periimplantitisprophylaxe. Es gebe aller- Einzeltherapien (GTR, Schmelz-Matrix- tiefen unter fünf Millimetern, kein Bluten dings keine Hinweise, dass die Verwen- Proteine, Knochenersatzmaterialien). auf Sondieren und kein weiterer Verlust dung von elektrischen Zahnbürsten zu Zusammenfassend könne man sagen, von Alveolarknochen. Um es nicht zur besseren Ergebnissen führe. Gleiches gel- dass die rekonstruktive Parodontalchi- Periimplantitis kommen zu lassen, sei ein te für die Verwendung von Antiseptika rurgie die Langzeitprognose von paro- regelmässiger Recall und eine frühzeitige durch den Patienten. Auch bestehe keine dontal beeinträchtigten Zähnen verbes- Diagnostik elementar. Wird eine Mukosi- Evidenz für bessere Ergebnisse durch die Verwendung von Antiseptika, lokalen Antibiotika oder Pulverstrahlgeräten in der Praxis (bei Mukositis). Drei neue Vorstandsmitglieder Wird letztlich dennoch eine Periimplan- titis diagnostiziert, führe eine mecha An ihrer Mitgliederversammlung wählte die SSP drei neue Vorstandsmitglieder: Dr. Antje nische Reinigung kaum zu einer Ver Straub, Aarau, Prof. Dr. Clemens Walter, Basel, und PD Dr. Christoph Ramseier, Bern. Sie besserung. Auch die Verwendung von ersetzen Prof. Dr. Anton Sculean, Dr. Kathrin Lampe-Bless und Dr. Frauke Berres. Chlorhexidin habe nur einen minimalen Effekt. Dagegen führe eine zehntägige SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 1001 Wie viele Implantate brauchen wir, und wie lang Prof. Dr. Andrea Mombelli (l.) mit Prof. Dr. Thomas Hart müssen sie sein?, fragte PD. Dr. Philipp Sahrmann. systematische Antibiotikatherapie Ausserdem könne unter Umständen auf Knochen, sondern wohl an periimplan- scheinbar zu geringeren Sondierungs eine Augmentation verzichtet werden. tären Knochenfrakturen. Das könnte an tiefen. Salvi wies allerdings darauf hin, Nachteilig sind dagegen mögliche Frak- der stärkeren Verdichtung des umgeben- dass die zugrundeliegende Studie für die turen (von Implantat oder Gerüst) und den Knochens liegen, was sich besonders Antibiotikatherapie sehr klein sei und Lockerungen aufgrund der stärkeren bei kürzeren Implantaten als Problem er- ohne Kontrollgruppe durchgeführt wur- Belastung. weise. de. Lokale Antibiotika würden ebenfalls Eine kontrovers diskutierte Behand- zu einer Reduktion von Sondierungs lungsoption, die mit der Anzahl an Im- Weiter sprachen am SSP-Kongress 2017: tiefen und BoP führen, genauso wie die plantaten in Zusammenhang stehen Prof. Dr. Thomas Hart referierte über gene- Therapie mit einem photodynamischen kann, ist der distale Cantilever. Dabei tische Testmöglichkeiten und deren Ein- Laser. Bei fortgeschrittenen Fällen sei wird in Studien besonders die Gefahr von teilung in gute und überflüssige Tests. Er jedoch eine chirurgische Therapie not- Alveolarknochenverlust erwähnt. Grund- erklärte, dass es mehr als 8000 geneti- wendig. Ausserdem müsse zum Teil aus sätzlich handle es sich aber um eine gut sche Störungen gebe, von denen 30 bis prothetischen Gründen über eine Ex- funktionierende Option ohne grössere 40 Prozent Auswirkungen auf die Zähne plantation nachgedacht werden. Probleme, wobei die Studienlage über hätten. mehr als fünf Jahre dürftig sei. Dies gelte Dr. Norbert Cionca erklärte, dass es eine Notwendige Anzahl und Länge von Implan- sowohl für die Option ein Implantat und 0,6-prozentige Prävalenz für Titanaller- taten ein Cantilever als auch für grössere Ver- gien gebe. Ausserdem könne eine lang- Wie viele Implantate brauchen wir, und sorgungen. Bei der 1+1-Lösung zeige sich fristige Bakterienkontamination auf der wie lang müssen sie sein? Dies war das aber nur eine sehr geringe negative Ab- Implantatoberfläche zu Korrosion führen. Thema von PD Dr. Philipp Sahrmann, der weichung von der Erfolgsrate einer Lö- Darüber hinaus könne sich die Oberfläche erklärte, dass ihn die Diskussion an An- sung mit zwei Implantaten. der Implantate bei der Insertion verän- te’s Law von 1926 erinnert. Wie viele Bei geringem Knochenangebot, gerade dern – unter Umständen mit Auswirkun- Pfeiler und wieviel Wurzeloberfläche im Bereich des Sinus maxillaris, des gen auf die Biokompatibilität. wird für den Ersatz eines bestimmten N. alveolaris inferior oder des N. mentalis, Prof. Dr. Francesco D’Aiuto sprach über den Zahnes benötigt? Heute wisse man, dass können kurze Implantate (d.h. ≤8 mm) Zusammenhang zwischen systemischen Antes Gesetzmässigkeiten für Zähne kei- eine Lösung sein. Diese seien billiger bei Entzündungen und der Parodontalthera- ne Relevanz haben. Auch bei Implanta- einfacherer Insertion. Nachteile bestehen pie. So könne eine länger persistierende ten sei keine allgemeingültige Aussage in der geringeren Osteointegrationsflä- Parodontitis ein Risiko für chronische möglich. So sei die Maximalanzahl an che und der damit verbundenen hohen Erkrankungen bergen. Das Management Implantaten meist durch Anatomie, Ratio von der Krone zum Implantat. Laut einer Parodontitis könnte Teil der medizi- Platz- und Knochenangebot vorgegeben Sahrmann ist die Erfolgsrate recht gut. nischen Behandlung von Patienten mit (und nicht zuletzt durch das Budget des Etwas problematischer sei die Anwen- systemischen entzündlichen Erkrankun- Patienten). Auch für die minimale An- dung unter Prothesen. Einige neue Stu- gen werden. zahl könne vorerst kein Limit genannt dien zeigten jedoch einen signifikant Ausserdem referierten: Prof. Dr. Morgan werden. Vor- und Nachteile müssten höheren Implantatverlust bei kurzen Kilian, Prof. Dr. Flavia Teles, Prof. Dr. Bjarni individuell miteinander abgewogen Implantaten – bei einer Funktionsdauer Pjetursson, Prof. Dr. Clemens Walter, Dr. Pat- werden. So führe eine geringere Anzahl von mehr als fünf Jahren. Der Grund rick Gugerli, Dagmar Else Slot und PD Dr. zu niedrigeren Kosten für den Patienten. liege nicht im Verlust von marginalem Christoph Ramseier. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
1002 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Einen besonderen Stellenwert hat die Kinderonkologie Mund- und Zahnpflege während einer und Kinderzahn onkologischen Erkrankung. Der Privat praktiker muss in der interdisziplinären medizin Zusammenarbeit geschult werden und die für die Praxis relevanten Strategien und Empfehlungen kennen. Text: Dr. Fabio Saccardin, Universitäres Zentrum für Zahnmedizin Basel (UZB); Fotos: Dr. Fabio Saccardin (UZB) und Franziska Fischler Update on Oral Health Management Universitäts-Kinderspital beider Basel Unter dem Titel «Update on Oral Health ist es zum dritten Mal gelungen, den Saal Mund- und Kieferheilkunde, UZB, sprach Management» wurde den Pädiatern, vollständig zu füllen. Mit Fachvorträgen in seinem Referat über die Relevanz der Zahnärzten, Prophylaxeassistentinnen wurde aktuelles Forschungswissen ver- Zungenreinigung. Onkologische Behand- und dem Pflegefachpersonal aus Kinder- mittelt. In den Workshops «Zahnmedi- lungen führen häufig zu Zungenbrennen, krankenhäusern mit onkologischer Sta- zin» und «Zahnpflege» wurde die pra Geschmacksstörungen und zum An- tion eine ideale Plattform geboten, um xisorientierte Schulung fortgesetzt. Für schwellen der Zunge. Dies kann die Le- sich über die verschiedenen Aspekte der weitere Fragen traf man sich zur ab- bensqualität betroffener Patienten deut- oralen Gesundheit aus wissenschaftlicher schliessenden Plenumsdiskussion und lich beeinträchtigen. Im Mund befinden Sicht zu informieren und Erfahrungen hatte beim Apéro Gelegenheit zum Ge- sich – durch klinische Untersuchungen aus dem Klinikalltag auszutauschen. Die dankenaustausch. nachgewiesen – 60 Prozent der Mikro Veranstalterinnen Dr. med. Tamara Diesch, organismen auf der Zungenoberfläche. Spezialärztin Onkologie/Hämatologie, Besonderheiten der Zungenreinigung bei Die tägliche Zungenreinigung mit Kinder- Universitätskinderspital beider Basel onkologischen Patienten zahnbürsten (niedrigem Bürstenkopf) und (UKBB), und Dr. med. dent. Cornelia Filippi, Prof. Dr. med. dent. Andreas Filippi, Klinik Zungenpaste können das Ausmass einer Kinderzahnärztin UZB-Schulzahnklinik, für Zahnärztliche Chirurgie, -Radiologie, Mukositis, Gingivitis, Pilzinfektion sowie Eröffnung des Symposiums durch Marco Fischer, Einleitende Worte von Andreas Stutz, CEO des UZB Prof. Dr. med. dent. Andreas Filippi wies auf die CEO des UKBB Bedeutung und Notwendigkeit der Zungenreini- gung hin. SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
ZAHNMEDIZIN AKTUELL 1003 Insgesamt nahmen rund 100 Besucher aus verschiedenen Fachdisziplinen teil. Das gut besuchte Symposium deutete auf einen offensichtlichen Austausch- bedarf seitens der pädiatrischen Ärzte, Zahnärzte sowie des Pflegefachpersonals bezüglich oraler Gesundheit hin. die Entstehung von Karies reduzieren. Die entstandene Haarzunge wird durch das ziiert werden können. Cvikl wies darauf Grund hierfür ist die Reduktion von Kei- vorsichtige Abtragen mit der Zahnbürste hin, dass es sich um eine In-vitro-Studie men. Bei parenteraler Ernährung wachsen reduziert. Zungenschaber sollten hinge- handelt und somit keine direkten Rück- die Zungenpapillen häufig ungebremst. gen während onkologischer Behandlung schlüsse auf die Wirkung im Mund ge wegen der Verletzungsgefahr und damit verbundenen Eintrittspforten vermieden werden. Wichtig sei, so sein Fazit, die Zungenreinigung zum festen Bestandteil der täglichen Mundpflege auch bei onko- logisch erkrankten Patienten zu machen. Wirkung von Zahnpastabestandteilen auf Zellen der Mundschleimhaut Prof. Dr. med. dent. Barbara Cvikl, Abteilung für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universität Wien, und Klinik für Zahn- erhaltung, Präventiv- und Kinderzahn- medizin, ZMK Bern, zeigte die Wirkung von Zahnpastabestandteilen auf die Mundschleimhaut. Zahnpasten enthalten als Hauptkomponenten Tenside, Schleif- mittel und Fluorid. Die vorgestellte Studie untersuchte die In-vitro-Zytotoxizität von neun handelsüblichen Zahnpasten mit vier verschiedenen Detergenzien. Es konnte gezeigt werden, dass Natriumlau- rylsulfat (SLS) und Aminfluorid die Zell- lebensfähigkeit von Fibroblasten signifi- kant hemmen. Diese Ergebnisse geben einen Hinweis darauf, dass die Art der Prof. Dr. med. dent. Barbara Cvikl referierte über Lynn Leppla stellte ein erfolgreiches Mundpflege- die Wirkung von Zahnpasten auf die Mund- Tenside in den Zahnpasten mit Verände- protokoll vor. schleimhaut. rungen der In-vitro-Zytotoxizität asso- SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
1004 ZAHNMEDIZIN AKTUELL Welche Produkte soll man bei der professionellen Zahnreinigung verwenden? Sarah Zimmermann steht Rede und Antwort. zogen werden dürfen. Weitere klinische tokoll etabliert und validiert. Dieses bein- setzte und die Anzahl der schwer ver Untersuchungen sind nötig, da im Mund haltet die systematische Erhebung des laufenden Mukositiden abnahm. Somit noch andere Einflüsse (z.B. Speichel) eine Mundstatus, Schulung der Bass-Zahn- konnte gezeigt werden, dass ein syste- möglicherweise schützende Wirkung auf putztechnik, Zungenreinigung, die An- matisches Zahn- und Mundpflegeproto- die Fibroblasten ausüben und eine toxi wendung von Zahn- und Mundpflege- koll bei onkologisch erkrankten Patienten sche Wirkung gegebenenfalls ausglei- produkten und die Anweisung, wie diese für den Heilungsverlauf von Bedeutung chen. Bei der Auswahl einer Zahnpaste verwendet werden sollen. Nach dem ist und dies die Dauer der Therapie ver- zur Anwendung während onkologischer Schulungsprogramm wurde mit verhal- kürzen kann. Therapie empfiehlt sie, während dieser tensändernden Techniken von Michie et. Zeit tensidfreie und aminfluoridfreie al. gearbeitet. Im Konkreten erhielten alle Praktische Anwendung und interdisziplinäre Zahnpasten zu wählen. Patienten zwei Schulungen. Sie lernten, Zusammenarbeit eine orale Mukositis zu beurteilen, wie sie Wie in Basel ein Mundpflegeprotokoll bei Mundpflegeprotokolle entwickeln und entsteht, welche Konsequenzen sie haben Kindern umgesetzt wird, zeigten Sibylle überprüfen kann und allgemeine präventive Mass- Chettata, Pflegeexpertin MScN, und Edith Um die Vermeidung von Mukositis bei nahmen. Darauf aufbauend lernten sie, Corneo, Pflegefachfrau HF am Universi- Erwachsenen ging es im Beitrag von Lynn selbstständig ihren Mundstatus zu erhe- tätskinderspital beider Basel. So ging be- Leppla, Pflegeexpertin für Hämatologie/ ben und das Mundpflegeprotokoll an den reits der Vortrag «Hand in Hand» mit Onkologie und Stammzelltransplanta- erhobenen Mundstatus anzupassen. Alle einer Zusammenarbeit der UZB-Schul- tion, Universitätsklinikum Freiburg im Patienten der Interventionsgruppe er- zahnklinik, die von Sarah Zimmermann, Breisgau. Trotz intensiver Forschung sind hielten ein Necessaire mit den für ihren Prophylaxeassistentin UZB, vorgestellt bisher nur wenige präventive Massnah- Aufenthalt benötigten Materialien. Dazu wurde. Ab dem Zeitpunkt der Erkran- men bekannt, die den Patienten wirklich ein laminiertes Heftchen, das die Ein- kung folgt die Betreuung dem Verlauf helfen. Je nach onkologischem Behand- schätzungsskala und das Protokoll ent einer Einteilung nach Intensivphase, Er- lungsprotokoll leiden 40 bis 99 Prozent hielt, und Informationen zur Benutzung. haltungsphase und Nachsorge. Mit dem der behandelten Patienten an Mukositis. Nach einer Übungsphase wurden Remin- Eintritt ins Spital werden Eltern und Kin- Die klinischen Folgen sind verminderte der etabliert. der durch die Pflegemitarbeiterinnen des Lebensqualität, Therapieverzögerung, Das Ergebnis der durchgeführten Studie UKBB in der Zahnpflege geschult. Pro Dosisreduktionen, Hospitalisation und war, dass bei jenen Patienten, die das fessionelle Zahnreinigung und zahnärztli- bei schwerem Verlauf eine erhöhte Mor- standardisierte Mundpflegeprogramm che Kontrollen führen die Zahnärzte der talitätsrate. Aus diesem Grund wurde in mit zusätzlicher Selbstbeobachtung Schulzahnklinik durch. Dies muss koor- Freiburg im Breisgau ein Mundpflegepro- durchführten, eine Mukositis später ein- diniert werden. Die zahnärztlichen Be- SWISS DENTAL JOURNAL SSO VOL 127 11 2017 P
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