116 Grüne Bildungswerkstatt Wien

Die Seite wird erstellt Nikolas-Stefan Hermann
 
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116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
116
                     EUR 5,50
                     ISSN: 2306-9287

                                   2020Herbst

  Klimaschutz
mit allen
        für   alle
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
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                                                                                                                                                                                                                                                         Inhalt

                                                                                          ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
                                                                                                                                                     116                                                    04    Aushang
                                                                                                                                                                                                                  Kurzmeldungen

                                                                                                                                                                                                            05    Editorial

                                                                                                                                                                                                                  Gamze Ongan

                                                                                                                                                                                                            06    Stimmlage | Auf der Flucht

                                                                                                                                                                                                                  Hakan Gürses

                                                                                                                                                                                                          08–10    Globale Klimaerwärmung, Kapitalismus und
                                                                                                                                                                                                                  „imperiale Lebensweise“
                                                                                                                                                                                                                  Andreas Weber

                                                                                                                                                                                                          11–12   Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns
                                                                                                                                                                                                                  die Zukunft klaut! | Die Klimabewegung
                                                                                                                                                                                                                  Ruth Simsa

                                                                                                                      Covers: Fatih Aydoğdu | Collagen unter Nutzung von CC-lizensierten (histori-
                                                                                                                                                                                                          13–15   Die erste feministische Klimakonferenz
                                                                                                                      schen) Bildern aus Archiven von „Fondo Antiguo de la Biblioteca de la Universidad
                                                                                                                      de Sevilla“ und „Biodiversity Heritage Library“.                                            Eva Lachkovics

                                                                                                                       Impressum                                                                          16–17   Rassismus klimafreundlich verpackt
                                                                                                                                                                                                                  Die extreme Rechte und die ökologische Frage
                                                                                                                                                                                                                  Alexander Winkler
                                                                                                                      STIMME ist das vierteljährliche Vereinsblatt der Initiative
                                                                                                                      Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusammenlebens
                                                                                                                      von Minderheiten und Mehrheiten).                                                   18–19   Mobilität im Kontext des Klimawandels
                                                                                                                                                                                                                  und der „Protection Gap“
                                                                                                                      Medieninhaberin, Verlegerin, Herausgeberin und Redaktion:
                                                                                                                                                                                                                  Margit Ammer und Monika Mayrhofer
                                                                                                                      Initiative Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusam-
                                                                                                                      menlebens von Minderheiten und Mehrheiten | ZVR-Zahl:
                                                                                                                                                                                                          20–21   Ein Dreamteam!?
Sie haben                                                                                                             393928681) | Gumpendorfer Straße 15/13, 1060 Wien | Tel.:
                                                                                                                      +43 1 966 90 01 | office@initiative.minderheiten.at |
                                                                                                                                                                                                                  Umweltbewusstsein, Islam und Jugend
                                                                                                                                                                                                                  Elma Salo
Fragen an das
                                                                                                                      stimme@initiative.minderheiten.at
                                                                                                                      Chefredakteurin: Gamze Ongan
                                                                                                                      Redaktionelle Mitarbeit: Vida Bakondy, Beate Eder-Jordan,                           22–24   Klimaschutz mit allen
Bundeskanzleramt?                                                                                                     mh, Jessica Beer, Raffaela Gmeiner, Cornelia Kogoj, Sabine
                                                                                                                      Schwaighofer, Jana Sommeregger, Gerd Valchars, Vladimir
                                                                                                                                                                                                                  Umweltprojekte für und mit Migrant*innen
                                                                                                                                                                                                                  Sigrid Awart
                                                                                                                      Wakounig
                                                                                                                      Kolumnen: Hakan Gürses, Erwin Riess, Duygu Özkan                                    25–27   Wirtschaftliche Diskriminierung der Pflanzenkost

   service@bka.gv.at                                                                                                  Grafisches Konzept, Artdirektion & Illustrationen: fazzDesign
                                                                                                                      (Fatih Aydoğdu) | fazz@fazz3.net
                                                                                                                                                                                                                  Valentina Kropfreiter und Felix Hnat
                                                                                                                      Lektorat: Daniel Müller
                                                                                                                      Herstellung (Repro & Druck): Donau Forum Druck Ges.m.b.H.,                          28–29   Die Figur des „weißen Juden“ in antirassistischen
   0800 222 666                                                                                                       Walter-Jurmann-Gasse 9, 1230 Wien |                                                         Kontexten | Eine Spurensuche
                                                                                                                                                                                                                  Leah Carola Czollek und Gudrun Perko
                                                                                                                                 office@dfd.co.at
   Mo bis Fr: 8 –16 Uhr                                                                                                          Lizenznehmer Österreichisches Umweltzeichen.
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                                                                                                                                                                                                                  Zum Tod von Eduard Riha
                                                                                                                                 Verlagspostamt: 1060 Wien
                                                                                                                      Anzeigen: Ebru Uzun | office@initiative.minderheiten.at                                     Erwin Riess

   +43 1 531 15 -204274                                                                                               Aboservice: Ebru Uzun | abo@initiative.minderheiten.at
                                                                                                                      Jahresabo: EUR 20,- Inland, EUR 30,- Ausland                                           31   Lektüre
                                                                                                                      (für Vereinsmitglieder kostenlos), Einzelpreis: EUR 5,50                                    Rezensionen
                                                                                                                      Web: www.initiative.minderheiten.at
   Bundeskanzleramt                                                                                                   www.zeitschrift-stimme.at

   Ballhausplatz 1
                                                                                                                       www.facebook.com/zeitschriftstimme                                                 32–33   Kennengelernt | Hildegard Breiner
                                                                                                                      Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht unbedingt die
   1010 Wien                                                                                                          Meinung der Redaktion wiedergeben.                                                          Duygu Özkan

                                                                                                                      Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: STIMME − Zeitschrift der Initiative Minderheiten ist das vierteljährliche Vereinsblatt der Initiative
                                                                                                                      Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten) mit der grundlegenden Richtung gemäß §2
                                                                                                                      und §3 der Vereinsstatuten, die Kommunikation und das Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheiten durch die Selbstdarstellung von
                               Das Bürgerinnen- und Bürgerservice des Bundeskanzleramts                               Minderheiten und ihren Organisationen, durch Interviews, Erfahrungsberichte, wissenschaftliche Beiträge, Buch-, Periodika- und Tonträger-
                               freut sich auf Ihre Fragen und Anliegen!                                               besprechungen, aktuelle Nachrichten und Veranstaltungshinweise bzw. -berichte auf medialer Ebene zu fördern. Die Initiative Minderheiten
                                                                                                                      (Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten) ist Medieninhaberin und Herausgeberin der Zeitschrift. Die
                               bundeskanzleramt.gv.at                                                                 Finanzierung der Zeitschrift erfolgt durch öffentliche Subventionen, Mitgliedsbeiträge, Abonnements und freiwillige Spenden. Die Adresse
                                                                                                                      der Medieninhaberin und der Herausgeberin ist im Impressum angeführt.
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Aushang                                                                                                                                                                                                                                                                                          Editorial

Spendenaufruf für
„Unverschämte Geschichten“
                                                                                          Dringender Aufruf zur Evakuierung
                                                                                           der griechischen Flüchtlingslager                                                                       D   ie derzeitigen durch die Covid-19-Pandemie
                                                                                                                                                                                                       bedingten Beschränkungen sollen zwar zum
                                                                                                                                                                                                       starken Rückgang der weltweiten Kohlendioxid-
Ein Buch mit Texten von Michael Oertl
und Bildern von Reinhard Walcher                                                          D     er an die Präsident*innen der Europäischen Kommission, des Europäischen
                                                                                                Parlaments und des Europäischen Rats gerichtete Aufruf entstand in Zu-
                                                                                          sammenarbeit von asylkoordination, Diakonie, fairness-asyl und Volkshilfe und
                                                                                                                                                                                                       emissionen geführt haben. An der Nachhal-
                                                                                                                                                                                                       tigkeit dieser Tendenz lässt sich allerdings
                                                                                          kann von Organisationen sowie Personen des öffentlichen Lebens unterstützt                                   zweifeln, ist sie doch Folge wirtschaftlicher
U    nverschämte Geschichten und
     verschämte Bilder heißt das
Buchprojekt von Michael Oertl, Ideen-
                                                                                          werden. Wir drucken den Originaltext ab.                                                                     Einschränkungen und nicht politischer Ent-
                                                                                                                                                                                                       scheidungen. Oder mit den Worten des Vor-
                                                                                             We urge the immediate evacuation           We demand that access to the univer-
geber und Mitbegründer der Initiative                                                     of the refugee camps and hotspots on       sal human right to seek and be granted                            sitzenden des deutschen Klima-Konsortiums
Minderheiten, mit dem Maler und Car-                                                      the Greek islands to avert a catastrophe   asylum, as guaranteed by the European                             Mojib Latif: „Wenn wir nächstes Jahr weniger          Das Thema Ökologie nimmt auch in rechten Ideologien ei-
toonisten Reinhard Walcher, Oertls                                                        amidst the coronavirus pandemic.           Charter of Fundamental Rights, should
                                                                                                                                                                                                       Staatsschulden aufnehmen als dieses Jahr,           nen prominenten Platz ein. Der Rechtsextremismusforscher
                                        Das Teufelchen unter Teufeln | Reinhard Walcher

Freund aus studentischen Tagen.                                                              More than 42,000 people are trapped     immediately be restored and upheld.
   Das Buch wird im EYE-Verlag des                                                        on the islands in hopelessly overcrow-     This includes accepting asylum applica-                           heißt das ja nicht, dass der Schuldenberg sinkt,    Alexander Winkler schreibt über das biologistische Weltbild,
Landecker Künstlers und Germa-                                                            ded camps and in horrific conditions.      tions and considering them in fair asylum                         sondern er steigt weiterhin.“ Zur konsequen-        den Wunsch nach einer „Ökodiktatur“ und den klimafreund-
nistikprofessors Gerald Kurdoğlu                                                          Recommended measures like social           procedures, not punishing people who                              ten Bekämpfung des Klimawandels braucht             lich verpackten Rassismus der Rechten.

                                                                                                                                                                                 alle
Nitsche verlegt.                                                                          distancing or frequent hand washing        cross borders in order to make an asy-
   Gerne unterstützen wir dieses                                                                                                                                                                       es keine Stilllegung der Wirtschaft, sondern          Durch extreme Wetterereignisse werden wesentlich mehr
                                                                                          are simply impossible. There is no hope    lum application, and fully respecting the
Vorhaben durch die Weiterleitung des                                                      of containing any outbreak within the      principle of non-refoulement, which is                            ihren Umbau und noch viel mehr.                     Menschen vertrieben als durch kriegerische Konflikte.
Spendenaufrufs.                                                                           camps. It would endanger the elderly and   currently being circumvented by illegal                             Der Klimawandel ist im Gegensatz zur              Monika Mayrhofer und Margit Ammer vom Ludwig-
   Wenn Ihre Spende den Betrag von                                                        those with underlying health conditions,   pushbacks.                                                        akuten Gefahr durch das Coronavirus, eine           Boltzmann-Institut für Menschenrechte geben uns einen
30 Euro erreicht, bekommen Sie als                                                        both refugees and the local population.       We, the undersigned civil society or-
Dank ein persönlich signiertes Ex-                                                                                                                                                                     Bedrohung auf lange Sicht. Er ist nicht nur         Einblick in die (inter)nationale Mobilität im Rahmen des Kli-
                                                                                             Time is of the essence. We urge emer-   ganisations are confident, given our long
emplar des Buches zugeschickt und                                                         gency action to guarantee the health and   experience in caring for and advising                             ein Umwelt-, sondern auch ein massives              mawandels und den rechtlichen Status der Betroffenen.
Ihr Name erscheint auf der Liste von                                                      safety of the asylum seekers, the local    refugees, that it is well within the EU’s                         Gerechtigkeitsproblem. Die Erderhitzung führt         Das Migrantinnenzentrum Peregrina setzt seit 2012 Projekte
Unterstützer*innen, die im Buch ab-                                                       population and the humanitarian aid        capacity to cope with the current crisis                          unter anderem zu mehr Armut, zu mehr Flucht         zum Empowerment von Migrantinnen zu nachhaltigem Leben

                                                                                                                                                                                  für
gedruckt wird.                        gerne die Kontodaten weiter.                        workers on the islands. The European       on its external borders. We stand in so-
                                                                                                                                                                                                       und bewirkt die Zunahme nationalistischer           um. Wir haben die Projektleiterin Sigrid Awart um einen
                                                                                          Commission, the European Council and       lidarity with the refugees and offer our
  Bei Interesse an einer Unterstüt- E-Mail an:                                            the European Parliament must make          help to avoid this looming humanitarian                           Tendenzen.                                          Best-Practice-Bericht gebeten.
zung gibt die Initiative Minderheiten office@initiative.minderheiten.at                   every effort to urge member states to      catastrophe.                                                                                                            Umweltbewusstsein und Islam: eine Selbstverständlichkeit
                                                                                          fulfil their responsibilities and accept                                                                        Für das Schwerpunktheft zu Klimawandel          – auch für muslimische Jugendliche –, erzählt die Klimaakti-
                                                                                          asylum seekers from Greece.                www.urgentletter.at

                                                                                                                                                                                 allen
                                                                                                                                                                                                        und Ökologie haben wir unsere Autor*innen          vistin Elma Salo.
Traditionen und überliefertes                                                                                                                                                                           gebeten, das Thema in Verbindung zu und              Und nicht zuletzt legen Valentina Kropfreiter und Felix
                                                                                                                                                                                                        aus der Perspektive von minorisierten gesell-      Hnat von der Veganen Gesellschaft dar, wie Steuer- und Sub-
Wissen von Minderheiten                                                                                                                                                                                 schaftlichen Gruppen zu beleuchten.                ventionspolitik Tierprodukte begünstigen, während pflanzli-
                                                                                                                                                                                                          Am Beginn der Themenstrecke steht ein Bei-       che Kost wirtschaftlich massiv benachteiligt wird.
D   as Nationale Verzeichnis für
    Immaterielles Kulturerbe folgt
dem Leitsatz der Diversität und soll
                                          Die Eintragung ist mit keiner direk-
                                        ten Geldvergabe verbunden, sondern
                                        soll die Präsenz von Minderheiten im
                                                                                                                                                                                                        trag des Soziologen Andreas Weber, in dem
                                                                                                                                                                                                        er die Notwendigkeit eines Übergangs von der       Diese Ausgabe entstand in redaktioneller Mitarbeit der
der Sichtbarmachung von kulturellen Nationalen Verzeichnis stärken und zur                                                                                                                             „imperialen“ zu einer ökologisch nachhaltigen      Grünen Bildungswerkstatt Wien (GBW). An dieser Stelle
Praktiken dienen. Um diese Grund- Sichtbarmachung und Bewusstseins-                                                                                                                                     Lebensweise unterstreicht.                        einen besonderen Dank an Cosma Stöger für die kompetente
züge sicherzustellen, möchte die Ös- schaffung der kulturellen Praktiken                                                                                                                                  Die Sozialwissenschaftlerin Ruth Simsa be-      Unterstützung in der inhaltlichen Konzeption.
terreichische UNESCO-Kommission und des Wissens aller in Österreich

                                                                                                                                                                                 Klimaschutz mit
besonders Minderheitenvereine und lebenden Menschen beitragen.
                                                                                                                                                                                                        trachtet die Klimabewegung im Kontext ande-
Einzelpersonen dazu ermutigen, eine       Um die Zivilgesellschaft in den In-                                                                                                                           rer sozialer Bewegungen und problematisiert         Was Sie in diesem Heft noch erwartet: Im September 2020
Einreichung vorzubringen.               ventarisierungsprozess einzubezie-                                                                                                                              die Diskreditierung der Klimaktivist*innen.        verstarb Eduard Riha, Behindertenaktivist und langjähriger
                                        hen, sind Gemeinschaften, Vereine                                                                                                                                 Im November 2019 fand in Wien die erste          Generalsekretär der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft
   Mit dem UNESCO-Übereinkommen zur und Einzelpersonen dazu eingeladen,
Erhaltung des immateriellen Kulturerbes Vorschläge zur Aufnahme in das Ver-
                                                                                                                                                                                                        feministische Klimakonferenz statt. Wir ha-        für Rehabilitation. Lesen Sie einen Nachruf von seinem Kolle-
hat sich seit 2003 die Wahrnehmung zeichnis einzubringen.                                                                                                                                               ben die Mitorganisatorin Eva Lachkovics            gen und Nachbarn Erwin Riess in Groll. Außerdem eine Spu-
von gelebten Traditionen, überliefer-                                                                                                                                                                   (WIDE-Netzwerk und Grüne Frauen) gebeten,          rensuche zu Antisemitismus in antirassistischen Kämpfen
tem Wissen und Handwerkstechniken Kontakt:                                                                                                                                                              die Klimakrise in Bezug auf Geschlechterge-        von Leah Carola Czollek und Gudrun Perko vom Institut
grundlegend geändert.                   Cristina Biasetto
                                        E-Mail: biasetto@unesco.at
                                                                                                                                                                                                        rechtigkeit zu analysieren.                       „Social Justice and Radical Diversity“. In Kennengelernt stellt
   Österreich hat sich mit der Unter- Tel: 01/5261301-16                                                                                                                                                                                                   Duygu Özkan die Vorarlberger Umweltaktivistin Hildegard
zeichnung des Übereinkommens dazu Fachbereich Immaterielles Kulturerbe                                                                                                                                                                                     Breiner vor. Julia Schönherr schließlich bespricht das Buch
verpflichtet, das in Österreich prakti- Österreichische UNESCO-Kommission                                                                                                                                                                                 „Triumph der Ungerechtigkeit“ der Wirtschaftswissenschaftler
zierte immaterielle Kulturerbe in Form
eines Nationalen Verzeichnisses zu                                                                                                                                                                                                                         Emmanuel Saez und Gabriel Zucman – ein Plädoyer für ein
dokumentieren und sichtbar zu machen.                                                                                                                                                                                                                      gerechteres Steuersystem.
   Das Nationale Verzeichnis des im-
materiellen Kulturerbes in Österreich
wurde 2010 eröffnet und zählt zum
aktuellen Zeitpunkt 124 Einträge. Dazu                                                                                                                                                                                                                            Mögen der Herbst und der Winter nicht so düster und
zählen unter anderem die slowenischen                                                                                                                                                                                                                             kalt werden, auch wenn es angesichts der aktuellen
Flur- und Hofnamen in Kärnten, das                                                                                                                                                                                                                                politischen Lage schwerfällt, darauf zu hoffen.
Liedgut der Lovara, die Österreichische                                                                                                                                                                                                                                                 Anregende Lektüre wünscht
Gebärdensprache sowie Roman, die
Sprache der im Burgenland lebenden
Roma.                                                                                                                                                                                                                                                                                  Gamze Ongan | Chefredakteurin
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Stimmlage                                                                                                                    Hakan Gürses

                                                  Auf der Flucht
                                                                                                                                                                        u t z
                                                                                                                                                               c h
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                                                                                                                                                            as
           ktober 2026. Eine Gruppe von drei Männern und zwei Frau-     Herzen handeln sollen, ein Denkmal für die Corona-Kinder oder
          en unterschiedlichen Alters sitzt im Laderaum eines LKW.      für den Opa, zum Beispiel.
          Sie sehen müde und ungewaschen aus. K., ein Anfang-

                                                                                                                                                      i m
  Vierziger mit besonders großen, abstehenden Ohren, seufzt laut.       N.: Geh bitte, Karo, dein Herz ist so kalt wie der Kangerlussuaq-

                                                                                                                                                    l
                                                                        Gletscher. Was war denn dein Ressort glei? Ministerin für

                                                                                                                                                K
  K.: Das hast du super eingefädelt, Karli, vielen Dank auch!           Überflüssiges? Hahaha! Ich war immerhin der Minister der Tat.
  In jedem Kommunikationstraining hast zu uns gsagt: Immer
  grauslicher reden als der Kickl! In jeder Strategiesitzung            E.: Darum musstest unbedingt das Lager in Lenningen an-

                                                                                                                                                        mit
  der Partei hast zu uns gsagt: Immer rechts vom Strache                zünden! Brutalo!
  stehen! Das hamma jetzt davon. Die Blauen haben die letzte
  Wahl gewonnen, paktieren mit den grauslichen HC’lern, und             N.: Das war doch nicht ich, das war der Gernot, er wollte es
  die Grünen sagen, sie müssen diese Koalition unterstützen,

                                                                                                                                                            all
                                                                        dem Ludwig in die Schuhe schieben, aber der war schon in ein
  weil sonst würden die Türkisen mit dem Strache regieren.              Lager in Flaxweiler verlegt worden. Leider haben’s den Gernot
  Alle Medien gleichgeschaltet, ein Teil an russische Oligarchen        in flagranti erwischt. Das konnte ich doch nicht vorausahnen,

                                                                                                                                                                  en
  verscherbelt, das Parlament abgeschafft, die Todesstrafe              ich war nur der Kommunikationsstratege bei der Sache.
  wieder eingeführt. Und wir stehen auf einer Liste der Lan-
  desverräter. Kann nur sagen: Bravo!                                   R.: fixiert einen Punkt an der Wand des Laderaums Oh Gott, es ist
                                                                        so heiß hier, ich kriege keine Luft! Basti, was wohl aus unseren
  N.: I kann ja nix dafür, Basti. Da Hofa war’s.                        Werte-Kursen geworden ist? Aber ich sehe schon, ihr Männer
                                                                        habt eine Parallelgesellschaft gebildet! Ist zumindest unser
  N., ein ergrauter, ansehnlicher Mann mit athletischem Körperbau,      Fahrer ein EU-Bürger? Ich war immer für ein gemeinsames
  schaut zu S. hinüber, dem Ältesten in der Runde in einem zerschlis-   Europa.
  senen Maßanzug samt Stecktuch, der mit gesenktem Kopf auf dem

                                                                                                                                                                  für
  Boden sitzt und vor sich hinmurmelt.                                  N.: Ein Türke ist er. In der Eile hob i niemanden sonst auftrei-
                                                                        ben können.
  N.: Na, Xandi, du sagst nix? Du warst ja der, der damals in der
  ZiB die Fassung verloren hat. I hob do immer gsagt: Ruhig             R.: Türke? Oh Gott, ich kriege keine Luft. Integration passiert
  bleiben, Xandi, du bist eh a Blaublütler, de haben di so und so       nicht, nur weil wir alle tolerant genug sind. Basti, tu was!
  super gern. Und i muss die eingebrockte Suppn auslöffeln
  jetzt. Echt oag hearst!                                                K.: Oh, wie mir der Gernot in solchen Momenten fehlt! Diese
                                                                         Scheißmerkel! Sie ist immer noch Chefin und sagt, sie wolle

                                                                                                                                                              e
  S. murmelt weiter vor sich hin und singt zwischendurch eine unbe-      keinen einzigen Österreicher aufnehmen! Schon gar keine
  stimmte Melodie. R., die jüngere der beiden Frauen, fixiert einen      türkisen oder schwarzen, so eine Rassistin diese Piefketante!

                                                                                                                                                            all
  Punkt an der Wand des Laderaums.                                      „Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren!“, sagt
                                                                         sie. Und: „Werden dem luxemburgischen Weg nicht folgen.“ Sie
  R.: redet abgehackt wie ein Roboter Ich war es, die die Paral-         hat uns Decken nach Luxemburg schicken lassen. Der Seehofer
  lelgesellschaft verhindert hat, nicht die FPÖ, nicht der HC.           hat’s eigenhändig hergebracht, der Verräter!
  Und das ist der Dank des Volkes! Österreich ist ein Land der
  Chancen, aber jeder muss sich um sich selbst bemühen, habe            R.: fixiert einen Punkt an der Wand des Laderaums Wir müssen
  ich gesagt. Basti, wie geht mein nächster Satz jetzt? Keine           mit dem Hirn entscheiden, nicht mit dem Herzen! Gell, Basti?
  Parallelgesellschaften, bitte! Basti? Das Wichtigste wäre
  der richtige Zugang: eine restriktive Migrationspolitik und           E.: Nicht einmal die herzlosen Rumänen helfen uns, dabei hatte
  Verpflichtungen in der Integration.                                   ich in der ärgsten Corona-Krise die rumänischen Pflegerinnen
                                                                        in unseren ÖBB-Zügen nach Österreich geholt, damit es ihnen
  K.: Red doch kan Unsinn, Susi! Wir sind jetzt die, die auf der        gutgeht bei uns.
  Flucht sind, verstehst? Wir sitzen im verschlossenen Laderaum
  eines LKW und fahren zur luxemburgisch-deutschen Grenze,              N.: Ob wir es über die deutsche Grenze schaffen werden,
  okay? Syrien, Afghanistan und Irak wollten uns nicht nehmen,          ohne dass die deutschen Kollegen den Laderaum aufmachen?
  nicht einmal die Türkei. Wenn wir’s nur schaffen könnten, über
  Deutschland nach Grönland zu kommen! Ich habe dort eine               S. fängt an, laut zu singen, und fällt plötzlich um. An seinem Mund
  Großtante, ich stamme praktisch aus Nuuk.                             hat sich Schaum gebildet. R. kriegt keine Luft und fällt in Ohnmacht.

  E., eine Frau mit eisigem Blick, schaut K. eisig an.                  R.: wiederholt abgehackt und monoton in Endlosschleife Parallel-
                                                                        gesellschaft – Parallelgesellschaft – Parallelgesellschaft ...
  E.: Die Kinder in Moria, die hatten mich so betroffen gemacht
  damals, vor fünf Jahren. Da habe ich an den Tod meines                K.: Ich hab‘s schon damals gesagt: Es wird nicht ohne häss-
  Großvaters denken müssen, ich habe in dem Moment gespürt,             liche Bilder gehen.
  dass man das nicht vergessen darf. Ich hätte da nach meinem

   06
                                                                                                                                                        »
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Andreas Weber

Globale
                                                                                                                       ethisch akzeptable und politisch                   neue Lebensweise entstanden. Sie                 die Mehrzahl der Bürgerinnen und
                                                                                                                       sinnvolle Perspektive, vor der dro-                kann im Anschluss an Brand und                   Bürger – etwa in Österreich – nicht
                                                                                                                       henden ökologischen Katastrophe                    Wissen als „imperiale Lebensweise“               bereit ist, aus Klimaschutzgründen
                                                                                                                       die Augen zu verschließen: zum ei-                 bezeichnet werden. Da sie systemisch             auf Flugreisen oder privaten Auto-

Klimaerwärmung,                                                                                                        nen, weil die Erwachsenengeneration
                                                                                                                       der Gegenwart nicht das Recht hat,
                                                                                                                       die ökologischen Lebensgrundlagen
                                                                                                                       gegenwärtig und zukünftig lebender
                                                                                                                                                                          an die Marktökonomie gekoppelt ist,
                                                                                                                                                                          ist sie auch mit der gewinnmaximie-
                                                                                                                                                                          renden Ausbeutung von Menschen
                                                                                                                                                                          und Natur strukturell verwoben.
                                                                                                                                                                                                                           besitz zu verzichten, die Ernährung
                                                                                                                                                                                                                           ökologisch nachhaltig zu gestalten,
                                                                                                                                                                                                                           Energie aus regenerativen Quellen zu
                                                                                                                                                                                                                           beziehen oder etwa klimapolitisch
                                                                                                                       Menschen durch einen extrem res-                   Mit der Globalisierung der kapitalis-            engagierte Parteien zu wählen. Viel-

                                           Kapitalismus                                                                sourcen- und kohlenstoffintensiven
                                                                                                                       Lebensstil zu zerstören; zum ande-
                                                                                                                       ren, weil es auch weiterhin möglich
                                                                                                                       ist, die Dynamik der globalen Klima-
                                                                                                                                                                          tischen Marktökonomie haben sich
                                                                                                                                                                          die Strukturen einer „imperialen
                                                                                                                                                                          Lebensweise“ in globaler Dimension
                                                                                                                                                                          zu verbreiten begonnen. Insbeson-
                                                                                                                                                                                                                           mehr wird es quer durch alle ge-
                                                                                                                                                                                                                           sellschaftlichen Schichten hinweg
                                                                                                                                                                                                                           als eine Art „natürliches“ Recht be-
                                                                                                                                                                                                                           griffen, eine Lebensweise zu prakti-

                                            und                                                                        erwärmung durch die Reduktion der
                                                                                                                       Emission von klimaschädlichen THG
                                                                                                                                                                          dere in den Schwellenländern des
                                                                                                                                                                          Globalen Südens durchdringen sie
                                                                                                                                                                                                                           zieren, die mit der Ausbeutung von
                                                                                                                                                                                                                           Menschen und der Zerstörung unse-
                                                                                                                       positiv zu beeinflussen.                           inzwischen die alltäglichen Praxen               rer natürlichen Lebensgrundlagen

                „imperiale
                                                                                                                                                                          von immer mehr Menschen – wie bei-               strukturell verbunden ist. Ein impe-
                                                                                                                       Dies erfordert allerdings nicht nur                spielsweise an der Verbreitung von               rialer Lebensmodus – beispielsweise
                                                                                                                       eine ökologisch nachhaltige Reorga-                Plastikverpackungen, motorisiertem               von Urlaubern in Schwellenländern,
                                                                                                                       nisation von Gesellschaft und Wirt-                Individualverkehr, industriell gefer-            die sich über unasphaltierte Straßen,
                                                                                                                       schaft, sondern auch den Übergang                  tigten Lebensmitteln mitsamt ihren               mit Plastik vermüllte Strände oder

                                                              Lebensweise“                                             von einer „imperialen“ zu einer öko-
                                                                                                                       logisch nachhaltigen Lebensweise.
                                                                                                                                                                          gesundheitlichen Folgeproblemen
                                                                                                                                                                          nachzuvollziehen ist.
                                                                                                                                                                                                                           bettelnde Kinder echauffieren – ist
                                                                                                                                                                                                                           überdies oftmals mit einem Gefühl
                                                                                                                       Was unter dem Konzept einer „impe-                                                                  der kulturellen Überlegenheit ver-
                                                                                                                       rialen Lebensweise“[1] zu verstehen                In den demokratisch verfassten                   bunden.[2]
                                                                                                                       ist, wird im Folgenden umrissen.                   Marktgesellschaften ist die A-Moral
                                              Eine Skizze                                                                                                                 einer „imperialen Lebensweise“ in                Die Gleichgültigkeit der Mehrheit
                                                                                                                       I.                                                 einer komplexen Weise im politi-                 der Bürgerinnen und Bürger in Ös-
                                                                                                                       Die Krise der Umwelt ist eine Krise                schen und kulturellen System ver-                terreich wie auch in anderen markt-
                                                                                                                       der modernen Gesellschaft. Denn                    ankert. Dies zeigt sich zum einen                gesellschaftlichen Demokratien des

E
                                                                                                                       im geschichtlichen Rückblick wird                  in einer marktökonomisch funk-                   Globalen Nordens gegenüber dem
      s ist wissenschaftlich unbestritten und empirisch vielfach belegbar, dass wir gegenwärtig                        ersichtlich, dass die vormodernen                  tionalen Verabsolutierung von in-                Recht aller Menschen auf Gerechtig-
      drauf und dran sind, die ökologischen Grundlagen der menschlichen Gesellschaften                                 Gesellschaften sich aufgrund ihrer                 dividuellen Freiheitsrechten; zum                keit hat eine ethnozentrische Dimen-
unumkehrbar zu zerstören. Im Fokus der Diskussion steht seit einigen Jahren das Problem                                subsistenzökonomischen Lebens-                     anderen in der Marginalisierung                  sion. Sie zeigt sich in der politischen
                                                                                                                       weise bis in die Neuzeit weitgehend                der Gerechtigkeitsproblematik und                Praxis darin, dass vorwiegend Par-
der globalen Klimaerwärmung. Zurecht, denn aufgrund ihrer exponentiellen Dynamik hat sie
                                                                                                                       im Gleichgewicht mit der Natur be-                 ihrer sozial opportunistischen und               teien an die Macht gewählt werden,
das Potenzial, die Menschheitsgeschichte in den nächsten zwei Jahrhunderten in eine globale                                                                               in der Regel überdies ethnozent-
                                                                                                                       fanden. Der Verbrauch an natürli-                                                                   die aus ökonomischen Gründen an
Katastrophe münden zu lassen.                                                                                          chen Ressourcen war gering, der von                rischen Interpretation. So gibt es               den ökologisch und sozial katastro-
                                                                                                                       fossilen Energieträgern wie Kohle,                 unter der Mehrheit der Bürgerinnen               phalen Strukturen einer „imperialen
                                                                                                                       Öl oder Gas inexistent. Mit der Ent-               und Bürger in den demokratisch                   Lebensweise“ weitgehend kritiklos
                                                                                                                       stehung einer kapitalistischen, auf                verfassten Marktgesellschaften den               festhalten. Zurecht hat die Ökonomin
                                                                                                                       permanentes Wachstum program-                      zumeist impliziten Konsens, das                  Tonny Nowshin darauf hingewiesen,
Angesichts des globalen Emissions-    zur Folge haben könnte. Träfe dieses    von Gesellschaft, Wirtschaft und         mierten Marktökonomie ändert sich                  Recht auf Freiheit primär aus einer              dass diesem politischen Verhalten
niveaus an Treibhausgasen (THG)       Klimaszenario ein, wäre menschli-       Lebensweise unter dem Aspekt der         das Verhältnis zwischen Gesellschaft               besitzindividualistischen und kon-               ein struktureller „Rassismus“[3] zu-
wird seitens der Klimawissenschaf-    ches Leben, wie wir es kennen, auf      ökologischen Nachhaltigkeit grund-       und Ökologie grundlegend. Erstmals                 sumistischen Perspektive verstehen               grunde liegt.
ten ein Anstieg der globalen Durch-   der Erde nicht mehr möglich.            legend zu reorganisieren. Selbst         wird es geschichtlich möglich, durch               und dem Recht auf Gerechtigkeit auf
schnittstemperaturen (GDT) von                                                wenn dies bis zum Jahr 2050 gelän-       die Organisationsform einer Gesell-                nationaler und erst recht auf globaler           Die marktökonomisch integrier-
mehr als 4 °C noch im 21. Jahrhun-    Dass die Stabilisierung des Klima-      ge, so ist noch keineswegs klar, ob      schaft die ökologischen Lebens-                    und intergenerationaler Ebene über-              ten Strukturen einer imperialen
dert für möglich gehalten, was auf-   systems gelingen wird, ist theore-      wir nicht schon den point of no return   grundlagen aller Menschen in einer                 ordnen zu können.                                Lebensweise durchdringen die
grund der exponentiellen Dynamik      tisch zwar weiterhin möglich, wird      überschritten haben und die komple-      unumkehrbaren Weise zu zerstören.                                                                   Lebenspraxen der Menschen aus-
der globalen Klimaerwärmung (z. B.    allerdings praktisch zusehends          xe Dynamik der globalen Klimaer-         Mit der Entstehung der kapitalisti-                In der alltäglichen Praxis zeigt sich            nahmslos aller gesellschaftlichen
Methanfreisetzung durch Abtauen       unwahrscheinlicher. Denn hierzu         wärmung – Stichwort: Kipppunkte          schen Marktökonomie ist auch eine                  dies beispielsweise daran, dass                  Schichten – auch der Menschen mit
von Permafrostböden, Verlust von      wäre es erforderlich, innerhalb der    – überhaupt noch unter Kontrolle                                                                                                              Migrationshintergrund. In kultu-
                                                                                                                           Der Begriff entstammt der Publikation von Brand, U./Wissen, M. (2017), Imperiale Lebensweise.   reller Dimension werden sie durch
                                                                                                                       [1]
natürlichen Senken durch Vernich-     nächsten drei Jahrzehnte die ge-        bringen können.                          Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus, München: Ökonom Verlag – und
tung von Wäldern und Übersäue-        schichtlich gewachsenen, mit dem                                                 findet sich dort ausführlich erörtert.                                                              ein Unwissen bezüglich ihrer öko-
rung der Meere usw.) einen Anstieg    exzessiven Verbrauch von fossilen      Auch wenn es wenig Grund zu Op-           [2]
                                                                                                                             Vgl. Brand/Wissen, a. a. O., S. 45.                                                           logisch und sozial zerstörerischen
der GDT um 8 °C im 22. Jahrhundert    Energien gekoppelten Strukturen        timismus gibt, so ist es doch keine       [3]
                                                                                                                             Vgl. https://taz.de/Klimakrise-und-Rassismus/!5691419/ (Stand: 12.9.2020).                    Folgen abgesichert. Die Produktion

08                                                                                                                                                                                                                                                            09
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Ruth Simsa

 dieses Unwissens ist gesellschaft-                    Die Stabilisierung des                         wie häufige Flugreisen, massive

                                                                                                                                                                                                 hier,
 lich institutionalisiert – z. B. in Form                                                             PKW-Nutzung, aber auch durch Er-
                                                       Klimasystems ist
 schulischer Bildungsprogramme, Re-                                                                   nährung, Wohnen, Energieverbrauch
 flexionstabus in den Massenmedien
– und wird im Prozess der Sozialisati-
                                                       theoretisch zwar noch
                                                       möglich, wird aber
                                                                                                      oder den exzessiven Konsum von glo-
                                                                                                      bal produzierten und transportierten
                                                                                                                                                        Wir sind
                                                                                                                                                                                                                                  laut,
 on von Kindesbeinen an ausgebildet.                   praktisch immer                                Gütern (z. B. elektrische Geräten).
 Gleiches ist bezüglich der fehlenden                  unwahrscheinlicher.
 oder nur geringen Motivation fest-
 zustellen, diesen Zustand der Un-
                                                       Vielleicht haben wir
                                                       auch schon den
                                                                                                      Während sich die THG-Emissionen
                                                                                                      der oberen Schichten in den Län-
                                                                                                                                                                                               wir sind
 wissenheit und Gleichgültigkeit zu                                                                   dern des Globalen Nordens und
                                                       point of no return
 überwinden.
                                                       überschritten.
                                                                                                      Südens zusehends angleichen, las-
                                                                                                      sen sich bei den unteren Schichten                                                                                            weil ihr uns
II.

                                                                                                                                                                                                                   Zukunft
                                                                                                      massive Unterschiede ausmachen –
Die Struktur einer imperialen Le-                   Lebensweisen ca. fünf Mal mehr an                 innerhalb der Länder des Globalen
bensweise kann als „Metastruktur“
betrachtet werden, die das Leben
der meisten Menschen in kapita-
                                                    THG, als es in den Ländern des Glo-
                                                    balen Südens der Fall ist. In einigen
                                                    Ländern der afrikanischen Subsaha-
                                                                                                      Nordens sowie im Vergleich zum
                                                                                                      Globalen Süden. So zeigen die Er-
                                                                                                      gebnisse einer europäischen Studie,
                                                                                                                                                                                                                                   die
                                                                                                                                                                                                              klaut!
listischen Gesellschaften und fort-                 ra liegen die CO2-Emissionen sogar                dass das Niveau an THG-Emissionen
schreitend auch in Schwellenländern                 unter 0,05 Tonnen pro Kopf und Jahr               in den unteren Schichten von reiche-
bestimmt. Sie wird von einer globa-                 und sind damit ca. 200 Mal geringer               ren EU-Ländern wie Deutschland,
len Kulturindustrie zudem als norma-                als in Österreich.                                Frankreich oder den Niederlanden
tives Leitbild verbreitet. Betrachten                                                                 weit über den klimapolitischen Zie-
wir ihr ökologisches Destruktions-                  Große Unterschiede zeigen – zwei-                 len des Pariser Abkommens liegt.
potenzial, lassen sich beträchtliche
regionale und schichtspezifische Un-
                                                    tens – die THG-Emissionen der ver-
                                                    schiedenen Gesellschaftsschichten.
                                                                                                      Hingegen liegen die Lebensstilemis-
                                                                                                      sionen von 50 Prozent der Bevölke-
                                                                                                                                                                                              Die Klimabewegung
terschiede ausmachen, wie anhand                    So verursachen laut einer Oxfam-                  rung in Rumänien und noch von 20
der lebensstilbedingten Emission                    Studie rund 10 Prozent der Weltbevöl-             Prozent der Bevölkerung in Ungarn,
von klimaschädlichen THG gezeigt                    kerung, die der Schicht der Reichen               Lettland und Kroatien unter diesem
werden kann.

Zunächst ist festzuhalten, dass die
                                                    angehören, rund 50 Prozent der glo-
                                                    balen THG, wohingegen die 50 Pro-
                                                    zent der armen Weltbevölkerung nur
                                                                                                      Wert.[7]

                                                                                                      Im Vergleich zu den Ländern des
                                                                                                                                                        S  oziale Bewegungen sind ein wichtiges Element der Demokratie. Wir alle profitieren von
                                                                                                                                                           den Aktivitäten vorangegangener Bewegungen, sie haben wichtige gesellschaftliche
globalen Emissionen an anthropo-                    für 10 Prozent der globalen THG ver-              Globalen Südens ergeben sich noch
                                                                                                                                                        Veränderungen erwirkt. Soziale Rechte, formale Gleichberechtigung von Frauen oder
genen THG (CO2-Äquivalent) bis zum                  antwortlich sind.[5] In Europa, wo 22             drastischere Unterschiede. So pro-                Umweltschutzgesetze etwa gehen auf das Engagement von AktivistInnen zurück.
Jahr 2030 auf 2,5 bis 3,3 Tonnen pro                Prozent der globalen THG entstehen,               duzieren die Mitglieder der unteren               Es macht daher Hoffnung, dass gegenwärtig viele Menschen in der Klimabewegung
Kopf/Jahr und zwischen 2050–2070                    zeigt sich ein vergleichbares Muster.             Schichten in Ländern der Subsahara                engagiert sind.
sogar gegen Null sinken müssen, [4]                 So werden laut einer Studie, die Da-              kaum klimaschädliche THG. In Bu-
um die Pariser Klimaziele zu errei-                 ten in 26 EU-Ländern erhoben hat,                 rundi beispielsweise, wo die Men-                 Obwohl die Klimabewegung für uns                    Die Klimakrise stellt eine globale Be-           Dabei haben diese Gruppen am we-
chen und die Erderwärmung im Ver-                   von 10 Prozent der Bevölkerung rund               schen mehrheitlich in ländlichen                  alle wichtig ist, werden die Aktivis-               drohung dar. Wie die meisten Krisen              nigsten zur Krise beigetragen.
gleich zum vorindustriellen Niveau                  27 Prozent und von weiteren 40 Pro-               Subsistenzökonomien leben und                     tInnen mit Hass und Abwertungen be-                 wirkt sich auch diese besonders auf
nicht über 1,5 °C ansteigen zu lassen.              zent rund 47 Prozent der THG produ-               ein marginales Verbrauchsniveau an                dacht, von „Klimahysterie“ ist die Rede,            benachteiligte gesellschaftliche Grup-           Die Gefahr ist wissenschaftlich unbe-
Hiervon sind wir gegenwärtig weit                   ziert, wohingegen auf 50 Prozent der              fossilen Energien aufweisen, werden               die Gallionsfigur Greta Thunberg wird               pen aus. Viele Länder des Globalen               stritten. Die Menschheit überschreitet
entfernt, was – erstens – im Emissi-                Bevölkerung der unteren Schichten                 weniger als 0,05 T/CO2 pro Jahr und               als „verhaltensgestört“ bezeichnet,                 Südens sind besonders von der Klima-             immer mehr ökologische Belastungs-
onsniveau der Länder des Globalen                   nur 26 Prozent entfallen.[6] Bei einem            Person emittiert – einschließlich (!)             manche wünschen ihr via Facebook                    erwärmung betroffen, während die rei-            grenzen des Planeten und zerstört da-
Nordens sowie fortschreitend auch                   Prozent der Bevölkerung – die Grup-               der in urbanen Zentren lebenden Mit-              sogar den Tod. Auch andere Aktivis-                 chen industrialisierten Länder mit den           mit ihre eigenen Lebensgrundlagen.[2]
der Schwellenländer begründet                       pe der „Superreichen“ – liegen die                glieder der oberen Schichten.                     tInnen, vor allem junge Frauen, sind                Auswirkungen der Klimakrise besser               Im Pariser Klimaschutzabkommen von
ist. So produzieren die Menschen                    jährlichen THG-Emissionen sogar bei               Es ist insofern von besonderer nor-               Feindbilder im Netz. Der Klimabewe-                 zurechtkommen, auch weil sie mehr                2015 haben sich daher alle Staaten völ-
in den Ländern des Globalen Nor-                    65 T/CO2-Äquivalent pro Person. Die               mativer und politischer Brisanz, dass             gung insgesamt wird regelmäßig un-                  Mittel für Anpassungsmaßnahmen                   kerrechtlich verbindlich verpflichtet,
dens aufgrund ihrer ressourcen-                     meisten der klimaschädlichen THG                  es gerade die Menschen aus Ländern                terstellt, sie werde zentral von einem              haben. Wassermangel, Lebensmit-                  die globale Erwärmung deutlich unter
intensiven und klimaschädlichen                     entstehen dabei durch Aktivitäten                 und Schichten mit einer klimaver-                 Unternehmen gesteuert und wolle ein                 telknappheit bis hin zur Überflutung             2 °C zu halten und Bemühungen an-
                                                                                                      träglichen Lebensweise sind, die                  totalitäres System aufbauen.[1] Salopp              ganzer Inseln bedrohen und vernich-              zustellen, die Erwärmung auf 1,5 °C
                                                                                                      zu den ersten Opfern der globalen                 könnte man sagen: Die AktivistInnen                 ten die Lebensgrundlagen der betrof-             zu begrenzen. Dennoch erreichen die
 [4]
     Ivanova, D./Wood, R. (2020), The unequal distribution of household carbon footprints in Europe
 and its link to sustainability. Global Sustainability, 3, E18. doi:10.1017/sus.2020.12, S. 1.        Klima-erwärmung zählen.[8]                        provozieren viel Widerstand, weil sie               fenen Menschen. Auch in ökonomisch               meisten Länder dieses Ziel nicht. Das
 [5]
     Vgl. https://oi-files-d8-prod.s3.eu-west-2.amazonaws.com/s3fs-public/file_attachments/                                                             recht haben. Und weil die Verände-                  gut entwickelten Ländern sind es vor             Thema wird von Seiten der Politik ver-
 mb-extreme-carbon-inequality-021215-en.pdf (Stand: 12.9.2020).                                       Andreas Weber, Studium der Soziologie,
                                                                                                      Geschichte und Philosophie, ist Lektor an         rungen, die sie anmahnen, (Macht-)                  allem sozial marginalisierte Personen,           nachlässigt und zum Teil sogar herun-
 [6]
       Ivanova/Wood, a. a. O., S. 3ff.
                                                                                                      den Universitäten Wien und Innsbruck. Er          Verhältnisse in Frage stellen.                      die besonders darunter leiden (werden).          tergespielt.
 [7]
       Vgl. ebd., S. 6.                                                                               lehrt und forscht u. a. zu Theorien der Gesell-
   Eine umfassendere Version dieses Textes findet sich demnächst auf der Homepage der GBW
 [8]                                                                                                  schaft, Wissenssoziologie/interkulturellem
 unter dem URL: https://www.gbw.at/wien/veranstaltungen/ereignisansicht/event/klimawandel-            Verstehen, Religionssoziologie, Krise der
                                                                                                                                                        [1]
                                                                                                                                                              https://www.tagesschau.de/faktenfinder/feindbild-greta-thunberg-101.html (Stand: 12.9.2020).   Daher hat sich in den letzten Jahren
 und-lebensweise-ein-forschungsprojekt-mit-jugendlichen.                                              Ökologie und Klimawandel.                         [2]
                                                                                                                                                              https://www.attac.at/ziele/klimagerechtigkeit (Stand: 12.9.2020).                              der Protest für eine nachhaltigere

 10                                                                                                                                                                                                                                                                                              11
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Eva Lachkovics
ökologische Politik sehr verstärkt.                                                               Öffentlichkeit ein zentrales Erfolgskri-
Besondere mediale Aufmerksamkeit                                                                  terium für soziale Bewegungen. His-
fanden die von Greta Thunbergs Schul-
streiks ausgehenden Demonstrationen
                                                     Vieles, was                                  torisch gesehen, wurden die meisten
                                                                                                 „neuen“ Themen zuerst von Zivilge-
und Streiks der zivilgesellschaftlichen              für uns heute                                sellschaft und sozialen Bewegungen
Organisation Fridays for Future. Mit
diesen eher jungen Menschen protes-
                                                     selbstverständlich                           auf die politische Agenda gesetzt.

tieren aber auch viele weitere Akteu-                ist, wurde                                  Gegenwärtig gewinnen soziale Bewe-
rInnen, etwa die Parents for Future,
Scientists for Future und andere Or-
                                                     von sozialen                                gungen insgesamt wieder an Bedeu-
                                                                                                 tung. Es gibt eine massive Zunahme
ganisationen wie Extinction Rebelli-                 Bewegungen                                  von zivilgesellschaftlichem Protest
on und System Change not Climate
Change. Im letzten Jahr gab es die
                                                     erkämpft.                                   und Aktivismus. In der Finanzkrise
                                                                                                 waren in der EU regelmäßig Milli-
weltweit größten Klimademonstrati-                                                               onen Menschen auf den Straßen.
onen aller Zeiten, überall gründeten              Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bo-         Occupy, der Arabische Frühling
sich lokale und überregionale Klima-              denschutz bei weitem nicht ausreichen.         oder die Bewegung der Empörten
initiativen. Es ist eine breite soziale           Dennoch werden AktivistInnen der               in Spanien wie auch die Gezi-Park-
Bewegung, die sich hier formiert. Ihr             Bewegung oft nicht ernst genom-                Proteste in der Türkei hatten ab 2011
Ziel ist ein Kurswechsel in der Klima-            men, persönlich verhöhnt und dis-              hohe Mobilisierungseffekte. 2015
und Umweltpolitik, die Einhaltung                 kreditiert. Immer wieder sind sie              leistete die Zivilgesellschaft wesent-
des 1,5-°C-Ziels des Pariser Klimaab-             auch von struktureller Gewalt be-              liche Beiträge zur Bewältigung der
kommens und globale Klimagerech-                  troffen, etwa von ungerechtfertigten           Flüchtlingskrise. In Hongkong und
tigkeit.                                          Festnahmen. Dies entspricht einer              Weißrussland protestieren gegenwär-
                                                  Tradition des Umgangs mit sozialen             tig BürgerInnen unter großer persön-
Klimagerechtigkeit bedeutet, dass                 Bewegungen.[3]                                 licher Gefahr für Demokratie.
nicht einfach CO2-Budgets aufge-
teilt werden und reiche Länder oder               Vieles, was für uns heute selbstver-           Das letzte Jahrzehnt wird daher in der
Personen somit weniger ändern müs-                ständlich ist, wurde von sozialen              Sozialforschung insgesamt als Phase
sen, sondern dass gesellschaftliche               Bewegungen erkämpft. Dies ging                 weltweiter und umfassender Mobi-
Strukturen und Machtverhältnisse,                 allerdings immer mit Abwertungen               lisierung gekennzeichnet. Es wird
die die Klimakrise verursacht haben,              und großem individuellem Einsatz               argumentiert, dass gegenwärtige
verändert werden.                                 der AktivistInnen einher, oft wurden           Gesellschaften als „social movement                                                                Graphic Recording der Feministischen Klimakonferenz | Gudrun Jöller
                                                  sie deswegen persönlich angegriffen.           societies“ gesehen werden können,
Klimagerechtigkeit heißt, dass jeder              Das Frauenwahlrecht etwa wurde von             charakterisiert durch die wachsende
Mensch das gleiche Recht hat, die                 den Sufragetten hart erkämpft, Arbeits-        Bedeutung von Protest. Im Unterschied
Atmosphäre zu nutzen, ohne sie zu                 rechte, die heute selbstverständlich           zu älteren sozialen Bewegungen sind
stark zu belasten. Es muss sicherge-
stellt werden, dass die globale mitt-
                                                  sind, verdanken wir dem Einsatz von
                                                  KämpferInnen der Arbeiterbewegung.
                                                                                                 die gegenwärtigen zunehmend schich-
                                                                                                 ten- und generationenübergreifend,[4]
                                                                                                                                                                         Die
                                                                                                                                                                         erste
lere Temperatur unter jenem Wert                  Viele AktivistInnen wurden in der Ge-          wobei besonders großes Mobilisie-
bleibt, der die Lebensbedingungen                 schichte für ihren Einsatz eingesperrt,        rungspotenzial bei der Gruppe der un-
auf der Erde in Gefahr bringt. Kli-               manche auch getötet.                           ter Dreißigjährigen besteht.
maschutz w ird somit zu einem

                                                                                                                                              feministische
Menschenrecht. Klimagerechtigkeit                 Soziale Bewegungen sind für jene, die          Gerade jene Generation, der lange Zeit
braucht nachhaltige Lösungen, wie                 von gegebenen Verhältnissen profitie-          politisches Desinteresse nachgesagt
z. B. ein ökologisches Energiesystem,             ren, oft unbequem. Sie stellen „Nor-           wurde, engagiert sich also heute ver-
solidarische Agrarwirtschaft oder                 malitäten“ in Frage, kämpfen für die           mehrt. Statt der oft kritisierten „neo-
ein sozial-ökologisches Wirtschafts-              Veränderung von Machtverhältnissen,            liberalen Selbstoptimierung“ treten

                                                                                                                                                  Klimak nferenz
und Handelssystem.                                lenken den Blick auf Missstände und            zunehmend Menschen jeden Alters
                                                  wollen Änderungen erwirken. Sie                für Solidarität ein, für Gerechtigkeit
WissenschafterInnen argumentieren,                widmen sich damit der Bearbeitung              und für ökologisch nachhaltige Poli-
dass die Proteste der AktivistInnen               von Problemen, die sonst nicht aus-            tik. Dies ist ein gutes Zeichen. Ob es
für Klimaschutz und den Erhalt un-                reichend Beachtung fänden. Ihr Mobi-           ausreicht, wird sich zeigen.
serer natürlichen Lebensgrundlagen                lisierungspotenzial verdanken sie der
berechtigt und gut begründet sind,
da die derzeitigen Maßnahmen zum
                                                  Wahrnehmung von Risiken. Mangels
                                                  Geld und Macht ist Resonanz in der
                                                                                                 Ruth Simsa ist Professorin am Institut für
                                                                                                 Soziologie an der Wirtschaftsuniversität
                                                                                                 Wien mit Forschungsschwerpunkt Zivilge-
                                                                                                                                              W     eder die Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise noch die Bemühungen um
                                                                                                                                                    Lösungen sind unter Frauen und Männern gleich verteilt. Die erste feministische
[3]
      https://www.scientists4future.org/stellungnahme/stellungnahme-de/ (Stand: 12.9.2020).      sellschaft und Nonprofit-Organisationen.     Klimakonferenz im November 2019, veranstaltet von den Grünen Frauen Wien, der
                                                                                                 www.ruthsimsa.at
[4]
   Vgl. Anheier, H. K.: Entwicklungen der internationalen Zivilgesellschaft. In: Handbuch der
Nonprofit-Organisation. Strukturen und Management, edited by R. Simsa, M. Meyer and C. Badelt.   Publikationen unter: https://bach.wu-wien.
                                                                                                                                              Grünen Bildungswerkstatt Wien und WIDE – Entwicklungspolitisches Netzwerk für
Stuttgart 2013, S. 77—89.                                                                        ac.at/d/research/ma/1059/publications        Frauenrechte und feministische Perspektiven, sah genauer hin.

12                                                                                                                                                                                                                                                     13
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Je höher das Einkommen, umso             um Reissamen gegen den durch den        Rom oder Stockholm. Immer mehr                                                                                                                                                auf Seite

                                                                                                                                                                                                                                                              22
g rößer der ökolog ische Fußab -         steigenden Meeresspiegel versalz-       Großstädte werden von Frauen re-                                                     Voneinander lernen für ein gemeinsames Ziel:
druck. Frauen haben weltweit ge-         ten Boden resistent zu machen. Eine     giert. Ihre Ansätze erweisen sich                                                    Klimaschutzprojekte mit Migrant*innen.
ringere Einkommen als Männer             Inderin lernte mit Hilfe von Satelli-   als äußerst positiv für die Klima-
                                                                                                                                                                      Ein Best-Practice-Bericht von Sigrid Awart.
(in Österreich im Schnitt um 19,7%       teninformationen, die Fischer der       politik in diesen Städten und als
weniger), sie tragen entsprechend        Community vor herannahenden Wir-        wichtige Zukunftspolitik, da bis
weniger zur Erderhitzung bei, sind       belstürmen zu warnen. Wieder ande-      zum Ja hr 2050 voraussicht lich
aber aufgrund ihrer ökonomischen         re Frauen kümmern sich um saubere,      knapp 70 Prozent der Weltbevöl-
und gesellschaftlichen Situation         effiziente Energie für ihren Haushalt   kerung in Städten leben werden.
verwundbarer.                            und ihre kleine Produktion für den
Groß e Kon z er ne si nd ma ßgeb -       Markt sowie um Wassermanagement.        Die weiblichen Abgeordneten im           Nahrungsmittel. Für sie hat die                   Wir ältere Menschen                          Einzelne Personen können d ie
lich a n Umwelt zerstör ung und                                                  EU-Parlament zeigen ebenfalls            Erderhitzung katastrophale Folgen.                                                             völkerrechtlichen Verträge zum
Erderwärmung beteiligt. Sie sind                                                 deutlich mehr Verständnis für die        Enorme Hitzewellen, Dürrekatast-
                                                                                                                                                                            sind die von den                             Klimaschutz und zum Schutz der
großteils männerdominiert und             Frauen haben                           Notwendigkeit von Maßnahmen              rophen und Desertifikation drohen                 zunehmenden Hitze-                           Menschenrechte nur als Interpreta-
handeln nach patriarchal ausbeu-          weltweit ein                           für Umwelt und Klima. Das ergab          und damit einhergehend Hunger,                    wellen am stärksten                          tionsrahmen für nationale Verfas-
terischen, kapitalistischen und            geringeres Einkom-                    die Studie einer jungen österreichi-     Wassermangel und Gewalt gegen                     betroffene Bevölke-                          sungsbestimmungen heranziehen.
neol ib era len L og i ken. Umwelt                                               schen Politikwissenschafterin. Sie       Frauen. Männer können den Prob-                                                                Das geschah bereits in Deutsch-
                                           men als Männer und                    fand heraus, dass über alle Partei-
                                                                                                                                                                            rungsgruppe, denn
und vielfach auch Frauen werden                                                                                           lemen eher durch Migration, meist                                                              land, den Niederlanden und eben
ausgebeutet, vor allem im globalen         tragen entsprechend                   gruppierungen hinweg weibliche           Binnenmigration in die Städte, aus-               unsere Gesundheits-                          in der Schweiz mit weiterhin offe-
Süden.                                    weniger zur                            EU-Abgeordnete öfter Anträgen für        weichen. Frauen bleiben mit gravie-               beeinträchtigungen                           nem Ausgang. In all diesen Fällen
Und es sind oft Frauen, die sich          Erderhitzung bei.                      Umwelt- und Klimamaßnahmen               renden Problemen zurück.                          und unsere Mortalität                        sind Frauen federführend dabei.
zusammentun, um sich dagegen                                                     zustimmen als ihre männlichen
zu wehren.
                                          Trotzdem leiden sie                    Kollegen.
                                                                                                                                                                            ist besonders hoch.
                                                                                                                          In Asien besteht zwar eher die                                                                 Plädoyer für eine
                                          – insbesondere im                                                               Gefahr von wolkenbruchartigen                     Darum klagen wir                             feministische
Frauen als Klima-                          globalen Süden – viel                 Frauen sind mit anderen Lebens-          Regengüssen, was ein Wegschwem-                   gegen den Staat. (…)                         Klimapolitik
Akteurinnen                                mehr unter den                        realitäten als Männer konfrontiert.      men der Erde zur Folge hat, aber                  Wir fordern eine
                                                                                 Selbst in Europa kümmern sich            auch Dürre kann eine Bedrohung                                                                 Das EU-Parlament warnte bereits
                                          Folgen des                             Frauen überwiegend um Haushalt
                                                                                                                                                                            unabhängige gericht-
Frauen spielen eine signifikante                                                                                          sein. Der steigende Meeresspiegel                                                              2012 vor zusätzlicher Disk rimi-
Rolle bei Bemühungen um Maß-              Klimawandels.                          und Kinder, verrichten zwei Drit-        führt zu Versalzung von Küsten-                   liche Überprüfung                            nierung von Frauen durch die ka-
nahmen zur Begrenzung der Erd-                                                   tel der unbezahlten Arbeit. Sie sind     regionen. Auch hier sind Frauen                   der Klimapolitik.                            tastrophalen Auswirkungen der
erhitzung um nicht mehr als 1,5 °C.                                              vielfach in unterbezahlten Berufen       großteils für die Landwirtschaft                     Schweizer KlimaSeniorinnen                Erderhitzung. Es forderte die EU-
Die Fridays for Future-Bewegung          Frauen im globalen Süden betrei-        im Sozial- und Gesundheitsbereich,       zuständig, vor allem für die Be-                                                               Kommission und den EU-Rat auf,
wurde von einer jungen Frau ini-         ben oft eigene Saatgutbanken. Sie       in der Pf lege, im Handel etc. zu        wahrung und Weiterentwicklung                  aufgrund ihrer traditionellen von               den Genderaspekt in jede Phase
tiert. Laut Institut für Protest- und    haben ungeahntes Wissen über            finden und müssen oft Diskrimi-          des Saatg uts. Frauen in Indien                der Gesellschaft zugeteilten Rollen             der Klimapolitik zu integrieren. Ge-
Bewegungsforschung (ipb) in Ber-         ihre Pflanzen, das für die Aufrecht-    nierung erleben. Das bringt ande-        haben et wa bew iesen, dass sie                oft nicht in der Lage, sich und ihre            schehen ist das bis jetzt nicht. Aber
lin machen Frauen 60 Prozent der         erhaltung der Nahrungsproduktion        re Sichtweisen mit sich und damit        mit resilientem Saatgut aus ihrer              Kinder rasch in Sicherheit zu bringen.          Frauen müssen nicht nur gestärkt
Demonstrierenden für Klimaschutz         wichtig ist. In ihren Saatgutsamm-      offenbar eine andere Haltung zu          Sammlung Umweltprobleme lösen                                                                  werden, um Diskriminierung zu
au s . I m A m a z on a sgebiet m a r-   lungen finden sich Pflanzen, die        Umwelt- und Klimaschutz.                 können.                                        Klimaklagen                                     vermeiden. Die erste feministische
schieren indigene Frauen, um die         Dürre, Überflutung, Bodenversal-                                                                                                                                                Klimakonferenz hat gezeigt, dass
katastrophalen Auswirkungen der          zung widerstehen können. Dieses         Betroffenheit von Frauen                 Schon 2008 kamen über 400 inter-               In der Schweiz haben die soge-                  Frauen ganz wichtige Akteurinnen
Klimakrise auf ihre Lebensgrund-         Saatgut hat einen unschätzbaren                                                  nationale Wissenschafter*innen,                nannten K limaSeniorinnen die                   sind, die unterstützt werden müssen.
lagen aufzuzeigen. Dabei riskieren       Wert für die Anpassung der Land-        In Ländern des globalen Südens ist       die damals den Weltagrarbericht                S chwei z er Reg ier u ng au f m i n-
sie mitunter ihr Leben. Das im süd-      wirtschaft an klimatische Verän-        die Situation von Frauen meist viel      erarbeiteten, zu dem Schluss, dass             destens 25 P rozent Redukt ion                  Deshalb müssen die bestehenden
lichen Afrika aktive Frauennetz-         derungen.                               drastischer. Aber hier wie dort sind     es kleinteilige bäuerliche Landwirt-           der Treibhausgas-Emissionen bis                 patriarchal geprägten Macht- und
werk „WoMin“ (African Gender                                                     Frauen stärker von Krisen betroffen,     schaft für die Ernährung der Welt              2020 geklagt, damit der Schutz                  Verteilungsstrukturen geändert
and Extractives Alliance) gab ein        Politikerinnen für                      wie auch die Corona-Krise deutlich       braucht, auch wenn die Weltbevöl-              ihres Rechtes auf Leben gewahrt                 werden. Die Sorgearbeit der Frauen
Handbuch für Klima-Aktivistinnen         Klimaschutz                             zeigte. Hier wie dort gehen Krisen mit   kerung zunimmt. Hierfür ist das Wis-           bleibt. Denn ältere Frauen sind                 muss aufgewertet werden, ebenso
heraus – mit Informationen über                                                  Arbeitslosigkeit einher. Dabei verlie-   sen der Bäuerinnen und ihr Saatgut             am stärksten von extremer Hitze                 ihr Wissen und ihre Expertise im
Ursachen der Krise und Lösungs-     Auch in der Politik sind es eher             ren Frauen zuerst ihre Jobs. Die Co-     unerlässlich.                                  betroffen. Es wird bis zum Ende                 Süden wie im Norden. Wir brau-
ansätzen.                           Frauen, die zielführende Klimapo-            rona-Krise bestätigt das: 85 Prozent                                                    des Jahrhunderts eine Zunahme                   chen eine Reihe von Maßnahmen,
                                    litik vorantreiben. Anne Hidalgo,            der coronabedingten Arbeitslosen in      Naturkatastrophen, bei denen weit              der hitzebedingten Sterblichkeit                um die Geschlechterrollen auf-
In vielen Ländern des globalen      Bü rger mei ster i n von Pa r i s, a r-      Österreich sind Frauen.                  mehr Frauen als Männer sterben,                um 50 bis 200 Prozent erwartet.                 zubrechen – in der Politik, in der
Südens g ibt es Fraueng ruppen      beitet an einem grünen Paris mit                                                      werden zunehmen. Der Tsunami                   Trotzdem wurde ihre Klage in drei               Landwirtschaft, in der Ökonomie,
und -netzwerke, die sich um die     mehr Grünraum und Bäumen und                 Viele Frauen im globalen Süden           2004 in Südostasien etwa forder-               Instanzen abgelehnt. Nun ist sie                in der Gesellschaft. Und diese müs-
Anpassung ihrer Umwelt und ihrer    weniger Autoverkehr. Sie gründete            betreiben Subsistenzwirtschaft,          te 230.000 Tote, viermal so viele              beim Europäischen Gerichtshof                   sen jetzt in Angriff genommen wer-
Lebensgrundlagen an die Erder- das Bürgermeisterinnen-Netzwerk                   was mitunter auch ein k leines           Frauen wie Männer. Frauen sind                 für Menschenrechte.                             den. Es ist höchste Zeit.
wärmung bemühen. So entwickelte „Women4Climate“. Dazu gehören                    Einkommen am lokalen Markt er-
eine Frauengruppe auf der indischen u. a. die Bürgermeisterinnen von             möglicht. In Afrika produzieren          Die Video-Aufnahmen der Konferenz sind auf YouTube unter dem Stichwort „Feministische Klima-
                                                                                                                                                                                                                         Eva Lachkovics ist Vorstandsmitglied von WIDE
                                                                                                                                                                                                                         und Referentin der Grünen Frauen Wien.
Insel Sagar eine einfache Methode, A msterda m, Bogotá, Freetow n,               Fraue n bi s z u 8 0 P roz e nt de r     konferenz“ zu finden.                                                                          www.wide-netzwerk.at

14                                                                                                                                                                                                                                                                 15
116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
Alexander Winkler
                                                                                                                           zugrunde liegenden ökonomischen      Dass er damit nicht etwa den Ver-           Zielobjekte immer nur die „Anderen“
                                                                                                                           und politischen Strukturen stehen    zicht auf Flugreisen oder private           waren, die Ärmsten und Schwächs-
                                                                                                                           im Mittelpunkt der Analyse, sondern  PKW meint, stellt er abschließend           ten in den industrialisierten Ländern

                                                            us
                                                                                                                           ein fehlendes „Umweltbewusstsein“, klar, wenn er im Dreiklang dar-               ebenso wie die Menschen im Trikont.

                                                         ism
                                                                                                                           die Hinwendung zum „Materialismus“ auf verweist, was es brauche, um              Bevölkerungspolitik war und ist

                                                    Ra ss                                                                  und die damit zusammenhängende „die Verschiebung ganzer Bevöl-                   nie ein Instrument zum Wohle der
                                                                                                                           Abwendung von „Volk“ und „Heimat“. kerungsgruppen über den Erdball               Menschheit, sondern stets nur Mit-
                                                                                                                           Die Ursachen des Klimawandels und    zu stoppen“, nämlich „Eigen- statt          tel zur Absicherung von Herrschaft
                                                                                                                           der Umweltzerstörung werden hier     Fremdarbeit. Sesshaftigkeit statt Mig-      und Unterdrückung gewesen. Ihre
                                                                                                                           individualisiert und als Produkt ei- ration. Regionalität statt Weltbürger-      Geschichte erstreckt sich von der re-
                                                    k l i ma f                                                             nes egoistischen, materialistischen  tum.“ Der Konflikt in der Umwelt- und       pressiven Sozialpolitik des britischen

                                                                        reundl                                             Anspruchsdenkens dargestellt. Die    Klimafrage sei vordergründig einer          Geistlichen Thomas Robert Malthus

                                                                                            ich                            Lösung erscheint in einer neuen, auf zwischen „Globalist*innen“ und              über die Eugenik und „Rassenhygie-

                                                                                   t
                                                                                                                           materiellen Verzicht und Entsagung „Regionalist*innen“. Die einen stün-          ne“ der NS-Bevölkerungspolitik bis

                                                                                ck
                                                                                                                           gegründeten Moral, die man dem       den für Zersetzung und Zerstörung,          zu patriarchalen Repressions- und

                                                                              a
                                                                                                                          „Werteverfall“ entgegensetzt.         die anderen für das Konkrete und            Selektionsmaßnahmen wie Hormon-

                                                                         ver p                                             Migration als ökologisches
                                                                                                                           Problem – Rassismus
                                                                                                                          klimafreundlich verpackt
                                                                                                                                                                zu Bewahrende. In dieser Gegen-
                                                                                                                                                                überstellung werden antisemitische
                                                                                                                                                                Stereotype bedient.
                                                                                                                                                                                                            präparate oder Pränataldiagnostik.

                                                                                                                                                                                                            Ökodiktatur und
                                                                                                                                                                                                            die Lust am Untergang
                                                                                                                                                                   Ökologisierte
                                                                                                                           Wenn die Entfremdung von „Volk“, Bevölkerungspolitik                             Eine weitere sehr häufig anzutreffen-
                                                                                                                          „Heimat“ und „wesensgemäßen Wer-                                                  de rechtsökologische Argumentation
                                                                                                                           ten“ eine wesentliche Ursache für       Begrifflichkeiten wie Bevölkerungs-      in der Umwelt- und Klimabewegung
        Die extreme Rechte und die ökologische Frage                                                                       die lokale wie globale ökologische
                                                                                                                           Zerstörung sein soll, so ist es nur ein
                                                                                                                                                                   explosion und das Thema der „Über-
                                                                                                                                                                   bevölkerung“ gehören zu einer
                                                                                                                                                                                                            ist die von der Notwendigkeit eines
                                                                                                                                                                                                            starken Staates zur Durchsetzung
                                                                                                                           kleiner Schritt bis zu der Auffassung, breiten Debatte, die schon seit Jahr-     konsequenter ökologischer Politik.
                                                                                                                           Migrant*innen würden zu den vor- zehnten geführt wird. Der Tenor lau-            Diese Forderung nach Einschränkun-

E    ntgegen der weit verbreiteten Vorstellung, die extreme Rechte stehe auf der Seite
     der Klimawandelleugner*innen, begreift sich eine nicht zu unterschätzende Zahl an
                                                                                                                           rangigen Umweltbelastungen zäh- tet hier wie dort: Je mehr Menschen
                                                                                                                           len. Grenzschutz und „Remigration“ auf diesem Planeten leben, desto
                                                                                                                           erscheinen so als ökologische Ent- höher ist der Ressourcenverbrauch,
                                                                                                                                                                                                            gen von Grund- und Menschenrech-
                                                                                                                                                                                                            ten, die ihren reaktionären Charakter
                                                                                                                                                                                                            kaum noch verbergen kann, bedarf
rechtsextremen Gruppen und Einzelpersonen als Teil einer völkischen Umweltbewegung
                                                                                                                           lastung. Nicht nur weil „Völker“ als    desto mehr Schadstoffe werden            als Legitimationsgrundlage der apo-
und blickt dabei auf eine lange Geschichte konservativer bis faschistischer Strömungen                                     biologische Systeme höherer Ordnung     ausgestoßen und desto gewaltiger         kalyptischen Furcht vor dem Zusam-
zurück, die der Naturschutzbewegung historisch ihren Stempel aufdrückten. Die Gefahr                                       an sich zu gelten haben – in der aktu- und schneller droht der ökologische       menbruch der globalen Ökosysteme.
dieser Positionen besteht vor allem darin, dass sie bei Menschen, die sich selbst keinesfalls                              ellen Debatte werden vielmehr auch      Kollaps. Aus dieser eindimensiona-       Zur Sicherung des Überlebens der
als rechts begreifen würden, ideologische Anknüpfungspunkte finden. Eine Abhandlung                                        zeitgemäße Argumente ins Feld ge- len Analyse ergibt sich schnell die            Menschheit müssten deshalb die
der zentralen Argumentationsmuster der extremen Rechten in Bezug auf Ökologie,                                             führt. So plädiert Martin Sellner von   scheinbar folgerichtige Forderung,       in einer Demokratie überrepräsen-
Umwelt und Klimaschutz.                                                                                                    den neofaschistischen „Identitären“ die Geburtenraten – vor allem in den         tierten und als egoistisch gegeißel-
                                                                                                                           in einem Video auf YouTube dafür, „Entwicklungsländern“ – durch be-              ten Einzel- und Gruppeninteressen
                                                                                                                           dass Migrant*innen und Flüchtende       völkerungspolitische Maßnahmen           hinter das ökologische „Gemein-
Der Leitspruch vom Leben im Ein-          licher Emanzipation und die damit      Gegen Umweltzerstörung,                   in ihren Ländern oder zumindest in      zu verringern. Der Mensch wird auf       wohl“ zurücktreten. Gerade in der
klang mit der Natur, der bei großen       zusammenhängende Unmöglichkeit         Entfremdung und                           der Nähe ihres „angestammten Kul- diese Weise zum reduzierungswürdi-             aktuellen Klimabewegung mangelt
Teilen der Umwelt- und Klimabewe-         gesellschaftlicher Veränderung, die    Werteverfall                              turraums“ bleiben sollen. In Europa     gen ökologischen Problemfaktor, zur      es nicht an Vorschlägen, dass end-
gung auf Zuspruch stößt, kann sehr        Unterordnung des Einzelnen unter                                                 würden sie durch ihre veränderte, umweltpolitischen Schadenskatego-              lich „Experten“ regieren sollten, da
leicht auch als Leitlinie antiemanzi-     Zwangskollektive, die Trennung         Neben der Ableitung des Sozialen aus      nun westliche Lebensweise, durch        rie erklärt.                             die Dringlichkeit der Lage keine
patorischer Politik dienen. Denn der      in wer tes und unwer tes Leben         dem Reich der Natur treibt die extreme    ihr Konsumverhalten und ihren                                                    demokratischen Abwägungen und
Biologismus gehört zum Standardin-        sowie die Kontinuität von Unter-       Rechte vor allem ein Wertefundamen-       Energieverbrauch zur ökologischen       Wenn etwa in Trikontländern Hun-         Vermittlungen mehr zulasse. Wenn
ventar konservativer und faschisti-       drückung und Ausbeutung. Auch          talismus an, den sie der „dekadenten“     Zerstörung des Klimas beitragen. ger herrscht, weil auf einem Großteil           es aber nur mehr um die Frage des
scher Ideologien.                         die Naturalisierung von (binären)      modernen Lebensweise entgegen-            Migrant*innen werden hier zu den        der landwirtschaftlichen Nutzfläche      Überlebens geht, treten Fragen nach
                                          Geschlechterverhältnissen dient        setzen will. Die Einschätzung, dass       eigentlichen Umweltsünder*innen         statt Grundnahrungsmitteln für die       der sinnvollen und menschenwür-
Leben im Einklang mit                     hier der Absicherung patriarchaler     Umweltverschmutzung und Klima-            erklärt, die ein Mehr an Ressourcen- lokale Bevölkerung sogenannte Cash          digen Einrichtung der Gesellschaft
der Natur – Biologismus                   Herrschaftsbeziehungen. Menschen       wandel vor allem Ausdruck einer           verbrauch zu verantworten hätten.       Crops für den Export angebaut wer-       in den Hintergrund. Einer Klimage-
                                          werden dabei weniger als soziale       verfehlten Geisteshaltung und eines                                               den, gelten diese Länder schon als       rechtigkeitsbewegung sollte es aber
 Die Naturalisierung sozialer Ver-        Wesen gedacht, die zur Gestaltung      zunehmenden Werteverfalls seien, ist      In der Klima-Sonderausgabe der          überbevölkert, weil sie sich angeblich   gerade darauf ankommen.
 hältnisse sollte immer schon die         ihrer Umwelt fähig sind; vielmehr      innerhalb dieser Ökologiebewegung         rechtsextremen Postille Info-Direkt     nicht selbst ernähren können. Doch:
„unüber windbare“ Ungleichheit            folgt in dieser Vorstellung jegliche   weit verbreitet und schließt direkt an    widmet sich Eberhard Hubner dem         Wer genau gehört zur überschüssigen
                                                                                                                                                                                                             Alexander Winkler ist Mitglied der Forschungs-
 der Menschen legitimieren: die           Entwicklung starren und unverän-       eine rechte und konservative Kultur-      Thema Verkehrspolitik und prokla- Bevölkerung und wer nicht? Ein Blick            gruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit
 Notwendigkeit von Hierarchie und         derbaren Naturgesetzen, denen man      kritik an. Nicht die Umweltverschmut-     miert als Lösung: „Ökobewusst und       in die Geschichte und Gegenwart der       (FIPU) und Mitherausgeber des Sammelbandes
                                                                                                                                                                                                            „Untergangster des Abendlandes: Ideologie und
 Elite, die Schädlichkeit gesellschaft-   sich unterzuordnen habe.               zung oder die dem Klimawandel             nachhaltig durch Mobilitätsverzicht.“ Bevölkerungspolitik zeigt, dass deren       Rezeption der rechtsextremen ,Identitären‘“.

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116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
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