116 Grüne Bildungswerkstatt Wien
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» Inhalt ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG 116 04 Aushang Kurzmeldungen 05 Editorial Gamze Ongan 06 Stimmlage | Auf der Flucht Hakan Gürses 08–10 Globale Klimaerwärmung, Kapitalismus und „imperiale Lebensweise“ Andreas Weber 11–12 Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut! | Die Klimabewegung Ruth Simsa Covers: Fatih Aydoğdu | Collagen unter Nutzung von CC-lizensierten (histori- 13–15 Die erste feministische Klimakonferenz schen) Bildern aus Archiven von „Fondo Antiguo de la Biblioteca de la Universidad de Sevilla“ und „Biodiversity Heritage Library“. Eva Lachkovics Impressum 16–17 Rassismus klimafreundlich verpackt Die extreme Rechte und die ökologische Frage Alexander Winkler STIMME ist das vierteljährliche Vereinsblatt der Initiative Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten). 18–19 Mobilität im Kontext des Klimawandels und der „Protection Gap“ Medieninhaberin, Verlegerin, Herausgeberin und Redaktion: Margit Ammer und Monika Mayrhofer Initiative Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusam- menlebens von Minderheiten und Mehrheiten | ZVR-Zahl: 20–21 Ein Dreamteam!? Sie haben 393928681) | Gumpendorfer Straße 15/13, 1060 Wien | Tel.: +43 1 966 90 01 | office@initiative.minderheiten.at | Umweltbewusstsein, Islam und Jugend Elma Salo Fragen an das stimme@initiative.minderheiten.at Chefredakteurin: Gamze Ongan Redaktionelle Mitarbeit: Vida Bakondy, Beate Eder-Jordan, 22–24 Klimaschutz mit allen Bundeskanzleramt? mh, Jessica Beer, Raffaela Gmeiner, Cornelia Kogoj, Sabine Schwaighofer, Jana Sommeregger, Gerd Valchars, Vladimir Umweltprojekte für und mit Migrant*innen Sigrid Awart Wakounig Kolumnen: Hakan Gürses, Erwin Riess, Duygu Özkan 25–27 Wirtschaftliche Diskriminierung der Pflanzenkost service@bka.gv.at Grafisches Konzept, Artdirektion & Illustrationen: fazzDesign (Fatih Aydoğdu) | fazz@fazz3.net Valentina Kropfreiter und Felix Hnat Lektorat: Daniel Müller Herstellung (Repro & Druck): Donau Forum Druck Ges.m.b.H., 28–29 Die Figur des „weißen Juden“ in antirassistischen 0800 222 666 Walter-Jurmann-Gasse 9, 1230 Wien | Kontexten | Eine Spurensuche Leah Carola Czollek und Gudrun Perko office@dfd.co.at Mo bis Fr: 8 –16 Uhr Lizenznehmer Österreichisches Umweltzeichen. (gebührenfrei aus ganz Österreich) Verlags- und Erscheinungsort: Wien | 30 Groll Zum Tod von Eduard Riha Verlagspostamt: 1060 Wien Anzeigen: Ebru Uzun | office@initiative.minderheiten.at Erwin Riess +43 1 531 15 -204274 Aboservice: Ebru Uzun | abo@initiative.minderheiten.at Jahresabo: EUR 20,- Inland, EUR 30,- Ausland 31 Lektüre (für Vereinsmitglieder kostenlos), Einzelpreis: EUR 5,50 Rezensionen Web: www.initiative.minderheiten.at Bundeskanzleramt www.zeitschrift-stimme.at Ballhausplatz 1 www.facebook.com/zeitschriftstimme 32–33 Kennengelernt | Hildegard Breiner Namentlich gezeichnete Artikel müssen nicht unbedingt die 1010 Wien Meinung der Redaktion wiedergeben. Duygu Özkan Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: STIMME − Zeitschrift der Initiative Minderheiten ist das vierteljährliche Vereinsblatt der Initiative Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten) mit der grundlegenden Richtung gemäß §2 und §3 der Vereinsstatuten, die Kommunikation und das Zusammenleben von Minderheiten und Mehrheiten durch die Selbstdarstellung von Das Bürgerinnen- und Bürgerservice des Bundeskanzleramts Minderheiten und ihren Organisationen, durch Interviews, Erfahrungsberichte, wissenschaftliche Beiträge, Buch-, Periodika- und Tonträger- freut sich auf Ihre Fragen und Anliegen! besprechungen, aktuelle Nachrichten und Veranstaltungshinweise bzw. -berichte auf medialer Ebene zu fördern. Die Initiative Minderheiten (Verein zur Förderung des Zusammenlebens von Minderheiten und Mehrheiten) ist Medieninhaberin und Herausgeberin der Zeitschrift. Die bundeskanzleramt.gv.at Finanzierung der Zeitschrift erfolgt durch öffentliche Subventionen, Mitgliedsbeiträge, Abonnements und freiwillige Spenden. Die Adresse der Medieninhaberin und der Herausgeberin ist im Impressum angeführt.
Aushang Editorial Spendenaufruf für „Unverschämte Geschichten“ Dringender Aufruf zur Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager D ie derzeitigen durch die Covid-19-Pandemie bedingten Beschränkungen sollen zwar zum starken Rückgang der weltweiten Kohlendioxid- Ein Buch mit Texten von Michael Oertl und Bildern von Reinhard Walcher D er an die Präsident*innen der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats gerichtete Aufruf entstand in Zu- sammenarbeit von asylkoordination, Diakonie, fairness-asyl und Volkshilfe und emissionen geführt haben. An der Nachhal- tigkeit dieser Tendenz lässt sich allerdings kann von Organisationen sowie Personen des öffentlichen Lebens unterstützt zweifeln, ist sie doch Folge wirtschaftlicher U nverschämte Geschichten und verschämte Bilder heißt das Buchprojekt von Michael Oertl, Ideen- werden. Wir drucken den Originaltext ab. Einschränkungen und nicht politischer Ent- scheidungen. Oder mit den Worten des Vor- We urge the immediate evacuation We demand that access to the univer- geber und Mitbegründer der Initiative of the refugee camps and hotspots on sal human right to seek and be granted sitzenden des deutschen Klima-Konsortiums Minderheiten, mit dem Maler und Car- the Greek islands to avert a catastrophe asylum, as guaranteed by the European Mojib Latif: „Wenn wir nächstes Jahr weniger Das Thema Ökologie nimmt auch in rechten Ideologien ei- toonisten Reinhard Walcher, Oertls amidst the coronavirus pandemic. Charter of Fundamental Rights, should Staatsschulden aufnehmen als dieses Jahr, nen prominenten Platz ein. Der Rechtsextremismusforscher Das Teufelchen unter Teufeln | Reinhard Walcher Freund aus studentischen Tagen. More than 42,000 people are trapped immediately be restored and upheld. Das Buch wird im EYE-Verlag des on the islands in hopelessly overcrow- This includes accepting asylum applica- heißt das ja nicht, dass der Schuldenberg sinkt, Alexander Winkler schreibt über das biologistische Weltbild, Landecker Künstlers und Germa- ded camps and in horrific conditions. tions and considering them in fair asylum sondern er steigt weiterhin.“ Zur konsequen- den Wunsch nach einer „Ökodiktatur“ und den klimafreund- nistikprofessors Gerald Kurdoğlu Recommended measures like social procedures, not punishing people who ten Bekämpfung des Klimawandels braucht lich verpackten Rassismus der Rechten. alle Nitsche verlegt. distancing or frequent hand washing cross borders in order to make an asy- Gerne unterstützen wir dieses es keine Stilllegung der Wirtschaft, sondern Durch extreme Wetterereignisse werden wesentlich mehr are simply impossible. There is no hope lum application, and fully respecting the Vorhaben durch die Weiterleitung des of containing any outbreak within the principle of non-refoulement, which is ihren Umbau und noch viel mehr. Menschen vertrieben als durch kriegerische Konflikte. Spendenaufrufs. camps. It would endanger the elderly and currently being circumvented by illegal Der Klimawandel ist im Gegensatz zur Monika Mayrhofer und Margit Ammer vom Ludwig- Wenn Ihre Spende den Betrag von those with underlying health conditions, pushbacks. akuten Gefahr durch das Coronavirus, eine Boltzmann-Institut für Menschenrechte geben uns einen 30 Euro erreicht, bekommen Sie als both refugees and the local population. We, the undersigned civil society or- Dank ein persönlich signiertes Ex- Bedrohung auf lange Sicht. Er ist nicht nur Einblick in die (inter)nationale Mobilität im Rahmen des Kli- Time is of the essence. We urge emer- ganisations are confident, given our long emplar des Buches zugeschickt und gency action to guarantee the health and experience in caring for and advising ein Umwelt-, sondern auch ein massives mawandels und den rechtlichen Status der Betroffenen. Ihr Name erscheint auf der Liste von safety of the asylum seekers, the local refugees, that it is well within the EU’s Gerechtigkeitsproblem. Die Erderhitzung führt Das Migrantinnenzentrum Peregrina setzt seit 2012 Projekte Unterstützer*innen, die im Buch ab- population and the humanitarian aid capacity to cope with the current crisis unter anderem zu mehr Armut, zu mehr Flucht zum Empowerment von Migrantinnen zu nachhaltigem Leben für gedruckt wird. gerne die Kontodaten weiter. workers on the islands. The European on its external borders. We stand in so- und bewirkt die Zunahme nationalistischer um. Wir haben die Projektleiterin Sigrid Awart um einen Commission, the European Council and lidarity with the refugees and offer our Bei Interesse an einer Unterstüt- E-Mail an: the European Parliament must make help to avoid this looming humanitarian Tendenzen. Best-Practice-Bericht gebeten. zung gibt die Initiative Minderheiten office@initiative.minderheiten.at every effort to urge member states to catastrophe. Umweltbewusstsein und Islam: eine Selbstverständlichkeit fulfil their responsibilities and accept Für das Schwerpunktheft zu Klimawandel – auch für muslimische Jugendliche –, erzählt die Klimaakti- asylum seekers from Greece. www.urgentletter.at allen und Ökologie haben wir unsere Autor*innen vistin Elma Salo. Traditionen und überliefertes gebeten, das Thema in Verbindung zu und Und nicht zuletzt legen Valentina Kropfreiter und Felix aus der Perspektive von minorisierten gesell- Hnat von der Veganen Gesellschaft dar, wie Steuer- und Sub- Wissen von Minderheiten schaftlichen Gruppen zu beleuchten. ventionspolitik Tierprodukte begünstigen, während pflanzli- Am Beginn der Themenstrecke steht ein Bei- che Kost wirtschaftlich massiv benachteiligt wird. D as Nationale Verzeichnis für Immaterielles Kulturerbe folgt dem Leitsatz der Diversität und soll Die Eintragung ist mit keiner direk- ten Geldvergabe verbunden, sondern soll die Präsenz von Minderheiten im trag des Soziologen Andreas Weber, in dem er die Notwendigkeit eines Übergangs von der Diese Ausgabe entstand in redaktioneller Mitarbeit der der Sichtbarmachung von kulturellen Nationalen Verzeichnis stärken und zur „imperialen“ zu einer ökologisch nachhaltigen Grünen Bildungswerkstatt Wien (GBW). An dieser Stelle Praktiken dienen. Um diese Grund- Sichtbarmachung und Bewusstseins- Lebensweise unterstreicht. einen besonderen Dank an Cosma Stöger für die kompetente züge sicherzustellen, möchte die Ös- schaffung der kulturellen Praktiken Die Sozialwissenschaftlerin Ruth Simsa be- Unterstützung in der inhaltlichen Konzeption. terreichische UNESCO-Kommission und des Wissens aller in Österreich Klimaschutz mit besonders Minderheitenvereine und lebenden Menschen beitragen. trachtet die Klimabewegung im Kontext ande- Einzelpersonen dazu ermutigen, eine Um die Zivilgesellschaft in den In- rer sozialer Bewegungen und problematisiert Was Sie in diesem Heft noch erwartet: Im September 2020 Einreichung vorzubringen. ventarisierungsprozess einzubezie- die Diskreditierung der Klimaktivist*innen. verstarb Eduard Riha, Behindertenaktivist und langjähriger hen, sind Gemeinschaften, Vereine Im November 2019 fand in Wien die erste Generalsekretär der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Mit dem UNESCO-Übereinkommen zur und Einzelpersonen dazu eingeladen, Erhaltung des immateriellen Kulturerbes Vorschläge zur Aufnahme in das Ver- feministische Klimakonferenz statt. Wir ha- für Rehabilitation. Lesen Sie einen Nachruf von seinem Kolle- hat sich seit 2003 die Wahrnehmung zeichnis einzubringen. ben die Mitorganisatorin Eva Lachkovics gen und Nachbarn Erwin Riess in Groll. Außerdem eine Spu- von gelebten Traditionen, überliefer- (WIDE-Netzwerk und Grüne Frauen) gebeten, rensuche zu Antisemitismus in antirassistischen Kämpfen tem Wissen und Handwerkstechniken Kontakt: die Klimakrise in Bezug auf Geschlechterge- von Leah Carola Czollek und Gudrun Perko vom Institut grundlegend geändert. Cristina Biasetto E-Mail: biasetto@unesco.at rechtigkeit zu analysieren. „Social Justice and Radical Diversity“. In Kennengelernt stellt Österreich hat sich mit der Unter- Tel: 01/5261301-16 Duygu Özkan die Vorarlberger Umweltaktivistin Hildegard zeichnung des Übereinkommens dazu Fachbereich Immaterielles Kulturerbe Breiner vor. Julia Schönherr schließlich bespricht das Buch verpflichtet, das in Österreich prakti- Österreichische UNESCO-Kommission „Triumph der Ungerechtigkeit“ der Wirtschaftswissenschaftler zierte immaterielle Kulturerbe in Form eines Nationalen Verzeichnisses zu Emmanuel Saez und Gabriel Zucman – ein Plädoyer für ein dokumentieren und sichtbar zu machen. gerechteres Steuersystem. Das Nationale Verzeichnis des im- materiellen Kulturerbes in Österreich wurde 2010 eröffnet und zählt zum aktuellen Zeitpunkt 124 Einträge. Dazu Mögen der Herbst und der Winter nicht so düster und zählen unter anderem die slowenischen kalt werden, auch wenn es angesichts der aktuellen Flur- und Hofnamen in Kärnten, das politischen Lage schwerfällt, darauf zu hoffen. Liedgut der Lovara, die Österreichische Anregende Lektüre wünscht Gebärdensprache sowie Roman, die Sprache der im Burgenland lebenden Roma. Gamze Ongan | Chefredakteurin
Stimmlage Hakan Gürses Auf der Flucht u t z c h O as ktober 2026. Eine Gruppe von drei Männern und zwei Frau- Herzen handeln sollen, ein Denkmal für die Corona-Kinder oder en unterschiedlichen Alters sitzt im Laderaum eines LKW. für den Opa, zum Beispiel. Sie sehen müde und ungewaschen aus. K., ein Anfang- i m Vierziger mit besonders großen, abstehenden Ohren, seufzt laut. N.: Geh bitte, Karo, dein Herz ist so kalt wie der Kangerlussuaq- l Gletscher. Was war denn dein Ressort glei? Ministerin für K K.: Das hast du super eingefädelt, Karli, vielen Dank auch! Überflüssiges? Hahaha! Ich war immerhin der Minister der Tat. In jedem Kommunikationstraining hast zu uns gsagt: Immer grauslicher reden als der Kickl! In jeder Strategiesitzung E.: Darum musstest unbedingt das Lager in Lenningen an- mit der Partei hast zu uns gsagt: Immer rechts vom Strache zünden! Brutalo! stehen! Das hamma jetzt davon. Die Blauen haben die letzte Wahl gewonnen, paktieren mit den grauslichen HC’lern, und N.: Das war doch nicht ich, das war der Gernot, er wollte es die Grünen sagen, sie müssen diese Koalition unterstützen, all dem Ludwig in die Schuhe schieben, aber der war schon in ein weil sonst würden die Türkisen mit dem Strache regieren. Lager in Flaxweiler verlegt worden. Leider haben’s den Gernot Alle Medien gleichgeschaltet, ein Teil an russische Oligarchen in flagranti erwischt. Das konnte ich doch nicht vorausahnen, en verscherbelt, das Parlament abgeschafft, die Todesstrafe ich war nur der Kommunikationsstratege bei der Sache. wieder eingeführt. Und wir stehen auf einer Liste der Lan- desverräter. Kann nur sagen: Bravo! R.: fixiert einen Punkt an der Wand des Laderaums Oh Gott, es ist so heiß hier, ich kriege keine Luft! Basti, was wohl aus unseren N.: I kann ja nix dafür, Basti. Da Hofa war’s. Werte-Kursen geworden ist? Aber ich sehe schon, ihr Männer habt eine Parallelgesellschaft gebildet! Ist zumindest unser N., ein ergrauter, ansehnlicher Mann mit athletischem Körperbau, Fahrer ein EU-Bürger? Ich war immer für ein gemeinsames schaut zu S. hinüber, dem Ältesten in der Runde in einem zerschlis- Europa. senen Maßanzug samt Stecktuch, der mit gesenktem Kopf auf dem für Boden sitzt und vor sich hinmurmelt. N.: Ein Türke ist er. In der Eile hob i niemanden sonst auftrei- ben können. N.: Na, Xandi, du sagst nix? Du warst ja der, der damals in der ZiB die Fassung verloren hat. I hob do immer gsagt: Ruhig R.: Türke? Oh Gott, ich kriege keine Luft. Integration passiert bleiben, Xandi, du bist eh a Blaublütler, de haben di so und so nicht, nur weil wir alle tolerant genug sind. Basti, tu was! super gern. Und i muss die eingebrockte Suppn auslöffeln jetzt. Echt oag hearst! K.: Oh, wie mir der Gernot in solchen Momenten fehlt! Diese Scheißmerkel! Sie ist immer noch Chefin und sagt, sie wolle e S. murmelt weiter vor sich hin und singt zwischendurch eine unbe- keinen einzigen Österreicher aufnehmen! Schon gar keine stimmte Melodie. R., die jüngere der beiden Frauen, fixiert einen türkisen oder schwarzen, so eine Rassistin diese Piefketante! all Punkt an der Wand des Laderaums. „Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren!“, sagt sie. Und: „Werden dem luxemburgischen Weg nicht folgen.“ Sie R.: redet abgehackt wie ein Roboter Ich war es, die die Paral- hat uns Decken nach Luxemburg schicken lassen. Der Seehofer lelgesellschaft verhindert hat, nicht die FPÖ, nicht der HC. hat’s eigenhändig hergebracht, der Verräter! Und das ist der Dank des Volkes! Österreich ist ein Land der Chancen, aber jeder muss sich um sich selbst bemühen, habe R.: fixiert einen Punkt an der Wand des Laderaums Wir müssen ich gesagt. Basti, wie geht mein nächster Satz jetzt? Keine mit dem Hirn entscheiden, nicht mit dem Herzen! Gell, Basti? Parallelgesellschaften, bitte! Basti? Das Wichtigste wäre der richtige Zugang: eine restriktive Migrationspolitik und E.: Nicht einmal die herzlosen Rumänen helfen uns, dabei hatte Verpflichtungen in der Integration. ich in der ärgsten Corona-Krise die rumänischen Pflegerinnen in unseren ÖBB-Zügen nach Österreich geholt, damit es ihnen K.: Red doch kan Unsinn, Susi! Wir sind jetzt die, die auf der gutgeht bei uns. Flucht sind, verstehst? Wir sitzen im verschlossenen Laderaum eines LKW und fahren zur luxemburgisch-deutschen Grenze, N.: Ob wir es über die deutsche Grenze schaffen werden, okay? Syrien, Afghanistan und Irak wollten uns nicht nehmen, ohne dass die deutschen Kollegen den Laderaum aufmachen? nicht einmal die Türkei. Wenn wir’s nur schaffen könnten, über Deutschland nach Grönland zu kommen! Ich habe dort eine S. fängt an, laut zu singen, und fällt plötzlich um. An seinem Mund Großtante, ich stamme praktisch aus Nuuk. hat sich Schaum gebildet. R. kriegt keine Luft und fällt in Ohnmacht. E., eine Frau mit eisigem Blick, schaut K. eisig an. R.: wiederholt abgehackt und monoton in Endlosschleife Parallel- gesellschaft – Parallelgesellschaft – Parallelgesellschaft ... E.: Die Kinder in Moria, die hatten mich so betroffen gemacht damals, vor fünf Jahren. Da habe ich an den Tod meines K.: Ich hab‘s schon damals gesagt: Es wird nicht ohne häss- Großvaters denken müssen, ich habe in dem Moment gespürt, liche Bilder gehen. dass man das nicht vergessen darf. Ich hätte da nach meinem 06 »
Andreas Weber Globale ethisch akzeptable und politisch neue Lebensweise entstanden. Sie die Mehrzahl der Bürgerinnen und sinnvolle Perspektive, vor der dro- kann im Anschluss an Brand und Bürger – etwa in Österreich – nicht henden ökologischen Katastrophe Wissen als „imperiale Lebensweise“ bereit ist, aus Klimaschutzgründen die Augen zu verschließen: zum ei- bezeichnet werden. Da sie systemisch auf Flugreisen oder privaten Auto- Klimaerwärmung, nen, weil die Erwachsenengeneration der Gegenwart nicht das Recht hat, die ökologischen Lebensgrundlagen gegenwärtig und zukünftig lebender an die Marktökonomie gekoppelt ist, ist sie auch mit der gewinnmaximie- renden Ausbeutung von Menschen und Natur strukturell verwoben. besitz zu verzichten, die Ernährung ökologisch nachhaltig zu gestalten, Energie aus regenerativen Quellen zu beziehen oder etwa klimapolitisch Menschen durch einen extrem res- Mit der Globalisierung der kapitalis- engagierte Parteien zu wählen. Viel- Kapitalismus sourcen- und kohlenstoffintensiven Lebensstil zu zerstören; zum ande- ren, weil es auch weiterhin möglich ist, die Dynamik der globalen Klima- tischen Marktökonomie haben sich die Strukturen einer „imperialen Lebensweise“ in globaler Dimension zu verbreiten begonnen. Insbeson- mehr wird es quer durch alle ge- sellschaftlichen Schichten hinweg als eine Art „natürliches“ Recht be- griffen, eine Lebensweise zu prakti- und erwärmung durch die Reduktion der Emission von klimaschädlichen THG dere in den Schwellenländern des Globalen Südens durchdringen sie zieren, die mit der Ausbeutung von Menschen und der Zerstörung unse- positiv zu beeinflussen. inzwischen die alltäglichen Praxen rer natürlichen Lebensgrundlagen „imperiale von immer mehr Menschen – wie bei- strukturell verbunden ist. Ein impe- Dies erfordert allerdings nicht nur spielsweise an der Verbreitung von rialer Lebensmodus – beispielsweise eine ökologisch nachhaltige Reorga- Plastikverpackungen, motorisiertem von Urlaubern in Schwellenländern, nisation von Gesellschaft und Wirt- Individualverkehr, industriell gefer- die sich über unasphaltierte Straßen, schaft, sondern auch den Übergang tigten Lebensmitteln mitsamt ihren mit Plastik vermüllte Strände oder Lebensweise“ von einer „imperialen“ zu einer öko- logisch nachhaltigen Lebensweise. gesundheitlichen Folgeproblemen nachzuvollziehen ist. bettelnde Kinder echauffieren – ist überdies oftmals mit einem Gefühl Was unter dem Konzept einer „impe- der kulturellen Überlegenheit ver- rialen Lebensweise“[1] zu verstehen In den demokratisch verfassten bunden.[2] ist, wird im Folgenden umrissen. Marktgesellschaften ist die A-Moral Eine Skizze einer „imperialen Lebensweise“ in Die Gleichgültigkeit der Mehrheit I. einer komplexen Weise im politi- der Bürgerinnen und Bürger in Ös- Die Krise der Umwelt ist eine Krise schen und kulturellen System ver- terreich wie auch in anderen markt- der modernen Gesellschaft. Denn ankert. Dies zeigt sich zum einen gesellschaftlichen Demokratien des E im geschichtlichen Rückblick wird in einer marktökonomisch funk- Globalen Nordens gegenüber dem s ist wissenschaftlich unbestritten und empirisch vielfach belegbar, dass wir gegenwärtig ersichtlich, dass die vormodernen tionalen Verabsolutierung von in- Recht aller Menschen auf Gerechtig- drauf und dran sind, die ökologischen Grundlagen der menschlichen Gesellschaften Gesellschaften sich aufgrund ihrer dividuellen Freiheitsrechten; zum keit hat eine ethnozentrische Dimen- unumkehrbar zu zerstören. Im Fokus der Diskussion steht seit einigen Jahren das Problem subsistenzökonomischen Lebens- anderen in der Marginalisierung sion. Sie zeigt sich in der politischen weise bis in die Neuzeit weitgehend der Gerechtigkeitsproblematik und Praxis darin, dass vorwiegend Par- der globalen Klimaerwärmung. Zurecht, denn aufgrund ihrer exponentiellen Dynamik hat sie im Gleichgewicht mit der Natur be- ihrer sozial opportunistischen und teien an die Macht gewählt werden, das Potenzial, die Menschheitsgeschichte in den nächsten zwei Jahrhunderten in eine globale in der Regel überdies ethnozent- fanden. Der Verbrauch an natürli- die aus ökonomischen Gründen an Katastrophe münden zu lassen. chen Ressourcen war gering, der von rischen Interpretation. So gibt es den ökologisch und sozial katastro- fossilen Energieträgern wie Kohle, unter der Mehrheit der Bürgerinnen phalen Strukturen einer „imperialen Öl oder Gas inexistent. Mit der Ent- und Bürger in den demokratisch Lebensweise“ weitgehend kritiklos stehung einer kapitalistischen, auf verfassten Marktgesellschaften den festhalten. Zurecht hat die Ökonomin permanentes Wachstum program- zumeist impliziten Konsens, das Tonny Nowshin darauf hingewiesen, Angesichts des globalen Emissions- zur Folge haben könnte. Träfe dieses von Gesellschaft, Wirtschaft und mierten Marktökonomie ändert sich Recht auf Freiheit primär aus einer dass diesem politischen Verhalten niveaus an Treibhausgasen (THG) Klimaszenario ein, wäre menschli- Lebensweise unter dem Aspekt der das Verhältnis zwischen Gesellschaft besitzindividualistischen und kon- ein struktureller „Rassismus“[3] zu- wird seitens der Klimawissenschaf- ches Leben, wie wir es kennen, auf ökologischen Nachhaltigkeit grund- und Ökologie grundlegend. Erstmals sumistischen Perspektive verstehen grunde liegt. ten ein Anstieg der globalen Durch- der Erde nicht mehr möglich. legend zu reorganisieren. Selbst wird es geschichtlich möglich, durch und dem Recht auf Gerechtigkeit auf schnittstemperaturen (GDT) von wenn dies bis zum Jahr 2050 gelän- die Organisationsform einer Gesell- nationaler und erst recht auf globaler Die marktökonomisch integrier- mehr als 4 °C noch im 21. Jahrhun- Dass die Stabilisierung des Klima- ge, so ist noch keineswegs klar, ob schaft die ökologischen Lebens- und intergenerationaler Ebene über- ten Strukturen einer imperialen dert für möglich gehalten, was auf- systems gelingen wird, ist theore- wir nicht schon den point of no return grundlagen aller Menschen in einer ordnen zu können. Lebensweise durchdringen die grund der exponentiellen Dynamik tisch zwar weiterhin möglich, wird überschritten haben und die komple- unumkehrbaren Weise zu zerstören. Lebenspraxen der Menschen aus- der globalen Klimaerwärmung (z. B. allerdings praktisch zusehends xe Dynamik der globalen Klimaer- Mit der Entstehung der kapitalisti- In der alltäglichen Praxis zeigt sich nahmslos aller gesellschaftlichen Methanfreisetzung durch Abtauen unwahrscheinlicher. Denn hierzu wärmung – Stichwort: Kipppunkte schen Marktökonomie ist auch eine dies beispielsweise daran, dass Schichten – auch der Menschen mit von Permafrostböden, Verlust von wäre es erforderlich, innerhalb der – überhaupt noch unter Kontrolle Migrationshintergrund. In kultu- Der Begriff entstammt der Publikation von Brand, U./Wissen, M. (2017), Imperiale Lebensweise. reller Dimension werden sie durch [1] natürlichen Senken durch Vernich- nächsten drei Jahrzehnte die ge- bringen können. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus, München: Ökonom Verlag – und tung von Wäldern und Übersäue- schichtlich gewachsenen, mit dem findet sich dort ausführlich erörtert. ein Unwissen bezüglich ihrer öko- rung der Meere usw.) einen Anstieg exzessiven Verbrauch von fossilen Auch wenn es wenig Grund zu Op- [2] Vgl. Brand/Wissen, a. a. O., S. 45. logisch und sozial zerstörerischen der GDT um 8 °C im 22. Jahrhundert Energien gekoppelten Strukturen timismus gibt, so ist es doch keine [3] Vgl. https://taz.de/Klimakrise-und-Rassismus/!5691419/ (Stand: 12.9.2020). Folgen abgesichert. Die Produktion 08 09
Ruth Simsa dieses Unwissens ist gesellschaft- Die Stabilisierung des wie häufige Flugreisen, massive hier, lich institutionalisiert – z. B. in Form PKW-Nutzung, aber auch durch Er- Klimasystems ist schulischer Bildungsprogramme, Re- nährung, Wohnen, Energieverbrauch flexionstabus in den Massenmedien – und wird im Prozess der Sozialisati- theoretisch zwar noch möglich, wird aber oder den exzessiven Konsum von glo- bal produzierten und transportierten Wir sind laut, on von Kindesbeinen an ausgebildet. praktisch immer Gütern (z. B. elektrische Geräten). Gleiches ist bezüglich der fehlenden unwahrscheinlicher. oder nur geringen Motivation fest- zustellen, diesen Zustand der Un- Vielleicht haben wir auch schon den Während sich die THG-Emissionen der oberen Schichten in den Län- wir sind wissenheit und Gleichgültigkeit zu dern des Globalen Nordens und point of no return überwinden. überschritten. Südens zusehends angleichen, las- sen sich bei den unteren Schichten weil ihr uns II. Zukunft massive Unterschiede ausmachen – Die Struktur einer imperialen Le- Lebensweisen ca. fünf Mal mehr an innerhalb der Länder des Globalen bensweise kann als „Metastruktur“ betrachtet werden, die das Leben der meisten Menschen in kapita- THG, als es in den Ländern des Glo- balen Südens der Fall ist. In einigen Ländern der afrikanischen Subsaha- Nordens sowie im Vergleich zum Globalen Süden. So zeigen die Er- gebnisse einer europäischen Studie, die klaut! listischen Gesellschaften und fort- ra liegen die CO2-Emissionen sogar dass das Niveau an THG-Emissionen schreitend auch in Schwellenländern unter 0,05 Tonnen pro Kopf und Jahr in den unteren Schichten von reiche- bestimmt. Sie wird von einer globa- und sind damit ca. 200 Mal geringer ren EU-Ländern wie Deutschland, len Kulturindustrie zudem als norma- als in Österreich. Frankreich oder den Niederlanden tives Leitbild verbreitet. Betrachten weit über den klimapolitischen Zie- wir ihr ökologisches Destruktions- Große Unterschiede zeigen – zwei- len des Pariser Abkommens liegt. potenzial, lassen sich beträchtliche regionale und schichtspezifische Un- tens – die THG-Emissionen der ver- schiedenen Gesellschaftsschichten. Hingegen liegen die Lebensstilemis- sionen von 50 Prozent der Bevölke- Die Klimabewegung terschiede ausmachen, wie anhand So verursachen laut einer Oxfam- rung in Rumänien und noch von 20 der lebensstilbedingten Emission Studie rund 10 Prozent der Weltbevöl- Prozent der Bevölkerung in Ungarn, von klimaschädlichen THG gezeigt kerung, die der Schicht der Reichen Lettland und Kroatien unter diesem werden kann. Zunächst ist festzuhalten, dass die angehören, rund 50 Prozent der glo- balen THG, wohingegen die 50 Pro- zent der armen Weltbevölkerung nur Wert.[7] Im Vergleich zu den Ländern des S oziale Bewegungen sind ein wichtiges Element der Demokratie. Wir alle profitieren von den Aktivitäten vorangegangener Bewegungen, sie haben wichtige gesellschaftliche globalen Emissionen an anthropo- für 10 Prozent der globalen THG ver- Globalen Südens ergeben sich noch Veränderungen erwirkt. Soziale Rechte, formale Gleichberechtigung von Frauen oder genen THG (CO2-Äquivalent) bis zum antwortlich sind.[5] In Europa, wo 22 drastischere Unterschiede. So pro- Umweltschutzgesetze etwa gehen auf das Engagement von AktivistInnen zurück. Jahr 2030 auf 2,5 bis 3,3 Tonnen pro Prozent der globalen THG entstehen, duzieren die Mitglieder der unteren Es macht daher Hoffnung, dass gegenwärtig viele Menschen in der Klimabewegung Kopf/Jahr und zwischen 2050–2070 zeigt sich ein vergleichbares Muster. Schichten in Ländern der Subsahara engagiert sind. sogar gegen Null sinken müssen, [4] So werden laut einer Studie, die Da- kaum klimaschädliche THG. In Bu- um die Pariser Klimaziele zu errei- ten in 26 EU-Ländern erhoben hat, rundi beispielsweise, wo die Men- Obwohl die Klimabewegung für uns Die Klimakrise stellt eine globale Be- Dabei haben diese Gruppen am we- chen und die Erderwärmung im Ver- von 10 Prozent der Bevölkerung rund schen mehrheitlich in ländlichen alle wichtig ist, werden die Aktivis- drohung dar. Wie die meisten Krisen nigsten zur Krise beigetragen. gleich zum vorindustriellen Niveau 27 Prozent und von weiteren 40 Pro- Subsistenzökonomien leben und tInnen mit Hass und Abwertungen be- wirkt sich auch diese besonders auf nicht über 1,5 °C ansteigen zu lassen. zent rund 47 Prozent der THG produ- ein marginales Verbrauchsniveau an dacht, von „Klimahysterie“ ist die Rede, benachteiligte gesellschaftliche Grup- Die Gefahr ist wissenschaftlich unbe- Hiervon sind wir gegenwärtig weit ziert, wohingegen auf 50 Prozent der fossilen Energien aufweisen, werden die Gallionsfigur Greta Thunberg wird pen aus. Viele Länder des Globalen stritten. Die Menschheit überschreitet entfernt, was – erstens – im Emissi- Bevölkerung der unteren Schichten weniger als 0,05 T/CO2 pro Jahr und als „verhaltensgestört“ bezeichnet, Südens sind besonders von der Klima- immer mehr ökologische Belastungs- onsniveau der Länder des Globalen nur 26 Prozent entfallen.[6] Bei einem Person emittiert – einschließlich (!) manche wünschen ihr via Facebook erwärmung betroffen, während die rei- grenzen des Planeten und zerstört da- Nordens sowie fortschreitend auch Prozent der Bevölkerung – die Grup- der in urbanen Zentren lebenden Mit- sogar den Tod. Auch andere Aktivis- chen industrialisierten Länder mit den mit ihre eigenen Lebensgrundlagen.[2] der Schwellenländer begründet pe der „Superreichen“ – liegen die glieder der oberen Schichten. tInnen, vor allem junge Frauen, sind Auswirkungen der Klimakrise besser Im Pariser Klimaschutzabkommen von ist. So produzieren die Menschen jährlichen THG-Emissionen sogar bei Es ist insofern von besonderer nor- Feindbilder im Netz. Der Klimabewe- zurechtkommen, auch weil sie mehr 2015 haben sich daher alle Staaten völ- in den Ländern des Globalen Nor- 65 T/CO2-Äquivalent pro Person. Die mativer und politischer Brisanz, dass gung insgesamt wird regelmäßig un- Mittel für Anpassungsmaßnahmen kerrechtlich verbindlich verpflichtet, dens aufgrund ihrer ressourcen- meisten der klimaschädlichen THG es gerade die Menschen aus Ländern terstellt, sie werde zentral von einem haben. Wassermangel, Lebensmit- die globale Erwärmung deutlich unter intensiven und klimaschädlichen entstehen dabei durch Aktivitäten und Schichten mit einer klimaver- Unternehmen gesteuert und wolle ein telknappheit bis hin zur Überflutung 2 °C zu halten und Bemühungen an- träglichen Lebensweise sind, die totalitäres System aufbauen.[1] Salopp ganzer Inseln bedrohen und vernich- zustellen, die Erwärmung auf 1,5 °C zu den ersten Opfern der globalen könnte man sagen: Die AktivistInnen ten die Lebensgrundlagen der betrof- zu begrenzen. Dennoch erreichen die [4] Ivanova, D./Wood, R. (2020), The unequal distribution of household carbon footprints in Europe and its link to sustainability. Global Sustainability, 3, E18. doi:10.1017/sus.2020.12, S. 1. Klima-erwärmung zählen.[8] provozieren viel Widerstand, weil sie fenen Menschen. Auch in ökonomisch meisten Länder dieses Ziel nicht. Das [5] Vgl. https://oi-files-d8-prod.s3.eu-west-2.amazonaws.com/s3fs-public/file_attachments/ recht haben. Und weil die Verände- gut entwickelten Ländern sind es vor Thema wird von Seiten der Politik ver- mb-extreme-carbon-inequality-021215-en.pdf (Stand: 12.9.2020). Andreas Weber, Studium der Soziologie, Geschichte und Philosophie, ist Lektor an rungen, die sie anmahnen, (Macht-) allem sozial marginalisierte Personen, nachlässigt und zum Teil sogar herun- [6] Ivanova/Wood, a. a. O., S. 3ff. den Universitäten Wien und Innsbruck. Er Verhältnisse in Frage stellen. die besonders darunter leiden (werden). tergespielt. [7] Vgl. ebd., S. 6. lehrt und forscht u. a. zu Theorien der Gesell- Eine umfassendere Version dieses Textes findet sich demnächst auf der Homepage der GBW [8] schaft, Wissenssoziologie/interkulturellem unter dem URL: https://www.gbw.at/wien/veranstaltungen/ereignisansicht/event/klimawandel- Verstehen, Religionssoziologie, Krise der [1] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/feindbild-greta-thunberg-101.html (Stand: 12.9.2020). Daher hat sich in den letzten Jahren und-lebensweise-ein-forschungsprojekt-mit-jugendlichen. Ökologie und Klimawandel. [2] https://www.attac.at/ziele/klimagerechtigkeit (Stand: 12.9.2020). der Protest für eine nachhaltigere 10 11
Eva Lachkovics ökologische Politik sehr verstärkt. Öffentlichkeit ein zentrales Erfolgskri- Besondere mediale Aufmerksamkeit terium für soziale Bewegungen. His- fanden die von Greta Thunbergs Schul- streiks ausgehenden Demonstrationen Vieles, was torisch gesehen, wurden die meisten „neuen“ Themen zuerst von Zivilge- und Streiks der zivilgesellschaftlichen für uns heute sellschaft und sozialen Bewegungen Organisation Fridays for Future. Mit diesen eher jungen Menschen protes- selbstverständlich auf die politische Agenda gesetzt. tieren aber auch viele weitere Akteu- ist, wurde Gegenwärtig gewinnen soziale Bewe- rInnen, etwa die Parents for Future, Scientists for Future und andere Or- von sozialen gungen insgesamt wieder an Bedeu- tung. Es gibt eine massive Zunahme ganisationen wie Extinction Rebelli- Bewegungen von zivilgesellschaftlichem Protest on und System Change not Climate Change. Im letzten Jahr gab es die erkämpft. und Aktivismus. In der Finanzkrise waren in der EU regelmäßig Milli- weltweit größten Klimademonstrati- onen Menschen auf den Straßen. onen aller Zeiten, überall gründeten Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bo- Occupy, der Arabische Frühling sich lokale und überregionale Klima- denschutz bei weitem nicht ausreichen. oder die Bewegung der Empörten initiativen. Es ist eine breite soziale Dennoch werden AktivistInnen der in Spanien wie auch die Gezi-Park- Bewegung, die sich hier formiert. Ihr Bewegung oft nicht ernst genom- Proteste in der Türkei hatten ab 2011 Ziel ist ein Kurswechsel in der Klima- men, persönlich verhöhnt und dis- hohe Mobilisierungseffekte. 2015 und Umweltpolitik, die Einhaltung kreditiert. Immer wieder sind sie leistete die Zivilgesellschaft wesent- des 1,5-°C-Ziels des Pariser Klimaab- auch von struktureller Gewalt be- liche Beiträge zur Bewältigung der kommens und globale Klimagerech- troffen, etwa von ungerechtfertigten Flüchtlingskrise. In Hongkong und tigkeit. Festnahmen. Dies entspricht einer Weißrussland protestieren gegenwär- Tradition des Umgangs mit sozialen tig BürgerInnen unter großer persön- Klimagerechtigkeit bedeutet, dass Bewegungen.[3] licher Gefahr für Demokratie. nicht einfach CO2-Budgets aufge- teilt werden und reiche Länder oder Vieles, was für uns heute selbstver- Das letzte Jahrzehnt wird daher in der Personen somit weniger ändern müs- ständlich ist, wurde von sozialen Sozialforschung insgesamt als Phase sen, sondern dass gesellschaftliche Bewegungen erkämpft. Dies ging weltweiter und umfassender Mobi- Strukturen und Machtverhältnisse, allerdings immer mit Abwertungen lisierung gekennzeichnet. Es wird die die Klimakrise verursacht haben, und großem individuellem Einsatz argumentiert, dass gegenwärtige verändert werden. der AktivistInnen einher, oft wurden Gesellschaften als „social movement Graphic Recording der Feministischen Klimakonferenz | Gudrun Jöller sie deswegen persönlich angegriffen. societies“ gesehen werden können, Klimagerechtigkeit heißt, dass jeder Das Frauenwahlrecht etwa wurde von charakterisiert durch die wachsende Mensch das gleiche Recht hat, die den Sufragetten hart erkämpft, Arbeits- Bedeutung von Protest. Im Unterschied Atmosphäre zu nutzen, ohne sie zu rechte, die heute selbstverständlich zu älteren sozialen Bewegungen sind stark zu belasten. Es muss sicherge- stellt werden, dass die globale mitt- sind, verdanken wir dem Einsatz von KämpferInnen der Arbeiterbewegung. die gegenwärtigen zunehmend schich- ten- und generationenübergreifend,[4] Die erste lere Temperatur unter jenem Wert Viele AktivistInnen wurden in der Ge- wobei besonders großes Mobilisie- bleibt, der die Lebensbedingungen schichte für ihren Einsatz eingesperrt, rungspotenzial bei der Gruppe der un- auf der Erde in Gefahr bringt. Kli- manche auch getötet. ter Dreißigjährigen besteht. maschutz w ird somit zu einem feministische Menschenrecht. Klimagerechtigkeit Soziale Bewegungen sind für jene, die Gerade jene Generation, der lange Zeit braucht nachhaltige Lösungen, wie von gegebenen Verhältnissen profitie- politisches Desinteresse nachgesagt z. B. ein ökologisches Energiesystem, ren, oft unbequem. Sie stellen „Nor- wurde, engagiert sich also heute ver- solidarische Agrarwirtschaft oder malitäten“ in Frage, kämpfen für die mehrt. Statt der oft kritisierten „neo- ein sozial-ökologisches Wirtschafts- Veränderung von Machtverhältnissen, liberalen Selbstoptimierung“ treten Klimak nferenz und Handelssystem. lenken den Blick auf Missstände und zunehmend Menschen jeden Alters wollen Änderungen erwirken. Sie für Solidarität ein, für Gerechtigkeit WissenschafterInnen argumentieren, widmen sich damit der Bearbeitung und für ökologisch nachhaltige Poli- dass die Proteste der AktivistInnen von Problemen, die sonst nicht aus- tik. Dies ist ein gutes Zeichen. Ob es für Klimaschutz und den Erhalt un- reichend Beachtung fänden. Ihr Mobi- ausreicht, wird sich zeigen. serer natürlichen Lebensgrundlagen lisierungspotenzial verdanken sie der berechtigt und gut begründet sind, da die derzeitigen Maßnahmen zum Wahrnehmung von Risiken. Mangels Geld und Macht ist Resonanz in der Ruth Simsa ist Professorin am Institut für Soziologie an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Forschungsschwerpunkt Zivilge- W eder die Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise noch die Bemühungen um Lösungen sind unter Frauen und Männern gleich verteilt. Die erste feministische [3] https://www.scientists4future.org/stellungnahme/stellungnahme-de/ (Stand: 12.9.2020). sellschaft und Nonprofit-Organisationen. Klimakonferenz im November 2019, veranstaltet von den Grünen Frauen Wien, der www.ruthsimsa.at [4] Vgl. Anheier, H. K.: Entwicklungen der internationalen Zivilgesellschaft. In: Handbuch der Nonprofit-Organisation. Strukturen und Management, edited by R. Simsa, M. Meyer and C. Badelt. Publikationen unter: https://bach.wu-wien. Grünen Bildungswerkstatt Wien und WIDE – Entwicklungspolitisches Netzwerk für Stuttgart 2013, S. 77—89. ac.at/d/research/ma/1059/publications Frauenrechte und feministische Perspektiven, sah genauer hin. 12 13
Je höher das Einkommen, umso um Reissamen gegen den durch den Rom oder Stockholm. Immer mehr auf Seite 22 g rößer der ökolog ische Fußab - steigenden Meeresspiegel versalz- Großstädte werden von Frauen re- Voneinander lernen für ein gemeinsames Ziel: druck. Frauen haben weltweit ge- ten Boden resistent zu machen. Eine giert. Ihre Ansätze erweisen sich Klimaschutzprojekte mit Migrant*innen. ringere Einkommen als Männer Inderin lernte mit Hilfe von Satelli- als äußerst positiv für die Klima- Ein Best-Practice-Bericht von Sigrid Awart. (in Österreich im Schnitt um 19,7% teninformationen, die Fischer der politik in diesen Städten und als weniger), sie tragen entsprechend Community vor herannahenden Wir- wichtige Zukunftspolitik, da bis weniger zur Erderhitzung bei, sind belstürmen zu warnen. Wieder ande- zum Ja hr 2050 voraussicht lich aber aufgrund ihrer ökonomischen re Frauen kümmern sich um saubere, knapp 70 Prozent der Weltbevöl- und gesellschaftlichen Situation effiziente Energie für ihren Haushalt kerung in Städten leben werden. verwundbarer. und ihre kleine Produktion für den Groß e Kon z er ne si nd ma ßgeb - Markt sowie um Wassermanagement. Die weiblichen Abgeordneten im Nahrungsmittel. Für sie hat die Wir ältere Menschen Einzelne Personen können d ie lich a n Umwelt zerstör ung und EU-Parlament zeigen ebenfalls Erderhitzung katastrophale Folgen. völkerrechtlichen Verträge zum Erderwärmung beteiligt. Sie sind deutlich mehr Verständnis für die Enorme Hitzewellen, Dürrekatast- sind die von den Klimaschutz und zum Schutz der großteils männerdominiert und Frauen haben Notwendigkeit von Maßnahmen rophen und Desertifikation drohen zunehmenden Hitze- Menschenrechte nur als Interpreta- handeln nach patriarchal ausbeu- weltweit ein für Umwelt und Klima. Das ergab und damit einhergehend Hunger, wellen am stärksten tionsrahmen für nationale Verfas- terischen, kapitalistischen und geringeres Einkom- die Studie einer jungen österreichi- Wassermangel und Gewalt gegen betroffene Bevölke- sungsbestimmungen heranziehen. neol ib era len L og i ken. Umwelt schen Politikwissenschafterin. Sie Frauen. Männer können den Prob- Das geschah bereits in Deutsch- men als Männer und fand heraus, dass über alle Partei- rungsgruppe, denn und vielfach auch Frauen werden lemen eher durch Migration, meist land, den Niederlanden und eben ausgebeutet, vor allem im globalen tragen entsprechend gruppierungen hinweg weibliche Binnenmigration in die Städte, aus- unsere Gesundheits- in der Schweiz mit weiterhin offe- Süden. weniger zur EU-Abgeordnete öfter Anträgen für weichen. Frauen bleiben mit gravie- beeinträchtigungen nem Ausgang. In all diesen Fällen Und es sind oft Frauen, die sich Erderhitzung bei. Umwelt- und Klimamaßnahmen renden Problemen zurück. und unsere Mortalität sind Frauen federführend dabei. zusammentun, um sich dagegen zustimmen als ihre männlichen zu wehren. Trotzdem leiden sie Kollegen. ist besonders hoch. In Asien besteht zwar eher die Plädoyer für eine – insbesondere im Gefahr von wolkenbruchartigen Darum klagen wir feministische Frauen als Klima- globalen Süden – viel Frauen sind mit anderen Lebens- Regengüssen, was ein Wegschwem- gegen den Staat. (…) Klimapolitik Akteurinnen mehr unter den realitäten als Männer konfrontiert. men der Erde zur Folge hat, aber Wir fordern eine Selbst in Europa kümmern sich auch Dürre kann eine Bedrohung Das EU-Parlament warnte bereits Folgen des Frauen überwiegend um Haushalt unabhängige gericht- Frauen spielen eine signifikante sein. Der steigende Meeresspiegel 2012 vor zusätzlicher Disk rimi- Rolle bei Bemühungen um Maß- Klimawandels. und Kinder, verrichten zwei Drit- führt zu Versalzung von Küsten- liche Überprüfung nierung von Frauen durch die ka- nahmen zur Begrenzung der Erd- tel der unbezahlten Arbeit. Sie sind regionen. Auch hier sind Frauen der Klimapolitik. tastrophalen Auswirkungen der erhitzung um nicht mehr als 1,5 °C. vielfach in unterbezahlten Berufen großteils für die Landwirtschaft Schweizer KlimaSeniorinnen Erderhitzung. Es forderte die EU- Die Fridays for Future-Bewegung Frauen im globalen Süden betrei- im Sozial- und Gesundheitsbereich, zuständig, vor allem für die Be- Kommission und den EU-Rat auf, wurde von einer jungen Frau ini- ben oft eigene Saatgutbanken. Sie in der Pf lege, im Handel etc. zu wahrung und Weiterentwicklung aufgrund ihrer traditionellen von den Genderaspekt in jede Phase tiert. Laut Institut für Protest- und haben ungeahntes Wissen über finden und müssen oft Diskrimi- des Saatg uts. Frauen in Indien der Gesellschaft zugeteilten Rollen der Klimapolitik zu integrieren. Ge- Bewegungsforschung (ipb) in Ber- ihre Pflanzen, das für die Aufrecht- nierung erleben. Das bringt ande- haben et wa bew iesen, dass sie oft nicht in der Lage, sich und ihre schehen ist das bis jetzt nicht. Aber lin machen Frauen 60 Prozent der erhaltung der Nahrungsproduktion re Sichtweisen mit sich und damit mit resilientem Saatgut aus ihrer Kinder rasch in Sicherheit zu bringen. Frauen müssen nicht nur gestärkt Demonstrierenden für Klimaschutz wichtig ist. In ihren Saatgutsamm- offenbar eine andere Haltung zu Sammlung Umweltprobleme lösen werden, um Diskriminierung zu au s . I m A m a z on a sgebiet m a r- lungen finden sich Pflanzen, die Umwelt- und Klimaschutz. können. Klimaklagen vermeiden. Die erste feministische schieren indigene Frauen, um die Dürre, Überflutung, Bodenversal- Klimakonferenz hat gezeigt, dass katastrophalen Auswirkungen der zung widerstehen können. Dieses Betroffenheit von Frauen Schon 2008 kamen über 400 inter- In der Schweiz haben die soge- Frauen ganz wichtige Akteurinnen Klimakrise auf ihre Lebensgrund- Saatgut hat einen unschätzbaren nationale Wissenschafter*innen, nannten K limaSeniorinnen die sind, die unterstützt werden müssen. lagen aufzuzeigen. Dabei riskieren Wert für die Anpassung der Land- In Ländern des globalen Südens ist die damals den Weltagrarbericht S chwei z er Reg ier u ng au f m i n- sie mitunter ihr Leben. Das im süd- wirtschaft an klimatische Verän- die Situation von Frauen meist viel erarbeiteten, zu dem Schluss, dass destens 25 P rozent Redukt ion Deshalb müssen die bestehenden lichen Afrika aktive Frauennetz- derungen. drastischer. Aber hier wie dort sind es kleinteilige bäuerliche Landwirt- der Treibhausgas-Emissionen bis patriarchal geprägten Macht- und werk „WoMin“ (African Gender Frauen stärker von Krisen betroffen, schaft für die Ernährung der Welt 2020 geklagt, damit der Schutz Verteilungsstrukturen geändert and Extractives Alliance) gab ein Politikerinnen für wie auch die Corona-Krise deutlich braucht, auch wenn die Weltbevöl- ihres Rechtes auf Leben gewahrt werden. Die Sorgearbeit der Frauen Handbuch für Klima-Aktivistinnen Klimaschutz zeigte. Hier wie dort gehen Krisen mit kerung zunimmt. Hierfür ist das Wis- bleibt. Denn ältere Frauen sind muss aufgewertet werden, ebenso heraus – mit Informationen über Arbeitslosigkeit einher. Dabei verlie- sen der Bäuerinnen und ihr Saatgut am stärksten von extremer Hitze ihr Wissen und ihre Expertise im Ursachen der Krise und Lösungs- Auch in der Politik sind es eher ren Frauen zuerst ihre Jobs. Die Co- unerlässlich. betroffen. Es wird bis zum Ende Süden wie im Norden. Wir brau- ansätzen. Frauen, die zielführende Klimapo- rona-Krise bestätigt das: 85 Prozent des Jahrhunderts eine Zunahme chen eine Reihe von Maßnahmen, litik vorantreiben. Anne Hidalgo, der coronabedingten Arbeitslosen in Naturkatastrophen, bei denen weit der hitzebedingten Sterblichkeit um die Geschlechterrollen auf- In vielen Ländern des globalen Bü rger mei ster i n von Pa r i s, a r- Österreich sind Frauen. mehr Frauen als Männer sterben, um 50 bis 200 Prozent erwartet. zubrechen – in der Politik, in der Südens g ibt es Fraueng ruppen beitet an einem grünen Paris mit werden zunehmen. Der Tsunami Trotzdem wurde ihre Klage in drei Landwirtschaft, in der Ökonomie, und -netzwerke, die sich um die mehr Grünraum und Bäumen und Viele Frauen im globalen Süden 2004 in Südostasien etwa forder- Instanzen abgelehnt. Nun ist sie in der Gesellschaft. Und diese müs- Anpassung ihrer Umwelt und ihrer weniger Autoverkehr. Sie gründete betreiben Subsistenzwirtschaft, te 230.000 Tote, viermal so viele beim Europäischen Gerichtshof sen jetzt in Angriff genommen wer- Lebensgrundlagen an die Erder- das Bürgermeisterinnen-Netzwerk was mitunter auch ein k leines Frauen wie Männer. Frauen sind für Menschenrechte. den. Es ist höchste Zeit. wärmung bemühen. So entwickelte „Women4Climate“. Dazu gehören Einkommen am lokalen Markt er- eine Frauengruppe auf der indischen u. a. die Bürgermeisterinnen von möglicht. In Afrika produzieren Die Video-Aufnahmen der Konferenz sind auf YouTube unter dem Stichwort „Feministische Klima- Eva Lachkovics ist Vorstandsmitglied von WIDE und Referentin der Grünen Frauen Wien. Insel Sagar eine einfache Methode, A msterda m, Bogotá, Freetow n, Fraue n bi s z u 8 0 P roz e nt de r konferenz“ zu finden. www.wide-netzwerk.at 14 15
Alexander Winkler zugrunde liegenden ökonomischen Dass er damit nicht etwa den Ver- Zielobjekte immer nur die „Anderen“ und politischen Strukturen stehen zicht auf Flugreisen oder private waren, die Ärmsten und Schwächs- im Mittelpunkt der Analyse, sondern PKW meint, stellt er abschließend ten in den industrialisierten Ländern us ein fehlendes „Umweltbewusstsein“, klar, wenn er im Dreiklang dar- ebenso wie die Menschen im Trikont. ism die Hinwendung zum „Materialismus“ auf verweist, was es brauche, um Bevölkerungspolitik war und ist Ra ss und die damit zusammenhängende „die Verschiebung ganzer Bevöl- nie ein Instrument zum Wohle der Abwendung von „Volk“ und „Heimat“. kerungsgruppen über den Erdball Menschheit, sondern stets nur Mit- Die Ursachen des Klimawandels und zu stoppen“, nämlich „Eigen- statt tel zur Absicherung von Herrschaft der Umweltzerstörung werden hier Fremdarbeit. Sesshaftigkeit statt Mig- und Unterdrückung gewesen. Ihre individualisiert und als Produkt ei- ration. Regionalität statt Weltbürger- Geschichte erstreckt sich von der re- k l i ma f nes egoistischen, materialistischen tum.“ Der Konflikt in der Umwelt- und pressiven Sozialpolitik des britischen reundl Anspruchsdenkens dargestellt. Die Klimafrage sei vordergründig einer Geistlichen Thomas Robert Malthus ich Lösung erscheint in einer neuen, auf zwischen „Globalist*innen“ und über die Eugenik und „Rassenhygie- t materiellen Verzicht und Entsagung „Regionalist*innen“. Die einen stün- ne“ der NS-Bevölkerungspolitik bis ck gegründeten Moral, die man dem den für Zersetzung und Zerstörung, zu patriarchalen Repressions- und a „Werteverfall“ entgegensetzt. die anderen für das Konkrete und Selektionsmaßnahmen wie Hormon- ver p Migration als ökologisches Problem – Rassismus klimafreundlich verpackt zu Bewahrende. In dieser Gegen- überstellung werden antisemitische Stereotype bedient. präparate oder Pränataldiagnostik. Ökodiktatur und die Lust am Untergang Ökologisierte Wenn die Entfremdung von „Volk“, Bevölkerungspolitik Eine weitere sehr häufig anzutreffen- „Heimat“ und „wesensgemäßen Wer- de rechtsökologische Argumentation ten“ eine wesentliche Ursache für Begrifflichkeiten wie Bevölkerungs- in der Umwelt- und Klimabewegung Die extreme Rechte und die ökologische Frage die lokale wie globale ökologische Zerstörung sein soll, so ist es nur ein explosion und das Thema der „Über- bevölkerung“ gehören zu einer ist die von der Notwendigkeit eines starken Staates zur Durchsetzung kleiner Schritt bis zu der Auffassung, breiten Debatte, die schon seit Jahr- konsequenter ökologischer Politik. Migrant*innen würden zu den vor- zehnten geführt wird. Der Tenor lau- Diese Forderung nach Einschränkun- E ntgegen der weit verbreiteten Vorstellung, die extreme Rechte stehe auf der Seite der Klimawandelleugner*innen, begreift sich eine nicht zu unterschätzende Zahl an rangigen Umweltbelastungen zäh- tet hier wie dort: Je mehr Menschen len. Grenzschutz und „Remigration“ auf diesem Planeten leben, desto erscheinen so als ökologische Ent- höher ist der Ressourcenverbrauch, gen von Grund- und Menschenrech- ten, die ihren reaktionären Charakter kaum noch verbergen kann, bedarf rechtsextremen Gruppen und Einzelpersonen als Teil einer völkischen Umweltbewegung lastung. Nicht nur weil „Völker“ als desto mehr Schadstoffe werden als Legitimationsgrundlage der apo- und blickt dabei auf eine lange Geschichte konservativer bis faschistischer Strömungen biologische Systeme höherer Ordnung ausgestoßen und desto gewaltiger kalyptischen Furcht vor dem Zusam- zurück, die der Naturschutzbewegung historisch ihren Stempel aufdrückten. Die Gefahr an sich zu gelten haben – in der aktu- und schneller droht der ökologische menbruch der globalen Ökosysteme. dieser Positionen besteht vor allem darin, dass sie bei Menschen, die sich selbst keinesfalls ellen Debatte werden vielmehr auch Kollaps. Aus dieser eindimensiona- Zur Sicherung des Überlebens der als rechts begreifen würden, ideologische Anknüpfungspunkte finden. Eine Abhandlung zeitgemäße Argumente ins Feld ge- len Analyse ergibt sich schnell die Menschheit müssten deshalb die der zentralen Argumentationsmuster der extremen Rechten in Bezug auf Ökologie, führt. So plädiert Martin Sellner von scheinbar folgerichtige Forderung, in einer Demokratie überrepräsen- Umwelt und Klimaschutz. den neofaschistischen „Identitären“ die Geburtenraten – vor allem in den tierten und als egoistisch gegeißel- in einem Video auf YouTube dafür, „Entwicklungsländern“ – durch be- ten Einzel- und Gruppeninteressen dass Migrant*innen und Flüchtende völkerungspolitische Maßnahmen hinter das ökologische „Gemein- Der Leitspruch vom Leben im Ein- licher Emanzipation und die damit Gegen Umweltzerstörung, in ihren Ländern oder zumindest in zu verringern. Der Mensch wird auf wohl“ zurücktreten. Gerade in der klang mit der Natur, der bei großen zusammenhängende Unmöglichkeit Entfremdung und der Nähe ihres „angestammten Kul- diese Weise zum reduzierungswürdi- aktuellen Klimabewegung mangelt Teilen der Umwelt- und Klimabewe- gesellschaftlicher Veränderung, die Werteverfall turraums“ bleiben sollen. In Europa gen ökologischen Problemfaktor, zur es nicht an Vorschlägen, dass end- gung auf Zuspruch stößt, kann sehr Unterordnung des Einzelnen unter würden sie durch ihre veränderte, umweltpolitischen Schadenskatego- lich „Experten“ regieren sollten, da leicht auch als Leitlinie antiemanzi- Zwangskollektive, die Trennung Neben der Ableitung des Sozialen aus nun westliche Lebensweise, durch rie erklärt. die Dringlichkeit der Lage keine patorischer Politik dienen. Denn der in wer tes und unwer tes Leben dem Reich der Natur treibt die extreme ihr Konsumverhalten und ihren demokratischen Abwägungen und Biologismus gehört zum Standardin- sowie die Kontinuität von Unter- Rechte vor allem ein Wertefundamen- Energieverbrauch zur ökologischen Wenn etwa in Trikontländern Hun- Vermittlungen mehr zulasse. Wenn ventar konservativer und faschisti- drückung und Ausbeutung. Auch talismus an, den sie der „dekadenten“ Zerstörung des Klimas beitragen. ger herrscht, weil auf einem Großteil es aber nur mehr um die Frage des scher Ideologien. die Naturalisierung von (binären) modernen Lebensweise entgegen- Migrant*innen werden hier zu den der landwirtschaftlichen Nutzfläche Überlebens geht, treten Fragen nach Geschlechterverhältnissen dient setzen will. Die Einschätzung, dass eigentlichen Umweltsünder*innen statt Grundnahrungsmitteln für die der sinnvollen und menschenwür- Leben im Einklang mit hier der Absicherung patriarchaler Umweltverschmutzung und Klima- erklärt, die ein Mehr an Ressourcen- lokale Bevölkerung sogenannte Cash digen Einrichtung der Gesellschaft der Natur – Biologismus Herrschaftsbeziehungen. Menschen wandel vor allem Ausdruck einer verbrauch zu verantworten hätten. Crops für den Export angebaut wer- in den Hintergrund. Einer Klimage- werden dabei weniger als soziale verfehlten Geisteshaltung und eines den, gelten diese Länder schon als rechtigkeitsbewegung sollte es aber Die Naturalisierung sozialer Ver- Wesen gedacht, die zur Gestaltung zunehmenden Werteverfalls seien, ist In der Klima-Sonderausgabe der überbevölkert, weil sie sich angeblich gerade darauf ankommen. hältnisse sollte immer schon die ihrer Umwelt fähig sind; vielmehr innerhalb dieser Ökologiebewegung rechtsextremen Postille Info-Direkt nicht selbst ernähren können. Doch: „unüber windbare“ Ungleichheit folgt in dieser Vorstellung jegliche weit verbreitet und schließt direkt an widmet sich Eberhard Hubner dem Wer genau gehört zur überschüssigen Alexander Winkler ist Mitglied der Forschungs- der Menschen legitimieren: die Entwicklung starren und unverän- eine rechte und konservative Kultur- Thema Verkehrspolitik und prokla- Bevölkerung und wer nicht? Ein Blick gruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit Notwendigkeit von Hierarchie und derbaren Naturgesetzen, denen man kritik an. Nicht die Umweltverschmut- miert als Lösung: „Ökobewusst und in die Geschichte und Gegenwart der (FIPU) und Mitherausgeber des Sammelbandes „Untergangster des Abendlandes: Ideologie und Elite, die Schädlichkeit gesellschaft- sich unterzuordnen habe. zung oder die dem Klimawandel nachhaltig durch Mobilitätsverzicht.“ Bevölkerungspolitik zeigt, dass deren Rezeption der rechtsextremen ,Identitären‘“. 16 17
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