Informationen - Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung

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Informationen - Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung
Informationen
           Die Fachzeitschrift für Schuldnerberatung

Schuldnerberatung und Glücksspielsucht
Zum besonderen Beratungsbedarf Glücksspielsüchtiger
in der Schuldnerberatung
Gottfried Beicht, Sabine Radermacher

Raus aus der Komfortzone!?
Abbau von Zugangshindernissen bei der
Schuldnerberatung im ländlichen Raum
Hauke Gollin, Volker Hertenstein

· Interview mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe BAG-S

· Eine Lanze brechen für die Forderungsüberprüfung

· Arbeitsmaterial, Veranstaltungskalender, Positionen

#1_2018 · 33. Jahrgang · März 2018
Informationsdienst der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V.
Informationen - Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung
Das Pfändungsschutzkonto
                                     in der Beratungspraxis
                                     von Esther Binner und Dr. Claus Richter
                                     2. überarbeitete Auflage 2014, 96 Seiten

                                     · Das P-Konto: Grundlagen
                                     · Die Aufhebung von Pfändungen und die Anordnung
                                       von Unpfändbarkeit
                                     · Das P-Konto: Einrichtung, Umwandlung und
                                       Kündigungen von P-Konten
                                     · Schutz des Grundfreibetrages
                                     · Der Verrechnungsschutz beim P-Konto
                                     · Der Erhöhungs- und Aufstockungsbetrag und
                                       die Bescheinigung durch die geeigneten Stellen
                                     · Die Rolle der Vollstreckungsgerichte beim
                                       Pfändungsschutz durch das P-Konto
                                     · Die bevorrechtigte Pfändung, § 850k Abs. 3
                                     · Mehrfache Pfändung
                                     · Das P-Konto in der Insolvenz des Kontoinhabers
                                     · Das P-Konto und die Schufa
                                     · Arbeitsmaterialien, Musteranträge, Checkliste

                                     Preis: 14,95 Euro zzgl. Versandkosten

                                     Der Insolvenzplan im
                                     Verbraucherinsolvenzverfahren
                                     von Guido Stephan
                                     2. überarbeitete Auflage 2014, 155 Seiten

                                     Auszug aus dem Vorwort: „Mit dem Gesetz zur Verkürzung
                                     des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der
                                     Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 hat der Gesetzgeber das
                                     Insolvenzplanverfahren auch im Verbraucherinsolvenz-
                                     verfahren zugelassen. Gleichzeitig erhielten die geeigne-
                                     ten Stellen die Vertretungsbefugnis für das gesamte In-
                                     solvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren. […] Auch
                                     wenn das Insolvenzplanverfahren künftig die gesetzliche
                                     Restschuldbefreiung nicht ersetzen wird, wird es einige
                                     Konstellationen geben, in denen ein solches Verfahren die
                                     bessere Lösung einer Verbraucherentschuldung als die ge-
                                     setzliche Restschuldbefreiung sein wird. Es gilt daher nicht,
                                     die Augen vor dem Insolvenzplanverfahren zu verschlie-
                                     ßen, sondern offen sich mit diesem neuen Entschuldungs-
                                     tool auseinanderzusetzen. Dieser Ratgeber soll eine Hil-
                                     festellung sein. […]”

                                     Preis: 19,95 Euro zzgl. Versandkosten

Bestellungen richten Sie bitte ausschließlich per E-Mail oder per Fax an:
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V. (BAG-SB), Markgrafendamm 24 (Haus SFM)
10245 Berlin, E-Mail: vertrieb@bag-sb.de, Telefax: 030-346 55 666 1
editorial

Liebe Leserinnen und Leser,                                   Das bringt uns zu einer Mail aus der Mitgliedschaft, in
liebe Kolleginnen und Kollegen,                               der ein Mitglied sinngemäß schreibt: Ich plädiere dafür,
                                                              von „Schuldenberatung” zu sprechen, statt von „Schuld-
im Jahr 2018 jährt sich das Ende des Ersten Weltkrieges       nerberatung”. Warum? Ganz abgesehen von einer ge-
zum hundertsten Mal. Damit jährt sich auch ein interes-       schlechtergerechten Bezeichnung und der Schwierigkeit,
santer Moment deutscher Schuldengeschichte: Vor 100           eine solche zu finden (sind wir dann Schuldner_innenbe-
Jahren, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, wurden 1918       rater_innen?), ist es doch wohl besser, den Gegenstand
im Versailler Friedensvertrags die Reparationszahlungen       der Beratung zum Ausgangspunkt der Namensgebung zu
in zunächst nicht genau bezifferter Höhe festgelegt. Laut     nehmen: „Schulden”! Wer dazu das Argument anführt,
Wikipedia betrug die „Gesamtsumme der durch das               dass „ja nicht die Schulden, sondern die Menschen be-
Deutsche Reich erfolgten Zahlungen […] nach deutschen         raten werden, die Schulden haben”, dem sei der Hinweis
Angaben 67,7 Milliarden Goldmark, nach den alliierten         auf die Steuerberatung, die Schwangerschaftsberatung
Berechnungen nur 21,8 Milliarden Goldmark. […] Selbst         und die Rentenberatung gestattet. Immer werden die
wenn die Gesamthöhe der erfolgten Zahlungen unklar            Menschen beraten und nicht die Steuern, die Schwanger-
bleibt, steht fest, dass das Deutsche Reich erhebliche        schaft oder die Rente.
Sachleistungen und Geldbeträge erbracht hat”, bevor im
Jahr 2010, 92 Jahre nach dem Kriegsende, Deutschland          Bereits in der letzten Ausgabe wies Peter Kopf, der in
die letzte Rate seiner Kriegsschulden tilgte. Grundlage       Österreich als Schuldenberater arbeitet – dort wird seit
der Zahlungen war der einst heftig umstrittene Artikel        Jahren nur der Begriff „Schuldenberatung” verwendet –
231, in dem Deutschland die alleinige Schuld am Krieg         auf diese sprachliche Besonderheit hin. Uns scheint, dass
anerkannte.                                                   der Vorschlag, in unserer Arbeit zukünftig von „Schulden-
                                                              beratung” zu sprechen, eine sinnvolle Möglichkeit dar-
Kennen wir das nicht irgendwo her? Schriftliches Schuld-      stellen könnte, die unglückliche begriffliche Nähe zwi-
anerkenntnis und infolgedessen ewig andauernde Zah-           schen Schuld und Schulden etwas aufzubrechen.
lungen, bei denen unklar ist, was da gerade genau aner-
kannt wurde und wie die Zahlungen auf die Schuldsumme         Wir fragen uns: Wie denken Sie darüber?
angerechnet werden? Und noch etwas kommt uns be-
kannt vor: Bei den Reparationszahlungen des Ersten Welt-      Senden Sie uns Ihr Feedback per E-Mail an:
kriegs stellte der Versailler Vertrag eine klare Verbindung   fachzeitschrift@bag-sb.de oder teilen Sie es uns persön-
her zwischen Schuld und Schulden. Allein die begriffliche      lich mit bei der Jahresfachtagung in Kiel, „wo die Praxis
Nähe der beiden deutschen Wörter „Schuld” und „Schul-         Fachlichkeit in der Schuldnerberatung diskutiert”.
den” legt diesen Zusammenhang nahe. In unserer tägli-
chen Arbeit mit überschuldeten Hauhalten können wir           Wir freuen uns auf das Wiedersehen mit vielen von Euch
den sprachlichen Zusammenhang inhaltlich jedoch nicht         und Ihnen am 25. und 26. April 2018 und wünschen viel
immer bestätigen. Denn wer ist beispielsweise schuld an       Spaß beim Lesen der aktuellen Ausgabe.
den hohen Schulden, wenn ein Gläubiger(vertreter) mehr
als das Doppelte der ursprünglichen Forderungssumme           Herzliche Grüße
einfordert, die angegebenen Kosten aber rechtlich in kei-     Vorstand und Geschäftsstelle
ner Weise begründbar, sprich unberechtigt, und damit
auch nicht durchsetzbar sind? Der Schuldner? Norbert
Sutor zeigt in seinem Artikel Schritt für Schritt und ein-
drucksvoll, wie die Forderungsüberprüfung durch versier-
te Fachkräfte in der Schuldnerberatung diesen oft falsch
suggerierten Zusammenhang zwischen Schuld und Schul-
den aufbrechen und zu einer sachlichen Lösung führen
kann, bei der die Schuldfrage nicht die entscheidende ist.

BAG-SB Informationen – Heft 1_2018                                                                                   3
impressum
Herausgeber und Verlag:
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e. V.
Markgrafendamm 24 (Haus SFm), 10245 Berlin

Vorstand:
Rita Hornung, Frank Lackmann, Aline Liebenow,
Alis Rohlf, Frank Wiedenhaupt, Werner Wirtgen,
Cornelia Zorn

Redaktionsleitung:
Ines Moers, Geschäftsführung BAG-SB e. V.
Frank Lackmann, Rechtsanwalt, Bremerhaven

Bezugspreis:
Einzelbezug zu 15 Euro zzgl. Versandkosten
Jahresabonnement zu 58 Euro inkl. Versandkosten
Förderabonnement zu 200 Euro inkl. Versandkosten

Bezugsbedingungen:
Änderungen der Zustelladresse der bestellten Zeitschrift
sind dem Verlag mitzuteilen. Nachsendungen der BAG-SB
Informationen erfolgen auf Gefahr des Beziehers und un-
ter zusätzlicher Berechnung. Eine Abonnementkündigung
muss drei Monate zum Ende eines Bezugsjahres schrift-        Hinweise zum Heft:
lich in der Geschäftsstelle eingegangen sein. Für Mitglie-   Die BAG-SB e. V. versucht, eine vorurteilsfreie und geschlech-
der ist der Bezug der BAG-SB Informationen im Mitglieds-     tergerechte Sprache zu nutzen, um einen Meinungs- und
beitrag enthalten.                                           Fachaustausch zu fördern, der sachlich und nicht diskri-
                                                             minierend ist. Zur besseren Lesbarkeit verzichten wir
Erscheinungsweise:                                           dennoch in einigen Artikeln auf die gleichzeitige Verwen-
Das Heft erscheint vierteljährlich. Das Einsenden von Ma-    dung weiblicher und männlicher Sprachformen. Sämtli-
nuskripten erfolgt nur an die Verlagsanschrift. Elektro-     che Personenbezeichnungen gelten somit gleichwohl für
nisch verarbeitete Texte senden Sie bitte unformatiert       beiderlei Geschlecht.
als Worddatei. Für unaufgefordert eingesandte Manu-
skripte wird keine Haftung, insbesondere keine Verpflich-     Für die Inhalte der veröffentlichten Artikel sind die Auto-
tung zur Veröffentlichung, übernommen. Sie können nur        rinnen und Autoren verantwortlich, sie spiegeln nicht un-
auf ausdrücklichen Wunsch zurückgegeben werden. Die          bedingt die Meinung der Redaktion bzw. der BAG-SB e. V.
aktuelle Auflage beträgt 1.500 Stück. Die Anzeigenpreise      wider. Inhaltliche An- oder Rückfragen richten Sie daher
entnehmen Sie bitte unseren Mediadaten.                      bitte direkt an die Autorinnen und Autoren, zu denen wir
                                                             gern den Kontakt herstellen.
Satz, Korrektorat und Mettage:
dambeck | GbR für Presse, Texte & Papier                     Nachdruck nur mit Genehmigung der BAG-SB e. V.
Friedland in Mecklenburg
                                                             Anzeigen- und Redaktionsschluss
Druckproduktion:                                             für die BAG-SB Informationen:
altmann-druck GmbH                                           1. Quartal: 10. Februar
Berlin Köpenick                                              2. Quartal: 10. April
                                                             3. Quartal: 10. August
ISSN 0934-0297                                               4. Quartal: 10. November
inhaltsverzeichnis
editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Für den Zeitpunkt des Scheiterns des außergerichtlichen Einigungsversuchs
ist nicht schematisch auf die erste oder die letzte Gläubigerrückmeldung abzustellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
AG Hannover, Beschl. vom 30.10.2017 – 908 IK 820/17 (rechtskräftig)
Keine Anfechtung bei Zahlungen aus dem Unpfändbaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
AG Kassel, Urteil vom 14.11.2017 – 435 C 1558/17
Pfändbarkeit von Riester-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
BGH, Versäumnisurteil vom 16.11.2017 – IX ZR 21/17
Zur Berücksichtigung faktischer Unterhaltspflichten bei der Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
BGH, 19.10.2017 – IX ZB 100/16
themen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Schuldnerberatung und Glücksspielsucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Zum besonderen Beratungsbedarf Glücksspielsüchtiger in der Schuldnerberatung
Was sagt die Psychotherapie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Wir fragen Dr. Peter Kemmer, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie,
Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie                                                                                                                                                                                                                                                           16
berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Berliner Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Interview mit Dr. Klaus Roggenthin, Geschäftsführer der BAG-S
Eine Lanze brechen für die Forderungsüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Raus aus der Komfortzone!? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Abbau von Zugangshindernissen bei der Schuldnerberatung im ländlichen Raum
Workshopbericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
„Selbstständige in der Schuldnerberatung”
Armutsbekämpfung durch Schuldenprävention – eine Standortbestimmung                                                                                                                                                                         ........................................................                                          32
Bericht zur Internationalen Fachtagung in Olten/Schweiz
Ein Sparschwein in der Schuldnerberatung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Das Sparschwein mit dem gewissen Extra
1st FLIP FinEd Summit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Konferenz zur financial education in Wien
der advokat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
1. Welche Fahrzeuge sind im Antrag anzugeben?, 2. (Un-)pfändbare Lohnbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
aus dem verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung, Positionspapier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Anhang zum Positionspapier „Recht auf Schuldnerberatung”
Darum sind wir Mitglied in der BAG-SB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
hier kommt der gläubiger zu wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
terminkalender/fortbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
jahresübersicht 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

BAG-SB Informationen – Heft 1_2018                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      5
gerichtsentscheidungen

Für den Zeitpunkt des Scheiterns des außergerichtlichen Einigungsversuchs ist
nicht schematisch auf die erste oder die letzte Gläubigerrückmeldung abzustellen

AG Hannover, Beschluss vom 30.10.2017                         Anmerkung von Rechtsanwalt Frank Lackmann,
Aktenzeichen: 908 IK 820/17 (rechtskräftig)                   Bremerhaven:

Leitsätze der Redaktion:                                      Bereits im BAG Info Heft #4_2017 hat sich Rechtsanwalt
                                                              Matthias Butenob ausführlich mit der Frage des Schei-
1. Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan kommt       terns des außergerichtlichen Einigungsversuchs und die
nur dann zustande, wenn sämtliche Gläubiger ihr Einver-       Folgen für die Bescheinigung nach § 305 Abs, 1 Nr. 1 InsO
ständnis erklären. Lehnt bereits ein Gläubiger den Eini-      beschäftigt. Auf den Beitrag wird daher nochmals aus-
gungsversuch ab, liegt ein Scheitern vor.                     drücklich verwiesen. Beide Beschlüsse des AG Hannover
                                                              sind insoweit zustimmungswürdig, als sie der Schuldner-
2. Die Ersetzung der Zustimmung kann grundsätzlich nur        beratungsstelle die Prüfung überlassen, wann ein Eini-
im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren er-        gungsversuch gescheitert ist. Zwar kann diese Prüfung
folgen. Ist für die Schuldnerberatungsstelle erkennbar,       nicht willkürlich erfolgen (z. B. Ändern des Datums des
dass auch für ein solches Verfahren keine Mehrheit nach       Scheiterns, weil die Beratungsstelle die Frist verpasst
den Gläubigerrückmeldungen vorliegen wird, kann ein           hat), allerdings kann es gute Gründe dafür geben, dass
Scheitern bescheinigt werden.                                 das Scheitern erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt
                                                              ist, z. B. weil noch mit einzelnen Gläubigern nachverhan-
AG Hannover, Beschluss vom 27. Dezember 2017                  delt wurde und eine berechtigte Aussicht auf Erfolg der
Aktenzeichen: 908-IK-778-17                                   Verhandlungen bestanden hat (vgl. auch FK-InsO-Grote/
                                                              Lackmann, 9. Auflage 2018, § 305 Rn. 14).
Leitsätze von Rechtsanwalt Matthias Butenob, Hamburg:
                                                              Die Ansicht des AG Hannover, dass die Bescheinigung der
1. Für den Zeitpunkt des Scheiterns des außergerichtli-       Schuldnerberatungsstelle überprüfbar ist, ist nicht un-
chen Einigungsversuchs im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 ist    umstritten, da das Gericht eigentlich nur die Vollständig-
nicht schematisch auf die erste oder die letzte Gläubi-       keit der Unterlagen zu überprüfen hat. Allerdings muss
gerrückmeldung abzustellen, sondern maßgeblich ist al-        es dem Gericht bei offensichtlichen Zweifeln an der Rich-
lein der Zeitpunkt, den die ausstellende Stelle für das       tigkeit der Bescheinigung möglich sein, diese zu über-
Scheitern angibt.                                             prüfen (vgl. FK-InsO-Grote/Lackmann a. a. O., Rn. 13). Dies
                                                              ist daher nur bei offensichtlich falschen, weil klar gegen
2. Dies bedeutet nicht, dass der bescheinigenden Stelle       die Intention des § 305 Abs. 1 Nr. 1 verstoßenden Beschei-
ein freies Ermessen zukommt. Vielmehr ist nach pflicht-        nigungen der Fall. Erfolgt dann keine Beanstandung der
gemäßem Ermessen das Scheitern der Verhandlungen zu           Bescheinigung durch das Gericht, so würde dies den Sinn
bescheinigen.                                                 und Zweck der Vorschrift unterlaufen.

3. Spätestens nach Ablauf der Rückmeldungsfrist ein-
schließlich einer Karenzfrist für die Postlaufzeit muss die
ausstellende Stelle eine Entscheidung treffen, ob ein
Scheitern vorliegt.

4. Das Gericht ist auch berechtigt zu prüfen, ob die aus-
stellende Stelle ihr Ermessen zur Bescheinigung des Zeit-
punkts des Scheiterns offensichtlich überschritten hat.

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Pfändbarkeit von Riester-Verträgen
BGH, Versäumnisurteil vom 16.11.2017 – IX ZR 21/17

Das in einem sogenannten Riestervertrag angesparte Ka-        diese nicht geschützt. Des Weiteren muss der Vertrag zum
pital ist unpfändbar und damit nicht massezugehörig,          Zeitpunkt der Pfändung, der dem Zeitpunkt der Eröffnung
wenn das Kapital aus gefördertem Altersvorsorgevermö-         des Insolvenzverfahrens entspricht, förderfähig gewesen
gen, geförderten laufenden Altersvorsorgebeiträgen oder       sein, ein Antrag auf eine Zulage für die entsprechenden
gezahlten Zulagen stammt und der Vertrag zum Zeitpunkt        Beitragsjahre muss bereits gestellt sein und die Voraus-
der Pfändung förderfähig war, ein Antrag auf eine Zulage      setzungen für eine Zulage müssen vorgelegen haben oder
für die entsprechenden Beitragsjahre bereits gestellt war     eine Zulage muss bereits gewährt worden sein. Schuldner
und die Voraussetzungen für eine Zulage (§§ 83 ff. EStG)      und ihre Berater sollten das Vorliegen dieser Vorausset-
vorlagen oder eine Zulage bereits gewährt worden war.         zungen vor dem Insolvenzantrag abklopfen, um das Ka-
Der Riestervertrag muss nicht zusätzlich die Vorausset-       pital in einem bestehenden Vertrag nicht zu gefährden.
zungen des § 851c ZPO erfüllen.                               Sind alle Voraussetzungen erfüllt, ist das Kapital geschützt,
                                                              auch wenn der Vertrag die Bedingungen des § 851c ZPO
Anmerkung von Rechtsanwalt Kai Henning, Dortmund              nicht erfüllt, der Schuldner den Vertrag also vor Erreichen
                                                              des 60. Lebensjahres oder des Erreichens des Ruhestan-
Diese Entscheidung des 9. Zivilsenats des BGH kommt an-       des kündigen kann. Schuldner können daher das im Ries-
gesichts der vom Instanzgericht vertretenen sehr deutli-      tervertrag liegende Kapital als geschützten Notgroschen
chen Mindermeinung nicht überraschend, macht aber             ansehen, den sie nach Aufhebung des Insolvenzverfah-
deutlich, dass es die pauschale Aussage „Ein Riesterver-      rens bei Bedarf auch anders als für die Altersvorsorge
trag ist unpfändbar“ nicht gibt. Zunächst ist nur Kapital     einsetzen können. Hierbei sind dann allerdings mögliche
geschützt, das aus Altersvorsorgevermögen, geförderten        Rückforderungen der Förderungen und Zulagen sowie
Altersvorsorgebeiträgen oder gezahlten Zulagen stammt.        steuerliche Aspekte zu beachten.
Hat der Schuldner zusätzliche Zahlungen geleistet, sind

Keine Anfechtung bei Zahlungen aus dem Unpfändbaren
AG Kassel, Urteil vom 14.11.2017 – 435 C 1558/17

Amtlicher Leitsatz:                                           der Insolvenz an diesen (aus dem Unpfändbaren) geleistet
                                                              wurden, ausscheiden muss. Der BGH hat mit seiner Ent-
Eine Zahlung auf eine Geldbuße unterliegt dann nicht der      scheidung vom 7. April 2016 – IX ZR 145/15; so auch schon
Insolvenzanfechtung, wenn sie unstreitig aus dem un-          BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 280/13 bereits deutlich
pfändbaren Einkommen des Insolvenzschuldners geleis-          gemacht, dass bei Zahlungen aus dem Unpfändbaren keine
tet wurde.                                                    Gläubigerbenachteiligung im anfechtungsrechtlichen Sinne
                                                              entstehen kann. Das bedeutet, dass der Schuldner im Vor-
Anmerkung von Rechtsanwalt Frank Lackmann,                    feld der Insolvenz existenzbedrohende Verbindlichkeiten
Bremerhaven:                                                  aus seinem unpfändbaren Einkommen bedienen kann, ohne
                                                              zu fürchten, dass der Insolvenzverwalter die Zahlung später
Die Entscheidung des AG Kassel ist von großer Bedeutung       anficht und die Forderungen – mit allen Konsequenzen –
für die Beratungspraxis, weshalb sie hier im Volltext abge-   wiederaufleben. Zu den existenzbedrohenden Verbindlich-
druckt ist. Lehrbuchartig legt das AG vorliegend dar, warum   keiten gehören z. B., die Geldstrafe und Geldbuße, der Miet-
bei Zahlungen aus dem unpfändbaren Einkommen des              rückstand, Schulden bei Krankenkassen oder Arbeitgebern.
Schuldners niemals eine Gläubigerbenachteiligung vorlie-      In der Praxis ist erkennbar, dass Insolvenzverwalter Zahlun-
gen kann, sodass eine Anfechtung des Insolvenzverwalters      gen des Schuldners aus dem unpfändbaren Einkommen so
gegenüber dem Gläubiger bzgl. Zahlungen, die im Vorfeld       gut wie nie anfechten (wohl in Kenntnis der Rechtslage).

BAG-SB Informationen – Heft 1_2018                                                                                       7
gerichtsentscheidungen

Aus dem Tatbestand:                                          Der Beklagte stellt ein eigenes vorsätzliches Handeln in
                                                             Abrede. Aus dem Umstand der Ratenzahlung auf die
Der klagende Insolvenzverwalter begehrt im Wege der In-      Geldbußen könne nicht geschlossen werden, dass Zah-
solvenzanfechtung die Rückzahlung von Geldern, die der       lungsunfähigkeit des Schuldners bestehe. Die vollstre-
Insolvenzschuldner an den Beklagten entrichtet hatte.        ckende Behörde könne nicht erkennen, ob ausbleibende
                                                             Zahlungen auf Zahlungsunfähigkeit oder auf Zahlungs-
Der Insolvenzschuldner hatte aufgrund eines Bußgeld-         unwilligkeit beruhten. Darüber hinaus sei der Begriff der
bescheides im Ordnungswidrigkeitenverfahren an den           Zahlungsunfähigkeit im Ordnungswidrigkeitenrechts an-
Beklagten 1.044,70 Euro zu zahlen. Einziehende Behörde       ders definiert als im Insolvenzrecht. Dies führe dazu,
ist das Regierungspräsidium Kassel, welches die Ge-          dass dann, wenn noch Zahlungen aus dem unpfändbaren
richtskasse Kassel damit beauftragte, über den Gerichts-     Einkommen möglich sein, dies nicht zur Zahlungsunfä-
vollzieher die Geldbußen einzutreiben. Zuzüglich der         higkeit im Sinne des Ordnungswidrigkeitenrechts führe.
Vollstreckungskosten des Gerichtsvollziehers zahlte der
Insolvenzschuldner an den Gerichtsvollzieher im Zeit-        Gründe:
raum zwischen dem 28. Februar 2013 und dem 23. Juli
2013 insgesamt 1.087,10 Euro. Letzterer kehrte hiervon       Die Klage hat keinen Erfolg.
1.044,70 Euro an das Regierungspräsidium aus. Aufgrund
Beschlusses vom 5. Februar 2016 des Amtsgerichts Wies-       Die Anfechtung des Klägers mit Schreiben vom 29. Febru-
baden – 10 IN 384/15 wurde über das Vermögen des In-         ar 2016 betreffend die Zahlungen des Insolvenzschuld-
solvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und        ners auf die vom Beklagten einzutreibenden Geldbußen
der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben    geht ins Leere, weil die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1
vom 29. Februar 2016 erklärte der Kläger die Anfechtung      InsO nicht vorliegen.
dieser Zahlung gemäß §§ 129 Absatz 1, 133 Abs. 1, 143 Abs.
1 InsO. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die   Das Gericht kann es dahingestellt sein lassen, ob der In-
Zahlungen aus dem pfändungsfreien Einkommen des In-          solvenzschuldner bei den Zahlungen im Jahr 2013 eine
solvenzschuldners erfolgten.                                 Gläubigerbenachteiligungsabsicht hatte und ob der Be-
                                                             klagte davon Kenntnis hatte. Denn im vorliegenden Fall
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe die vom In-    ist eine Gläubigerbenachteiligung bereits deswegen aus-
solvenzschuldner durch die vorgenannten Zahlungen be-        geschlossen, weil die Zahlungen unstreitig aus dem un-
absichtigte objektive Gläubigerbenachteiligung billigend     pfändbaren Einkommen des Insolvenzschuldners erfolg-
in Kauf genommen. Der Schuldner habe mit Gläubiger-          ten. Dies hat der Kläger selbst dem Beklagten mit seinem
benachteiligungsvorsatz gehandelt, da ihm seine Zah-         Schreiben vom 15. September 2016 mitgeteilt (Bl. 57 d. A.).
lungsunfähigkeit zumindest bewusst gewesen sei. Hier-        Aus diesem Umstand folgt, dass den Gläubigern des In-
von habe der Beklagte gewusst, da die Geldbußen in           solvenzschuldners bereits von vornherein kein Nachteil
Ratenzahlungen an den Gerichtsvollzieher erfolgten, mit-     entstehen konnte. Denn diese haben lediglich Zugriff auf
hin nur zur Abwendung vom Gerichtsvollzieher mit             den pfändbaren Teil des Einkommens des Insolvenz-
Schreiben vom 28. Februar 2013 angedrohter weiterer          schuldners bzw. auf dessen pfändbare Habe. Die Rück-
Vollstreckungsmaßnahmen.                                     zahlung der mit dieser Klage geforderten Beträge würde
                                                             also nicht der Masse zugute kommen, sondern wäre
Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an       zwingend wieder dem Insolvenzschuldner zu gewähren,
den Kläger 1.044,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf       weil es sich um unpfändbares Vermögen handelt. Die In-
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Feb-       solvenzanfechtung kann jedoch nicht dazu dienen, die
ruar 2016 zu zahlen.                                         Massegläubiger dadurch besser zu stellen, dass ihnen
                                                             auf diesem Wege Teile des geschützten Vermögens bzw.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.                Einkommens des Insolvenzschuldners zur Verfügung ge-
                                                             stellt werden, auf die sie ohne Insolvenzanfechtung ge-
                                                             rade nicht rechtmäßig zugreifen könnten.

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Dabei berücksichtigt das Gericht auch, dass der Schuld-       Obwohl es nach den vorstehenden Erwägungen nicht
ner einer Geldstrafe oder einer Geldbuße aufgrund einer       mehr darauf ankommt, merkt das Gericht vorsorglich an,
strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen         dass der Kläger auch die Kenntnis des Insolvenzschuld-
Verurteilung bzw. eines Bußgeldbescheides auch befugt         ners von seiner Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend
ist, aus seinem unpfändbaren Einkommen Zahlungen zu           dargetan hat. Zwar hat der Kläger insoweit unwiderspro-
leisten. Dies ist bereits deswegen anzunehmen, weil er        chen vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der Zahlungen an
dadurch weitergehende Nachteile abwenden kann, bei-           die Beklagte andere Verbindlichkeiten nicht bedient wur-
spielsweise die Verhängung einer Erzwingungshaft ge-          den, obwohl diese zur Zahlung fällig waren. Er hat jedoch
mäß § 96 OWiG.                                                nicht dargetan, dass der Insolvenzschuldner auch objek-
                                                              tiv nicht in der Lage war, diese zu bedienen. Um eine Zah-
Denn eine solche kann auch dann verhängt werden,              lungsunfähigkeit im Sinne des § 17 InsO feststellen zu
wenn er seine Zahlungsunfähigkeit nicht dargetan hat.         können, bedarf es der Erkenntnis, dass der Schuldner ob-
Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 2 OWiG       jektiv auch nicht mehr in der Lage ist, fällige unstreitige
ist nämlich nicht bereits dann gegeben, wenn eine Zah-        Verbindlichkeiten zu bedienen. Alleine aus dem Umstand
lungsunfähigkeit im Sinne des Insolvenzrechts ( § 17 InsO)    der ausgebliebenen Zahlungen lässt sich bei Unkenntnis
anzunehmen ist. Im Rahmen des Straf- oder Ordnungs-           über die sonstigen Einkommens-Vermögensverhältnisse
widrigkeitenrechts ist eine solche dann anzunehmen,           des Schuldners nicht schließen, dass er auch in diesem
wenn unter Anspannung aller gegebenenfalls auch über-         Sinne zahlungsunfähig war. Dies führt dazu, dass erst
obligatorischen Kräfte der Schuldner einer Geldstrafe         recht nicht der Schluss möglich ist, dass ein anderer Gläu-
oder Geldbuße diese auch nicht jedenfalls in kleinsten        biger wie hier das beklagte Kenntnis von einem gleich-
Raten begleichen kann. Deswegen ist eine Schmälerung          wohl bestehenden Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hat
auch des unpfändbaren Einkommens in einem solchen             bzw. haben kann.
Falle noch zumutbar und möglich. Die Bemessung des
unpfändbaren Einkommens im Zwangsvollstreckungs-
und Insolvenzrecht ist deswegen auch so zu verstehen,
dass derartige Zahlungspflichten in die in den dort ein-
schlägigen Vorschriften genannten Beträge jedenfalls ab-
strakt einfließen.

Zur Berücksichtigung faktischer Unterhaltspflichten bei der Pfändung
BGH, 19.10.2017 – IX ZB 100/16

Der Pfändungsfreibetrag ist nicht deshalb zu erhöhen,         diese Frage uneinheitlich beantwortet. So gehen einige
weil der Schuldner mit einer nicht unterhaltsberechtigten     Gerichte davon aus, dass die faktischen Unterhaltspflich-
Person in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft         ten bei der Pfändung Berücksichtigung finden müssen
zusammenlebt und diese wegen Zurechnung seines Ein-           (z. B.: LG Braunschweig, 13.12.2016 – 6 T 691/16; LG Essen,
kommens nicht hilfebedürftig ist.                             04.09.2014 – 7 T 285/14; LG Hamburg, 09.10.2013 – 326 T
                                                              50/13; OLG Frankfurt, 04.07.2009 – 24 U 146/07). Andere
Anmerkung von Rechtsanwalt Frank Lackmann,                    Gerichte verneinen die Berücksichtigung (z. B. LG Mün-
Bremerhaven                                                   ster, Beschluss vom 31.01.2017 – 5 T 30/17).

Der BGH beschäftigt sich in dieser Entscheidung mit der       Der BGH hat sich in der o. g. Entscheidung auf den ersten
viel diskutierten Frage, ob die sog. faktischen Unterhalts-   Blick der ablehnenden Haltung des LG Münster ange-
pflichten (ggü. nichtehelichen Lebenspartnern und Stief-       schlossen, indem er anführt, dass der Pfändungsfreibe-
kindern) bei der Lohn- bzw. Kontopfändung zu berück-          trag nicht deshalb zu erhöhen ist, weil der Schuldner mit
sichtigen sind oder nicht. In der Rechtsprechung wird         einer nicht unterhaltsberechtigten Person in einer sozi-

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gerichtsentscheidungen

alrechtlichen Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt. Aller-      Nach Ansicht des Autors muss die Lösung im Zwangsvoll-
dings schiebt der BGH nach, dass dies (zunächst) nur        streckungsrecht gesucht werden. Denn in der heutigen
dann der Fall ist, wenn die Bedarfsgemeinschaft durch       Zeit kann es keinen Unterschied machen, ob jemand ge-
die Pfändung nicht hilfebedürftig wird. Der Fall, den der   setzlich oder faktisch (aufgrund einer sozialhilferechtli-
BGH zu entscheiden hatte, war denkbar ungünstig, um         chen Vorschrift) zum Unterhalt verpflichtet ist.
die Frage der faktischen Unterhaltspflichten zu klären.
Denn die Bedarfsgemeinschaft hatte nach Abzug der           Der BGH hat die in dem Beispielsfall dargestellte span-
Pfändung durch das Einkommen des Schuldners und Un-         nende Konstellation nach Ansicht des Verfassers nicht
terhaltszahlung des leiblichen Vaters für die Kinder ge-    entschieden, da (auch in den Urteilsgründen) stets der
nügend Geld. Eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit der   Zusatz kommt: „und diese (die Bedarfsgemeinschaft) we-
Bedarfsgemeinschaft konnte aufgrund der vorhandenen         gen Zurechnung seines Einkommens nicht hilfebedürftig
Einnahmen nicht festgestellt werden. Daher ist die Ent-     ist“.
scheidung des BGH grundsätzlich zunächst nicht zu kri-
tisieren.                                                   Es wäre daher äußerst spannend, wie der BGH sich posi-
                                                            tioniert, wenn durch die Pfändung Sozialhilfebedürftig-
In der Beratungspraxis finden sich aber viel häufiger fol-    keit entsteht. Zugegeben: Der BGH kann auch, wenn er
gende Fälle:                                                diesen Fall zu entscheiden hat, dem Gesetzgeber die Lö-
                                                            sung dieser Frage überlassen und auch in diesen Fällen
Lebt z. B. ein Schuldner mit einem Nettoeinkommen von       dem Schuldner keinen erhöhten Pfändungsfreibetrag zu-
2.000 Euro mit seiner nicht-ehelichen Lebensgefährtin       billigen. Dann müssen der Schuldner und seine Bedarfs-
und deren zwei Kindern zusammen, so bilden sie eine so-     gemeinschaft (um in dem o. g. Beispielsfall zu bleiben)
zialrechtliche Bedarfsgemeinschaft. Aufgrund dessen ist     ergänzende Leistungen nach dem SGB II beantragen.
der Schuldner nach dem Sozialgesetzbuch verpflichtet         Ganz ausgeschlossen ist aber eine Berücksichtigung fak-
(§ 9 Abs. 2 S. 1 SGB II), sein Einkommen zur Deckung des    tischer Unterhaltspflichten durch den BGH bei durch die
Lebensbedarfs für die Bedarfsgemeinschaft einzusetzen.      Pfändung eintretender Sozialhilfebedürftigkeit nicht, so-
Auch aus § 20 SGB XII ergibt sich, dass zwischen Partnern   dass sich Anträge nach § 850f Abs. 1 Lit 1c) ZPO nach An-
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft unterhalts-         sicht des Verfassers weiterhin lohnen.
rechtliche Beziehungen bestehen. Wenn der Schuldner im
Beispielsfall nun gepfändet würde, so würde die Lohn-       (Zusatz: In der Zeitschrift ZVI, Ausgabe 11-2017 befasste
pfändungstabelle mit der Spalte 0 Anwendung finden. Das      sich der Autor Frank Lackmann in seinem Aufsatz aus-
würde bedeuten, dass beim Schuldner 606,34 Euro ge-         führlich mit der Frage der Berücksichtigung von Stiefkin-
pfändet würden. Von den verbleibenden 1.393,66 Euro         dern und nicht ehelichen Lebenspartnern bei Lohnpfän-
müsste er also den Lebensunterhalt für sich, seine Le-      dung und Insolvenz. Leider haben sich Aufsatz und o. g.
bensgefährtin und deren zwei Kinder bestreiten. Das         BGH-Entscheidung zeitlich überschnitten.).
dürfte unstreitig nicht ausreichen, sodass es nun zwei
Möglichkeiten gibt.

1. Der Schuldner und seine Bedarfsgemeinschaft bean-
tragen weitergehende Sozialleistungen nach dem SGB II
oder

2. Man berücksichtigt die Lebensgefährtin und deren
zwei Kinder bei der Pfändungsberechnung als „faktische
Unterhaltspflichten“ und stellt den gesamten zu errech-
nenden sozialhilferechtlichen Bedarf pfändungsfrei.

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themen
Gottfried Beicht, Sabine Radermacher
Schuldnerberatung und Glücksspielsucht
Zum besonderen Beratungsbedarf Glücksspielsüchtiger in der Schuldnerberatung

Einleitung                                                    lieren, sodass man bei einem gewissen Alter einer For-
                                                              derung einen günstigeren Vergleich aushandeln kann, als
Bei einer Entschuldung spielt die Höhe der Schulden kei-      bei einer „frischen” Forderung. Die Zeit spielt also regel-
ne ausschlaggebende Rolle. Mit dem gleichen Einkom-           mäßig für die zahlungsunfähigen Schuldner_innen. Auch
men kommt man gleich schnell oder langsam über den            durch Unterstellungen von Zahlungsunwilligkeit und Dro-
Schuldenberg, ob dieser nun zwölftausend Euro beträgt         hungen mit „unangenehmen Folgen“ seitens der Gläubi-
oder zwölf Millionen. Schwierigkeiten bereiten allenfalls     ger sollten sich Berater_innen von solchen Prioritäten
bestimmte Schuldenarten und es ergibt sich im Zusam-          fundierter Schuldnerhilfe nicht abbringen lassen. Diesen
menhang mit unserem Thema die Frage: Gibt es Beson-           Punkt halten wir deshalb für wichtig, weil eine psycho-
derheiten in der Schuldenstruktur Glücksspielsüchtiger?       soziale Beratung Zeit braucht. Bei abhängigen Glücks-
                                                              spieler_innen kann diese Zeit z. B. für eine Therapie ge-
Schuldenregulierung ist außerdem in der Schuldnerbe-          nutzt und der häufig verloren gegangene Umgang mit
ratung nicht das Wichtigste und sie ist auch nicht eilbe-     Geld neu trainiert werden. Bei Eheproblemen kann eine
dürftig! Ratsuchende versuchen zwar regelmäßig die            zusätzliche Eheberatung stattfinden und bei gesundheit-
Berater_in zu schnellen Verhandlungen mit ihren Gläu-         lichen Problemen kann z. B. eine Kur die vordringlichere
biger_innen zu drängen, weil sie ein weiteres Auflaufen        Maßnahme sein. Außerdem können in der gewonnenen
von Zinsen und Beitreibungskosten zusätzlich zur Haupt-       Zeit Budgetberatungen und andere zur Rückfallpräven-
schuld sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen befürch-           tion geeignete Beratungen stattfinden.
ten. Das, was Schuldner_innen letztlich zur Schuldenre-
gulierung aufbringen müssen, orientiert sich jedoch im        Gibt es eine typische Schuldenstruktur
Regelfall nicht an der Schuldenhöhe, sondern aus-             bei Glücksspielsüchtigen?
schließlich an ihrem Einkommen und gegebenenfalls
Vermögen. Es ist außerdem so, dass „uneinbringliche”          Die Antwort zur eingangs gestellten Frage kann der fol-
Forderungen für Gläubiger im Laufe der Zeit an Wert ver-      genden Grafik entnommen werden:

Pathologisches Glücksspiel, Anamnestische Daten: Schuldenkategorien
Quelle: Universitätsmedizin Mainz, Ambulanz für Spielsucht.

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themen

Im Unterschied zu anderen Überschuldeten-Gruppen fällt      werden wegen der Bedrohung der Beziehung als drücken-
auf, dass bei den meisten spielsüchtigen Überschuldeten     der empfunden. Forderungen aus Delikten können die
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a) Schulden bei nahestehenden Personen wie Verwand-         haben. Hinzu kommt noch, dass die Glücksspielsüchtigen
ten, Freunden, Kollegen oder auch anderen Spielern vor-     noch mehr darauf bedacht sind, die Fassade der Solven-
handen sind und dass diese sogar den größten Schulden-      ten, die allenfalls einen kurzzeitigen finanziellen Engpass
berg bilden.                                                überbrücken müssen, um jeden Preis aufrechtzuerhalten.
                                                            Sie setzen sich damit unter zusätzlichen Druck, was äu-
Befremdlich finden Kolleg_innen aus der Glücksspiel-         ßerst kräftezehrend ist.
suchtberatung auch das Phänomen, dass
                                                            Zu den Auswirkungen von pathologischem
b) Banken ihre Kredite und oft zusätzliche Kreditkarten     Glücksspiel auf Familien
allzu leichtfertig und ohne ausreichende Sicherheiten
auch an Glücksspielsüchtige vergeben. Diese sind dort       Eine Erhebung bei den Regionalen Fachstellen für
zwar als solche nicht unbedingt bekannt, Glücksspielern     Glücksspielsuchtprävention und Beratung in Rheinland-
werde es aber viel zu leicht gemacht, mithilfe von Bank-    Pfalz aus dem Jahr 2014 zeigt die vielfältigen negativen
krediten an Geld zu kommen. Eine strengere Prüfung von      Folgen von Glücksspielsucht:
Sicherheiten sei aber gerade bei dieser problematischen
Kundengruppe wünschenswert.

Die langjährige Beratungserfahrung in der allgemein zu-
gänglichen Schuldnerberatung zeigt allerdings, dass Ban-
ken auch bei anderen Personengruppen relativ großzügig
im Konsumentenkreditbereich handeln. Ihre Risikofreude
ist nicht einmal durch die Einführung des Verbraucherin-
solvenzverfahrens gesunken, das von manchen Gläubi-
ger_innen durchaus als Enteignung gesehen wird.

Eine weitere Besonderheit ist das Vorkommen

c) überproportional vieler „deliktischer” Forderungen,
die aus Kreditbetrug, Internetbetrug oder vorsätzlicher
Vertragsverletzung herrühren können. Bei Kreditaufnah-
me werden z. B. falsche Angaben über die Bonität ge-
macht, es werden z. b. Nebeneinkünfte hinzugelogen, im
Internet werden Waren verkauft, die nicht geliefert wer-
den oder es werden Handys auf Raten gekauft, um sie so-
fort weiterzuverkaufen und den Ratenvertrag nicht zu er-
füllen.

Schulden bei nahestehenden Personen verursachen einen
ungleich höheren sozialen Druck, wenn sie nicht beglichen   Einer Ratsuchenden war nach der Trennung von ihrem
werden können, als z. B. nicht bezahlbare Kreditschulden    Mann ein hoher Schuldenberg aus einem gemeinsam
bei einer Bank. Die Schulden bei nahestehenden Personen     aufgenommenen Kredit geblieben. Die Schilderung ihrer
                                                            Erlebnisse1 kann die destruktiven Auswirkungen patho-
                                                            logischen Glücksspiels auf Familien veranschaulichen:
1
    Beicht: Zusammenfassung des Interviews am 15.08.2016
    mit Nora T. (Namen geändert).

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Olaf F. und Nora T. lernen sich 1995 kennen. Nach ca. einem   Dass er alte Menschen bestiehlt, die er eigentlich pflegen
halben Jahr beziehen sie eine gemeinsame Wohnung, weil        soll, taucht in seinen Zeugnissen nicht auf, sodass er
Nora die ehemalige eheliche Wohnung nach Scheidung            nach wiederholten Entlassungen wegen solcher Dieb-
von ihrem zweiten Mann verlassen muss. Sie ist noch sehr      stähle immer wieder schnell neue Arbeitsstellen findet.
mit dieser Trennung beschäftigt und froh, dass sie bei Olaf   In seinen „klaren Momenten“, wie Nora es nennt, beginnt
Unterstützung findet. Nora bringt aus zwei vorherigen          er sogar mehrfach Therapien, bricht sie aber immer wie-
Ehen drei Kinder mit in die Beziehung. Olaf hat mit einer     der ab. Manchmal geht er von der Therapiesitzung direkt
früheren Freundin einen Sohn. Es gibt berufliche Nähe,         in eine Spielhalle. Als die Spielhallen noch um ein Uhr
beide sind in der Altenpflege tätig. Erste Anzeichen, dass     nachts schließen, kommt er um 1:15 Uhr nach Hause. Als
mit ihrem neuen Partner etwas nicht stimmt, nimmt Nora        es einige Jahre später 24-Stunden-Öffnungszeiten gab, oft
ca. eineinhalb Jahre nach Bezug der gemeinsamen Woh-          erst morgens um fünf Uhr, um dann seine Arbeit zu
nung wahr. Er ist gelegentlich aggressiv, auch gegenüber      schwänzen. Bei Besuchen bei Freunden oder Verwandten
dem jüngsten Stiefsohn. Nora heiratet Olaf trotzdem. Erst     hält er es nicht länger als eine Stunde aus und will mög-
zwei Jahre später erfährt sie durch einen zufällig gefun-     lichst schnell wieder nach Hause, wo er sich auf den Bal-
denen Kontoauszug von Olafs enormen Schulden. Die bis-        kon zurückziehen kann, in sein Spielerparadies, um auf
herigen Auffälligkeiten verdichten sich zu ihrem Verdacht,    seinem Laptop zu „daddeln”. Er scheint dann in eine an-
er verbringe viele Abwesenheitszeiten in Spielhallen.         dere Welt abgetaucht zu sein. Nach sechs Jahren hält No-
                                                              ra es nicht mehr aus und lässt sich scheiden. Wiederholt
                             Pathologisches Glücksspiel,      steht Olaf danach wieder vor ihrer Türe, wenn er eine
                                   Anamnestische Daten:       Wohnung oder Freundin verloren hat, schwört Besserung
                                          Negative Folgen     und sie nimmt ihn wieder auf. In den Zeiten dazwischen
                                 Datenerhebung 2014 bei       gehen bei ihr gelegentlich nachgesendete Mahnschrei-
                              den Regionalen Fachstellen      ben von Gläubigern ein.
                              Glücksspielprävention und
                            Beratung in Rheinland-Pfalz.      Als besonders fatal wirkt sich aus, dass Olaf zunächst sei-
                                                              nen Vater um Geld anbettelt und ihn später, als Betteln
                                                              nicht mehr hilft, mit Aussagen erpresst wie: Er komme ins
                                                              Gefängnis, wenn er nicht sofort eine bestimmte Geld-
                                                              summe zahle. Der Vater zahlt. Nora berichtet, Olaf sei als
                                                              Kind der Lieblingssohn seines Vaters gewesen. Dafür,
                                                              dass sich der Vater immer wieder dem psychologischen
                                                              Druck des Sohnes zu beugen schien, hat sie keine Erklä-
                                                              rung. In Gesellschaft gibt Olaf immer den Strahlemann,
                                                              ist charmant, zuvorkommend und gut angezogen, seine
                                                              Fassade ist perfekt. Diese Fassade aufrechtzuerhalten, ist
                                                              aber so anstrengend für ihn, dass er hinterher oft regel-
                                                   Quelle:    recht „zusammenklappt“, wie Nora es ausdrückt. Danach
                              Universitätsmedizin Mainz,      befragt, warum sie ihn immer wieder aufgenommen hat,
                                Ambulanz für Spielsucht.      antwortet Nora: „Seine Reue und Besserungsversprechen
                                                              waren ernst gemeint. Er hatte Niemanden außer mir, zu
                                                              dem er gehen konnte, wenn er total unten war.“ Vor ein-
Es kommt so weit, dass Olaf seinen Mietanteil nicht mehr      einhalb Jahren hat sie es dann doch noch geschafft, sich
zahlen kann. Er schwankt zwischen weinerlichem Verhal-        aus diesem Wechselbad der Gefühle zu befreien und sich
ten, wo er sich vermeintlich reuevoll als Mistkerl bezeich-   von Olaf zu trennen. Geblieben sind ihr 30.000 Euro Kre-
net, der so eine nette Frau nicht verdient habe, und ag-      ditschulden, die sie noch sieben Jahre lang abzahlen
gressivem Verhalten mit übelsten Beschimpfungen und           muss. Das auch nur, weil es ihr in zähen Verhandlungen
später auch körperlichen Attacken.                            mit der Bank gelungen ist, einen gemeinsamen Kredit

BAG-SB Informationen – Heft 1_2018                                                                                    13
themen

hälftig teilen zu lassen. Die psychischen Schäden, die          „Bei vielen Suchtkranken fehlt das Selbstwertgefühl und
Olaf ihr und ihrem jüngsten Sohn zugefügt hat, bezeich-         sie haben große Schwierigkeiten im Umgang mit ihren ei-
net sie als irreparabel. „Es war die Hölle“ fasst sie ihr Er-   genen Emotionen sowie emotionalen Beziehungen.“2 Der
lebtes zusammen.                                                fehlende Selbstwert führt zu Hilflosigkeit im Umgang mit
                                                                Realitäten. „Pathologisches Spielen ist daher der Aus-
Wodurch kann Glücksspielsucht bedingt sein?                     druck einer Persönlichkeit, der es an Struktur mangelt
                                                                und die mit narzisstischen Problemen zu kämpfen hat.“3
Eindeutige oder gar singuläre Gründe oder Auslöser für          Das Spielen kann dann den Wunsch nach Schutz und Sta-
eine Glücksspielsucht hat man bisher nicht gefunden.            bilisierung erfüllen und die Spielhalle bietet bei der
Häufig benennen Betroffene schon in früher Kindheit              Flucht vor den täglichen Problemen ein Zuhause. Glücks-
erste Kontakte zum Glücksspiel. Wenn sie z. B. sonntags         spielsüchtige neigen unseren Erfahrungen nach dazu, ihr
vom Vater beim Frühschoppen in der Kneipe mit ein paar          ganzes Leben zu spielen. Sie sind häufig Meister im Or-
Pfennig vor dem Spielautomaten „geparkt“ wurden. Auch           ganisieren und Verheimlichen. Daher ist es auch für An-
der kulturelle Hintergrund spielt oft eine wichtige Rolle.      gehörige so schwierig diese, Suchterkrankung frühzeitig
Gerade in den arabischen Ländern hat das Glücksspiel ei-        zu bemerken.
nen völlig anderen Stellenwert in der Gesellschaft als bei
uns und ist tief in der Tradition verwurzelt. Andere Betrof-    Zum Zusammenwirken von Glücksspielsucht
fene entfliehen der Einsamkeit mit dem Weg in die Spiel-         und Überschuldung
halle. Hier werden sie hofiert und haben Ansprache. Ob
dies allerdings Auslöser einer Suchterkrankung sein kön-        Der Spieler schämt sich ohnehin schon wegen seiner
nen, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Es scheinen       Spielsucht und wird mit der Zeit Meister darin, sowohl
aber bei dieser „nicht stoffgebundenen“ Sucht ähnliche          diese als auch seine Zahlungsunfähigkeit zu verschleiern.
Faktoren zu sein, wie bei der Entstehung „stoffgebunde-         Er glaubt tatsächlich, er habe „alles im Griff“ und ver-
ner“ Süchte. Für die Schuldnerberatung sind allerdings          sucht dieses Selbstbild nach außen zu kommunizieren.
eher die typischen Verhaltensweisen oder Wesensmerk-            Die wahren, sowohl psychischen, als auch finanziellen
male von abhängigen Glücksspieler_innen interessant,            Verhältnisse werden geschickt verschleiert. Zu dieser
denn mit diesen ist die Beratung konfrontiert und auf           Verschleierungstaktik gehört es auch, neue Löcher auf-
diese muss sie reagieren.                                       zureißen, um alte zu stopfen und immer neue Wege zu
                                                                finden, um an „Spielgeld” zu kommen. Zu solchem wird
In der Literatur werden meist drei zusammenwirkende             bei ihm das reale Geld, denn einen realistischen Bezug
Komponenten genannt, die ein erhöhtes Gefährdungspo-            zu Geld hat er längst verloren, manchmal auch nie ge-
tenzial bergen: a) Die individuellen Faktoren beim Spieler,     habt. Jede_r natürliche Schuldner_in spürt die Verpflich-
b) das soziale Umfeld und c) die Verfügbarkeit des Sucht-       tung, ihre/seine Schulden zurückzahlen zu müssen. Der
mittels. In vielen Beschreibungen finden sich zur Charak-        Verpflichtungsdruck wird vom Privaten umso stärker
terisierung von Spielsüchtigen: Sie neigen zu impulsivem        empfunden, je wichtiger die Beziehung zum Gläubiger ist,
Verhalten, können ihre Gefühle schlecht kontrollieren           also stärker z. B. gegenüber Verwandten und Freund_innen
und sind in Konfliktsituationen schnell überfordert. Es          als gegenüber Fremden. Beim Spieler oder der Spielerin ist
kann natürlich nicht der Umkehrschluss gezogen werden,          der Druck spielen zu müssen, und damit das vorhandene
dass solche Eigenschaften unweigerlich in eine Spiel-           Geld anderweitig einzusetzen als zur Schuldentilgung, jah-
sucht münden. Die genannten Wesenszüge sind jedoch              relang größer als der Verpflichtungsdruck zur Schuldenre-
bei Spielsüchtigen überproportional häufig anzutreffen.          gulierung. Gleichzeitig steigt aber auch der soziale Druck
                                                                enorm, das Gesicht zu wahren und die Beziehung nicht
                                                                zu verlieren. Familienangehörige fallen oft aus allen Wol-
                                                                ken, wenn sie erfahren, dass ihr Familienmitglied spiel-
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  spielsucht-therapie.de: Ursachen von Spielsucht               süchtig ist und das oftmals schon lange. Einen weiteren
  Download am 03.11.2016: www.spielsucht-therapie.de/ursachen   Schock beschert es, wenn die desolate finanzielle Lage
  von spielsucht.
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                                                                bekannt wird. Häufig ist es auch so, dass die/der Spiel-
  Ebd.

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süchtige die Haushaltsfinanzen zu regeln hatte und die       Umgang mit der Doppelbelastung durch
Angehörigen durch ihre/seine gekonnten Verschleierun-       Glücksspielsucht und Überschuldung in der Beratung
gen keinen frühzeitigen Einblick darin nehmen konnten.
                                                            Mit Offenheit hinsichtlich der Überschuldungssituation
Die eigene Beteiligung zur Verlängerung der aktiven         kann in der Schuldnerberatung Glücksspielsüchtiger auf-
Spielphase durch Nichtwahrnehmen und indirekte Un-          grund jahrelanger Übung in Verschleierungstaktik nicht
terstützung des Suchtverhaltens als Co-Abhängige_r wird     gerechnet werden. Außerdem mangelt es den meisten
häufig nicht gesehen oder unterschätzt. Erschwerend          Glücksspielsüchtigen an Selbstdisziplin, Struktur, Gewis-
kommt es hinzu, wenn die/der Spielsüchtige Alleinver-       senhaftigkeit und Zuverlässigkeit. Häufig beschäftigen
diener_in ist und die Familie in starker finanzieller Ab-    wir uns bei jedem Beratungstermin mit neuen oder neu
hängigkeit von ihr/ihm lebt. Dass Co-Abhängige Kredit-      „aufgetauchten” alten Schulden. Auch die Bemühungen
verpflichtungen mit unterschreiben, ist keine Seltenheit.    dazu, einen Überblick über dubiose Kreditumschuldun-
Ihnen wird dazu häufig vorgegaukelt, sie dienten löbli-      gen, Kreditkartenzahlungen und selbstständig ausgehan-
chen Zwecken, nämlich z. B. einer Autoreparatur oder der    delte Zahlungsvereinbarungen mit Gläubigern über
Ablösung von Altkrediten. Selbst wenn eine Ehe nach         Kleinstraten zu erhalten, nehmen viel Zeit in Anspruch.
dem Aufdecken dieser Parallelwelt in die Brüche geht, ist   Mit solchen Kleinstraten wird praktisch nie eine Schul-
man infolge der aufgehäuften Schulden weiter miteinan-      denregulierung erreicht, sie zeigen aber einmal mehr den
der verbunden, wie das Fallbeispiel exemplarisch zeigt.     großen Ideenreichtum in den Verschleierungstaktiken
Die destruktiven Auswirkungen der Glücksspielsucht auf      von Spielsüchtigen. Existenzsichernde Maßnahmen kön-
das familiäre Umfeld sind deshalb auch in der Schuld-       nen zwar regelmäßig ergriffen werden und werden von
nerberatung besonders zu beachten. Ebenso wie die Fa-       Ratsuchenden auch dankbar angenommen. Bei länger-
milien anderer Überschuldeter, sind auch die von Glücks-    fristigen Entschuldungsprozessen ist jedoch immer Vor-
spielsüchtigen von tiefgehenden psychosozialen Krisen       sicht geboten! Ohne eine vorherige Therapie bzw. eine
geschüttelt. Wegen der oft jahrelang praktizierten Ver-     gesicherte Abstinenz ist ein Entschuldungsversuch meist
heimlichungen und Verschleierungen von Spielsucht und       vergebliche Liebesmüh.
Überschuldung können ihre familiären Bindungen nach
Entdeckung jedoch in noch weitaus größerem Maße ge-         Leider neigen manche Helfenden dazu, ihren Rat- oder
fährdet sein. Außerdem leben Abhängige und Co-Abhän-        Hilfesuchenden so schnell wie möglich „Steine aus dem
gige oft in einer Art symbiotischer Verflechtung, in der     Weg zu räumen”, für sie zu handeln, statt sie zu selbst-
Geld und Schulden sowie die Kommunikation darüber           ständigem Handeln anzuleiten, bei deren Defiziten zu ver-
ein wichtiges Bindemittel sein können.                      harren, statt ihre Stärken zu entwickeln und zu nutzen,
                                                            sie also zu unterfordern, manchmal auch zu bevormun-
Wir wissen aus der Schuldnerberatung seit Langem, dass      den. Solche „Fürsorge” scheint insbesondere bei finan-
das Thema Geld und insbesondere das Thema Schulden          ziellen Notlagen erforderlich, weil die ja besonders drük-
eine wichtige Klebefunktion für Beziehungen haben kann.     ken. Für langfristige Lerneffekte sind sie jedoch meist
Es ist manchmal das einzige Thema, über das man noch        ungeeignet. So wird es regelmäßig bessere Lerneffekte
kommunizieren und damit die Beziehung aufrechterhalten      bewirken, Ratsuchende verschiedene notwendige Verfah-
kann. Eine zu rasche Entschuldung würde möglicherweise      rensschritte selbst ausführen, also z. B. eine Gläubiger-
dieses Gesprächsthema wegnehmen und damit vielleicht        und Forderungsübersicht oder einen Insolvenzantrag
auch die Beziehung beenden. Es ist deshalb ein Grundge-     selbst ausfüllen zu lassen. Die Anleitung zu strukturier-
setz in der Schuldnerberatung, immer den Beziehungs-        tem und zielgerichtetem Handeln fängt in der Schuldner-
aspekt von Schulden zu beachten und mit Ratsuchenden        beratung schon damit an, Ratsuchende ihre Unterlagen
daran zu arbeiten. In der Glücksspielsucht geht der Geld-   selbst sortieren und die Schreiben an ihre Gläubiger
verlust mit dem Verlust gesunder Beziehungen einher. Wir    selbst schreiben zu lassen. Sie bekommen dann nämlich
betonen dies deshalb, weil das Rückgängigmachen von         eher einen Überblick über ihre Verschuldungssituation
Geldverlust, also eine Entschuldung, den Beziehungsver-     und oft erstmals das Gefühl, Struktur gefunden und Ir-
lust nicht gleichzeitig rückgängig machen kann.             gendetwas bewirkt zu haben. Manchmal ist es sogar eine

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