BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
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BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ X/18 1/20 XXXXXXXXXXXX SPANNEND Xxxxxxx Das Tragwerk xxxxxximXxxxxxx Fokus xxx www.magazin-first.ch www.magazin-first.ch
S IC KET C H/ T DI NA. G IAR l Holzbautag Bie lzbautag .ch/ahb/ho 14 . Mai 2020 | bfh Schöne Aussichten Unsere vielfältigen Weiterbildungen: – Digital Planen, Bauen, Nutzen | ab August 2020 – Erdbebengerechte Holzbauten | ab August 2020 – Areal- und Immobilienprojektentwicklung ab August 2020 – Holztragwerke | ab September 2020 – Immobilienbewertung | ab Oktober 2020 – Brandschutz für Architektinnen und Architekten | ab Januar 2021 Spannende Kontraste – Brandschutz im Holzbau | Modulkurse 2020 Führende Gartengestalter zeigen, wie Stauden, Bäume, Skulpturen und Möbel als Objekte inszeniert werden und der Einsatz von kon- trastreichen Farben, Formen und Materialien Spannung erzeugt. Verändern Sie Ihren Blick bfh.ch/ahb/wb auf den Garten – es erwartet Sie so manch Spektakel und Schauspiel der Natur, präsen- tiert in beeindruckenden Gartenwelten. ‣ Weiterbildung
INHALT / EDITORIAL HOLZ.ART4 Liebe Leserinnen und Leser FOKUS.THEMA6 Ekkharthof in Lengwil (TG): Die neue Cantina steht für den Wandel von der Als Möbel oder im Boots- 6 Abgeschiedenheit hin zu Inklusion und bau: Die Esche wird vor al- Transparenz. Die Säulenhalle aus lem da eingesetzt, wo eine Eschenholz bietet Ein- und Ausblicke. gewisse Zähheit gefragt ist. BAU.WERK14 Dabei sind sich Experten ei- Westhalle Thun: Die Architekten haben nig: Das robuste Laubholz aus der ehemaligen Fabrikhalle einen an- kann viel mehr als das. Zum 14 gesagten Kulturbau gemacht. Raumkör- Beispiel in Form eines hoch- per aus Holz tragen die Transformation. leistungsfähigen Holztrag- werks. Wie das aussehen STAND.PUNKT21 kann, das weiss unsere Au- LEBENS.RAUM22 torin Helen Oertli. Sie hat mit Infopavillon in Altenrhein (SG): Der Low- dem Architekten eines da- Tech-Tempel spielt mit Analogien. Blume, von besucht und nimmt uns Faulturm oder Kleinod? Das ist eine – sinnbildlich gesprochen – 22 Frage der Perspektive. mit: zur Akropolis vom Bo- WELT.WEIT28 densee. Ein guter Vergleich Odunpazari Modern Museum, Türkei: Der für den auf anthroposophi- japanische Architekt Kengo Kuma stapelt schen Grundsätzen fussen- einen Neubau ins historische Quartier. den Gastronomiebau des 28 Ekkharthofs. Eschenholz war NACH.GEFRAGT30 die erste Wahl bei dem Rah- bei Bauingenieur Hermann Blumer. Im Fo- kus: der «Ring for Peace» in Lindau (D). Die mentragwerk – nicht zuletzt Skulptur sorgte für Zeitdruck. Gut, denn auch aus ästhetischen Blumer bevorzugt Projekte mit einem ge- Gründen. Dieses Projekt ist wissen Risiko. eines der zeitgenössischen 30 Holzbauten, die wir in dieser STIL.FORM34 Ausgabe von FIRST vorstel- Kulturhaus Rain, Böttstein (AG): Unter dem Tonnendach ist nun genug Platz für len. Wie etwa die Westhalle Kunst und Kultur. Sein Rautenmuster er- Thun oder das Kulturhaus innert an ein Zollingerdach. Ein Bau zwi- Rain. Sie zeigen deutlich, schen Tradition und Moderne. wie ein für den Ort sorgfältig ausgewähltes Holztragwerk 34 AUS.BLICK / IMPRESSUM Atmosphäre schafft. Ich 42 wünsche Ihnen viel Freude damit. Sandra Depner, MIT CROSSMEDIALEM CONTENT i+ i+ 1:10 i+ 1:10 1:10 Redaktorin, AUF MAGAZIN-FIRST.CH Fotos Pläne Videos Zusatzinfos (Reproduktionsgrösse 15–5%) (Reproduktionsgrösse 15–5%) (Reproduktionsgrösse 15–5%) Projektleiterin «FIRST»
HOLZ.ART Detail Klybeck ROBOTER UND ALGORITHMEN Wie wirkt sich der Einsatz von Robotern auf die mit ihrer Hilfe entstehenden Bauten aus? Und wie beeinflusst diese Praxis das Denken und Planen der Ar- chitekten? Werden Architekten bald zu Programmierern von Algorithmen? In «Robotic Building» gehen die Herausge- ber Gilles Retsin, Manuel Jimenez Gar- NUSSBAUM UND BLUMEN cia, Mollie Claypool und Vicente Soler Mit seinen drei übereinander angeordneten, 360 Grad drehbaren Platten bietet diesen Fragen nach. Sie untersuchen in der «Salontisch 63» ein reiches Formspiel. Geschlossen ist er platzsparend. Wie fünf Kapiteln die Möglichkeiten von Ro- eine Blume geöffnet, vergrössert sich sein Umfang erheblich. Tischplatten aus botern für den Entwurf, die Formgebung amerikanischem Nussbaum treffen auf ein schlichtes Fussgestell aus pulverbe- und die Konstruktion – mit praktischen schichtetem Stahl. Urheber ist der Schreiner und Designer Baptiste Ducommun, Beispielen im Fokus. Nur auf Englisch, dessen Label Klybeck für Holzmöbel mit klaren Linien steht. In kleinen Serien 2019, 128 Seiten, CHF 78.93, ISBN: 978- werden die Stücke in der Werkstatt in Basel hergestellt. klybeck.net 1:10 i+ 3-95553-424-0. detail.de 1:10 i+ (Reproduktionsgrösse 15–5%) (Reproduktionsgrösse (Reproduktionsgrösse 15–5%) 15–5%) SCHALL UND LICHT Basler & Hofmann AG, Stefan Kubli Verbindet man parametrische Planung mit Simulationen und digitalen Ferti- gungstechniken können ästhetisch wie funktional völlig neuartige Bauteile ent- stehen. Bestes Beispiel: die Akustikwände in der neuen Cafeteria des Erweite- rungsbaus von Basler & Hofmann in Esslingen (ZH). Die drei Wände bestehen aus mehr als 8500 identischen Holzelementen, die so angeordnet sind, dass sie Schall diffundieren und absorbieren. Gleichzeitig kreieren sie im Tagesverlauf ein architektonisch beeindruckendes Spiel aus Licht und Schatten. Das Projekt ist in einer Entwicklungspartnerschaft mit Gramazio Kohler Research, der Professur für Architektur und Digitale Fabrikation und der Professur für Physikalische Che- mie von Baumaterialien an der ETH Zürich mit dem Unternehmen Erne Holzbau entstanden. baslerhofmann.ch 1:10 i+ (Reproduktionsgrösse (Reproduktionsgrösse15–5%) 15–5%) 4/5
FIRST 01/2020 FEUER UND HIMMEL Burning Man Im US-Bundesstaat Nevada findet jedes Jahr das Festi- val Burning Man statt. Im Mittelpunkt steht eine Skulp- tur, die in einer spirituellen Zeremonie verbrannt wird. Die Organisatoren haben nun deren Design für das kom- mende Festival im Spätsommer vorgestellt: Der Tempel «Empyrean» greift die mittelalterliche Kosmologie auf, in der das Empyreum den höchsten Teil des Himmels dar- stellt. In Form eines achtzackigen Sterns nimmt die Bur- ning-Man-Skulptur einen Durchmesser von 60 Metern ein. Im Zentrum erhebt sich aus der Mitte des Tempels eine Holzskulptur, die Flamme. Mit einer Höhe von 20 Metern kann sie vom gesamten Gelände aus gesehen werden. Das Festival lebt von der Idee des Kollektivs und der Kollaboration. Interessierte, die am Projekt Empy- rean mitwirken wollen, können sich über die offizielle Website bewerben. burningman.org, bit.ly/2uAszgJ 1:10 i+ (Reproduktionsgrösse (Reproduktionsgrösse 15–5%) 15–5%) HOLZ UND SPIELE Im Südwesten Englands in der Grafschaft Gloucestershire ist der Startschuss für ein Stadion komplett aus Holz gefallen. In einem zweiten Anlauf erhielt das Büro Zaha Hadid Architects (ZHA) Ende 2019 die Baugenehmigung. Das Stadion ist 20 Meter hoch und bietet Platz für 5000 Zuschauer. Sein Dach ist mit einer transparenten Membran versehen. Standort ist das 100 Hektar grosse Areal «Eco Park»: ein Gebiet, das zu einer Hälfte nachhaltige Technologien beherbergen soll, zur anderen Hälfte moderne Sportanlagen. Deren Herzstück ist das Stadion des eng- lischen Viertligisten Forest Green Rover. Voraussichtlich ab 2023 kann der Fussballclub darin um den Aufstieg spielen. Platz gäbe es für den Fall genug: Das Stadion lässt sich ohne grosse Umbauten auf bis zu 10 000 Sitzplätze erweitern. zaha-hadid.com 1:10 i+ (Reproduktionsgrösse 15–5%) MIR
FOKUS.THEMA 1 «Akropolis vom Bodensee» nennen die Leute vom Dorf das neue Gastronomiegebäude. Doch die Cantina ist weder Festung noch Machtde- monstration – im Gegenteil. Die Säulenhalle steht exemplarisch für den Wandel hin zu Offenheit und Transparenz. 1 6/7
FIRST 01/2020 AKROPOLIS VOM BODENSEE Lange wohnten und arbeiteten die Menschen auf dem Ekkharthof zurückgezogen von der Welt. Nach vierzig Jahren Betriebs- zeit will der Trägerverein die anthroposophische Einrichtung öffnen – auch baulich. Die neue Cantina steht exemplarisch für den Wandel hin zu Transparenz und Inklusion. Text Helen Oertli | Fotos Lucas Peters, Hannes Heinzer | Pläne Lukas Imhof Architektur GmbH
FOKUS.THEMA Oberhalb des Bodensees, am Dorfrand von Gutsbetrieb, woher auch ein grosser Teil der untergebracht. Chefkoch Manuel Müller Lengwil, liegt der Ekkharthof. Erst wenn man Lebensmittel für die Kantine stammt. Lange führt durch die Kühlzellen, in denen Obst und von der Schnellstrasse auf die schmale Land- war die Abgeschiedenheit gesucht. Mittler- Gemüse vom Hof, sackweise Kräuter und strasse abbiegt, wird die Ansiedlung hinter den weile hat sich die Betreuungsphilosophie ge- auch Milch und Joghurt von der eigenen Mol- dichten Hecken sichtbar. Markant hebt sich zu- ändert – von der Absonderung hin zu Offenheit kerei lagern. Gekocht wird in der Gastrono- vorderst ein Kamin ab, dahinter steht auf einem und Inklusion. Als nach 40 Jahren Betriebszeit mieküche im Sockelgeschoss, wo Müller mit Betonsockel, der aus dem leicht fallenden Ter- die Gebäude den neuen Bedürfnissen und ge- seiner zwanzigköpfigen Küchenequipe täg- rain wächst, eine Säulenhalle aus Eschenholz: setzlichen Vorschriften angepasst werden lich für rund 300 Personen Menüs zubereitet. die neue Cantina. Massive, kantige Säulen tra- sollten, war es dem Trägerverein ein Anliegen, Ein Grossteil des Essens wird direkt an die gen ein weit auskragendes Dach. Komplett dass die angestrebte Öffnung der Einrichtung Wohngruppen verteilt. In der Cantina, oben ausgefacht mit Glas wirkt die wuchtige Holz- auch baulich sichtbar würde. im Hochparterre, essen das Personal und Be- konstruktion – knapp dreissig Meter lang und treute, die von auswärts kommen. Rund 200 fünfzehn Meter breit – dennoch offen und licht. Für die Um- und Neubauten im Gesamtwert Sitzplätze fasst der Speisesaal. von 24 Millionen Franken wurde ein selekti- In den 1970er Jahren entstand im thurgaui- ver Wettbewerb lanciert, bei dem die Lukas DIE FORM FOLGT DER STATIK schen Lengwil die Heil- und Bildungsstätte Ekk- Imhof Architektur GmbH aus Zürich mit ihrem Wie bei einer Scheune ist der Innenraum harthof. Rund zweihundert Menschen mit Be- Entwurf überzeugte. Ende 2018 konnte nach symmetrisch aufgebaut und das Vordach ge- treuungsbedarf wohnen und arbeiten hier der ersten Bauetappe das Gastronomiege- gen den Innenhof so weit heruntergezogen, nach anthroposophischen Grundsätzen. Ne- bäude in Betrieb genommen werden. Im Un- dass es die Terrasse überdacht. Das massive ben einer Sonderschule, einem Wohnheim tergeschoss sind die Garderoben für das Per- Rahmentragwerk aus Esche ist selbstaus- und zahlreichen Werkstätten gibt es einen sonal sowie die Technik und die Lagerräume steifend ausgebildet, auf Wände wurde kom- 2 Die Gebäude gruppieren sich wie eine Wagenburg um den Innenhof. Das neue Gastronomiegebäude fasst den Platz gegen Süden und schliesst gleichzeitig den Hof zur umliegenden Landwirtschaftszone. 3 Die Glasfront, umrahmt von wuchtigen Holzsäulen, lässt den Blick unverstellt auf die ländliche Umgebung. 2 8/9
FIRST 01/2020 ANZEIGE lich g e n S ie ausdrück Verlan nzopf. e n F is o lan Fuge d 838 40 3 0 31 h | Tel. 0 fisolan.c fisolan@ 3 FUGENZOPF 100% SCHAFWOLLE Das Projekt – die Fakten Objekt: Ekkharthof, Neubau eines Gastronomie- und Mehrzweckgebäudes mit 200 Restaurantplätzen und Gastroküche Passend für Fugenbreiten Standort: Lengwil (TG) von 10 – 35 mm bei Fenstern Auftragsart: selektiver Projektwettbewerb und Türen verwendbar. Baujahr: 2018 Dank innovativer Aufwicklung, Bauherrschaft: Ekkharthofverein Lengwil / Hochbauamt Kanton Thurgau einfach abwickelbar und kein Ver- Architektur: Lukas Imhof Architektur GmbH, Zürich; knoten. Zopf ist mit sehr dünnem Lukas Imhof, Caroline Schillinger und Carlos Wilkening (Projektleitung) Faden gebunden. Holzbauingenieur: Josef Kolb AG, Romanshorn (TG) Brandkennziffer 5.2 schwer Vorfertigung Holztragkonstruktion: Neue Holzbau AG, Lungern (OW) brennbar Holzbau Ausführung: Kifa AG, Aadorf (TG) Mit Mottenschutz ausgerüstet Baukosten: CHF 8 Mio. Bestes Preis- Leistungsverhältnis Dimensionen (Vordach): Länge 35,54 m, Breite 15,36 m, Höhe (OG bis First) 5,80 m Gebäudevolumen (SIA 416): 4748 m3 und ab sofort über den Grosshandel Nettogeschossfläche (SIA 416): 1005 m2 in der Schweiz verfügbar. Holzvolumen: BSH Esche 58 m³, Eschendecke 400 m², FISOLAN AG | fisolan@fisolan.ch BSH und Rahmenholz Fichte 35 m³, DSP-Fichte 205 m² Biglenstrasse 505 | CH-3077 Enggistein
FOKUS.THEMA 4 4 Das Tragwerk erinnert an ein Vierendeelsystem. Es ist selbstaussteifend gebaut, ohne Wände. Die Knotenpunkte sind massgebend für die Momentbeanspruchung. 5 Der Architekt Lukas Imhof nahm beim Entwurf Bezug auf das Goetheanum in Dornach (SO). Charakteristisch für das Bauwerk sind abgeschrägte Ecken und trapezförmige Pfeilerköpfe. plett verzichtet. Aufgrund der biegesteifen KONSTRUKTIVER HOLZSCHUTZ Bereits früh im Projekt war klar, dass der Ent- Ausführung ist die Beanspruchung der Rah- Auf die Frage nach den Besonderheiten die- wurf mit Holz umgesetzt werden sollte. Die menecken, die zugleich Knotenpunkte sind, ses Bauprojekts weiss Christoph Angehrn, Strukturen wären weder in Beton noch Stahl besonders hoch. Entsprechend ist über den Projektleiter bei Kolb Ingenieure, auf zahl- möglich gewesen. Laubhölzer haben Festig- Stützen auch die Geometrie der Bauteile reiche Details hinzuweisen, wie den kon- keitswerte, die über jenen der heute am häu- stärker – die Form folgt der Logik, schafft struktiven Holzschutz. Zwar schützen die figsten eingesetzten Konstruktionshölzer Platz für Metallverbinder und ist gleichzeitig Vordächer das Tragwerk vor Nässe, den- aus Nadelholz liegen. Vor allem die Quer- architektonischer Ausdruck. noch galt es, die Verbindung zwischen den druck- und die Querzugfestigkeit, aber auch Stützen und dem Sichtbetonmauerwerk so die Schub- und die Zugfestigkeit parallel zur Insbesondere am weit auskragenden Vor- zu detaillieren, dass das Regenwasser ab- Faser liegen wesentlich über dem Niveau der dach wird dieses Prinzip ablesbar. Nach läuft. Sehr präzise mussten der Baumeister Nadelhölzer. Dazu kommt die höhere Leis- vorne, wo die Belastung tief ist, verjüngen und Zimmermann die Stahlteile setzen, tung der Verbindungsmittel im Laubholz. sich die vier Träger und Dachstützen sowohl denn nach oben liessen die Holzstützen in der Höhe als auch seitlich. Die Träger lau- keine Toleranzen zu. Auf der Baustelle war Der Vorschlag, Esche für den Bau einzuset- fen durchgehend von innen nach aussen. entsprechend viel Kommunikation gefor- zen, kam von den Bauingenieuren. Die heimi- Linear zu den Fenstern sind die Träger dop- dert. «Auch wenn es auf den ersten Blick sche Baumart ist noch wenig bekannt als pelt ausgeführt und dazwischen gedämmt. einfach aussieht, haben doch nahezu alle Konstruktionsholz. Lange wurde Esche auf- Überbreite Fensterrahmen verhindern er- Stützfüsse eine leicht unterschiedliche grund der hohen Festigkeit und Elastizität gänzend die Wärmebrücke, womit die gefor- Geometrie», beschreibt der Architekt Lukas mehrheitlich für Werkzeugstiele, Sportge- derte Energieeffizienz eingehalten wird. Imhof die komplexe Ausgangslage. räte oder Dielenböden verwendet. Die Neue 10 / 11
FIRST 01/2020 5 ANZEIGE NEU Akku-Performance auf Knopfdruck ƒ Akku-MOTORSÄGE MSA 220 C-B mit Lithium-Ionen-Akku AP oder AR Mit der STIHL MSA 220 C-B erledigen Waldarbeiter, Handwerker oder ambitionierte Privatanwender ihre Arbeit im Handumdrehen. ⬤ Unsere Stärkste: 20 % mehr Schnittleistung und Leistungsniveau einer 35 cm³ Benzinmotorsäge ⬤ Die Schnellste: 24 m/s Kettengeschwindigkeit ⬤ ⅜" PS3-Schneidgarnitur für Profi-Anwendungen Exklusiv bei Ihrem Fachhändler MEHR AUF stihl.ch First_2020-02-17_44_DE_180x129.indd 1 11.02.20 09:41
FOKUS.THEMA Holzbau AG in Lungern hat sich auf die Her- sich an dem, was mit dem zweiten Bau des 6 Mit der Cantina ist ein Ort der Ge- borgenheit entstanden, wo man stellung von Brettschichtholz aus Laubholz Goetheanums in Dornach als anthroposophi- gerne isst, plaudert und darüber spezialisiert und lieferte das Primärtragwerk scher Stil bekannt war: auffällige Dach- auch mal die Zeit vergisst. in Esche, mit Rahmen, welche teilweise be- formen, abgeschrägte Winkel – auf rechte 7 Ansicht Nord: Beim Entwurf für das reits im Werk zusammengebaut wurden. Winkel wird weitgehend verzichtet – und unter- Gastronomiegebäude übersetzte schiedliche Farbtöne. Trotz dieses prägnanten Lukas Imhof einen Entwurf aus Be- ton in ein Holzgebäude – auch weil «EIN EHRLICHER ANSATZ» Kontexts fügt sich die Cantina harmonisch in es die bauphysikalischen Anforde- Für Esche entschied sich Imhof aber auch we- das bestehende Ensemble ein. Imhof nahm rungen bedingten. gen der Ästhetik, die er jener von Buche, die dabei Bezug auf die ursprünglichen Überle- ähnliche Festigkeitswerte hat, vorzog. In der gungen von Rudolf Steiner, dem Begründer Cantina wirkt das Tragwerk raumbildend – die der Anthroposophie, dessen erstes Goethea- Stützen sind Statik, Architektur und Innenaus- num in Holz gebaut war. bau in einem. Deshalb wurde selbst die Art, wie das Holz geschichtet und verleimt ist, ei- MEHR ALS EINE KANTINE gens diskutiert. Gut sichtbar heben sich bei der Den Architekten gelang mit ihrem Entwurf, Verbreiterung der Stützen dunkle Leimfugen das Gelände für die Ankommenden zu öffnen vom hellen Holz ab und zeigen die typische Be- und gleichzeitig einen Ort zu schaffen, an schaffenheit des Materials. «Ein ehrlicher An- dem es sich behaglich essen, treffen und auf- satz», findet Holzbauingenieur Angehrn. halten lässt. So wohlig, dass bald nach der Einweihung eine knapp metergrosse Uhr Esche findet sich auch in der Möblierung wie- über dem Eingang angebracht werden der. Weil die Architekten keine Produkte fan- musste, um die hier Sitzenden daran zu erin- den, die ihren Ansprüchen genügten – der nern, sich nach der Mittagspause wieder ans Tisch klappbar, die Stühle stapelbar und bei- Tagwerk zu machen. Die Cantina ist längst des dennoch solide und wohnlich wie in einer mehr als eine Kantine. Hier treffen sich Par- Beiz –, entwarfen Lukas Imhof und Carlos teimitglieder zur Vorstandssitzung, lädt das Wilkening, Leiter des Projekts, kurzerhand Dorf zum Herbstfest und tanzen ganze Hoch- selber eine Möbelserie. Die Möbel sollten in zeitsgesellschaften. ekkharthof.ch, den hauseigenen, betreuten Werkstätten des lukasimhof.ch, kolbag.ch, Ekkharthofs hergestellt werden können, neueholzbau.ch, wimm.ch 1:10 i+ weshalb die technischen und handwerkli- (Reproduktionsgrösse 15–5%) chen Möglichkeiten des Herstellungsprozes- ses schon bei der Gestaltung berücksichtigt wurden: Die Zahl der Einzelteile ist reduziert und diese sind hochpräzise CNC-vorfabri- ziert, die Arbeitsschritte simpel. Kantig, schlicht und robust wie die Säulen fügt sich das Mobiliar harmonisch in den Raum ein. Zu dieser wohnlichen Atmosphäre trägt auch die Holzdecke bei. Hinter der Akustikbeklei- dung befinden sich vorgefertigte, ausge- dämmte Deckenelemente, die neben den tra- genden Sparren auch Lüftung und diverse Technik enthalten. Im Dachreiter verlaufen die Luftkanäle – die Frischluft wird oberhalb der Fenster eingeblasen und am First wieder ab- gesaugt. Jeder Anschluss, jede Leuchte ist sorgfältig gefasst und ausdetailliert. Von der ganzen Technik nimmt man kaum etwas wahr. ANTHROPOSOPHISCHE ARCHITEKTUR In den 1970er Jahren baute der Architekt Rex Raab den Ekkharthof. Dabei orientierte Raab 12 / 13
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BAU.WERK TRANSFORMATION IM INDUSTRIEQUARTIER Im Westquartier der Stadt Thun prägen Industrie- und Bürobauten das Ortsbild. Hier steht auch die denkmalgeschützte West- halle. Ihre Transformation hat das Architekturbüro Lanzrein + Partner mit viel Sorgfalt umgesetzt. Eingebaute Raumkörper aus Holz erweitern die Funktionalität der Räume – und nehmen in ihrer rohen Qualität den Industriecharme des Bestands auf. Text Lukas Bonauer, SD | Fotos Christian Helmle | Pläne Lanzrein + Partner Architekten AG 14 / 15
FIRST 01/2020 1 Alt und neu, massiv und leicht treffen in der neuen Westhalle Thun aufeinander. Was gebraucht werden konnte, wurde unbehandelt belassen. Die neuen Einbauten sind um die Oblichter und das denkmal- geschützte Tragwerk arrangiert. 1
BAU.WERK Die Westhalle Thun ist ein Zentrum für kultur- dazugehörigen Galerie mit 650 Sitz- oder 1000 übergreifende Anlässe und Begegnungen. Stehplätzen und einer dafür entsprechend di- Das Projekt – die Fakten Ein bunter Mix aus unterschiedlichen, frei- mensionierten Bühne statt. Des Weiteren be- Objekt: Westhalle Thun kirchlichen und sozial engagierten Mietern finden sich im Erdgeschoss ein Foyer mit Bis- Standort: Thun (BE) hat sich unter dem Verein Westhalle grup- tro, zwei Büros, Sanitäranlagen und ein Sozi- Baujahr: Grundstruktur / Buckelschalen- piert, um in der Halle neben regelmässigen alraum. Im Obergeschoss des Foyers stehen konstruktion Heinz Isler von 1958/1963; Gottesdiensten sozial nachhaltige Projekte zwei Multifunktionsräume sowie ein Sitzungs- Planung Umbau: Jan. 2018 – März 2019 umzusetzen. Der Verein liess dafür die ehe- raum zur Verfügung. Ausführung Umbau: März 2019 – Juli 2019 malige Kunststofffabrik Eschmann AG für 1,5 Bauherrschaft: Verein Westhalle, Thun Millionen Franken umbauen. Nach einem hal- Statische Eingriffe benötigte es beim Umbau Architektur und Bauleitung: ben Jahr Bauzeit wurde die neue Westhalle kaum. Der Eventsaal kommt ohne Stützen Lanzrein + Partner Architekten AG, Thun; Thun im Sommer 2019 eröffnet. aus. Entfernt wurde ein alter Kran mit Lauf- Thomas Baumann (Projekt- und Bauleitung) katze. An seiner Stelle sind die Bühnentech- Holzbauingenieur und Brandschutz: Das Tragwerk der alten Halle stammt vom nik und Kronleuchter aus Holz in das beste- Indermühle Bauingenieure GmbH, Thun Schweizer Ingenieur Heinz Isler. Es handelt hende Tragwerk an den oberen Enden der Bauingenieur: Theiler Ingenieure AG, Thun sich um einen Betonskelettbau mit Kuppel- Betonstützen aufgehängt. Der Saal nutzt die Holzbau Ausführung: deckung, bestehend aus vier stützenfreien komplette Raumhöhe von maximal sieben Gfeller Holzbau GmbH, Worb (BE) Buckelschalen, jeweils 14 mal 20 Meter Metern bis zur Betonschale aus. Brettstapeldecke Bresta (Herstellung / Lie- gross – und das bei einer Betondicke von ferung): Tschopp Holzbau, Hochdorf (LU) etwa acht Zentimetern. Die Westhalle Thun UM DEN BESTAND HERUM Trag- und Binderkonstruktion: zählt zu den wenigen Bauobjekten Islers, bei Die Statik und die gewölbte Form der beste- Neue Holzbau AG, Lungern (OW) denen die Kraftableitung durch zulaufende henden Betonschale beeinflussten den Ent- Bar: Hossmann Küchen AG, Stützen erfolgt. Das Betontragwerk ist auch wurf und inspirierten die Architekten. So Gerzensee (BE) der Grund, weshalb das 1958 erbaute und dient etwa die vorhandene und einfache Hal- Schreinerarbeiten: Peter Holzbau AG, 1963 erweiterte Fabrikgebäude zum Inven- lenraumstruktur dazu, die unterschiedlichen Blumenstein (BE) tar schützenswerter Bauten des Kantons Nutzungen respektive Raumsequenzen zu Baukosten: BKP 2 CHF 0,98 Mio.; Berns gehört. gliedern. Die Mietfläche der Industriehalle BKP 1 – 9 CHF 1,47 Mio. unterteilt sich – unter je einer Betonschale Gebäudevolumen (SIA 416): 7700 m3 HOCHWERTIG UND PREISWERT – in vier Raumabschnitte, wobei zwei Ab- Nettogeschossfläche (SIA 416): 1750 m2 Der Entwurf der Architekten Daniel C. Suter schnitte den Saal mit Empore, ein weiterer Hauptnutzfläche: 1550 m2 und Bruno Stettler (Lanzrein + Partner Ar- den Sozialraum mit Galerie und der vierte Holz: vorwiegend Fichtenholz unbehan- chitekten AG) sah einen mit viel Sorgfalt ein- Abschnitt das Foyer bilden. delt in Industriequalität gebauten Raumkörper aus Holz vor, der sich in das bereits vorhandene Tragwerk aus Be- Die in die Kuppeldeckung eingelassenen, ton fügt. Die Vorgabe war, eine preiswerte, runden doppelwandigen Polyesterschalen nachhaltige, hochwertige sowie barriere- stammen aus dem Bestand. Der Entwurf sah freie Architektur mit Mehrfachnutzung aller vor, die Einbauten von der denkmalgeschütz- Räume zu entwickeln. Grosse Veranstaltun- ten Substanz der Buckelschalen Islers klar gen finden heute in der Eventhalle und der abzulösen und die riesigen Oblichter, die alle 2 SCHNITT SAAL - FOYER 16 / 17
FIRST 01/2020 3 2 Schnitt Saal – Foyer: Rot markiert sind die Arbeiten, die im Rahmen des Umbaus 2019 erfolgten. 3 Foyer OG: Die knappe Raumhöhe erforderte eine kreative Lösung, bei der die Dachform konstruktiv aus der klassischen Binderkonstruktion heraus entwickelt wurde. Formal erinnert sie an die Unterseite eines Schiffes.
BAU.WERK vier Hallenteile zenital belichten, nicht mit den Einbauten zu verdecken. NEUE DACHFORM GEFORDERT Der Bestand stellte die Planer vor Herausfor- derungen. Der neue Einbau im Foyer sollte zweigeschossig gebaut werden – in einen Bestand mit einer Raumhöhe von fünf Metern am Rand der Betonkuppel. Um die Oblichter im Foyer optisch nicht zu verdecken, sind die Obergeschossräume um den zentralen, sie- ben Meter hohen Eingangsraum unter der Kuppel organisiert. Gemeinsam mit dem Holz- bauingenieur Hansueli Bühlmann vom Thu- ner Ingenieurbüro Indermühle wurde für das Obergeschoss eine Dachform entwickelt, die dem traditionellen Prinzip einer Binderkon- struktion folgt. Sie erinnert an die Innenseite eines Holzschiffs. Diese schiffsartige Über- deckung gibt den Räumen, die am Rand nur 210 Zentimeter lichte Höhe aufweisen, die nötige Grosszügigkeit: Am höchsten Punkt messen sie 335 Zentimeter. Die Träger werden zur Raummitte hin immer steiler, die Horizontalkräfte minimieren sich. Dadurch ist es möglich, die Zugstäbe, die die Horizontalkräfte aufnehmen, im Verhältnis im- mer höher anzuordnen. Mit einem leichten Schwung folgen sie horizontal dem vertikalen Bogen – mit einfachsten Mitteln und standardi- sierten Holzquerschnitten. Zwischen den Trä- gern wurden CNC-gefräste Querträger einge- baut, die unten und oben mit Dachlatten verklei- det sind. Mit den Überlappungen der Dachlatten werden die gekrümmten Flächen der Felder ge- bildet. Unter den Räumen entstand durch einen minimierten Boden- respektive Deckenaufbau 4 mittels Holzträger, Brettstapeldecke und Unter- lagsboden eine Raumhöhe von 245 Zentimetern. SOZIALRAUM TRÄGT MIT Lanzrein + Partner Architekten AG Die Wände, die den Sozialraum vom Saal und Seit Oktober 2017 führen Daniel C. Suter und Bruno Stettler das Architekturbüro Lanzrein + Foyer trennen, sind in Holzständerbauweise Partner Architekten in Thun. Mit der Westhalle Thun ist nach einer Primarschule und ei- erstellt, beplankt mit Gipsfaserplatten und nem Arztpraxis-Umbau das dritte Projekt in Thun entstanden, bei dem Arbeiten mit rohen, auf Seiten des Sozialraums mit OSB-Platten unbehandelten Materialien zentral waren. Dabei kam vorwiegend Holz zum Einsatz. Die versehen. Dank entsprechender Planung der Projekte mit jeweils sehr unterschiedlichen Hintergründen haben eines gemeinsam: Suter Ständer und Verbindungen sowie spezieller und Stettler ging es darum, auszuloten, wo zwischen «roh, unfertig, ungewohnt» und Verankerungen in die Betonstützen und Scha- «sorgfältig, detailliert, schön» die goldene Mitte liegt, um einen stimmigen Gesamtein- lenunterzüge besteht ein statisch wirksamer druck der Räume und Raumabfolgen zu erzielen. Eine weitere Parallele zwischen den drei Verbund, der die Erdbebensicherheit des Ge- Projekten ist das bewusst unterschiedliche Gestalten von Raumsequenzen, die das räum- bäudes wesentlich verbessert. Damit wurde liche Erlebnis vielfältiger macht. lanzrein-partner.ch auf einfache Weise den seit 2019 geltenden Vorschriften entsprochen. 18 / 19
FIRST 01/2020 4 Multifunktional: Zwei Kronleuchter aus Holz spenden im Saal Licht und werden zur Verdunkelung behangen. 5 Grundriss Erdgeschoss: Die neuen Räume orientieren sich an den vier Kuppeln des Bestands. 5 ERDGESCHOSS ANZEIGEN Von der Natur inspiriert. Ausbau Westhalle Industriestrasse 5, Thun 0 5 10m M. 1:250 LANZREIN+PARTNER ARCHITEKTEN AG Arbezol Aqualin Pro Daniel C. Suter | Bruno Stettler | www.lanzrein-partner.ch Wässrige «3in1»-Öllasur Schützt Ihr Holz umfassend vor Feuchtigkeit, Bläue, Fäulnis und Schimmel. Eignet sich für lasierende Aussenanstriche auf einheimischen und tropischen Holzarten. Arbezol Aqualin Pro ist Grundierung, Lasur und Holzschutzimprägnierung in einem. Erhalten liegt uns am Herzen. Natürlich und nachhaltig aus Holz. www.bosshard-farben.ch www.sht.ch bosshard-arbezol-aqualin-pro-first-88x132-20.07.18.indd 1 23.07.2018 17:00:42
BAU.WERK So manche Veranstaltung verlangt einen stockdunklen Raum. Für solche Einsätze las- sen sich die Oblichter im Saal mobil verdun- keln – mithilfe der dekorativen Kronleuchter unterhalb. Über ein Flaschenzugsystem mit vier Kurbeln fährt der Kronleuchter auf bis zu einem Meter über Bodenniveau hinab. An- schliessend wird ein schwarzes Tuch mit ei- nem Durchmesser von sechs Metern von Hand eingehängt. Wieder hochgezogen ver- deckt der Kronleuchter die Kuppelöffnung. Nicht nur Licht, sondern auch Akustik und Schallschutz spielen bei Veranstaltungsräu- men eine grosse Rolle. Aufgrund der Ansprü- che an die Raumakustik für Musik ist der Saal mit Molton ummantelt, eine Kunstfaser, die mittelfrequente und hohe Tonlagen absor- biert. Die Empore ist hinter den Holzlamellen mit Dämmplatten verkleidet, was die tiefen Frequenzen dämpft. ROHE FLÄCHEN UND MINIMALER AUFWAND Sämtliche Eingriffe bei der Westhalle Thun erfolgten mit möglichst kleinem Aufwand. Was auch daran liegt, dass die Finanzierung des Umbaus komplett über Spenden, Darle- hen und Sponsorengelder erfolgte. Nichts- destotrotz lautete eine Vorgabe, Einbauten mit einer stark anziehenden Raumwirkung für die unterschiedlichen Mieter sowie Be- sucher zu entwerfen. Das unbehandelte Fichtenholz und die OSB- Platten des Einbaus nehmen den Indus- triecharme der Umgebung auf. Die Anhydrit- Unterlagsböden sind leicht angeschliffen und mit Steinöl behandelt. Diese Veredelung ver- leiht den neuen Räumen im Obergeschoss ei- nen industriellen Charakter, was sie stark mit dem Bestand verbindet. Für Lanzrein + Partner Architekten galt es, das Gleichgewicht zu fin- den zwischen einem gesunden Mass an mögli- chen Lösungen und der geforderten Qualität. Die Integration roher Oberflächen und unkon- ventioneller Lösungen gibt der Westhalle Thun ihren unverkennbaren Ausdruck. westhalle.ch, i-b.ch, gfeller-holzbau.ch, neueholzbau.ch, tschopp-holzbau.ch 1:10 i+ (Reproduktionsgrösse 15–5%) 6 6 Die Einbauten nähern sich an den Bestand an – ohne an der denkmalgeschützten Kuppel anzuschliessen. 20 / 21
STAND.PUNKT KOORDINIERTE ERNEUERUNG DES GEBÄUDEPARKS Im Gebäudepark steckt gesellschaftliches und wirtschaftliches Kapital. Zugleich verursachen Gebäude und Infrastruktur 40 Prozent der Treibhausgase sowie einen wesentlichen Anteil des Energieverbrauchs. Im Gebäudepark 2020 steht ein Prozent Neubauten 99 Prozent Bestand gegenüber. Wie können Bestandsbauten so erneuert werden, dass sie dem Klimaziel 2050 ent- sprechen? Diese Frage wurde an der diesjährigen Swissbau auf der Focus-Veranstaltung «Koor- dinierte Erneuerung des Gebäudeparks» diskutiert. Einschätzungen über die Rolle des Holzbaus lieferte Hansjörg Steiner, Präsident von Holzbau Schweiz. Text Sandra Depner | Foto Daniel Knecht Ganz grundsätzlich gefragt: Wo und wie wird geht. Holzbauten aber sind günstiger, wenn Hansjörg Steiner Holz in der Erneuerung von Bestandsbauten man die graue Energie – also den Energieein- Hansjörg Steiner ist seit 2019 Zen- eingesetzt, Herr Steiner? satz aller angewandten Produktionsprozesse tralpräsident von Holzbau Schweiz, Es gibt keine Grenzen. Holz kann überall einge- – mit einberechnet. Diese Nachhaltigkeit zuvor hatte er ab 2012 das Amt des setzt werden: als Stütze und Träger im Primär- sollte heute eigentlich für alle Bauherrschaf- Vizepräsidenten inne. Er ist diplo- tragwerk, bei Aussen- und Innenwänden in- ten einen hohen Stellenwert haben. mierter Zimmermeister, Gründer und klusive Fenster oder Decken mit fertiger Ober- Mitinhaber der Schäfer Holzbau- fläche, beim Innenausbau für Verkleidungen, Neben der Kostenfrage ist die Verfügbarkeit technik AG und seit 2003 CEO und Böden, Küchen, Treppen beim Geländer … von Schweizer Holz ein weiterer Faktor. Sind Delegierter des Verwaltungsrats. wir schon am Ziel der Verfügbarkeit angelangt? holzbau-schweiz.ch Wo sehen Sie das Potenzial des Holzbaus, ei- Wir nutzen die Menge des nachwachsenden nen signifikanten Beitrag zur Erreichung der Holzes in der Schweiz nicht aus. Das Holznut- CO2-Ziele in der Sanierung zu leisten? zungspotenzial beträgt 8,2 Mio. Kubikmeter Jedes verbaute Stück Holz leistet einen Bei- pro Jahr, geerntet werden aber durchschnitt- trag. Holz entzieht der Atmosphäre Kohlen- lich nur fünf bis sechs Millionen Kubikmeter. stoffdioxid und lagert verbaut circa 1400 Kilo- Bei Halbfabrikaten besteht ein Engpass von in gramm CO2 pro Kubikmeter ein. Hingegen der Schweiz geerntetem und verarbeitetem werden bei der Produktion einer Tonne Beton Holz. Einige Produkte werden in der Schweiz zwischen 600 und 1000 Kilogramm CO2 ausge- gar nicht mehr hergestellt. Da haben wir inner- stossen, bei Stahl sind es zwischen 1000 und halb der gesamten Holzkette Potenzial. 1700 Kilogramm. Weitere Vorteile von Holz sind beispielsweise das geringe Gewicht so- Die Erneuerungsrate liegt bei einem Prozent. wie der trockene Einbau, wodurch sich die Zu wenig, dass der Gebäudebestand 2050 Dauer der Sanierung verkürzt. Kurz: Sanie- das Ziel einer Netto-Null-Emission erfüllen rungen mit Holz sind vielfach energiegünstig. könnte. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die Stagnation? «Ein Holzbau ist zu teuer», so lautete ein kriti- Im Gegensatz zum Neubau ist Sanieren auf- scher Publikumsbeitrag an der Swissbau bei wendiger in der Planung, im Bewilligungsver- der Podiumsdiskussion. Es handelt sich um ei- fahren sowie beim Berechnen der Kosten. nen häufigen Einwand gegen Holzbau. Was ist Hier kann etwa die Politik mithelfen. Bei- dran an diesem Vorbehalt? spielsweise mit zügigeren Prozessen bei den Die reinen Baukosten dürfen mit Blick auf den Bewilligungen, Fördergeldern und in der Auf- gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes klärung, warum Sanieren Sinn ergibt. Greifen nicht relevant sein. Ein Massivbau mit einer diese Massnahmen, wird meines Erachtens fossilen Aussendämmung ist sicher billiger, die Erneuerungsrate in den nächsten Jahren wenn es um die reinen Erstellungskosten steigen.
LEBENS.RAUM KLEINOD ZWISCHEN FAULTÜRMEN UND ABWASSER Angrenzend an den Wald öffnet sich der Pavillon als gedeckter Aussenraum. Architekt Lukas Imhof liess sich beim Ent- wurf von kleinen Parkbauten inspirieren, das Bild eines Tempiettos im Hinterkopf. Einzig ungewöhnlich: sein Standort. Text Sandra Depner | Fotos Hannes Heinzer | Pläne Lukas Imhof Architektur 22 / 23
FIRST 01/2020 Zur Linken erstreckt sich die Landebahn des Flughafens St. Gallen-Altenrhein. Es geht weiter auf einer schmalen Strasse im Nie- mandsland, einen Steinwurf von der Landes- grenze zu Österreich entfernt. Ein Schild deu- tet die Richtung zum Campingplatz «Idyll». Doch das ist nicht das Ziel dieser Reise. Das gesuchte Kleinod liegt versteckt. Auf dem Areal des Abwasserverbands Altenrhein, kurz AVA Altenrhein. Die dortige Kläranlage zählt zu den modernsten Europas. Und sie ist die Einzige, auf der die «Blume» zum Ste- hen kommt – ein Bild, das Architekt Lukas Imhof gern verwendet, wenn er den Pavillon beschreibt. Die AVA Altenrhein stellt im Auftrag ihrer 17 Verbandsgemeinden die Ableitung des Schmutzwassers und die Reinigung des Ab- wassers sicher. Daneben befasst sie sich mit der Schlammbehandlung und produziert Energie – unter anderem durch das Vergären von Klärschlamm und biogenen Abfällen in Faultürmen. Bei der Reinigung werden Grob- stoffe, Sand und Fette, Kohlenstoff, Stick- stoff und Phosphor sowie organische Stoffe 1 Ein Pavillon an der Schnittstelle von Kläranlage und Naturraum. Auf 60 Quadratmetern ist er Unterwarte sowie Aufenthaltsraum für Mitar- beitende und Besucher. Zuvor stand hier ein Baucontainer. Das Projekt – die Fakten Objekt: Pavillon Standort: Altenrhein (SG) Fertigstellung: 2019 Bauherrschaft: Abwasserverband Altenrhein (AVA) Architektur: Lukas Imhof Architektur GmbH, Zürich; Lukas Imhof und David Brückmann Holzbau: Eilinger Holzbau AG, Goldach (SG) Baukosten: k. A. Gebäudevolumen (SIA 416): 425 m3 Nettogeschossfläche (SIA 416): 60 m2 Holz: Tanne / Fichte 1
LEBENS.RAUM aus dem Abwasser entfernt. Und seit Neues- tem auch winzig kleine Mikroverunreinigun- gen und Spurenstoffe etwa von Chemikalien, Antibiotika oder Bioziden, die mithilfe von Ozon und Aktivkohle eliminiert werden. In diese neue, vierte Reinigungsstufe inves- tierte die AVA Altenrhein 20 Millionen Fran- ken. Seit 2019 ist sie in den Kreislauf der Ab- wasserreinigung integriert. WIE EINE STADT MIT GASSEN, HÖFEN UND PLÄTZEN Das Büro von Architekt Lukas Imhof aus Zü- rich wurde zur architektonischen Gestaltung des für die vierte Reinigungsstufe geforder- ten Neubaus (EMV) hinzugezogen. Aus die- sem heraus ergab sich für Imhof eine weitaus umfassendere Arbeit: Der Entwurf einer Ge- samtstrategie für das Areal der AVA Alten- rhein, deren Bestand aus den 1970er Jahren stammt. Imhof vergleicht die über die Jahre gewachsene Kläranlage, ihre Bauten und die Zwischenräume mit einer kleinen Stadt: «Es gibt Gassen, Strassen, Höfe und Plätze und eine klare Grenze zum umgebenden Natur- raum des Alten Rheins. Die einzelnen Bauten dieser ‹Kleinstadt› haben eigene Identitäten, Adressen und zuweilen auch Innenhöfe.» Im- hofs Strategie setzt dabei nicht auf Kontraste oder Konfrontation von Alt und Neu: «Viel- mehr versuchten wir, die Qualitäten des Be- stands zu suchen, zu stärken und in neuer Form weiterzuentwickeln.» Der EMV-Neubau bildet nun zusammen mit dem Bestand einen neuen Raum. In dessen Fluchtpunkt steht, auf einer leichten Anhöhe, der neue Infopavillon und schliesst den Platz zum angrenzenden Wald ab. Zwischen all den umliegenden technischen Bauten aus Stahl und Beton handelt es sich bei dem schmu- cken Tempel um den ersten Holzbau auf dem gesamten Areal. Er zeigt einen Wandel an: «Die neuen Hallen werden sehr wahrschein- lich auch in Holz realisiert. Ich denke, dass aus Umweltschutzgründen und in Bezug auf CO2-Emmissionen grundsätzlich mehr in Holz gebaut wird», stellt Imhof hinsichtlich des Gesamtkonzepts in Aussicht. MULTIFUNKTIONELLER RAUM FÜR BESUCHER UND BELEGSCHAFT Der Infopavillon stellt im Grunde ein Neben- produkt dar, das im Verlauf des EMV-Neu- 24 / 25
FIRST 01/2020 2 Das Stabtragwerk ist ausge- baus entstand. Damals äusserte die Bau- knapp drei Monate und wurde im Sommer facht mit Brettschicht- herrschaft den Wunsch nach einem multi- 2019 abgeschlossen. Die längste Zeit fiel für holzplatten. Drei gekippte funktionellen Raum. Dessen 60 Quadratmeter das Betonieren der Bodenplatte an. In nur Fenster unterhalb des Zelt- dachs ermöglichen eine natür- vereinen heute viele Funktionen: Er ist die zwei Wochen richtete dann das Team die Eilin- liche Konvektion im Sommer. Unterwarte, von der ausgehend der Techni- ger Holzbau aus Goldach (SG) den vorgefertig- Durch sie zieht die kühle Luft, ker via Tablet Zugriff auf die Schaltkreise im ten Holzbau auf. Was auf den Plänen, jedoch die über die vier Schachtdeckel EMV-Neubau hat. Und er ist Dreh- und An- noch nicht auf den Bildern zu sehen ist: das in den Raum gedrungen ist. gelpunkt für Vorträge. Dann, wenn Schul- Cheminée, das sich bis hoch zur Decke des Pa- 3 Der Grundriss zeigt einen Aus- schnitt des weitläufigen Areals klassen oder Delegationen anreisen, um sich villons zieht. Er wurde erst später eingebaut. der Kläranlage. Dabei schliesst einen Eindruck von der Anlage zu verschaf- der Pavillon den Raum zum fen, die jährlich knapp zehn Millionen Kubik- ZWEI ANALOGIEN Wald hin ab. meter Schmutzwasser säubert. Auch dient UND ZWEI BLUMEN der Pavillon nicht zuletzt als Sozialraum für Architektonisch vereint der Pavillon zwei die Mitarbeitenden. Hier kann grilliert und Analogien. «Aus der Ferne erscheint der Bau gegessen werden. technisch. Ähnlich wie die benachbarten Faultürme», beschreibt ihn Imhof. «Erst auf Nach der ersten Entwicklung einer Idee da- den zweiten Blick erinnert er auch an das dia- von, wie der Pavillon aussehen könnte – das metral entgegengesetzte Spektrum architek- war Ende 2018 –, ging es im darauffolgenden tonischer Analogien: an ein Tempietto.» Ein Jahr sehr schnell. Die Bauzeit belief sich auf kleiner Rundtempel also, ausgeführt als Holz- 2 3
LEBENS.RAUM stabwerk, isoliert mit Steinwolle, ausgefacht mit Brettschichtholzplatten und umhüllt von einer vorvergrauten Fichtenschalung. Und dann bringt Imhof einen Vergleich, der auf dem Gelände einer Kläranlage zwischen Faultürmen überraschen mag – mit einer Blume. Im Sommer erfährt der kleine Nutz- bau eine Metamorphose. Wenn seine Fens- tertüren weit offen stehen und die roten Son- nenstoren unten sind, verwandelt sich der vermeintlich technische Faulturm zu einer Blume. Die Inszenierung des Kleinods setzt sich im Inneren fort: Mittelpunkt sind die Streben des flach geneigten Zeltdachs. Da- durch, dass die Leuchten direkt unter den Balken montiert wurden, werfen sie einen faszinierenden Schatten an die Decke: Er zeichnet das Bild einer Schattenblume. 4 WENIG TECHNIK, DAFÜR MEHR PHYSIK Der Betrieb des Pavillons soll sich so unkom- pliziert und günstig wie möglich gestalten. Einem Simplizitätsgedanken entsprechend verfolgte Imhof deshalb einen Low-Tech-An- satz. Weniger Technik, dafür mehr Physik. Die Lüftung und die Kühlung des Raumes er- folgen über natürliche Konvektion: «Von Schächten ausserhalb des Gebäudes verlau- fen vier Rohre unter der Bodenplatte zur Raummitte, wo sie durch eine Art Lüftungs- gitter – handelsübliche gusseisernen Schacht- deckel – in den Raum münden.» Die drei Fenster im oberen Bereich sind im Sommer immer gekippt. Ein wichtiges Detail: «Das er- zeugt einen Kamineffekt, eine natürlich Kon- vektion. Das heisst, dass durch die erdver- legten Leitungen die Luft kühl durch den Bo- den ins Innere dringt und dann oben durch die Fenster wegzieht.» Zentrum des Raums ist das offene Cheminée. Während im Som- mer in ihm grilliert werden soll, kann es bei kalten Temperaturen den sonst unbeheizten Raum wärmen. Ganz ohne Technik kommt der Pavillon aber doch nicht aus: Dank automatischer Sensoren schliessen die Fenster bei Regen. Auch die ro- ten Storen lassen sich per Knopfdruck steu- ern. Funktional lautete der Ansatz auch bei den Materialien im Innenraum: Da treffen die hellen, sichtbar belassenen Brettschichtholz- 5 platten an der Wand auf einen grauen Holz- 26 / 27
FIRST 01/2020 zementboden, der leicht dämmt und fuss- in vorvergrautem Lärchenholz. Zum Schutz warm ist. Die moderne Küchenzeile umrahmt dieser Holzfassaden werden Vordächer aus Lukas Imhof das Cheminée im Halbkreis. Beton eingesetzt. Imhof zielt auf eine Reduk- Lukas Imhof (*1974) schloss 2001 sein tion ab und bevorzugt wenige, aber technisch Architekturstudium an der ETH Zürich ab. ANNÄHERUNG ZWISCHEN und ökologisch sinnvolle Elemente. «Sodass Im Anschluss daran ging er mit dem BESTAND UND NEUBAU die Anlage der AVA Altenrhein bei zukünfti- Büro Imhof Nyffeler Architekten der Imhofs Gesamtstrategie für die Anlage der gen Erweiterungen immer mehr an gestalteri- selbstständigen Tätigkeit nach. Seit 2014 AVA Altenrhein versucht, Bestand und Neu- scher Qualität gewinnt – und zwar als Ganzes, führt er sein eigenes Büro, Lukas Imhof bau einander anzunähern. Es sind Details, die nicht als Ansammlung von Einzelobjekten.» Architektur, in Zürich. Zu seinen Lehr- die Verbindungen zwischen den Bauten lukasimhof.ch, ava-altenrhein.ch 1:10 i+ und Forschungsaufträgen zählen die schaffen und der gewachsenen Stadt am Al- Lehre an der HSLU Luzern sowie das En- (Reproduktionsgrösse 15–5%) ten Rhein ein einheitliches Erscheinungsbild gagement als Gastkritiker an unter- verleihen: dunkel gestrichene Putze, Sicht- schiedlichen Hochschuleinrichtungen. beton und vertikal gegliederte Holzfassaden 4 Das Stabtragwerk steht auf einem Fundament aus Beton. Der vertikale Lastabtrag erfolgt über die biegesteifen Ecken und Stützen aus Fichte / Tanne. Nicht zu sehen: die zwei mit Holz verkleideten Stahlstützen. Sie schaffen Platz für die verdeckt geführten Regenrinnen. 5 Die Beleuchtung ist so angebracht, dass die Streben einen kaleidoskopartigen Schatten an die Decke werfen. ANZEIGEN Alu Fensterzargen Sporthalle Heuried, Zürich. Die perfekte Kombination aus Funktionalität und Ästhetik – Meisterhafte Bauten für Champions von morgen. Eis-Stadien, Mehrzweckhallen, Sportzentren und und im Detail einfach besser. andere Grossanlagen. Mit Begeisterung geplant und aus Holz und Metall gebaut. Von A bis Z. www.zaugg-rohrbach.ch www.feba.ch
WELT.WEIT 1 1 In elf quadratischen Blöcken ausformuliert, greift das neue Odunpazari Modern Museum den Stil der traditionellen Auskragungen der umliegenden Bauten auf. Es öffnet sich zu einem grossen Platz mit Stufen, die die osmanischen Holzhäuser mit dem Neubau verbinden. 2 Schnitt: Die Ausstellungsfläche erstreckt sich auf drei Ebenen über 4500 Quadratmeter. 3 Im Zentrum des Gebäudes liegen vier der Boxen übereinander. Verbindendes Glied ist das Atrium mit Dachfenster. KISTE AUF KISTE Das Odunpazari Modern Museum zeigt zeitgenössische Werke türkischer sowie internationaler Künstler. Das von Kengo Kuma and Associates (KKAA) entworfene Bauwerk stapelt sich Kiste um Kiste ins historische Quartier der Universitätsstadt Eskisehir im Nordwesten der Türkei. Text PD, SD | Fotos und Plan KKAA «Wir wollen die internationale Kunstwelt hier- OSMANISCHE UND JAPANISCHE ELEMENTE dungen erinnern. Der Entwurf von KKAA ver- herbringen», sagte der Gründer Erol Tabanca Das Design des neuen OMM liess sich von der sucht, das Strassenbild aufzunehmen und bei der offiziellen Eröffnung des Odunpazari traditionellen Struktur der umliegenden Häu- den Neubau im Quartier zu integrieren. Die Modern Museum, kurz OMM, im September ser inspirieren, erinnert aber auch an die japa- gestapelten Kisten auf Strassenebene ste- 2019. «Und wir wollen junge Künstler aus der nische Architektur. Die Konstruktion aus Stahl hen im Massstab der umliegenden Häuser Region mit internationalen Künstlern verbin- und Beton ist dabei ganz in Holz gehüllt. Das und wachsen zur Mitte des Museums hin hö- den.» Das Museum zeigt abwechselnd Ausstel- Ensemble aus elf aufeinandergestapelten, her. Die ineinandergreifenden Kisten sind in lungen sowie einen Grossteil der Privatsamm- verdrehten Kisten verdichtet das Volumen. verschiedenen Grössen entworfen. Im Inne- lung Tabancas: etwa 1000 Werke von den Diesen Eindruck verstärkt die vorgehängte ren schaffen sie so sehr unterschiedliche 1950er Jahren bis heute, wobei der Schwer- Fassade aus massiven, ineinandergesteckten Ausstellungsräume. Die Boxen auf dem Bo- punkt auf der türkischen Kunst liegt. Tabanca ist Balken, die an japanische Holz-Holz-Verbin- denniveau bieten Möglichkeiten für grossfor- in der Stadt Eskisehir aufgewachsen. Mit dem Neubau will er die türkische Kunst fördern und einen kulturellen Beitrag für die Stadt leisten. Das OMM beherbergt neben Ausstellungsräu- men auch Werkstätten, ein Café und eine Bou- tique. Der Standort des Museums liegt im Quartier Odunpazari: ein Areal an der Schwelle zu einem sich neu entwickelnden, urbanen Ge- biet mit Wurzeln in einer kleinräumigen Stadt- landschaft. Hier stehen die traditionellen os- manischen Holzhäuser mit ihren auskragenden Obergeschossen, die in Linien entlang der mäandernden kleinen Strassen gebaut wurden. 2 28 / 29
FIRST 01/2020 Das Projekt – die Fakten Projekt: Kunstmuseum Odunpazari Modern Museum (OMM) Standort: Odunpazari Eskisehir (TUR) Baujahr: 2019 Bauherrschaft: privat Architektur: Kengo Kuma and Associates, Tokio / Paris Bauherrschaft und Generalunternehmer: Polimeks Holdings, Istanbul (TUR) Ausstellungsfläche: 4500 m2 Fassadenmaterial: Brettschichtholz Kiefer 3 matige Kunstwerke und Installationen. Auf HOMMAGE AN DEN ALTEN HOLZMARKT guchi, Projektleiterin bei KKAA: «Wir hoffen, den oberen Ebenen werden die Kisten klei- Der Name des Quartiers «Odunpazari» ist Tür- dass das Museum der Stadt Eskisehir neues ner – hier ist der Ausstellungsraum für inti- kisch und bedeutete «Holzmarkt». Die Aussen- Leben einhauchen und zu einem zentralen und mere Kunstwerke gedacht. Das zentrale Atri- hülle aus Holz nimmt die Geschichte und die einladenden Treffpunkt für die Stadt wird.» um, das den Stil der Fassade aus Holzblöcken Erinnerung an diesen Ort auf, der früher als omm.art, kkaa.co.jp 1:10 i+ fortführt, verbindet die einzelnen Ebenen Holzhandelsmarkt fungierte. Den Architekten (Reproduktionsgrösse 15–5%) und lässt von oben Tageslicht in das Ge- lag aber auch die Zukunft des Quartiers am bäudeinnere dringen. Herzen. An der Eröffnungsfeier sagte Yuki Ike- ANZEIGE H O L Z B AU B E G I N N T I M KO P F Holz – Sinnvoller Rohstoff für anspruchsvolle Bauten Der natürliche Baustoff Holz ist flexibel, nachhaltig und universell einsetzbar. Pur oder in Verbindung mit Stahl und Beton. Ihre Architekturidee bearbei- ten wir als Holzbaupartner mit Leidenschaft, Verstand und Liebe zum Detail. www.renggli.swiss
NACH.GEFRAGT 1 VERBINDENDES ELEMENT Der «Ring for Peace» in Lindau (DE) steht sinnbildlich für die Gesamtheit der Weltreligionen. Der deutsche Künstler Gisbert Baarmann erhielt den Auftrag, für den Weltkongress den einem Möbiusband nachempfundenen Ring zu bauen. Das Projekt war schon fast zum Scheitern verurteilt. Dann ergriff der Schwei- zer Ingenieur Hermann Blumer das Ruder und aktivierte sein Netzwerk. Text Hermann Blumer, Sandra Depner | Fotos und Pläne Holzbau Amann GmbH Der Luitpoldpark bildet auf der Insel Lindau Der 7,5 Meter hohe Ring bildet die Form ei- streifens nach mindestens einer einmaligen ein Kleinod zwischen dem Bodensee und nes Möbiusbands. 36 Hölzer aus aller Welt Verdrillung miteinander verbunden. den Eisenbahngleisen. Die gepflegte Grün- wurden an den Stirnen der Spannten auf- fläche in ruhiger Lage ist eine der Erho- gebracht. Was mit Papier so einfach geht, ist mit Holz in lungszonen der Stadt. Ausgebaute Wege diesen Dimensionen nicht so leicht zu reali- säumen das Ufer, hier und da erleichtern Das Möbiusband gilt als eine besondere ma- sieren. Insbesondere bei zeitlichen Engpäs- Stufen den Zugang in den See. An diesem thematische, zweidimensionale Fläche: Sie sen, die Herausforderungen auf mehreren Ort unweit der Wasserkante steht der Ring ist nicht orientierbar – was bedeutet, dass Ebenen schaffen. Vier Monate bilden ein en- for Peace: eine Holzskulptur als Symbol für nicht zwischen unten und oben oder zwi- ges Fenster für ein solches Bauvorhaben. Frieden, in Auftrag gegeben von der Stif- schen innen und aussen unterschieden wer- Verständlich, dass der Brandenburger Künst- tung Friedensdialog der Weltreligionen und den kann – und sie besteht nur aus einer ler Gisbert Baarmann im April 2019 mit Zeit- Zivilgesellschaft. Anlass der Installation Kante und Seite. Wer will, kann das Band druck in die Schweiz reiste. Sein Ziel: war die zehnte Weltversammlung «Reli- ganz leicht selber herstellen. Dafür werden Bauingenieur Hermann Blumer in Herisau gions für Peace» (RFP) im Sommer 2019. die beiden Enden eines rechteckigen Papier- (AR). Dieser gründete 2003 das Unterneh- 30 / 31
FIRST 01/2020 men mit dem Namen Création Holz: eine Gruppe speziell für Bauentwicklungen kom- plexer Holzbaulösungen. Baarmann brannte eine Frage unter den Nägeln: «Lässt sich die Skulptur in Lärchenholz herstellen – bis Au- gust?» Seine bisherigen Erkundigungen im Raum Berlin hätten nur zu Kopfschütteln ge- führt. Blumer sah sich den 3D-Ausdruck und die Zeichnungen an. Und in ihm fing es an zu rattern und zu rechnen. SECHS WOCHEN FÜR PLANUNG UND FERTIGSTELLUNG Blumer übernahm im Anschluss die Abklä- rungen hinsichtlich Machbarkeit, Herstellung und Montage. Mittels Rhino für die Geome- triefindung und R-Stab für die statische Be- messung erbrachte er in wenigen Tagen den Machbarkeitsbeweis. Das Ergebnis präsen- tierte der Bauingenieur bei der Kick-off- Sitzung Ende Juni 2019 in Lindau. Hier wurde klar, wie eng der Zeitplan tatsächlich war: Bis zur Fertigstellung blieben noch sechs Wo- chen. Die technische Planung mit der Geome- triefindung, der Statik und der Datenaufbe- reitung für die CNC-Maschinen mussten in maximal drei Wochen abgeschlossen sein. 2 Gleiches galt für die Beschaffung des Holzes. Des Weiteren fehlten Bewilligungen sowie die Prüfstatik für die Baubewilligung. Und zu- allerletzt mussten Unternehmer gefunden 1 Der Ring aus Lärche ist über 14 Edelstahlrohre mit einer Fundamentplatte (3,2 m × 3,2 m) werden, die Zeit und das Know-how hatten, verbunden, die auf vier 2,10 Meter tiefen Einschraubfundamenten gründet. 2 Bereits in der Planung wurde der Ring in vier Segmente eingeteilt, um den späteren dieses Konstrukt in weniger als drei Wochen Transport und die Montage zu vereinfachen. zu fertigen und aufzustellen. Die exakte Geometrieplanung erfolgte durch die Zürcher Firma Design-to-Production, die die nötige Präzision für die Bearbeitung der einzelnen Bauteile auf den numerisch gesteu- erten Maschinen lieferte. Die abschliessenden Das Projekt – die Fakten ausführlichen statischen und dynamischen Objekt: Skulptur «Ring for Peace» Nachweise erstellte das Büro SJB Kempter Standort: Luitpoldpark, Lindau (DE) Fitze. Ingenieur Blumer bevorzugt es, auf stati- Fertigstellung: 2019 scher Seite in mindestens zwei Schritten vor- Bauherrschaft: Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft zugehen. Zuerst die Entwurfsstatik, wie er sie Entwurf: Gisbert Baarmann, Werkstatt für Holzgestaltung, Templin (DE) vor der Kick-off-Sitzung erstellte: Sie erbringt Architektur und örtliche Bauleitung: bei einem vergleichsweise geringen Aufwand Elwert & Stottele Architektur, Ravensburg (DE); Wolff Stottele den Beweis der Machbarkeit. Oft müssen da- Machbarkeitsstudie: Création Holz AG, Herisau (AR) nach noch Varianten – beispielsweise infolge Digitale Planung: Design-to-Production GmbH, Erlenbach (ZH) architektonischer Sonderwünsche oder Anre- Holzbau: Holzbau Amann GmbH, Weilheim (DE) gungen des Prüfingenieurs – nachgereicht Holzbauingenieur: SJB Kempter Fitze AG, Frauenfeld (ZH) werden. So wird ein optimales Zusammenspiel Baukosten: EUR 120 000 für Holzbauarbeiten inkl. Statik und CAD-Planung zwischen Künstler und Statiker zum Laufen Holz: Engadiner Lärche, 3,2 m3 Spannten, 8,5 m3 Rohlingbretter für die Bänder gebracht. In einem zweiten Schritt können
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