Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
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Monitoring ist die Basis beispielsweise zum Erhalt des Steinadlers und zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den bayerischen Alpen (Foto: R. Straub). Fotos Titelseite (von o. nach u.): Große Hufeisennase (R. Leitl), Böhmischer Enzian (N. Schäffer), Bartgeier (R. Straub)
Inhalt
Vorwort 5
Der LBV in Zahlen 6
Bayerns Natur im Fokus 7
Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung des Bartgeiers 9
Das Projekt Waldbirkenmaus 12
Landesweite Erfassung der Schwarzstorchvorkommen in Bayern 13
Erstnachweis für Deutschland: Schwarzstorch-Bodenbrut im Allgäu 15
Die Tagfalter und Widderchen des Coburger Landes 16
Bestandsentwicklung der Grauammer in ihrem wichtigsten bayerischen Verbreitungsgebiet 17
Artenhilfsprogramm Botanik in Oberfranken - Erfassung des Spreizenden Schöterichs 19
Langzeitmonitoring einer Gelbbauchunkenpopulation in Rohstoffgewinnungsstätten 21
Rebhuhnerfassung im Landkreis Coburg 23
Flussseeschwalben in Bayern 25
Erfassung von Insekten und Pflanzen auf LBV-Flächen 27
Arbeitsteilung unter Staren-Eltern während der Brutphase 30
Hilfe für Gebäudebrüter und Fledermäuse in Augsburg und im Landkreis Ostallgäu 31
Steinadlermonitoring in den Allgäuer Alpen 33
Bestandserfassung von Brutvogelarten in Münchener Grünanlagen 35
Nistkasten-Inventur im Landkreis Aichach-Friedberg 37
LBV Monitoring: Neuer Storchenrekord in Bayern 38
„Alle Vögel sind schon da“: Gesundheitsprävention in Pflegeheimen durch Vogelbeobachtung 39
Kiebitzschutz in der Intensivlandwirtschaft: Das Beispiel Knoblauchsland 43
Der Purpurreiher im Aischgrund 45
Entwicklung der Fischbestände am Schwarzen Regen 47
Sozialverhalten beim Siebenschläfer 50
3Inhalt
Environmental DNA (eDNA) zum Nachweis aquatischer oder semi-aquatischer Arten 51
Auswertung Neuntöter-Beringung aus über 30 Jahren 54
20 Jahre Artenhilfsprogramm Wiesenweihe in Bayern 55
Mauersegler in Afrika: LBV-Forschung belegt riesige Streifgebiete 57
Corona-Test für Große Hufeisennasen 59
Untersuchung zur Nahrungsgrundlage der Großen Hufeisennase 61
Seltene und bedrohte Wildapfel-Vorkommen im Münchener Stadtgebiet 63
Bestandsentwicklung von Amphibien und Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen 65
Ökologischer Wert von Solarfeldern: Evaluierung am Beispiel des Solarparks Gänsdorf 69
Turteltaube weiter im Sturzflug 71
Schutz und Vermehrung des Böhmischen Enzians 73
Erfassung von Gartenvögeln im Winter im Main-Spessart-Kreis 75
Bemühungen um die Wiederansiedlung des Wiedehopfs und Erfassung des Durchzugs 77
Quellschutz in Bayern 79
Ursprüngliche Brutplätze? Mauersegler in Spechthöhlen 81
Immenser Datenschatz in der Auswertung: Igel in Bayern 82
Stunde der Gartenvögel & Wintervögel 84
Erster Blutspecht in Deutschland nachgewiesen 85
Schatzkammern der Artenvielfalt: Broschüren zu Spessart und Donauauwald 86
Wie Sie uns unterstützen können 88
Stiftung Bayerisches Naturerbe 89
Impressum 90
4Feldforschung mit-
hilfe von Telemtrie
(Foto: C. Geidel).
Vorwort
Der LBV (Landesbund für Vogelschutz) ist schon immer, nicht erst in Zeiten von „fake news“,
stolz auf die Bezeichnung „Fachverband“. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind die Basis
aller unserer Positionen und Forderungen. Dabei übernehmen wir nicht nur Ergebnisse
anderer, vielmehr führen viele LBV Ehrenamtler und Hauptamtler, sowie Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler im Auftrage des LBV eigene Untersuchungen, Studien, Kar-
tierungen etc. zu den unterschiedlichsten Themen und Fragestellungen durch. Viele der
Ergebnisse haben in der Vergangenheit nicht die gebührende Aufmerksamkeit erhalten.
Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, alljährlich einen LBV-Forschungsbericht
herauszugeben. Entstanden ist ein bunter Strauß von Zusammenfassungen wissenschaft-
licher Arbeiten und Kurzmeldungen. Dabei handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche
Zeitschrift im eigentlichen Sinne. Vielmehr wollen wir in unserem LBV-Forschungsbericht
die Ergebnisse wichtiger und für unsere Arbeit relevanter Studien zusammenfassend dar-
stellen, auf die Originalarbeiten hinweisen und diese dauerhaft verfügbar machen. Unter
www.lbv.de/forschungsbericht ist der LBV-Forschungsbericht 2020 als pdf-Version mit
Verlinkung zu den Originalarbeiten bereitgestellt. Alle Zusammenfassungen der Berich-
te stammen aus der Feder des Wissenschaftsjournalisten Thomas Krumenacker. Großer
Dank gilt der Stiftung Bayerisches Naturerbe des LBV für die Finanzierung des LBV-For-
schungsberichts.
Der Wissenschaftliche Beirat des LBV und der Vorstand des LBV sind begeistert von unse-
rer fachlichen Arbeit. Wir sind gespannt, wie unser LBV-Forschungsbericht in Fachkreisen
und bei unseren Mitgliedern ankommt.
Hilpoltstein, März 2020
Dr. Norbert Schäffer, Prof. Dr. Volker Zahner,
Vorsitzender des LBV Sprecher des Wissenschaftlichen
Beirates des LBV
5Der LBV in Zahlen
1909 gegründet
>100.000 Mitglieder und Unterstützer
250 Kreis- und Ortsgruppen
17 Umweltstationen
280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
30 Geschäftsstellen
>3.000 ha LBV Schutzgebiete
€ 14 Mio Haushalt
1 LBV Kindergarten arche noah
1 LBV NaturShop
www.lbv.de
Vorstand Wissenschaftlicher Kuratorium
Beirat
Dr. Norbert Schäffer (Vorsitzender) Prof. Dr. Volker Zahner Dr. Lutz Spandau
Ludwig Sothmann (Ehrenvorsitzender) Prof. Dr. Franz Bairlein Dr. Susanne Zimmer
Ethelbert Babel (stellv. Vorsitzender) Olaf Schmidt Prof. Dr. Nicole J. Saam
Michael Scharl (Schatzmeister) Martin Scheuerer Dr. Ludger Arnoldussen
Dr. Irene Frey-Mann Prof. Dr. Fiona Schönfeld Prof. Hagen Schmidt-Bleker
Hans-Joachim Fünfstück Dr. Franz Leibl Anselm Bilgri
Frank Reißenweber Markus Faas
Dr. Rolf Helfrich Dr. Jürgen Metzner
Tobias Guggenmos (NAJU Vorstand) Prof. Dr. Jürgen Geist
Rolf Eberhardt
6Bayerns Natur im Fokus
Der LBV ist in Bayern flächendeckend vertreten. Vor Ort engagieren sich
hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ehrenamtlich Aktive
nicht nur unmittelbar im Natur- und Artenschutz, sondern auch bei der Er-
hebung von Daten, auf deren Basis der LBV wissenschaftlich fundiert arbei-
ten kann.
Häufig sind Projekte einzelnen Geschäftsstellen bzw. Kreisgruppen unter-
stellt, nachfolgend je Regierungsbezirk ein Beispiel mit Seitenverweis auf
den ausführlichen Bericht in dieser Ausgabe des LBV-Forschungsberichtes.
Artenhilfsprogramm Botanik
in Oberfranken - Erfassung
des Spreizenden Schöterichs,
S. 19
Entwicklung der
Fischbestände am
20 Jahre Artenhilfs- Schwarzen Regen,
programm Wiesen- S. 47
weihe in Bayern, S. 55
Coburg Helmbrechts
Geschäftsstelle
Ökostation
Kleinostheim
Umweltstation Bayreuth
Naturerlebnisgarten Bamberg
Umweltgarten Bezirksgeschäftsstelle
Veitshöchheim Fuchsenwiese Informationszentrum Lindenhof
Bezirksgeschäftsstelle
Nürnberg-Fürth-Erlangen
Regionalgeschäftsstelle
Ansbach Rothsee
Hohenburg
Kiebitzschutz in der Intesiv- Geschäftsstelle
Umweltstation
Fledermaushaus
Arnschwang
LBV-Zentrum „Mensch und Natur“
landwirtschaft: Das Beispiel Altmühlsee
Umweltstation
Regenstauf
Bezirksgeschäftsstelle
Knoblauchsland, S. 43 Hilpoltstein Umweltstation/Vogelauffangstation
Landesgeschäftsstelle
Ingolstadt Straubing
Geschäftsstelle Bezirksgeschäftsstelle
Pfaffenhofen Umweltstation
Augsburg Kreisgeschäftsstelle
Kreisgeschäftsstelle
Bestandsentwicklung von Fürstenfeldbruck
Geschäftsstelle
Amphibien und Wirksamkeit Landsberg
München Wiesmühl/
Inn-Salzach
von Schutzmaßnahmen in
Geschäftsstelle
Bezirksgeschäftsstelle
Kreisgeschäftsstelle Geschäftsstelle I Umweltgarten
Starnberg
der Oberpfalz, S. 65 Geschäftsstelle Bad Tölz/
Memmingen Wolfratshausen Chiemsee
Bezirksgeschäftsstelle Geschäftsstelle Naturpavillon Übersee
Hindelang Garmisch-Partenkirchen
GB Allgäuer Hochalpen Geschäftsstelle
Machbarkeitsstudie
Steinadlermonitoring zur Wiederansiedlung
in den Allgäuer Alpen, des Bartgeiers, S. 9
S. 33
7Der Bartgeier ist die größte Greifvogelart Europas und Teil der ursprünglichen Alpenfauna (Foto: H. Weyrich).
8Die Rückkehr des
Bartgeiers nach Bay-
ern durch gezielte
Auswilderung ist
möglich und ökolo-
gisch sinnvoll.
Das ist das Fazit
einer LBV-Machbar-
keitsstudie (Foto: H.
Weyrich).
Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung
des Bartgeiers
Bartgeier sind dank gezielter Stützungsmaßnahmen und Wiederansied-
lungsprojekte in Teilen des Alpenbogens wieder heimisch geworden. In den
deutschen Alpen fehlt die Art dagegen nach wie vor auch mehr als 100 Jah-
re nach ihrer Ausrottung. Um zu ermitteln, ob eine (Wieder)-Ansiedlung von
Bart- und Gänsegeiern auch in Bayern sinnvoll ist, beauftragte der LBV eine
Machbarkeitsstudie. Ergebnis der Analyse: Die Rückkehr des Bartgeiers ist
möglich. Für den Gänsegeier dagegen wäre mangels historischer Vorkom-
men eine Ansiedlung nicht sinnvoll.
Die ökologische Aufwertung bestehender Le- Wiederansiedlung neben dem unmittelbaren
bensräume durch Förderung ihrer Biozönose Ziel auch andere wichtige Naturschutzziele, bei-
ist neben dem Lebensraumschutz eine zentrale spielsweise die Stützung der Art insgesamt, zu
Aufgabe des LBV. Zugleich markiert das Fehlen erreichen wären.
des Bartgeiers eine der größten Lücken gegen-
über der ursprünglichen Fauna des Alpenraums. Wissenschaftliche Richtschnur für jedes seriöse
Angesichts erfolgreicher Wiederansiedlungspro- Wiedereinbürgerungsvorhaben ist der Kriterien-
jekte in Frankreich, der Schweiz, Italien, Spanien katalog der Internationalen Naturschutzunion
und Österreich liegt ein entsprechendes Projekt (IUCN). Danach sind Wiedereinbürgerungen
auch in den bayerischen Ostalpen nahe. Die Ent- oder Stützungsmaßnahmen nur dann sinnvoll,
scheidung über eine ökologisch so weitreichen- wenn durch sie die Chance besteht, eine dauer-
de und zugleich kosten- und ressourcenintensive haft mit langfristig geringer Managementunter-
Maßnahme wie ein mehrjähriges Wiederansied- stützung lebensfähige Population einer ökologi-
lungsprojekt muss indes auf Basis des aktuellen schen Schlüsselart zu etablieren. Dazu müssen Ziel ist eine
wissenschaftlichen Kenntnisstands sowie aller die Ursachen, die zu ihrem Verschwinden ge- dauerhaft
verfügbarer Fakten getroffen werden. Die Ana- führt haben, beseitigt oder minimiert sein.
lebensfähige
lyse durch den vom LBV beauftragten Biologen Die Machbarkeitsstudie analysierte die Bedin-
Toni Wegscheider verfolgte deshalb einen sehr gungen in den bayerischen Ostalpen entlang
Population
umfassenden Ansatz. Es galt zu klären, ob die dieser Richtschnur. Bereits aufgrund der Defini-
ökologischen, rechtlichen und sozioökonomi- tion als geplantens „Wieder“-Einbürgerungspro-
schen Voraussetzungen für ein solches Projekt jekt scheidet der Gänsegeier für ein solches Pro-
gegeben sind und ob darüberhinaus mit einer gramm aus: Die Studie konnte keinen sicheren
9Machbarkeitsstudie
Beleg dafür finden, dass diese Art jemals in den Auch naturräumlich bieten die bayerischen Al-
bayerischen Alpen gebrütet hat. Für den Bartgei- pen weiterhin gute Voraussetzungen für Bartgei-
er fanden sich dagegen ausreichend historische er. Bedrohungen durch Kollisionen mit Seilbahn-
Belege in Jagd-Aufzeichnungen und anderen Do- kabeln oder andere Strukturen gibt es in für eine
kumenten, darunter das bekannte großflächige Ansiedlung in Betracht kommenden Regionen
Ölgemälde im früheren Jagdschloss St. Bartholo- nur wenige, stellt die Studie fest. Dies ist auch
mä am Königssee. ein Verdienst des Alpenplans, für dessen strikte
Einhaltung der LBV eintritt. Fast alle der mehr als
Unter den ökologischen Voraussetzungen 150 dokumentierten Sichtungen von Bartgeiern
für ein dauerhaftes Überleben einer Popu- in den deutschen Alpen fanden in Gebieten statt,
lation spielt das Nahrungsangebot eine ent- die in der höchsten Schutzstufe des Alpenplans
Nahrungs- scheidende Rolle. Der Bartgeier, Europas kategorisiert sind. Dass die ökologischen Voraus-
angebot größter Greifvogel, ist ein ausgesprochener setzungen für den Bartgeier stimmen, zeigen
ausreichend Nahrungsspezialist. Er ist Aasfresser und inner- auch die Daten der in ökologisch vergleichba-
halb dieser Gruppe besonders auf den Ver- ren Nachbarregionen bereits etablierten Teil-
zehr von Knochenmark spezialisiert. Eine um- population. Die Reproduktionsrate betrug dort
fassende Analyse des Nahrungsange- 2019 0,63 Jungvögel pro brütendem Paar und
bots des Gutachters anhand von Wild- die Überlebensrate der Alpen-Bartgeier ist mit
und Nutztierstatistiken kommt zu dem Ergeb- knapp 90 Prozent im ersten und deutlich über 90
nis, dass in den bayerischen Alpen eine ausrei- Prozent in den Folgejahren sehr hoch. Eine sich
chende Anzahl an Weide- wie an Wildtieren vor- selbsttragende, demografisch stabile Population
handen ist, um genügend Fallwild bzw. Kadaver – allerdings auf sehr niedrigem Niveau - existiert
für ein Bartgeiervorkommen bereitstellen zu mithin in Nachbarländern bereits.
können. „Das Nahrungspotential stellt keinen
limitierenden Faktor dar“, bilanziert das Gutach- Um eine Ansiedlung sinnvoll und erfolgverspre-
ten in dieser Schlüsselfrage. Zugleich empfiehlt chend zu gestalten, muss nach IUCN-Kriterien
die Studie zur Verbesserung der Nahrungssitua- die Ursache für das Aussterben beseitigt sein.
tion auch für die als Besucher von Brutplätzen Der Bartgeier ist durch menschliche Verfolgung
in Nachbarländern immer stärker auftretenden in den Alpen ausgerottet worden. Durch einen
Gänsegeier, totes Almvieh dort auf der Weide zu mittlerweile vollständigen rechtlichen Schutz in
belassen, wo dies seuchenhygienisch unbedenk- allen europäischen Ländern und eine gewandel-
lich ist. te Einstellung gegenüber den Vögeln sieht das
Gutachten auch in dieser Frage trotz einzelner
Fälle von illegaler Verfolgung die Voraussetzun-
gen für eine erfolgversprechende Wiederansied-
lung als gegeben an. Illegale Verfolgung spielte
bei der Empfehlung des Nationalparks Berchtes-
gaden als am besten geeigneten Standort für
eine Auswilderung auch eine Rolle: Im ebenfalls
geprüften Allgäu komme eine latente Gefahr
durch Abschüsse im nahegelegenen Tirol hinzu.
Als größte Gefahr für einen Erfolg einer Auswil-
derung wird die Sterblichkeit durch Sekundärver-
giftungen mit Blei, vor allem aus Jagdmunition, in
dem Gutachten herausgearbeitet. Federanaly-
sen in den französischen Seealpen ergaben, dass
30 Prozent der Bartgeier dort sehr hohe Blei-Be-
Ein Gemälde in St. Bartholomä am Königssee be- lastungen im subletalen Bereich und in einigen
legt den Abschuss zweier, wahrscheinlich adul- Fällen sogar tödlichen Dosen aufwiesen. Auch
ter, Bartgeier und gilt als Zeugnis, dass die Art eine europaweite Analyse der Todesursache von
hier heimisch gewesen sein muss (Foto: T. Weg- Geiern auf Basis von Informationen aus 19 Län-
scheider). dern zeigt, dass Vergiftung in ganz Europa die
wichtigste Todesursache für Geier ist. Um diese
10Bartgeier
Ursprünglich waren Bartgeier von Nordafrika über Spanien, Frankreich und die Balkanstaaten bis in
die Türkei beheimatet. Über Wiederansiedlungen könnten Lücken in der heutigen Verbreitung ge-
schlossen werden (Foto: H. Weyrich).
Gefahr bei einem Wiederansiedlungprojekt zu
minimieren, hat der LBV bereits regional und
grenzüberschreitend verschiedene Initiativen in
Kooperation mit Behörden und Jagdverbänden
gestartet.
In der Bilanz gibt das Gutachten grünes Licht
Brückenkopf
für ein Wiederansiedlungsprojekt aus fachlicher
Sicht. Es ist damit eine wichtige Grundlage für
zwischen West-
die Entscheidung gewesen, im Frühling 2021 mit und Osteuropa
dem Vorhaben zu beginnen. Damit könnte auch
ein wichtiger Beitrag zum internationalen Geier-
schutz geleistet werden. Denn die Etablierung
einer stabilen Bartgeier-Population in den Ost-
alpen würde einen Brückenkopf zu den anderen
Vorkommen bilden können und der Art so zu ei-
Über Wiederansiedlungen könnten Lücken in ner Rekoloniesierung ihres gesamten ursprüng-
der heutigen Verbreitung (braun) geschlossen lichen Verbreitungsgebietes von Nordafrika bis
werden (Karte: W. Fiedler). in die Türkei und Asien zu verhelfen.
Wegscheider, T 2019: Machbarkeitsstudie zur Stützung von Bartgeier (Gypaetus barbatus) und
Gänse-geier (Gyps fulvus) in den Ostalpen durch Maßnahmen in Bayern. Im Auftrag des
Landesbunds für Vogelschutz in Bayern e.V., gefördert von der Stiftung Bayerischer
Naturschutzfonds und der HIT-Stiftung.
www.lbv.de/ratgeber/naturwissen/artenportraits/detail/bartgeier/
Kontakt im LBV: Toni Wegscheider, Projektleitung, email: toni.wegscheider@lbv.de
11S
C
H
L
A
G
L
I
C
H
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Mit Kameras seltenen Alpenbewohner aufgespürt:
Das Projekt Waldbirkenmaus
Mithilfe des Einsatzes von Wildkameras gelang schen dunklen Strich auf der Rückenmitte bisher
es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LBV- im Bayerischen Wald und im Oberallgäu nachge-
Bezirksgeschäftsstelle Schwaben zusammen mit wiesen, zuletzt an einem Standort am Riedber-
ehrenamtlich Aktiven, einem neuen Vorkommen ger Horn.
eines besonders heimlichen Bewohners deut-
scher Gebirge auf die Spur zu kommen: Der Um festzustellen, ob die Art möglicherweise wei-
Waldbirkenmaus, eine der kleinsten und seltens- ter in der Region verbreitet ist als angenommen,
ten Nagetierarten Deutschlands. wurden 16 Wildkameras an geeignet erscheinen-
den Stellen im südlichen Oberallgäu aufgestellt.
Erst 1936 wurde die Waldbirkenmaus als Art Insgesamt waren die Kameras an 601 Tagen an
für Deutschland entdeckt. Seitdem liegen nach 34 Standorten im Einsatz und nahmen 10.888 Fo-
Angaben des Bundesamts für Naturschutz nur tos auf. In unmittelbarer Nähe zur Fellhornbahn-
rund 20 Nachweise aus wenigen Regionen vor. Mittelstation gelang dann am 7. September 2019
Aufgrund ihrer Seltenheit wird die Waldbirken- der einzige Nachweis der Waldbirkenmaus. Ins-
maus auf den Roten Listen Deutschlands und gesamt drei Fotos belegen die Anwesenheit des
Bayerns als vom Aussterben bedroht geführt. In seltenen Alpenbewohners. Weitere Erfassungs-
Bayern wurde die hübsche kleine Maus mit dem versuche in der Zukunft erscheinen vielverspre-
sehr langen Schwanz und dem charakteristi- chend.
Kraft B 2019: Waldbirkenmaus – heimlicher Bewohner der Allgäuer Alpen. Gefördert vom Bayeri-
schen Naturschutzfonds aus Mitteln der GlücksSpirale.
Kontakt im LBV: Brigitte Kraft, Geschäftsstelle Schwaben, email: brigitte.kraft@lbv.de
12Bayern hat eine
große Verantwor-
tung für die gesamte
deutsche Schwarz-
storchpopulation.
Der Bestandstrend
für den scheuen
Waldbewohner ist
positiv (Foto: T. Kru-
menacker).
Landesweite Erfassung der
Schwarzstorch-Vorkommen in Bayern
Bayern beherbergt einen bedeutsamen Teil der deutschen Schwarzstorch-
Population. Neben einer deutlichen Zunahme des Bestandes in den vergan-
genen Jahrzehnten ist die Entwicklung auch durch eine Verschiebung des
Siedlungsgebietes innerhalb des Bundeslandes gekennzeichnet. Das belegt
die landesweite Bestandserfassung der Art durch den LBV im Jahr 2018 und
ein Vergleich mit der vorangehenden Zählung 2010.
Die Entwicklung des Schwarzstorchs in den ver- schutzbehörden abgefragt und Informationen
gangenen Jahrzehnten gehört zu den Erfolgs- aus Zufallsbeobachtungen berücksichtigt, die
geschichten des Vogelschutzes in Deutschland. Bürgerinnen und Bürger nach einem Meldeauf-
Bundesweit haben sich die Bestände seit den ruf im Internet beigesteuert haben.
1990er Jahren erholt. Mittlerweile konnte der im
Vergleich zum Weißstorch zurückgezogener und Der Vergleich mit den Ergebnissen der letzten
scheuer in Waldlebensräumen vorkommende bayernweiten Erfassung 2010 ergab eine Erhö-
Schwarzstorch als eine der wenigen Arten sogar hung der Zahl aller sicheren Vorkommen, aller-
aus der deutschen Roten Liste der bedrohten dings mit unterschiedlichem Nachweisstatus,
Vogelarten entlassen werden. Dass Bayern eine von 143 auf 243. Das entspricht einem Zuwachs
Schwarzstorch-Hochburg ist, war seit längerem um 70 Prozent. Diese Zahl spiegelt aber nicht Bedeutender
bekannt. Das vom Bayerischen Naturschutz- zwangsläufig auch die reale Bestandserhöhung Anteil des bundes-
fonds aus Erträgen der GlücksSpirale geförderte in gleicher Größe wider, denn ein Teil des Zu-
LBV-Projekt zur Erfassung des landesweiten Be- wachses dürfte auf eine bessere Erfassung des
weiten Bestandes
standes der Art im Jahr 2018 hat die herausra- tatsächlichen Bestands gegenüber 2010 zurück- in Bayern
gende Bedeutung des Bundeslandes nun unter- zuführen sein. Gleichwohl zeigt die Analyse, dass
strichen. ein bedeutsamer Teil der deutschen Schwarz-
storch-Population in bayerischen Wäldern lebt.
Der Landesbestand wurde durch das Zusam- Den bundesweiten Schwarzstorch-Bestand gibt
menführen von Informationen aus unterschied- der Dachverband Deutscher Avifaunisten aktuell
lichsten Quellen ermittelt. Die Erkenntnisse aus mit 800 bis 900 Brutpaaren an.
der zeitaufwendigen Arbeit von Schwarzstorch-
expertinnen und -experten in den einzelnen Re- Von den 2018 in Bayern festgestellten 243 Re-
gionen flossen ebenso ein wie die Kartierungs- vieren konnte in 129 ein Brutnachweis oder ein
ergebnisse verschiedener LBV-Arbeitsgruppen. Brutverdacht erbracht werden. In 114 Revieren
Weiter wurden Daten bei Forst- und Natur- wurden zur Brutzeit mehrmals Störche beob-
13Bestandserfassung
achtet, ohne dass jedoch ein Bruthinweis ge- In einigen traditionellen Siedlungsgebieten, wie
funden werden konnte. In den Erfassungsjahren dem Bayerischen Wald und der Rhön, wurden
2017/18 nachweislich nicht besetzt oder bereits dagegen rückläufige Tendenzen ermittelt. Die
Frankenwald ist seit mehreren Jahren aufgegeben waren 42 Re- Analyse der Erfassungsergebnisse 2018 erhärtet
viere. damit die bereits 2010 gehegte Vermutung, nach
Schwarzstorch- der es sich bei der seit nun zwei Jahrzehnten
Hochburg Verbreitungsschwerpunkte des Schwarzstorches beobachteten Arealausbreitung des Schwarz-
in Bayern sind nach wie vor die nord- und ost- storchs innerhalb Bayerns zumindest teilweise
bayerischen Mittelgebirge vom Frankenwald um eine Verschiebung des besiedelten Areals
bis zum Oberpfälzer Wald. Dem Frankenwald handelt.
kommt sowohl als bayerische Schwarzstorch-
Hochburg wie auch als Region mit dem stärks- Mit der zunehmenden Häufigkeit des Schwarz-
ten Zuwachs eine herausragende Bedeutung storchs wächst auch das Interesse einer breite-
Arealausweitung zu. Gegenüber 2010 stieg die Zahl der dort ge- ren Öffentlichkeit an der Art stark. Dem wurde
fundenen Reviere von 15 auf 70. Im Südwesten mit einer Ausweitung des Informationsangebots
erweist sich als Bayerns und hier vor allem im Allgäu und den über Vorkommen, Lebensweise, Gefährdung
Arealver- angrenzenden Gebieten hat sich ein neuer Ver- und Schutz des Schwarzstorchs Rechnung getra-
schiebung breitungsschwerpunkt etabliert. Der Bestand im gen. Ein Flyer sowie eine eigene Sektion im Inter-
südwestlichen Bayern hat sich danach innerhalb netauftritt des LBV informieren und werben für
von acht Jahren von acht auf 32 Reviere vervier- den Wappenvogel intakter Waldlandschaften.
facht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Informationen
zu einer schwarzstorchfreundlichen Waldbewirt-
schaftung.
Schneider A 2019: Der Schwarzstorch in Bayern 2018 – Erfassung des aktuellen Bestandes sowie
Erstellung eines Info-Faltblatts und Überarbeitung der Schwarzstorch-Seiten der LBV-
Homepage. Abschlussbericht. Gefördert vom Bayerischen Naturschutzfonds aus Mitteln der
GlücksSpirale.
www.lbv.de/naturschutz/artenschutz/voegel/schwarzstorch/
Kontakt im LBV: Anne Schneider, Referat Artenschutz, Landesgeschäftsstelle,
email: anne.schneider@lbv.de
gesicherte Brut
Revierpaare
regelmäßige Sichtbeobachtungen
in einem Revier
Anzahl Schwarzstorchvorkommen in den Jahren 2010, 2015*, 2018 und 2019* (keine vollständige
systematische Erfassung) (A. Schneider).
14Schwarzstorch
Foto: H. Farkaschovsky
Erstnachweis für Deutschland:
Schwarzstorch-Bodenbrut im Allgäu
Schwarzstörche bauen ihre Horste meist hoch lichten Bewuchses mit alten Bäumen in diesem
in Bäumen. Im Allgäu gelang 2019 erstmals für Bereich gute An- und Abflugmöglichkeiten. Die
Deutschland die Dokumentation einer Boden- Bodenbrut verlief erfolgreich. Drei Junge wurden
brut. flügge. Ihre ersten Erkundungen der näheren
Nestumgebung unternahmen die Jungstörche zu
Für den ungewöhnlichen Neststandort entschied Fuß. Mit etwa elf Wochen zeigten die Jungstörche
sich das Brutpaar eines Reviers im südlichen All- arttypisch bereits gute Flugfähigkeiten und such-
gäu, nachdem es bei der Rückkehr aus dem Über- ten in der Umgebung nach Nahrung, bevor sie
winterungsgebiet feststellen musste, dass das in das Überwinterungsgebiet abzogen. Trotz des
bisherige Nest in einer Tanne witterungsbedingt Bruterfolgs wählte das Schwarzstorch-Paar im
abgestürzt war. Statt wie üblich einen neuen
Horst im dichten Kronenbereich des Bergwaldes
Jahr 2020 wieder einen traditionellen Brutplatz
und baute einen neuen Horst in einer Tanne.
S
anzulegen, entschied es sich für die sehr seltene C
Variante eines Bodenhorstes. Etwa in der Mitte Bodenhorste sind bei Schwarzstörchen aus eini-
eines steilen Hanges legten die Störche ihren gen Ländern ihrer Kernverbreitung als seltenes
H
Horst vor dem Abrutschen gesichert an den Wur- Phänomen bekannt. Auch andere Großvögel L
zelanläufen einer kräftigen alten Fichte und einer desselben Lebensraums errichten gelegentlich
jüngeren Buche an. Wie auch bei neu angelegten Bodenhorste oder brüten am Boden an ge- A
Nestern in Bäumen war der Umfang des Hors- schützten Stellen wie Wurzelanläufen, z.B. der G
tes vergleichsweise bescheiden. Nach oben war Uhu. Insgesamt sind Schwarzstörche, ebenso
das Nest durch ein dichtes Brombeergestrüpp wie Weißstörche, recht flexibel, was den Horst- L
an der Hangkante sichtgeschützt. Zugleich bot standort angeht. In mehreren Bundesländern I
der Standort den Großvögeln aufgrund des nur brüten sie auch an Felsen.
C
Kontakt im LBV: Harald Farkaschovsky, LBV Arbeitsgruppe Schwarzstorchschutz Allgäu H
T
15Buchprojekt
Die Tagfalter und Widderchen des Coburger Landes
LBV-Mitglieder aus Coburg legen umfangreiche regionale Bestandsauf-
nahme zur Insektenvielfalt vor.
Der Insektenschwund gehört zu den besorgniserregensten Zeichen der Artenkrise, in der wir uns
befinden. Spätestens seit der Veröffentlichung der berühmt gewordenen Studie Krefelder En-
tomologen vor gut drei Jahren steht das Thema endlich auch auf der umweltpolitischen Tages-
ordnung weit oben. Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Insektenschutzgesetz
zeugt davon - auch wenn die Umsetzung aus Sicht des Naturschutzes energischer vorangetrieben
werden sollte. Das durch die Vorlage der Krefelder Studie ausgelöste immense internationale
Echo zeigt auch, dass das Engagement auf lokaler oder regionaler Ebene einen wichtigen Bei-
trag zur wissenschaftlichen Forschung leisten kann. Das liegt vor allem
darin begründet, dass für weite Teile der biologischen Vielfalt - anders als
etwa für Vögel - auch heute noch häufig kein ausreichendes Datenmate-
rial vorliegt, um darauf Schlussfolgerungen beispielsweise zu Bestands-
veränderungen oder andere wichtige Entwicklungen zu basieren. Diese
erstaunliche Tatsache gilt selbst für die naturwissenschaftlich am besten
erforschten Regionen der Erde, zu denen natürlich Mitteleuropa und da-
mit auch Deutschland zählen.
Vor diesem Hintergrund kommt dem Engagement der Kreisgruppe Co-
burg des LBV beim Insektenschutz eine auch überregional beachtenswer-
te Bedeutung zu. Ihr als Heft 30 in der Schriftenreihe des Naturkunde-
Museums Coburg erschienenes Buch „Die Tagfalter und Widderchen des
Coburger Landes“ leistet einen doppelten Beitrag zum Naturschutz: Zum
einen, indem es allein durch die Darstellung der Vielfalt dieser Insekten-
gruppen mit genauen lokalen Verbreitungskarten und hochwertigen Fotos
überhaupt erst für viele Menschen die Möglichkeit schafft, die biologische
Vielfalt in ihrer Region wahrzunehmen und zu erkunden. Zum anderen
leistet das Autorenteam auch einen unmittelbar wissenschaftlichen Bei-
trag, indem es auf der Grundlage einer vierjährigen Feldarbeit eine aktuel-
le und umfassende Bestandsaufnahme des regionalen Vorkommens der
Tagfalter und Widderchen vorlegen konnte. Damit leisten die Coburger
LBV-Aktiven einen Beitrag dazu, das Datendefizit über diese ökologisch
besonders wichtige Tiergruppe zu verringern. Zu den Erkenntnissen des
Teams gehört, dass einige der Tagfalter des Coburger Landes in den vergangenen Jahrzehnten
bereits ausgestorben sind. Andere früher vorkommende Arten gelten aktuell als verschollen. Die
Insektenkundler und Insektenkundlerinnen konnten aber auch das Einwandern neuer Arten fest-
stellen und für einige Arten eine größere regionale Verbreitung nachweisen, als sie bislang an-
genommen wurde. Damit unterfüttern die LBV-Forscher für Insekten auf lokaler Ebene Trends,
die auch im größeren Maßstab und auch unter den verschiedenen Tier- und Pflanzengruppen
festzustellen sind. „Hauptziel unseres Projektes war es, eine umfassende Bestandsaufnahme zur
Verbreitung in einem beschränkten Zeitraum vorzunehmen, damit man für die Zukunft eine ver-
nünftige Vergleichsbasis hat, um flächendeckende Veränderungen dokumentieren zu können“,
beschreibt das Autorenteam selbst das Konzept hinter dem Buch. Damit ist „Die Tagfalter und
Erhältlich
Widderchen des Coburger Landes“ auch ein Stück Grundlagenforschung.
im LBV
Natur-Shop Altrichter P, Hübner G, Ulmer A 2019: Die Tagfalter und Widderchen des Coburger Landes, Heft 30
der Schriftenreihe des Naturkunde-Museums Coburg, 384 Seiten, ISBN 978-3-9805080-6-3.
Kontakt im LBV: Gerhard Hübner, Geschäftsstelle Coburg
16Die vom Aussterben
bedrohte Grau-
ammer ist eine
typische Vogelart
strukturreicher
Kulturlandschaften
(Foto: G. Zieger).
Bestandsentwicklung der Grauammer in ihrem
wichtigsten bayerischen Verbreitungsgebiet
Zehn Jahre nach der letzten Bestandserfassung wurden erneut die Brut-
vorkommen der vom Aussterben bedrohten Grauammer im wichtigsten
verbliebenen bayerischen Verbreitungsgebiet erfasst. Auf der Basis eines
Vergleichs der Datensätze und der Analyse der Veränderungen auf Land-
schaftsebene konnten wertvolle Managementempfehlungen erarbeitet
werden.
Die etwa sperlingsgroße Grauammer ist in Bay- Naturschutzfonds 2019 erneut ein Anlauf zur
ern mit nur noch 600 bis 950 Brutrevieren ein möglichst vollständigen Bestandsermittlung der
sehr seltener Brutvogel und wird auf der Ro- Grauammer in Mainfranken unternommen, um
ten Liste in der Kategorie „vom Aussterben be- eine Grundlage für mögliche Schutzmaßnahmen
droht“ geführt. Bereits zwischen 1975 und 1999 zu legen. Neben der Erfassung der Grauammer-
sind ihre Bestände um die Hälfte eingebrochen. Vorkommen wurden auch die für die Art wich-
Das von der Grauammer besiedelte Gebiet tigen Lebensraum-Merkmale erfasst, beispiels-
schrumpfte sogar um mehr als 60 Prozent. Nach weise Singwarten sowie extensives Grünland als
der Jahrtausendwende setzte sich dieser Trend Nahrungshabitat.
weiter fort. Kartierungen in Bayern im Rahmen
der Arbeiten für den Atlas Deutscher Brutvo- Die Analyse der Ergebnisse ergab, dass der ak-
gelarten (ADEBAR) in den Jahren 2005 bis 2009 tuelle Bestand heute immer noch fast auf dem Geringe
ergaben gegenüber dem Zeitraum kurz vor der gleichen Niveau wie vor etwa zehn Jahren liegt. Bestandsänderung
Jahrtausendwende noch einmal einen Bestands- 2019 wurden 308 Reviere gezählt und damit nur
- dennoch keine
verlust um fast 30 Prozent. drei weniger als während der Erfassung für den
Bayerischen Brutvogelatlas. Aus den 311 gezähl- Entwarnung
Entsprechend wichtig ist der Schutz des wich- ten Revieren war 2012 eine Gesamtpopulation
tigsten verbliebenen Siedlungsgebietes der Art von 454 bis 980 Brutpaaren errechnet worden.
in Bayern, auf den Mainfränkischen Platten. Der Dies dürfte auch die gegenwärtige Größenord-
Region kommt sogar eine über Bayern hinaus- nung widerspiegeln.
gehende Bedeutung für den Schutz der Grau-
ammer zu, weil die dortige Population das zweit- Die Bestätigung eines insgesamt stabilen Be-
größte geschlossene Vorkommen Deutschlands stands verdeckt aber regional unterschiedliche
außerhalb des nordostdeutschen Tieflands ist. Entwicklungen. So hat sich der Bestand in 43
Zehn Jahre nach der Erfassung für den Atlas Quadranten 2019 gegenüber dem Stand von
Deutscher Brutvogelarten wurde mit Unterstüt- 2012 verringert, in 24 Quadranten wurde eine
zung der Glücksspirale und des Bayerischen Zunahme und in 17 Rastern ein unveränder-
17Bestandserfassung
Gefährdet ist die Grauammer v.a.
durch Lebensraumverlust und inten-
sive Landwirtschaft (Foto: Z. Tunka).
Entwicklung der Grauammer-
Bestände von 2009-2019.
ter Bestand ermittelt. Aus einigen Gebieten, in Lebensraums in den verbliebenen Refugien
denen die Bestände bereits stark ausgedünnt schlagen stärker auf die Restpopulation durch.
waren, ist die Art nun ganz verschwunden. Ins- Entsprechend wichtig sind die aus der Analyse
gesamt zeigte sich, dass die Graummer zwar gewonnenen konkreten Handlungsempfeh-
keinen starken Einbruch erlitten hat, gleichzei- lungen. Die Datenanalyse erlaubte es, bis auf
Konkrete tig jedoch eine deutliche Arealveränderung und Landkreisebene spezifische Maßnahmenpakete
Handlungs- -konzentration festzustellen ist. Das deutet dar- vorzuschlagen. Dazu gehören die Anlage von
empfehlungen auf hin, dass geeignete Lebensräume abnehmen Brachen und Blühstreifen, aber auch ein ex-
und sich die Vorkommen immer stärker auf die tensiver Anbau von Getreide und ein teilweiser
wenigen geeigneten Gebiete konzentrieren, die Ernteverzicht innerhalb der verbliebenen Kern-
immer stärker voneinander isoliert sind. Die Flä- verbreitungsgebiete ebenso wie die Anlage oder
che des von der Grauammer genutzten Lebens- der Erhalt von Klein- und Kleinstgewässern, eine
raums nimmt dadurch ab, die Populationsdichte Verbesserung des Angebots an Singwarten und
in den verbleibenden Vorkommen dagegen zu. die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutz-
Diese bei vielen unter Druck geratenen Vogel- mitteln. Solche Maßnahmen kommen nicht al-
arten zu beobachtende Entwicklung macht die lein der Grauammer zugute, sondern viele Feld-
Populationen deutlich anfälliger für eine rasche vogelarten profitieren davon.
Abwärtsspirale. Denn Verschlechterungen des
Saile C, Hecht J, Hoffmeister T, Lanz U 2020: Erfassung der aktuellen Vorkommen der Grauammer
(Emberiza calandra) im Bereich der Mainfränkischen Platten. Gefördert vom Bayerischen
Natur-schutzfonds aus Mitteln der GlücksSpirale.
Kontakt im LBV: Christoph Saile, Bezirksgeschäftsstelle Unterfranken
18Viele Ackerwild-
kräuter, darunter
auch der Spreizende
Schöterich, werden
mittlerweile auf
der Roten Liste ge-
führt - Grund ist die
Verdrängung durch
intensive Landwirt-
schaft (Foto: Bericht).
Artenhilfsprogramm Botanik in Oberfranken
- Erfassung des Spreizenden Schöterichs
Der Spreizende Schöterich verschwindet fast unbemerkt aus seinem tradi-
tionellen Verbreitungsgebiet. Wie vielen anderen Ackerwildkräutern macht
Erysimum repandum die Intensivlandwirtschaft zu schaffen. In Oberfranken
konnte ein Vorkommen auf einigen wenigen Standorten bestätigt werden.
Die Art hat in Deutschland nur ein vergleichs- gibt es von Ruderalstandorten aus dem Land-
weise kleines Hauptverbreitungsgebiet im kli- kreis Kronach und der Stadt Bayreuth. Insge-
matisch bevorzugten Thüringer Becken und im samt konnte die Art auf fünf Ackstandorten im
thüringisch-fränkischen Grabfeld. Auch ist ihr Umfeld der Dörfer Gauerstadt und Breitenau
exakter Status unklar und es gibt so gut wie kei- nachgewiesen werden. Die Art schließt sich hier Einstufung als
ne wissenschaftliche Forschung zu Vorkommen an das geschlossene Verbreitungsgebiet im thü-
stark gefährdet
oder Ökologie der Art. Wie viele andere Acker- ringischen und unterfränkischen Grabfeld an.
Wildpflanzen leidet der Spreizende Schöterich Als wärmeliebende Pflanze profitiert sie hier von steht bevor
vor allem unter der anhaltenden Intensivierung den trockenen, basenreichen Gipskeuperböden
der Landwirtschaft mit ihrem starken Einsatz und hat sich daher auch auf konventionell be-
von Herbiziden. wirtschafteten Ackerböden halten können.
In der noch geltenden offiziellen Roten Liste der
Pflanzen Deutschlands von 1996 wird der Sprei- Gut ausgestattetes Vorkommen von Erysimum
zende Schöterich noch als ungefährdet geführt. repandum am typischen Wuchsort im Saum ei-
In der aktuellen, aber noch unpublizierten Roten nes Rapsfeldes (Foto: A. Ulmer).
Liste Deutschlands wird die Art jedoch als stark
gefährdet eingestuft werden. Auch in Bayern
wird sie bereits auf der Roten Liste geführt.
Um Informationen über das Vorkommen des
Spreizenden Schöterichs am Rande seines
Hauptverbreitungsgebietes zu erhalten, wurden
im Auftrag der Regierung von Oberfranken im
Rahmen dieser Forschungsarbeit die Gesamt-
vorkommen für Oberfranken erfasst und bewer-
tet.
Aktuelle Funde in Ackerstandorten liegen nur
aus dem Gebiet von Bad Rodach vor. Weitere
Fundmeldungen aus den Jahren 2016 und 2017
19Artenhilfsprogramm
An den noch bestehenden Standorten wurden
meist nur wenige Pflanzen gefunden. Bei guten
Voraussetzungen im Frühjahr können aber lokal
auch viele hunderte Exemplare gedeihen. Wie
bedeutsam ein stellenweiser Verzicht auf Her-
bizide für das Überleben der Art wäre, zeigt die
Tatsache, dass sich die aktuellen Vorkommen
Herbizidverzicht fast ausschließlich an den äußersten Randzo-
nen der Äcker befinden, denn zwischen den an-
entscheidend gebauten Feldfrüchten sind die Samenbanken
für das Über- durch den stetigen Einsatz von Herbiziden wei-
leben testgehend erloschen. Kann sich der Schöterich
aber durch Verzicht auf Herbizide gut entwickeln
und fruchten, ist auf diesen Flächen das Samen-
potenzial für mehrere Jahrzehnte wieder aufge-
füllt. Es wird deshalb zum Schutz der bestätigten
Funde empfohlen, die Standorte in Programme
des Vertragsnaturschutzes einzubeziehen. Dazu
wurde Kontakt mit den Bewirtschaftern auf-
genommen. Die Rückmeldungen waren positiv
und lassen hoffen, dass die Art erhalten werden Anthropogenes Vorkommen von Erysimum re-
kann. pandum in Ludwigstadt (Lkr. Kronach) an einer
Stützmauer (Foto: J. Guest).
Ulmer A, Elsner O 2017: Artenhilfsprogramm Erysimum repandum in Oberfranken. Im Auftrag der
Regierung von Oberfranken.
Kontakt im LBV: Gerhard Hübner, Frank Reißenweber, Geschäftsstelle Coburg
Darstellung der rezenten und erlosche-
nen (in Auswahl) Vorkommen von Erysi-
mum repandum in Oberfranken (Karte:
B. Raab).
20In Rohstoffgewin-
nungsstätten finden
Amphibien wie die
Gelbbauchunke
häufig die einzige
Möglichkeit zur
Laichablage und
können dort in
größerer Zahl vor-
kommen (Foto: D.
Renner).
Langzeitmonitoring einer Gelbbauchunken-
population in Rohstoffgewinnungsstätten
In bayernweit insgesamt 100 Rohstoffgewinnungsstätten sollen exempla-
risch amphibiengeeignete Laichgewässer sowie Strukturen für Sommer-
und Überwinterungsquartiere bei gleichzeitig laufendem wirtschaftlichem
Abbaubetrieb geschaffen werden. In der Oberpfalz läuft in diesem Zusam-
menhang ein Langzeitmonitoring der dortigen Gelbbauchunkenpopulation,
das durch eine Bachelorarbeit an der Universität Bayreuth begleitet wurde.
Naturschutzarbeit kann sich heute nicht mehr lauchkröte, Kreuzkröte, Wechselkröte und Laub-
allein auf die Bewahrung der wenigen verblie- frosch.
benen ökologisch noch weitgehend intakten
Gebiete reduzieren lassen. Denn weite Teile In besonderem Fokus steht im Steinbruch Blau-
unserer Umwelt sind durch menschliche Einflüs- berg (Landkreis Cham) die Gelbbauchunke. Im FFH-relevanten
se geprägt. Die Bewahrung und Schaffung öko- Rahmen einer Bachelorarbeit wurde die Entwick-
logischer Nischen und Refugien innerhalb dieser lung der dortigen Gelbbauchunkenpopulation Amphibienarten
anthropogen überformten Umwelt sind deshalb behandelt. in Rohstoffge-
in einem Industrieland wie Deutschland wichtige winnungsstätten
Elemente des Umwelt- und Naturschutzes. Ziel dieser Arbeit war es, sowohl die Populations-
größe als auch das Wanderverhalten zwischen
Ein Paradebeispiel dafür sind die Abbaustätten den insgesamt 20 Gewässern im Steinbruch
für Rohstoffe wie Sand, Kies und Gestein. Mit zu untersuchen und dadurch allgemeingültige
der weitgehenden Zerstörung oder Entwertung Rückschlüsse für andere Standorte zu ziehen.
natürlicher Flußauen kommt Kies-, Lehm- und
Sandgruben eine große Bedeutung als letzte Im Zuge des Monitorings wurden zwischen 2016
Refugien für viele Amphibienarten zu. Hier setzt und 2019 insgesamt mehr als 1000 Gelbbauch-
das 2016 vom LBV initiierte Projekt „Manage- unken gefangen, fotografiert und anhand ihres
ment von FFH-relevanten Amphibienarten in individuell unterschiedlichen gelb-schwarzen Individuell
Rohstoffgewinnungsstätten“ an. Fleckenmusters auf der Bauchseite identifiziert.
Projektziel ist es, die Situation ausgewählter Po- Dazu wurde eine automatisierte Bildanalyse erkennbar am
pulationen zu sichern und nach Möglichkeit zu - ähnlich einem Fingerabdruck-Scannings - ein- Bauchflecken-
verbessern. Als Zielarten wurden sieben Amphi- gesetzt. Die Populationsgröße im Studiengebiet muster
bienarten ausgewählt, deren Erhaltungszustand wurde auf Basis einer Analyse der Wiederfänge
nach Daten des Bundesamts für Naturschutz im Folgejahr geschätzt. Für 2019 lag die Schät-
schlecht ist. Im einzelnen sind das Geburtshel- zung bei 1000 Individuen der seltenen Unke al-
ferkröte, Gelbbauchunke, Kammmolch, Knob- lein in diesem Steinbruch.
21Bachelorarbeit
40
Gewässer
♂
Die Verteilungen der Entfernungen zwischen
♀ den Gewässern (beige) bzw. der mindestens zu-
unbest. rückgelegten Strecken der männlichen (blau),
30
weiblichen (rot) und unbestimmten Gelb-
bauchunken (grün) in 2019. Die wandernden
Gelbbauchunken bevorzugten beim Wechsel
Häufigkeit
Tümpel, die in kürzerer Entfernung (zwischen
20
30 bis 200 m) zu Gewässern lagen, in denen sie
das erste mal gefangen wurden. Die Verteilung
der Wanderstrecken unterschied sich hoch si-
gnifikant von der Verteilung der Gewässerent-
10
fernungen.
0
0 200 400 600
Entfernungen [m]
Die analysierten Wanderstrecken zeigten, dass Die Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Tierökologie
Unken meist im selben oder in benachbarten der Universität Bayreuth ist ein Beispiel dafür,
Gewässern wieder gefangen wurden und somit dass die begleitende Forschung in Sekundärle-
nur kurze Mindeststrecken zurücklegten. Eine bensräumen wichtige Erkenntnisse mit unmit-
daraus abgeleitete Empfehlung der Studienau- telbarer Relevanz für einen verbesserten Arten-
Begleitende torin Viktoria Lissek lautet deshalb, dass bei der schutz liefern kann. Die Arbeit bietet gleichzeitig
Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen der für das konkrete Gebiet belastbare Rahmenda-
Forschung Fokus auf die Verbesserung derjenigen Gewäs- ten, um Konzepte für den Ausgleich der unter-
wichtig ser gelegt werden sollte, die sich in unmittelba- schiedlichen Interessen erarbeiten zu können -
rer Nähe von Gewässern mit vielen Unken be- etwa dann, wenn es um die Abwägung zwischen
finden. Eine bessere Vernetzung der einzelnen Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung geht.
Gewässer könne dazu beitragen, die Population Dieser Zielkonflikt ist in Sekundärlebensräumen
mithilfe von Trittsteinen auch auf Gebiete außer- besonders ausgeprägt, entstehen diese doch
halb des Steinbruches und damit außerhalb des häufig überhaupt erst durch den wirtschaftli-
„Lebensraums auf Zeit“ auszuweiten. chen Betrieb.
Lissek V 2020: Langzeitmonitoring der Gelbbauchunkenpopulation im Steinbruch Blauberg (Lkr.
Cham) mittels Fang-Wiederfang-Methode und digitaler Bildauswertung. Bachelorarbeit am Lehrstuhl
für Tierökologie I, Universität Bayreuth.
Kontakt im LBV: Markus Schmidberger, LBV-Umweltstation Zentrum Mensch und Natur Arn-
schwang, email: markus.schmidberger@lbv.de
Benutzeroberfläche des Bildanalysepro-
gramms AmphIdent. Das Bauchmuster
des aktuellen Tieres wird mit bereits abge-
speicherten Mustern verglichen und, falls
kein ähnliches Muster gefunden wurde, als
neues Muster abgespeichert. (Fotos: http:// Das Bauchmuster einer Gelbbauchunke wird händisch
www.amphident.de/pages/about.html). mit einem Rechteckwerkzeug ausgewählt.
22Wo geeignete Le-
bensräume zur ver-
fügung stehen, ist
auch die Reproduk-
tion beim Rebhuhn
gesichert (Foto: C.
Moning).
Rebhuhnerfassung im Landkreis Coburg
Das Rebhuhn ist die Vogelart in Deutschland mit den stärksten Verlusten
in den vergangenen drei Jahrzehnten. Um mehr als 90 Prozent sind die Be-
stände seit 1990 eingebrochen. Das Anlegen von Blühflächen im Landkreis
Coburg erweist sich als erfolgreich.
Um Vogelarten wie dem Rebhuhn in der inten- biet noch 15 Reviere und 17 rufende Hähne fest-
siv genutzten Agrarlandschaft ein Überleben zu gestellt, waren es zwei Jahre später bereits 23
ermöglichen, will das Projekt „Die Agrarland- Reviere und 25 rufende Rebhähne.
schaft von morgen - zeitgemäße Lösungen für
die Lebensgemeinschaft Rebhuhn“ modellhaft Zu vermuten ist, dass sich die beiden trocken-
Methoden entwickeln, die helfen sollen, die Bio- warmen Sommerjahreshälften 2018 und 2019
diversität auch in diesen Gebieten dauerhaft zu günstig auf die Bestandsentwicklung ausgewirkt
sichern. Das zentrale Inst- haben. Die besonders bei Blühflächen sind
rument ist das Anlegen von Schlechtwetterperioden im
Blühflächen, in denen die Frühsommer hohe Küken- Schlüssel zum
Vögel ein gutes Mikroklima, sterblichkeit dürfte ent- Erfolg
Nahrung und Deckung vor- sprechend gering gewesen
finden. Das Monitoring der sein.
Bestandsentwicklung dient
als wichtige Erfolgskontrolle Der Aufschwung der Reb-
für die eingeleiteten Maß- huhn-Population bestätigt
nahmen. die Bedeutung des Blüh-
flächen-Konzepts für den
Im Rahmen des Projekts Rebhuhn-Schutz. Häufig
wurde auch der Rebhuhn- riefen Rebhühner aus die-
bestand in der Gemarkung sen Flächen oder flogen
Großwalbur im Landkreis dorthin beziehungsweise
Coburg nach einer Erster- von dort ab. In weiteren Rebhuhn als
fassung 2018 im Jahr 2020 Fällen riefen Rebhühner im Leitart
erneut flächendeckend sehr nahen Umfeld zu die-
durch den LBV untersucht. sen Deckungsstrukturen,
Das erfreuliche Ergebnis: die in größerer Zahl im
Nachdem bei der Ausgangs- Rebhuhn (Foto: H. Henderkes) Untersuchungsgebiet an-
kartierung 2018 bereits eine gelegt wurden. Auch Raps-
vergleichsweise hohe Anzahl an Brutrevieren anbau hatte offenbar eine förderliche Wirkung
festgestellt worden war, hat sich die Revierzahl auf die Rebhühner. Fünfmal wurden bei der
2020 noch einmal um erstaunliche 50 Prozent Frühjahrserfassung 2020 aus diesen ebenfalls
gesteigert. Wurden 2018 im Untersuchungsge- Deckung bietenden Strukturen rufende Reb-
23BNN-Projekt
Blühende Land- hähne nachgewiesen. Die Dauergrünlandzonen
in den feuchteren Tallagen hatten dagegen in
schaften für das der Revierbildungsphase keine Relevanz für das
Rebhuhn zahlen Rebhuhn.
sich aus
Gelingt es, durch biotopverbessernde Maßnah-
men Wildkräuter, Insektenbestände und in der
Folge die Rebhuhnpopulation zu stützen, kann
erwartet werden, dass auch andere Feldvogel-
arten wie Feldlerche, Goldammer, Neuntöter,
Dorngrasmücke, Hänfling oder Stieglitz profitie-
ren. Das Projekt setzt in Gebieten an, in denen
Rebhühner noch nicht völlig ausgestorben sind.
Die Biotopverbesserung ermöglicht Hilfe, ohne
auf naturschutzfachlich fragwürdige Methode
wie Auswilderungen zurückgreifen zu müssen.
Hübner G 2020: Rebhuhnkartierung in der
Ge-markung Großwalbur im Rahmen des BNN-
Pro-jekts Die Agrarlandschaft von morgen -
zeitgemäße Lösungen für die
Lebensgemeinschaft Rebhuhn,
Frühjahrserfassung 2020. Im Auftrag der Ökolo-
gischen Bildungsstätte Oberfranken.
Verteilung von Rufern am 08.03.2020 (oran- Kontakt im LBV: Gerhard Hübner, Frank Reiß-
gefarbene Quadrate) und am 19.03.2020 im enweber, Geschäftsstelle Coburg
Umfeld einer Rebhuhn-Blühfläche (roter Pfeil)
(Foto: G. Hübner).
Rebhuhn-Blühfläche nördlich Großwalbur mit dem Straufhain im Hintergrund Anfang April 2020
(Foto: G. Hübner).
24Flussseeschwalbe
Foto: T. Krumenacker
Weiter auf stabilem Niveau:
Flussseeschwalben in Bayern
Die bayerische Population der Flussseeschwalbe lust natürlicher Brutmöglichkeiten auf unbe-
befindet sich weiter auf einem stabilen Niveau. wachsenen Kiesinseln durch die Begradigung
2020 brüteten mindestens 395 Paare, mindes- von Flüssen oder den Bau von Staustufen war
tens 352 Jungvögel wurden flügge. Die Zahl die Ursache für den Bestandseinbruch der Art,
könnte noch höher liegen, weil die Beobach- der 1980 mit nur noch 37 Brutpaaren seinen
tungsmöglichkeiten aufgrund der Corona-Pan- Tiefpunkt erreicht hatte. Ohne Hilfe wäre die
demie eingeschränkt waren. Brutversuche bzw. bayerische Flussseeschwalben-Population wahr-
Brutnachweise gab es an mindestens 27 Stand- scheinlich erloschen.
orten. Der Brutbestand bewegt sich im Vergleich
zum Vorjahr auf einem sehr ähnlichen Niveau. Weiterhin brütet der allergrößte Teil der bayeri-
S
Bayernweit ergibt sich für das Brutjahr 2020 eine schen Flussseeschwalben (91Prozent der Brut- C
Reproduktionsrate von ≥0,89 Flügglingen/Brut- paare) auf Nistflößen. Aber auch die Kolonie auf
paar. Dieser Wert liegt über dem laut Literatur einer Kiesinsel im oberbayerischen Schimmer- H
für den Bestandserhalt notwendigen Wert von weiher wuchs auf 30 Brutpaare an. Weitere Paa- L
0,85 Flügglingen/Brutpaar. re zogen andernorts auf natürlichen Schlamm-
inseln, auf einer Kiesinsel in einer Kiesgrube und A
Das Jahr 2020 wie die Vorjahre bestätigen den auf einem angeschwemmten Baumstamm am G
anhaltenden Erfolg der Artenhilfsmaßnahme Unteren Inn Junge außerhalb künstlicher Nist-
über die Bereitstellung von Nisthilfen. Der Ver- hilfen groß. L
I
Gehrold A 2021: Monitoringbericht Flussseeschwalbe in Bayern 2020. C
Kontakt im LBV: Dr. Andrea Gehrold, Gebietsbetreuerin am Starnberger See
H
T
25LBV-eigene Flächen, wie beispielsweise im Kainzbachtal in Tännesberg, sind dauerhaft geschützt und daher häufig Rückzugsorte für seltene und bedrohte Arten (Foto: R. Hotzy). 26
Der Randring-Perl-
muttfalter (Boloria
eunomia) steht auf
der Roten Liste Bay-
ern in der Kategorie
„stark gefährdet“
(RL2) (Foto: G. Merkel-
Wallner).
Erfassung von Insekten und Pflanzen
auf LBV-Flächen
Die Ergebnisse von Bestandserfassungen von Insekten und Pflanzen auf
LBV-eigenen Flächen unterstreicht die Bedeutung dieser geschützten Bio-
tope für zahlreiche Arten, die andernorts durch eine intensive Landnutzung
stark unter Druck geraten sind. Sogar in Bayern bereits ausgestorben ge-
glaubte Insekten konnten nachgewiesen werden. Die Pflanzenerfassung
bildet eine wertvolle Grundlage für gezielte Managementmaßnahmen.
Eine Säule des Naturschutzkonzepts des LBV hende Analyse offenbarte, welchen ökologischen
ist die Sicherung wertvoller Lebensräume. Über Schatz die LBV-Flächen beherbergen. Durchgän-
Besitz oder Pacht lässt sich ein ideales Biotop- gig konnte eine artenreiche Fauna von Schmet-
management durchsetzen. Das ist umso wichti- terlingen, Libellen, Heuschrecken und anderen LBV-Flächen
ger, als es sich bei den meisten der LBV-Flächen Insekten festgestellt werden, die in der landwirt- als ökologische
um besonders wertvolle Lebensräume handelt. schaftlich intensiv genutzten sogenannten Nor- Schatztruhe
Während etwa bei den dort vorkommenden Vo- mallandschaft nicht mehr zu finden ist. Beispiele
gel- oder Amphibienarten sehr offensichtlich ist, für Arten, die auf LBV-eigenen Feuchtwiesenflä-
welchen Wert ein Gebiet für den Naturschutz chen gefunden wurden, umfassen das auf der
hat, ist dies jedoch bei Insekten häufig nicht auf bundesweiten Roten Liste geführte Sumpfhorn-
den ersten Blick ersichtlich. Um die naturschutz-
fachliche Bedeutung der LBV-Flächen mit Blick Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia): Rote
auf die Insektenfauna zu beleuchten, wurde die- Liste Bayern „gefährdet“ (RL3) (Foto: G. Merkel-
se deshalb in den vergangenen Jahren in Nieder- Wallner).
bayern und in der Oberpfalz eingehender unter-
sucht.
Insgesamt wurden 40 LBV-Flächen in einer Grö-
ße zwischen 1,5 bis 11,5 Hektar untersucht. Ne-
ben Tagbeobachtungen kamen auch zahlreiche
Malaisefallen zum Einsatz, zeltartig aufgespann-
te Fallen, mit denen Fluginsekten nachgewiesen
werden.
Alle untersuchten Flächen zeichnen sich durch
einen hohen Strukturreichtum aus. Offene
Wiesenflächen, Staudenfluren, Gehölze und
teilweise stehende oder fließende Gewässer
charakterisieren die Biotope. Erst diese einge-
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