Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020

 
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Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Bayerns Natur
     im Fokus

      LBV-Forschungsbericht 2020
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Monitoring ist die Basis beispielsweise zum Erhalt des Steinadlers und zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den
bayerischen Alpen (Foto: R. Straub).

Fotos Titelseite (von o. nach u.): Große Hufeisennase (R. Leitl), Böhmischer Enzian (N. Schäffer), Bartgeier (R. Straub)
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Inhalt

Vorwort                                                                                  5
Der LBV in Zahlen                                                                        6
Bayerns Natur im Fokus                                                                   7

Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung des Bartgeiers                                   9
Das Projekt Waldbirkenmaus                                                              12
Landesweite Erfassung der Schwarzstorchvorkommen in Bayern                              13
Erstnachweis für Deutschland: Schwarzstorch-Bodenbrut im Allgäu                         15
Die Tagfalter und Widderchen des Coburger Landes                                        16
Bestandsentwicklung der Grauammer in ihrem wichtigsten bayerischen Verbreitungsgebiet   17
Artenhilfsprogramm Botanik in Oberfranken - Erfassung des Spreizenden Schöterichs       19
Langzeitmonitoring einer Gelbbauchunkenpopulation in Rohstoffgewinnungsstätten          21
Rebhuhnerfassung im Landkreis Coburg                                                    23
Flussseeschwalben in Bayern                                                             25
Erfassung von Insekten und Pflanzen auf LBV-Flächen                                     27
Arbeitsteilung unter Staren-Eltern während der Brutphase                                30
Hilfe für Gebäudebrüter und Fledermäuse in Augsburg und im Landkreis Ostallgäu          31
Steinadlermonitoring in den Allgäuer Alpen                                              33
Bestandserfassung von Brutvogelarten in Münchener Grünanlagen                           35
Nistkasten-Inventur im Landkreis Aichach-Friedberg                                      37
LBV Monitoring: Neuer Storchenrekord in Bayern                                          38
„Alle Vögel sind schon da“: Gesundheitsprävention in Pflegeheimen durch Vogelbeobachtung 39
Kiebitzschutz in der Intensivlandwirtschaft: Das Beispiel Knoblauchsland                43
Der Purpurreiher im Aischgrund                                                          45
Entwicklung der Fischbestände am Schwarzen Regen                                        47
Sozialverhalten beim Siebenschläfer                                                     50

                                                                            3
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Inhalt

Environmental DNA (eDNA) zum Nachweis aquatischer oder semi-aquatischer Arten         51
Auswertung Neuntöter-Beringung aus über 30 Jahren                                     54
20 Jahre Artenhilfsprogramm Wiesenweihe in Bayern                                     55
Mauersegler in Afrika: LBV-Forschung belegt riesige Streifgebiete                     57
Corona-Test für Große Hufeisennasen                                                   59
Untersuchung zur Nahrungsgrundlage der Großen Hufeisennase                            61
Seltene und bedrohte Wildapfel-Vorkommen im Münchener Stadtgebiet                     63
Bestandsentwicklung von Amphibien und Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen                 65
Ökologischer Wert von Solarfeldern: Evaluierung am Beispiel des Solarparks Gänsdorf   69
Turteltaube weiter im Sturzflug                                                       71
Schutz und Vermehrung des Böhmischen Enzians                                          73
Erfassung von Gartenvögeln im Winter im Main-Spessart-Kreis                           75
Bemühungen um die Wiederansiedlung des Wiedehopfs und Erfassung des Durchzugs         77
Quellschutz in Bayern                                                                 79
Ursprüngliche Brutplätze? Mauersegler in Spechthöhlen                                 81
Immenser Datenschatz in der Auswertung: Igel in Bayern                                82
Stunde der Gartenvögel & Wintervögel                                                  84
Erster Blutspecht in Deutschland nachgewiesen                                         85
Schatzkammern der Artenvielfalt: Broschüren zu Spessart und Donauauwald               86

Wie Sie uns unterstützen können                                                       88
Stiftung Bayerisches Naturerbe                                                        89
Impressum                                                                             90

                  4
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Feldforschung mit-
                                                                                              hilfe von Telemtrie
                                                                                              (Foto: C. Geidel).

Vorwort
Der LBV (Landesbund für Vogelschutz) ist schon immer, nicht erst in Zeiten von „fake news“,
stolz auf die Bezeichnung „Fachverband“. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind die Basis
aller unserer Positionen und Forderungen. Dabei übernehmen wir nicht nur Ergebnisse
anderer, vielmehr führen viele LBV Ehrenamtler und Hauptamtler, sowie Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler im Auftrage des LBV eigene Untersuchungen, Studien, Kar-
tierungen etc. zu den unterschiedlichsten Themen und Fragestellungen durch. Viele der
Ergebnisse haben in der Vergangenheit nicht die gebührende Aufmerksamkeit erhalten.

Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, alljährlich einen LBV-Forschungsbericht
herauszugeben. Entstanden ist ein bunter Strauß von Zusammenfassungen wissenschaft-
licher Arbeiten und Kurzmeldungen. Dabei handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche
Zeitschrift im eigentlichen Sinne. Vielmehr wollen wir in unserem LBV-Forschungsbericht
die Ergebnisse wichtiger und für unsere Arbeit relevanter Studien zusammenfassend dar-
stellen, auf die Originalarbeiten hinweisen und diese dauerhaft verfügbar machen. Unter
www.lbv.de/forschungsbericht ist der LBV-Forschungsbericht 2020 als pdf-Version mit
Verlinkung zu den Originalarbeiten bereitgestellt. Alle Zusammenfassungen der Berich-
te stammen aus der Feder des Wissenschaftsjournalisten Thomas Krumenacker. Großer
Dank gilt der Stiftung Bayerisches Naturerbe des LBV für die Finanzierung des LBV-For-
schungsberichts.

Der Wissenschaftliche Beirat des LBV und der Vorstand des LBV sind begeistert von unse-
rer fachlichen Arbeit. Wir sind gespannt, wie unser LBV-Forschungsbericht in Fachkreisen
und bei unseren Mitgliedern ankommt.

Hilpoltstein, März 2020

Dr. Norbert Schäffer,                           Prof. Dr. Volker Zahner,
Vorsitzender des LBV                            Sprecher des Wissenschaftlichen
                                                Beirates des LBV

                                                                                          5
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Der LBV in Zahlen

                             1909        gegründet
                         >100.000        Mitglieder und Unterstützer
                              250        Kreis- und Ortsgruppen
                               17        Umweltstationen
                              280        Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
                               30        Geschäftsstellen
                        >3.000 ha        LBV Schutzgebiete
                         € 14 Mio        Haushalt
                                1        LBV Kindergarten arche noah
                                1        LBV NaturShop

                                         www.lbv.de

Vorstand                                 Wissenschaftlicher          Kuratorium
                                         Beirat
Dr. Norbert Schäffer (Vorsitzender)      Prof. Dr. Volker Zahner     Dr. Lutz Spandau

Ludwig Sothmann (Ehrenvorsitzender)      Prof. Dr. Franz Bairlein    Dr. Susanne Zimmer

Ethelbert Babel (stellv. Vorsitzender)   Olaf Schmidt                Prof. Dr. Nicole J. Saam

Michael Scharl (Schatzmeister)           Martin Scheuerer            Dr. Ludger Arnoldussen

Dr. Irene Frey-Mann                      Prof. Dr. Fiona Schönfeld   Prof. Hagen Schmidt-Bleker

Hans-Joachim Fünfstück                   Dr. Franz Leibl             Anselm Bilgri

Frank Reißenweber                        Markus Faas

Dr. Rolf Helfrich                        Dr. Jürgen Metzner

Tobias Guggenmos (NAJU Vorstand)         Prof. Dr. Jürgen Geist

                                         Rolf Eberhardt

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Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Bayerns Natur im Fokus

 Der LBV ist in Bayern flächendeckend vertreten. Vor Ort engagieren sich
 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ehrenamtlich Aktive
 nicht nur unmittelbar im Natur- und Artenschutz, sondern auch bei der Er-
 hebung von Daten, auf deren Basis der LBV wissenschaftlich fundiert arbei-
 ten kann.
 Häufig sind Projekte einzelnen Geschäftsstellen bzw. Kreisgruppen unter-
 stellt, nachfolgend je Regierungsbezirk ein Beispiel mit Seitenverweis auf
 den ausführlichen Bericht in dieser Ausgabe des LBV-Forschungsberichtes.

                                                  Artenhilfsprogramm Botanik
                                                  in Oberfranken - Erfassung
                                                  des Spreizenden Schöterichs,
                                                  S. 19
                                                                                                                                        Entwicklung der
                                                                                                                                        Fischbestände am
        20 Jahre Artenhilfs-                                                                                                            Schwarzen Regen,
        programm Wiesen-                                                                                                                S. 47
        weihe in Bayern, S. 55
                                                                           Coburg                              Helmbrechts
                                                                     Geschäftsstelle
                                                                                                               Ökostation
                                       Kleinostheim
                                       Umweltstation                                                      Bayreuth
                                       Naturerlebnisgarten           Bamberg
                                                                     Umweltgarten                         Bezirksgeschäftsstelle
                                Veitshöchheim                        Fuchsenwiese                         Informationszentrum Lindenhof
                                Bezirksgeschäftsstelle
                                                  Nürnberg-Fürth-Erlangen
                                                               Regionalgeschäftsstelle

                                                           Ansbach                          Rothsee
                                                                                                                 Hohenburg
Kiebitzschutz in der Intesiv-                            Geschäftsstelle
                                                                                            Umweltstation
                                                                                                                 Fledermaushaus
                                                                                                                                             Arnschwang
                                                                                                                                             LBV-Zentrum „Mensch und Natur“
landwirtschaft: Das Beispiel                                 Altmühlsee
                                                                Umweltstation
                                                                                                                            Regenstauf
                                                                                                                            Bezirksgeschäftsstelle
Knoblauchsland, S. 43                                                         Hilpoltstein                                  Umweltstation/Vogelauffangstation
                                                                           Landesgeschäftsstelle
                                                                                 Ingolstadt                                             Straubing
                                                                                Geschäftsstelle                                         Bezirksgeschäftsstelle
                                                                                                         Pfaffenhofen                   Umweltstation
                                                              Augsburg                                   Kreisgeschäftsstelle
                                                              Kreisgeschäftsstelle
       Bestandsentwicklung von                                                                     Fürstenfeldbruck
                                                                                                   Geschäftsstelle
       Amphibien und Wirksamkeit                                    Landsberg
                                                                                                         München                        Wiesmühl/
                                                                                                                                        Inn-Salzach
       von Schutzmaßnahmen in
                                                                    Geschäftsstelle
                                                                                                         Bezirksgeschäftsstelle
                                                                                                         Kreisgeschäftsstelle           Geschäftsstelle I Umweltgarten
                                                                    Starnberg
       der Oberpfalz, S. 65                                         Geschäftsstelle                  Bad Tölz/
                                                                  Memmingen                          Wolfratshausen                  Chiemsee
                                                                  Bezirksgeschäftsstelle             Geschäftsstelle                 Naturpavillon Übersee

                                         Hindelang                                           Garmisch-Partenkirchen
                                         GB Allgäuer Hochalpen                               Geschäftsstelle

                                                                                                                        Machbarkeitsstudie
                         Steinadlermonitoring                                                                           zur Wiederansiedlung
                         in den Allgäuer Alpen,                                                                         des Bartgeiers, S. 9
                         S. 33

                                                                                                                                         7
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Der Bartgeier ist die größte Greifvogelart Europas und Teil der ursprünglichen Alpenfauna (Foto: H. Weyrich).

               8
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Die Rückkehr des
                                                                                                         Bartgeiers nach Bay-
                                                                                                         ern durch gezielte
                                                                                                         Auswilderung ist
                                                                                                         möglich und ökolo-
                                                                                                         gisch sinnvoll.
                                                                                                         Das ist das Fazit
                                                                                                         einer LBV-Machbar-
                                                                                                         keitsstudie (Foto: H.
                                                                                                         Weyrich).

Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung
des Bartgeiers

Bartgeier sind dank gezielter Stützungsmaßnahmen und Wiederansied-
lungsprojekte in Teilen des Alpenbogens wieder heimisch geworden. In den
deutschen Alpen fehlt die Art dagegen nach wie vor auch mehr als 100 Jah-
re nach ihrer Ausrottung. Um zu ermitteln, ob eine (Wieder)-Ansiedlung von
Bart- und Gänsegeiern auch in Bayern sinnvoll ist, beauftragte der LBV eine
Machbarkeitsstudie. Ergebnis der Analyse: Die Rückkehr des Bartgeiers ist
möglich. Für den Gänsegeier dagegen wäre mangels historischer Vorkom-
men eine Ansiedlung nicht sinnvoll.

Die ökologische Aufwertung bestehender Le-           Wiederansiedlung neben dem unmittelbaren
bensräume durch Förderung ihrer Biozönose            Ziel auch andere wichtige Naturschutzziele, bei-
ist neben dem Lebensraumschutz eine zentrale         spielsweise die Stützung der Art insgesamt, zu
Aufgabe des LBV. Zugleich markiert das Fehlen        erreichen wären.
des Bartgeiers eine der größten Lücken gegen-
über der ursprünglichen Fauna des Alpenraums.        Wissenschaftliche Richtschnur für jedes seriöse
Angesichts erfolgreicher Wiederansiedlungspro-       Wiedereinbürgerungsvorhaben ist der Kriterien-
jekte in Frankreich, der Schweiz, Italien, Spanien   katalog der Internationalen Naturschutzunion
und Österreich liegt ein entsprechendes Projekt      (IUCN). Danach sind Wiedereinbürgerungen
auch in den bayerischen Ostalpen nahe. Die Ent-      oder Stützungsmaßnahmen nur dann sinnvoll,
scheidung über eine ökologisch so weitreichen-       wenn durch sie die Chance besteht, eine dauer-
de und zugleich kosten- und ressourcenintensive      haft mit langfristig geringer Managementunter-
Maßnahme wie ein mehrjähriges Wiederansied-          stützung lebensfähige Population einer ökologi-
lungsprojekt muss indes auf Basis des aktuellen      schen Schlüsselart zu etablieren. Dazu müssen        Ziel ist eine
wissenschaftlichen Kenntnisstands sowie aller        die Ursachen, die zu ihrem Verschwinden ge-          dauerhaft
verfügbarer Fakten getroffen werden. Die Ana-        führt haben, beseitigt oder minimiert sein.
                                                                                                          lebensfähige
lyse durch den vom LBV beauftragten Biologen         Die Machbarkeitsstudie analysierte die Bedin-
Toni Wegscheider verfolgte deshalb einen sehr        gungen in den bayerischen Ostalpen entlang
                                                                                                          Population
umfassenden Ansatz. Es galt zu klären, ob die        dieser Richtschnur. Bereits aufgrund der Defini-
ökologischen, rechtlichen und sozioökonomi-          tion als geplantens „Wieder“-Einbürgerungspro-
schen Voraussetzungen für ein solches Projekt        jekt scheidet der Gänsegeier für ein solches Pro-
gegeben sind und ob darüberhinaus mit einer          gramm aus: Die Studie konnte keinen sicheren

                                                                                                     9
Bayerns Natur im Fokus - LBV-Forschungsbericht 2020
Machbarkeitsstudie

               Beleg dafür finden, dass diese Art jemals in den        Auch naturräumlich bieten die bayerischen Al-
               bayerischen Alpen gebrütet hat. Für den Bartgei-        pen weiterhin gute Voraussetzungen für Bartgei-
               er fanden sich dagegen ausreichend historische          er. Bedrohungen durch Kollisionen mit Seilbahn-
               Belege in Jagd-Aufzeichnungen und anderen Do-           kabeln oder andere Strukturen gibt es in für eine
               kumenten, darunter das bekannte großflächige            Ansiedlung in Betracht kommenden Regionen
               Ölgemälde im früheren Jagdschloss St. Bartholo-         nur wenige, stellt die Studie fest. Dies ist auch
               mä am Königssee.                                        ein Verdienst des Alpenplans, für dessen strikte
                                                                       Einhaltung der LBV eintritt. Fast alle der mehr als
               Unter den ökologischen Voraussetzungen                  150 dokumentierten Sichtungen von Bartgeiern
               für ein dauerhaftes Überleben einer Popu-               in den deutschen Alpen fanden in Gebieten statt,
               lation spielt das Nahrungsangebot eine ent-             die in der höchsten Schutzstufe des Alpenplans
Nahrungs-      scheidende Rolle. Der Bartgeier, Europas                kategorisiert sind. Dass die ökologischen Voraus-
angebot        größter Greifvogel, ist ein ausgesprochener             setzungen für den Bartgeier stimmen, zeigen
ausreichend    Nahrungsspezialist. Er ist Aasfresser und inner-        auch die Daten der in ökologisch vergleichba-
               halb dieser Gruppe besonders auf den Ver-               ren Nachbarregionen bereits etablierten Teil-
               zehr von Knochenmark spezialisiert. Eine um-            population. Die Reproduktionsrate betrug dort
               fassende      Analyse     des     Nahrungsange-         2019 0,63 Jungvögel pro brütendem Paar und
               bots des Gutachters anhand von Wild-                    die Überlebensrate der Alpen-Bartgeier ist mit
               und Nutztierstatistiken kommt zu dem Ergeb-             knapp 90 Prozent im ersten und deutlich über 90
               nis, dass in den bayerischen Alpen eine ausrei-         Prozent in den Folgejahren sehr hoch. Eine sich
               chende Anzahl an Weide- wie an Wildtieren vor-          selbsttragende, demografisch stabile Population
               handen ist, um genügend Fallwild bzw. Kadaver           – allerdings auf sehr niedrigem Niveau - existiert
               für ein Bartgeiervorkommen bereitstellen zu             mithin in Nachbarländern bereits.
               können. „Das Nahrungspotential stellt keinen
               limitierenden Faktor dar“, bilanziert das Gutach-       Um eine Ansiedlung sinnvoll und erfolgverspre-
               ten in dieser Schlüsselfrage. Zugleich empfiehlt        chend zu gestalten, muss nach IUCN-Kriterien
               die Studie zur Verbesserung der Nahrungssitua-          die Ursache für das Aussterben beseitigt sein.
               tion auch für die als Besucher von Brutplätzen          Der Bartgeier ist durch menschliche Verfolgung
               in Nachbarländern immer stärker auftretenden            in den Alpen ausgerottet worden. Durch einen
               Gänsegeier, totes Almvieh dort auf der Weide zu         mittlerweile vollständigen rechtlichen Schutz in
               belassen, wo dies seuchenhygienisch unbedenk-           allen europäischen Ländern und eine gewandel-
               lich ist.                                               te Einstellung gegenüber den Vögeln sieht das
                                                                       Gutachten auch in dieser Frage trotz einzelner
                                                                       Fälle von illegaler Verfolgung die Voraussetzun-
                                                                       gen für eine erfolgversprechende Wiederansied-
                                                                       lung als gegeben an. Illegale Verfolgung spielte
                                                                       bei der Empfehlung des Nationalparks Berchtes-
                                                                       gaden als am besten geeigneten Standort für
                                                                       eine Auswilderung auch eine Rolle: Im ebenfalls
                                                                       geprüften Allgäu komme eine latente Gefahr
                                                                       durch Abschüsse im nahegelegenen Tirol hinzu.

                                                                       Als größte Gefahr für einen Erfolg einer Auswil-
                                                                       derung wird die Sterblichkeit durch Sekundärver-
                                                                       giftungen mit Blei, vor allem aus Jagdmunition, in
                                                                       dem Gutachten herausgearbeitet. Federanaly-
                                                                       sen in den französischen Seealpen ergaben, dass
                                                                       30 Prozent der Bartgeier dort sehr hohe Blei-Be-
                   Ein Gemälde in St. Bartholomä am Königssee be-      lastungen im subletalen Bereich und in einigen
                   legt den Abschuss zweier, wahrscheinlich adul-      Fällen sogar tödlichen Dosen aufwiesen. Auch
                   ter, Bartgeier und gilt als Zeugnis, dass die Art   eine europaweite Analyse der Todesursache von
                   hier heimisch gewesen sein muss (Foto: T. Weg-      Geiern auf Basis von Informationen aus 19 Län-
                   scheider).                                          dern zeigt, dass Vergiftung in ganz Europa die
                                                                       wichtigste Todesursache für Geier ist. Um diese

              10
Bartgeier

Ursprünglich waren Bartgeier von Nordafrika über Spanien, Frankreich und die Balkanstaaten bis in
die Türkei beheimatet. Über Wiederansiedlungen könnten Lücken in der heutigen Verbreitung ge-
schlossen werden (Foto: H. Weyrich).

                                                 Gefahr bei einem Wiederansiedlungprojekt zu
                                                 minimieren, hat der LBV bereits regional und
                                                 grenzüberschreitend verschiedene Initiativen in
                                                 Kooperation mit Behörden und Jagdverbänden
                                                 gestartet.

                                                 In der Bilanz gibt das Gutachten grünes Licht
                                                                                                     Brückenkopf
                                                 für ein Wiederansiedlungsprojekt aus fachlicher
                                                 Sicht. Es ist damit eine wichtige Grundlage für
                                                                                                     zwischen West-
                                                 die Entscheidung gewesen, im Frühling 2021 mit      und Osteuropa
                                                 dem Vorhaben zu beginnen. Damit könnte auch
                                                 ein wichtiger Beitrag zum internationalen Geier-
                                                 schutz geleistet werden. Denn die Etablierung
                                                 einer stabilen Bartgeier-Population in den Ost-
                                                 alpen würde einen Brückenkopf zu den anderen
                                                 Vorkommen bilden können und der Art so zu ei-
Über Wiederansiedlungen könnten Lücken in        ner Rekoloniesierung ihres gesamten ursprüng-
der heutigen Verbreitung (braun) geschlossen     lichen Verbreitungsgebietes von Nordafrika bis
werden (Karte: W. Fiedler).                      in die Türkei und Asien zu verhelfen.

Wegscheider, T 2019: Machbarkeitsstudie zur Stützung von Bartgeier (Gypaetus barbatus) und
Gänse-geier (Gyps fulvus) in den Ostalpen durch Maßnahmen in Bayern. Im Auftrag des
Landesbunds für Vogelschutz in Bayern e.V., gefördert von der Stiftung Bayerischer
Naturschutzfonds und der HIT-Stiftung.

www.lbv.de/ratgeber/naturwissen/artenportraits/detail/bartgeier/

Kontakt im LBV: Toni Wegscheider, Projektleitung, email: toni.wegscheider@lbv.de

                                                                                                11
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         Mit Kameras seltenen Alpenbewohner aufgespürt:
         Das Projekt Waldbirkenmaus

     Mithilfe des Einsatzes von Wildkameras gelang      schen dunklen Strich auf der Rückenmitte bisher
     es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LBV-      im Bayerischen Wald und im Oberallgäu nachge-
     Bezirksgeschäftsstelle Schwaben zusammen mit       wiesen, zuletzt an einem Standort am Riedber-
     ehrenamtlich Aktiven, einem neuen Vorkommen        ger Horn.
     eines besonders heimlichen Bewohners deut-
     scher Gebirge auf die Spur zu kommen: Der          Um festzustellen, ob die Art möglicherweise wei-
     Waldbirkenmaus, eine der kleinsten und seltens-    ter in der Region verbreitet ist als angenommen,
     ten Nagetierarten Deutschlands.                    wurden 16 Wildkameras an geeignet erscheinen-
                                                        den Stellen im südlichen Oberallgäu aufgestellt.
     Erst 1936 wurde die Waldbirkenmaus als Art         Insgesamt waren die Kameras an 601 Tagen an
     für Deutschland entdeckt. Seitdem liegen nach      34 Standorten im Einsatz und nahmen 10.888 Fo-
     Angaben des Bundesamts für Naturschutz nur         tos auf. In unmittelbarer Nähe zur Fellhornbahn-
     rund 20 Nachweise aus wenigen Regionen vor.        Mittelstation gelang dann am 7. September 2019
     Aufgrund ihrer Seltenheit wird die Waldbirken-     der einzige Nachweis der Waldbirkenmaus. Ins-
     maus auf den Roten Listen Deutschlands und         gesamt drei Fotos belegen die Anwesenheit des
     Bayerns als vom Aussterben bedroht geführt. In     seltenen Alpenbewohners. Weitere Erfassungs-
     Bayern wurde die hübsche kleine Maus mit dem       versuche in der Zukunft erscheinen vielverspre-
     sehr langen Schwanz und dem charakteristi-         chend.

     Kraft B 2019: Waldbirkenmaus – heimlicher Bewohner der Allgäuer Alpen. Gefördert vom Bayeri-
     schen Naturschutzfonds aus Mitteln der GlücksSpirale.

     Kontakt im LBV: Brigitte Kraft, Geschäftsstelle Schwaben, email: brigitte.kraft@lbv.de

    12
Bayern hat eine
                                                                                                       große Verantwor-
                                                                                                       tung für die gesamte
                                                                                                       deutsche Schwarz-
                                                                                                       storchpopulation.
                                                                                                       Der Bestandstrend
                                                                                                       für den scheuen
                                                                                                       Waldbewohner ist
                                                                                                       positiv (Foto: T. Kru-
                                                                                                       menacker).

Landesweite Erfassung der
Schwarzstorch-Vorkommen in Bayern

Bayern beherbergt einen bedeutsamen Teil der deutschen Schwarzstorch-
Population. Neben einer deutlichen Zunahme des Bestandes in den vergan-
genen Jahrzehnten ist die Entwicklung auch durch eine Verschiebung des
Siedlungsgebietes innerhalb des Bundeslandes gekennzeichnet. Das belegt
die landesweite Bestandserfassung der Art durch den LBV im Jahr 2018 und
ein Vergleich mit der vorangehenden Zählung 2010.

Die Entwicklung des Schwarzstorchs in den ver-     schutzbehörden abgefragt und Informationen
gangenen Jahrzehnten gehört zu den Erfolgs-        aus Zufallsbeobachtungen berücksichtigt, die
geschichten des Vogelschutzes in Deutschland.      Bürgerinnen und Bürger nach einem Meldeauf-
Bundesweit haben sich die Bestände seit den        ruf im Internet beigesteuert haben.
1990er Jahren erholt. Mittlerweile konnte der im
Vergleich zum Weißstorch zurückgezogener und       Der Vergleich mit den Ergebnissen der letzten
scheuer in Waldlebensräumen vorkommende            bayernweiten Erfassung 2010 ergab eine Erhö-
Schwarzstorch als eine der wenigen Arten sogar     hung der Zahl aller sicheren Vorkommen, aller-
aus der deutschen Roten Liste der bedrohten        dings mit unterschiedlichem Nachweisstatus,
Vogelarten entlassen werden. Dass Bayern eine      von 143 auf 243. Das entspricht einem Zuwachs
Schwarzstorch-Hochburg ist, war seit längerem      um 70 Prozent. Diese Zahl spiegelt aber nicht        Bedeutender
bekannt. Das vom Bayerischen Naturschutz-          zwangsläufig auch die reale Bestandserhöhung         Anteil des bundes-
fonds aus Erträgen der GlücksSpirale geförderte    in gleicher Größe wider, denn ein Teil des Zu-
LBV-Projekt zur Erfassung des landesweiten Be-     wachses dürfte auf eine bessere Erfassung des
                                                                                                        weiten Bestandes
standes der Art im Jahr 2018 hat die herausra-     tatsächlichen Bestands gegenüber 2010 zurück-        in Bayern
gende Bedeutung des Bundeslandes nun unter-        zuführen sein. Gleichwohl zeigt die Analyse, dass
strichen.                                          ein bedeutsamer Teil der deutschen Schwarz-
                                                   storch-Population in bayerischen Wäldern lebt.
Der Landesbestand wurde durch das Zusam-           Den bundesweiten Schwarzstorch-Bestand gibt
menführen von Informationen aus unterschied-       der Dachverband Deutscher Avifaunisten aktuell
lichsten Quellen ermittelt. Die Erkenntnisse aus   mit 800 bis 900 Brutpaaren an.
der zeitaufwendigen Arbeit von Schwarzstorch-
expertinnen und -experten in den einzelnen Re-     Von den 2018 in Bayern festgestellten 243 Re-
gionen flossen ebenso ein wie die Kartierungs-     vieren konnte in 129 ein Brutnachweis oder ein
ergebnisse verschiedener LBV-Arbeitsgruppen.       Brutverdacht erbracht werden. In 114 Revieren
Weiter wurden Daten bei Forst- und Natur-          wurden zur Brutzeit mehrmals Störche beob-

                                                                                                   13
Bestandserfassung

                       achtet, ohne dass jedoch ein Bruthinweis ge-       In einigen traditionellen Siedlungsgebieten, wie
                       funden werden konnte. In den Erfassungsjahren      dem Bayerischen Wald und der Rhön, wurden
                       2017/18 nachweislich nicht besetzt oder bereits    dagegen rückläufige Tendenzen ermittelt. Die
Frankenwald ist        seit mehreren Jahren aufgegeben waren 42 Re-       Analyse der Erfassungsergebnisse 2018 erhärtet
                       viere.                                             damit die bereits 2010 gehegte Vermutung, nach
Schwarzstorch-                                                            der es sich bei der seit nun zwei Jahrzehnten
Hochburg               Verbreitungsschwerpunkte des Schwarzstorches       beobachteten Arealausbreitung des Schwarz-
                       in Bayern sind nach wie vor die nord- und ost-     storchs innerhalb Bayerns zumindest teilweise
                       bayerischen Mittelgebirge vom Frankenwald          um eine Verschiebung des besiedelten Areals
                       bis zum Oberpfälzer Wald. Dem Frankenwald          handelt.
                       kommt sowohl als bayerische Schwarzstorch-
                       Hochburg wie auch als Region mit dem stärks-       Mit der zunehmenden Häufigkeit des Schwarz-
                       ten Zuwachs eine herausragende Bedeutung           storchs wächst auch das Interesse einer breite-
Arealausweitung        zu. Gegenüber 2010 stieg die Zahl der dort ge-     ren Öffentlichkeit an der Art stark. Dem wurde
                       fundenen Reviere von 15 auf 70. Im Südwesten       mit einer Ausweitung des Informationsangebots
erweist sich als       Bayerns und hier vor allem im Allgäu und den       über Vorkommen, Lebensweise, Gefährdung
Arealver-              angrenzenden Gebieten hat sich ein neuer Ver-      und Schutz des Schwarzstorchs Rechnung getra-
schiebung              breitungsschwerpunkt etabliert. Der Bestand im     gen. Ein Flyer sowie eine eigene Sektion im Inter-
                       südwestlichen Bayern hat sich danach innerhalb     netauftritt des LBV informieren und werben für
                       von acht Jahren von acht auf 32 Reviere vervier-   den Wappenvogel intakter Waldlandschaften.
                       facht.                                             Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Informationen
                                                                          zu einer schwarzstorchfreundlichen Waldbewirt-
                                                                          schaftung.

                       Schneider A 2019: Der Schwarzstorch in Bayern 2018 – Erfassung des aktuellen Bestandes sowie
                       Erstellung eines Info-Faltblatts und Überarbeitung der Schwarzstorch-Seiten der LBV-
                       Homepage. Abschlussbericht. Gefördert vom Bayerischen Naturschutzfonds aus Mitteln der
                       GlücksSpirale.

                       www.lbv.de/naturschutz/artenschutz/voegel/schwarzstorch/

                   Kontakt im LBV: Anne Schneider, Referat Artenschutz, Landesgeschäftsstelle,
                   email: anne.schneider@lbv.de

                                      gesicherte Brut
                                      Revierpaare
                                      regelmäßige Sichtbeobachtungen
                                      in einem Revier

                   Anzahl Schwarzstorchvorkommen in den Jahren 2010, 2015*, 2018 und 2019* (keine vollständige
                   systematische Erfassung) (A. Schneider).

                  14
Schwarzstorch

                                                                                                     Foto: H. Farkaschovsky

Erstnachweis für Deutschland:
Schwarzstorch-Bodenbrut im Allgäu
Schwarzstörche bauen ihre Horste meist hoch          lichten Bewuchses mit alten Bäumen in diesem
in Bäumen. Im Allgäu gelang 2019 erstmals für        Bereich gute An- und Abflugmöglichkeiten. Die
Deutschland die Dokumentation einer Boden-           Bodenbrut verlief erfolgreich. Drei Junge wurden
brut.                                                flügge. Ihre ersten Erkundungen der näheren
                                                     Nestumgebung unternahmen die Jungstörche zu
Für den ungewöhnlichen Neststandort entschied        Fuß. Mit etwa elf Wochen zeigten die Jungstörche
sich das Brutpaar eines Reviers im südlichen All-    arttypisch bereits gute Flugfähigkeiten und such-
gäu, nachdem es bei der Rückkehr aus dem Über-       ten in der Umgebung nach Nahrung, bevor sie
winterungsgebiet feststellen musste, dass das        in das Überwinterungsgebiet abzogen. Trotz des
bisherige Nest in einer Tanne witterungsbedingt      Bruterfolgs wählte das Schwarzstorch-Paar im
abgestürzt war. Statt wie üblich einen neuen
Horst im dichten Kronenbereich des Bergwaldes
                                                     Jahr 2020 wieder einen traditionellen Brutplatz
                                                     und baute einen neuen Horst in einer Tanne.
                                                                                                                          S
anzulegen, entschied es sich für die sehr seltene                                                                         C
Variante eines Bodenhorstes. Etwa in der Mitte       Bodenhorste sind bei Schwarzstörchen aus eini-
eines steilen Hanges legten die Störche ihren        gen Ländern ihrer Kernverbreitung als seltenes
                                                                                                                          H
Horst vor dem Abrutschen gesichert an den Wur-       Phänomen bekannt. Auch andere Großvögel                              L
zelanläufen einer kräftigen alten Fichte und einer   desselben Lebensraums errichten gelegentlich
jüngeren Buche an. Wie auch bei neu angelegten       Bodenhorste oder brüten am Boden an ge-                              A
Nestern in Bäumen war der Umfang des Hors-           schützten Stellen wie Wurzelanläufen, z.B. der                       G
tes vergleichsweise bescheiden. Nach oben war        Uhu. Insgesamt sind Schwarzstörche, ebenso
das Nest durch ein dichtes Brombeergestrüpp          wie Weißstörche, recht flexibel, was den Horst-                      L
an der Hangkante sichtgeschützt. Zugleich bot        standort angeht. In mehreren Bundesländern                           I
der Standort den Großvögeln aufgrund des nur         brüten sie auch an Felsen.
                                                                                                                          C
Kontakt im LBV: Harald Farkaschovsky, LBV Arbeitsgruppe Schwarzstorchschutz Allgäu                                        H
                                                                                                                          T

                                                                                                     15
Buchprojekt

             Die Tagfalter und Widderchen des Coburger Landes

                LBV-Mitglieder aus Coburg legen umfangreiche regionale Bestandsauf-
                nahme zur Insektenvielfalt vor.

                    Der Insektenschwund gehört zu den besorgniserregensten Zeichen der Artenkrise, in der wir uns
                    befinden. Spätestens seit der Veröffentlichung der berühmt gewordenen Studie Krefelder En-
                    tomologen vor gut drei Jahren steht das Thema endlich auch auf der umweltpolitischen Tages-
                    ordnung weit oben. Das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Insektenschutzgesetz
                    zeugt davon - auch wenn die Umsetzung aus Sicht des Naturschutzes energischer vorangetrieben
                    werden sollte. Das durch die Vorlage der Krefelder Studie ausgelöste immense internationale
                    Echo zeigt auch, dass das Engagement auf lokaler oder regionaler Ebene einen wichtigen Bei-
                                          trag zur wissenschaftlichen Forschung leisten kann. Das liegt vor allem
                                          darin begründet, dass für weite Teile der biologischen Vielfalt - anders als
                                          etwa für Vögel - auch heute noch häufig kein ausreichendes Datenmate-
                                          rial vorliegt, um darauf Schlussfolgerungen beispielsweise zu Bestands-
                                          veränderungen oder andere wichtige Entwicklungen zu basieren. Diese
                                          erstaunliche Tatsache gilt selbst für die naturwissenschaftlich am besten
                                          erforschten Regionen der Erde, zu denen natürlich Mitteleuropa und da-
                                          mit auch Deutschland zählen.

                                            Vor diesem Hintergrund kommt dem Engagement der Kreisgruppe Co-
                                            burg des LBV beim Insektenschutz eine auch überregional beachtenswer-
                                            te Bedeutung zu. Ihr als Heft 30 in der Schriftenreihe des Naturkunde-
                                            Museums Coburg erschienenes Buch „Die Tagfalter und Widderchen des
                                            Coburger Landes“ leistet einen doppelten Beitrag zum Naturschutz: Zum
                                            einen, indem es allein durch die Darstellung der Vielfalt dieser Insekten-
                                            gruppen mit genauen lokalen Verbreitungskarten und hochwertigen Fotos
                                            überhaupt erst für viele Menschen die Möglichkeit schafft, die biologische
                                            Vielfalt in ihrer Region wahrzunehmen und zu erkunden. Zum anderen
                                            leistet das Autorenteam auch einen unmittelbar wissenschaftlichen Bei-
                                            trag, indem es auf der Grundlage einer vierjährigen Feldarbeit eine aktuel-
                                            le und umfassende Bestandsaufnahme des regionalen Vorkommens der
                                            Tagfalter und Widderchen vorlegen konnte. Damit leisten die Coburger
                                            LBV-Aktiven einen Beitrag dazu, das Datendefizit über diese ökologisch
                                            besonders wichtige Tiergruppe zu verringern. Zu den Erkenntnissen des
                    Teams gehört, dass einige der Tagfalter des Coburger Landes in den vergangenen Jahrzehnten
                    bereits ausgestorben sind. Andere früher vorkommende Arten gelten aktuell als verschollen. Die
                    Insektenkundler und Insektenkundlerinnen konnten aber auch das Einwandern neuer Arten fest-
                    stellen und für einige Arten eine größere regionale Verbreitung nachweisen, als sie bislang an-
                    genommen wurde. Damit unterfüttern die LBV-Forscher für Insekten auf lokaler Ebene Trends,
                    die auch im größeren Maßstab und auch unter den verschiedenen Tier- und Pflanzengruppen
                    festzustellen sind. „Hauptziel unseres Projektes war es, eine umfassende Bestandsaufnahme zur
                    Verbreitung in einem beschränkten Zeitraum vorzunehmen, damit man für die Zukunft eine ver-
                    nünftige Vergleichsbasis hat, um flächendeckende Veränderungen dokumentieren zu können“,
                    beschreibt das Autorenteam selbst das Konzept hinter dem Buch. Damit ist „Die Tagfalter und
Erhältlich
                    Widderchen des Coburger Landes“ auch ein Stück Grundlagenforschung.
im LBV
Natur-Shop          Altrichter P, Hübner G, Ulmer A 2019: Die Tagfalter und Widderchen des Coburger Landes, Heft 30
                    der Schriftenreihe des Naturkunde-Museums Coburg, 384 Seiten, ISBN 978-3-9805080-6-3.

                Kontakt im LBV: Gerhard Hübner, Geschäftsstelle Coburg

               16
Die vom Aussterben
                                                                                                     bedrohte Grau-
                                                                                                     ammer ist eine
                                                                                                     typische Vogelart
                                                                                                     strukturreicher
                                                                                                     Kulturlandschaften
                                                                                                     (Foto: G. Zieger).

Bestandsentwicklung der Grauammer in ihrem
wichtigsten bayerischen Verbreitungsgebiet

Zehn Jahre nach der letzten Bestandserfassung wurden erneut die Brut-
vorkommen der vom Aussterben bedrohten Grauammer im wichtigsten
verbliebenen bayerischen Verbreitungsgebiet erfasst. Auf der Basis eines
Vergleichs der Datensätze und der Analyse der Veränderungen auf Land-
schaftsebene konnten wertvolle Managementempfehlungen erarbeitet
werden.

Die etwa sperlingsgroße Grauammer ist in Bay-      Naturschutzfonds 2019 erneut ein Anlauf zur
ern mit nur noch 600 bis 950 Brutrevieren ein      möglichst vollständigen Bestandsermittlung der
sehr seltener Brutvogel und wird auf der Ro-       Grauammer in Mainfranken unternommen, um
ten Liste in der Kategorie „vom Aussterben be-     eine Grundlage für mögliche Schutzmaßnahmen
droht“ geführt. Bereits zwischen 1975 und 1999     zu legen. Neben der Erfassung der Grauammer-
sind ihre Bestände um die Hälfte eingebrochen.     Vorkommen wurden auch die für die Art wich-
Das von der Grauammer besiedelte Gebiet            tigen Lebensraum-Merkmale erfasst, beispiels-
schrumpfte sogar um mehr als 60 Prozent. Nach      weise Singwarten sowie extensives Grünland als
der Jahrtausendwende setzte sich dieser Trend      Nahrungshabitat.
weiter fort. Kartierungen in Bayern im Rahmen
der Arbeiten für den Atlas Deutscher Brutvo-       Die Analyse der Ergebnisse ergab, dass der ak-
gelarten (ADEBAR) in den Jahren 2005 bis 2009      tuelle Bestand heute immer noch fast auf dem       Geringe
ergaben gegenüber dem Zeitraum kurz vor der        gleichen Niveau wie vor etwa zehn Jahren liegt.    Bestandsänderung
Jahrtausendwende noch einmal einen Bestands-       2019 wurden 308 Reviere gezählt und damit nur
                                                                                                      - dennoch keine
verlust um fast 30 Prozent.                        drei weniger als während der Erfassung für den
                                                   Bayerischen Brutvogelatlas. Aus den 311 gezähl-    Entwarnung
Entsprechend wichtig ist der Schutz des wich-      ten Revieren war 2012 eine Gesamtpopulation
tigsten verbliebenen Siedlungsgebietes der Art     von 454 bis 980 Brutpaaren errechnet worden.
in Bayern, auf den Mainfränkischen Platten. Der    Dies dürfte auch die gegenwärtige Größenord-
Region kommt sogar eine über Bayern hinaus-        nung widerspiegeln.
gehende Bedeutung für den Schutz der Grau-
ammer zu, weil die dortige Population das zweit-   Die Bestätigung eines insgesamt stabilen Be-
größte geschlossene Vorkommen Deutschlands         stands verdeckt aber regional unterschiedliche
außerhalb des nordostdeutschen Tieflands ist.      Entwicklungen. So hat sich der Bestand in 43
Zehn Jahre nach der Erfassung für den Atlas        Quadranten 2019 gegenüber dem Stand von
Deutscher Brutvogelarten wurde mit Unterstüt-      2012 verringert, in 24 Quadranten wurde eine
zung der Glücksspirale und des Bayerischen         Zunahme und in 17 Rastern ein unveränder-

                                                                                                 17
Bestandserfassung

                    Gefährdet ist die Grauammer v.a.
                    durch Lebensraumverlust und inten-
                    sive Landwirtschaft (Foto: Z. Tunka).

                           Entwicklung der Grauammer-
                               Bestände von 2009-2019.

                ter Bestand ermittelt. Aus einigen Gebieten, in       Lebensraums in den verbliebenen Refugien
                denen die Bestände bereits stark ausgedünnt           schlagen stärker auf die Restpopulation durch.
                waren, ist die Art nun ganz verschwunden. Ins-        Entsprechend wichtig sind die aus der Analyse
                gesamt zeigte sich, dass die Graummer zwar            gewonnenen konkreten Handlungsempfeh-
                keinen starken Einbruch erlitten hat, gleichzei-      lungen. Die Datenanalyse erlaubte es, bis auf
Konkrete        tig jedoch eine deutliche Arealveränderung und        Landkreisebene spezifische Maßnahmenpakete
Handlungs-      -konzentration festzustellen ist. Das deutet dar-     vorzuschlagen. Dazu gehören die Anlage von
empfehlungen    auf hin, dass geeignete Lebensräume abnehmen          Brachen und Blühstreifen, aber auch ein ex-
                und sich die Vorkommen immer stärker auf die          tensiver Anbau von Getreide und ein teilweiser
                wenigen geeigneten Gebiete konzentrieren, die         Ernteverzicht innerhalb der verbliebenen Kern-
                immer stärker voneinander isoliert sind. Die Flä-     verbreitungsgebiete ebenso wie die Anlage oder
                che des von der Grauammer genutzten Lebens-           der Erhalt von Klein- und Kleinstgewässern, eine
                raums nimmt dadurch ab, die Populationsdichte         Verbesserung des Angebots an Singwarten und
                in den verbleibenden Vorkommen dagegen zu.            die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutz-
                Diese bei vielen unter Druck geratenen Vogel-         mitteln. Solche Maßnahmen kommen nicht al-
                arten zu beobachtende Entwicklung macht die           lein der Grauammer zugute, sondern viele Feld-
                Populationen deutlich anfälliger für eine rasche      vogelarten profitieren davon.
                Abwärtsspirale. Denn Verschlechterungen des

                Saile C, Hecht J, Hoffmeister T, Lanz U 2020: Erfassung der aktuellen Vorkommen der Grauammer
                (Emberiza calandra) im Bereich der Mainfränkischen Platten. Gefördert vom Bayerischen
                Natur-schutzfonds aus Mitteln der GlücksSpirale.

                    Kontakt im LBV: Christoph Saile, Bezirksgeschäftsstelle Unterfranken

               18
Viele Ackerwild-
                                                                                                        kräuter, darunter
                                                                                                        auch der Spreizende
                                                                                                        Schöterich, werden
                                                                                                        mittlerweile auf
                                                                                                        der Roten Liste ge-
                                                                                                        führt - Grund ist die
                                                                                                        Verdrängung durch
                                                                                                        intensive Landwirt-
                                                                                                        schaft (Foto: Bericht).

Artenhilfsprogramm Botanik in Oberfranken
- Erfassung des Spreizenden Schöterichs

Der Spreizende Schöterich verschwindet fast unbemerkt aus seinem tradi-
tionellen Verbreitungsgebiet. Wie vielen anderen Ackerwildkräutern macht
Erysimum repandum die Intensivlandwirtschaft zu schaffen. In Oberfranken
konnte ein Vorkommen auf einigen wenigen Standorten bestätigt werden.

Die Art hat in Deutschland nur ein vergleichs-      gibt es von Ruderalstandorten aus dem Land-
weise kleines Hauptverbreitungsgebiet im kli-       kreis Kronach und der Stadt Bayreuth. Insge-
matisch bevorzugten Thüringer Becken und im         samt konnte die Art auf fünf Ackstandorten im
thüringisch-fränkischen Grabfeld. Auch ist ihr      Umfeld der Dörfer Gauerstadt und Breitenau
exakter Status unklar und es gibt so gut wie kei-   nachgewiesen werden. Die Art schließt sich hier      Einstufung als
ne wissenschaftliche Forschung zu Vorkommen         an das geschlossene Verbreitungsgebiet im thü-
                                                                                                         stark gefährdet
oder Ökologie der Art. Wie viele andere Acker-      ringischen und unterfränkischen Grabfeld an.
Wildpflanzen leidet der Spreizende Schöterich       Als wärmeliebende Pflanze profitiert sie hier von    steht bevor
vor allem unter der anhaltenden Intensivierung      den trockenen, basenreichen Gipskeuperböden
der Landwirtschaft mit ihrem starken Einsatz        und hat sich daher auch auf konventionell be-
von Herbiziden.                                     wirtschafteten Ackerböden halten können.

In der noch geltenden offiziellen Roten Liste der
Pflanzen Deutschlands von 1996 wird der Sprei-      Gut ausgestattetes Vorkommen von Erysimum
zende Schöterich noch als ungefährdet geführt.      repandum am typischen Wuchsort im Saum ei-
In der aktuellen, aber noch unpublizierten Roten    nes Rapsfeldes (Foto: A. Ulmer).
Liste Deutschlands wird die Art jedoch als stark
gefährdet eingestuft werden. Auch in Bayern
wird sie bereits auf der Roten Liste geführt.
Um Informationen über das Vorkommen des
Spreizenden Schöterichs am Rande seines
Hauptverbreitungsgebietes zu erhalten, wurden
im Auftrag der Regierung von Oberfranken im
Rahmen dieser Forschungsarbeit die Gesamt-
vorkommen für Oberfranken erfasst und bewer-
tet.

Aktuelle Funde in Ackerstandorten liegen nur
aus dem Gebiet von Bad Rodach vor. Weitere
Fundmeldungen aus den Jahren 2016 und 2017

                                                                                                    19
Artenhilfsprogramm

                        An den noch bestehenden Standorten wurden
                        meist nur wenige Pflanzen gefunden. Bei guten
                        Voraussetzungen im Frühjahr können aber lokal
                        auch viele hunderte Exemplare gedeihen. Wie
                        bedeutsam ein stellenweiser Verzicht auf Her-
                        bizide für das Überleben der Art wäre, zeigt die
                        Tatsache, dass sich die aktuellen Vorkommen
Herbizidverzicht        fast ausschließlich an den äußersten Randzo-
                        nen der Äcker befinden, denn zwischen den an-
entscheidend            gebauten Feldfrüchten sind die Samenbanken
für das Über-           durch den stetigen Einsatz von Herbiziden wei-
leben                   testgehend erloschen. Kann sich der Schöterich
                        aber durch Verzicht auf Herbizide gut entwickeln
                        und fruchten, ist auf diesen Flächen das Samen-
                        potenzial für mehrere Jahrzehnte wieder aufge-
                        füllt. Es wird deshalb zum Schutz der bestätigten
                        Funde empfohlen, die Standorte in Programme
                        des Vertragsnaturschutzes einzubeziehen. Dazu
                        wurde Kontakt mit den Bewirtschaftern auf-
                        genommen. Die Rückmeldungen waren positiv
                        und lassen hoffen, dass die Art erhalten werden     Anthropogenes Vorkommen von Erysimum re-
                        kann.                                               pandum in Ludwigstadt (Lkr. Kronach) an einer
                                                                            Stützmauer (Foto: J. Guest).

                        Ulmer A, Elsner O 2017: Artenhilfsprogramm Erysimum repandum in Oberfranken. Im Auftrag der
                        Regierung von Oberfranken.

                        Kontakt im LBV: Gerhard Hübner, Frank Reißenweber, Geschäftsstelle Coburg

Darstellung der rezenten und erlosche-
nen (in Auswahl) Vorkommen von Erysi-
mum repandum in Oberfranken (Karte:
B. Raab).

                     20
In Rohstoffgewin-
                                                                                                          nungsstätten finden
                                                                                                          Amphibien wie die
                                                                                                          Gelbbauchunke
                                                                                                          häufig die einzige
                                                                                                          Möglichkeit zur
                                                                                                          Laichablage und
                                                                                                          können dort in
                                                                                                          größerer Zahl vor-
                                                                                                          kommen (Foto: D.
                                                                                                          Renner).

Langzeitmonitoring einer Gelbbauchunken-
population in Rohstoffgewinnungsstätten

In bayernweit insgesamt 100 Rohstoffgewinnungsstätten sollen exempla-
risch amphibiengeeignete Laichgewässer sowie Strukturen für Sommer-
und Überwinterungsquartiere bei gleichzeitig laufendem wirtschaftlichem
Abbaubetrieb geschaffen werden. In der Oberpfalz läuft in diesem Zusam-
menhang ein Langzeitmonitoring der dortigen Gelbbauchunkenpopulation,
das durch eine Bachelorarbeit an der Universität Bayreuth begleitet wurde.

Naturschutzarbeit kann sich heute nicht mehr         lauchkröte, Kreuzkröte, Wechselkröte und Laub-
allein auf die Bewahrung der wenigen verblie-        frosch.
benen ökologisch noch weitgehend intakten
Gebiete reduzieren lassen. Denn weite Teile          In besonderem Fokus steht im Steinbruch Blau-
unserer Umwelt sind durch menschliche Einflüs-       berg (Landkreis Cham) die Gelbbauchunke. Im           FFH-relevanten
se geprägt. Die Bewahrung und Schaffung öko-         Rahmen einer Bachelorarbeit wurde die Entwick-
logischer Nischen und Refugien innerhalb dieser      lung der dortigen Gelbbauchunkenpopulation            Amphibienarten
anthropogen überformten Umwelt sind deshalb          behandelt.                                            in Rohstoffge-
in einem Industrieland wie Deutschland wichtige                                                            winnungsstätten
Elemente des Umwelt- und Naturschutzes.              Ziel dieser Arbeit war es, sowohl die Populations-
                                                     größe als auch das Wanderverhalten zwischen
Ein Paradebeispiel dafür sind die Abbaustätten       den insgesamt 20 Gewässern im Steinbruch
für Rohstoffe wie Sand, Kies und Gestein. Mit        zu untersuchen und dadurch allgemeingültige
der weitgehenden Zerstörung oder Entwertung          Rückschlüsse für andere Standorte zu ziehen.
natürlicher Flußauen kommt Kies-, Lehm- und
Sandgruben eine große Bedeutung als letzte           Im Zuge des Monitorings wurden zwischen 2016
Refugien für viele Amphibienarten zu. Hier setzt     und 2019 insgesamt mehr als 1000 Gelbbauch-
das 2016 vom LBV initiierte Projekt „Manage-         unken gefangen, fotografiert und anhand ihres
ment von FFH-relevanten Amphibienarten in            individuell unterschiedlichen gelb-schwarzen          Individuell
Rohstoffgewinnungsstätten“ an.                       Fleckenmusters auf der Bauchseite identifiziert.
Projektziel ist es, die Situation ausgewählter Po-   Dazu wurde eine automatisierte Bildanalyse            erkennbar am
pulationen zu sichern und nach Möglichkeit zu        - ähnlich einem Fingerabdruck-Scannings - ein-        Bauchflecken-
verbessern. Als Zielarten wurden sieben Amphi-       gesetzt. Die Populationsgröße im Studiengebiet        muster
bienarten ausgewählt, deren Erhaltungszustand        wurde auf Basis einer Analyse der Wiederfänge
nach Daten des Bundesamts für Naturschutz            im Folgejahr geschätzt. Für 2019 lag die Schät-
schlecht ist. Im einzelnen sind das Geburtshel-      zung bei 1000 Individuen der seltenen Unke al-
ferkröte, Gelbbauchunke, Kammmolch, Knob-            lein in diesem Steinbruch.

                                                                                                      21
Bachelorarbeit
          40

                                                                  Gewässer
                                                                  ♂
                                                                                   Die Verteilungen der Entfernungen zwischen
                                                                  ♀                den Gewässern (beige) bzw. der mindestens zu-
                                                                  unbest.          rückgelegten Strecken der männlichen (blau),
          30

                                                                                   weiblichen (rot) und unbestimmten Gelb-
                                                                                   bauchunken (grün) in 2019. Die wandernden
                                                                                   Gelbbauchunken bevorzugten beim Wechsel
      Häufigkeit

                                                                                   Tümpel, die in kürzerer Entfernung (zwischen
         20

                                                                                   30 bis 200 m) zu Gewässern lagen, in denen sie
                                                                                   das erste mal gefangen wurden. Die Verteilung
                                                                                   der Wanderstrecken unterschied sich hoch si-
                                                                                   gnifikant von der Verteilung der Gewässerent-
   10

                                                                                   fernungen.
          0

                   0           200              400                         600
                                 Entfernungen [m]

                        Die analysierten Wanderstrecken zeigten, dass             Die Bachelorarbeit am Lehrstuhl für Tierökologie
                        Unken meist im selben oder in benachbarten                der Universität Bayreuth ist ein Beispiel dafür,
                        Gewässern wieder gefangen wurden und somit                dass die begleitende Forschung in Sekundärle-
                        nur kurze Mindeststrecken zurücklegten. Eine              bensräumen wichtige Erkenntnisse mit unmit-
                        daraus abgeleitete Empfehlung der Studienau-              telbarer Relevanz für einen verbesserten Arten-
Begleitende             torin Viktoria Lissek lautet deshalb, dass bei der        schutz liefern kann. Die Arbeit bietet gleichzeitig
                        Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen der                    für das konkrete Gebiet belastbare Rahmenda-
Forschung               Fokus auf die Verbesserung derjenigen Gewäs-              ten, um Konzepte für den Ausgleich der unter-
wichtig                 ser gelegt werden sollte, die sich in unmittelba-         schiedlichen Interessen erarbeiten zu können -
                        rer Nähe von Gewässern mit vielen Unken be-               etwa dann, wenn es um die Abwägung zwischen
                        finden. Eine bessere Vernetzung der einzelnen             Naturschutz und wirtschaftlicher Nutzung geht.
                        Gewässer könne dazu beitragen, die Population             Dieser Zielkonflikt ist in Sekundärlebensräumen
                        mithilfe von Trittsteinen auch auf Gebiete außer-         besonders ausgeprägt, entstehen diese doch
                        halb des Steinbruches und damit außerhalb des             häufig überhaupt erst durch den wirtschaftli-
                        „Lebensraums auf Zeit“ auszuweiten.                       chen Betrieb.

                        Lissek V 2020: Langzeitmonitoring der Gelbbauchunkenpopulation im Steinbruch Blauberg (Lkr.
                        Cham) mittels Fang-Wiederfang-Methode und digitaler Bildauswertung. Bachelorarbeit am Lehrstuhl
                        für Tierökologie I, Universität Bayreuth.

                        Kontakt im LBV: Markus Schmidberger, LBV-Umweltstation Zentrum Mensch und Natur Arn-
                        schwang, email: markus.schmidberger@lbv.de

                        Benutzeroberfläche des Bildanalysepro-
                        gramms AmphIdent. Das Bauchmuster
                        des aktuellen Tieres wird mit bereits abge-
                        speicherten Mustern verglichen und, falls
                        kein ähnliches Muster gefunden wurde, als
                        neues Muster abgespeichert. (Fotos: http:// Das Bauchmuster einer Gelbbauchunke wird händisch
                        www.amphident.de/pages/about.html).         mit einem Rechteckwerkzeug ausgewählt.

                       22
Wo geeignete Le-
                                                                                                     bensräume zur ver-
                                                                                                     fügung stehen, ist
                                                                                                     auch die Reproduk-
                                                                                                     tion beim Rebhuhn
                                                                                                     gesichert (Foto: C.
                                                                                                     Moning).

Rebhuhnerfassung im Landkreis Coburg

Das Rebhuhn ist die Vogelart in Deutschland mit den stärksten Verlusten
in den vergangenen drei Jahrzehnten. Um mehr als 90 Prozent sind die Be-
stände seit 1990 eingebrochen. Das Anlegen von Blühflächen im Landkreis
Coburg erweist sich als erfolgreich.

Um Vogelarten wie dem Rebhuhn in der inten-        biet noch 15 Reviere und 17 rufende Hähne fest-
siv genutzten Agrarlandschaft ein Überleben zu     gestellt, waren es zwei Jahre später bereits 23
ermöglichen, will das Projekt „Die Agrarland-      Reviere und 25 rufende Rebhähne.
schaft von morgen - zeitgemäße Lösungen für
die Lebensgemeinschaft Rebhuhn“ modellhaft         Zu vermuten ist, dass sich die beiden trocken-
Methoden entwickeln, die helfen sollen, die Bio-   warmen Sommerjahreshälften 2018 und 2019
diversität auch in diesen Gebieten dauerhaft zu    günstig auf die Bestandsentwicklung ausgewirkt
sichern. Das zentrale Inst-                                             haben. Die besonders bei      Blühflächen sind
rument ist das Anlegen von                                              Schlechtwetterperioden im
Blühflächen, in denen die                                               Frühsommer hohe Küken-        Schlüssel zum
Vögel ein gutes Mikroklima,                                             sterblichkeit dürfte ent-     Erfolg
Nahrung und Deckung vor-                                                sprechend gering gewesen
finden. Das Monitoring der                                              sein.
Bestandsentwicklung dient
als wichtige Erfolgskontrolle                                      Der Aufschwung der Reb-
für die eingeleiteten Maß-                                         huhn-Population bestätigt
nahmen.                                                            die Bedeutung des Blüh-
                                                                   flächen-Konzepts für den
Im Rahmen des Projekts                                             Rebhuhn-Schutz.     Häufig
wurde auch der Rebhuhn-                                            riefen Rebhühner aus die-
bestand in der Gemarkung                                           sen Flächen oder flogen
Großwalbur im Landkreis                                            dorthin beziehungsweise
Coburg nach einer Erster-                                          von dort ab. In weiteren           Rebhuhn als
fassung 2018 im Jahr 2020                                          Fällen riefen Rebhühner im         Leitart
erneut       flächendeckend                                        sehr nahen Umfeld zu die-
durch den LBV untersucht.                                          sen Deckungsstrukturen,
Das erfreuliche Ergebnis:                                           die in größerer Zahl im
Nachdem bei der Ausgangs- Rebhuhn (Foto: H. Henderkes)              Untersuchungsgebiet an-
kartierung 2018 bereits eine                                        gelegt wurden. Auch Raps-
vergleichsweise hohe Anzahl an Brutrevieren anbau hatte offenbar eine förderliche Wirkung
festgestellt worden war, hat sich die Revierzahl auf die Rebhühner. Fünfmal wurden bei der
2020 noch einmal um erstaunliche 50 Prozent Frühjahrserfassung 2020 aus diesen ebenfalls
gesteigert. Wurden 2018 im Untersuchungsge- Deckung bietenden Strukturen rufende Reb-

                                                                                                 23
BNN-Projekt

                              Blühende Land-             hähne nachgewiesen. Die Dauergrünlandzonen
                                                         in den feuchteren Tallagen hatten dagegen in
                              schaften für das           der Revierbildungsphase keine Relevanz für das
                              Rebhuhn zahlen             Rebhuhn.
                              sich aus
                                                         Gelingt es, durch biotopverbessernde Maßnah-
                                                         men Wildkräuter, Insektenbestände und in der
                                                         Folge die Rebhuhnpopulation zu stützen, kann
                                                         erwartet werden, dass auch andere Feldvogel-
                                                         arten wie Feldlerche, Goldammer, Neuntöter,
                                                         Dorngrasmücke, Hänfling oder Stieglitz profitie-
                                                         ren. Das Projekt setzt in Gebieten an, in denen
                                                         Rebhühner noch nicht völlig ausgestorben sind.
                                                         Die Biotopverbesserung ermöglicht Hilfe, ohne
                                                         auf naturschutzfachlich fragwürdige Methode
                                                         wie Auswilderungen zurückgreifen zu müssen.

                                                         Hübner G 2020: Rebhuhnkartierung in der
                                                         Ge-markung Großwalbur im Rahmen des BNN-
                                                         Pro-jekts Die Agrarlandschaft von morgen -
                                                         zeitgemäße       Lösungen        für       die
                                                         Lebensgemeinschaft                   Rebhuhn,
                                                         Frühjahrserfassung 2020. Im Auftrag der Ökolo-
                                                         gischen Bildungsstätte Oberfranken.

         Verteilung von Rufern am 08.03.2020 (oran-      Kontakt im LBV: Gerhard Hübner, Frank Reiß-
         gefarbene Quadrate) und am 19.03.2020 im        enweber, Geschäftsstelle Coburg
         Umfeld einer Rebhuhn-Blühfläche (roter Pfeil)
         (Foto: G. Hübner).

         Rebhuhn-Blühfläche nördlich Großwalbur mit dem Straufhain im Hintergrund Anfang April 2020
         (Foto: G. Hübner).

        24
Flussseeschwalbe

                                                                                                         Foto: T. Krumenacker

Weiter auf stabilem Niveau:
Flussseeschwalben in Bayern
Die bayerische Population der Flussseeschwalbe      lust natürlicher Brutmöglichkeiten auf unbe-
befindet sich weiter auf einem stabilen Niveau.     wachsenen Kiesinseln durch die Begradigung
2020 brüteten mindestens 395 Paare, mindes-         von Flüssen oder den Bau von Staustufen war
tens 352 Jungvögel wurden flügge. Die Zahl          die Ursache für den Bestandseinbruch der Art,
könnte noch höher liegen, weil die Beobach-         der 1980 mit nur noch 37 Brutpaaren seinen
tungsmöglichkeiten aufgrund der Corona-Pan-         Tiefpunkt erreicht hatte. Ohne Hilfe wäre die
demie eingeschränkt waren. Brutversuche bzw.        bayerische Flussseeschwalben-Population wahr-
Brutnachweise gab es an mindestens 27 Stand-        scheinlich erloschen.
orten. Der Brutbestand bewegt sich im Vergleich
zum Vorjahr auf einem sehr ähnlichen Niveau.        Weiterhin brütet der allergrößte Teil der bayeri-
                                                                                                                                S
Bayernweit ergibt sich für das Brutjahr 2020 eine   schen Flussseeschwalben (91Prozent der Brut-                                C
Reproduktionsrate von ≥0,89 Flügglingen/Brut-       paare) auf Nistflößen. Aber auch die Kolonie auf
paar. Dieser Wert liegt über dem laut Literatur     einer Kiesinsel im oberbayerischen Schimmer-                                H
für den Bestandserhalt notwendigen Wert von         weiher wuchs auf 30 Brutpaare an. Weitere Paa-                              L
0,85 Flügglingen/Brutpaar.                          re zogen andernorts auf natürlichen Schlamm-
                                                    inseln, auf einer Kiesinsel in einer Kiesgrube und                          A
Das Jahr 2020 wie die Vorjahre bestätigen den       auf einem angeschwemmten Baumstamm am                                       G
anhaltenden Erfolg der Artenhilfsmaßnahme           Unteren Inn Junge außerhalb künstlicher Nist-
über die Bereitstellung von Nisthilfen. Der Ver-    hilfen groß.                                                                L
                                                                                                                                I
Gehrold A 2021: Monitoringbericht Flussseeschwalbe in Bayern 2020.                                                              C
Kontakt im LBV: Dr. Andrea Gehrold, Gebietsbetreuerin am Starnberger See
                                                                                                                                H
                                                                                                                                T

                                                                                                         25
LBV-eigene Flächen, wie beispielsweise im Kainzbachtal in Tännesberg, sind dauerhaft geschützt
 und daher häufig Rückzugsorte für seltene und bedrohte Arten (Foto: R. Hotzy).

26
Der Randring-Perl-
                                                                                                          muttfalter (Boloria
                                                                                                          eunomia) steht auf
                                                                                                          der Roten Liste Bay-
                                                                                                          ern in der Kategorie
                                                                                                          „stark gefährdet“
                                                                                                          (RL2) (Foto: G. Merkel-
                                                                                                          Wallner).

Erfassung von Insekten und Pflanzen
auf LBV-Flächen
Die Ergebnisse von Bestandserfassungen von Insekten und Pflanzen auf
LBV-eigenen Flächen unterstreicht die Bedeutung dieser geschützten Bio-
tope für zahlreiche Arten, die andernorts durch eine intensive Landnutzung
stark unter Druck geraten sind. Sogar in Bayern bereits ausgestorben ge-
glaubte Insekten konnten nachgewiesen werden. Die Pflanzenerfassung
bildet eine wertvolle Grundlage für gezielte Managementmaßnahmen.

Eine Säule des Naturschutzkonzepts des LBV           hende Analyse offenbarte, welchen ökologischen
ist die Sicherung wertvoller Lebensräume. Über       Schatz die LBV-Flächen beherbergen. Durchgän-
Besitz oder Pacht lässt sich ein ideales Biotop-     gig konnte eine artenreiche Fauna von Schmet-
management durchsetzen. Das ist umso wichti-         terlingen, Libellen, Heuschrecken und anderen         LBV-Flächen
ger, als es sich bei den meisten der LBV-Flächen     Insekten festgestellt werden, die in der landwirt-    als ökologische
um besonders wertvolle Lebensräume handelt.          schaftlich intensiv genutzten sogenannten Nor-        Schatztruhe
Während etwa bei den dort vorkommenden Vo-           mallandschaft nicht mehr zu finden ist. Beispiele
gel- oder Amphibienarten sehr offensichtlich ist,    für Arten, die auf LBV-eigenen Feuchtwiesenflä-
welchen Wert ein Gebiet für den Naturschutz          chen gefunden wurden, umfassen das auf der
hat, ist dies jedoch bei Insekten häufig nicht auf   bundesweiten Roten Liste geführte Sumpfhorn-
den ersten Blick ersichtlich. Um die naturschutz-
fachliche Bedeutung der LBV-Flächen mit Blick        Kleine Moosjungfer (Leucorrhinia dubia): Rote
auf die Insektenfauna zu beleuchten, wurde die-      Liste Bayern „gefährdet“ (RL3) (Foto: G. Merkel-
se deshalb in den vergangenen Jahren in Nieder-      Wallner).
bayern und in der Oberpfalz eingehender unter-
sucht.

Insgesamt wurden 40 LBV-Flächen in einer Grö-
ße zwischen 1,5 bis 11,5 Hektar untersucht. Ne-
ben Tagbeobachtungen kamen auch zahlreiche
Malaisefallen zum Einsatz, zeltartig aufgespann-
te Fallen, mit denen Fluginsekten nachgewiesen
werden.

Alle untersuchten Flächen zeichnen sich durch
einen hohen Strukturreichtum aus. Offene
Wiesenflächen, Staudenfluren, Gehölze und
teilweise stehende oder fließende Gewässer
charakterisieren die Biotope. Erst diese einge-

                                                                                                      27
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