BBIIOOAusgabe 05 / Oktober 2021 - Nachrichten Biokreis
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BIO Ausgabe 05 / Oktober 2021 Zeitschrift für ökologischen Landbau und gesunde Ernährung Nachrichten A CH TEN SCHL UND AC HT EN ? Biokreis-Metzger Anton Juffinger
Alles eine Frage der Haltung! Herbstzeit ist Schmorzeit s Deftige ind h von R Gulasc oder L a m m und r roulade . R in d e leckere s richtige für da Genau rbst! den He Chiemgauer Naturfleisch GmbH H a g e n a u 1 3 • 8 3 3 0 8 Tr o s t b e r g www.chiemgauer-naturfleisch.de DE-ÖKO-003
EDITORIAL Liebe Leser *innen , unsere Grafikerin war nicht gerade begeistert, als ich ihr halten viele Menschen aus der Bio-Branche für die Wahr- eröffnete, dass das Titelthema der Oktober-BioNachrich- heit. Und dass sich mit Fleischerzeugung in der Masse ten „Schlachten und achten?“ sei. Bilder von Tieren an Profit und Macht erzielen lassen, ist für wieder andere das der Schwelle zum Tod oder gar von blanken Schlachtkör- Maß der Dinge. In diesem breiten Spannungsfeld brauchen pern – damit will sich kaum jemand beschäftigen. Die- wir mehr Orientierung. Viele Bio-Landwirt*innen und pro- se Bilder wollten wir ihr und Euch ersparen, aber beim gressive Metzger*innen machen sich einerseits Gedanken Thema Schlachtung wollen wir trotzdem hinschauen. über Achtsamkeit, Ethik, Bedingungen und Verbesserun- Sophie Schweisfurth, Geschäftsführerin der Herrmanns- gen in Schlachthöfen, andererseits natürlich auch über die dorfer Landwerkstätten, sagt im Interview in dieser Aus- ökonomischen Aspekte. gabe: „… nur so kann es gelingen, unseren Fleischkonsum Regionalität, Transparenz, weniger Leid für die Tiere und zu reduzieren“. nicht zuletzt für die in Schlachthöfen beschäftigten Men- 3 Den Verbraucher*innen wird es leicht gemacht, den un- schen sind Ziele vieler Überlegungen. So will etwa Biokreis- mittelbaren Zusammenhang zwischen Lebewesen und Mitglied Klaus Bonkhoff das erste Schlachthaus Deutsch- Lebensmittel zu verdrängen. Schlachthöfe sind fernab von lands bauen, das keine lebendigen Tiere mehr annimmt. unseren Aufenthaltsorten. Wenn das Fleisch fertig verpackt Biokreis-Landwirt*innen schaffen Schlachtmöglichkeiten in den Läden liegt, erinnert nur noch wenig an das herum- auf ihren eigenen Höfen oder führen ihre Tiere selbst bis zur laufende, fressende und fühlende Tier, das es einmal gewe- Schlachtbank. sen ist. Die Auflösung dieser Entfremdung erschreckt uns. Kann Schlachten bio sein? Diese Frage ist nicht leicht und Noch schockierender aber wirken vielfach heimlich aufge- abschließend zu beantworten. Dieses Heft soll erste Denk- nommene Kamerabilder von tierverachtenden Praktiken in anstöße für mehr Klarheit geben. In unserem Verband Schlachthöfen – immer wieder betreffen diese leider auch wollen wir das Thema in nächster Zeit auf jeden Fall weiter- Bio-Tiere. verfolgen und vertiefen. Wir freuen uns über alle, die hier Der Einfluss unserer Öko-Landwirt*innen auf das Tierwohl mitdenken und Anregungen geben. endet nicht selten vorm Schlachthof. Was dort passiert, entzieht sich oft ihrem Wissen und Wirken. Daher sollte das Euch einen bunten Herbst und alles Gute Thema Schlachtung in der Ökolandwirtschaft mehr Beach- tung bekommen. Bei der Schlachtung einen und trennen Eure verschiedenste Sichtweisen die einzelnen Protagonisten: Dass ein Tier ausgebeutet und am Ende skrupellos getötet wird, ist der vegane Standpunkt. Dass sich das Leben und Sterben des Nutztiers in einen sinnvollen Kreislauf einfügt, Ronja Zöls-Biber
INHALT INFO BIOWELT 04 Biokreis-Produkt 30 NACHHALTIG LEBEN Apfelsaft gestaltet Landschaft 08 Veranstaltungen und Termine Streuobstwiesen vernetzen Menschen, 12 Notizen Tiere und Pflanzen AGRARPOLITIK 32 REISE Asado – Grillfest nach argentinischer Art 14 Die Menschheit als Teil der Natur begreifen Was Alexander von Humboldt uns über den 34 TISCHGESPRÄCH Klimawandel zu sagen hat mit der neuen BÖLW-Chefin Tina Andres „Ich esse immer mit Freunden!“ 16 Einkommen in der Fleischindustrie immer noch niedrig 36 Der Biokreis für Kinder Biokreis unterzeichnet Forderungspapier zum Pestizid-Ausstieg BIOKREIS 17 KOMMENTAR von Sepp Brunnbauer FACHBERATUNG Cowboy oder Indianer? 38 Frag den Biokreis Der Faktor Mensch bei der Schlachtung 4 40 Brustbeinschäden bei Legehennen TITEL 44 Milcherzeugung der Zukunft, Teil 1 Kraftfutterarme Fütterung ist 18 Schlachten und achten? wirtschaftlicher! 20 INTERVIEW 46 Leader für die Landwirtschaft mit Sophie Schweisfurth, Geschäftsführerin Wie Gelder aus der zweiten Säule besser der Herrmannsdorfer Landwerkstätten für Bauernhöfe genutzt werden können Wenn das Leben zum Lebensmittel wird ... AKTUELLES 22 „Keiner will ein Schlachthaus vor der 48 Unser Biokreis – die Online-Plattform für Haustür haben!“ Biokreis-Mitglieder Michael und Carmen Mack haben den Neubau ihres kleinen Geflügelschlachthofs trotzdem 50 Aktuelles Bayern und geschafft Baden-Württemberg 24 Leben und Sterben auf dem Hof 58 Aktuelles Mitte, NRW und Niedersachsen Markus Fesl begleitet seine Tiere vom ersten 62 Aktuelles: Wertschöpfungsketten-Projekt Ost Tag bis zum Tod im hofeigenen Schlachthaus 63 Aktuelles Mitteldeutschland 26 Schlachten kann nicht jeder Die Metzgerei Juffinger arbeitet vorrangig mit 64 Personalien/Neue Mitglieder aus Fachkräften – doch die sind in der Branche rar Verarbeitung und Handel 28 Das erste Schlachthaus Deutschlands – 65 Deine Biokreis-Ansprechpartner*innen für tote Tiere? 66 Marktplatz In Klaus Bonkhoffs Neubau soll es keine Lebendtierannahme mehr geben 70 Bücher / Vorschau / Impressum 29 Wenn der Tod naht ... Drei Biokreis-Landwirte erzählen
PRODUK T „EBBI BIO GEILES FRESSI“ FÜR DEN HUND Im Glas sind mehr als 50 Prozent Bio-Geflügelfleisch, also Pute und Hähnchen, kombiniert mit Hähnchenherzen und gesundem Fenchel sowie frischer Zucchini. Für die gewisse Konsistenz sorgt Gelatine vom Rind, die alles zusammenhält und zu einem leckeren Gesamtpaket komprimiert. Bei der Herstellung dieses Produktes wird auf unschöne Zusätze, Füllstoffe, Konservierungsmittel oder Aroma- und Farbstoffe, Zucker und sonstige Geschmacksverstärker oder Lockstoffe verzichtet. Wichtig für den Hersteller „Wuff & Mau Heimtiernahrung“: Sämtliche Zutaten sind natürlichen Ursprungs und selbstverständlich in Bio-Qualität. 400 g / 3,29 Euro www.wuffundmau.de
Aus zur Tier Natur, zumegion und zur R WIR STEHEN SEIT 1979 FÜR REGIONALE, VERTRAUENSVOLLE NETZWERKE, FÜR TIERWOHL UND HANDWERKLICHE LEBENSMITTEL- VERARBEITUNG IM EINKLANG MIT DER NATUR. …aus Liebe zur Natur Landwirtschaft, überwiegend vom eigenen Unsere landwirtschaftlichen Betriebe wirt- Betrieb. schaften bundesweit und darüber hinaus nach unseren Richtlinien, die deutlich über …aus Liebe zur Region die EU-Bio-Standards hinausgehen. Die EU- Unsere Wege sind kurz, unsere Beziehungen Richtlinien sind ein Mindeststandard und verlässlich. Unsere Wertschöpfung bleibt in uns zu wenig. Biokreis-Mitglieder stellen der Region, schafft Arbeitsplätze und Identität. ihren gesamten Betrieb auf ökologische Bewirt- Der soziale Umgang mit Menschen ist neben schaftung um. Unsere Lebensmittel enthalten einer ökologischen Wirtschaftsweise für uns weniger Zusatzstoffe und stammen größtenteils ein grundlegendes Anliegen. Jeder Betrieb hat aus handwerklicher Verarbeitung. eine*n Berater*in, der die Arbeit vor Ort unter- stützt. Bei Workshops, Betriebsbesuchen und …aus Liebe zum Tier Exkursionen kommen wir zusammen. Wir sind Wir kümmern uns in besonderem Maße um das basisdemokratisch. Auf unseren Mitglieder- Wohl unserer Tiere. Unsere Rinder, Schweine, versammlungen kann sich jeder einbringen. Hühner, Puten, Schafe und Ziegen haben mehr Platz im Stall und bekommen Auslauf oder ste- Unsere Richtlinien sind klar und verbindlich. hen auf der Weide. Biokreis-Mitglieder halten Innerhalb dieses Rahmens haben unsere nur so viele Tiere, wie die zur Verfügung ste- Landwirt*innen die Freiheit, die ihr Berufs- henden Flächen es zulassen und behandeln sie stand seit jeher beansprucht. Sie können ihre nur im Krankheitsfall, bevorzugt mit Naturheil- Produkte frei vermarkten, ohne Vermarktungs- verfahren. Ihr Futter stammt aus ökologischer gebühren zu entrichten.
VERANSTALTUNGEN & TERMINE BIOKREIS IN BAYERN 26. Oktober 2021 BIOKREIS IN UND BADEN- Fachexkursion Ökologische SCHLESWIG-HOLSTEIN, WÜRTTEMBERG Rinderzucht MECKLENBURG- Ort: 83547 Babensham und 85560 Ebersberg, Oberbayern VORPOMMERN UND 14. Oktober 2021, 9-14 Uhr Infos: Veranstaltung der LfL mit Betriebs- BRANDENBURG Hack- und Striegel-Feldtag besichtigung bei Biokreis-Betrieb Johann Ort: Mühlenhof in 95695 Mähring Hilger in Ebersberg; Ansprechpartnerin Infos: Veranstaltung mit dem ist Biokreis-Beraterin Katharina 23. Oktober 2021, 10-18 Uhr Maschinen- und Betriebshilfsring Loibl, loibl@biokreis.de, Zeitgemäß ökologisch imkern – Tirschenreuth e.V., Ansprechpartner Mobil: 01 51 / 42 01 16 80 Neue Wege im Sinne der Biene ist Biokreis-Berater Toni Ort: Friends Space, Reisinger, reisinger@biokreis.de, Mobil: 01 51 / 12 39 13 55 30. Oktober 2021, 10 Uhr Glogauer Straße 2, Bauer-zu-Bauer-Gespräch 10999 Berlin-Kreuzberg Ort: Biokreis-Betrieb Scharbert Infos: mit Torben Schiffer (Biologe (Fuggersche Domäne), Oberndorf und Bienenforscher), Marc Schüller 22. Oktober, 19 Uhr, am Lech, Schwaben (Biokreis-Berater für Imkerei) und 23. Oktober, 13:30 Uhr Infos: für umstellungs-interessierte Johannes Weber (Stadtbienen e.V.). Bauer-zu-Bauer-Gespräch Landwirt*innen und Bio-Landwirt*innen, Eine Veranstaltung im Auftrag des Ort: Biokreis-Betrieb Daxenbichler, Thema: Ökologischer Ackerbau mit BÖLN, initiiert und finanziert durch das Tuntenhausen, Oberbayern Gemengevarianten, nur BMEL. Anmeldung bis 18.10.21 bei der Infos: für umstellungsinteres- mit Anmeldung per E-Mail: bioregio- Biokreis-Geschäftsstelle Berlin, 8 sierte Landwirt*innen und Bio- betriebsnetz@lfl.bayern.de oder Tel: 0 30 / 28 48 24 80, nord-ost@ Landwirt*innen, Thema: Milchvieh- unter Tel. 0 81 61 / 86 40-44 85. biokreis.de. Weitere Wissenstransfer- haltung mit Zucht auf Hornlosigkeit. und Fachveranstaltungen des BÖLN: Nur mit Anmeldung per E-Mail: https://oekolandbau.de/forschung/ lsten bioregio-betriebsnetz@lfl.bayern.de Du findest die aktuel veranstaltungen/ oder Tel. 0 81 61 / 86 40-44 85. Informationen au f mine www.biokreis.de>ter | ANZEIGE |
| ANZEIGEN | 15.-17. Oktobe r 2021 ÖKO-JUNG WIRTE-TAGLAND- UNG 2021 STADT – L A ZUKUNF T ND Ort: Jugend herbe rge Fulda, H Infos: vera essen n Stiftung & d staltet von der Schwe em Öko-Jun isfurth mit Unters tützung de glandwirte-Netzwerk www.oeko-j s B io unglandwir kreis, te-tagung.d e 2. Dezember 2021, 20 Uhr TERMINE ANDERER Biokreis-Online-Stammtisch: ORGANISATIONEN „Neue EU-Öko-Verordnung – Was ändert sich ab 2022?“ 25.-26. Oktober 2021 Infos: Anmeldung bei der Geschäftsstelle Biolebensmittelcamp 2021 des Biokreis Erzeugerring Nord-Ost, Ort: Gut Sonnenhausen, nord-ost@biokreis.de, Glonn, Oberbayern Tel.: 0 30 / 28 48 24 80 Infos: www.biolebensmittelcamp.net BIOKREIS IN HESSEN, RHEINLAND-PFALZ UND IM SAARLAND 22. Oktober 2021, 13-17 Uhr Ganzheitliches Weidemanagement: Mob Grazing als alternatives Bewei- dungsverfahren im Ökolandbau Ort: Biokreis-Betrieb Eichler in 36115 Simmershausen, Hessen Infos: mit Gastreferent Carsten Ertel (HNE). Eine Veranstaltung im Auftrag des BÖLN, initiiert und finanziert durch das BMEL. Anmeldung bis 13.10.21 beim Bio- kreis Erzeugerring Mitte, mitte@biokreis. de. Weitere Wissenstransfer- und Fach- veranstaltungen des BÖLN: https://oeko- landbau.de/forschung/veranstaltungen/
VERANSTALTUNGEN & TERMINE | ANZEIGEN | ber 2021 20.-21. Okto BIOAG RAR ISCHE OG ÜR ÖKOL MESSE F TSCHAF T LANDWIR ltung e-Veransta rg.de Ort: Onlin .bioagrar-offenbu s : www Info 27. Oktober 2021 Internationale Tagung Ökologische Rinderzucht Ort: Tier und Technik – Forum" in 85586 Grub-Poing, " Oberbayern Infos: LfL Bayern, www.lfl.bayern.de/oekorinderzuchttagung 11. November 2021 Lebensmittel im Fokus – Produktion, Inhaltsstoffe, Wirkungen und mehr Ort: Online-Veranstaltung Infos: Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., www.saw-tagungsmanagement.com/ dge-fachtagung 21 29. - 30. Oktober 20 ER- BIO-FUTTERMITTEL FLEISCHRIND VON HÖCHSTER QUALITÄT! HALTUNG IM KLIMAFleiW AND EL › VERANTWORTUNG FÜR MENSCH, TIER UND schrinder- und UMWELT STEHT DABEI IM MITTELPUNKT Bundesweite Biokreis ng der Verbände Mutterkuhtagu Vorträgen und Exkursionen › ZERTIFIZIERTE WARE AUS DER REGION FÜR DIE REGION und Bioland mit hschule am Seddiner See, oc › PROMPTE LIEFERUNG MIT UNSEREN LKWS Ort: Heimvolksh Brandenburg tungen/ DIREKT ZU IHRER BEDARFSSTELLE reis.de/veranstal Infos: www.biok A-4982 Mörschwang, Mühlberg 3 | Tel.: +43 7758 / 2210 (Fax-DW 4) www.wiesbauer-muehle.at
12. November 2021 8.-10. Dezember 2021 Miteinander für die Bio-Züchtung – Witzenhäuser Konferenz: „Schmeckt’s noch? – Rück- Wie bringen wir biologisch gezüchtete Sorten in aller & Ausblick auf die Lebensmittelerzeugung“ Munde? Ort: Universität Kassel, 37213 Witzenhausen, Hessen & Online Ort: Rheinau, Schweiz Infos: www.konferenz-witzenhausen.de Infos: bioverita-Jubiläumstagung, https://bioverita.ch/ jubilaeumstagung/ Biokreis-Stand 19.-21. November 2021 Internationales Pomologentreffen Ort: Klosterstadel Pielenhofen, Oberpfalz Infos: Kreisverband Regensburg für Gartenkultur und 29.-31. Oktober 2021 SÜDDEUTSCHE Landespflege e.V., www.ogv-landkr-regensburg.de 25. November 2021 Bodentag der IG Gesunder Boden e.V. BERUFS- UND Ort: Schwarzachtalhalle Neunburg vorm Wald, Oberpfalz & ERWERBSIMKE Online R- Infos: www.ig-gesunder-boden.de/Veranstaltungen/boden- tag2021 TAGE Neuer Standort 25. November 2021, 10-16 Uhr :M Baden-Württem esse Friedrichshafen, be Tageslehrgang „Das Recht der Bio-Produkte“ Infos: https://be rg rufsimker.de/ Ort: Online-Veranstaltung Infos: eine Veranstaltung von RA Hanspeter Schmidt (Frei- burg) und Dr. Manon Haccius (Darmstadt); Kosten: 280 Euro, Anmeldung per E-Mail: hps@hpslex.de 20. November 2021, 15-17:30 Uhr BIOKREIS-IMKEREITAG 2021 DIE SPRACHE DER BIENEN Online-Veranstaltung Prof. Dr. Jürgen Tautz ist Bienenexperte, Soziobiologe, mit Vortrag von Prof. Dr. Jürgen Tautz Verhaltensforscher und Professor em. am Biozentrum der Universität Würzburg. Dort ist er auch Vorsitzender des Wie kommunizieren Honigbienen? In der Geschichte der Bienenforschung Würzburg e. V. sowie Leiter des interdis- Bienenforschung haben Wissenschaftler*innen tief in ziplinären Projektes HOneyBee Online Studies (HOBOS) das Innenleben von Bienenstaaten geblickt und viel über und des Folgeprojektes we4bee. das Verhalten der Tiere gelernt. Berühmt geworden ist vor Im Anschluss an den Vortrag besteht die Möglichkeit zum allem ihr Schwänzeltanz. Doch der ist überschätzt, sagt Austausch und zum Gespräch. Prof. Dr. Jürgen Tautz. Denn auch außerhalb des Stockes Organisatorisches: Ansprechpartner ist Biokreis-Bera- sind Bienen soziale Insekten, die miteinander kommuni- ter Marc Schüller, Mobil: 01 60 / 1 80 50 86. Anmeldung zieren. Im Online-Vortrag spricht der Bienenexperte über bitte per E-Mail bis zum 18. November 2021 unter die bemerkenswerten Verhaltensleistungen, die den In- info@biokreis.de. Die Zugangsdaten werden nach Anmel- formationsaustausch zwischen Bienen ermöglichen. dung versendet. Weitere Informationen und Veranstaltungen: www.biokreis.de > Termine www.facebook.com/groups/BiokreisNetzwerk/
Notizen Notizen KURSWECHSEL BEI DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR ERNÄHRUNG Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) fordert und för- dert eine nachhaltigere Ernährung – etwa durch deren Umstel- lung auf mehr pflanzliche Lebensmittel. Dazu hat die DGE ein neues Positionspapier zur nachhaltigeren Ernährung veröffent- licht. Der Beitrag der Ernährung an den weltweiten Treibhaus- gasemissionen liege bei 25 bis 30 Prozent. Angesichts dieser Zah- len sei es laut DGE dringend geboten, die Ernährungsweise so zu gestalten, dass keine unnötigen Ressourcen verbraucht werden. Es reiche nicht aus, Ernährungsempfehlungen nur an gesund- heitsfördernden Aspekten auszurichten. „Daher berücksichtigt die DGE neben der Gesundheit, die entsprechend ihren satzungs- gemäßen Aufgaben im Vordergrund steht, zukünftig in ihren Em- pfehlungen und Aktivitäten die Dimensionen Umwelt, Soziales ©beavera – stock.adobe.com und Tierwohl stärker“, stellt Prof. Britta Renner, Vizepräsidentin der DGE und Erstautorin des Positionspapiers, fest. red Freiwillige Bio-Weine besser Der Bio-Weinmarkt weist eine klare Diskrepanz 12 zwischen Angebot und für ökologischen Nachfrage auf: Zum ei- Einsatz vermarkten! nen hat sich die ökolo- gisch bewirtschaftete Rebfläche in Deutsch- land seit 2010 fast verdoppelt. 2019 stieg die Rebfläche auf 10.600 Der Verein für internationalen und inter- Hektar an, was einen Anteil von rund zehn Prozent an der gesamten kulturellen Austausch (VIA e. V.) vermit- deutschen Rebfläche ausmacht. Zum anderen werden Bio-Weine telt internationale Freiwillige aus ganz längst nicht so bewusst nachgefragt wie Bio-Lebensmittel. In ei- Europa und angrenzenden Ländern in sozia- ner Umfrage der Hochschule Geisenheim, die im Bundesprogramm le und gemeinwohlorientierte Einrichtungen Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirt- in Deutschland. Die Bewerber*innen haben schaft (BÖLN) in der BLE gefördert wurde, wussten lediglich 60 Pro- Basis-Kenntnisse in Deutsch und/oder Eng- zent der Weinkonsument*innen, dass es Bio-Wein gibt. Im Wein- lisch, in der Regel einen Schulabschluss, handel sind deutsche Bio-Weine aufgrund des geringen Angebots, einige auch schon eine Berufsausbildung der fehlenden Nachfrage und des höheren Preises kaum zu finden. oder ein abgeschlossenes Studium. Viele Bei der Vermarktung ist noch viel Luft von ihnen konnten bereits Erfahrungen im nach oben. sozialen Bereich sammeln oder sich ehren- Was den Mehrwert von Bio-Weinen amtlich engagieren. Sie sind mindestens 18 ausmacht und ihren höheren Preis und höchstens 30 Jahre alt. Zu beachten rechtfertigt, ist nur den wenigsten ist, dass keine Arbeitskräfte vermittelt Weinkonsument*innen, aber auch werden, sondern die Freiwilligen in an- Weinhändler*innen bewusst. Die Bio- gelernten Tätigkeiten arbeiten und keinen Weinbranche muss daher die Vorzüge regulären oder potenziellen Arbeitsplatz von Bio-Wein besser kommunizieren. ersetzen sollen. Ein Einsatz kann auch Bei der Vermarktung rentiert es sich, im ökologischen Bereich erfolgen. In der gezielt Frauen und jüngere Konsu- Regel bleiben die Freiwilligen für zwölf mentengruppen anzusprechen. Monate in Deutschland. Mehr Infos unter Weitere Infos unter https://orgprints. www.via-ev.org. red org/id/eprint/40197/ . red
n VIDEOS ÜBER SCHADERREGER AN LEGUMINOSEN Im Bereich Pflanzenschutz bietet das auf. Zudem verdeutlichen die Filme, an Internetportal www.oekolandbau.de ab welchen Merkmalen die Arten zu erken- sofort sechs Kurzfilme über die häufigs- nen sind und wie sie sich voneinander ten Schädlinge an Leguminosen wie den unterscheiden. Ackerbohnenkäfer, die schwarze Bohnen- Alle Filme wurden in hochauflösender laus und die Erbsenblattlaus. Ein weite- Qualität vom Julius-Kühn-Institut (JKI) rer Film gibt Empfehlungen zur gezielten produziert und wissenschaftlich beglei- Förderung von Nützlingen beim Legumi- tet. Die Erstellung der Filme erfolgte in nosenanbau. Die drei- bis fünfminütigen einem Forschungsprojekt der Eiweiß- Videos erläutern in einfacher, kompakter pflanzenstrategie der Bundesregierung. Form die Biologie und die Verhaltenswei- Interessierte können alle Filme kosten- sen der einzelnen Schädlingsarten. Sie los aufrufen unter www.oekolandbau. zeigen Möglichkeiten zur vorbeugen- de/landwirtschaft/pflanze/grundlagen- den sowie direkten Regulierung im kon- pflanzen-bau/pflanzenschutz/video- ventionellen und ökologischen Landbau bestimmungshilfe/. red „30 für 30“ Bio und regional – viele Verbraucher*innen des Landesprogramms „BioRegio 2030“ in Bayern legen Wert auf hochwertige Le- beigetragen werden: 30 Prozent ökologisch 13 bensmittel aus der Region. Mit der Initiative bewirtschaftete landwirtschaftliche Fläche „30 für 30“, die im September in die erste in Bayern bis zum Jahr 2030. Das einge- von sechs Runden ging, sucht das bayerische reichte Handlungsbeispiel muss sich bereits Landwirtschaftsministerium 30 besonders innovative Hand- in der Umsetzung befinden und einen klaren Bezug zum „Baye- lungsbeispiele aus der bayerischen Bio-Branche, die authen- rischen Bio-Siegel“ haben. Die Einreichung von Projekten ist ab tische und kontrollierte bio-regionale Wertschöpfungsketten sofort bis voraussichtlich Herbst 2023 jederzeit möglich. Mehr voranbringen. Damit soll zur Erreichung des ehrgeizigen Ziels Infos unter www.biosiegel.bayern.de red RINDERMÄGEN GEGEN PLASTIKMÜLL? Neue Ergebnisse einer Forschergruppe des nisse bringen einerseits Licht in mikro- Austrian Centre of Industrial Biotech- bielle Gemeinschaften, die sich innerhalb nology (acib) und der BOKU Wien zeigen, der Rumenflüssigkeit im Rinderpansen befin- dass Bakterien aus Kuhmägen verwendet den und hinsichtlich Plastikabbau wenig werden können, um Polyestersorten abzu- erforscht waren. Andererseits könnten die bauen, aus denen unter anderem Textilien, Forschungserkenntnisse eine nachhaltige Verpackungen und kompostierbare Plastik- Option zur Verringerung von Plastikmüll tüten gemacht sind. Die Forschungsergeb- darstellen. red
INFO | Agrarpolitik DIE MENSCHHEIT ALS TEIL DER NATUR BEGREIFEN Was Alexander von Hum boldt uns hat über den Klimawandel zu sagen Der Forschungsreisende und Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt beschrieb schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Zusammenhänge zwischen Natur, Landwirtschaft und Gesellschaft, die uns bis heute beschäftigen. Über einen Visionär und seine Beobachtungen. Von Stephanie Lehmann Gelegentlich wird uns schlagartig bewusst, dass manche der Begleiter, dem Botaniker Aimé Bonpland, unzählige Tier- und Krisen, die heute unsere ganze Aufmerksamkeit fordern, nicht Pflanzenarten, Landschaften und Naturphänomene. nur schon lange in der Welt sind, sondern auch in ihrem Aus- Weniger bekannt ist, dass Humboldt in Südamerika auch Land- maß längst als solche begriffen worden sind. Wie kann es sein, schaften vorfand, die bereits massiv vom Wirken der europä- dass einstmals beherrschbare Probleme erst zur Krise werden ischen Siedler*innen geformt waren. Ein Beispiel: Kurz nach müssen, bevor man als Gesellschaft zu der Einsicht gelangt, seiner Ankunft besuchte Humboldt den Valenciasee im heuti- dass sich hier etwas ändern muss? gen Venezuela. An seinen Ufern wurden Mais, Zuckerrohr und 14 Ich hatte einen solchen Moment der Erkenntnis, als ich Andrea Indigo angebaut. Die Wälder, die den See einstmals umschlos- Wulfs Buch „Alexander von Humboldt und die Erfindung der sen hatten, waren dafür gerodet worden. Die Anwohner*innen Natur“ las. Auch vor der Lektüre war mir der Name Alexander berichteten Humboldt bei seinem Besuch, dass der Pegel des von Humboldt ein Begriff, aber mir war nicht klar, wie präzise Sees seit einiger Zeit immer weiter absank. der Forscher bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ökologi- Den Grund für den sinkenden Wasserstand erkannte Humboldt sche wie ökonomische Probleme beschrieben hat, die heute schnell: Weil mit dem Abholzen des Waldes auch die bodende- für uns zu akuten Krisen geworden sind. Er benannte die öko- ckenden Moose und Sträucher verschwunden waren, konnte logischen Verheerungen einer rücksichtslosen Landwirtschaft der nunmehr offenliegende Boden das Regenwasser schlech- ebenso wie die sozialen Auswirkungen einer rein exportorien- ter aufnehmen und speichern. Auch wurde Wasser abgeleitet, tierten Landwirtschaft. um die Felder zu bewässern. Der nur von kleinen Bächen ge- speiste See trocknete schlichtweg aus. Eine 200 Jahre alte Warnung vor den Humboldt stellte außerdem fest, dass durch die Abholzung verheerenden Folgen intensiver Landwirtschaft nicht nur der See schrumpfte, sondern sich auch das Klima vor Wer sich mit Alexander von Humboldt befasst, entdeckt ei- Ort dauerhaft veränderte: Weil der Wald fehlte, wurde es in der nen ganzen Kosmos in einem Menschenleben. Der aus Berlin Region trockener. Erosion durch Wind und Regen waren die Fol- stammende Naturforscher befasste sich nicht nur mit Physik, ge, was wiederum zum Auslaugen der Böden führte. Langfristig Geologie, Mineralogie, Botanik, Zoologie, Klimatologie und As- sanken dadurch die Erträge. tronomie, sondern auch mit Politik, Soziologie und Ethnologie. Heute wissen wir, was Humboldt damals noch nicht im Detail Insbesondere seine Erkenntnisse über die Ökosysteme und erfassen konnte: dass ein großer Regenwaldbaum an einem über die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Umwelt einzigen Tag mehr als tausend Liter Wasser verdunstet, da- und Gesellschaft prägen unsere Vorstellungen bis heute. durch der Umgebung Energie entzieht und die Luft abkühlt. Grundlage für Humboldts Forschungsarbeit waren seine Rei- Aber auch ohne dieses Wissen entwickelte Humboldt am Va- sen, insbesondere sein mehrjähriger Aufenthalt in Süd- und lenciasee „den Begriff der vom Menschen verursachten Klima- Nordamerika. Im Jahr 1799 reiste Alexander von Humboldt von veränderungen“, schreibt Andrea Wulf. Spanien über Teneriffa nach Neu-Granada im heutigen Vene- Die teils dramatischen Folgen der Abholzung sah Humboldt zuela. Es sollte fünf Jahre dauern, bis er nach Europa zurück- auf seinen Reisen in Südamerika immer wieder. Er beschrieb kehrte. In dieser Zeit erkundete Humboldt unter anderem den sie später in seinen Reiseerinnerungen so: „Zerstört man die Lauf des Orinoco und durchquerte die Andenregion zwischen Wälder, wie die europäischen Ansiedler allerorten in Amerika Bogotá und Lima. Dabei beschrieb er gemeinsam mit seinem mit unversichtiger Hast thun, so versiegen die Quellen oder
nehmen doch stark ab. Die Flußbetten liegen einen Teil des Jah- Bevölkerung hungerte, und einst res über trocken und werden zu reißenden Strömen, so oft im fruchtbares Land schonungslos Gebirge starker Regen fällt.“ ausgebeutet war“, kommentiert Andrea Wulf. Weiterlesen: Exportorientierung und Preisabhängigkeit Andrea Wulf: Alexander von Humboldt gingen immer schon Hand in Hand Humboldt hat uns auch und die Erfindung der Natur, heute viel zu sagen München 2015, Bertelsmann Verlag Auf Kuba stellte Humboldt fest, dass große Teile des Landes abgeholzt worden waren, um Zuckerrohr anzubauen. Die Was mir beim Lesen dieses Bu- Pflanze wurde als sogenannte „Cash Crop“ ausschließlich für ches naheging, war die Tatsache, den Export nach Europa angebaut. dass wir heute kaum ein Stück weiter sind. Wir bearbeiten als „Cash Crop“ ist ein Begriff aus der Agrarökonomie. Er be- Biokreis gemeinsam mit der ganzen Bio-Branche die gleichen 15 schreibt landwirtschaftliche Güter, die nicht für die Versorgung Probleme, die in ihren fatalen Auswirkungen schon vor 200 Jah- der Bevölkerung vor Ort gedacht sind, sondern auf dem Welt- ren für Alexander von Humboldt so offensichtlich waren. War- markt verkauft werden sollen. Der Verkauf dieser Waren kann um, so frage ich mich, ist es so schwer, diese Erkenntnisse zu für die wachsende Wirtschaftsleistung eines Landes oder einer vermitteln? Region sorgen, aber ihr Anbau bedeutet auch, in Abhängigkeit Humboldt warnte unter anderem vor den Folgen der landwirt- von den Preisen des Weltmarkts zu geraten. Um Gewinne zu schaftlichen Techniken seiner Zeit, unter denen die zukünfti- maximieren, werden Cash Crops tendenziell als Monokulturen gen Generationen leiden würden, denn er sah, wie durch sie angebaut. Das wiederum führt nicht nur zur Zerstörung ehe- stabile Ökosysteme ins Wanken gerieten. Die Schlüsse, die er mals intakter Ökosysteme, sondern auch zu ausgelaugten Bö- aus seinen Beobachtungen zog, sind so erstaunlich, weil er in den, die dann intensiv gedüngt werden müssen. einem Jahrhundert lebte, in dem die Herrschaft des Menschen Humboldt konnte die Folgen der Exportorientierung auf Kuba über die Natur nicht zur Debatte stand. Ordnung und Unter- direkt sehen: Weil die Menschen vor Ort fast ausschließlich werfung der Natur waren zu seiner Zeit Grundprinzip mensch- Zuckerrohr pflanzten, waren sie gezwungen, Lebensmittel aus lichen Handelns. dem Ausland zu importieren – ideale Voraussetzungen für Ab- Heute wissen wir, dass wir mit dieser Herangehensweise in hängigkeit und Ungerechtigkeit. Dabei hätten die Menschen den letzten 200 Jahren Vieles unwiederbringlich zerstört ha- ihre Lebensmittel auch selbst vor Ort erzeugen können. ben. Tier- und Pflanzenarten sind ausgestorben, unser Klima „Die einzigen Kapitalien, deren Wert mit der Zeit wächst, (sind) ändert sich schneller als wir es wahrhaben wollen und selbst im die Produkte des Ackerbaus“, schrieb Humboldt und plädier- Marianengraben ist Mikroplastik nachweisbar. te für eine in erster Linie existenzsichernde Wirtschaft. Im Ich meine, dass wir uns Humboldts Erkenntnisse zu Herzen Vordergrund sollten der Bedarf und die Selbstversorgung der nehmen sollten. Für ihn war klar: Der Mensch kann die na- Menschen vor Ort stehen. Darum empfahl er, möglichst viele türliche Welt nicht nach Belieben zu seinem eigenen Vorteil verschiedene Nahrungsmittel zur Versorgung der Bevölke- verändern, denn er ist Teil der Natur und auf sie angewiesen. rung anzubauen: zum Beispiel Bananen, Quinoa, Mais und Die Konsequenzen unseres Handelns ohne Rücksicht darauf Kartoffeln. Denn: „Allzu oft hatte Humboldt gesehen, dass die bekommen wir heute mehr und mehr zu spüren.
INFO | Agrarpolitik EINKOMMEN IN DER FLEISCHINDUSTRIE IMMER NOCH NIEDRIG Auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke an die Bun- dustrie lag 2020 mit 2.274 Euro um die Hälfte niedriger als desregierung zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischin- in der Gesamtwirtschaft mit 3.427 Euro. Mehr als die Hälf- dustrie ergaben sich folgende Antworten: Mehr als ein Drit- te der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten in tel aller Arbeitsstunden im Bereich der industriellen Be- und der Fleischindustrie arbeiten zum Niedriglohn. Der Anteil der Verarbeitung von Fleischwaren wurden 2020 von Werkver- Niedriglohnbezieher*innen sei seit zehn Jahren erstmals ge- tragsbeschäftigten geleistet. Im Vergleich zum Vorjahr sei die- sunken. Die Anzahl der Beschäftigten in der Fleischindustrie ser Anteil gesunken (von etwa 39 auf etwa 35 Prozent). Im sel- sei in den letzten zehn Jahren angestiegen, die Zahl der ben Zeitraum sei die Zahl der Werkvertragsunternehmen in der ausländischen Beschäftigten habe sich mehr als verdreifacht. Fleischindustrie von 428 auf 376 gesunken. Allerdings seien die Beschäftigtenzahlen seit dem Vor-Corona- Das monatliche Durchschnittseinkommen in der Fleischin- Jahr 2018 gesunken. red / Quelle: Die Linke 16 KLARE WORTE AN KÜNFTIGE ABGEORDNETE BIOKREIS UNTERZEICHNET FORDERUNGSPAPIER ZUM PESTIZID-AUSSTIEG In einem offenen Brief an die Wahlkandidat*innen aller de- trächtigen, das Trinkwasser und die auf dem Acker angebauten mokratischen Fraktionen zur Deutschen Bundestagswahl Lebensmittel belasten. Sie unterbrechen Nahrungsketten und 2021 fordert ein breites Bündnis, zu dem auch der Biokreis führen so auch zum Rückgang von Vögeln und anderen Wirbel- gehört: Steigen Sie ein in den Ausstieg aus der Anwendung tieren. Kurz: Chemisch-synthetische Pestizide tragen erheb- von chemisch-synthetischen Pestiziden! Konkrete Forderun- lich zum Verlust der Biodiversität bei“, so wird im Brief an die gen sind: Verbesserung des Pestizid-Zulassungsverfahrens, künftigen Abgeordneten des Deutschen Bundestags appel- sofortige Anwendungsbeschränkung, Durchführung eines liert. Die Organisator*innen des offenen Briefes, das Bündnis jährlichen, umfassenden Pestizidmonitorings ab 2022 und für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, sind ein Zusammen- Einführung einer Pestizid-Abgabe im Jahr 2022. schluss von namhaften Bio-Unternehmen, von denen viele zu „Chemisch-synthetische Pestizide können nicht nur Bienen den Pionier*innen des ökologischen Landbaus zählen, sowie töten und Menschen schädigen, sondern auch viele andere weitere zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für eine Insekten und Wassertiere vernichten, das Bodenleben beein- Agrarwende einsetzen. red
B O Y O D E R DER FAKTOR COW MENSCH BEI DER IND I A N E R? SCHLACHTUNG Kommentar von Sepp Brunnbauer Heute darf ich über das Töten schreiben. Das Töten von Tieren täubt und getötet wird. Hier gelten in der Regel die gesetzlichen zur Gewinnung von Lebensmitteln. Betrachtet man die verschie- Mindeststandards, die im Praxistest bezüglich der Vermeidung denen Formen und Arten der Schlachtung in Bezug auf religiöse von Angst und Schmerzen große Spannweiten ergeben. Auch wie kulturelle Hintergründe, haben alle eines gemeinsam: Der konnte man nicht bestätigen, dass bei den Schlachtbetrieben Akt des Tötens war schon immer bedeutungsvoll, möglicherwei- Groß gleich Schlecht und Klein gleich Gut bedeutet. Schlussend- se auch deshalb, weil er urgeschichtlich über Leben und Tod des lich tragen eine Vielzahl von Details dazu bei, dass Töten gut ge- Stammes entschieden hat. Erlegten die Krieger das Mammut, lingen kann. Nicht zu vergessen ist dabei der Faktor „Mensch“, gab es reichlich Fleisch und man hatte Aussicht, den Winter zu der gerade bei kleinen und mittleren Betrieben oftmals entschei- überleben. Anders sah es aus, wenn die Jagd erfolglos blieb. dend ist. Heute findet das Töten und Schlachten hinter verschlossenen Tü- Den meisten Verbraucher*innen ist bekannt, dass ihr Schnitzel ren statt. Eine Auseinandersetzung darüber, wie Tiere erzeugt, irgendwann einmal ein Schwein oder ein Rind war und gelebt getötet und verarbeitet werden, findet in der breiten Gesellschaft hat. Obwohl sie das Lebensmittel „Fleisch“ durchaus schätzen, 17 praktisch nicht mehr statt. Trotzdem muss sich jeder Fleisch es- beschäftigen sich wenige Menschen mit den Lebensbedingun- sende Mensch darüber klar sein, dass für sein Stück Fleisch ein gen des Tiers und nahezu niemand mit dem Umstand, wie es Tier gelebt hat und zu Tode gekommen ist. Sowohl das Leben als getötet wurde. Die Systeme reichen von industriellen Schlacht- auch das Sterben sollten in einer Art und Weise geschehen, die höfen, wo das Töten eben industriell abläuft, bis hin zum Schuss wir mit unserem Gewissen vereinbaren können: Das Tier sollte auf der Weide, bei dem Landwirt*innen und Metzger*innen ein gutes Leben gehabt haben und das Sterben ohne Angst und bewusst aus überkommenen Systemen aussteigen. In beiden unnötige Schmerzen vonstatten gehen. In diesem Zusammen- Fällen werden Tiere getötet. Die Art und Weise bestimmt der hang denke ich oft an Karl May und darüber, wie Indianer mit Faktor Mensch. dem Töten von Bisons umgegangen sind. Sie töteten nur so viele Tiere, wie sie zum Überleben brauchten. Die Jäger entschul- digten sich beim jeweiligen Tier dafür, dass sie ihm das Leben nehmen mussten. Sie sprachen ihm ihre Hochachtung und ihren Nach der Hacksaison Respekt aus. Ihnen gegenüber standen die Weißen, die wahllos ganze Herden ohne er- kennbaren Grund abschlachteten. ist vor der Hacksaison! Wie immer geht es um das rechte Maß und um die Frage, in welchen Strukturen Sichern Sie sich Ihren Frühbezug von bis zu wir künftig Lebensmittel erzeugen wol- len. Einig sind wir uns darüber, dass Tiere 5% auf Ihre neue SCHMOTZER Hacke! vernünftig gehalten werden sollen und ihr • Bis Ende August mit 5% artgemäßes Verhalten so gut wie möglich • Im September 4% ausleben können. Bedingungen für die • Im Oktober 3% Tierhaltung sind umfassend geregelt und unterliegen einer ständigen Entwicklung Auch auf die neue Venterra! hin zu einem verbesserten Tierwohl. An- ders sieht es für die Phase aus, in der das SCHMOTZER Hacktechnik GmbH & Co. KG Tier den Hof verlässt, transportiert, be- www.schmotzer-ht.de 118x85 _ BioKreis _ anzeige.indd 1 12.07.2021 17:05:30
TITEL | Schlachten und achten? S chlachten und achten? 18 WIR SCHLACHTEN ̶ SPRECHEN WIR DARÜBER! schlachten: ein Haustier, dessen Fleisch Was schreibt die Öko-Verordnung vor? für die menschliche Ernährung verwen- det werden soll, fachgerecht töten In der Öko-Verordnung steht zum Thema Schlachtung: abschlachten: (Tiere [vorzeitig, „Ein Leiden der Tiere, einschließlich Verstümme- notgedrungen]) schlachten lung, ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie ausschlachten: die Eingeweide von möglich zu halten.“ geschlachtetem Vieh herausnehmen Die Schlachthöfe, in denen Bio-Tiere geschlachtet werden, müssen im Öko-Kontrollverfahren und schwarzschlachten: [in Not-, Kriegs- öko-zertifiziert sein. Bei der Schlachtung selbst zeiten] (Schlachtvieh) ohne behördliche gibt es keinen Unterschied zwischen Öko und Genehmigung schlachten Konventionell. Der Schlachthof wird daraufhin geprüft, dass eine Trennung von Bio und Konven- Schlachtbank: niedrige Bank o. Ä., tionell gewährleistet wird und die Warenein- und auf der geschlachtet wird, auf der ge- ausgänge stimmen. Auch beim Transport macht schlachtete Tiere ausgeschlachtet und die EU-Öko-Verordnung keine Vorgaben. zerteilt werden Bezüglich Mobiler Schlachtung, Hofschlachtung, Quelle: duden.de Kugelschuss auf der Weide gelten die jeweiligen EU-, Landes- oder Bundesland-Vorgaben, zum Beispiel für Bayern zu sehen unter: www.lfl.bayern.de/iba/haushalt/254533/ index.php
WENN DAS LEBEN ZUM LEBENSMITTEL WIRD ... In den Herrmannsdorfer Landwerkstätten werden Lebensmittel vom Acker bis zum Teller produziert – Schlachtung inklusive. Sophie Schweisfurth, Geschäftsführerin des Biokreis-Betriebs, beschäftigt sich mit den Bedingungen für eine möglichst tiergerechte Schlachtung. Wie diese aussehen, erklärt sie im Interview. Von Ronja Zöls-Biber
TITEL | Schlachten und achten? Frau Schweisfurth, haben Sie schon mal ein Tier getötet? (überlegt) Fische beim Angeln. Ein Schwein noch nicht. Den Zusammenhang zwischen Leben und Lebensmittel zu ak- Ist es etwas anderes, eine Mücke zu erschlagen als ein zeptieren, fällt vielen Schwein abzustechen? Menschen schwer. Natürlich – aber rein emotional gesehen, aus dem Bauch heraus. Bilder: Tobias Köhler Ich denke, dass die Größe des Tieres hier tatsächlich eine Rele- vanz hat. Ein Rind hat einfach eine andere Präsenz als ein Huhn und ist als Lebewesen greifbarer. Dürfen wir Tiere töten? Ich denke in landwirtschaftlichen Kreisläufen, und die Nutztier- haltung gehört hier dazu. Die Nutzung von Grasflächen durch das Rind und nachhaltiger Ackerbau ergeben in der Symbiose ein gutes Gesamtsystem. Auf einem Hang im Allgäu kann eben kein Gemüsebau stattfinden. Für die Produktion von Schweine- fleisch gibt es zugegebenermaßen keine gute Begründung. Der Mensch ist ein Omnivor, Fleischgenuss ist Teil unserer Kul- tur. Klar ist aber auch, dass sich Essgewohnheiten ändern kön- nen – etwa zugunsten des Vegetarismus oder Veganismus. Ich halte beide für spannende Bewegungen und eine konsequente Ernährungsweise für wichtig. Ich selbst konsumiere sehr wenig Fleisch, aber wenn, dann nur das beste. 20 Kann Schlachtung tiergerecht sein? Wenn man ehrlich ist, kann sie das nicht, denn es wird ein Le- ben beendet. Nutztiere werden zu dem Zweck gehalten, sie selbst oder ihre Nebenprodukte wie die Milch zu verwerten. Mein Großvater hat immer gesagt: Ein Metzger, der ein Tier nicht respektiert, ist kein guter Metzger. Es sind eher die weichen Komponenten, die die feinen Unterschiede bei der Schlachtung ausmachen. Wir in den Herrmannsdorfer Landwerkstätten sind privilegiert, diese umsetzen zu können. Dabei geht es zum Bei- spiel darum, ruhig mit den Tieren umzugehen. In Schlachthöfen, in denen jede Sekunde zählt, ist das schwer. Wie läuft die Schlachtung in Ihrem Haus ab? Die Tiere kommen schon am Abend vor der Schlachtung bei uns an und verbringen eine Nacht in unseren Ställen, um sich von der Aufregung des Transports zu erholen. Sie sind in ihrer gewohnten Gruppe, können sich hier beruhigen und Adrenalin abbauen. Am nächsten Tag trennt ein ihnen unbekannter Mann ein Tier nach dem anderen von der Gruppe. Der Metzger nutzt den natürlichen Instinkt der Tiere. Schweine sind neugierig und laufen in einen Raum hinein, wenn die Tür aufgeht. Dann schnüffeln sie, drehen sich um, weil sie merken, dass die ande- ren nicht mitkommen, und werden in diesem Moment betäubt und gestochen. Die anderen Tiere sind zwar da, merken das aber nicht. Das ist natürlich nur unsere Interpretation, aber sie blei- ben ruhig und schnüffeln sogar am Blut. Dann wird dem Schwein Zeit gegeben zu gehen. Das klingt etwas religiös, aber einer un- serer Metzger formuliert es so, wenn er das Schwein ausbluten lässt, anstatt es gleich weiter zu ziehen zur nächsten Station. Nach dem Ausbluten wird es entborstet. Das ist für mich der
P E K T V OR Moment, an dem das Le- RES K A N N MAN ben zum Lebensmittel wird. "DEM TIER E SSEN Nun verlieren die Tiere ihre N IC H T M individuelle Farbe, und ein LEIDER ESETZE Schwein gleicht dem anderen. G U N D I N N ." E SC H R E I B Wenn man Richtlinien für die Bio-Schlachtung einfüh- ren würde, welche Regelun- gen müssten sie beinhalten? Respekt vor dem Tier kann man leider nicht messen und in Ge- setze schreiben. Wichtig wäre aber auch, Lärm auszuschalten, die räumlichen Voraussetzungen und die Betäubung zu opti- mieren. Wenn schon der Metzger nervös ist, weil die Gegeben- heiten nicht gut passen, ist das keine gute Bedingung für eine stressfreie Schlachtung. Meiner Meinung nach ist es wichtig, eine positive Atmosphäre für Mensch und Tier zu schaffen. Un- ser Schlachthaus strahlt in Gelb und ist mit Kunst versehen. Pro Woche werden 50 Schweine, 13 Rinder, zehn Kälber und Sophie Schweisfurth 25 Lämmer geschlachtet. An einem Tag kommt immer nur eine bemüht sich um eine einzige Gattung dran. Die Tierart ist unter sich. Kein Schwein möglichst tiergerechte Schlachtung. muss ein Lamm hören, wenn es noch nie zuvor eins gehört hat. Und der Mensch kann sich voll auf eine Tierart einlassen. Meist gelingt es uns Verbraucher*innen ganz gut, den Akt 21 des Tötens zu verdrängen. Sollten wir uns wieder mehr mit diesem Thema auseinandersetzen? Auf jeden Fall – denn nur so kann es gelingen, unseren Kon- Würde eine Ernährung ohne Nutztierhaltung unsere sum zu reduzieren. Wir halten etwa bewusst unsere Schweine Probleme lösen oder nur andere schaffen? neben dem Biergarten, wo der Schweinebraten auf der Spei- Veganismus haftet das Problem an, dass als Ersatz hochverar- sekarte steht. Viele Verbraucher*innen haben Probleme damit, beitete Lebensmittel dienen. Möchte ich diese nicht konsumie- den unmittelbaren Zusammenhang von Leben und Lebens- ren, bleiben mir fast nur Früchte und Gemüse. Industriell her- mitteln zu akzeptieren. An unserer Fleischtheke haben wir mal gestellte Lebensmittel entsprechen nicht meiner Philosophie ein Schild aufgestellt mit der Aufschrift „Würdevoll gewachse- von handwerklicher und ehrlicher Lebensmittelerzeugung. La- nes Fleisch“. Einige Kund*innen wollten, dass wir das Schild borfleisch halte ich demnach auch für keinen guten Lösungs- entfernen. ansatz. Beim Verzehr von Insekten wird die Problematik von einem Tier zum nächsten verlagert. Derzeit stellen wir Versu- Welche Möglichkeiten haben wir überhaupt, dieser che mit der Lupine an, einer heimischen Ackerfrucht, die viel Entfremdung entgegenzuwirken? Potenzial als Tierfutter, aber auch für eine vegetarische Ernäh- Die Verbraucherschaft bekommt sehr viele Infos – etwa in rung bietet. Auch wir machen uns Gedanken über Alternativen Form von QR-Codes –, aber diese werden wenig angenom- für die Zukunft. men. Ich appelliere an die Verbraucher*innen, sich als mündi- ge Bürger*innen zu sehen und aktiv zu fragen: Wo kommt das Haben auch Bäuerinnen und Bauern bezüglich der her? Man muss sich etwa im Restaurant trauen, eine unange- Schlachtung eine Verantwortung? nehme Kundschaft zu sein. Personen, die Fleisch verkaufen, Bio-Landwirt*innen haben sich ein bis drei Jahre um ein Tier sind dazu verpflichtet, diese Infos zu geben. Ich bin oft ent- gekümmert, es gut gehalten und gefüttert – ihnen ein artge- setzt, wie wenig Wissen aber tatsächlich vorhanden ist. rechtes Leben ermöglicht. Am Punkt des Schlachtens spielt das keine Rolle mehr. Die Landwirt*innen haben keinen Einfluss Was ist beim Kauf von Fleisch ein guter Anhaltspunkt für mehr. Daher sollten sie sich fragen: Wohin gebe ich am Ende ein hochwertig erzeugtes Produkt? meine Tiere? Bei uns ist manchmal auch ein Bauer oder eine Ich denke, dass die Kombination von Bio und Direktvermark- Bäuerin bei der Schlachtung dabei. Und einer unserer Landwir- tung ein hilfreicher Anhaltspunkt ist. Denn ein Tier wird nur te bringt seinen Schweinen abends nach dem Transport noch geschlachtet, wenn genug Pakete bestellt wurden. Ein Garant Kräuter zur Beruhigung. Sein Anspruch ist, den Tieren auch auf für minderwertig hergestelltes Fleisch ist ein niedriger Preis. ihrem letzten Weg beizustehen.
TITEL | Schlachten und achten? „KEINER WILL EIN SCHLACHTHAUS VOR DER HAUSTÜR HABEN“ Michael und Carmen Mack haben den Neubau ihres kleinen Geflügelschlachthofs trotzdem geschafft. Von Ronja Zöls-Biber Dass Tiere nicht über Stunden zum Ort ihrer Schlachtung transportiert werden sollen – darüber sind sich die meisten Verbraucher*innen einig. Um diesem Anspruch gerecht zu wer- den, braucht es ein regionales Netzwerk an Schlachthöfen. Mi- chael und Carmen Mack, die in Weikersholz, Baden-Württem- berg, den Biokreis-Putenmast-Betrieb Sternhof führen, haben 22 vier Kilometer von ihrem Hof entfernt einen kleinen Schlacht- hof für Geflügel aufgebaut. Das Projekt war alles andere als einfach. Geschlachtet wurde auf dem Sternhof schon seit den 1980er- Jahren. Auf 100 Quadratmetern wurden hier die eigenen Tie- re geschlachtet und zerlegt, doch es kam immer wieder die Anfrage, diese Dienstleistung auch für andere anzubieten. „Letztendlich war unsere Motivation für den Bau des Schlacht- hauses, den Betrieb für eine Hofnachfolge unserer Kinder auf breitere Beine zu stellen. Ein zusätzlicher Stall wäre eine Opti- on und Riesen-Investition gewesen. Wir haben uns dafür ent- schieden, statt in einen Stall in das Schlachthaus zu investie- ren“, erklärt Michael Mack. Nach diesem Entschluss dauerte es aber noch eineinhalb Jahre bis zur Genehmigung. Denn die Ein- wände gegen den Bau eines Schlachthauses sind vielfältig. Vor allem Lärm und Geruch sind Hürden von Seiten der Nachbar- schaft. „Jeder spricht von kleinen regionalen Schlachthäusern, aber keiner will eins vor der Haustür haben“, erklärt Michael Mack. Nicht ausreichend ausgestattete Kläranlagen können ein weiterer Grund für eine Ablehnung des Antrags sein. Denn die Schmutzfracht einer Schlachterei sei enorm. Weil es in der Nähe des Standortes der Macks aber früher schon einmal eine Geflügelschlachtanlage gab, war die Kläranlage im Hauptort der Gemeinde bereits für diese besondere Anforderung ausge- stattet. Dazu muss aber das Schlachtabwasser in die größere Kläranlage im Hauptort transportiert werden.
Große Auflagen für kleine Schlachthäuser Um eine Genehmigung zu erhalten, müssen kleine Schlachthö- fe dieselben Vorgaben erfüllen wie große. So braucht es etwa 300 Quadratmeter Sozialräume, aufgeteilt auf zwei Zonen, „rein“ und „unrein“. Es braucht Duschen und Toiletten, ge- trennt für Frauen und Männer, ein Büro, ein Veterinärbüro und und und … Seitenweise Auflagen seien zu erfüllen und Abläufe zu dokumentieren. Allein die Erstellung der Unterlagen für die Genehmigung habe unheimlich viel Zeit und Nerven sowie etli- che Wochenenden und Nachtstunden gekostet. Carmen Mack kümmert sich ums Büro, und das teilweise noch abends und nachts. Dass im Juni 2020 mit dem Schlachten begonnen wurde, habe die Nachbarschaft dann gar nicht mitbekommen. „Da das Haus noch nicht verputzt war, ging keiner davon aus, dass der Betrieb schon läuft“, erzählt Michael Mack. Erst nach einem dreiviertel Jahr habe jeder Bescheid gewusst. Von Montag bis Mittwoch steht Michael die meiste Zeit in seinem 1800 Qua- dratmeter großen Schlachthaus, ab Donnerstag kann er sich 23 wieder mehr um die Landwirtschaft kümmern. Knapp 500 Tiere werden pro Tag geschlachtet, etwa 200 pro Stunde, zwei Tage die Woche. Die Puten stammen aktuell ausschließlich aus eigener Erzeugung. Zerlegt und verpackt fahren die Macks sie dann an die verschiedenen Naturkostläden aus. Legehennen und Masthähnchen aus der Region werden momentan nur im Lohn geschlachtet und zerlegt. Das Schlachthaus könne zwar auch größere Mengen verarbeiten, aber dafür fehle das Perso- nal. Dieses müsse erst einmal gefunden, eingearbeitet, ver- waltet und bezahlt werden. Derzeit sind 15 Mitarbeiter*innen in Voll- und Teilzeit hier beschäftigt. Sie arbeiten für kleinere und größere Kund*innen. Preislich könne Mack mit den großen Schlachthöfen nicht mithalten. Diese würden fast ausschließ- lich mit ausländischem Personal arbeiten. Der Veterinär koste gleich viel – egal ob 200 oder 500 Tiere pro Stunde geschlachtet werden. Das schlage sich auf den Preis nieder. Michael Mack: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass größere Kundschaft oft erstmal interessiert ist, aber dann aus Preisgründen doch nicht zu uns kommt.“ In dem 1800 Quadratmeter großen Schlachthaus werden Puten, Legehennen und Masthähnchen geschlachtet. Bilder: Mack
TITEL | Schlachten und achten? LEBEN UND STERBEN AUF DEM HOF Biokreis-Landwirt Markus Fesl begleitet sein Geflügel vom ersten Tag an bis zum Tod im hofeigenen Schlachthaus. Von Ronja Zöls-Biber Wenn Markus Fesl des nachts in die Ställe schleicht, hat für so manches seiner Tiere das letzte Stündchen geschla- gen. Denn während die Artgenossen auf ihren Stangen sitzend schlafen, holt der 24-jährige Landwirt nacheinan- und gereinigt. Am kommenden Tag folgt noch einmal eine 24 Reinigung mit 80 Grad heißem Wasser und Desinfekti- der etwa 120 bis 150 Hähnchen ruhig aus ihrer Herde und trägt sie ins hofeigene Schlachthaus hinüber. Es ist die onsmitteln. Am nächsten Schlachttag in zwei Wochen er- Nacht von Samstag auf Sonntag. Markus und sein Bruder folgt die Wasch- und Desinfektionsprozedur ein weiteres Benedikt (23) haben ihre weißen Metzgerschürzen ange- Mal. Das Fleisch ist fertig für die Metzgerei Kammermei- zogen. Behutsam, aber entschlossen hält Markus eins er, deren Fahrer die Ware am nächsten Morgen mit dem seiner Hähnchen in den Händen, umschließt bergend die Kühlwagen abholt. Flügel und Füße, bis das Holzscheit auf den Kopf schlägt. Regional, frisch und stressfrei für die Tiere Nach der Betäubung hackt Markus mit einem kleinen Beil den Kopf des Huhns ab. Anschließend legt er das tote Tier Markus Fesl ist zwar als Sohn eines Metzgers und Land- in einen Edelstahl-Trichter zum Ausbluten. Das Blut läuft wirts irgendwie in die ganze Sache hineingewachsen in eine Rinne, später wird es gemeinsam mit den Federn, und die Anweisung „Hinlangen, Buben!“ war auch beim den Innereien, Knochen und dem Darm einem Tierbesei- Schlachten üblich, trotzdem wurde er in das, was er heute tigungsunternehmen mitgegeben. Nach dem Ausbluten tut, auch hineingeworfen wie in ein kaltes Wasser. Denn kommt der Schlachtkörper in die Rupfmaschine. An Gum- als vor fünf Jahren der Vater plötzlich starb, traten er, sein minoppen, die sich schnell und eng um das tote Huhn Bruder Benedikt und seine Schwester Viktoria (25) in die drehen, bleiben die Federn hängen. Wenn der Tierkörper Fußstapfen des Bio-Bauern. Tagsüber arbeitet Markus als abgekühlt ist, wird er im Raum nebenan zerlegt. Etwa Schreiner, Benedikt als Schlosser und Viktoria als Damen- zehn Hähnchen und fünf Truthähne werden heute Nacht schneiderin. Nach der Arbeit helfen sie gemeinsam mit auf dem Hof, auf welchem sie ihr ganzes Leben verbracht Mutter Martina auf dem Biokreis-Hof in Untergriesbach haben, geschlachtet. Dann ist der Spuk vorbei. Das kleine (Landkreis Passau) zusammen. In dieser kurzen Zeit ha- Schlachthaus wird von den hinterlassenen Spuren befreit ben die vier nicht nur geschafft, den Betrieb mit Direkt- vermarktung aufrechtzuerhalten, sondern ihn auch noch auf breitere Beine gestellt. Auf einer bewirtschafteten Fläche von sieben Hektar werden 900 Legehennen, 800 Masthähnchen, 200 Puten, 200 Enten und 150 Gänse gehalten. Zwei Esel, vier Hunde und einige Katzen laufen
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