Berlin 2030 Grundzüge einer smarten Wachstumsstrategie - Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung
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Berlin 2030 Grundzüge einer smarten Wachstumsstrategie vel +++ Junge Leute drängen ins Zentrum +++ Stadtrand vergreist +++ Ungepflegt: Grünflächen und Parks in schlechtem Zustand +++ Hartz-IV-Hauptstadt trotz waltung +++ Berlins Schüler deutlich unter Bundesniveau +++ Gesundheitscluster Berlin-Brandenburg europaweit führend +++ Mietpreise ziehen kräftig an +++ Berlin-Institut 67
Über das Berlin-Institut Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung ist ein unabhängiger Thinktank, der sich mit Fragen regionaler und globaler demografischer Veränderungen beschäftigt. Das Institut wurde 2000 als gemeinnützige Stiftung gegründet und hat die Aufgabe, das Bewusstsein für den demografischen Wandel zu schärfen, nachhaltige Entwicklung zu fördern, neue Ideen in die Politik einzubringen und Konzepte zur Lösung demografischer und entwicklungspolitischer Probleme zu erarbeiten. In seinen Studien, Diskussions- und Hintergrundpapieren bereitet das Berlin-Institut wissenschaftliche Informationen für den politischen Entscheidungsprozess auf. Weitere Informationen, wie auch die Möglichkeit, den kostenlosen regelmäßigen Newslet- ter „Demos“ zu abonnieren, finden Sie unter www.berlin-institut.org. Unterstützen Sie die unabhängige Arbeit des Berlin-Instituts Das Berlin-Institut erhält keinerlei öffentliche institutionelle Unterstützung. Projektför- derungen, Forschungsaufträge, Spenden und Zustiftungen ermöglichen die erfolgreiche Arbeit des Instituts. Das Berlin-Institut ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden und Zustiftungen sind steuerlich absetzbar. Im Förderkreis des Berlin-Instituts kommen interessierte und engagierte Privatpersonen, Unternehmen und Stiftungen zusammen, die bereit sind, das Berlin-Institut ideell und finanziell zu unterstützen. Informationen zum Förderkreis finden Sie unter www.berlin-institut.org/foerderkreis-des-berlin-instituts.html Bankverbindung: Bankhaus Hallbaum BLZ 250 601 80 IBAN DE50 2506 0180 0020 2864 07 Konto 20 28 64 07 BIC/SWIFT HALLDE2H Kontakt: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Schillerstraße 59 10627 Berlin Telefon 030 22 32 48 45 Telefax 030 22 32 48 46 E-Mail info@berlin-institut.org 68 Berlin 2030
Impressum Originalausgabe November 2015 © Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise Verwertung bleibt vorbehalten. Herausgegeben vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung Schillerstraße 59 10627 Berlin Telefon: (030) 22 32 48 45 Telefax: (030) 22 32 48 46 E-Mail: info@berlin-institut.org www.berlin-institut.org Das Berlin-Institut finden Sie auch bei Facebook und Twitter (@berlin_institut). Autoren: Daniel Müller-Jentsch, Klemens Maget, Reiner Klingholz Lektorat: Daniel Geyer, Lilli Sippel Design: Jörg Scholz (www.traktorimnetz.de) Layout und Grafiken: Christina Ohmann (www.christinaohmann.de) Druck: PieReg Druckcenter Berlin GmbH (www.druckcenter-berlin.de) Einige thematische Landkarten wurden auf Grundlage des Programms EasyMap der Lutum+Tappert DV-Beratung GmbH, Bonn, erstellt. ISBN: 978-3-9816212-8-0 Die Autoren Dr. Daniel Müller-Jentsch, 1969, Studium der Volkswirtschaftslehre an der London School of Economics und der Yale University. Projektleiter bei Avenir Suisse in Zürich. Klemens Maget, 1986, Studium der Geographie in Würzburg und Münster. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Dr. Reiner Klingholz, 1953, Promotion im Fachbereich Chemie an der Universität Hamburg. Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. 2 Berlin 2030
Inhalt Vorwort.................................................................................................................................................4 Das Wichtigste in Kürze.................................................................................................................6 Leitbild: Berlin 2030.......................................................................................................................8 Methodik der Analyse.................................................................................................................. 10 Berlin: Stadt im Übergang........................................................................................................ 12 1. Megatrend: Globalisierung................................................................................................ 17 2. Megatrend: Reurbanisierung............................................................................................ 22 3. Megatrend: Digitalisierung............................................................................................... 26 4. Megatrend: Demografischer Wandel............................................................................ 30 5. Megatrend: Wissensgesellschaft.................................................................................. 34 6. Megatrend: Ökologische Nachhaltigkeit.................................................................. 39 7. Megatrend: Gesundheit......................................................................................................... 42 8. Megatrend: Mobilität............................................................................................................ 46 9. Megatrend: Partizipation.................................................................................................... 50 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen................................................ 54 QUELLEN................................................................................................................................................ 60 Berlin-Institut 3
Vorwort Berlin wächst. Das typische Berliner Flair, die Dafür steht die lebhafte Startup-Szene eben- Das Berlin-Institut, das diesen Prozess kreative Startup-Szene, die exzellente Inno- so wie international erfolgreich agierende wissenschaftlich begleitet hat, nimmt die vations- und Wissenschaftslandschaft sind Hightech-Unternehmen und Forschungsclus- Ergebnisse der Diskussion in seinen Bericht Gründe dafür, dass Menschen aus der ganzen ter aus Wissenschaft und Wirtschaft. Auf die- auf und ergänzt sie durch umfangreiche eige- Welt in die deutsche Hauptstadt kommen – ser Grundlage muss das Profil der Hauptstadt ne Recherchen und Schlüsse sowie weitere als Touristen, aber immer häufiger auch, um weiter geschärft werden. Experteninterviews. in Berlin zu leben, zu gründen und zu arbei- ten. Entgegen dem allgemeinen Trend nimmt Doch vor dem Entwurf eines Zukunftsbildes Die Diskussionen machten neben dem Licht die Bevölkerung Berlins seit einigen Jahren steht die Bestandsaufnahme – die Analyse auch die Schatten im Berlin der Gegenwart zu. Dieses Wachstum erfordert Gestaltung. von Ausgangssituation und Handlungs- sehr deutlich: In vielen Bereichen besteht rahmen. Dem trägt die vorliegende Studie eine große Diskrepanz zwischen dem Status Berlin ist, wie alle Metropolen, mit übergrei- „Berlin 2030 – Grundzüge einer smarten quo und den Anforderungen an die Haupt- fenden Entwicklungstrends, den sogenannten Wachstumsstrategie“ des Berlin-Instituts für stadt. Schon heute wird die Infrastruktur Megatrends, konfrontiert: Globalisierung, Bevölkerung und Entwicklung Rechnung. den Bedürfnissen der Berliner und Berlin- demografischer Wandel, Digitalisierung, Mo- Besucher nicht gerecht – egal, ob es sich um bilität, Urbanisierung, ökologische Nachhal- Den Anstoß für diese Analyse und die Ent- die Verkehrsinfrastruktur oder Schulgebäude tigkeit, Partizipation führen zu Umbrüchen wicklung einer langfristig tragenden Wachs- handelt. Der Breitbandausbau hinkt dem und stellen alle Großstädte vor Herausfor- tumsstrategie für Berlin, die verschiedene Bedarf der digitalen und Hightech-Unterneh- derungen, die jeweils spezifische Lösungen Politikfelder überspannt, hat das Präsidium men hinterher. Serviceangebote und –kultur bedingen. der IHK Berlin gegeben. Ihm folgend hat ein der öffentlichen Hand entsprechen nicht durch die IHK Berlin einberufenes Experten- den Anforderungen an die Verwaltung einer Dem muss sich auch Berlin stellen. Gefragt gremium aus Vertretern von Wirtschaft, Wis- internationalen Metropole mit Gründergeist ist eine intelligente Wachstumsstrategie, die senschaft und Zivilgesellschaft in der ersten und Mut zum Experimentieren. auf die aktuellen Herausforderungen – nicht Jahreshälfte 2015 in drei Workshops intensiv zuletzt auch vor dem Hintergrund der Flücht- die Ausgangslage, die anstehenden Hand- Neben den herausragenden Standortfakto- lingsthematik – Antworten gibt und dabei der lungserfordernisse, die Berlinspezifik und ren – wie der vielfältigen und exzellenten Berlinspezifik Rechnung trägt. Denn Berlin Grundzüge eines Zukunftsbildes für Berlin Wissenschaftslandschaft, der Internatio- wird angesichts der sich abzeichnenden diskutiert. Den Mitgliedern dieses Gremiums nalität sowie der jungen und wachsenden Umbrüche und des fortdauernden Wachs- sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Bevölkerung als Grundlage – sind es gerade tumsprozesses seine Attraktivität nur dann Aufbruchsstimmung und hoher Lebens- erhalten, wenn es gelingt, das zu bewahren, wert, die Berlin für seine Zukunftsstrategie was Berlin im Kern ausmacht: Freiräume und nutzen muss. Die am Standort spürbare Freiheiten, die kreative Lösungen befördern. Kreativität muss auch in die Gestaltung der 4 Berlin 2030
Stadt einfließen. Dies setzt voraus, dass Ziel der IHK Berlin ist es, mit dieser Studie die Berliner Bevölkerung, die großen und und dem in der begleitenden Diskussion kleinen Unternehmen sowie die Forscher gesammelten Expertenwissen das Zukunfts- und Repräsentanten aus Kunst und Kultur, bild für Berlin aktiv mitzugestalten. Das die Alteingesessenen, die Neu-Berliner und Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwick- die Berlin-Liebhaber eingeladen werden, lung hat erste Grundzüge für eine intelligente am Berlin der Zukunft mitzubauen. Dabei Wachstumsstrategie für Berlin formuliert. müssen neue, häufig digitale Möglichkeiten Nun sind Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und der wachsende Wille der Berlinerinnen und nicht zuletzt die Berliner Gesellschaft und Berliner zur Teilhabe an der Gestaltung aufgefordert, die Dynamik zu nutzen und ihrer Stadt produktiv genutzt werden. Mit gemeinsam eine Vision und eine konkrete dem am Standort verfügbaren kreativen Umsetzungsstrategie für ein zukunftsfähiges Potential sollte es gelingen, ein Zukunftsprofil Berlin zu erarbeiten. für Berlin zu formulieren, das die deutsche Hauptstadt im Wettbewerb der Metropolen gut abschneiden lässt und gleichzeitig ihre Bewohner in diesen Entwicklungsprozess einbezieht. Partizipation in Berlin darf nicht länger ein Synonym für Blockade sein. Es gilt, die Möglichkeiten dieses Megatrends intelligent zu nutzen. Dr. Eric Schweitzer Jan Eder Präsident Hauptgeschäftsführer Industrie- und Handelskammer zu Berlin Industrie- und Handelskammer zu Berlin Berlin-Institut 5
Das Wichtigste in Kürze Die Wiedervereinigung Deutschlands vor 25 1. Globalisierung 3. Digitalisierung Jahren war die Geburtsstunde des „neuen“ Berlins. Seither hat sich die Stadt grundle- Unter den Metropolen der Welt, den Kraft- Dieser Megatrend ist vermutlich der größte gend erneuert. Aber noch ist Berlin eine Stadt zentren der globalen Wirtschaft, spielt Berlin Treiber von Veränderungen für Berlin, im Übergang. Sie hat ihre neue Rolle bislang bislang nur in der zweiten Liga. Aufgrund seine Unternehmen und Bewohner. Die nicht überall gefunden, ihr Profil im interna- ihrer schwachen Industriebasis hat die Stadt Digitalisierung bietet die Möglichkeit, die tionalen Wettbewerb der Metropolen nicht eine geringe Exportquote und es mangelt Verwaltung effizienter zu gestalten, neue eindeutig entwickelt. Berlin ist ein Nachzüg- an Sitzen von Großunternehmen. Stark ist Geschäftsmodelle zu entwickeln, bestehende ler unter den Metropolen, aber gerade dies Berlin in der Kreativwirtschaft, im Tourismus Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen ist seine Chance. Berlins Widersprüche und und Kultursektor und es gewinnt Gewicht als und Arbeitsplätze zu schaffen. Berlin ist das Brüche, das „Unfertige“ – all das lässt Raum Forschungs-, Investitions- und Dienstleis- wichtigste Zentrum der Informationstech- für Neues. Berlins Alleinstellungsmerkmal tungsstandort. Als Politmetropole hat Berlin nologie in Deutschland und hat die Chance, sind seine Freiräume und Freiheiten, seine durch den Umzug von Regierung, Verbänden weite Felder in diesem Bereich zu besetzen. Offenheit und Experimentierfreudigkeit. und Medien stark gewonnen, aber anders als Es verfügt über eine dichte digitale For- Brüssel, Wien oder Washington bislang kaum schungslandschaft mit mehr IT-Professoren Wachstum gestalten und internationale Funktionen. Der Flugverkehr als jede andere deutsche Stadt. Berlin sollte Megatrends berücksichtigen wächst rasant, aber es fehlt ein Großflugha- sich eine digitale Agenda geben, die klare fen mit interkontinentaler Drehkreuzfunktion. Leuchtturmprojekte – wie ein digitales Diese Eigenschaften machen Berlin zur Stadtquartier auf dem Flughafenareal Tegel Kreativmetropole, zum Tourismusmagneten, 2. Reurbanisierung – fördert, Richtlinien für den Umgang mit Big zu einem führenden Wissenschaftsstandort Data vorgibt und Bürger und Unternehmen und Zentrum für Startups. Die neue Attrak- Berlin profitiert von der Renaissance für neue Technologien sensibilisiert. tivität lässt Berlin wachsen – aktuell um gut der Städte. Als Wissenschafts- und Wirt- 45.000 Einwohner pro Jahr. Hält dieser Trend schaftszentrum zieht es junge Menschen an, 4. Demografischer Wandel an, ist bis 2030 ein Bevölkerungszuwachs auf auch für Familien hat sich der Lebenswert der knapp vier Millionen denkbar. Dieses Wachs- Stadt massiv erhöht. Deshalb wächst Berlin Deutschlands Bevölkerung altert und dürfte tum muss so gestaltet werden, dass die seit einigen Jahren wieder dynamisch. Dieses mittelfristig schrumpfen. Berlin aber wird zu Stadt ihre Freiheiten und Freiräume bewahrt Wachstum ist Herausforderung und Chance einer Gewinnerregion im demografischen und gleichzeitig zu einer wohlhabenderen, zugleich. Berlin braucht dringend mehr Wandel. Das liegt an seiner Attraktivität, lebenswerteren und nachhaltigeren Metro- Wohnungen, auch um dem Preisauftrieb im wozu auch die nach wie vor niedrigen pole werden kann. Um dies zu ermöglichen, Wohnungsmarkt entgegen zu wirken. Bei der Lebenshaltungskosten gehören. Dank der ver- bedarf es einer smarten Wachstumsstrategie, Infrastruktur gibt es einen milliardenschwe- besserten Arbeitsmarktsituation gelingt es deren Grundzüge bis 2030 in diesem Bericht ren Sanierungsstau, die wachsende Stadt der Stadt, zusehends junge Menschen auch skizziert sind. Sie ergeben sich aus dem erfordert zusätzliche Kapazitäten. Dafür nach Abschluss ihrer Ausbildung zu binden. Zusammenspiel der spezifischen Eigenheiten muss das Land Berlin seine Investitionsquote Jedoch gibt es in puncto Familienfreundlich- Berlins und externen Faktoren, die auf alle deutlich erhöhen. Die stadtplanerischen keit noch erhebliches Verbesserungspotenzi- Metropolen der Welt einwirken. Diese „Me- Instrumente und der Städtebau müssen auf al – etwa bei der Qualität staatlicher Schulen. gatrends“ sind in neun Kapiteln beschrieben, die erhöhte Wachstumsdynamik reagieren Weil die Alterung der Bevölkerung auch vor zusammen mit Berlins spezifischen Stärken, und dabei die urbanen Qualitäten Berlins Berlin nicht halt macht, muss es zu einer Schwächen, Chancen und Risiken im Umgang bewahren. Stadt für alle Lebensalter werden und sich auf mit den Megatrends. die Bedürfnisse der Älteren einstellen, von einer guten medizinischen Versorgung bis zur Pflege. Berlin muss auch die Potenziale der „jung gebliebenen Alten“ nutzen, zumal 6 Berlin 2030
in den nächsten Jahren die gut gebildeten weder als Innovationsführer für urbane Nach- wickeln, damit diese Prozesse konstruktiv und und engagementfreudigen Babyboomer in haltigkeit noch als führender Standort der ohne Blockaden durch Minderheiten verlaufen den Ruhestand gehen. Individualisierung und grünen Wirtschaft wahrgenommen. und neue Zielgruppen wie Zuwanderer ange- Zuwanderung machen die Stadtgesellschaft sprochen werden können. Die wirtschaftliche heterogener und damit zu einem Laboratori- 7. Gesundheit Teilhabe hat sich in Berlin durch den Rückgang um für multikulturelles Zusammenleben und der Arbeitslosigkeit, durch ein wachsendes alternative Lebensentwürfe. Die Integration Berlin bietet seinen Bürgern eine hohe Dichte Jobangebot und steigende Löhne deutlich von Migranten bleibt dabei eine zentrale an niedergelassenen Ärzten und eine Vielfalt verbessert. Eine hartnäckige Langzeitarbeits- Herausforderung. von Einrichtungen der Hochleistungsmedizin. losigkeit und eine hohe Zahl von Transfer- Die Hauptstadtregion ist ein europaweit empfängern trüben die Bilanz. Bisher gelingt 5. Wissensgesellschaft bedeutender Standort der Lebenswissen- es Berlin trotz hoher und weiter steigenden schaften und der Gesundheitswirtschaft mit Sozialausgaben nicht, diesen harten Kern Hochentwickelte Länder gründen ihre Wert- Ausbaupotenzial. Mit Präventionsmaßnah- der Armut aufzubrechen. Verbesserungen im schöpfung auf einem hohen individuellen men und Gesundheitsbildung an den Schulen Bildungssystem sind die Voraussetzung, um und kollektiven Wissen. Derartige Wissens- lassen sich Zivilisationskrankheiten wie wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe gesellschaften benötigen eine leistungsfähige Diabetes oder Bluthochdruck entgegenwir- marginalisierter Gruppen zu erhöhen. Wissensinfrastruktur, von vorschulischen ken. Diese Form von Aufklärung ist gerade für bis zu universitären Einrichtungen. Bezüg- Berlin von Bedeutung, denn in keinem ande- Von der Analyse zur Strategie lich des Schulsystems schneidet Berlin im ren Bundesland liegt der Anteil an Rauchern Vergleich zu anderen Bundesländern schlecht und Personen mit gesundheitsschädlichem Damit Berlin eine smarte Wachstumsstrategie ab. Berlins Hochschulsystem hingegen ist Alkoholkonsum höher. umsetzen kann, müssen die Ergebnisse aus eines der wettbewerbsfähigsten in Europa. den Megatrend-Analysen berücksichtigt sowie Ergänzt wird die Forschungslandschaft, aus 8. Mobilität einige grundlegende Voraussetzungen ge- der bereits eine dynamische Gründerszene schaffen werden: Erstens benötigt Berlin eine hervorgegangen ist, durch außeruniversitäre Berlins gut ausgebauter öffentlicher Nahver- Investitionsoffensive für die Infrastruktur der Institute und Technologieparks, die auch im kehr leidet aufgrund fehlender Investitionen wachsenden Stadt. Zweitens bedarf es einer Berliner Umland zu finden sind. Die Ausga- der Vergangenheit unter hoher Störanfällig- effizienten Verwaltung, welche die anstehende ben für Forschung und Entwicklung (FuE) keit. Im Straßenverkehr führen mangelnde Pensionierungswelle für eine umfassende in Berlin sind hoch, aber einen großen Teil Sanierung und fehlende Freiflächen für den Modernisierung nutzt. Drittens müssen Berlins davon schultert die öffentliche Hand. Berlin Lieferverkehr zu häufigen Staus. Durch das zentrale Standortakteure die Bereitschaft sollte seine Attraktivität für Wissensarbeiter Bevölkerungswachstum und den dadurch und Fähigkeit entwickeln in der ersten Liga nutzen, um mehr FuE-Aktivitäten privater zwangsläufig wachsenden Wirtschaftsver- internationaler Metropolen mitzuspielen. Firmen an den Standort zu holen – auch mit kehr drohen sich die Verkehrsprobleme zu Viertens ist die Kooperation zwischen Berlin Angeboten von Risikokapital. verstärken. Um diese zu vermeiden, sind und Brandenburg auszubauen, um das Umland hohe Investitionen in die Verkehrsinfra- der Metropole in den Wachstumsprozess 6. Ökologische Nachhaltigkeit struktur nötig, in den öffentlichen Perso- einzubinden. nennahverkehr und in den Langsamverkehr. Der Energieverbrauch pro Kopf und der Letzterem ist aus Kosten-, Kapazitäts- und Eine smarte Wachstumsstrategie muss politik- CO2-Ausstoß liegen in Berlin über, der Anteil ökologischen Gründen mehr Gewicht zu feldübergreifend organisiert sein. Sie muss von an erneuerbaren Energien unter den Zielen geben, vor allem angesichts der Tatsache, der Bevölkerung mitgetragen werden und poli- einer nachhaltigen Entwicklung. Berlin hat dass Berlin bisher keine fahrradfreundliche tisch so stabil sein, dass sie mehrere Legisla- einen hohen Anteil an Grünflächen, viele Stadt ist. turperioden übersteht. Der vorliegende Bericht Parkanlagen sind jedoch unzureichend wurde vom Berlin-Institut in Zusammenarbeit gepflegt. Steigende Temperaturen infolge des 9. Partizipation mit einem von der Industrie- und Handelskam- Klimawandels und eine wachsende Bevöl- mer (IHK) Berlin gewonnenen Expertengremi- kerung werden Berlin in Sachen Stadtklima Um das Wachstum Berlins bürgernah zu um ausgearbeitet. Er bietet eine Grundlage für und Stadtökologie in den nächsten Jahren gestalten, bedarf es einer gesellschaftlichen die Weiterentwicklung und Umsetzung einer vor große Herausforderungen stellen. In der Teilhabe an Planungsprozessen. Dafür sind Entwicklungs- und Wachstumsstrategie für Stadt gibt es relativ viele Firmen der Green klare Regeln und Verantwortlichkeiten zu Berlin bis 2030 und darüber hinaus. Economy, aber international wird Berlin definieren und neue, kreative Formate zu ent- Berlin-Institut 7
Leitbild: Berlin 2030 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte Dann machten Faschismus, Krieg und Das neue Berlin ist die „Stadt der Freiheit“. Berlin den Status einer Weltstadt. Um Teilung Berlin den Garaus. Die bauliche Auch wenn Berlin intern noch mit einer Visi- 1880 war die neue Hauptstadt des Deut- Substanz der Stadt wurde zerstört, ihre geis- on für seine künftige Entwicklung ringt, steht schen Reiches eine von weltweit sieben tigen Eliten ermordet oder vertrieben, ihre für externe Beobachter bereits fest, wofür Städten mit über einer Million Einwohnern.1 Institutionen zerrüttet. Die Industrie ging Berlin im Vergleich zu anderen Metropolen 20 Jahre später war Berlin das führende nach Süddeutschland, die Finanzbranche steht: Berlin ist die „Stadt des freien Geistes“ Finanzzentrum Kontinentaleuropas. Der nach Frankfurt am Main, die Regierung nach – mit gesellschaftlichen wie städtebaulichen Bauboom der Gründerzeit machte Berlin zu Bonn. Dank der Wiedervereinigung entsteht Freiräumen, einem toleranten Umfeld für einer Metropole, die städtebaulich mit Paris jetzt, über sechs Jahrzehnte später, aus Experimente und alternative Lebensentwürfe oder London auf Augenhöhe stand. Zu Beginn den Fragmenten des alten ein neues Berlin. sowie vergleichsweise niedrigen Lebenshal- des 20. Jahrhunderts stieg Berlin zu einer der Dieses neue Berlin kann teilweise an frühere tungskosten. Eine Stadt der Gestaltungsspiel- führenden Industriestädte der Welt und zu Stärken anknüpfen, muss sich aber in weiten räume und Entfaltungsmöglichkeiten. Die einem Zentrum von Forschung und Wissen- Teilen neu erfinden. Berlin ist – historisch Freiheit ist das Alleinstellungsmerkmal der schaft auf.2 In den goldenen 1920er Jahren bedingt – ein Nachzügler unter den Metropo- Stadt – auch weil Berlin durch die Verwerfun- erreichte die Stadt ihren Zenit als Metropole len. Aus diesem Sonderfall erwachsen auch gen der Geschichte eine in vielerlei Hinsicht für Kultur, Film, Architektur und Mode. Ende Chancen. Die allgegenwärtigen Spuren seiner noch unfertige Metropole ist. der 1920er Jahre hatte Berlin über vier Millio- Geschichte machen den besonderen Reiz nen Einwohner,3 also rund eine halbe Million der Stadt aus. Die Abwesenheit etablierter Bezeichnenderweise lautet das Motto, das mehr als heute.4 Strukturen schafft Freiräume für das Neue. sich die Stadt vor einigen Jahren selbst Und Berlin kann bei seiner Entwicklung zu gegeben hat, „be Berlin“ – eine Devise, die einer Metropole des 21. Jahrhunderts von den für Offenheit und Gestaltungsspielräume Erfahrungen anderer lernen. in Milllionen 4,0 3,9 Richtung Vier-Millionen-Stadt 3,8 Die reale Bevölkerungsentwicklung hat seit 2011 obere Variante einen unerwartet hohen Verlauf genommen, der 3,7 sich weit in der oberen Hälfte des Prognosekor- ridors befindet. Bei der derzeit noch gültigen mittlere Variante 3,6 Prognose, empfiehlt die Senatsverwaltung daher die oberer Variante bei Planungen zu verwenden. Überholt ist die Prognose nicht nur durch das zu 3,5 untere Variante gering eingeschätzte Bevölkerungswachstum, sondern auch durch die zwischenzeitlich erfolgte 3,4 Volkszählung. Demnach leben in Berlin rund 170.000 Menschen weniger als gedacht.5 3,3 Bevölkerungsvorausberechnung für Berlin auf Ba- sis des Einwohnerregisters nach unterer, mittlerer 3,2 und oberer Variante in Millionen 2011 bis 2030 (Datengrundlage: Senatsverwaltung für Stadtent- 3,1 wicklung und Umwelt6) 2030 2023 2029 2016 2018 2019 2026 2013 2028 2022 2027 2017 2014 2015 2020 2021 2025 2011 2012 2024 8 Berlin 2030
steht. Eine Einladung an Einheimische und Verkehrsengpässe. Politik und Verwaltung Practice-Beispielen anderer Metropolen Zugezogene, an der Gestaltung des neuen benötigen daher eine politikfeldübergreifen- orientieren, nicht um diese eins zu eins zu Berlins mitzuwirken. All dies macht Berlin de Strategie, wie sie das Wachstum ermögli- kopieren, sondern um sich entsprechend zum Zentrum der Kultur- und Kreativwirt- chen und steuern sowie die Bevölkerung bei der eigenen Gegebenheiten anzupassen und schaft, zur Startup- und Wissenschaftsme- dem damit verbundenen Wandel mitnehmen weiterzuentwickeln. tropole, zum Magneten für die Jugend und wollen. Das Anfang 2015 lancierte „Son- die kreative Klasse, zur Eventhauptstadt und dervermögen Infrastruktur der wachsen- Das wachsende Berlin muss seine Frei- Tourismusdestination. den Stadt“ (SIWA) ist ein erster Schritt in heiten bewahren. Zentrales Element einer diese Richtung.10 Berlin muss von dem nach berlinspezifischen Wachstumsstrategie Berlin wird zur „wachsenden Stadt“. Aber der Jahrtausendwende vorherrschenden sollte die Bewahrung der zentralen Allein- diese Qualitäten geraten zunehmend unter Stagnations- und Konsolidierungsmodus auf stellungsmerkmale sein, welche die Stadt Druck, denn Berlin verändert sich derzeit einen Wachstums- und Gestaltungsmodus heute ausmachen – die oben beschriebenen rasant. Nach Jahren wirtschaftlicher Kon- umschalten. Freiheiten und Freiräume. Daher sollte eine solidierung und stagnierender Bevölkerung Strategie so konzipiert werden, dass Berlin wächst Berlin wieder dynamisch. Während Berlin muss smart wachsen. Dabei geht es auch 2030 noch eine „Stadt der Freiheit“, die Hauptstadt beim Wirtschaftswachstum nicht primär um quantitatives, sondern um der Gestaltungsspielräume und Entfaltungs- bis 2007 unter dem Bundesdurchschnitt qualitatives Wachstum. Berlin sollte bis 2030 möglichkeiten ist. Anderen Metropolen lag, hat sie 2014 das stärkste Wachstum nicht nur eine größere Stadt werden, sondern sind diese Freiheiten abhandengekommen, aller Bundesländer erzielt.7 Aus hohen eine „Smart City“ – eine prosperierende, entweder weil sich junge Menschen, Künstler Haushaltsdefiziten wurden in jüngster Zeit lebenswerte, nachhaltige und gesellschaft- oder Mittelschichtfamilien das Leben dort beachtliche Überschüsse.8 Zwischen 2009 lich ausgeglichene Metropole. Dafür bedarf kaum noch leisten können – zum Beispiel und 2014 nahm Berlins Einwohnerzahl um es einer intelligenten Wachstumsstrategie. in London oder New York – oder weil die 190.000, respektive fünf Prozent auf 3,46 Lange Zeit genügte es Berlin, „arm aber sexy“ Städte „fertig gebaut“ sind, wie die Zentren Millionen zu – obwohl der Zensuseffekt 2011 zu sein. In Zukunft sollte die Devise lauten: von Rom oder Paris. Berlin sollte sich daher die Einwohnerzahl Berlins um 170.000 nach „smart und sexy“. Der Schlüssel hierfür eher an Metropolen orientieren, die eine unten korrigierte. Sollte sich dieser Trend ist die erfolgreiche Bewältigung von neun solide Wirtschaftsbasis, mit einer guten verstetigen, könnte die Einwohnerzahl bis Megatrends, die auf alle Metropolen der Balance zwischen hoher Lebensqualität und 2030 auf knapp vier Millionen anwachsen.7 Welt einwirken. Berlin muss dabei seinen moderaten Lebenshaltungskosten sowie Der starke Zustrom von Flüchtlingen im Jahr spezifischen Umgang mit den Megatrends einem hohen Grad an Freiheit kombinieren. 2015, der voraussichtlich so schnell nicht ab- finden und so sein eigenes Standortprofil Zu diesen attraktiven Zentren zählen etwa reißen wird, ist dabei nicht miteinkalkuliert. entwickeln. Die Stadt sollte sich an Best Hamburg, Wien oder Portland.* Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wird voraussichtlich Ende 2015 eine neue Prognose veröffentlichen, die dies Das Konzept der „Smart City“ widerspiegeln dürfte. Ob sich eine solche Zuzugsdynamik aufrechterhalten lässt, wird Die Online-Enzyklopädie Wikipedia definiert den Begriff wie folgt: „Smart City ist ein auch davon abhängen, wie gut Berlin das Sammelbegriff für ganzheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte ef- Wachstum managt. fizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Diese Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen. (…) Berlin braucht eine Wachstumsstrategie. Die Idee der Smart City geht mit der Nutzbarmachung digitaler Technologien einher und Das Wachstum bietet große Chancen – für stellt zugleich eine Reaktion auf (…) Herausforderungen dar, mit denen postindustrielle neue Arbeitsplätze, steigende Einkommen, Gesellschaften um die Jahrtausendwende konfrontiert sind. Im Fokus stehen hierbei der effektivere Armutsbekämpfung, überfällige Umgang mit Umweltverschmutzung, dem demografischen Wandel, Bevölkerungswachs- Investitionen und das Schließen städtebauli- tum, Finanzkrisen oder Ressourcenknappheit. Breiter gefasst schließt der Begriff auch cher Lücken. Es bringt aber auch große Her- nicht-technische Innovationen mit ein, die zum besseren und nachhaltigeren Leben in ausforderungen mit sich, wie Wohnraumman- der Stadt beitragen. Dazu gehören beispielsweise Konzepte des Teilens oder zur Bürger- gel, steigende Mieten, Gentrifizierung oder beteiligung bei Großbauprojekten“.11 * Die Mercer Quality of Living und Cost of Living Rankings bewerten Großstädte weltweit nach Lebensqualität und Lebenshaltungskosten. Demnach liegen Städte wie Berlin, Hamburg, Wien oder Portland bei der Lebensqualität in der Spitzengruppe, bei den Lebenshaltungskosten aber nur im Mittelfeld. Berlin-Institut 9
Methodik der Analyse Ziel dieses Berichts ist die Ausarbeitung Neun Megatrends bilden den konzepti- eröffnet. Für jeden Megatrend werden analytischer Grundlagen für eine smarte onellen Rahmen und den Schwerpunkt die Folgen für Berlin und entsprechende Wachstumsstrategie für Berlin bis 2030. der Analyse. Zur Einschätzung der Lage Handlungsfelder skizziert. Zudem wird in Dafür haben wir folgendes methodische Berlins und zu seinen Potenzialen haben das jedem Megatrendkapitel eine Vision 2030 Vorgehen gewählt: Berlin-Institut und die IHK Berlin im Vorfeld formuliert und es werden zentrale Erfolgsin- in Zusammenarbeit mit Experten Megatrends dikatoren vorgeschlagen, anhand derer sich Die Ausgangslage bildet eine kurze Bilanz identifiziert, die besonders relevant für die die Fortschritte Berlins messen lassen. der Entwicklung Berlins seit der Wieder- Entwicklung von Metropolen sind.2 Dabei vereinigung. In den letzten 25 Jahren hat handelt es sich um die Megatrends Globali- Je Megatrend werden Berlins spezifische die Hauptstadtregion einen tiefgreifenden sierung, Reurbanisierung, Digitalisierung, de- Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politi- mografischer Wandel, Wissensgesellschaft, analysiert. Megatrends bewirken Verände- schen und städtebaulichen Strukturwandel ökologische Nachhaltigkeit, Gesundheit, rungen, aus denen sich für einen Standort durchlaufen. Diesen historischen Entwick- Mobilität und Partizipation. Die Megatrends Chancen und Risiken ergeben. Wenn sich lungsprozess gilt es zu berücksichtigen, beschreiben langfristige, technologische und Berlin fit machen will für einen Megatrend, wenn man verstehen will, wo Berlin heute als gesellschaftliche Veränderungsprozesse mit muss es mit jenen Voraussetzungen arbeiten, Metropole steht, was seine Besonderheiten weitreichenden Folgen. Sie wirken weltweit die es hat – also mit seinen besonderen Stär- sind und wo seine zukünftigen Potenziale und definieren auch die Rahmenbedingungen ken und Schwächen. Dies bedeutet, es muss liegen. Die Entwicklung einer jeden Metro- für die Entwicklung von Großstädten. Maßnahmen definieren, die seine „Stärken pole ist spezifisch und sie ist pfadabhängig.1 Als besonders wichtig für Berlin erscheinen stärken“ und seine „Schwächen schwächen“. Dies gilt insbesondere für Berlin mit seiner dabei die Globalisierung als Treiber des Die Strengths, Weaknesses, Opportunities einmaligen Geschichte von Krieg, Teilung und Wettbewerbs zwischen den Metropolen, und Threats (SWOT)-Analyse – ursprünglich Wiedervereinigung. die Reurbanisierung, die Berlin wieder zur als Instrument der strategischen Planung wachsenden Stadt macht, sowie die Digitali- entwickelt – ermöglicht die dynamische sierung, die alle Lebensbereiche durchdringt Betrachtung einer Wettbewerbssituation und Berlin besondere Wachstumschancen Globalisierung Partizipation Reurbanisierung Megatrends prägen Berlins künftige Entwicklung Mobilität Berlin als Digitalisierung Die neun Megatrends bringen weitrei- chende gesellschaftliche, wirtschaftli- che und politische Veränderungen mit Lebensort und sich. Diese sind regional unterschied- Wirtschafts- Demografischer lich ausprägt und entsprechend gilt Gesundheit es, eine berlinspezifische Strategie standort Wandel zum Umgang mit den Megatrends zu entwickeln. (Eigene Darstellung) Ökologische Nachhaltigkeit Wissensgesellschaft 10 Berlin 2030
Bildungs- und Wissenschaftspolitik Megatrends erzeugen Handlungsbedarf in allen Gesundheits- und Haushaltspolitik und Politikfeldern Sozialpolitik Ausgabenpriorisierung Da sich die Megatrends auf alle Bereiche der Gesellschaft, Wirt- schaft und Politik auswirken, muss Handlungs- / Verwaltung und auf allen politischen Handlungs- Megatrends landeseigene Betriebe feldern auf sie reagiert werden. Politikfelder Eine smarte Wachstumsstrategie für Berlin muss politikfeldüber- greifend sein. Wirtschaftsförderung Infrastruktur und (Eigene Darstellung) und Standortmarketing staatliche Investitionen Stadtentwicklung und Wohnungsmarktpolitik und ist handlungsorientiert. In dieser Studie gemeinsam mit dem Leitbild einer smart Zwei Gedanken ziehen sich wie ein roter werden mit Hilfe solcher SWOT-Analysen auf wachsenden Stadt und einigen grundlegen- Faden durch die Analyse dieses Berichts. Grundlage allgemeiner Megatrends spezi- den Überlegungen aus dem Schlusskapitel, Erstens die Dualität zwischen dem, was fische Stärken, Schwächen, Chancen und eine politikfeldübergreifende Vision für die Berlin als Metropole bereits ist und dem, was Risiken Berlins identifiziert.3 Entwicklung Berlins als Metropole bis zum es noch werden kann. Um dieses Spannungs- Jahr 2030. verhältnis zwischen dem „Sein“ und „Wer- Hinzu kommen Vergleiche mit anderen den“ als Weltstadt geht es in der Bilanz der Metropolen. Rankings auf Basis wichtiger Zur Hauptstadtregion gehört auch Transformation seit der Wiedervereinigung Standortindikatoren geben Aufschlüsse über Brandenburg. Auch wenn der Fokus dieses im folgenden Kapitel, bei den SWOT-Analysen die relativen Stärken und Schwächen Berlins Berichts auf dem Bundesland Berlin liegt, in den neun Megatrendkapiteln und bei den im Vergleich zu anderen Großstädten oder ist bei der Entwicklung der Metropolregion Vergleichen mit anderen Metropolen. Bundesländern. Fallbeispiele zeigen, wie stets der engere Verflechtungsraum Berlin- Zweitens die Besonderheiten und Alleinstel- andere Städte auf die Megatrends reagieren Brandenburg mit zu berücksichtigen. Mehr lungsmerkmale Berlins als Metropole. Die und was Berlin von ihnen hinsichtlich seiner als jeder dritte Brandenburger lebt in diesem Historie Berlins ist eine ganz spezifische, Standortentwicklung lernen kann. „Speckgürtel“4 und über 400.000 sozial- und daher muss auch die Strategie für die versicherungspflichtig Beschäftigte pendeln Zukunft eine eigene sein. Berlin muss mit Abgeleitet von diesen Analysen werden täglich in beide Richtungen über die Landes- seinen besonderen Stärken und Schwächen Stoßrichtungen für eine smarte Wachs- grenze.5 Der Großteil der brandenburgischen arbeiten, es muss seine maßgeschneiderten tumsstrategie skizziert. Sie zeigen wichtige Industrie befindet sich am Rande Berlins und Antworten auf die Megatrends finden und Weichenstellungen auf, die durch zentrale ist mit dessen Clusterstrukturen vernetzt.6 sein besonderes Profil als Standort entwi- Berliner Standortakteure, allen voran dem Weitere Verflechtungen ergeben sich aus den ckeln. Ziel ist es nicht, so zu werden wie das Senat, einzelnen Senatsverwaltungen oder Umlandfunktionen, die der Flächenstaat für Silicon Valley, sondern so einmalig zu werden Wirtschaftsverbänden und Kammern, die Großstadt erfüllt. Aus diesen Gründen wie das Silicon Valley. vorgenommen werden sollten. Die Stoßrich- wird Brandenburg immer wieder in die Analy- tungen aus den Megatrendkapiteln ergeben, se einbezogen. Berlin-Institut 11
Berlin: Stadt im Übergang Berlin hat seit der Wiedervereinigung 1990 (3) Es folgte das Tal der Tränen in den Die Phasen von Berlins Transformation eine tiefgreifende Transformation durch- 2000er Jahren, in dem Berlin einen harten spiegeln sich in der Bevölkerungsentwick- laufen – der Transformationsprozess der Konsolidierungs- und Reformprozess durch- lung wider. In den ersten fünf Jahren nach letzten 25 Jahre lässt sich in folgende Phasen lief – mit Sparmaßnahmen, Verwaltungsrefor- dem Mauerfall von 1989 bis 1994 stieg die unterteilen: men und der Restrukturierung landeseigener Einwohnerzahl zunächst, fiel in der zweiten Betriebe. Mit der „Ära Wowereit“ begann Hälfte der 1990er Jahre aber wieder in glei- (1) Die Nachwendephase der frühen 1990er aber auch die erfolgreiche Vermarktung des chem Maße. Um die Jahrtausendwende sta- Jahre war geprägt durch den Abzug der Alli- Standorts mit seinen ganz speziellen Eigen- bilisierte sich die Bevölkerung und verharrte ierten, die Integration zweier Stadthälften, schaften. Berlin wurde zu einer internationa- 2000 bis 2005 auf konstantem Niveau. das Ende der Berlin-Förderung, das Wegbre- len Marke. Zwischen 2005 und 2010 wanderten wieder chen alter Industrie- und Politikstrukturen, mehr Menschen nach Berlin zu. Seitdem hat die Fusion zweier Stadtverwaltungen und (4) Dies mündete schließlich in der Renais- sich der Anstieg beschleunigt. Alleine 2012 Lückenschlüsse bei der Infrastruktur. sance Berlins in den späten 2000er Jahren, bis 2014 nahm die Einwohnerzahl Berlins in der die Früchte der geleisteten Struktur- um durchschnittlich 45.000 pro Jahr zu, das (2) Die Auf- und-Ab-Phase um die Jahrtau- reformen geerntet wurden. Wirtschaft und entspricht einem jährlichen Wachstum von sendwende begann mit dem Regierungsum- Bevölkerung begannen wieder zu wachsen, 1,3 Prozent.1 zug, einem damit einhergehenden Bauboom die Hauptstadt legte ausgeglichene Haushal- und dem Aufschwung der „New Econo- te vor und erlebte einen erneuten Bauboom. my“. Darauf folgte der Absturz: Die „New Heute bildet dieser Aufschwung die Basis für Economy“-Blase platzte, Berlins Schulden die weitere Entwicklung Berlins. explodierten und der Skandal um die Bankge- sellschaft Berlin warf die alte lokalpolitische Ordnung über den Haufen. Index 140 Renaissance nach verlorenem Jahrzehnt Berlin Deutschland 130 Lange Zeit lag das Wirtschafts- wachstum der Hauptstadt unter dem Bundesschnitt. Ab Mitte der 1990er Jahre stagnierte die Berli- 120 ner Wirtschaft für eine ganze Deka- de, während das Bruttoinlandspro- dukt (BIP) Deutschlands um gut 20 110 Prozent zunahm. Seit 2005 wächst Berlin im Gleichschritt mit dem Bundesdurchschnitt und teilweise 100 sogar darüber. Nominales BIP-Wachstum von Berlin und Deutschland in Index- 90 punkten zu den Basisjahren 1991, 1995 und 2005 (Datengrundlage: Statistische Äm- 80 2002 1996 1999 2013 2006 2009 2003 2010 2008 2004 1994 1995 1995 1991 1993 1998 2000 2012 2014 1992 2005 2001 2005 2007 2011 1997 ter des Bundes und der Länder2) 12 Berlin 2030
Von der schrumpfenden in Millionen zur wachsenden Stadt 3,7 Bevölkerung Ab- und Zuwanderung einer Region ohne Zensuseffekt werden stark von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt. Daher lassen sich 3,6 die vier Phasen der Berliner Trans- formation seit dem Mauerfall bis zu einem gewissen Grad auch in der Bevölkerungsentwicklung der Stadt 3,5 ablesen. Durch den Zensuseffekt von 2011 kam es zu einer statisti- schen Bereinigung der offiziellen Bevölkerung Berlins um 170.000 3,4 nach unten.11 Bevölkerung Berlins in Millionen Nachwendephase Auf-und-Ab-Phase Tal der Tränen Renaissance Bevölkerung 1991 bis 2014 nach Zensus- 3,3 effekt (Datengrundlage: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg12) 3,2 2006 2009 1999 2010 1993 1995 2000 2008 2012 2013 1998 2004 1996 1997 2005 2014 1992 1994 2001 2003 1991 2011 2007 2002 Bisherige Leistungen All dem tragen beide Länder Rechnung und wickelt, und befindet sich noch immer im haben ihre Kooperation kontinuierlich ausge- Fluss. Mit dem Hauptstadtbeschluss stimmte und künftige Aufgaben baut: 27 Staatsverträge und 79 Verwaltungs- der Bundestag 1991 für die Verlegung des vereinbarungen regeln die Zusammenarbeit.5 Regierungssitzes von Bonn nach Berlin. Der Berlin hat sich stark verändert, aber der Es gibt eine gemeinsame Landesplanung, ein Regierungsumzug selbst erfolgte kurz vor Wandlungsprozess ist keineswegs abge- gemeinsames Amt für Statistik, gemeinsame der Jahrtausendwende und gipfelte 1999 im schlossen. Im Folgenden wird anhand einiger Obergerichte und seit 2003 den gemeinsa- Umzug des Bundestages. Laut Berlin/Bonn- zentraler Politikfelder beschrieben, was die men Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb).6 Gesetz sollte die Mehrheit der Bundesbe- Hauptstadtregion über die letzten 25 Jahre an Dieser wiederum trägt durch seine Berichter- amten in Bonn verbleiben, aber sukzessive Strukturanpassung geleistet hat, wo Berlin in stattung zur gemeinsamen Identität der Regi- versetzten einzelne Ministerien immer mehr seiner Entwicklung als Metropole heute steht on bei. Die Stiftung Preußische Schlösser und Mitarbeiter nach Berlin. Während im Jahr und was sich aus dem Transformationspro- Gärten, die gemeinsame Innovationsstrategie 2000 noch gut 60 Prozent der Regierungs- zess der letzten zweieinhalb Jahrzehnte noch (innoBB) sowie der Flughafen Berlin-Bran- mitarbeiter in Bonn arbeiteten, waren es 13 an künftigem Reformbedarf ableiten lässt. denburg (BER) sind weitere Kooperations- Jahre später weniger als 40 Prozent.9 Und projekte.7 Diverse Institutionen haben eine der „Rutschbahneffekt“ hält an: Erst kürzlich Integration zwischen Berlin Länderfusion bereits vorweggenommen – so wurden Neubauten des Innen- und des und Brandenburg etwa zahlreiche Branchenverbände und die Bildungsministeriums in Berlin fertiggestellt, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der die neuen Platz für zahlreiche weitere Minis- Die Stadt und ihr Umland bilden eine gemein- Bundesagentur für Arbeit. Verkehrstech- teriumsmitarbeiter schaffen.10 same Hauptstadtregion. Im Umland wohnen nisch wachsen Stadt und Umland dank des auf 10 Prozent der brandenburgischen Verkehrsverbunds zusammen. Trotz dieser Die Rolle als deutsche Hauptstadt ist ein Landesfläche 38 Prozent der 2,5 Millionen zunehmenden Integration ist eine Neuauf- zentraler Standortvorteil Berlins. Der Regie- Einwohner. Gemäß Bevölkerungsprognosen lage der Länderfusion, die 1996 gescheitert rungssitz schafft Arbeitsplätze und Wert- dürften es bis 2030 bereits 42 Prozent sein, war, nicht in Sicht.8 schöpfung, zieht Institutionen, Mitarbeiter denn das Berliner Umland wächst, während und Investitionen in die Region. Im Zentrum Brandenburgs Randregionen schrumpfen.3 Wiedererlangung der Hauptstadt- Berlins hat sich inzwischen ein dichtes Netz Bei den Pendlerströmen gibt es ebenfalls funktionen regierungsnaher Institutionen wie Verbände intensive Austauschbeziehungen: 259.000 oder Botschaften entwickelt. Berlin gewinnt Brandenburger arbeiten in Berlin und Die Rolle Berlins als Hauptstadt hat sich zudem Bedeutung als Wohnstätte wichtiger 156.000 Berliner in Brandenburg.4 seit der Wiedervereinigung stetig weiterent- Berlin-Institut 13
Starker Konzentrationsprozess Bereits heute konzentriert sich die Bevölkerung Brandenburgs im Speck- gürtel Berlins, während die Randgebie- te dünn besiedelt sind. Bevölkerungs- prognosen zufolge wird sich dieser Konzentrationsprozess bis 2030 noch deutlich verstärken. Einwohnerdichte auf Gemeindeebene in Brandenburg 2012 (links) und prog- nostizierte Bevölkerungsentwicklung (rechts) auf Gemeindeebene in Prozent 2010 bis 2030 (Datengrundlage: Amt für Statistik Einwohner je Quadratkilometer Bevölkerungsentwicklung in Prozent Berlin-Brandenburg21 /BBSR22) unter 50 unter -25 50 bis unter 100 -25 bis unter -15 100 bis unter 150 -15 bis unter -5 150 und mehr -5 bis unter 5 5 und mehr Entscheidungsträger und als Ort medialer etwa Bürgerämter aufgebaut, elektronische Restrukturierung landeseigener Ereignisse wie Staatsbesuche, Festivals Akten eingeführt, Geschäftsprozesse opti- Betriebe und Kongresse. All dies macht die Stadt miert sowie die elektronische Einreichung zum Bezugspunkt für die nationale Identität von Bewerbungsunterlagen und Bauanfragen Eine weitere wichtige Reformbaustelle waren und für die internationale Wahrnehmung ermöglicht.14 die landeseigenen Betriebe. Früher dienten Deutschlands. diese oft als Abstellgleis für altgediente Trotz dieser Reformen gibt es in der Berliner Politiker oder als Instrument lokalpolitischer Reform der Berliner Verwaltung Verwaltung große Defizite. Die Hauptstädter Patronage. Dies hat sich dank eines seit bewerten ihre Verwaltung mehrheitlich als 2002 eingeführten Controlling- und Be- Nach der Zusammenführung der Verwal- bürokratisch und ineffizient.15 Gemäß einer richtswesens sowie deutlich transparenterer tungen von Ost- und West-Berlin gab es Erhebung der Senatsverwaltung für Finanzen Rekrutierungsprozesse für Spitzenpersonal einen massiven Personalüberhang, der hat die Berliner Verwaltung bundesweit den grundlegend geändert.19 Seitdem hat die inzwischen abgebaut wurde: Die Zahl der höchsten Krankenstand – mit 38 Krankheits- Stadt zahlreiche externe Sanierer einge- Landesbediensteten hat sich von 203.800 tagen pro Jahr und Mitarbeiter.16 Der massive setzt, welche die institutionelle Erneue- im Jahr 1991 auf 111.700 im Jahr 2013 fast Stellenabbau bei gleichzeitig wachsender rung entschieden vorantrieben. So wurde halbiert.13 In Vollzeitäquivalenten entspricht Bevölkerung dürfte zu der hohen Belastung beispielsweise die Bankgesellschaft Berlin dies 105.000 Stellen und angesichts der beigetragen haben. Ein weiteres Problem ist saniert, neu strukturiert und privatisiert. Aus Bedürfnisse der wachsenden Stadt ist keine der hohe Altersdurchschnitt des Personals.17 den Landesrundfunkanstalten Sender Freies weitere Reduktion vorgesehen. Es gab erheb- Bis 2025 geht jeder vierte Landesbedienstete Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk liche Anstrengungen zur Modernisierung der in den Ruhestand.18 Die Pensionierungswelle Brandenburg (ORB) entstand nach der Fusion Verwaltung. Die Zahl der Bezirke wurde 2001 bedeutet eine Herausforderung, aber auch unter neuem Management ein rundum erneu- von 23 auf 12 verringert. 2007 lancierte der eine große Chance zur umfassenden Moder- erter rbb. Auch die Verwaltung der landesei- Senat das Modernisierungsprogramm „Ser- nisierung der Berliner Verwaltung. genen Immobilien wurde durch Gründung der viceStadt Berlin“. In dessen Rahmen wurden Berliner Immobilienmanagement GmbH neu geordnet.20 14 Berlin 2030
Die Fortschritte bei den Restrukturierungen enorme Summe, die für Zukunftsinvestitio- Standortmarketing und Wirtschafts- spiegeln sich in den Zahlen des Landes- nen fehlt. Noch 1991 lagen die Schulden Ber- förderung beteiligungsberichts wider, der alljährlich lins bei unter 10 Milliarden Euro und stiegen über die Ergebnisse von 47 landeseigenen danach dramatisch.26 Dies war einerseits die Die Hauptstadtregion litt als Wirtschafts- Unternehmen und 8 Anstalten des öffentli- Folge der wegfallenden Berlin-Förderung und standort früher unter ihrem schlechten Ruf, chen Rechts Rechenschaft ablegt. Während einer schwachen Steuerbasis.27 Noch immer aber auch diesbezüglich hat sich in den viele dieser Betriebe lange Zeit massive liegt die Steuerkraft Berlins pro Einwohner letzten Jahren viel getan. Beispielsweise beim Verluste einfuhren, erwirtschafteten die deutlich unter den westdeutschen Bundes- Aufbau einer regionalen Marke: 2008 wurde Landesbeteiligungen im Geschäftsjahr 2013 ländern, mit Ausnahme des Saarlands.28 Es die „be Berlin“-Kampagne lanciert. Sie arbei- in der Summe operative Überschüsse von war aber auch eine Folge hoher Ausgaben, tet mit dem Ruf Berlins als weltoffene Stadt, insgesamt 455 Millionen Euro. Dem standen die in vielen Bereichen deutlich über dem in der sich jeder selber verwirklichen kann. allerdings noch Zuschüsse des Landes von Niveau anderer Bundesländer lagen.29 Seitdem wurde die Marke mit zahlreichen 722 Millionen Euro gegenüber, beispielsweise Kampagnenprojekten im In- und Ausland für die Bereitstellung öffentlicher Leistungen. Doch seit der Jahrtausendwende herrscht in beworben. Es gibt eine systematische Die Landesbeteiligungen steigerten ihr Eigen- Berlin ein harter Sparkurs. Der Personalbe- Verzahnung zwischen der „Dachmarke“ für kapital allein 2013 um 450 Millionen Euro stand des Landes hat sich halbiert, die inef- die Region mit den jeweiligen „Untermarken“ und tätigten Investitionen von 1,7 Milliarden fiziente und teure Wohnbauförderung wurde für bestimmte Branchen oder Events. Hinzu Euro.23 beendet, chronische Defizite der Landesbe- kam der Aufbau einer starken Wirtschafts- triebe wurden gestoppt und neue Ausgaben förder- und Standortmarketing-Gesellschaft. Sanierung des Landeshaushalts genehmigte der Senat nur in Ausnahmefällen. Diese Funktion erfüllt die Berlin Partner für Mit 5,5 Prozent Ausgabenzuwachs über die Wirtschaft und Technologie GmbH, die mit Die größte Altlast des Wirtschaftsstandorts Zehnjahresperiode 2002 bis 2012 lag Berlin 200 Mitarbeitern neben der Wirtschafts- und ist die hohe öffentliche Verschuldung. Die an letzter Stelle der 16 Bundesländer.30 Rü- Technologieförderung auch für das Stand- Schuldenlast pro Einwohner lag in Berlin ckenwind erhielt die konsequente Sparpolitik ortmarketing zuständig ist. Berlin Partner 2013 bei 18.100 Euro, nach Bremen der der damaligen Finanzsenatoren durch ein unterstützt Investoren bei der Ansiedlung, zweithöchste Wert unter den 16 Bundeslän- historisch niedriges Zinsniveau und durch die vermarktet den Standort international und dern.24 Das Land Berlin steht mit 61 Milliar- stark steigenden Steuereinnahmen der jün- berät heimische Firmen bei Expansion, den Euro in der Kreide und zahlt dafür jähr- geren Vergangenheit. Seit 2006 hat sich der Internationalisierung, Standortsicherung und lich knapp 2 Milliarden Euro Zinsen25 – eine Schuldenstand stabilisiert. 2013 und 2014 Technologietransfer.32 erwirtschaftete Berlin erstmals substantielle Haushaltsüberschüsse.31 in Tausend 250 Berliner Behörden auf Schrumpfkurs 200 Die Zahl der Landesbediensteten hat sich in Berlin seit 1990 fast halbiert. Diese deutliche Reduktion wurde hauptsächlich durch Verzicht auf 150 Neubesetzung von Stellen erreicht, Beschäftigte insgesamt also durch natürliche Fluktuation. Dies führte auch zu einer Überalte- rung der Verwaltung. 100 Hauptverwaltung Beschäftigte im unmittelbaren Landesdienst Berlin in Tausend 1991 bis 2014 50 (Datengrundlage: Statistikstelle Bezirksverwaltungen Personal bei der Senatsverwaltung für Finanzen33) 0 1995 2013 2010 2003 2006 1996 1997 1999 2002 2005 2007 2011 1991 1998 2001 2012 2009 2014 2000 1994 2008 2004 1992 1993 Berlin-Institut 15
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