Stark machen für neue Chancen - 25 Jahre Verein für allgemeine und berufliche Weiterbildung Eine Dokumentation von Hans-Peter Thelen
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Stark machen für neue Chancen 25 Jahre Verein für allgemeine und berufliche Weiterbildung Eine Dokumentation von Hans-Peter Thelen
Vorwort Wir bleiben denen verpflichtet, die uns brauchen In seinem Buch „Ausser Dienst“ hat Helmut Schmidt geschrieben: „Die Pflicht zur Mit- menschlichkeit, das ist die Antwort auf die Sinnfrage.“ Der Verein für allgemeine und berufliche Weiterbildung ist vor 25 Jahren gegründet worden, damit er Menschen eine neue berufliche Perspektive, ein Stück Hoffnung geben kann. Menschen, die in tiefer Sorge um ihren Arbeitsplatz waren. Menschen, die nicht wussten, ob ihre Kinder und Enkel noch einen Ausbildungsplatz finden, wenn der Bergbau die Aachener Region, das Wurmrevier endgültig verlassen hat. Wie am ersten Tag, ist der Verein auch heute noch diesen Menschen verpflichtet. Dabei geht es vor allem um junge Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer, oft sind es schwierige soziale Hintergründe – keinen Ausbildungsplatz finden. Das ist der rote Faden, den der politische Journalist Hans-Peter Thelen durch diese Dokumentation zum 25jährigen Bestehen des VABW gewoben hat. Das Aufgabengebiet des Vereins ist breiter, aber die Pflicht und die Freude daran, denen neue Chancen zu öffnen, die es alleine nicht schaffen, ist und bleibt seine Kernkompetenz. Die Dokumentation verschweigt nichts, auch nicht die Hintergründe, die zur großen Krise im Jahr 2001 geführt haben. Beeindruckend ist, wie der Autor im ersten Kapitel die Hintergründe und Zusammenhänge aufdeckt, die die Region mit dem Ende des Bergbaus bewegt und aufgewühlt haben. So wie hier ist dies bisher noch nicht beschrieben worden. Zugleich wird deutlich, was Einigkeit in der Sache über parteipolitische Grenzen hinweg kraftvoll und nachhaltig bewegen und gestalten kann. Das fünfte Kapitel schließlich legt den Weg offen, den der VABW jetzt gehen muss. Mit dem Jubiläum des Vereins für allgemeine und berufliche Weiterbildung verbinden wir den Dank an die vielen Menschen, die uns in den ersten 25 Jahren begleitet haben. Konstruktive Kritik hat uns geholfen, nie in eine Sackgasse zu geraten. Mutige Freunde waren zur Stelle, wenn wir sie gebraucht haben. Und immer wieder waren es engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ganz im Sinne von Helmut Schmidts Antwort auf die Sinnfrage stets mehr als ihre Pflicht getan haben. Ihnen allen und der gemeinsamen Sache wünschen wir ein herzliches Glück Auf! Hans Vorpeil Dr. Hartmut Hinke 1. Vorsitzender Geschäftsführer 3
Der Schock führt zum regionalen Schulterschluss Ein Gutachten, das die Region „Das Gutachten hat im Nordkreis elektrisierte einen Schock ausgelöst, auch bei uns, bei der IHK“, erinnert sich der Der Befund, den die PROGNOS AG heutige IHK-Hautgeschäftsführer im Dezember 1983 zur „Entwicklung Jürgen Drewes. Spätestens seit Ende der Wirtschaftsstruktur in der Region der 70er Jahre sei bekannt gewesen, Aachen“ vorlegte, war knallhart: dass die Steinkohleförderung in „Allein die prognostizierte Abnahme Deutschland deutlich zurückgehen der Beschäftigung führt rechnerisch werde. zu einer Erhöhung der Arbeitslosen- quote um 5,8 Prozentpunkte. Unter Anfang der 70er Jahre waren die Berücksichtigung der Entwicklung EBV-Zechen Anna und Adolf bei des Arbeitskräftepotentials ist für gleichzeitiger Stilllegung der Förde- 1990 mit einer Arbeitslosenquote rung auf Adolf zusammengelegt von 14,5 Prozent bis 16,5 Prozent zu worden. 1975 wurde die Grube Carl rechnen. Hierbei sind die Auswirkun- Alexander in Baesweiler stillgelegt. gen gemäß den Berechnungen zu Ende der 70er Jahre begannen beim hypothetischen Zechenstilllegungen EBV die Umstrukturierungsmaßnah- nicht berücksichtigt.“ men zur Zusammenlegung der Gru- ben Anna in Alsdorf und Emil May- PROGNOS, Europäisches Zentrum für risch in Siersdorf. Der so genannte angewandte Wirtschaftsforschung, „Durchschlag“ unter Tage zwischen war von der Industrie- und Handels- diesen beiden Gruben fand 1983 kammer zu Aachen im August 1983 statt. Danach wurde auf Anna nicht beauftragt worden, kurzfristig eine mehr gefördert. 1987 beschloss die Analyse der Wirtschaftsstruktur, ihrer Bonner „Kohlenrunde“ die sozialver- Entwicklung sowie mögliche Maßnah- trägliche Stilllegung der noch vor- men zur Sicherung und Verbesse- handenen EBV-Bergbaubetriebe im rung der Wirtschaft im Kammerbe- Aachener Revier für das Jahr 1992. zirk zu erarbeiten. Hintergrund dieses Auftrages war das Wissen um das Ende des Aachener Steinkohlereviers. 4
Ein Blick auf die Produktivität der PROGNOS, waren vom Bergbau ab- Pressespiegel Zechen, abhängig von Mächtigkeit hängig. Jürgen Drewes: „Wenn man und Lagerverhältnissen der Kohle- PROGNOS verdichtet, lautete das 1. Februar 1985 flöze, ließ erkennen, in welcher Rei- Ergebnis der Untersuchung im Kern Aachener Volkszeitung: Hans Vorpeil heißt der neue henfolge Bergwerke von Zechen- 25 bis 30 Prozent Arbeitslosigkeit im Vorsitzende des Vereins für schließungen betroffen sein würden. nördlichen Teil des Kreises Aachen, allgemeine und berufliche Wei- terbildung. Mit der Wahl des „Wir wussten also sehr früh, dass in falls nichts in Sachen Strukturwandel aus Alsdorf stammenden SPD- Alsdorf, in Aldenhoven-Siersdorf und geschieht.“ Diese Erkenntnis sei aber Kommunalpolitikers wurde die nun seit einem Jahr andauernde dann auch in Hückelhoven der Stein- nicht nur Schock gewesen, so der „provisorische Lösung“ zur kohlebergbau in absehbarer Zeit zu Hauptgeschäftsführer der IHK, viel- festen Institution. Komplettiert wird das „Triumvirat“ an der Ende geht“, begründet Jürgen Dre- mehr auch ein starkes Motiv, um zu Spitze dieses Vereins durch den wes das PROGNOS-Gutachten. Es sagen: „Wir müssen jetzt in der Re- stellvertretenden Vorsitzenden Adolf Lengersdorf (CDU), stell- sollte den Ideen und Konzepten der gion das tun, was wir tun können.“ vertretender Bürgermeister von Kammer zur Lösung des Strukturpro- Würselen, und vom bewährten Geschäftsführer Spille (VHS blems eine wissenschaftliche Grund- Bezogen auf die wirtschaftliche Situ- Alsdorf). lage geben. Anfang 1984 ging die ation formulierte die Kammer präzi- Aachener Nachrichten: Industrie- und Handelskammer mit se Forderungen für den Struktur- Für die Berufsausbildung und dem PROGNOS-Gutachten in die wandel, für die Zeit nach dem Weiterbildung von Fachar- beitern und Gesellen soll im Öffentlichkeit und gab damit einem Steinkohlebergbau. Wissenschaftlich Nordkreis Aachen ein Brücken- offenen gesellschafts- und wirt- untermauert standen auf ihrer kopf errichtet werden. Für Jugendliche ohne Ausbildungs- schaftspolitischen Dialog die metho- Agenda der Wissenstransfer zwi- plätze ab März in den Berufen dische Grundlage. schen Wissenschaft und Wirtschaft Bürokaufmann, Technischer Zeichner, Bauschlosser und ebenso wie, zum Beispiel, die Ein- Energieanlagenelektroniker 14,5 bis 16,5 Prozent Arbeitslosen- richtung und Unterstützung von eingerichtet. Planungsvorbe- reitungen werden getroffen, quote hatte die PROGNOS AG für Gründerzentren. In drei Bereichen um ab August in Würselen das Jahr 1990 berechnet, und zwar sollten Impulse gesetzt werden: Exis- ein Kolleg zur Erlangung der Hochschulreife sowie in Alsdorf ohne die bevorstehenden Zechen- tenzgründungen aus den Hochschu- eine Berufsbildungsstätte unter schließungen. Ende 1983, als das len. Technologietransfer aus den Einbezug der Technologien rech- nerunterstütztes Konstruieren Gutachten erstellt wurde, standen Hochschulen der Region in die Un- (CAD) und rechnerunterstützte auf den Schichtzetteln des Aachener ternehmen. Ansiedlungswerbung im Fertigungssteuerung (CAM) zu errichten. Steinkohlereviers noch rund 14.000 Ausland für die gesamte Region. Beschäftigte. Weitere rund 5000 Arbeitsplätze in der Region, so 5
18. März 1985 Das bevorstehende Ende des Stein- hatte die Landesregierung schon Aachener Nachrichten: Das gibt’s nicht alle Tage. Da kohlebergbaus erhöhte den Hand- reichlich Erfahrung mit dem immer beginnt für 60 Jungen und lungsdruck. Zumal vor 25 Jahren die tiefer greifenden Strukturwandel an Mädchen die Berufausbildung, und aus Düsseldorf reist eigens Aachener Region die Potenziale, die der Ruhr. Kohle und Stahl prägten aus diesem Anlass NRW-Wirt- in ihr steckten, nicht ausreichend neben der Chemie zwar noch deut- schaftsminister Professor Reimut Jochimsen an. nutzte. PROGNOS beschrieb das so: lich das Ruhrgebiet. Ihre dominieren- Der Minister war nicht mit de Rolle aber büßte die Montanin- leeren Händen gekommen. Ein grüner Schnellhefter verbarg „Die Produktpalette der Aachener dustrie Zeche um Zeche, Hochofen den Bewilligungsbescheid über Industrie weist mehr Schwächen als um Hochofen ein. Schon 1958 hatte 1,9 Millionen Mark, die das Land zu dem Projekt beisteuert. Stärken auf. Zum einen werden ‚tra- das Zechensterben und damit die Empfänger des Dokuments: ditionelle’ Produkte in ‚traditionel- Dauerkrise des Steinkohlebergbaus VABW-Geschäftsführer Klaus Spille. len’ Branchen gefertigt (z. B. Textil in Nordrhein-Westfalen begonnen: und Bekleidung, Nahrungs- und Ge- In zehn Jahren waren 78 Schachtan- 14. September 1985 Aachener Nachrichten: nussmittel, Papier und Pappe). Zum lagen geschlossen worden, ging die Auf vier Etagen breiteten anderen sind auch die Produkte Zahl der Beschäftigten bei der Ruhr- Betriebsschlosser, Technische Zeichner und Energieanlagen- technologieintensiver Branchen wie kohle von 607.000 auf 287.000 zu- elektroniker das aus, was sie in Maschinenbau und Elektrotechnik rück. Das Kabinett von Ministerpräsi- Lehrmonaten gefeilt, gezeichnet oder gelötet hatten. Um ein noch (zu) stark an alten Märkten ori- dent Franz Meyers reagierte 1961 passgenaues Maschinenteil zu entiert, und dies trotz hervorragen- auf das Zechensterben mit dem Be- fertigen, konnte Lehrling Eduard Kretschmer beispielsweise die der Voraussetzungen für den Tech- schluss zur Gründung der Ruhr-Uni- Maschinen des EBV beanspru- nologietransfer in der Region versität. chen, denn seine dreijährige Berufsausbildung wird auf prak- Aachen. Die Kooperationsmöglich- tischer Seite von dem Eschweiler keiten (TH Aachen, KFA Jülich) wer- Der dramatische Wandel wühlte die Bergwerksverein unterstützt. den zu wenig genutzt.“ Menschen auf. Am 19. Februar 1966 Aachener Volkszeitung: gingen in Gelsenkirchen 20.000 Men- Eine Idee scheint sich durchzu- setzen. Der Verein für allgemeine Das Aachener Revier blickte auf das schen, Bergleute und deren Familien, und berufliche Weiterbildung Ruhrgebiet Kaufleute und Handwerker, mit mit Sitz in Alsdorf stellte sich und seine Arbeit am Freitag , genau schwarzen Fahnen auf die Straße. Sie ein halbes Jahr nach dem Start, Als am 23. Dezember 1983 mit dem protestierten gegen die Schließung erstmals der Öffentlichkeit vor. letzten Förderwagen die letzten der Zeche Graf Bismarck. Die Fern- Steinkohlebrocken aus der Grube An- sehbilder flimmerten in die Wohn- na in Alsdorf nach Übertage kamen, zimmer der Republik und beschäftig- ten Landes- und Bundespolitik 6
gleichermaßen. Aufgehalten hat es „Neidische Blicke wirft das Wurm- Was den Besuchern aus Politik, Verwaltungen, Verbänden und die Entwicklung nicht. Am 30. Sep- revier auf das Ruhrgebiet. Die fünf Unternehmen in dem Gebäude tember kam der Deckel auf Graf Städte Alsdorf, Herzogenrath, an der Waldstraße gezeigt wur- de, war ebenso beeindruckend Bismarck und besiegelte das Aus Würselen, Baesweiler und Übach- wie überzeugend. für 6.700 Bergleute. Auch die beiden Palenberg mit insgesamt 170.000 29. Februar 1988 Ölkrisen 1970 führten nicht, wie von Einwohnern verlangen von der Lan- Aachener Volkszeitung: einigen gehofft, zur langfristigen desregierung eben die Förderung, die Der VABW zählt bereits 50 hauptamtliche Mitarbeiter; 60 Stabilisierung des heimischen Stein- das Ruhrgebiet erhält. Das Aachener sollen’s zum Jahresende sein, kohlebergbaus. Steinkohlengebiet darf ihrer Ansicht davon 36 Lehrer. Dann wird das Euregio-Kolleg 350 Studieren- nach nicht hinter dem 1980 von der de haben – der Andrang ist Mit Beginn der 80er Jahre flankier- Düsseldorfer Landesregierung verab- wesentlich größer, so dass über eine Aufstockung bis zu 450 ten die Regierungen in Bund und schiedeten Ruhrprogramm zurück- Teilnehmer nachgedacht wird. Land die Subventionspolitik für die stehen. Das machten am Mittwoch- 1. März 1988 heimische Steinkohle mit einer inno- abend die Vertreter der fünf Städte, Aachener Nachrichten: vativen Regionalpolitik. Auf einer die sich in einer Aktionsgemeinschaft Bereits vier Jahre nach seiner Gründung kann der Verein zweitägigen Ruhrkonferenz in Cast- Wurmrevier zusammengefunden ha- für allgemeine und berufliche rop-Rauxel kündigte Ministerpräsi- ben, in Alsdorf deutlich.“ Weiterbildung auf erste Erfolge in dem Bemühen um eine dent Johannes Rau am 8. Mai 1979 zunehmende Qualifizierung von Strukturhilfen in Milliardenhöhe für Organisiert und vorbereitet worden Jugendlichen und Arbeitneh- mern der Region verweisen. das Ruhrgebiet an. Darauf verwies war die Wurmrevierkonferenz von die Aachener Region Anfang der Klaus Pohlmann, damals Stadtdirek- 16. September 1988 Aachener Volkszeitung: 80er Jahre, als sie mit Blick auf das tor in Alsdorf. Die Wahrnehmung Anlässlich der Eröffnung der bevorstehende Ende der hiesigen des Bergbaurückzugs im Aachener Berufsbildungsstätte Alsdorf- Ofden lädt der Verein für allge- Steinkohleförderung von der Lan- Revier war different. Dort, wo die meine und berufliche Weiter- desregierung eine Wurmrevierkon- Fördertürme ihre längsten Schatten bildung heute zwischen 16 und 18 Uhr alle interessierten Bürger ferenz im Kreis Aachen forderte. warfen, fiel das Umdenken beson- nach Ofden in die Alfred- Die Konferenz fand statt, und Wirt- ders schwer. „Als wir die Wurmrevier- Brehm-Straße 29 ein. schaftsredakteur Ulrich Kölsch be- konferenz vorbereiteten, dachten wir schrieb die Motivation der Region noch nicht über das Ende des Berg- in der „Aachener Volkszeitung“ vom baus nach“, erinnert sich der ehema- 12. Januar 1984: lige Alsdorfer Verwaltungschef, „wir 7
17. September 1988 sind eigentlich davon ausgegangen, zu einem großen Teil um Frauenar- Bildzeitung: Es ist mit modernsten Ma- dass der Bergbau in einer bestimm- beitsplätze handelte“, weiß Pohlmann. schinen ausgestattet, kostete ten Größenordnung erhalten bleibt, Als besonders freundlicher Akt sei es 3,2 Millionen Mark. Gestern übergaben NRW-Wirtschafts- vielleicht mit 8000 Arbeitsplätzen, vom Bergbaubetreibenden nie ange- minister Reimut Jochimsen und vielleicht etwas weniger, vielleicht sehen worden, wenn Alsdorf und an- Bürgermeister Josef Thelen das neue Berufsbildungszentrum an etwas mehr.“ Allerdings, und hier dere Revierstädte sich um alternative den Verein für Allgemeine und glichen sich die Analysen an, herrsch- Arbeitsplätze bemühten. Berufliche Weiterbildung. Hier werden Schlosser und Dreher te auch in den kommunalen Verwal- auf die Computer-Zukunft vor- tungszentren des Aachener Reviers Die Einstellung hatte sich bis zur bereitet. Nordrhein-Westfalen förderte das Alsdorfer Projekt die Überzeugung, dass nicht weiter Wurmrevierkonferenz 1984 deutlich mit 2,31 Millionen Mark. auf die bisher prägende Monostruk- geändert. Ob bewusst oder unbe- Aachener Volkszeitung: tur gesetzt werden dürfe. wusst: Die Konferenz manifestierte Welche Wertschätzung dieses das Umdenken. Bergbau kann nicht Projekt des VABW in der Region hat, wurde unter anderem Neue Herausforderungen trafen auf mehr alles sein, die Region muss sich an den vielen Gästen aus altes Denken eine breitere Wirtschafts- und Arbeits- Wirtschaft und Handel, an den Vertretern aus den Verwaltun- marktbasis schaffen, war deutlich gen der VABW-Städte und des Klaus Pohlmann erinnert sich an die geworden. Vordergründig ging es Kreises und natürlich auch an den Politikern deutlich. alte wirtschaftspolitische Denkstruk- den Planern der Wurmrevierkonfe- Zitat NRW-Wirtschaftsminister tur in Bergbaustädten wie Alsdorf. renz darum, die gleiche Förderung Jochimsen: „Mein Appell geht ... vor allem an die mittelständi- Er sei 1975 Stadtdirektor in Alsdorf zu erhalten, die das Land dem Ruhr- schen Unternehmen: Verpassen geworden. In der seit Jahrzehnten gebiet gewährte. „Das war unser Sie nicht die Chance, die eine rechtzeitige Weiterqualifika- herrschenden Monostruktur habe Ansatzpunkt, mit dem wir Landes- tion ihrer Mitarbeiter für die die Kommunalpolitik den Stand- wirtschaftsminister Jochimsen in die Zukunft ihres Betriebes mit sich bringt. Wer die berufliche punkt vertreten: „Wir dürfen hier Region holten, um herauszufinden, Weiterbildung seiner Mitarbeiter keine zum Bergbau konkurrierenden wie diese Hilfe strukturiert werden blockiert, der blockiert auch die Entwicklungsmöglichkeiten des Arbeitsplätze schaffen.“ Seinerzeit könnte“, erklärt Klaus Pohlmann das eigenen Betriebes.“ habe der Eschweiler Bergwerks-Verein Motiv der damaligen Bergbaukommu- (EBV) schon die Ansiedlung des Schall- nen Alsdorf, Baesweiler, Herzogen- plattenherstellers Record Service sehr rath, Würselen und Übach-Palenberg. kritisch gesehen. „Beruhigung kehrte ein, als klar wurde, dass es sich dort 8
Jenseits allen Kirchturmdenkens hoffte Hilfe der Landesregierung. Aachener Nachrichten: Mit der feierlichen Übergabe waren sich die fünf Kommunen einig Der Aachener Bischof Klaus Hem- einer Berufsbildungsstätte in dem Ziel, die Abhängigkeit von nur merle sprach von einer „tief verletz- im Herzen der Bergbaustadt wurde jetzt ein weiterer Schritt einem Wirtschaftszweig zu beenden. ten Region“, deren Menschen neue zu einem „sozialverträglichen Zu deutlich war geworden, wie unauf- Hoffnung gegeben werden müsse. Strukturwandel“ in der Region vollzogen. haltsam der Bergbau schrumpfte und Dr. Heinz Malangré, Präsident der In- Facharbeiter, Gesellen, Meister Arbeitsplätze verloren gingen. „Alle dustrie- und Handelskammer, warb und Kaufleute erlernen hier eine Vielzahl der gängigen Program- Städte waren mit dem Bergbau ge- für die Standortsicherung bestehen- miersprachen, die Handhabung wachsen, jetzt ging bei allen der der Unternehmen und für Technolo- von Datenbanken oder den Einsatz von CNC-Werkzeugma- Bergbau zurück – und wir merkten gieförderung. Jochimsen griff den schinen und CAD-Techniken im doch auch, dass die Einwohnerzahlen Faden auf und bedauerte, dass von Produktionsprozess. Das „Alsdorfer Modell“ einer nicht mehr wuchsen“, so der damali- keiner der fünf Aktionsstädte Lan- Berufsbildungseinrichtung ge Alsdorfer Stadtdirektor. Verein- desgelder aus dem „Technologie- besitzt inzwischen bereits einen Ruf auch über die Landesgren- facht wurde das geschlossene Auf- programm Wirtschaft“ abgerufen zen hinaus. So zählten zu den treten der fünf Kommunen auch worden seien. Die Landesregierung Eröffnungsgästen in Ofden auch der Botschaftssekretär durch einen anderen Umstand. „Da- hatte sich die Förderung des Techno- der CSSR, Dipl.-Ing. Frantsisek mals gab es in allen fünf Stadträten logietransfers zwischen Wissenschaft Stika, und der Botschafter von Quatar, Ahmed A. Al-Khal, in SPD-Mehrheiten, und die Landesregie- und Wirtschaft auf die Fahnen ge- Begleitung des Universitätspräsi- rung war auch SPD-geführt“, erklärt schrieben. Genau das, was das PROG- denten Professor Abdullah Juma Al-Kobaisi. Eine Weiterbildungs- Pohlmann die Absicht, unter politisch NOS-Gutachten in der Aachener einrichtung nach Alsdorfer Gleichgesinnten „mal etwas gemein- Region mit der RWTH und dem For- Vorbild, so war zu hören, soll demnächst auch am Persischen sam zu erreichen und durchzusetzen“. schungszentrum Jülich vermisste und Golf eingerichtet werden. worauf die Industrie- und Handels- 5. Mai 1989 Nordrhein-Westfalens Wirtschafts- kammer drängte. Aachener Nachrichten: minister Reimut Jochimsen versprach Hiermit stehen der Berufsbil- dungsstätte gegenwärtig 900 auf der Wurmrevierkonferenz, die Jürgen Drewes war vom Ergebnis Quadratmeter Nutzfläche zur am 11. Januar 1984 im Pädagogischen der Wurmrevierkonferenz zunächst Verfügung, die ab August auf insgesamt 2500 Quadratmeter Zentrum der Hauptschule Alsdorf- enttäuscht: „Die einzige Idee, die anwachsen wird. Dann werden Nord stattfand und von Walter Eras- dabei heraus kam, war: Gründet dort auch die zentrale Ge- schäftsstelle und die Übungs- my, dem stellvertretenden WDR-Chef- doch einen Zweckverband, dann firma untergebracht sein. redakteur moderiert wurde, die er- habt ihr alle Probleme gelöst.“ 9
6. Mai 1989 Ein Zweckverband aber sei „nichts Bergbau wegbrach, hätten sich viele Bote an der Inde: Der Vorsitzende des Weiterbil- anderes als eine juristische Hülle, ein in der Region Gedanken gemacht, dungskollegs, Bürgermeister weiterer Player in dem Spiel“. Das sei bestätigt auch Ralf W. Barkey, Haupt- Martin Schulz aus Würselen, berichtete über die Entwicklung keine inhaltliche Lösung. Schließlich geschäftsführer der Handwerkskam- am Euregio-Kolleg, dem Institut wurde kein Zweckverband gegrün- mer Aachen. Es sei nicht gesagt wor- zur Erlangung der Hochschul- reife. Das erste Abitur konnte det, stattdessen entstand ZAR, die Zu- den: „Jetzt haben wir ein großes von 35 Studierenden im kunftsinitiative im Aachener Raum. Problem mit dem Bergbau“. Viel- Dezember 1988 abgelegt wer- den. Zurzeit studieren am Kolleg Für Drewes eine zufriedenstellende mehr sei gefragt worden, so Barkey, 370 Frauen und Männer, für die Lösung, „weil damit eine zusätzliche wie es in zehn, fünfzehn Jahren hier 36 Lehrkräfte beschäftigt sind. Verhandlungsebene in der Region aussehen solle. „Wohin entwickelt 18. August 1989 verhindert werden konnte“. Es gab sich die Region?“ Aachener Volkszeitung: Die VABW-Berufsbildungsstätte also die von der IHK gewünschte fle- an der Alfred-Brehm-Straße in xiblere, geschmeidigere Form. „Mit Die Handwerkskammer schlug in die- Alsdorf-Ofden führt am Freitag, 18. August, von 14 bis 19 Uhr ZAR“, so Jürgen Drewes, „hatten die selbe Kerbe wie die IHK. Als der Berg- und am Samstag, 19. August, Kohlekommunen eine Plattform, auf bau begann, sich aus der Region zu von 10 bis 16 Uhr Informations- tage zum neuen Lehrgangsan- der sie ihre Linie abklopfen konnten verabschieden, drängte auch sie gebot durch. und gemeinsam gesprächsfähig wa- darauf, die Region stärker technolo- Aachener Nachrichten: ren, ohne dass damit wieder ein Rie- gisch auszurichten. „Das war die Die Berufsbildungsstätte senapparat bremste“. gemeinsame Verabredung von Kam- startet im September wieder mit einem umfangreichen mern und Politik“, unterstreicht Ralf Fortbildungsangebot für PROGNOS und die Konferenz hatten W. Barkey. Ein Pflänzchen begann zu Kaufleute, Facharbeiter und Gesellen, Techniker, Meister eine kleine Pflanze gesät wachsen. Die Wurmrevierkonferenz, und Hochschulabsolventen. unterstützt durch das PROGNOS-Gut- 19. August 1989 Die Protagonisten in der gesamten achten, und das Drängen der Kam- Aachener Nachrichten: Region rückten zusammen. Der mern lenkten auch bei den politisch Mit Tipp-Ex flüssig kann man nicht auf dem Bildschirm Strukturwandel, dass wussten Kam- Verantwortlichen in den Bergbau- arbeiten. Wer die Leuchtzeichen mern, Politik, Verwaltungen, betraf städten das Denken in eine neue korrigieren will, muss die Programmbefehle kennen – nicht nur die Bergbaukommunen. Der Richtung. Der Strukturwandel mit oder erlernen. Aus der Erfah- Strukturwandel erfasste die gesamte seiner verstärkten Ausrichtung auf rung lernen heißt auch das Leitwort für die Weiterbildungs- Region und ging alle an. Drewes: „Das die Chancen neuer Technologien, einrichtung VABW in Alsdorf. hat Auswirkungen gehabt in Richtung auf Wissenstransfer und auf eine be- Düren, in den Heinsberger Bereich, ruflich breite Qualifizierung war im auch in den Süden hinein.“ Als der Wurmrevier angekommen. 10
Bis zur Wurmrevierkonferenz war „das bedrückendste Problem in un- Aachener Volkszeitung: „Zukunft durch Weiterbildung“. das alles kein großes Thema gewesen. serer Region, die Bekämpfung der Mit diesem Motto wirbt der „Bei uns war noch Ende der 70er Jugendarbeitslosigkeit“. Die jüngsten Verein für allgemeine und beruf- liche Weiterbildung e.V. (VABW) Jahre vorrangig darüber nachge- Zahlen vom Arbeitsmarkt zeigten, so auf den frisch gedruckten Plaka- dacht worden, wie für die Bergleute, der Fraktionsvorsitzende, „dass das ten. Im Auftrag des Vorstandes erarbeitete die Geschäftsführung deren Arbeitsplätze verloren gingen, Problem der Jugendarbeitslosigkeit der Bildungsstätte ein neues Ersatz beschaffen werden sollte“, und der Menschen ohne Ausbildungs- Werbekonzept. beschreibt Klaus Pohlmann den am platz derzeit von der Wirtschaft 22. August 1989 Tagesproblem ausgerichteten Prag- alleine nicht gelöst werden kann“. Aachener Volkszeitung: Gemeinsam mit den zuständigen matismus, „dafür brauchte man kei- Vermutlich unter dem Eindruck des Jugendämtern werden in den nen Technologietransfer.“ Im Schat- Schocks, den die Region ein Jahr zu- Städten Alsdorf, Baesweiler, Eschweiler, Herzogenrath und ten der Fördertürme sei, zumindest vor, kurz vor der Wurmrevierkonfe- Würselen Anfang September in den 70er Jahren, nicht vertieft renz erlebt hatte, forderte er für den Anlauf- und Kontaktstellen für arbeitslose und von Arbeitslo- darüber nachgedacht worden, dass nördlichen Teil des Kreises Aachen ei- sigkeit bedrohte Jugendliche die Chance auf einen neuen Arbeits- ne überbetriebliche Ausbildungsstätte. eröffnet. platz mit bestmöglicher Ausbildung 23. August 1989 und Weiterqualifizierung steige. „Das war der Dolchstoß für die Würselener Anzeiger: Zielsetzung dieser Einrichtung Stattdessen sei gesagt worden: „Wir Menschen hier“ ist, Hilfen für arbeitslose junge brauchen entsprechende, ähnliche Menschen zwischen 16 und 25 Jahren anzubieten, deren Arbeitsplätze wie im Bergbau.“ Die Rinkens hatte beim Schreiben seiner Chancen auf dem Arbeitsmarkt Themen verbesserte Ausbildung und Zeilen den Blick offenbar auf eine durch fehlende Schulabschlüsse oder durch besondere persön- mehr technologieorientierte Ausbil- Nachricht gelenkt, die ein Jahr zuvor liche oder soziale Bedingungen dung seien erst später auf die Tages- viele im Aachener Revier durchge- gemindert sind. ordnung gekommen. schüttelt hatte. Klaus Spille beschreibt Aachener Nachrichten: sie mit drastischen Worten: Hintergrund ist der Modellver- such „Regionales Verbundsystem Zum Beispiel nach der Kommunal- „Das war der eigentliche Dolchstoß Schule-Beruf, der am 1. März wahl im Herbst 1984. In einer Kolumne für die Menschen hier“ und meint 1989 begonnen wurde, in Zusammenarbeit mit dem Kreis für die „Aachener Nachrichten“ be- damit die Mitteilung des Eschweiler Aachen und dem Bundesminis- schrieb der SPD-Fraktionsvorsitzende Bergwerksvereins im Jahr 1983, ab terium für Jugend, Familie und Gesundheit. im Alsdorfer Stadtrat, Jakob Rinkens, sofort nur noch für den eigenen Be- aus seiner Sicht die Ziele der Kom- darf, aber nicht mehr darüber hin- munalpolitik. Dazu zählte er auch aus auszubilden, was in vielen Jah- ren zuvor Tradition war. 11
2. Juni 1990 Klaus Spille war damals Leiter des Eine Prognose, die in den Nordkreis- Aachener Nachrichten: Bilanz, Verabschiedung von Vor- Volkshochschulzweckverbandes Als- städten durch die EBV-Entscheidung standsmitgliedern, Festlegung dorf-Baesweiler und weiß: „Das ging nicht mehr eintreffen konnte, weil des Wirtschaftsplans. Der Verein für allgemeine und berufliche hier in Alsdorf und der Region als sie konterkariert wurde mit dem Weiterbildung (VABW) hatte zur richtig schlimmes Signal durch: Der deutlichen Abbau von Ausbildungs- Hauptversammlung eingeladen. Die Arbeit des Vereins entwi- größte Ausbilder der Region kapazitäten. Dass der Steinkohle- ckelte sich um drei Pole: Berufs- bildet demnächst nicht mehr aus!“. bergbau im Aachener Revier mit und bildungsstätte, Euregio-Kolleg und Regionales Verbundsystem mit an Bedeutung verlor, darauf hatte Übergang Schule-Beruf. Was der Verein Deutscher Ingenieure die Region zaghaft begonnen, sich Aachener Volkszeitung: (VDI) am 24. Februar 1984 in seinen einzurichten. Seit 1962 waren acht Die Auftragslage der VABW- VDI-Nachrichten veröffentlichte, Schachtanlagen geschlossen worden. Berufsbildungsstätte wird als sehr gut bezeichnet, denn konnte also die Ausbildungssituation In 20 Jahren waren 15.000 Arbeits- bereits jetzt ist ein Auftrags- im Wurmrevier nicht mehr entspan- plätze im heimischen Aachener Berg- volumen von 775000 Mark vereinbart. nen. Mit einer beeindruckenden bau verloren gegangen. Mit der jetzt Gegen eine starke Konkurrenz Grafik zum Thema „Nachwuchs- verkündeten Entscheidung des EBV, erhielt der VABW den Zu- schlag für einen 18monatigen Berge“ berichtete der VDI: seine Ausbildungskapazitäten zu re- Umschulungslehrgang zum duzieren, waren die Menschen ins Datenverarbeitungskaufmann. „Der Babyberg der 60er Jahre – da- Mark getroffen: „Was wird aus unse- 14. September 1990 mals gab es Jahr für Jahr beträchtliche ren Kindern, was wird aus unseren Aachener Nachrichten: Wie schnell sich der VABW Geburtenüberschüsse – gleicht einer Enkeln, wenn sie keinen Ausbildungs- auf innovative Entwicklungen Wanderdüne. Er durchwandert nach platz finden?“ einstellt, zeigt der Umstand, dass unter den 92 angebote- und nach alle unsere Bildungsein- nen Lehrgängen allein 18,5 richtungen. In der Grundschule ist er Die Arbeitslosenquote in der Region Prozent neue sind. Dazu gehören EDV-Grundlagen- und schon durch, und jetzt verlässt er auch Aachen hatte sich von 5,5 Prozent im Betriebssysteme wie „Software- allmählich die Haupt- und Realschu- Jahr 1980 (Nordrhein-Westfalen: 4,7 Engineering“, „Datenkonver- tierung“, „DOS V DOS-Intern“, len. Die stärksten Jahrgänge haben Prozent) bis 1982 auf zehn Prozent im Bereich der Textverarbeitung diese Schulen schon in den Jahren (Nordrhein-Westfalen: 8,7) fast ver- „Wordstar 2000“, im Grafik- bereich „Desk-Top-Publishing“- 1978 bis 1983 verlassen, und ab 1984 doppelt. Und PROGNOS schrieb in Aufbaukurs, darüber hinaus werden die Abgängerzahlen schnell seinem Gutachten: „In steigendem Kalkulation, Netzwerke und Utilities etc. geringer. Da Haupt- und Realschüler Maße leiden Jugendliche unter 20 den weitaus größten Teil der Lehr- Jahren (Schulabgänger), Personen stellenbewerber stellen, ist also Ent- zwischen 20 und 25 Altersjahren lastung für den Lehrstellenmarkt in Sicht.“ 12
(keine Stelle nach Abschluss der Aus- der ersten Hälfte der 80er Jahre im Aachener Volkszeitung: 1773 Lehrgangsteilnehmer, bildung) und Personen über 45 Jahre Handwerk nicht so stark durchge- von denen 51 Prozent Frauen (Opfer von Rationalisierungsmaß- schlagen war. Barkey erklärt das da- waren, haben bisher diese Wei- terbildungsangebote genutzt. nahmen) unter Arbeitslosigkeit.“ mit, dass kleine, flexible Handwerks- In diesem Jahr verzeichnete der betriebe generell in der Lage sind, Verein schon 566 Anmeldun- gen. Neben dem „Kunden“ „Nehmt Arbeitskräfte auf. Nehmt Veränderungen deutlich besser auf- Arbeitsamt konnten seit Be- Auszubildende auf.“ zufangen: „Das ist wie mit dem stehen des VABW auch schon 50 Firmen aus der Region mit Schnellboot und dem Tanker. Wenn Weiterbildungsmaßnahmen für Die Politik machte sich Gedanken ein großer Öltanker auf offener See ihre Mitarbeiter bedient werden. – und blickte auf die 2.300 Hand- die Bremse drückt, dann bleibt der 2. März 1991 werksbetriebe in der Region mit ih- 18 Kilometer später stehen. Und er Aachener Nachrichten: Zum regionalen Verbundsystem ren damals 21.000 Beschäftigten. braucht noch mal zweieinhalb Kilo- Übergang Schule-Beruf war zu Man wusste, dass im Ruhrgebiet viele meter, bis er gewendet hat. Das hören, dass das Modellprojekt auch 1991 und 1992 weiterge- ehemalige Bergleute in Handwerks- schafft so ein kleines Schnellboot na- führt wird. Schwerpunkte der betrieben eine neue berufliche Pers- türlicher wesentlich schneller.“ Hinzu Arbeit waren 1990 die Ausar- beitung eines Angebotes für pektive gefunden hatten. So wurde komme, ergänzt der Hauptgeschäfts- Hilfen beim Aufbau von Struk- auch im Aachener Revier die Forde- führer, dass in Handwerksbetrieben mit turen der Jugendhilfe im Kreis Belzig in Kooperation mit dem rung an die Handwerksbetriebe ge- stark familiär geprägten Strukturen Kreis Aachen, die Entwicklung stellt: „Nehmt Arbeitskräfte auf. die Neigung vorherrsche, Beschäftig- pädagogischer Handlungsmög- lichkeiten zur Auseinanderset- Nehmt Auszubildende auf.“ Ralf W. tenzahlen konstant zu halten. Es ge- zung mit rechtsextremistischen Barkey, Hauptgeschäftsführer der be immer mal konjunkturbedingte Tendenzen in der Jugendarbeit, die Erstellung von Bildungs- Handwerkskammer Aachen, bestätigt, Anpassungen, aber nicht die großen einheiten für Mädchenarbeit dass die Bergleute „in fachlicher Hin- Ausschläge wie in der Industrie. sowie die Durchführung einer Bundesjugendplantagung mit sicht teilweise hervorragende Quali- integrierter Fachtagung in fikationen“ mitbrachten. Die beruf- Die Handwerksbetriebe hätten sich Herzogenrath zum Thema „Gesamtdeutsche Entwicklung liche Qualifikation im Bergbau habe auf die neue Situation eingestellt – Auswirkungen auf Ausbildung schon immer auf sehr hohem Niveau und bewusst neue Märkte gesucht. und Beschäftigung von Mädchen und Frauen“. stattgefunden. „Unsere Betriebe haben nicht mehr Der politische Hilferuf wurde auch nur zur Kenntnis genommen, dass dadurch genährt, dass der dramati- aus dem benachbarten Ausland sche Anstieg der Arbeitslosigkeit in Fachkräfte zu uns kommen und hier arbeiten, sie fingen an, sich dort 13
Aachener Volkszeitung: ganz gezielt neue Märkte zu erschlie- Arbeiten und Lernen in Nachdem das Euregio-Kolleg mit 75 Studierenden und fünf ßen“, beschreibt Ralf W. Barkey ei- außerbetrieblicher Qualifizierung Lehrkräften im Februar 1986 nen Teil des Wandels. Darüber hin- den Studienbetrieb aufnahm, blickt es heute als dreizügig aus habe das Ausbleiben von Aufträ- Der Landesgesetzgeber hatte im vollausgebautes Institut zur gen aus dem Bergbaubereich den Zuge des an Fahrt aufnehmenden Erlangung der Hochschulreife auf fünf Jahre erfolgreicher Druck auf die Betriebe erhöht, stär- Strukturwandels an der Ruhr und Weiterbildungsarbeit zurück. ker auf private Kunden zuzugehen: der damit verbundenen Rationalisie- Insgesamt wurden bisher rund 900 Studierende aufgenommen, „Wer überwiegend Kunden im ge- rungsmaßnahmen 1975 mit dem 1. von denen 193 mit Abitur und werblichen Bereich bediente, hatte Weiterbildungsgesetz auf die Not- 60 mit Fachhochschulreife das Kolleg verließen. das ja bislang gar nicht nötig.“ wendigkeit von Qualifizierungsmaß- nahmen reagiert. Auf dieser gesetz- 27. Juli 1991 Aachener Nachrichten: So habe der weg brechende Bergbau lichen Basis war die Volkshochschule In der Berufsbildungsstätte des auch das Handwerk generell vor gro- Alsdorf-Baesweiler schon 1976 als Vereins für allgemeine und berufliche Weiterbildung (VABW) ße Probleme gestellt. Mit Blick auf außerbetriebliche Bildungsstätte in gab es zum Schuljahresende den Zuliefererbereich für den Berg- die berufliche Bildung eingestiegen. erneut Anlass zum Feiern. Elf Industriekaufleute und zehn bau und einen verunsicherten priva- „Wir hatten in dieser Zeit wegen Teilezurichter konnten ihre ten Kundenbereich zeigt die Hand- der geburtenstarken Jahrgänge Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer zu Aachen werkskammer das doppelte Dilemma eine enorme Nachfrage nach Ausbil- erfolgreich abschließen und auf: „Mit wegfallenden Arbeitsplät- dungsplätzen und ein Defizit an Aus- erhielten freudestrahlend ihren Kaufmannsgehilfenbrief bzw. zen fallen Konsumenten weg, die bildungsangeboten außerhalb des ihren Gesellenbrief. handwerkliche Dienstleistungen in Bergbaus“, begründet der ehema- 7. September 1991 Anspruch genommen haben.“ Der lige VHS-Leiter Klaus Spille die Ent- Aachener Volkszeitung: politische Hilferuf, das Handwerk scheidung. „Wir können einen entschei- denden Innovationsschub für möge einen Teil der Probleme auf- kleine und mittelständische fangen, traf somit auf eine bereits Von Anfang an waren die Berufsbil- Betriebe vermitteln“, so Geschäftsführer Dr. Rüdiger vorhandene doppelte Belastung. Die dungsmaßnahmen der VHS mit dem Lösekrug. Denn die elek- Möglichkeiten der Handwerksbetrie- Angebot an Jugendliche und junge tronische Datenverarbeitung ist schon lange nicht mehr Com- be, für zusätzliche Arbeits- und Aus- Erwachsene verknüpft, einen quali- puter-„Freaks“ und hochtechni- bildungsplätze zu sorgen, stießen fizierten Schulabschluss zu erlangen. sierten Großfirmen vorbehalten. trotz offener Ohren an natürliche, Die Chance, ohne Schulabschluss einen wirtschaftliche Grenzen. Ausbildungsplatz, ohne Ausbildung einen Arbeitsplatz zu bekommen, 14
tendierte gegen Null. So entstand, oder Energieanlagenelektroniker Gerade für kleine Betriebe lohne es sich, mit EDV rationeller und ebenfalls erstmalig in der Region, für bis hin zur Herren- und Damen- weniger zeitaufwendig arbeiten arbeitslose Jugendliche das VHS-Pro- schneiderausbildung reichte die Pa- und kalkulieren zu können. jekt „Arbeiten und Lernen“, das den lette. „Das hatte ein Volumen ange- 10. September 1991 Erwerb des Schulabschlusses und ei- nommen, das größer war als das Aachener Nachrichten: Über 170 Kurse, die ab Mitte ne erste berufliche Qualifizierung gesamte Angebot der allgemeinen September beginnen, können zusammenfasste. „Hinzu kamen“, so Volkshochschule“, beschreibt Klaus belegt werden. Die Kurse reichen von der Vermittlung der ehemalige VHS-Leiter, „Maßnah- Spille, wie auch die VHS zunehmend allgemeiner EDV-Kenntnisse, men zur sozialen und beruflichen an ihre Grenzen stieß. über kaufmännische Anwender- software bis hin zum Kursus für Eingliederung von ausländischen Systemverwalter. Die Lehrgänge Jugendlichen.“ Da halfen noch so viel Engagement werden als Tageskurse – interessant für Unternehmen, und guter Wille nicht mehr weiter. die ihre Mitarbeiter qualifizieren Laut Spille erzeugten die Projekte in Und nicht alle wollten oder konnten wollen – und als Abend- und Wochenendkurse angeboten. der Folge einen enormen Druck auf das Tempo mitgehen, dass Klaus die VHS, weil „die Absolventen er- Spille vorgab. Seine Mitarbeiterin 18. September 1991 Brücke: folgreich waren, aber keine beruf- Rosemarie Elfrath erinnert sich an Eine Eintragung ins Goldene lichen Perspektiven hatten“. Junge ihre Anfangszeit als Schreibkraft Buch der Stadt schloss den Besuch ab. Gast im Revier war Menschen seien auf den Hauptschul- beim VHS-Zweckverband und an Karl-Heinz Lambertz, Minister abschluss vorbereitet worden, mit den Ratschlag einer Kollegin: „Also, der Exekutive der deutschspra- chigen Gemeinschaft in Belgien. dem sie dann eine Ausbildung be- damit das klar ist, wir sind hier öf- Zustande gekommen war der ginnen sollten – aber es habe keine fentlicher Dienst. Was heute nicht Besuch durch den Verein für allgemeine und berufliche Wei- Ausbildungsplätze gegeben. Daraus gemacht wird, das machen wir mor- terbildung. sei dann die Idee entstanden, selbst gen oder übermorgen.“ Als sie dann 20. November 1991 auszubilden. Auf der Basis des Pro- angefangen habe, vorgegebene Texte Aachener Volkszeitung: gramms „Außerbetriebliche Berufs- zu hinterfragen und Änderungsvor- In Bogensee bei Wandlitz (Bran- denburg) fand unter Beteiligung ausbildung“ von Bund und Land schläge zu machen, sei ihr gesagt vieler Projekte aus den neuen habe die VHS weitere Projekte ge- worden: „Keinen Kopf machen, wir Bundesländern eine bundes- weite Tagung zu dem Thema startet. Klaus Spille: „Es gab Ausbil- schreiben nur, denken tun hier ande- „Auswertung der Förderphase dungsverträge mit der VHS und im re.“ Rosemarie Elfrath ärgerte sich – Verbundprojekt – und weitere Perspektiven“ statt. Das „Regio- Rahmen der Ausbildung Praktika in darüber, aber sie sollte bald Gelegen- nale Verbundsystem Übergang Betrieben.“ Vom Betriebsschlosser heit bekommen, ihre Bereitschaft Schule-Beruf“ im Nordkreis zum Mitdenken und ihr Engagement an anderer Stelle auszuprägen. 15
Die Geburtsstunde des Vereins Aachen, in Trägerschaft des Die Region nutzte ihre Kontakte und zur städtebaulichen Gestaltung Vereins für allgemeine und berufliche Weiterbildung in in die politischen Schaltzentralen der für den Bergbau nicht mehr be- Alsdorf, war daran beteiligt. nötigten Flächen ausgewiesen wür- 30. November 1991 „Quasi um fünf vor Zwölf fanden den. Zudem sagte der Minister Un- Aachener Nachrichten: sich die Städte des Wurmreviers zu terstützung zur Rekultivierung von Die „Zukunftswerkstätten“ unter Federführung des VABW einer Aktionsgemeinschaft zusam- Bergehalden zu. Der Vorsitzende der haben ihre Arbeiten aufge- men, um nach koordinierten Wegen SPD-Mehrheitsfraktion im Landtag, nommen. An dieser „Exper- tenrunde“, deren Anliegen es aus der Krise zu suchen.“ So kom- Karl Josef Denzer, signalisierte Zu- ist, die Aufgabengebiete der mentierte der Redakteur Willi stimmung. Die Wurmrevierstädte verschiedenen in der Jugend- arbeit tätigen Institutionen zu Spichartz am Tag der Wurmrevier- hatten gespürt, dass mit Gemeinsam- koordinieren, beteiligt sich auch konferenz, dem 11. Januar 1984, in keit vieles zu erreichen ist. Jetzt Dr. Birgit Gappa, Vertreterin des Partnerprojektes „Jugendwerk den „Aachener Nachrichten“. Nach wollten sie mehr und nahmen sich Aufbau Ost“, Berlin (Branden- der Konferenz hatten sich die Kom- vor, ihre Interessen und Aktivitäten burg). munen vorgenommen, ihre Aktivitä- künftig zu bündeln. 21. Dezember 1991 ten zumindest in zwei zentralen Aachener Volkszeitung: Das saß! Regelrecht aufge- Bereichen zu koordinieren. Landes- Dabei agierten die Revierkommunen schreckt und schockiert hat die wirtschaftsminister Prof. Dr. Reimut keineswegs blauäugig, wie der Orga- Verantwortlichen des Vereins für allgemeine und berufliche Jochimsen hatte auf eine engere struk- nisator der Konferenz, Klaus Pohl- Weiterbildung der einstimmige turelle Zusammenarbeit gedrängt. Aus mann, deutlich macht: „Die Wurmre- Beschluss der Stadt Herzogen- rath, diese Einrichtung Ende der Aktionsgemeinschaft Wurmrevier vierkonferenz war wichtig, aber ich 1993 zu verlassen. wurde so später die „Zukunftsinitiati- bin nicht davon ausgegangen, dass 24. Dezember 1991 ve im Aachener Raum“ ZAR e.V. sofort nach der Konferenz alles schö- Aachener Volkszeitung: ner und besser wird.“ Als Stadtdirek- „Ich streite nicht ab, dass große Fehler gemacht worden sind.“ Ein spezielles Regionalprogramm, tor habe er erkannt, so Pohlmann, Dennoch hält Landrat Walter wie es die Landesregierung mit der dass Entwicklungen ihre Zeit brau- Meyer den Herzogenrather Beschluss, den Verein für allge- Ruhrkonferenz aufgelegt hatte, gab chen, manchmal viel Zeit. Er sei auch meine und berufliche Weiterbil- es für die Aachener Region nicht. immer skeptisch gegenüber Papieren dung Ende 1993 zu verlassen, für übereilt. Allerdings hatte der Wirtschaftsmi- gewesen, auf die Forderungen ge- nister den Wurmrevierstädten ver- schrieben seien. Es bringe mehr, Kon- bindlich zugesagt, dass für sie im takte zu knüpfen zu den Stellen, wo Landeshaushalt Mittel zum Erwerb 16
entschieden werde, von denen das Pohlmanns Sicht deckt sich mit dem Aachener Nachrichten: Im Kulturzentrum Altes Rathaus Geld für Projekte komme oder von Kommentar des IHK-Hauptgeschäfts- in Würselen fand die Abiturfeier denen konkrete Programme aufge- führers Jürgen Drewes. Auf der Basis des Entlassungsjahrganges 1991/92 des Euregio-Kollegs legt würden. „Da hatten wir doch des PROGNOS-Gutachtens habe es statt. Der Saal war bis auf den beste Voraussetzungen“, erinnert einen großen regionalen Schulter- letzten Platz besetzt. Der Leiter des Kollegs, Dr. Arno Gießbrecht, Klaus Pohlmann an die ehemaligen schluss gegeben. Und zwar in dem begrüßte die Studierenden, den Landtagsabgeordneten Hans Ferner Sinne, dass alle verantwortlichen stellvertretenden Vorsitzenden des Trägervereins, Karl-Heinz und dessen Nachfolger Hans Vorpeil. Kräfte verabredet hätten, jetzt eine Dreessen, und Geschäftsführer gemeinsame Strukturpolitik zu ge- Dr. Rüdiger Lösekrug. „Hans Ferner hat sich mächtig ins stalten. In dem Zusammenhang habe 28. Dezember 1991 Zeug gelegt. Das sollte die Region Hans Vorpeil „sehr, sehr energisch Aachener Nachrichten: Eine Menge öffentlichen Wirbels nicht vergessen. Der wusste sehr Impulse gesetzt und sich das Thema gibt es zurzeit um den Verein genau, was man tun musste, um zu eigen gemacht“. Er habe das für allgemeine und berufliche Weiterbildung mit Sitz in Als- bestimmte Ziele zu erreichen. Der nicht allein getan, sondern viele dorf. Da kursieren zum einen machte alles auf der persönlichen hätten sich engagiert. „Aber er war Gerüchte um die Person des Geschäftsführers Dr. Rüdiger Ebene.“ Mit diesen Worten würdigt ein Protagonist aller Überlegungen Lösekrug, der angeblich den Klaus Pohlmann das regionale Enga- des Strukturwandels“, bestätigt Weiterbildungs-Verein nicht freiwillig verlassen soll. gement des im Oktober 1982 verstor- Jürgen Drewes. Als glatte „Falschmeldung“ benen Landtagsabgeordneten und bezeichnet Eschweilers Stadtdirektor Claus-Dieter belegt damit zugleich seine These, Es habe Mitte der 80er Jahre sehr Härchen Spekulationen, nach wonach vieles nur über persönliche viele Überlegungen gegeben, teil- denen die Indestadt, wie schon Herzogenrath, einen Austritt Kontakte erreicht werden kann. Ge- weise von PROGNOS vorgeschlagen, aus dem VABW plant. nauso habe Ferners Nachfolger Hans teilweise von der IHK entwickelt. Als „überlebt“ bezeichnet indes Herzogenraths SPD-Fraktion- Vorpeil gearbeitet, der im Mai 1985 „Kernstück war, und dabei hat das schef Gerd Neitzke den VABW, erstmals in den Landtag gewählt Land sehr geholfen, die Gründung der 1984 zur Aus- und Weiterbildung junger Menschen wurde. Als Stadtdirektor sei er mit von Technologiezentren“, greift der gegründet worden sei, „weil die dem damaligen Stadtratsmitglied IHK-Hauptgeschäftsführer einen As- freie Wirtschaft seinerzeit nichts anbot“. Vorpeil nicht immer einer Meinung pekt der Erneuerung der alten Berg- gewesen. Aber der Landtagsabge- bauregion auf. Hans Vorpeil habe ordnete Vorpeil habe sich mit „gro- sehr engagiert dazu beigetragen, ßem Einsatz für die Region seine dass die notwendigen finanziellen Meriten verdient“. 17
Bei weitem nicht für „überlebt“ Mittel dafür in die Region geflossen verlangt, die wachsenden Probleme hält Landrat Walter Meyer den VABW, auch wenn der Vorsit- seien. Jürgen Drewes: „ Ich habe junger Menschen, qualifizierte Aus- zende des Aachener Kreistages manche strategische Frage mit ihm bildungsplätze zu finden, der Wille, einräumt, dass sich bei gleichem Ziel die Inhalte ändern müssten. diskutiert. Zum Beispiel über das Pro- aus der Wurmrevierkonferenz Kon- „Fehlentwicklungen“ und fil des Industrie- und Gewerbeparks sequenzen zu ziehen und mehr zu „bürokratische Hemmnisse“, so Meyer weiter, beeinflussten Alsdorf, IGA. Zeitgleich lief das Pro- machen, ein politisches Zeichen zu nicht die Zielsetzungen des jekt Technologiepark Herzogenrath. setzen, die Erfahrungen des Volks- VABW und sollten durch ein neues Konzept ausgemerzt Es ging vor dem Hintergrund dessen, hochschulzweckverbandes mit Quali- werden. was in Alsdorf, was in Herzogenrath fizierungsmaßnahmen und die Er- 7. Januar 1992 geschah darum, die unterschied- kenntnis, dass jetzt die VHS alleine Aachener Volkszeitung: lichen Profile abzugrenzen. Hans damit überfordert war – alles das Das Band ist endgültig zerschnitten: Die Herzogen- Vorpeil war ein, manchmal auch im- bestimmte die Diskussion in einer rather lassen in Sachen Verein pulsiv, nach vorne gehender, agiler Sitzung der Sozialdemokratischen für allgemeine und berufliche Weiterbildung nicht mit sich Denker, der für die Region sehr viel Gemeinschaft für Kommunalpolitik reden. An dem einstimmig vom getan und seinen Einfluss in der (SGK) im Kreis Aachen am 3. Februar Rat gefassten Austrittsbeschluss der Stadt Herzogenrath werde Landeshauptstadt Düsseldorf gel- 1984, drei Wochen nach der Wurm- nicht gerüttelt, bekräftigte tend gemacht hat.“ revierkonferenz. gestern SPD-Fraktionschef Gerd Neitzke auf Anfrage. Damit ist der vom Unterbezirksvor- 20. Februar 1984, 19 Uhr: Der VABW Die Versammlung wollte der Struk- sitzenden Achim Großmann angekündigte VABW-Schlich- wird aus der Taufe gehoben turkrise und dem laut PROGNOS zu tungsversuch gescheitert. befürchtenden Anstieg der Arbeits- 8. Januar 1992 Der zweite Auftrag, den die Kommu- losenzahlen mit einer Qualifizier- Aachener Volkszeitung: nen aus der Wurmrevierkonferenz ungsoffensive begegnen. Achim Der Verein für allgemeine und berufliche Weiterbildung ist ins mitnahmen, lautete: Großmann, parlamentarischer Staats- Gerede gekommen. Einer, der Wir müssen unsere kommunale Ver- sekretär im Bundesverkehrsministeri- alles daran setzen will, die teils hitzige Diskussion wieder zu antwortung gegen die steigende um, war damals Unterbezirksvorsit- versachlichen, ist Friedrich-Carl Jugendarbeitslosigkeit koordinieren. zender der SPD im Kreis Aachen. Coch: Der Präsident von Warner Music Manufacturing, vormals Die Arbeitsplatzverluste im heimi- Er erinnert sich, dass „wir Qualifi- Record Service, ist persön- schen Bergbau, die Erkenntnis, dass zierungsperspektiven für Bergleute lich überaus stark im VABW engagiert, seine Firma wird ein Strukturwandel hin zu mehr schaffen wollten, deren Arbeitsplätze im Mitgliedsregister geführt. Technologie orientierten Arbeitsplät- in der Region verloren gingen. zen entsprechende Qualifizierung 18
Wir wollten jungen Menschen helfen, Um 19 Uhr am Montag, 20. Februar Diesen Einsatz leiste er, wie Coch gestern im AVZ-Gespräch die einen Ausbildungsplatz suchten 1984 eröffnete VHS-Leiter Klaus Spille versicherte, allein aus betriebs- und ebenso jungen Menschen attrak- in der Alsdorfer Burg die Gründungs- wirtschaftlichen Überlegungen. „In politische Kämpfe lasse ich tive Angebote für schulische Weiter- versammlung des VABW. Aus Herzo- mich nicht einbinden.“ bildung bei uns im Kreis Aachen genrath wurde Maria Dünwald in 9. Januar 1992 machen“. Großmann trug in der da- Vertretung für Karl-Heinz Kastelle Aachener Nachrichten: maligen Zeit entscheidend dazu bei, von Spille als Gründungsmitglied In die öffentliche Diskussion über den Verein für allgemeine „kommunales Tellerranddenken“ zu begrüßt; aus Monschau Edgar und berufliche Weiterbildung überwinden. Odenthal, aus Alsdorf Josef Kohnen, mit Sitz in Alsdorf greifen ihr Vorsitzender Hans Vorpeil (SPD) aus Baesweiler Arno Wolf, aus und dessen Stellvertreter Adolf „Wir haben den Mut gehabt, etwas Eschweiler Wilhelm Metzen, aus Lengersdorf (CDU) mit folgen- der Stellungnahme ein: interkommunal zu bewegen und da- Würselen Achim Großmann, aus Der Austritt der Stadt Herzogen- mit zunächst auf kleiner Basis zu be- Stolberg Eckhard Creutz. Zehn rath aus dem VABW ist zwar bedauerlich, liegt aber allein in ginnen“, berichtet Achim Großmann Beitrittserklärungen lagen auf dem der Verantwortung des Rates von der SGK-Sitzung an jenem 3. Fe- Tisch, außer von den Genannten dieser Stadt und dessen Ein- schätzung zum regionalen Kon- bruar 1984. Es sollte ein „Verein für noch von Hans Vorpeil, Alsdorf, Mar- sens. Durch die Entscheidung polytechnische Weiterbildung“ ge- tin Schulz und Wolfgang Peltzer, Herzogenraths entsteht jedoch beim VABW keine dramatische gründet werden. VHS-Leiter Spille beide Würselen. neue Situation, denn, wie sich wurde beauftragt, zur Gründungs- gerade in den letzten Tagen zeigt, stehen die Mitglieds- versammlung einzuladen. Auch die Einstimmig wählte die aus Kommu- städte Alsdorf, Eschweiler und einzuladenden Gründungsmitglieder nalpolitikern besetzte Gründungs- Würselen, der Kreis Aachen, die Mitgliedsunternehmen und die hatte die Versammlung schon be- versammlung einen vierköpfigen verschiedenen Mitgliedsinstitu- nannt. Großmann trieb derweil die kommissarischen Vorstand: Josef tionen unbeirrt über die Partei- grenzen hinweg zu den Zielen Gespräche mit den Nordkreisstädten Kohnen als Vorsitzender, Achim und Aufgaben des VABW. und dem Kreis Aachen voran, um sie Großmann als dessen Stellvertreter, Aachener Volkszeitung: zum Beitritt in den Verein zu bewe- Karl-Heinz Kastelle und Klaus Spille, Der Vorsitzende des Vereins gen. So schlug gut sechs Wochen der zugleich zum ersten VABW-Ge- für allgemeine und berufliche Weiterbildung, Hans Vorpeil, nach der Wurmrevierkonferenz die schäftsführer bestimmt wurde. Der sowie sein Stellvertreter Adolf Geburtsstunde – nicht des Vereins Vorstand sollte auch schon die Grün- Lengersdorf nehmen zur „für polytechnische Weiterbildung“ dung eines „Kolleg - Institut zur Er- – sondern des Vereins „für allgemei- langung der Hochschulreife“, das ne und berufliche Weiterbildung“ spätere Euregio-Kolleg in Würselen, e.V., VABW. vorbereiten und dazu Gespräche mit 19
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