"I wanted to be a good teacher " - Jürgen Oelkers - WIB Potsdam

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"I wanted to be a good teacher " - Jürgen Oelkers - WIB Potsdam
Jürgen Oelkers

                  “I wanted to be
               a good teacher…”
Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland
Jürgen Oelkers

“I wanted to be
a good teacher…”
Zur Ausbildung von Lehrkräften in
Deutschland

Studie
“I wanted to be a good teacher. I wanted the approval that would
come when I sent my students home stuffed with spelling and
vocabulary and all that would lead to a better life but, mea culpa,
I didn’t know how.”
                                                   Frank McCourt
ISBN: 978-3-86872-220-8
1. Auflage
Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung
Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin
Studienförderung
Redaktion: Marei John-Ohnesorg, Marion Stichler
inhaltliche Mitarbeit: Valerie Lange
Satz & Layout: minus Design, Berlin
Fotos: © 2009, Johannes Beck, minus Design, Berlin
Druck: bub Bonner Universitäts-Buchdruckerei
Printed in Germany 2009
Inhalt

Vorwort                                                         9

Zusammenfassung                                                11

1. Der Auftrag der Studie                                      13

2. Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards         15

        2.1. Die Ordnung der Lehrämter                         16

        2.2. Standards für die Bildungswissenschaften          23

        2.3. Standards für Fachwissenschaft und Fachdidaktik   27

3. Die Regelungsdichte, ein Reformgesetz und die Praxis        31

        3.1. Ein Beispiel für Regelungsdichte                  31

        3.2. Ein Reformgesetz                                  38

        3.3. Probleme der Implementation                       42

4. Internationaler Vergleich und Daten zum Forschungsstand     49

        4.1. Vergleich von Ausbildungssystemen                 49

        4.2. Befunde zur „what works“-Hypothese                53

        4.3. Befunde zur Wissenserzeugung                      57

        4.4. Das Ansehen der Lehrerschaft in Deutschland       63

5. Reformstrategien und Empfehlungen                           69

        5.1. Studierende                                       69

        5.2. Die Ausbildungsorganisation                       74

        5.3. Weiterbildung und Personalentwicklung             80

        5.4. Unterrichtsentwicklung und Standards              83

6. Beantwortung der fünf Fragen                                87

Literatur                                                      92
08   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland
Vorwort   09

Vorwort

Im Vergleich zu anderen Bildungsthemen (Schulstrukturen, Studienstrukturen,
Exzellenzförderung, Medienerziehung, Berufliche Bildung, Weiterbildung, Föde-
ralismus, Finanzierung) nimmt die Lehrerbildung in der deutschen Bildungsde-
batte einen vergleichsweise geringen Raum ein. Dies ist umso erstaunlicher, als
offenkundig ist, dass ohne qualifiziertes Lehrpersonal überhaupt keine Bildung
stattfinden könnte, geschweige denn auf hohem Niveau. In gewisser Weise ist
der Lehrer/ die Lehrerin das unbekannte Wesen in der Gesellschaft. Jeder kennt
sie aus der Schulzeit, keiner kennt sie genau. Man ahnt, dass sie es besonders
kompliziert haben in ihrem Beruf. Man verlangt von ihnen guten Unterricht,
gute Lernergebnisse und ist enttäuscht, wenn man unter ihnen genauso viele
starke und schwache Persönlichkeiten findet wie in anderen Berufen auch.

Die Lehrer/innenausbildung spiegelt in Deutschland seit 200 Jahren die Schul-
struktur wider: Die universitär ausgebildeten Lehrkräfte für die Gymnasien, die
zunächst seminaristisch, dann fachschul- und schließlich fachhochschulmäßig
ausgebildeten Lehrer/innen der Volksschulen bzw. der Grund-, Haupt- und Real-
schulen. Auch wenn heute die meisten Lehrer/innen an Universitäten ausgebildet
werden, weil man die Lehrerausbildung in die Universitäten integriert hat, so gibt
es in Baden-Württemberg immer noch Pädagogische Hochschulen.

Der große Wurf, alle Lehrerinnen und Lehrer einheitlich auf wissenschaftlicher
Grundlage auszubilden, ist auch in den Reformbemühungen der 60er und 70er
Jahre des 20. Jahrhunderts nicht gelungen. Die sog. einphasige Lehrerausbildung, in
der während und begleitend zum Studium verpflichtende Teile bereits in der Schule
absolviert wurden, ist in der alten Bundesrepublik über Reformversuche nicht hinaus-
gekommen und auch nach der Einheit Deutschlands nicht übernommen worden.
Auf diese Weise ist die Grundstruktur eines – auf unterschiedlichen Hochschulen
mit unterschiedlichen pädagogischen Anteilen vorhandenen – Studiums und ein Re-
ferendariat von 1 bis 2 Jahren überall in Deutschland die Regel.

Die Kultusminister müssen die Kraft aufbringen, die Lehrerbildung auf die
neuen Herausforderungen einzustellen. Denn die traditionelle Erwartung an
die Lehrkräfte, nämlich guten Unterricht zu geben, reicht nicht mehr aus.
Neue Methoden, die selbständiges Lernen fördern, Managementfähigkeiten,
mediale Kompetenz, kulturelle und psychologische Kompetenz, Diagnose-
fähigkeit und Beratungsqualität erfordern ein hohes Reflexionsniveau und die
entsprechenden Zeitkontingente. Dies alles wird durch das Korsett der Bache-
lor-/Master-Studiengänge nicht gefördert.

Das Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung legt mit der Studie von
Prof. Dr. Jürgen Oelkers, Professor für allgemeine Pädagogik an der Universität
Zürich, eine kritische Übersicht über die gegenwärtige Situation der Lehre-
rinnen- und Lehrerbildung vor. Sie soll als Anregung für die weitere Entwick-
lung dienen. Am 13.10.2009 haben Experten aus der Wissenschaft, Pädagogik
und Politik im Rahmen des Netzwerk Bildung über die Thesen diskutiert und
sie zur Veröffentlichung empfohlen.

Prof. Rolf Wernstedt
Niedersächsischer Kultusminister a.D.
Moderator des Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung
10   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland
Zusammenfassung   11

Zusammenfassung

Die neue Steuerungsphilosophie der „Outputorientierung“ hat auch die Leh-
rerbildung erreicht. Hinter dieser Philosophie steht der Gedanke der Rechen-
schaftslegung, mit dem die Erwartung verbunden ist, dass die eingesetzten
Ressourcen sich auf Ziele und Ergebnisse beziehen lassen. Dieser Gedanke ist
der deutschen Lehrerbildung historisch fremd. Das muss sich ändern. Erzie-
hung und Unterricht müssen eine Gesamtaufgabe werden, die Lehrerbildung
die notwendigen Ressourcen vermitteln. Dazu ist ein mentales Umdenken
notwendig. Reformansätze lassen sich im Bereich der Studierenden, der Aus-
bildungsorganisation, der Weiterbildung und der Unterrichtsentwicklung und
Standards finden.

1.      Studierende: Beratungsgespräche und Eignungspraktika vor Studien-
beginn helfen, dass der Berufswunsch möglichst früh eine realistische Dimension
erhält und das Studium zielgerichteter gestaltet werden kann. Wenn die schul-
praktischen Studien mit einer best practice bekannt machen, also nicht nur mit
dem Alltag, sondern auch mit herausragenden Lösungen im Blick auf den Unter-
richt und die Schulentwicklung, dann erfahren angehende Lehrkräfte wichtige
Anregungen für ihr späteres Berufsleben. Mit der Bezeichnung „Ausbildungs-
schule“ sollte sich zudem eine spezifische Qualität verbinden, die im Verbund
mit dem Studienseminar und durch die Formulierung gemeinsamer Standards
für „guten Unterricht“ erreicht und die als Markenzeichen verstanden wird. Dem
Problem des Lehrermangels wird in den nächsten Jahren verstärkt mit der Ausbil-
dung von Quereinsteigern begegnet werden müssen. Ihre Anstellung sollte einen
Eignungstest voraussetzen und schulinternes Coaching implizieren.

2.      Ausbildungsorganisation: Die neuen Zentren für Lehrerbildung kön-
nen die Aufgabe übernehmen, die verschiedenen Phasen der Lehrerausbildung
stärker miteinander zu verzahnen und Verantwortung für das Ergebnis zu
übernehmen. Das ist durch regelmässige Evaluationen möglich, deren Resul-
tate Konsequenzen haben – ungeeignete Module etwa müssen ersetzt werden
können. Die Themen der Ausbildung müssen in eine Prioritätenfolge gebracht
und auf den Zweck der Ausbildung von angehenden Lehrkräften hin angelegt
werden. Das geschieht am besten mit eigenen Lehrmitteln, die die curricularen
Standards materialisieren. Eine weitere Kernfrage betrifft die Prüfungen, das
entscheidende Instrument der Qualitätssicherung, die zukünftig nicht am Ende
des Studiums stehen, sondern den Kompetenzaufbau während des gesamten
Studienverlaufs überprüfen, rückmelden und sichern sollten.

3.      Weiterbildung: Mit gezielten Programmen der Weiterbildung kann
am schnellsten auf gesellschaftlichen Wandel reagiert werden. Dazu muss die
Weiterbildung von den Schulleitungen, Ministerien und Behörden strategisch
verstanden werden. Die Angebote zur professionellen Weiterbildung von Lehr-
kräften müssen sich an der Praxis und ihren Problemstellungen orientieren,
aber dabei auch überprüfbar sein. Der Bedarf an Weiterbildung sollte von den
Schulleitungen unter Berücksichtigung lokaler Prioritäten ermittelt werden
und kann nicht nur von Defiziten ausgehen, sondern muss die Potentiale der
Lehrkräfte sowie deren Aufgaben im Rahmen der Schulentwicklung in Rech-
nung stellen.
12   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                     4.      Unterrichtsentwicklung und Standards: Die Individualisierung des
                                     Lernens kann nicht losgelöst von fachlichen und überfachlichen Standards
                                     erfolgen. Die Standards müssen so angelegt sein, dass sie eine gestufte Ziel-
                                     erreichung zulassen. Das hätte dann Konsequenzen auch für die Leistungs-
                                     beschreibung bis hin zur Notengebung und zur Abfassung der Zeugnisse. Für
                                     individuelle Lernprozesse bietet das Lernen mit neuen Medien, z.B. durch
                                     schulinterne Lernplattformen, neue Möglichkeiten. Die curricularen Stan-
                                     dards und Kompetenzprofile in der Lehrerbildung sind nicht von sich aus
                                     kompatibel mit den nationalen Bildungsstandards – es müssen Konzepte
                                     entwickelt werden, um einen Transfer zu ermöglichen. Entscheidend für
                                     den Erfolg der Standardisierung ist, dass über die Legislaturperioden hinweg
                                     stabile Ziele verfolgt werden, die mit langfristig angelegten Innovationsstra-
                                     tegien verbunden sind.

                                     Im Kern geht es um einen grundlegenden Wandel der Schulkultur, der sich auch
                                     beim Aufbau von Feedback-Systemen oder bei vergleichender Leistungsbewer-
                                     tung zeigen muss. Die Lehrkräfte müssen ihr Kerngeschäft, den Unterricht,
                                     anders begreifen als bisher, nämlich nicht isoliert bezogen auf „ihre“ Klasse,
                                     sondern auf „unsere Schule“, und dies transparent nach innen wie nach außen.
                                     Die Standards, die jede Schule vertritt, müssen klar und deutlich kommuniziert
                                     werden, und das gilt für den Verhaltensbereich ebenso wie für die Leistungser-
                                     wartungen. Und „Standards“ betreffen nicht nur die Schüler, sondern auch die
                                     professionellen Anforderungen der Lehrkräfte.
Der Auftrag der Studie   13

1. Der Auftrag der Studie

Die nachstehende Expertise hat den Auftrag erhalten, Kernfragen der Aus- und
Fortbildung von Lehrkräften in fünf Problembereichen zu diskutieren und Lö-
sungen vorzuschlagen. Voraussetzung des Auftrages ist der Bologna-Prozess der
Studienreform. Die Problembereiche sind vom Auftraggeber wie folgt formuliert
worden:

Wie sind die inhaltlichen und juristischen Rahmenvorgaben für die Lehreraus-
bildung zu bewerten und inwieweit haben sie Einwirkung auf die Praxis?

Die Kultusministerkonferenz hat im Oktober 2008 Fachprofile für die Lehramts-
ausbildung beschlossen. So soll die Vergleichbarkeit und Anerkennung der Ab-
schlüsse zwischen den Bundesländern gewährleistet werden. Die Fachprofile sol-
len vorgestellt und inhaltlich bewertet werden. Außerdem sollte beurteilt werden,
inwieweit die Vorgaben der Fachprofile Eingang in die Lehrerausbildung finden
können.

Wie leistungsfähig sind die derzeit angebotenen Lehramtsstudiengänge, wel-
chen Stellenwert hat die Lehreraus- und -fortbildung für die Ausübung des
Lehrberufs?

Es sollte ein Überblick über die aktuellen Forschungsergebnisse zur Leistungsfä-
higkeit der Lehramtsstudiengänge - hier sind die Studien COACTIV und COAC-
TIV-R des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zu nennen - und der Be-
deutung der Studien- und Fortbildungsinhalte für die Praxis gegeben werden.
Dabei sollten auch Erfolgskriterien zur Lehrerbildung herausgearbeitet werden.

Wie ist das Ansehen der Lehrerschaft in Gesellschaft und Politik?

Der aktuellen Allensbach-Studie „Schulen und Lehrer aus Sicht der Bevölkerung“
zufolge sind viele Eltern davon überzeugt, dass Lehrerinnen und Lehrer überfor-
dert sind und dass es ihnen nicht gelingt, ihren Schülerinnen und Schülern den
Stoff angemessen zu vermitteln. Solche und ähnliche Befunde sollten dargestellt
werden, um das Bild des Lehrerberufs in Gesellschaft und Politik und die mög-
licherweise damit verbundenen Problematiken - beispielsweise die Feminisierung
des Lehrerberufs - zu illustrieren.

Wie muss sich das Selbstverständnis der Lehrerinnen und Lehrer verändern,
um die neuen Anforderungen an den Lehrberuf erfüllen zu können?

Der Anspruch an Ganztagsbetreuung, individuelle Förderung oder kompetenz-
orientiertes Lernen stellt neue Anforderungen an das Unterrichten. Das hat Aus-
wirkungen auf das Selbstverständnis der Lehrenden, die in ihrer Arbeit andere
Schwerpunkte setzen müssen. Diese notwendigen Veränderungen und Möglich-
keiten ihrer Durchsetzung in der Praxis sollten erörtert werden. Wie sind diese
neuen Anforderungen kompatibel mit den schon bestehenden und wie können
sie in die Schulen eingegliedert werden?

Wie können Reformprozesse so gesteuert werden, dass sie sich in der Praxis
durchsetzen?

Veränderungen können nur dann wirksam werden, wenn sie Eingang in den
Schulalltag finden. An dieser Stelle scheint es gerade in der Entwicklung trag-
fähiger Konzepte der Steuerung und Transformation zu fehlen. Es sollten Emp-
14   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                      fehlungen gegeben werden, wie Reformprozesse gestaltet werden sollten, um sie
                                      erfolgreich umsetzen zu können.

                                      Auf alle diese Fragen wird die Studie eingehen und am Schluss werden auch alle
                                      Fragen so gut es geht beantwortet. Der Schwerpunkt wird in der Analyse der
                                      Ausbildung liegen, die Fort- und Weiterbildung1 wird angesprochen, steht aber
                                      nicht im Mittelpunkt. Aus der Analyse der Ausbildung ergibt sich aber die Reform
                                      der Weiterbildung als ein vorrangiges strategisches Ziel. Es ist richtig, sich die
                                      Organisation der Lehrerbildung dreiphasig vorzustellen, wie dies etwa auch das
                                      Bayerische Kultusministerium vorgeschlagen hat:

                                      „Die Lehrerbildung gliedert sich in drei Phasen. Nach einer theoretisch fun-
                                      dierten, wissenschaftlichen Ausbildung in den Fachwissenschaften (einschließ-
                                      lich Fachdidaktiken) und Erziehungswissenschaften an Universitäten oder Kunst-
                                      hochschulen, erfolgt eine zweijährige, überwiegend schulpraktische Ausbildung
                                      im Vorbereitungsdienst (Referendariat) an Seminar- und Einsatzschulen. Studium
                                      und Vorbereitungsdienst schließen mit der Ersten bzw. Zweiten Staatsprüfung.
                                      Die Lehrerfortbildung wird als dritte Phase der Lehrerbildung bezeichnet.“2

                                      Die Studie beginnt mit dem neuen Rahmen für die Lehrerbildung,3 also den Folgen
                                      des Bologna-Prozesses (Kapitel 1). Neue Entwicklungen wie curriculare Standards
                                      und professionelle Kompetenzen setzen allerdings eine Bedingung voraus, die die
                                      deutsche Lehrerbildung im Vergleich mit dem Ausland stark unterscheidet, näm-
                                      lich die Ordnung der Ausbildung nach Lehrämtern für besondere Schulformen.
                                      Was Wilhelm Münch4 1903 den „Geist des Lehramtes“ nannte und auf die „Höhere
                                      Bildung“ bezog, ist mehr als hundert Jahre später immer noch maßgebend (2). In
                                      einem zweiten Schritt gehe ich auf die heute gegebene Regelungsdichte ein, stelle
                                      ein Reformgesetz vor und thematisiere Fragen der Implementation von Reformen
                                      (3). Drittens vergleiche ich die deutsche Lehrerbildung mit der Ausbildungsorga-
                                      nisation in drei anderen Ländern und stelle danach ausgewählte Befunde der For-
                                      schung vor (4). Viertens diskutiere ich Reformstrategien und gebe Empfehlungen
                                      ab, die sich auf die weitere Entwicklung der Lehrerbildung in Deutschland be-
                                      ziehen. Hier werden vier verschiedene Dimensionen angesprochen (5). Am Ende
                                      stehen die Antworten auf die Fragen des Auftrags (6).

     1 Im Folgenden spreche ich nur noch von „Weiterbildung“; der Ausdruck bezeichnet alle Arten von professioneller Schulung amtie-
     render Lehrkräfte.
     2   http://www.km.bayern.de/km/lehrerbildung/ (Zugriff auf die Seite am 30. August 2009)
     3 Die deutsche Kultusministerkonferenz benutzt durchgehend den Ausdruck „Lehrerbildung“, der nicht nach dem Geschlecht unter-
     schieden wird. Ich übernehme diese Sprachregelung und verstehe darunter die alte Pluralbildung, wohl wissend, dass in der Schweiz
     etwa offiziell nur noch von „Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ die Rede ist.
     4 Wilhelm Münch (1843-1912) war von 1897 bis 1911 Honorarprofessor für Pädagogik an der Universität Berlin. Sein Buch „Geist des
     Lehramtes“ erschien 1903 in erster Auflage. Münch prägte hier die Bezeichnung „der deutsche Lehrer als Erziehungsbeamter“.
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards   15

2. Der neue Rahmen:
Bologna, Kompetenzen und Standards

Die Lehrerbildung in Deutschland krankt an mangelnder Abstimmung
zwischen den Ausbildungsphasen und an fehlender Qualitätssicherung bei
gleichzeitiger Überregulierung. Die Bologna-Reformen haben die föderale
Heterogenität noch einmal verstärkt. Dabei liegen mit den KMK- Standards
für Bildungswissenschaften sowie für Fachwissenschaft und Fachdidaktik
Konzepte für eine neue Ausrichtung der Lehrerbildung vor – die konsequente
Durchsetzung in der Praxis steht aus.

Die Defizite und Mängel der deutschen Lehrerbildung sind 2003 in dem ergän-
zenden Gutachten zur OECD-Lehrerstudie so dargestellt worden, dass daraus ein
unmittelbarer Handlungsbedarf resultierte. Es handle sich nicht, so das Gutach-
ten, um periphere und rasch zu beseitigende Mängel, sondern um strukturelle
Defizite. Genannt werden in dem Gutachten

   das Fehlen eines inhaltlichen Einvernehmens über den Kernbestand verpflich-
   tender Inhalte des Studiums, insbesondere hinsichtlich der erziehungswissen-
   schaftlichen Grundlagen,
   die Resistenz der Fachwissenschaften (Unterrichtsfächer), sich den Problemen
   der Lehrerbildung zu stellen,
   die beträchtlichen Defizite in der fachdidaktischen Ausbildung,
   das Fehlen eines akzeptierten „Ortes der Lehrerbildung“ in den Hochschulen,
   die mangelnde Klarheit hinsichtlich der spezifischen Aufgaben der an den ver-
   schiedenen Phasen der Lehrerbildung beteiligten Institutionen,
   das Fehlen einer systematischen Qualifizierung des Lehrpersonals in den aus-
   serhochschulischen Einrichtungen der Lehrerbildung (Studienseminare und
   Einrichtungen der Lehrerfortbildung),
   der Bruch zwischen Ausbildung und Berufstätigkeit („Praxisschock“)
   und das Fehlen von „Standards“ der Lehrerbildung, die Grundlage einer syste-
   matischen Evaluation der Lehrerbildung und eines entsprechenden Feedbacks
   in allen hieran beteiligten unterschiedlichen Feldern und Institutionen wer-
   den könnten.

Der fehlende Ort der Lehrerausbildung wird so beschrieben: Angehende
Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer orientieren sich primär an ihren
Unterrichtsfächern (Fachwissenschaften) und den hierfür zuständigen Fach-
bereichen, angehende Lehrkräfte anderer Lehrämter dagegen häufig an den
erziehungswissenschaftlichen Grundlagenfächern und allgemeinen pädago-
gischen Lehrangeboten. Eine inhaltliche, zeitliche und organisatorische Ab-
stimmung zwischen den Lehrangeboten der verschiedenen beteiligten Fachbe-
reiche findet oft nicht statt. Organisatorische Strukturen, die die Kooperation
der an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen in Forschung und Lehre
unterstützen könnten, sind kaum entwickelt (Döbrich/Klemm/Knauss/Lange
2003, S. 31ff.).

Sechs Jahre später sind deutliche Reformbewegungen erkennbar, die vor allem
durch den Bologna-Prozess ausgelöst wurden und die Bewegung in das System
der deutschen Lehrerbildung gebracht haben. „Bologna-Prozess“ meint in die-
sem Zusammenhang die Einführung von Bachelor-Master-Studiengängen, die
Modularisierung der Ausbildungsangebote und die Berechnung der Lernzeit der
Studierenden nach dem ECTS-System. Mit der größeren Autonomie der Hoch-
schulen wurde gleichzeitig die Steuerung durch staatliche Abschlüsse fraglich. Im
Blick auf die Lehrerbildung war lange ein Problem, wie die neue Studienstruktur
16   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                     auf die unterschiedliche Dauer und Ausrichtung der verschiedenen Lehrerbil-
                                     dungstudiengänge übertragen werden kann.

                                     Im Folgenden wird zunächst auf die Grundlage der Studienorganisation, die Ord-
                                     nung der Lehrämter, eingegangen. Diese Ordnung ist durch das neue System nicht
                                     verändert worden (2.1.). In einem zweiten Schritt gehe ich auf die bildungswissen-
                                     schaftlichen Standards ein, die die deutsche Kultusministerkonferenz 2004 verab-
                                     schiedet hat. Mit diesem Beschluss ist erstmalig in der deutschen Lehrerbildungs-
                                     geschichte länderübergreifend Einfluss genommen worden auf die Gestaltung der
                                     Curricula. Bislang steuerte der Staat durch formale Studien- und Prüfungsord-
                                     nungen und dies in jedem Bundesland anders (2.2.). 2008 lagen curriculare Stan-
                                     dards für die Fachwissenschaften und die Fachdidaktiken vor, die ebenfalls von
                                     der Kultusministerkonferenz gebilligt wurden. Diese Standards thematisiere ich
                                     in einem dritten Schritt (2.3.).

     2.1.       Die Ordnung der Lehrämter

                                     Die Lehrerbildung in Deutschland ist föderativ organisiert, das unterscheidet
                                     sie von den meisten anderen Ländern im europäischen Umfeld. In Frankreich
                                     und Italien oder auch in den skandinavischen Ländern und in England be-
                                     stimmt der Zentralstaat über die Lehrerbildung,5 also gibt mit den Gesetzen
                                     einheitliche Regeln vor, die sich in den Regionen nicht unterscheiden. In
                                     Deutschland - ausgenommen die DDR - ist das föderative Prinzip der Bildung
                                     historisch nie geändert worden. Die Föderalismusreform von 2006 hat dieses
                                     Prinzip nochmals bekräftigt, was sich nicht zuletzt auch in der Lehrerbildung
                                     gezeigt hat. Die Bundesländer entscheiden je für sich, wie sich die Ausbildung
                                     der Lehrkräfte entwickeln soll; die Kultusministerkonferenz (KMK) legt aller-
                                     dings bestimmte Eckwerte fest und sorgt damit für eine gewisse Abstimmung
                                     zwischen den Ländern.

                                     Das für die Föderalismusreform maßgebende Gesetz zur Änderung des Grund-
                                     gesetzes vom 28. August 2006 hat die „im Schwerpunkt ausschließliche
                                     Gesetzbefugnis[se] der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung“
                                     (Grundgesetz § 23,6) nicht nur nicht angetastet, sondern durch damit verbun-
                                     dene neue Befugnisse und Maßnahmen sogar noch ausgebaut. Dazu zählen
                                     etwa eigene Besoldungsverordnungen für die Lehrkräfte. Direkte Zahlungen
                                     des Bundes an den Schulbereich wie im Ganztagsschulprogramm ab 2003 wird
                                     es in Zukunft nicht mehr geben. Und die Finanzierung des Hochschulbaus
                                     und die Bildungsplanung sind nicht mehr „Gemeinschaftsaufgaben“ im Sinne
                                     des Grundgesetzes (§ 91a, 91b). 6

                                     Weil ausschließlich die Bundesländer für die Gesetzgebung „auf den Gebieten
                                     der schulischen Bildung“ zuständig sind, obliegt ihnen auch die Gesetzgebung
                                     in der Lehrerbildung. Die Lehrerbildungsgesetze werden mehr oder weniger
                                     direkt aus den jeweiligen Schulgesetzen abgeleitet. 7 Die einzelnen Bundeslän-
                                     der unterscheiden sich im Blick auf die Lehrerbildung bislang umso mehr, je
                                     mehr einzelne Gesetze, Erlasse und Verordnungen betroffen sind. Bestimmte
                                     Eckwerte wie die Dauer des Studiums, der Bezug der Lehrämter auf die ver-
                                     schiedenen Schulformen oder die Besoldung der Lehrkräfte sind mehr oder

     5 In Italien gilt das auch für die ansonsten weitgehend autonome Provinz Bozen-Südtirol. Die Lehrkräfte für die Grundschulen und die
     Kindergärten werden nach Vorgaben des Zentralstaates an der Freien Universität Bozen ausgebildet.
     6 Zwingende Gemeinschaftsaufgaben sind die Verbesserung der regionalen Wirtschaftskultur sowie die Verbesserung der Agrar-
     struktur und des Küstenschutzes. Bund und Länder können „in Fällen von überregionaler Bedeutung“ zusammenwirken, hierzu zählen
     Forschungsvorhaben sowie „Forschungsvorhaben an Hochschulen einschließlich Großgeräte“ (Grundgesetz § 91b).
     7   Wie etwa im §1 des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes vom 29. November 2004.
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards   17

weniger gleich, die gesetzlichen Regelungen aber sind verschieden und liegen
zum Teil sehr weit auseinander.

Die Kultusministerkonferenz hat im Jahre 2002 versucht, Struktur in die Vielfalt
zu bringen und sechs „Typen“ von Lehrämtern unterschieden. Es sind nicht die
Lehrämter selbst, die durch die Landesgesetzgebung festgelegt und periodisch
auch geändert werden. Die „Lehramtstypen“ der KMK kennen so in den Ländern
unterschiedliche Varianten und Ausprägungen; sie beschreiben letztlich nur die
Zuordnung zu den Schulstufen. Für die eigentlichen Lehrämter existieren in
allen Bundesländern bezogen auf zwei Ausbildungsphasen je eigene Studien-
und Prüfungsordnungen, die verschiedene Zielsetzungen vertreten und unter-
schiedliche Anforderungen stellen, aber aufgrund der Anerkennungsreglements
zu gleichen Abschlüssen führen und so auch mit gleichen Berechtigungen ver-
bunden sind.

Bezeichnet werden die deutschen „Lehramtstypen“ wie folgt:

Lehramtstyp 1: Lehrämter der Grundschule bzw. Primarstufe
Lehramtstyp 2: Übergreifende Lehrämter der Primarstufe und aller
		             oder einzelner Schularten der Sekundarstufe I
Lehramtstyp 3: Lehrämter für alle oder einzelne Schularten der
               Sekundarstufe I
Lehramtstyp 4: Lehrämter der Sekundarstufe II (allgemeinbildende
		             Fächer) oder für das Gymnasium
Lehramtstyp 5: Lehrämter der Sekundarstufe II (berufliche Fächer)
		             oder für das Gymnasium
Lehramtstyp 6: Sonderpädagogische Lehrämter

Für jeden dieser sechs Lehramtstypen besteht zwischen den Bundesländern
eine eigene Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung (Sekreta-
riat 2009, 2009a-e). Diese Vereinbarungen halten auch die Abstände zwischen
den Lehrämtern fest, die im Blick auf die Ausbildungsorganisation, die Anfor-
derungen und die Verteilung der Zeitressourcen (ECTS-Punkte oder CP: „credit
points“) nicht gleich behandelt werden. Der Grund ist die historische Sonder-
stellung der Gymnasien und damit der Lehrämter der Sekundarstufe II, die auch
von der Entwicklung im Bologna-System überwiegend nicht angetastet wird.

Die Studiengänge sind in verschiedenen formalen Hinsichten gleich. Sie um-
fassen alle zwei Phasen und führen so auch zu zwei Staatsexamen oder ver-
gleichbaren Abschlüssen. Auch die Bandbreite der Dauer des Vorbereitungs-
dienstes beträgt überall zwischen 12 und 24 Monate; die Dauer selbst ist nicht
gleich, nicht einmal innerhalb der Lehrämter bestimmter Bundesländer. Auf
den Vorbereitungsdienst können je nach Länderrecht schulpraktische und
vergleichbare fachliche Teile des Studiums angerechnet werden. Umgekehrt
sind bei einem Masterabschluss bis zu 60 ECTS-Punkte aus dem Vorberei-
tungsdienst anrechenbar. Auch vorgängige Fachhochschulstudien können
auf Ausbildungen für die Lehrämter angerechnet werden. Wie die Länder mit
diesen neuen Vorgaben, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren, 8 um-
gehen, bleibt ihnen überlassen und tatsächlich sind die hier anschließenden
Entwicklungen durchaus verschieden.

Die konkrete Verteilung der Ressourcen zwischen den verschiedenen Lehr-
amtstypen sieht so aus: 9

8   Flexibilisierungsvorschläge finden sich erstmals im Hamburger Gutachten zur Lehrerbildung (Keuffer/Oelkers 2001).
9   Daten nach den Rahmenvereinbarungen in der Fassung vom 5. Februar 2009.
18   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                     Lehramtstyp 1:
                                         Regelstudienzeit: mindestens sieben Semester
                                         Studienumfang: mindestens 210 ECTS-Punkte
                                         Studium von drei Bereichen: Wahl und Schwerpunktfach, Didaktik der
                                         Grundstufe/Primarstufe und verschiedene Lernbereiche
                                         Umfang Wahl- und Schwerpunktfach: Etwa 1/3 des Gesamtvolumens und
                                         mindestens 55 ECTS-Punkte

                                     Lehramtstyp 2:
                                         Regelstudienzeit: mindestens sieben Semester
                                         Studienumfang: mindestens 210 ECTS-Punkte
                                         Studium von mindestens zwei Fachwissenschaften und deren Didaktiken
                                         Verhältnis des Fachstudiums zu dem der Bildungswissenschaften etwa 2:1

                                     Lehramtstyp 3:
                                         Regelstudienzeit: mindestens sieben Semester
                                         Studienumfang: mindestens 210 ECTS-Punkte
                                         Studium von mindestens zwei Fachwissenschaften und deren Didaktiken
                                         Verhältnis des Fachstudiums zu dem der Bildungswissenschaften etwa 2:1

                                     Lehramtstyp 4:
                                         Regelstudienzeit MA-Abschluss: 10 Semester inklusive schulpraktische
                                         Studien; Regelstudienzeit bis Abschluss Erste Staatsprüfung: mindestens 9,
                                         höchstens 10 Semester
                                         Studienumfang MA-Abschuss: 300 ECTS-Punkte; Studienumfang bis Ab-
                                         schluss Erste Staatsprüfung: mindestens 270 ECTS-Punkte
                                         „Vertieftes Studium“ von zwei Fachwissenschaften und deren Didaktiken
                                         im Umfang von mindestens 180 ECTS-Punkten in „etwa gleichmäßiger“
                                         Verteilung
                                         Verhältnis zu den Bildungswissenschaften: keine Angabe

                                     Lehramtstyp 5:
                                         Regelstudienzeit MA-Abschluss: 10 Semester inklusive schulpraktische
                                         Studien; Regelstudienzeit Abschluss Erste Staatsprüfung: 9 Semester
                                         Studienumfang MA-Abschluss: 300 ECTS-Punkte; Studienumfang bis Ab-
                                         schluss Erste Staatsprüfung: mindestens 270 ECTS-Punkte
                                         Studium von zwei Fachwissenschaften im Umfang von insgesamt 180 ECTS-
                                         Punkten
                                         Studium von Bildungswissenschaften (Schwerpunkt Berufs- und Wirt-
                                         schaftspädagogik), Fachdidaktiken und schulpraktische Studien: 90 ECTS-
                                         Punkte
                                         BA/MA-Arbeit: insgesamt 30 ECTS-Punkte
                                         Anrechenbarkeit von Studienleistungen auf den Vorbereitungsdienst je
                                         nach Länderrecht möglich

                                     Lehramtstyp 6:
                                         Regelstudienzeit: mindestens 8 Semester
                                         Studienumfang: mindestens 240 ECTS-Punkte
                                         Studium der Sonderpädagogik: etwa 120 ECTS-Punkte
                                         Studium von mindestens einer Fachwissenschaft und deren Didaktik
                                         Verhältnis von bildungswissenschaftlichen und unterrichtsfachlichen An-
                                         teilen etwa 1:2
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards   19

Kennzeichnend für dieses System und die damit gegebene Verteilung der Res-
sourcen ist die Mischung aus Stufen- und Schulartenbezug, die es in anderen
Ländern nicht gibt, weil nicht nach Schularten, sondern nur noch nach Stufen
unterschieden wird, die bezogen auf die Ausbildung weitgehend gleich be-
handelt werden oder sogar in einem einzigen Ausbildungsgang aufgehen. Ge-
nau unterschiedene staatliche „Lehrämter“, die bei aller internen Differenzie-
rung die Verwendbarkeit der Ausbildung letztlich auf eine bestimmte Schulart
festlegen, 10 gibt es nur im deutschen Sprachraum. Im internationalen Vergleich
sind durchaus andere Entwicklungstrends erkennbar, gemäß denen die beruf-
liche Kompetenz nicht nach Lehrämtern unterschieden wird.

Ein Beispiel ist die Lehrerbildung in Schweden. Hier ist 2001 ein komplett
neues Programm eingeführt worden, das für alle Lehrerkategorien die gleiche
Ausbildung vorschreibt. Unterschieden wird nicht mehr nach Fächern und Al-
tersstufen oder Schularten wie in Deutschland; das Studium soll mit hohen
praktischen Ausbildungsanteilen allgemeine und so transferfähige Kenntnisse
über Lehren und Lernen vermitteln, auf die soziale Situation der Schule zuge-
schnitten sein und dafür sorgen, dass alle Lehrkräfte über genügend sonder-
pädagogische Kompetenzen verfügen, damit Aussonderungen vermieden und
über die gesamte Schulzeit integrativ gefördert werden kann. Das Berufsfeld
selbst wird als einheitlich verstanden. Ich komme darauf zurück.

In Deutschland wird die Ausrichtung nach Lehrämtern konsequent auch in
der neuen Studienorganisation realisiert, was sich in unterschiedlich langen
Ausbildungen niederschlägt. Das Bundesland Thüringen etwa bietet Aus-
bildungen für fünf Lehrämter an, die alle einen sechssemestrigen Bachelor-
Abschluss abverlangen, sich im Masterprogramm dann aber unterscheiden.
Während die Lehrämter an Grundschulen und Regelschulen drei Semester
vorsehen, müssen für die Lehrämter an Gymnasien, berufsbildenden Schulen
und für Förderpädagogik vier Semester studiert werden. 11 In Niedersachsen,
etwa an der Universität Braunschweig, dauert der Masterstudiengang für die
Lehrämter an Grund- und Hauptschulen sowie an Realschulen zwei Semester,
während das Lehramt an Gymnasien vier Semester zur Verfügung hat.12

Unterschiede zwischen den Lehrämtern gibt es zum Teil bereits im Bachelor-
studium. Das zeigt wiederum ein Beispiel: An der Universität Bremen werden
in den beiden Lehrämtern für Grundschulen und Sekundarschulen zwei gleich-
wertige Fächer studiert, 13 die je 45 ECTS-Punkte erhalten. Daneben gehören
zum Studium die entsprechenden Fachdidaktiken inklusive Schulpraktikum
sowie die Erziehungswissenschaft inklusive Schulpraktikum mit je 30 ECTS-
Punkten, dann eine Einheit, die „Schlüsselqualifikationen“ genannt wird und
ein Orientierungspraktikum mit 15 Punkten sowie schließlich ein Abschluss-
modul mit der Bachelorarbeit, 14 für das 15 Punkte zur Verfügung stehen.

Der Studienaufbau für das Lehramt an Gymnasien sieht demgegenüber so aus:

      Hauptfach: 					                                        75   ECTS-Punkte
      Fachdidaktik Hauptfach: 			                             15   ECTS-Punkte
      Nebenfach:					                                         45   ECTS-Punkte
      Erziehungswissenschaft/Schulpraktikum                   15   ECTS-Punkte

10   Ausnahmen sind Lehrämter für verschiedene Schularten, etwa für Grund- und Hauptschulen.
11  Freistaat Thüringen: Universitäre Lehrerbildung. http://www-thueringen.de/de/tkm/bildung/lehrerbildung/uni/content.html (Zu-
griff auf die Seite am 28. August 2009)
12   http://www.tu-braunschweig.de/studieninteressierte/studienangebot/lehramt (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009)
13   Verpflichtend ist Deutsch und Elementarmathematik.
14   Die Arbeit kann in einem der Unterrichtsfächer, der Fachdidaktik oder der Erziehungswissenschaft verfasst werden.
20   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                           Schlüsselqualifikationen/O-Praktikum                      15 ECTS-Punkte
                                           Abschlussmodul/BA-Arbeit 			                              15 ECTS-Punkte

                                       Im anschließenden viersemestrigen Masterstudiengang wird das Nebenfach
                                       „aufgestockt“, so dass bis zum Abschluss 75 ECTS-Punkte zur Verfügung stehen.
                                       Der Masterstudiengang für die Lehrämter an Grundschulen und Regelschulen
                                       beträgt auch in Bremen zwei Semester. 15 Der Abschluss heißt in Bremen wie im
                                       benachbarten Niedersachsen „Master of Education“, der nach zwei Semestern
                                       erreicht wird und nicht nach drei wie in Thüringen. Einen solchen „Master of
                                       Education“ gibt es in Bremen auch für die Gymnasien, nur stehen dafür vier
                                       Semester zur Verfügung. Die Regelung entspricht der in Niedersachsen und
                                       in fast allen anderen Bundesländern. Das neue System spiegelt das alte, mit
                                       den unvermeidlichen Länderdifferenzen, d.h. Gymnasiallehrkräfte studieren
                                       so auch im Bologna-System länger und werden fachlich besser ausgebildet.

                                       In Niedersachsen ist auch der Vorbereitungsdienst unterschiedlich lang, er
                                       dauert 18 Monate für die Grund-, Haupt- und Realschullehrer, für die Lehr-
                                       kräfte an den berufsbildenden Schulen sowie für das Lehramt für Sonderpä-
                                       dagogik und aber 24 Monate für die Lehrkräfte an den Gymnasien.16 Zum
                                       Vergleich: In Bayern wie in Hessen dauert der Vorbereitungsdienst für alle
                                       Lehrämter derzeit zwei Jahre, in Baden-Württemberg wie in Hamburg oder im
                                       Saarland durchgehend 18 Monate. Mit dem Gesetz zur Reform der Lehreraus-
                                       bildung vom 12. Mai 2009 hat Nordrhein-Westfalen die Dauer des Vorberei-
                                       tungsdienstes von 2 Jahren geändert, sie beträgt nun mindestens 12 Monate.
                                       In Baden-Württemberg gibt es Ausnahmen, so dauert der Vorbereitungsdienst
                                       der Fachlehrer für musisch-technische Fächer an allgemeinbildenden Schulen
                                       24 Monate, der für technische Lehrer an gewerblichen Schulen 12 Monate.
                                       Berlin reserviert zwei Jahre für die Lehrämter an Gymnasien und Berufsschu-
                                       len, bei den drei anderen Lehrämtern genügt ein Vorbereitungsdienst von
                                       einem Jahr, 17 Thüringen schließlich verlangt 18 Monate Vorbereitungsdienst
                                       für die Grundschule und 24 Monate für alle anderen Schularten.

                                       Selbst bei den sogenannten „Quereinsteigern“ wird ein Unterschied gemacht. In
                                       Niedersachsen etwa können sich Interessierte „ohne eine für die Unterrichts-
                                       tätigkeit an den allgemeinbildenden Schulen vorgesehene Lehramtsausbildung“
                                       für die Gymnasien oder die gymnasiale Oberstufe der Gesamtschulen bewer-
                                       ben, wenn sie über den Abschluss eines mindestens sechssemestrigen Studien-
                                       gangs an einer universitären Hochschule verfügen, für die Lehrtätigkeit an
                                       einer Haupt- oder Realschule genügt ein Fachhochschulabschluss. Lehrkräfte
                                       mit diesem Abschluss werden nach der Entgeltgruppe 9 besoldet, wenn sie an
                                       einer Hauptschule unterrichten und nach Entgeltgruppe 10, wenn das an einer
                                       Realschule der Fall ist.18 Wer über einen universitären Abschluss verfügt und an
                                       der Hauptschule mit einem Fach unterrichtet, erhält die Entgeltgruppe 10 und
                                       mit zwei Fächern die Entgeltgruppe 11 (Einstellung von Lehrkräften 2009).19

                                       Hinter jeder Bildungsorganisation verbirgt sich stets auch eine Steuerungsphilo-
                                       sophie jenseits von „Entgeltgruppen“ und so der Steuerung durch Lohnklassen.

     15   Universität Bremen: Zentrum für Lehrerbildung http://zfl.uni-bremen.de/cms/index (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009)
     16   Daten nach: Studien- und Berufswahl: Lehrämter http://studienwahl.de/index (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009).
     17   Dies obwohl das Lehramt an Sonderschulen einen dreisemestrigen Master kennt.
     18 Zum Vergleich: Lehrkräfte im Beamtenstatus werden gemäß Besoldungstabelle vom 1. März 2009 nach A 12 bezahlt, wenn sie aus-
     schließlich in der Primarstufe oder der Sekundarstufe I tätig sind. Bis hierhin reicht der „gehobene Dienst“. Die anderen Lehrkräfte wer-
     den nach A 13 bezahlt, der ersten Stufe des „höheren Dienstes“. Allerdings gibt es jede Menge Funktionsstellen und Leitungsämter,
     die die Gehaltsstufen anheben.
     19   Für Realschulen gelten Entgeltgruppen 11 (ein Fach) und 12 (zwei Fächer), für Gymnasien 12 und 13.
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards   21

In Deutschland konkretisiert sich diese Philosophie immer noch wesentlich in
Gesetzen und Erlassen. Das gilt zumal für die Organisation der Lehrerbildung.
Die Umsetzung der staatlichen Vorgaben wird kaum kontrolliert, entscheidend
ist nicht das mit der Ausbildung erzielte Resultat, also das Wissen und Kön-
nen der Berufsanfänger, sondern die formale Einhaltung der Studien- und Prü-
fungsordnungen. Weil jedes Bundesland eigene Ordnungen erlässt und die Ord-
nungen selbst immer mehr regeln sollen, entsteht eine enorme Komplexität, die
einhergeht mit einer hochgradigen Undurchschaubarkeit.

Abstimmungen zwischen den Gesetzen und Verordnungen der einzelnen Bun-
desländer sind über die sechs Rahmenvereinbarungen hinaus nicht erforder-
lich und werden von den Ländern auch nicht angestrebt. Dies aber, eine enge
Abstimmung, wäre dringend anzuraten. Jede Kultusbehörde reagiert nach den
eigenen Erfahrungen, während andererseits Wettbewerb - ausgenommen zur
Behebung von Lehrermangel - kaum gesucht wird. Die Frage, was zum Bei-
spiel ein gutes Lehrerbildungsgesetz ist, wird weder durch Vergleiche noch
durch Qualitätskriterien beantwortet. Bezogen auf die „Erlasslage“ ist die neue
Rhetorik der „Outputsteuerung“ in der behördlichen Administration von Leh-
rerbildung bislang kaum sehr erfolgreich gewesen. Das gilt für das Praxisfeld,
die Schulen, nicht in gleichem Maße. Hier sehen inzwischen wohl alle Gesetze
Maßnahmen zur Qualitätssicherung vor,20 was in den Lehrerbildungsgesetzen
bislang nicht oder erst seit kurzem der Fall ist. 21

Im März 2004 stellte das Sekretariat der KMK die damals geltenden „gesetz-
lichen und laufbahnrechtlichen Grundlagen“ der Ersten Staatsprüfungen für
die Lehrämter, des Vorbereitungsdienstes sowie der Zweiten Staatsprüfungen
zusammen und kam auf eine Zahl von 181 Gesetzen, Erlassen und Verord-
nungen der verschiedensten Art. Allein bei der KMK selbst waren damals 23
Beschlüsse und Vereinbarungen in Kraft, deren älteste die Richtlinien für die
Ausbildung und Prüfung der Diplomhandelslehrer vom 9. Oktober 1953 (gül-
tig in der Fassung vom 29. September 1961) waren. Mecklenburg-Vorpommern
brauchte fünf Gesetze und Verordnungen, um die Geschäfte der Lehrerbil-
dung zu regeln, in Rheinland-Pfalz waren es 24, einschließlich der „Landesver-
ordnung über die Prüfung zur Erlangung der Befähigung für das Lehramt an
Grund- und Hauptschulen, an Realschulen, an Gymnasien oder an berufsbil-
denden Schulen von Lehrkräften mit einer pädagogischen Zusatzausbildung
vom 17. Juli 2002“ (Sekretariat 2004).

Heterogen sind auch die Lehrämter selbst. Im Februar 2002 listete die KMK 41 ver-
schiedene Lehramtsbezeichnungen in den Bundesländern auf, die mehr oder weni-
ger gut zur Matrix der sechs Lehramtstypen passen und von denen einige nochmals
in sich differenziert sind. Das lässt sich am Beispiel eines Typus zeigen:

Lehramtstyp 2: Übergreifende Lehrämter der Primarstufe und aller oder ein-
zelner Schulformen der Sekundarstufe I

      Saarland: Lehramt für die Primarstufe und für die Sekundarstufe I (Klas-
      senstufen 5-9)
      Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz: Lehramt
      an Grund- und Hauptschulen
      Berlin: Amt des Lehrers
      Brandenburg: Lehramt für Bildungsgänge der Sekundarstufe I und der Pri-
      marstufe an allgemein bildenden Schulen

20   Wie Schulgesetz NRW §3.
21   So im Gesetz zur Reform der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen vom 12. Mai 2009.
22   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                           Bremen: Lehramt an öffentlichen Schulen mit stufenbezogenem Schwer-
                                           punkt a) Primarstufe und Sekundarstufe I, Schwerpunkt Primarstufe (mit
                                           Sekundarstufe I) - einschließlich Typ 6 - b) Primarstufe und Sekundarstufe I
                                           (mit Primarstufe) - einschließlich Typ 6 -
                                           Hamburg: Lehramt an der Grund- und Mittelstufe (Erste Phase), an Volks-
                                           und Realschulen (Zweite Phase)
                                           Schleswig-Holstein: Laufbahn der Grund- und Hauptschullehrer
                                           Niedersachsen: Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen
                                           (Sekretariat 2002).

                                       Das unabhängige Internet-Portal „studieren.de“ listet aktuell 183 Fächer deut-
                                       scher Universitäten und Hochschulen auf, in denen Studiengänge für Lehrämter
                                       angeboten werden. Das geschieht in den berufsbildenden Lehrämtern teilwei-
                                       se in Kooperation mit Fachhochschulen. 22 Auch hier erkennt man einen hohen
                                       Differenzierungsgrad und große Unterschiede. Für kein anderes Berufsfeld exis-
                                       tierten so viele verschiedene Studienmöglichkeiten. Das Lehramt für Agrar-
                                       wirtschaft kann nur an der Technischen Universität München studiert werden,
                                       ein Studiengang Lehramt für Land- und Gartenbauwissenschaft wird in Berlin
                                       sowohl von der Freien Universität als auch von der Humboldt-Universität an-
                                       geboten, während zum Vergleich Bautechnik an zwölf verschiedenen Universi-
                                       täten und einer Fachhochschule im Ausbildungsprogramm steht.

                                       Das Baukastenprinzip der Bologna-Studiengänge hat die Komplexität noch-
                                       mals erhöht und die Durchschaubarkeit nicht verbessert. Auch hier verfahren
                                       die Bundesländer nicht einheitlich, sondern suchen je eigene Lösungen. Aller-
                                       dings haben sie alle sehr wohl auch ein gemeinsames Problem, nämlich wie
                                       im Prozess der zunehmenden Hochschulautonomie der staatliche Einfluss in
                                       der Lehrerbildung gesichert werden kann. Der Staat ist der einzige Abnehmer,
                                       ein wirklicher Arbeitsmarkt besteht nicht, selbst wenn die Privatschulen auch
                                       Lehrkräfte anstellen können, die nicht über die beiden Staatsexamen verfügen.
                                       Der Staat prüft das in einem eigenen Feststellungsverfahren, das analog auch
                                       dann angewendet wird, wenn in den öffentlichen Schulen Lehrkräfte ohne die
                                       beiden Staatsexamen angestellt werden.23

                                       Die Folge ist, dass die Universitäten und Hochschulen nicht autonom über
                                       ihre Lehrerbildungsstudiengänge entscheiden können, sondern sich im Rah-
                                       men von staatlichen Vorgaben bewegen müssen, die wiederum zwischen den
                                       Ländern unterschiedlich sind. Nur die Rahmenbedingungen für die Entwick-
                                       lung der Lehrerbildung im Bologna-System sind einheitlich. Sie beziehen sich
                                       auf die „Eckpunkte für die gegenseitige Anerkennung von Bachelor- und Ma-
                                       sterabschlüssen in Studiengängen, mit denen die Bildungsvoraussetzungen
                                       für ein Lehramt vermittelt werden“. Hinter diesem Titel verbirgt sich ein Be-
                                       schluss der Kultusministerkonferenz, der am 2. Juni 2005 in Quedlinburg ge-
                                       troffen wurde und seitdem als „Quedlinburger Beschluss“ bekannt geworden
                                       ist. Kern des Beschlusses war die Akzeptanz von Studiengängen, die Bachelor-
                                       und Masterstrukturen in der Lehrerausbildung vorsehen. Die diesbezüglichen
                                       Abschlüsse werden anerkannt, sofern sie bestimmten Vorgaben entsprechen.

                                       Die vier Vorgaben lauten wie folgt:

                                       1. Integratives Studium an Universitäten oder gleichgestellten Hochschulen

     22   http://studieren.de/fachbereiche. (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009)
     23Das Verfahren selbst ist in den Bundesländern unterschiedlich. In manchen Gesetzen wird auch zwischen Privatschulen und Waldorf-
     schulen unterschieden. Nordrhein-Westfalen etwa sieht ein aufwändiges Feststellungsverfahren für Privatschullehrkräfte ohne die bei-
     den Staatsexamen vor, während die Ausbildung an „waldorfeigenen Ausbildungsinstituten“ zusammen mit der Hochschulreife für die
     Unterrichtsgenehmigung an Waldorfschulen ausreicht (Verordnung über die Ersatzschulen §6). Basis ist das Schulgesetz NRW (§ 102).
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards      23

   von mindestens zwei Fachwissenschaften und von Bildungswissenschaften
   in der Bachelorphase sowie in der Masterphase. 24
2. Schulpraktische Studien bereits während des Bachelor-Studiums.
3. Keine Verlängerung der bisherigen Regelstudienzeiten (ohne Praxisan-
   teile).
4. Differenzierung des Studiums und der Abschlüsse nach Lehrämtern.

Der Beschluss enthält noch einen weiteren Eckpunkt, der die Vergleichbar-
keit sichern soll: Alle Studiengänge, durch die „die Bildungsvoraussetzungen
für ein Lehramt vermittelt werden“, also auch die, die nicht zu Bachelor- und
Masterabschlüssen führen, werden modularisiert, die Module werden an den
„ländergemeinsamen Standards“ ausgerichtet und die Studiengänge werden
„begleitend evaluiert“. Bachelor- und Masterstudiengänge müssen neu einem
Verfahren der Akkreditierung unterzogen werden, bei den anderen Studien-
gängen gelten die bisherigen staatlichen Ordnungen für die Ausbildung und
für die Prüfung.

Der staatliche Einfluss bei der Akkreditierung der neuen Studiengänge wird
mit folgendem Passus beschrieben:

„Bei Bachelor- und Masterstudiengängen, die die Befähigung für die Aufnahme
in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt vermitteln, wirkt zur Sicherung
der staatlichen Verantwortung für die inhaltlichen Anforderungen der Lehrer-
ausbildung ein Vertreter der für das Schulwesen zuständigen obersten Landes-
behörde im Akkreditierungsverfahren mit; die Akkreditierung des jeweiligen
Studiengangs bedarf seiner Zustimmung.“

Im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens ist „insbesondere die Einhaltung der
ländergemeinsamen fachlichen Anforderungen für die Lehrerausbildung“ sowie
„eventueller landesspezifischer inhaltlicher und struktureller Vorgaben festzu-
stellen“. Die „ländergemeinsamen fachlichen Anforderungen“ konkretisierten
sich in „Standards in den Bildungswissenschaften sowie ländergemeinsame An-
forderungen der Fächer und ihrer Didaktik“ (Sekretariat 2005). Die Beschrei-
bungen für beide Gruppen von Standards liegen inzwischen vor und auch der
Akkreditierungsprozess ist vorangebracht worden. Die Länder sind allerdings
unterschiedlich weit in der Anwendung der Bologna-Struktur auf die Lehrerbil-
dung; wenn sie bereits Akkreditierungsverfahren vorsehen, dann werden damit
in aller Regel externe Agenturen wie die AQAS in Bonn25 beauftragt.

                                                       Standards für die Bildungswissenschaften                            2.2.

Die Standards für die Bildungswissenschaften26 sind von der Kultusminister-
konferenz am 16. Dezember 2004 verabschiedet worden. Im Beschluss heißt
es einleitend:

„Die Standards für die Lehrerbildung werden von den Ländern zu Beginn des
Ausbildungsjahres 2005/2006 als Grundlage für die spezifischen Anforde-

24   Ausnahmen können die Länder bei den Fächern Musik und Kunst vorsehen.
25 Die Agentur für Qualitätssicherung durch Akkreditierung von Studiengängen (AQAS) ist 2002 gegründet worden und hat die Rechts-
form eines gemeinnützigen Vereins, dem derzeit 54 Hochschulen und wissenschaftliche Gesellschaften angehören. Die Agentur ist
ihrerseits vom Deutschen Akkreditierungsrat akkreditiert worden. Bislang hat die Agentur vier Akkreditierungsverfahren im Bereich
der Lehrerbildung durchgeführt. Ende 2006 gab es sechs anerkannte Akkreditierungsagenturen in Deutschland, darunter vier, die
überfachlich ausgerichtet sind. Heute sind sieben Agenturen berechtigt, das Qualitätssiegel des Akkreditierungsrates zu vergeben.
26 „Die Bildungswissenschaften umfassen die wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Bildungs- und Erziehungsprozessen, mit
Bildungssystemen sowie mit deren Rahmenbedingungen auseinandersetzen“ (Sekretariat 2004a, S. 1). Faktisch sind das die Fächer in
dem alten erziehungswissenschaftlichen Begleitstudium, die aber nun nicht mehr „Fächer“ sein sollen.
24   Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland

                                     rungen an Lehramtsstudiengänge einschließlich der praktischen Ausbildungs-
                                     anteile und des Vorbereitungsdienstes in den Ländern übernommen.

                                     Die Länder kommen überein, die hier vorgelegten Standards für die Lehrerbil-
                                     dung zu implementieren und anzuwenden. Dies betrifft insbesondere die Stu-
                                     dienordnungen in den Lehramtsstudiengängen, den Vorbereitungsdienst und
                                     die Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Die Länder kommen
                                     überein, die Lehrerbildung regelmäßig auf der Grundlage der vereinbarten
                                     Standards zu evaluieren.

                                     Die Standards und ihre Einhaltung werden unter Berücksichtigung der Ent-
                                     wicklung in den Bildungswissenschaften und in der Schulpraxis von den Län-
                                     dern gemeinsam überprüft und weiterentwickelt“ (Sekretariat 2004a, S. 1).

                                     Was genau unter „Implementation“ und „Anwendung“ verstanden werden soll,
                                     bleibt offen; nimmt man den Wortlaut des Beschlusses ernst, dann müssten
                                     sich die Standards der Bildungswissenschaften fünf Jahre nach ihrer Verab-
                                     schiedung in den Regelungen der Länder für das Studium und den Vorberei-
                                     tungsdienst in irgendeiner Form wiederfinden lassen. Zu Beginn des Ausbil-
                                     dungsjahres 2005/2006 sollten sie ja bereits „übernommen“ worden sein, was
                                     aber allzu optimistisch war.

                                     Was heute festgestellt werden kann, ist eine starke Ungleichzeitigkeit in der
                                     Entwicklung sowie große Unterschiede nicht nur zwischen den einzelnen Bun-
                                     desländern, sondern auch zwischen den Ausbildungsphasen und den Fächern.
                                     Auffällig ist, dass die Standards für die Bildungswissenschaften offenbar vor
                                     allem in den Studienseminaren verwendet werden, also dort, wo die Ausbil-
                                     dung einem praktischen Ziel folgt. Dagegen sind die Studiengänge der ersten
                                     Phase davon bislang kaum berührt, dort sind einfach die bisherigen Ausbil-
                                     dungsprogramme modularisiert worden, verbunden mit einer exzessiven Stei-
                                     gerung der Prüfungsleistungen. In diesem Sinne hat allerdings eine „Standar-
                                     disierung“ stattgefunden.

                                     Der Beschluss der KMK unterscheidet zwischen curricularen Schwerpunkten
                                     der Bildungswissenschaften in der Lehrerbildung, didaktisch-methodischen
                                     Ansätzen zur Vermittlung bildungswissenschaftlicher Inhalte und Kompe-
                                     tenzen mit zugeordneten Standards. Die elf Kompetenzen für die Ausübung
                                     des Berufes sind der Kern des Beschlusses (ebd., S. 7-13). Sie wären damit ei-
                                     gentlich die verbindliche Grundlage für die Lehrerbildung in allen Bundeslän-
                                     dern und müssten so die Studien- und Prüfungsordnungen bestimmen, was
                                     bislang nicht der Fall ist. Das ist erklärbar, weil der Beschluss nicht mit einer
                                     abgestimmten Implementationsstrategie verbunden war. „Umsetzung“ heißt
                                     einfach das, was die Länder daraus machen.

                                     Unterschieden werden grundlegend vier Kompetenzbereiche, nämlich Unter-
                                     richten (Kompetenz 1-3), Erziehen (Kompetenz 4-6), Beurteilen (Kompetenz 7/8)
                                     und Innovieren (Kompetenz 9-11).27 In allen Bereichen müssen persönliche
                                     Kompetenzen ausgebildet werden, die sich überprüfen lassen, zu Beginn der
                                     beruflichen Tätigkeit in möglichst guter Qualität zur Verfügung stehen und die
                                     auch die Fort- und Weiterbildung bestimmen sollen. Die vier Kompetenzbe-
                                     reiche beziehen sich auf elf einzelne Kompetenzen, die so beschrieben werden:

                                     Kompetenz 1:        Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fach- und sachge-
                                                         recht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch.

     27   Das geht zurück auf die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates von 1970.
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