"I wanted to be a good teacher " - Jürgen Oelkers - WIB Potsdam
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Jürgen Oelkers “I wanted to be a good teacher…” Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland Studie
“I wanted to be a good teacher. I wanted the approval that would come when I sent my students home stuffed with spelling and vocabulary and all that would lead to a better life but, mea culpa, I didn’t know how.” Frank McCourt
ISBN: 978-3-86872-220-8 1. Auflage Copyright by Friedrich-Ebert-Stiftung Hiroshimastraße 17, 10785 Berlin Studienförderung Redaktion: Marei John-Ohnesorg, Marion Stichler inhaltliche Mitarbeit: Valerie Lange Satz & Layout: minus Design, Berlin Fotos: © 2009, Johannes Beck, minus Design, Berlin Druck: bub Bonner Universitäts-Buchdruckerei Printed in Germany 2009
Inhalt Vorwort 9 Zusammenfassung 11 1. Der Auftrag der Studie 13 2. Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards 15 2.1. Die Ordnung der Lehrämter 16 2.2. Standards für die Bildungswissenschaften 23 2.3. Standards für Fachwissenschaft und Fachdidaktik 27 3. Die Regelungsdichte, ein Reformgesetz und die Praxis 31 3.1. Ein Beispiel für Regelungsdichte 31 3.2. Ein Reformgesetz 38 3.3. Probleme der Implementation 42 4. Internationaler Vergleich und Daten zum Forschungsstand 49 4.1. Vergleich von Ausbildungssystemen 49 4.2. Befunde zur „what works“-Hypothese 53 4.3. Befunde zur Wissenserzeugung 57 4.4. Das Ansehen der Lehrerschaft in Deutschland 63 5. Reformstrategien und Empfehlungen 69 5.1. Studierende 69 5.2. Die Ausbildungsorganisation 74 5.3. Weiterbildung und Personalentwicklung 80 5.4. Unterrichtsentwicklung und Standards 83 6. Beantwortung der fünf Fragen 87 Literatur 92
08 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland
Vorwort 09 Vorwort Im Vergleich zu anderen Bildungsthemen (Schulstrukturen, Studienstrukturen, Exzellenzförderung, Medienerziehung, Berufliche Bildung, Weiterbildung, Föde- ralismus, Finanzierung) nimmt die Lehrerbildung in der deutschen Bildungsde- batte einen vergleichsweise geringen Raum ein. Dies ist umso erstaunlicher, als offenkundig ist, dass ohne qualifiziertes Lehrpersonal überhaupt keine Bildung stattfinden könnte, geschweige denn auf hohem Niveau. In gewisser Weise ist der Lehrer/ die Lehrerin das unbekannte Wesen in der Gesellschaft. Jeder kennt sie aus der Schulzeit, keiner kennt sie genau. Man ahnt, dass sie es besonders kompliziert haben in ihrem Beruf. Man verlangt von ihnen guten Unterricht, gute Lernergebnisse und ist enttäuscht, wenn man unter ihnen genauso viele starke und schwache Persönlichkeiten findet wie in anderen Berufen auch. Die Lehrer/innenausbildung spiegelt in Deutschland seit 200 Jahren die Schul- struktur wider: Die universitär ausgebildeten Lehrkräfte für die Gymnasien, die zunächst seminaristisch, dann fachschul- und schließlich fachhochschulmäßig ausgebildeten Lehrer/innen der Volksschulen bzw. der Grund-, Haupt- und Real- schulen. Auch wenn heute die meisten Lehrer/innen an Universitäten ausgebildet werden, weil man die Lehrerausbildung in die Universitäten integriert hat, so gibt es in Baden-Württemberg immer noch Pädagogische Hochschulen. Der große Wurf, alle Lehrerinnen und Lehrer einheitlich auf wissenschaftlicher Grundlage auszubilden, ist auch in den Reformbemühungen der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts nicht gelungen. Die sog. einphasige Lehrerausbildung, in der während und begleitend zum Studium verpflichtende Teile bereits in der Schule absolviert wurden, ist in der alten Bundesrepublik über Reformversuche nicht hinaus- gekommen und auch nach der Einheit Deutschlands nicht übernommen worden. Auf diese Weise ist die Grundstruktur eines – auf unterschiedlichen Hochschulen mit unterschiedlichen pädagogischen Anteilen vorhandenen – Studiums und ein Re- ferendariat von 1 bis 2 Jahren überall in Deutschland die Regel. Die Kultusminister müssen die Kraft aufbringen, die Lehrerbildung auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Denn die traditionelle Erwartung an die Lehrkräfte, nämlich guten Unterricht zu geben, reicht nicht mehr aus. Neue Methoden, die selbständiges Lernen fördern, Managementfähigkeiten, mediale Kompetenz, kulturelle und psychologische Kompetenz, Diagnose- fähigkeit und Beratungsqualität erfordern ein hohes Reflexionsniveau und die entsprechenden Zeitkontingente. Dies alles wird durch das Korsett der Bache- lor-/Master-Studiengänge nicht gefördert. Das Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung legt mit der Studie von Prof. Dr. Jürgen Oelkers, Professor für allgemeine Pädagogik an der Universität Zürich, eine kritische Übersicht über die gegenwärtige Situation der Lehre- rinnen- und Lehrerbildung vor. Sie soll als Anregung für die weitere Entwick- lung dienen. Am 13.10.2009 haben Experten aus der Wissenschaft, Pädagogik und Politik im Rahmen des Netzwerk Bildung über die Thesen diskutiert und sie zur Veröffentlichung empfohlen. Prof. Rolf Wernstedt Niedersächsischer Kultusminister a.D. Moderator des Netzwerk Bildung der Friedrich-Ebert-Stiftung
10 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland
Zusammenfassung 11 Zusammenfassung Die neue Steuerungsphilosophie der „Outputorientierung“ hat auch die Leh- rerbildung erreicht. Hinter dieser Philosophie steht der Gedanke der Rechen- schaftslegung, mit dem die Erwartung verbunden ist, dass die eingesetzten Ressourcen sich auf Ziele und Ergebnisse beziehen lassen. Dieser Gedanke ist der deutschen Lehrerbildung historisch fremd. Das muss sich ändern. Erzie- hung und Unterricht müssen eine Gesamtaufgabe werden, die Lehrerbildung die notwendigen Ressourcen vermitteln. Dazu ist ein mentales Umdenken notwendig. Reformansätze lassen sich im Bereich der Studierenden, der Aus- bildungsorganisation, der Weiterbildung und der Unterrichtsentwicklung und Standards finden. 1. Studierende: Beratungsgespräche und Eignungspraktika vor Studien- beginn helfen, dass der Berufswunsch möglichst früh eine realistische Dimension erhält und das Studium zielgerichteter gestaltet werden kann. Wenn die schul- praktischen Studien mit einer best practice bekannt machen, also nicht nur mit dem Alltag, sondern auch mit herausragenden Lösungen im Blick auf den Unter- richt und die Schulentwicklung, dann erfahren angehende Lehrkräfte wichtige Anregungen für ihr späteres Berufsleben. Mit der Bezeichnung „Ausbildungs- schule“ sollte sich zudem eine spezifische Qualität verbinden, die im Verbund mit dem Studienseminar und durch die Formulierung gemeinsamer Standards für „guten Unterricht“ erreicht und die als Markenzeichen verstanden wird. Dem Problem des Lehrermangels wird in den nächsten Jahren verstärkt mit der Ausbil- dung von Quereinsteigern begegnet werden müssen. Ihre Anstellung sollte einen Eignungstest voraussetzen und schulinternes Coaching implizieren. 2. Ausbildungsorganisation: Die neuen Zentren für Lehrerbildung kön- nen die Aufgabe übernehmen, die verschiedenen Phasen der Lehrerausbildung stärker miteinander zu verzahnen und Verantwortung für das Ergebnis zu übernehmen. Das ist durch regelmässige Evaluationen möglich, deren Resul- tate Konsequenzen haben – ungeeignete Module etwa müssen ersetzt werden können. Die Themen der Ausbildung müssen in eine Prioritätenfolge gebracht und auf den Zweck der Ausbildung von angehenden Lehrkräften hin angelegt werden. Das geschieht am besten mit eigenen Lehrmitteln, die die curricularen Standards materialisieren. Eine weitere Kernfrage betrifft die Prüfungen, das entscheidende Instrument der Qualitätssicherung, die zukünftig nicht am Ende des Studiums stehen, sondern den Kompetenzaufbau während des gesamten Studienverlaufs überprüfen, rückmelden und sichern sollten. 3. Weiterbildung: Mit gezielten Programmen der Weiterbildung kann am schnellsten auf gesellschaftlichen Wandel reagiert werden. Dazu muss die Weiterbildung von den Schulleitungen, Ministerien und Behörden strategisch verstanden werden. Die Angebote zur professionellen Weiterbildung von Lehr- kräften müssen sich an der Praxis und ihren Problemstellungen orientieren, aber dabei auch überprüfbar sein. Der Bedarf an Weiterbildung sollte von den Schulleitungen unter Berücksichtigung lokaler Prioritäten ermittelt werden und kann nicht nur von Defiziten ausgehen, sondern muss die Potentiale der Lehrkräfte sowie deren Aufgaben im Rahmen der Schulentwicklung in Rech- nung stellen.
12 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland 4. Unterrichtsentwicklung und Standards: Die Individualisierung des Lernens kann nicht losgelöst von fachlichen und überfachlichen Standards erfolgen. Die Standards müssen so angelegt sein, dass sie eine gestufte Ziel- erreichung zulassen. Das hätte dann Konsequenzen auch für die Leistungs- beschreibung bis hin zur Notengebung und zur Abfassung der Zeugnisse. Für individuelle Lernprozesse bietet das Lernen mit neuen Medien, z.B. durch schulinterne Lernplattformen, neue Möglichkeiten. Die curricularen Stan- dards und Kompetenzprofile in der Lehrerbildung sind nicht von sich aus kompatibel mit den nationalen Bildungsstandards – es müssen Konzepte entwickelt werden, um einen Transfer zu ermöglichen. Entscheidend für den Erfolg der Standardisierung ist, dass über die Legislaturperioden hinweg stabile Ziele verfolgt werden, die mit langfristig angelegten Innovationsstra- tegien verbunden sind. Im Kern geht es um einen grundlegenden Wandel der Schulkultur, der sich auch beim Aufbau von Feedback-Systemen oder bei vergleichender Leistungsbewer- tung zeigen muss. Die Lehrkräfte müssen ihr Kerngeschäft, den Unterricht, anders begreifen als bisher, nämlich nicht isoliert bezogen auf „ihre“ Klasse, sondern auf „unsere Schule“, und dies transparent nach innen wie nach außen. Die Standards, die jede Schule vertritt, müssen klar und deutlich kommuniziert werden, und das gilt für den Verhaltensbereich ebenso wie für die Leistungser- wartungen. Und „Standards“ betreffen nicht nur die Schüler, sondern auch die professionellen Anforderungen der Lehrkräfte.
Der Auftrag der Studie 13 1. Der Auftrag der Studie Die nachstehende Expertise hat den Auftrag erhalten, Kernfragen der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften in fünf Problembereichen zu diskutieren und Lö- sungen vorzuschlagen. Voraussetzung des Auftrages ist der Bologna-Prozess der Studienreform. Die Problembereiche sind vom Auftraggeber wie folgt formuliert worden: Wie sind die inhaltlichen und juristischen Rahmenvorgaben für die Lehreraus- bildung zu bewerten und inwieweit haben sie Einwirkung auf die Praxis? Die Kultusministerkonferenz hat im Oktober 2008 Fachprofile für die Lehramts- ausbildung beschlossen. So soll die Vergleichbarkeit und Anerkennung der Ab- schlüsse zwischen den Bundesländern gewährleistet werden. Die Fachprofile sol- len vorgestellt und inhaltlich bewertet werden. Außerdem sollte beurteilt werden, inwieweit die Vorgaben der Fachprofile Eingang in die Lehrerausbildung finden können. Wie leistungsfähig sind die derzeit angebotenen Lehramtsstudiengänge, wel- chen Stellenwert hat die Lehreraus- und -fortbildung für die Ausübung des Lehrberufs? Es sollte ein Überblick über die aktuellen Forschungsergebnisse zur Leistungsfä- higkeit der Lehramtsstudiengänge - hier sind die Studien COACTIV und COAC- TIV-R des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zu nennen - und der Be- deutung der Studien- und Fortbildungsinhalte für die Praxis gegeben werden. Dabei sollten auch Erfolgskriterien zur Lehrerbildung herausgearbeitet werden. Wie ist das Ansehen der Lehrerschaft in Gesellschaft und Politik? Der aktuellen Allensbach-Studie „Schulen und Lehrer aus Sicht der Bevölkerung“ zufolge sind viele Eltern davon überzeugt, dass Lehrerinnen und Lehrer überfor- dert sind und dass es ihnen nicht gelingt, ihren Schülerinnen und Schülern den Stoff angemessen zu vermitteln. Solche und ähnliche Befunde sollten dargestellt werden, um das Bild des Lehrerberufs in Gesellschaft und Politik und die mög- licherweise damit verbundenen Problematiken - beispielsweise die Feminisierung des Lehrerberufs - zu illustrieren. Wie muss sich das Selbstverständnis der Lehrerinnen und Lehrer verändern, um die neuen Anforderungen an den Lehrberuf erfüllen zu können? Der Anspruch an Ganztagsbetreuung, individuelle Förderung oder kompetenz- orientiertes Lernen stellt neue Anforderungen an das Unterrichten. Das hat Aus- wirkungen auf das Selbstverständnis der Lehrenden, die in ihrer Arbeit andere Schwerpunkte setzen müssen. Diese notwendigen Veränderungen und Möglich- keiten ihrer Durchsetzung in der Praxis sollten erörtert werden. Wie sind diese neuen Anforderungen kompatibel mit den schon bestehenden und wie können sie in die Schulen eingegliedert werden? Wie können Reformprozesse so gesteuert werden, dass sie sich in der Praxis durchsetzen? Veränderungen können nur dann wirksam werden, wenn sie Eingang in den Schulalltag finden. An dieser Stelle scheint es gerade in der Entwicklung trag- fähiger Konzepte der Steuerung und Transformation zu fehlen. Es sollten Emp-
14 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland fehlungen gegeben werden, wie Reformprozesse gestaltet werden sollten, um sie erfolgreich umsetzen zu können. Auf alle diese Fragen wird die Studie eingehen und am Schluss werden auch alle Fragen so gut es geht beantwortet. Der Schwerpunkt wird in der Analyse der Ausbildung liegen, die Fort- und Weiterbildung1 wird angesprochen, steht aber nicht im Mittelpunkt. Aus der Analyse der Ausbildung ergibt sich aber die Reform der Weiterbildung als ein vorrangiges strategisches Ziel. Es ist richtig, sich die Organisation der Lehrerbildung dreiphasig vorzustellen, wie dies etwa auch das Bayerische Kultusministerium vorgeschlagen hat: „Die Lehrerbildung gliedert sich in drei Phasen. Nach einer theoretisch fun- dierten, wissenschaftlichen Ausbildung in den Fachwissenschaften (einschließ- lich Fachdidaktiken) und Erziehungswissenschaften an Universitäten oder Kunst- hochschulen, erfolgt eine zweijährige, überwiegend schulpraktische Ausbildung im Vorbereitungsdienst (Referendariat) an Seminar- und Einsatzschulen. Studium und Vorbereitungsdienst schließen mit der Ersten bzw. Zweiten Staatsprüfung. Die Lehrerfortbildung wird als dritte Phase der Lehrerbildung bezeichnet.“2 Die Studie beginnt mit dem neuen Rahmen für die Lehrerbildung,3 also den Folgen des Bologna-Prozesses (Kapitel 1). Neue Entwicklungen wie curriculare Standards und professionelle Kompetenzen setzen allerdings eine Bedingung voraus, die die deutsche Lehrerbildung im Vergleich mit dem Ausland stark unterscheidet, näm- lich die Ordnung der Ausbildung nach Lehrämtern für besondere Schulformen. Was Wilhelm Münch4 1903 den „Geist des Lehramtes“ nannte und auf die „Höhere Bildung“ bezog, ist mehr als hundert Jahre später immer noch maßgebend (2). In einem zweiten Schritt gehe ich auf die heute gegebene Regelungsdichte ein, stelle ein Reformgesetz vor und thematisiere Fragen der Implementation von Reformen (3). Drittens vergleiche ich die deutsche Lehrerbildung mit der Ausbildungsorga- nisation in drei anderen Ländern und stelle danach ausgewählte Befunde der For- schung vor (4). Viertens diskutiere ich Reformstrategien und gebe Empfehlungen ab, die sich auf die weitere Entwicklung der Lehrerbildung in Deutschland be- ziehen. Hier werden vier verschiedene Dimensionen angesprochen (5). Am Ende stehen die Antworten auf die Fragen des Auftrags (6). 1 Im Folgenden spreche ich nur noch von „Weiterbildung“; der Ausdruck bezeichnet alle Arten von professioneller Schulung amtie- render Lehrkräfte. 2 http://www.km.bayern.de/km/lehrerbildung/ (Zugriff auf die Seite am 30. August 2009) 3 Die deutsche Kultusministerkonferenz benutzt durchgehend den Ausdruck „Lehrerbildung“, der nicht nach dem Geschlecht unter- schieden wird. Ich übernehme diese Sprachregelung und verstehe darunter die alte Pluralbildung, wohl wissend, dass in der Schweiz etwa offiziell nur noch von „Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ die Rede ist. 4 Wilhelm Münch (1843-1912) war von 1897 bis 1911 Honorarprofessor für Pädagogik an der Universität Berlin. Sein Buch „Geist des Lehramtes“ erschien 1903 in erster Auflage. Münch prägte hier die Bezeichnung „der deutsche Lehrer als Erziehungsbeamter“.
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards 15 2. Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards Die Lehrerbildung in Deutschland krankt an mangelnder Abstimmung zwischen den Ausbildungsphasen und an fehlender Qualitätssicherung bei gleichzeitiger Überregulierung. Die Bologna-Reformen haben die föderale Heterogenität noch einmal verstärkt. Dabei liegen mit den KMK- Standards für Bildungswissenschaften sowie für Fachwissenschaft und Fachdidaktik Konzepte für eine neue Ausrichtung der Lehrerbildung vor – die konsequente Durchsetzung in der Praxis steht aus. Die Defizite und Mängel der deutschen Lehrerbildung sind 2003 in dem ergän- zenden Gutachten zur OECD-Lehrerstudie so dargestellt worden, dass daraus ein unmittelbarer Handlungsbedarf resultierte. Es handle sich nicht, so das Gutach- ten, um periphere und rasch zu beseitigende Mängel, sondern um strukturelle Defizite. Genannt werden in dem Gutachten das Fehlen eines inhaltlichen Einvernehmens über den Kernbestand verpflich- tender Inhalte des Studiums, insbesondere hinsichtlich der erziehungswissen- schaftlichen Grundlagen, die Resistenz der Fachwissenschaften (Unterrichtsfächer), sich den Problemen der Lehrerbildung zu stellen, die beträchtlichen Defizite in der fachdidaktischen Ausbildung, das Fehlen eines akzeptierten „Ortes der Lehrerbildung“ in den Hochschulen, die mangelnde Klarheit hinsichtlich der spezifischen Aufgaben der an den ver- schiedenen Phasen der Lehrerbildung beteiligten Institutionen, das Fehlen einer systematischen Qualifizierung des Lehrpersonals in den aus- serhochschulischen Einrichtungen der Lehrerbildung (Studienseminare und Einrichtungen der Lehrerfortbildung), der Bruch zwischen Ausbildung und Berufstätigkeit („Praxisschock“) und das Fehlen von „Standards“ der Lehrerbildung, die Grundlage einer syste- matischen Evaluation der Lehrerbildung und eines entsprechenden Feedbacks in allen hieran beteiligten unterschiedlichen Feldern und Institutionen wer- den könnten. Der fehlende Ort der Lehrerausbildung wird so beschrieben: Angehende Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer orientieren sich primär an ihren Unterrichtsfächern (Fachwissenschaften) und den hierfür zuständigen Fach- bereichen, angehende Lehrkräfte anderer Lehrämter dagegen häufig an den erziehungswissenschaftlichen Grundlagenfächern und allgemeinen pädago- gischen Lehrangeboten. Eine inhaltliche, zeitliche und organisatorische Ab- stimmung zwischen den Lehrangeboten der verschiedenen beteiligten Fachbe- reiche findet oft nicht statt. Organisatorische Strukturen, die die Kooperation der an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen in Forschung und Lehre unterstützen könnten, sind kaum entwickelt (Döbrich/Klemm/Knauss/Lange 2003, S. 31ff.). Sechs Jahre später sind deutliche Reformbewegungen erkennbar, die vor allem durch den Bologna-Prozess ausgelöst wurden und die Bewegung in das System der deutschen Lehrerbildung gebracht haben. „Bologna-Prozess“ meint in die- sem Zusammenhang die Einführung von Bachelor-Master-Studiengängen, die Modularisierung der Ausbildungsangebote und die Berechnung der Lernzeit der Studierenden nach dem ECTS-System. Mit der größeren Autonomie der Hoch- schulen wurde gleichzeitig die Steuerung durch staatliche Abschlüsse fraglich. Im Blick auf die Lehrerbildung war lange ein Problem, wie die neue Studienstruktur
16 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland auf die unterschiedliche Dauer und Ausrichtung der verschiedenen Lehrerbil- dungstudiengänge übertragen werden kann. Im Folgenden wird zunächst auf die Grundlage der Studienorganisation, die Ord- nung der Lehrämter, eingegangen. Diese Ordnung ist durch das neue System nicht verändert worden (2.1.). In einem zweiten Schritt gehe ich auf die bildungswissen- schaftlichen Standards ein, die die deutsche Kultusministerkonferenz 2004 verab- schiedet hat. Mit diesem Beschluss ist erstmalig in der deutschen Lehrerbildungs- geschichte länderübergreifend Einfluss genommen worden auf die Gestaltung der Curricula. Bislang steuerte der Staat durch formale Studien- und Prüfungsord- nungen und dies in jedem Bundesland anders (2.2.). 2008 lagen curriculare Stan- dards für die Fachwissenschaften und die Fachdidaktiken vor, die ebenfalls von der Kultusministerkonferenz gebilligt wurden. Diese Standards thematisiere ich in einem dritten Schritt (2.3.). 2.1. Die Ordnung der Lehrämter Die Lehrerbildung in Deutschland ist föderativ organisiert, das unterscheidet sie von den meisten anderen Ländern im europäischen Umfeld. In Frankreich und Italien oder auch in den skandinavischen Ländern und in England be- stimmt der Zentralstaat über die Lehrerbildung,5 also gibt mit den Gesetzen einheitliche Regeln vor, die sich in den Regionen nicht unterscheiden. In Deutschland - ausgenommen die DDR - ist das föderative Prinzip der Bildung historisch nie geändert worden. Die Föderalismusreform von 2006 hat dieses Prinzip nochmals bekräftigt, was sich nicht zuletzt auch in der Lehrerbildung gezeigt hat. Die Bundesländer entscheiden je für sich, wie sich die Ausbildung der Lehrkräfte entwickeln soll; die Kultusministerkonferenz (KMK) legt aller- dings bestimmte Eckwerte fest und sorgt damit für eine gewisse Abstimmung zwischen den Ländern. Das für die Föderalismusreform maßgebende Gesetz zur Änderung des Grund- gesetzes vom 28. August 2006 hat die „im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzbefugnis[se] der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung“ (Grundgesetz § 23,6) nicht nur nicht angetastet, sondern durch damit verbun- dene neue Befugnisse und Maßnahmen sogar noch ausgebaut. Dazu zählen etwa eigene Besoldungsverordnungen für die Lehrkräfte. Direkte Zahlungen des Bundes an den Schulbereich wie im Ganztagsschulprogramm ab 2003 wird es in Zukunft nicht mehr geben. Und die Finanzierung des Hochschulbaus und die Bildungsplanung sind nicht mehr „Gemeinschaftsaufgaben“ im Sinne des Grundgesetzes (§ 91a, 91b). 6 Weil ausschließlich die Bundesländer für die Gesetzgebung „auf den Gebieten der schulischen Bildung“ zuständig sind, obliegt ihnen auch die Gesetzgebung in der Lehrerbildung. Die Lehrerbildungsgesetze werden mehr oder weniger direkt aus den jeweiligen Schulgesetzen abgeleitet. 7 Die einzelnen Bundeslän- der unterscheiden sich im Blick auf die Lehrerbildung bislang umso mehr, je mehr einzelne Gesetze, Erlasse und Verordnungen betroffen sind. Bestimmte Eckwerte wie die Dauer des Studiums, der Bezug der Lehrämter auf die ver- schiedenen Schulformen oder die Besoldung der Lehrkräfte sind mehr oder 5 In Italien gilt das auch für die ansonsten weitgehend autonome Provinz Bozen-Südtirol. Die Lehrkräfte für die Grundschulen und die Kindergärten werden nach Vorgaben des Zentralstaates an der Freien Universität Bozen ausgebildet. 6 Zwingende Gemeinschaftsaufgaben sind die Verbesserung der regionalen Wirtschaftskultur sowie die Verbesserung der Agrar- struktur und des Küstenschutzes. Bund und Länder können „in Fällen von überregionaler Bedeutung“ zusammenwirken, hierzu zählen Forschungsvorhaben sowie „Forschungsvorhaben an Hochschulen einschließlich Großgeräte“ (Grundgesetz § 91b). 7 Wie etwa im §1 des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes vom 29. November 2004.
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards 17 weniger gleich, die gesetzlichen Regelungen aber sind verschieden und liegen zum Teil sehr weit auseinander. Die Kultusministerkonferenz hat im Jahre 2002 versucht, Struktur in die Vielfalt zu bringen und sechs „Typen“ von Lehrämtern unterschieden. Es sind nicht die Lehrämter selbst, die durch die Landesgesetzgebung festgelegt und periodisch auch geändert werden. Die „Lehramtstypen“ der KMK kennen so in den Ländern unterschiedliche Varianten und Ausprägungen; sie beschreiben letztlich nur die Zuordnung zu den Schulstufen. Für die eigentlichen Lehrämter existieren in allen Bundesländern bezogen auf zwei Ausbildungsphasen je eigene Studien- und Prüfungsordnungen, die verschiedene Zielsetzungen vertreten und unter- schiedliche Anforderungen stellen, aber aufgrund der Anerkennungsreglements zu gleichen Abschlüssen führen und so auch mit gleichen Berechtigungen ver- bunden sind. Bezeichnet werden die deutschen „Lehramtstypen“ wie folgt: Lehramtstyp 1: Lehrämter der Grundschule bzw. Primarstufe Lehramtstyp 2: Übergreifende Lehrämter der Primarstufe und aller oder einzelner Schularten der Sekundarstufe I Lehramtstyp 3: Lehrämter für alle oder einzelne Schularten der Sekundarstufe I Lehramtstyp 4: Lehrämter der Sekundarstufe II (allgemeinbildende Fächer) oder für das Gymnasium Lehramtstyp 5: Lehrämter der Sekundarstufe II (berufliche Fächer) oder für das Gymnasium Lehramtstyp 6: Sonderpädagogische Lehrämter Für jeden dieser sechs Lehramtstypen besteht zwischen den Bundesländern eine eigene Rahmenvereinbarung über die Ausbildung und Prüfung (Sekreta- riat 2009, 2009a-e). Diese Vereinbarungen halten auch die Abstände zwischen den Lehrämtern fest, die im Blick auf die Ausbildungsorganisation, die Anfor- derungen und die Verteilung der Zeitressourcen (ECTS-Punkte oder CP: „credit points“) nicht gleich behandelt werden. Der Grund ist die historische Sonder- stellung der Gymnasien und damit der Lehrämter der Sekundarstufe II, die auch von der Entwicklung im Bologna-System überwiegend nicht angetastet wird. Die Studiengänge sind in verschiedenen formalen Hinsichten gleich. Sie um- fassen alle zwei Phasen und führen so auch zu zwei Staatsexamen oder ver- gleichbaren Abschlüssen. Auch die Bandbreite der Dauer des Vorbereitungs- dienstes beträgt überall zwischen 12 und 24 Monate; die Dauer selbst ist nicht gleich, nicht einmal innerhalb der Lehrämter bestimmter Bundesländer. Auf den Vorbereitungsdienst können je nach Länderrecht schulpraktische und vergleichbare fachliche Teile des Studiums angerechnet werden. Umgekehrt sind bei einem Masterabschluss bis zu 60 ECTS-Punkte aus dem Vorberei- tungsdienst anrechenbar. Auch vorgängige Fachhochschulstudien können auf Ausbildungen für die Lehrämter angerechnet werden. Wie die Länder mit diesen neuen Vorgaben, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren, 8 um- gehen, bleibt ihnen überlassen und tatsächlich sind die hier anschließenden Entwicklungen durchaus verschieden. Die konkrete Verteilung der Ressourcen zwischen den verschiedenen Lehr- amtstypen sieht so aus: 9 8 Flexibilisierungsvorschläge finden sich erstmals im Hamburger Gutachten zur Lehrerbildung (Keuffer/Oelkers 2001). 9 Daten nach den Rahmenvereinbarungen in der Fassung vom 5. Februar 2009.
18 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland Lehramtstyp 1: Regelstudienzeit: mindestens sieben Semester Studienumfang: mindestens 210 ECTS-Punkte Studium von drei Bereichen: Wahl und Schwerpunktfach, Didaktik der Grundstufe/Primarstufe und verschiedene Lernbereiche Umfang Wahl- und Schwerpunktfach: Etwa 1/3 des Gesamtvolumens und mindestens 55 ECTS-Punkte Lehramtstyp 2: Regelstudienzeit: mindestens sieben Semester Studienumfang: mindestens 210 ECTS-Punkte Studium von mindestens zwei Fachwissenschaften und deren Didaktiken Verhältnis des Fachstudiums zu dem der Bildungswissenschaften etwa 2:1 Lehramtstyp 3: Regelstudienzeit: mindestens sieben Semester Studienumfang: mindestens 210 ECTS-Punkte Studium von mindestens zwei Fachwissenschaften und deren Didaktiken Verhältnis des Fachstudiums zu dem der Bildungswissenschaften etwa 2:1 Lehramtstyp 4: Regelstudienzeit MA-Abschluss: 10 Semester inklusive schulpraktische Studien; Regelstudienzeit bis Abschluss Erste Staatsprüfung: mindestens 9, höchstens 10 Semester Studienumfang MA-Abschuss: 300 ECTS-Punkte; Studienumfang bis Ab- schluss Erste Staatsprüfung: mindestens 270 ECTS-Punkte „Vertieftes Studium“ von zwei Fachwissenschaften und deren Didaktiken im Umfang von mindestens 180 ECTS-Punkten in „etwa gleichmäßiger“ Verteilung Verhältnis zu den Bildungswissenschaften: keine Angabe Lehramtstyp 5: Regelstudienzeit MA-Abschluss: 10 Semester inklusive schulpraktische Studien; Regelstudienzeit Abschluss Erste Staatsprüfung: 9 Semester Studienumfang MA-Abschluss: 300 ECTS-Punkte; Studienumfang bis Ab- schluss Erste Staatsprüfung: mindestens 270 ECTS-Punkte Studium von zwei Fachwissenschaften im Umfang von insgesamt 180 ECTS- Punkten Studium von Bildungswissenschaften (Schwerpunkt Berufs- und Wirt- schaftspädagogik), Fachdidaktiken und schulpraktische Studien: 90 ECTS- Punkte BA/MA-Arbeit: insgesamt 30 ECTS-Punkte Anrechenbarkeit von Studienleistungen auf den Vorbereitungsdienst je nach Länderrecht möglich Lehramtstyp 6: Regelstudienzeit: mindestens 8 Semester Studienumfang: mindestens 240 ECTS-Punkte Studium der Sonderpädagogik: etwa 120 ECTS-Punkte Studium von mindestens einer Fachwissenschaft und deren Didaktik Verhältnis von bildungswissenschaftlichen und unterrichtsfachlichen An- teilen etwa 1:2
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards 19 Kennzeichnend für dieses System und die damit gegebene Verteilung der Res- sourcen ist die Mischung aus Stufen- und Schulartenbezug, die es in anderen Ländern nicht gibt, weil nicht nach Schularten, sondern nur noch nach Stufen unterschieden wird, die bezogen auf die Ausbildung weitgehend gleich be- handelt werden oder sogar in einem einzigen Ausbildungsgang aufgehen. Ge- nau unterschiedene staatliche „Lehrämter“, die bei aller internen Differenzie- rung die Verwendbarkeit der Ausbildung letztlich auf eine bestimmte Schulart festlegen, 10 gibt es nur im deutschen Sprachraum. Im internationalen Vergleich sind durchaus andere Entwicklungstrends erkennbar, gemäß denen die beruf- liche Kompetenz nicht nach Lehrämtern unterschieden wird. Ein Beispiel ist die Lehrerbildung in Schweden. Hier ist 2001 ein komplett neues Programm eingeführt worden, das für alle Lehrerkategorien die gleiche Ausbildung vorschreibt. Unterschieden wird nicht mehr nach Fächern und Al- tersstufen oder Schularten wie in Deutschland; das Studium soll mit hohen praktischen Ausbildungsanteilen allgemeine und so transferfähige Kenntnisse über Lehren und Lernen vermitteln, auf die soziale Situation der Schule zuge- schnitten sein und dafür sorgen, dass alle Lehrkräfte über genügend sonder- pädagogische Kompetenzen verfügen, damit Aussonderungen vermieden und über die gesamte Schulzeit integrativ gefördert werden kann. Das Berufsfeld selbst wird als einheitlich verstanden. Ich komme darauf zurück. In Deutschland wird die Ausrichtung nach Lehrämtern konsequent auch in der neuen Studienorganisation realisiert, was sich in unterschiedlich langen Ausbildungen niederschlägt. Das Bundesland Thüringen etwa bietet Aus- bildungen für fünf Lehrämter an, die alle einen sechssemestrigen Bachelor- Abschluss abverlangen, sich im Masterprogramm dann aber unterscheiden. Während die Lehrämter an Grundschulen und Regelschulen drei Semester vorsehen, müssen für die Lehrämter an Gymnasien, berufsbildenden Schulen und für Förderpädagogik vier Semester studiert werden. 11 In Niedersachsen, etwa an der Universität Braunschweig, dauert der Masterstudiengang für die Lehrämter an Grund- und Hauptschulen sowie an Realschulen zwei Semester, während das Lehramt an Gymnasien vier Semester zur Verfügung hat.12 Unterschiede zwischen den Lehrämtern gibt es zum Teil bereits im Bachelor- studium. Das zeigt wiederum ein Beispiel: An der Universität Bremen werden in den beiden Lehrämtern für Grundschulen und Sekundarschulen zwei gleich- wertige Fächer studiert, 13 die je 45 ECTS-Punkte erhalten. Daneben gehören zum Studium die entsprechenden Fachdidaktiken inklusive Schulpraktikum sowie die Erziehungswissenschaft inklusive Schulpraktikum mit je 30 ECTS- Punkten, dann eine Einheit, die „Schlüsselqualifikationen“ genannt wird und ein Orientierungspraktikum mit 15 Punkten sowie schließlich ein Abschluss- modul mit der Bachelorarbeit, 14 für das 15 Punkte zur Verfügung stehen. Der Studienaufbau für das Lehramt an Gymnasien sieht demgegenüber so aus: Hauptfach: 75 ECTS-Punkte Fachdidaktik Hauptfach: 15 ECTS-Punkte Nebenfach: 45 ECTS-Punkte Erziehungswissenschaft/Schulpraktikum 15 ECTS-Punkte 10 Ausnahmen sind Lehrämter für verschiedene Schularten, etwa für Grund- und Hauptschulen. 11 Freistaat Thüringen: Universitäre Lehrerbildung. http://www-thueringen.de/de/tkm/bildung/lehrerbildung/uni/content.html (Zu- griff auf die Seite am 28. August 2009) 12 http://www.tu-braunschweig.de/studieninteressierte/studienangebot/lehramt (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009) 13 Verpflichtend ist Deutsch und Elementarmathematik. 14 Die Arbeit kann in einem der Unterrichtsfächer, der Fachdidaktik oder der Erziehungswissenschaft verfasst werden.
20 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland Schlüsselqualifikationen/O-Praktikum 15 ECTS-Punkte Abschlussmodul/BA-Arbeit 15 ECTS-Punkte Im anschließenden viersemestrigen Masterstudiengang wird das Nebenfach „aufgestockt“, so dass bis zum Abschluss 75 ECTS-Punkte zur Verfügung stehen. Der Masterstudiengang für die Lehrämter an Grundschulen und Regelschulen beträgt auch in Bremen zwei Semester. 15 Der Abschluss heißt in Bremen wie im benachbarten Niedersachsen „Master of Education“, der nach zwei Semestern erreicht wird und nicht nach drei wie in Thüringen. Einen solchen „Master of Education“ gibt es in Bremen auch für die Gymnasien, nur stehen dafür vier Semester zur Verfügung. Die Regelung entspricht der in Niedersachsen und in fast allen anderen Bundesländern. Das neue System spiegelt das alte, mit den unvermeidlichen Länderdifferenzen, d.h. Gymnasiallehrkräfte studieren so auch im Bologna-System länger und werden fachlich besser ausgebildet. In Niedersachsen ist auch der Vorbereitungsdienst unterschiedlich lang, er dauert 18 Monate für die Grund-, Haupt- und Realschullehrer, für die Lehr- kräfte an den berufsbildenden Schulen sowie für das Lehramt für Sonderpä- dagogik und aber 24 Monate für die Lehrkräfte an den Gymnasien.16 Zum Vergleich: In Bayern wie in Hessen dauert der Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter derzeit zwei Jahre, in Baden-Württemberg wie in Hamburg oder im Saarland durchgehend 18 Monate. Mit dem Gesetz zur Reform der Lehreraus- bildung vom 12. Mai 2009 hat Nordrhein-Westfalen die Dauer des Vorberei- tungsdienstes von 2 Jahren geändert, sie beträgt nun mindestens 12 Monate. In Baden-Württemberg gibt es Ausnahmen, so dauert der Vorbereitungsdienst der Fachlehrer für musisch-technische Fächer an allgemeinbildenden Schulen 24 Monate, der für technische Lehrer an gewerblichen Schulen 12 Monate. Berlin reserviert zwei Jahre für die Lehrämter an Gymnasien und Berufsschu- len, bei den drei anderen Lehrämtern genügt ein Vorbereitungsdienst von einem Jahr, 17 Thüringen schließlich verlangt 18 Monate Vorbereitungsdienst für die Grundschule und 24 Monate für alle anderen Schularten. Selbst bei den sogenannten „Quereinsteigern“ wird ein Unterschied gemacht. In Niedersachsen etwa können sich Interessierte „ohne eine für die Unterrichts- tätigkeit an den allgemeinbildenden Schulen vorgesehene Lehramtsausbildung“ für die Gymnasien oder die gymnasiale Oberstufe der Gesamtschulen bewer- ben, wenn sie über den Abschluss eines mindestens sechssemestrigen Studien- gangs an einer universitären Hochschule verfügen, für die Lehrtätigkeit an einer Haupt- oder Realschule genügt ein Fachhochschulabschluss. Lehrkräfte mit diesem Abschluss werden nach der Entgeltgruppe 9 besoldet, wenn sie an einer Hauptschule unterrichten und nach Entgeltgruppe 10, wenn das an einer Realschule der Fall ist.18 Wer über einen universitären Abschluss verfügt und an der Hauptschule mit einem Fach unterrichtet, erhält die Entgeltgruppe 10 und mit zwei Fächern die Entgeltgruppe 11 (Einstellung von Lehrkräften 2009).19 Hinter jeder Bildungsorganisation verbirgt sich stets auch eine Steuerungsphilo- sophie jenseits von „Entgeltgruppen“ und so der Steuerung durch Lohnklassen. 15 Universität Bremen: Zentrum für Lehrerbildung http://zfl.uni-bremen.de/cms/index (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009) 16 Daten nach: Studien- und Berufswahl: Lehrämter http://studienwahl.de/index (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009). 17 Dies obwohl das Lehramt an Sonderschulen einen dreisemestrigen Master kennt. 18 Zum Vergleich: Lehrkräfte im Beamtenstatus werden gemäß Besoldungstabelle vom 1. März 2009 nach A 12 bezahlt, wenn sie aus- schließlich in der Primarstufe oder der Sekundarstufe I tätig sind. Bis hierhin reicht der „gehobene Dienst“. Die anderen Lehrkräfte wer- den nach A 13 bezahlt, der ersten Stufe des „höheren Dienstes“. Allerdings gibt es jede Menge Funktionsstellen und Leitungsämter, die die Gehaltsstufen anheben. 19 Für Realschulen gelten Entgeltgruppen 11 (ein Fach) und 12 (zwei Fächer), für Gymnasien 12 und 13.
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards 21 In Deutschland konkretisiert sich diese Philosophie immer noch wesentlich in Gesetzen und Erlassen. Das gilt zumal für die Organisation der Lehrerbildung. Die Umsetzung der staatlichen Vorgaben wird kaum kontrolliert, entscheidend ist nicht das mit der Ausbildung erzielte Resultat, also das Wissen und Kön- nen der Berufsanfänger, sondern die formale Einhaltung der Studien- und Prü- fungsordnungen. Weil jedes Bundesland eigene Ordnungen erlässt und die Ord- nungen selbst immer mehr regeln sollen, entsteht eine enorme Komplexität, die einhergeht mit einer hochgradigen Undurchschaubarkeit. Abstimmungen zwischen den Gesetzen und Verordnungen der einzelnen Bun- desländer sind über die sechs Rahmenvereinbarungen hinaus nicht erforder- lich und werden von den Ländern auch nicht angestrebt. Dies aber, eine enge Abstimmung, wäre dringend anzuraten. Jede Kultusbehörde reagiert nach den eigenen Erfahrungen, während andererseits Wettbewerb - ausgenommen zur Behebung von Lehrermangel - kaum gesucht wird. Die Frage, was zum Bei- spiel ein gutes Lehrerbildungsgesetz ist, wird weder durch Vergleiche noch durch Qualitätskriterien beantwortet. Bezogen auf die „Erlasslage“ ist die neue Rhetorik der „Outputsteuerung“ in der behördlichen Administration von Leh- rerbildung bislang kaum sehr erfolgreich gewesen. Das gilt für das Praxisfeld, die Schulen, nicht in gleichem Maße. Hier sehen inzwischen wohl alle Gesetze Maßnahmen zur Qualitätssicherung vor,20 was in den Lehrerbildungsgesetzen bislang nicht oder erst seit kurzem der Fall ist. 21 Im März 2004 stellte das Sekretariat der KMK die damals geltenden „gesetz- lichen und laufbahnrechtlichen Grundlagen“ der Ersten Staatsprüfungen für die Lehrämter, des Vorbereitungsdienstes sowie der Zweiten Staatsprüfungen zusammen und kam auf eine Zahl von 181 Gesetzen, Erlassen und Verord- nungen der verschiedensten Art. Allein bei der KMK selbst waren damals 23 Beschlüsse und Vereinbarungen in Kraft, deren älteste die Richtlinien für die Ausbildung und Prüfung der Diplomhandelslehrer vom 9. Oktober 1953 (gül- tig in der Fassung vom 29. September 1961) waren. Mecklenburg-Vorpommern brauchte fünf Gesetze und Verordnungen, um die Geschäfte der Lehrerbil- dung zu regeln, in Rheinland-Pfalz waren es 24, einschließlich der „Landesver- ordnung über die Prüfung zur Erlangung der Befähigung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, an Realschulen, an Gymnasien oder an berufsbil- denden Schulen von Lehrkräften mit einer pädagogischen Zusatzausbildung vom 17. Juli 2002“ (Sekretariat 2004). Heterogen sind auch die Lehrämter selbst. Im Februar 2002 listete die KMK 41 ver- schiedene Lehramtsbezeichnungen in den Bundesländern auf, die mehr oder weni- ger gut zur Matrix der sechs Lehramtstypen passen und von denen einige nochmals in sich differenziert sind. Das lässt sich am Beispiel eines Typus zeigen: Lehramtstyp 2: Übergreifende Lehrämter der Primarstufe und aller oder ein- zelner Schulformen der Sekundarstufe I Saarland: Lehramt für die Primarstufe und für die Sekundarstufe I (Klas- senstufen 5-9) Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz: Lehramt an Grund- und Hauptschulen Berlin: Amt des Lehrers Brandenburg: Lehramt für Bildungsgänge der Sekundarstufe I und der Pri- marstufe an allgemein bildenden Schulen 20 Wie Schulgesetz NRW §3. 21 So im Gesetz zur Reform der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen vom 12. Mai 2009.
22 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland Bremen: Lehramt an öffentlichen Schulen mit stufenbezogenem Schwer- punkt a) Primarstufe und Sekundarstufe I, Schwerpunkt Primarstufe (mit Sekundarstufe I) - einschließlich Typ 6 - b) Primarstufe und Sekundarstufe I (mit Primarstufe) - einschließlich Typ 6 - Hamburg: Lehramt an der Grund- und Mittelstufe (Erste Phase), an Volks- und Realschulen (Zweite Phase) Schleswig-Holstein: Laufbahn der Grund- und Hauptschullehrer Niedersachsen: Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen (Sekretariat 2002). Das unabhängige Internet-Portal „studieren.de“ listet aktuell 183 Fächer deut- scher Universitäten und Hochschulen auf, in denen Studiengänge für Lehrämter angeboten werden. Das geschieht in den berufsbildenden Lehrämtern teilwei- se in Kooperation mit Fachhochschulen. 22 Auch hier erkennt man einen hohen Differenzierungsgrad und große Unterschiede. Für kein anderes Berufsfeld exis- tierten so viele verschiedene Studienmöglichkeiten. Das Lehramt für Agrar- wirtschaft kann nur an der Technischen Universität München studiert werden, ein Studiengang Lehramt für Land- und Gartenbauwissenschaft wird in Berlin sowohl von der Freien Universität als auch von der Humboldt-Universität an- geboten, während zum Vergleich Bautechnik an zwölf verschiedenen Universi- täten und einer Fachhochschule im Ausbildungsprogramm steht. Das Baukastenprinzip der Bologna-Studiengänge hat die Komplexität noch- mals erhöht und die Durchschaubarkeit nicht verbessert. Auch hier verfahren die Bundesländer nicht einheitlich, sondern suchen je eigene Lösungen. Aller- dings haben sie alle sehr wohl auch ein gemeinsames Problem, nämlich wie im Prozess der zunehmenden Hochschulautonomie der staatliche Einfluss in der Lehrerbildung gesichert werden kann. Der Staat ist der einzige Abnehmer, ein wirklicher Arbeitsmarkt besteht nicht, selbst wenn die Privatschulen auch Lehrkräfte anstellen können, die nicht über die beiden Staatsexamen verfügen. Der Staat prüft das in einem eigenen Feststellungsverfahren, das analog auch dann angewendet wird, wenn in den öffentlichen Schulen Lehrkräfte ohne die beiden Staatsexamen angestellt werden.23 Die Folge ist, dass die Universitäten und Hochschulen nicht autonom über ihre Lehrerbildungsstudiengänge entscheiden können, sondern sich im Rah- men von staatlichen Vorgaben bewegen müssen, die wiederum zwischen den Ländern unterschiedlich sind. Nur die Rahmenbedingungen für die Entwick- lung der Lehrerbildung im Bologna-System sind einheitlich. Sie beziehen sich auf die „Eckpunkte für die gegenseitige Anerkennung von Bachelor- und Ma- sterabschlüssen in Studiengängen, mit denen die Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt vermittelt werden“. Hinter diesem Titel verbirgt sich ein Be- schluss der Kultusministerkonferenz, der am 2. Juni 2005 in Quedlinburg ge- troffen wurde und seitdem als „Quedlinburger Beschluss“ bekannt geworden ist. Kern des Beschlusses war die Akzeptanz von Studiengängen, die Bachelor- und Masterstrukturen in der Lehrerausbildung vorsehen. Die diesbezüglichen Abschlüsse werden anerkannt, sofern sie bestimmten Vorgaben entsprechen. Die vier Vorgaben lauten wie folgt: 1. Integratives Studium an Universitäten oder gleichgestellten Hochschulen 22 http://studieren.de/fachbereiche. (Zugriff auf die Seite am 28. August 2009) 23Das Verfahren selbst ist in den Bundesländern unterschiedlich. In manchen Gesetzen wird auch zwischen Privatschulen und Waldorf- schulen unterschieden. Nordrhein-Westfalen etwa sieht ein aufwändiges Feststellungsverfahren für Privatschullehrkräfte ohne die bei- den Staatsexamen vor, während die Ausbildung an „waldorfeigenen Ausbildungsinstituten“ zusammen mit der Hochschulreife für die Unterrichtsgenehmigung an Waldorfschulen ausreicht (Verordnung über die Ersatzschulen §6). Basis ist das Schulgesetz NRW (§ 102).
Der neue Rahmen: Bologna, Kompetenzen und Standards 23 von mindestens zwei Fachwissenschaften und von Bildungswissenschaften in der Bachelorphase sowie in der Masterphase. 24 2. Schulpraktische Studien bereits während des Bachelor-Studiums. 3. Keine Verlängerung der bisherigen Regelstudienzeiten (ohne Praxisan- teile). 4. Differenzierung des Studiums und der Abschlüsse nach Lehrämtern. Der Beschluss enthält noch einen weiteren Eckpunkt, der die Vergleichbar- keit sichern soll: Alle Studiengänge, durch die „die Bildungsvoraussetzungen für ein Lehramt vermittelt werden“, also auch die, die nicht zu Bachelor- und Masterabschlüssen führen, werden modularisiert, die Module werden an den „ländergemeinsamen Standards“ ausgerichtet und die Studiengänge werden „begleitend evaluiert“. Bachelor- und Masterstudiengänge müssen neu einem Verfahren der Akkreditierung unterzogen werden, bei den anderen Studien- gängen gelten die bisherigen staatlichen Ordnungen für die Ausbildung und für die Prüfung. Der staatliche Einfluss bei der Akkreditierung der neuen Studiengänge wird mit folgendem Passus beschrieben: „Bei Bachelor- und Masterstudiengängen, die die Befähigung für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst für ein Lehramt vermitteln, wirkt zur Sicherung der staatlichen Verantwortung für die inhaltlichen Anforderungen der Lehrer- ausbildung ein Vertreter der für das Schulwesen zuständigen obersten Landes- behörde im Akkreditierungsverfahren mit; die Akkreditierung des jeweiligen Studiengangs bedarf seiner Zustimmung.“ Im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens ist „insbesondere die Einhaltung der ländergemeinsamen fachlichen Anforderungen für die Lehrerausbildung“ sowie „eventueller landesspezifischer inhaltlicher und struktureller Vorgaben festzu- stellen“. Die „ländergemeinsamen fachlichen Anforderungen“ konkretisierten sich in „Standards in den Bildungswissenschaften sowie ländergemeinsame An- forderungen der Fächer und ihrer Didaktik“ (Sekretariat 2005). Die Beschrei- bungen für beide Gruppen von Standards liegen inzwischen vor und auch der Akkreditierungsprozess ist vorangebracht worden. Die Länder sind allerdings unterschiedlich weit in der Anwendung der Bologna-Struktur auf die Lehrerbil- dung; wenn sie bereits Akkreditierungsverfahren vorsehen, dann werden damit in aller Regel externe Agenturen wie die AQAS in Bonn25 beauftragt. Standards für die Bildungswissenschaften 2.2. Die Standards für die Bildungswissenschaften26 sind von der Kultusminister- konferenz am 16. Dezember 2004 verabschiedet worden. Im Beschluss heißt es einleitend: „Die Standards für die Lehrerbildung werden von den Ländern zu Beginn des Ausbildungsjahres 2005/2006 als Grundlage für die spezifischen Anforde- 24 Ausnahmen können die Länder bei den Fächern Musik und Kunst vorsehen. 25 Die Agentur für Qualitätssicherung durch Akkreditierung von Studiengängen (AQAS) ist 2002 gegründet worden und hat die Rechts- form eines gemeinnützigen Vereins, dem derzeit 54 Hochschulen und wissenschaftliche Gesellschaften angehören. Die Agentur ist ihrerseits vom Deutschen Akkreditierungsrat akkreditiert worden. Bislang hat die Agentur vier Akkreditierungsverfahren im Bereich der Lehrerbildung durchgeführt. Ende 2006 gab es sechs anerkannte Akkreditierungsagenturen in Deutschland, darunter vier, die überfachlich ausgerichtet sind. Heute sind sieben Agenturen berechtigt, das Qualitätssiegel des Akkreditierungsrates zu vergeben. 26 „Die Bildungswissenschaften umfassen die wissenschaftlichen Disziplinen, die sich mit Bildungs- und Erziehungsprozessen, mit Bildungssystemen sowie mit deren Rahmenbedingungen auseinandersetzen“ (Sekretariat 2004a, S. 1). Faktisch sind das die Fächer in dem alten erziehungswissenschaftlichen Begleitstudium, die aber nun nicht mehr „Fächer“ sein sollen.
24 Zur Ausbildung von Lehrkräften in Deutschland rungen an Lehramtsstudiengänge einschließlich der praktischen Ausbildungs- anteile und des Vorbereitungsdienstes in den Ländern übernommen. Die Länder kommen überein, die hier vorgelegten Standards für die Lehrerbil- dung zu implementieren und anzuwenden. Dies betrifft insbesondere die Stu- dienordnungen in den Lehramtsstudiengängen, den Vorbereitungsdienst und die Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Die Länder kommen überein, die Lehrerbildung regelmäßig auf der Grundlage der vereinbarten Standards zu evaluieren. Die Standards und ihre Einhaltung werden unter Berücksichtigung der Ent- wicklung in den Bildungswissenschaften und in der Schulpraxis von den Län- dern gemeinsam überprüft und weiterentwickelt“ (Sekretariat 2004a, S. 1). Was genau unter „Implementation“ und „Anwendung“ verstanden werden soll, bleibt offen; nimmt man den Wortlaut des Beschlusses ernst, dann müssten sich die Standards der Bildungswissenschaften fünf Jahre nach ihrer Verab- schiedung in den Regelungen der Länder für das Studium und den Vorberei- tungsdienst in irgendeiner Form wiederfinden lassen. Zu Beginn des Ausbil- dungsjahres 2005/2006 sollten sie ja bereits „übernommen“ worden sein, was aber allzu optimistisch war. Was heute festgestellt werden kann, ist eine starke Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung sowie große Unterschiede nicht nur zwischen den einzelnen Bun- desländern, sondern auch zwischen den Ausbildungsphasen und den Fächern. Auffällig ist, dass die Standards für die Bildungswissenschaften offenbar vor allem in den Studienseminaren verwendet werden, also dort, wo die Ausbil- dung einem praktischen Ziel folgt. Dagegen sind die Studiengänge der ersten Phase davon bislang kaum berührt, dort sind einfach die bisherigen Ausbil- dungsprogramme modularisiert worden, verbunden mit einer exzessiven Stei- gerung der Prüfungsleistungen. In diesem Sinne hat allerdings eine „Standar- disierung“ stattgefunden. Der Beschluss der KMK unterscheidet zwischen curricularen Schwerpunkten der Bildungswissenschaften in der Lehrerbildung, didaktisch-methodischen Ansätzen zur Vermittlung bildungswissenschaftlicher Inhalte und Kompe- tenzen mit zugeordneten Standards. Die elf Kompetenzen für die Ausübung des Berufes sind der Kern des Beschlusses (ebd., S. 7-13). Sie wären damit ei- gentlich die verbindliche Grundlage für die Lehrerbildung in allen Bundeslän- dern und müssten so die Studien- und Prüfungsordnungen bestimmen, was bislang nicht der Fall ist. Das ist erklärbar, weil der Beschluss nicht mit einer abgestimmten Implementationsstrategie verbunden war. „Umsetzung“ heißt einfach das, was die Länder daraus machen. Unterschieden werden grundlegend vier Kompetenzbereiche, nämlich Unter- richten (Kompetenz 1-3), Erziehen (Kompetenz 4-6), Beurteilen (Kompetenz 7/8) und Innovieren (Kompetenz 9-11).27 In allen Bereichen müssen persönliche Kompetenzen ausgebildet werden, die sich überprüfen lassen, zu Beginn der beruflichen Tätigkeit in möglichst guter Qualität zur Verfügung stehen und die auch die Fort- und Weiterbildung bestimmen sollen. Die vier Kompetenzbe- reiche beziehen sich auf elf einzelne Kompetenzen, die so beschrieben werden: Kompetenz 1: Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht fach- und sachge- recht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch. 27 Das geht zurück auf die Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates von 1970.
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