Blätter aus dem Thurgauer Wald

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Blätter aus dem Thurgauer Wald
Bl ä t t e r a u s d e m
T h u r g a u e r Wa l d
Informationen für Waldeigentümer und Forstreviere
28. Jahrgang, Nr. 1, Februar 2021
Blätter aus dem Thurgauer Wald
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Blätter aus dem Thurgauer Wald
Edit or i a l

Geschätzte Leserinnen und Leser                    sollte. In diesem Zusammenhang ist zu er­
                                                   wähnen, dass wir bestrebt sind, dass im
Freitagmorgen, 15. Januar 2021: Der grosse         neuen Verwaltungsgebäude u.a. Eschenholz
Schnee ist da! Seit 24 Stunden schneit es          für die Böden verwendet wird. Im Weiteren
ausgiebig und ununterbrochen; mittlerweile         aber bin ich der Meinung, dass wir lernen
liegt eine Schneedecke von 40 cm im ganzen         müssen, mit solchen Phänomenen umzugehen,
Kanton Thurgau. In den höheren Lagen ist es        d.h., wir müssen uns eingestehen, dass wir
sogar deutlich mehr!                               nicht alles beeinflussen und steuern können.
   Schwierige Strassenverhältnisse, teils ge­      Der Wald aber überlebt mit Sicherheit auch
sperrte Strassen und im Wald Schneebruch           dies und es stellt sich stets die Frage, welche
sind einige Folgen von so viel Schnee. Aber        Leistungen der Wald künftig erbringen wird.
sehen wir doch das Positive; endlich wieder        Ich denke, Förster und Waldbesitzer sollten
einmal Schnee!! Die ganze Landschaft und           sich verstärkt mit solchen Fragen auseinander­
v.a. die Wälder wirken wie verzaubert!             setzen. Der Beitrag S. 20 über die beiden
   Winterliche Verhältnisse wie früher. Dazu       Adventswege in Aadorf und Sirnach ist hierfür
passt irgendwie das Jubiläum der Waldkorpo­        ein gutes Beispiel.
ration Güttingen. Vor 250 Jahren wurde diese          Im Rahmen der Baumartenporträts ist die
gegründet. Zu jener Zeit gab es wohl regel­        Weide an der Reihe. Dieser Baum wird von
mäs­sig strenge und schneereiche Winter und        Förstern und Waldbesitzern häufig als uner­
geheizt wurde vornehmlich mit Holz, weshalb        wünschter Konkurrent namentlich in den Ver­
namentlich das Brennholz einen sehr hohen          jüngungen gesehen und entsprechend ohne
Stellenwert genoss. Aus heutiger Optik sind        weitere Überlegungen zurückgehauen oder
die unzähligen stattlichen Eichen das Einzig­      eliminiert. Dabei weist die Weide auch sehr
artige im Güttinger Wald. Ein Erbe, das aus­       viele positive Eigenschaften auf. Lesen Sie
zeichnet, aber auch verpflichtet. Ich gratuliere   dazu den Bericht ab S. 5.
der Waldkorporation Güttingen an dieser Stel­         Schliesslich wünsche ich Ihnen – geschätzte
le zu ihrem Jubiläum und wünsche ihrem Wald        Leserinnen und Leser – viel Vergnügen bei der
und den Anteilhabern eine erfolgreiche Zu­         Lektüre der BTW und einen schönen Winter.
kunft.
   Gerade im Güttinger Wald bzw. allgemein in
der Region Oberthurgau gibt es neben vielen
schönen Eichen auch sehr viele Eschen. Der
Eschenanteil liegt in dieser Region deutlich
über dem kantonalen Durchschnitt. Entspre­
chend bereitet die Eschenwelke auch mehr
Sorgen als in den übrigen Gebieten des Kan­
tons Thurgau. Leider gibt es zurzeit keine
echte Möglichkeit, dieser Krankheit Einhalt zu
gebieten. In einem Artikel in dieser Ausgabe
der BTW wird die Problematik eingehend be­
leuchtet und die bittere Realität aufgezeigt.
Jedenfalls dürfte auch in den kommenden Jah­
ren viel Eschenholz anfallen, welches einem        Daniel Böhi
guten Verwendungszweck zugeführt werden            Kantonsforstingenieur

                                                                                       BTW 1/2021 3
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Inha lt

  Forstamt und Forstdienst
 Die Weide im Kanton Thurgau                                                     5
 Revierförster – auch in Zukunft ein attraktiver Beruf?                          8
 Ein Verschwinden im Schatten des Borkenkäfers                                   10
 Der Schatz im Speckbachtobel                                                    13
 Adventsrundweg in Sirnach und Aadorf – Öffentlichkeitsarbeit in Corona-Zeiten   15
 Wald und Waldbewirtschaftung im Mittelthurgau, Teil 5: Weitere Neuerungen       17

  Aus den Verbänden und Branchen
 Herbarien der Forstwartlernenden                                                22
 Auf Holz bauen – Zeichen setzen                                                 23
 Forstwartlernende im überbetrieblichen Kurs Holzernte C                         24

  Diverses
 250 Jahre Waldkorporation Güttingen                                             26
 Arbeitsjubiläen und runde Geburtstage im Forstdienst                            31

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Forstamt und Forstdienst

D ie W e i d e i m K anto n Thu rg au

Im Thurgauer Wald kommen vor allem junge
Weiden vor, alte und grosse Weiden sind hin-
gegen eher selten. Ihr Anteil im Wald liegt
deutlich unter 1 %. Der wirtschaftliche Nutzen
der Weide ist derzeit gering, dafür haben
Weiden einen grossen ökologischen Wert
und sind sehr wichtig für Schmetterlinge.

Weltweit kommen 400 bis 500 verschiedene
Weidenarten und viele natürliche Kreuzungen
(Hybride) vor, die oft nur schwer auseinander­
zuhalten sind. Weidenarten sind erstaunlich        Weiden sind sehr ausschlagfreudig. Am Boden
vielfältig: Es gibt Weidenarten, die werden        liegende Silberweide, die wieder ausgeschlagen hat.
                                                   Foto: Ulrich Ulmer
30 m hoch, andere wachsen als Sträucher
oder Zwergsträucher, und die kleinsten Wei­
denarten sind nur wenige Zentimeter gross.         Blüten. Die Blätter sind wechselständig ange­
Weiden sind vor allem auf der Nordhalbkugel        ordnet, die Blattunterseite der meisten Wei­
verbreitet. Dabei sind einzelne Weidenarten        den ist behaart.
sehr anpassungsfähig und wachsen bis in               Weiden bilden ein kräftiges und fein ver­
den hohen Norden und im Alpenraum bis              zweigtes Wurzelwerk, das lockeres Erdmate­
3000 m ü. M. Die Arktische Weide (Salix arctica)   rial stabilisieren kann. Mit Ausnahme der Sal­
gilt als eine der Gehölzarten, deren Verbrei­      weide sind Weiden sehr ausschlagfreudig.
tung am weitesten in den Norden reicht             Durch wiederholten Schnitt entstehen Kopf­
(bis 80° nördliche Breite). Die strauchförmige     weiden.
Schweizer Weide (Salix helvetica) kommt in            Als ausgesprochene Pionierbaumartarten
Höhenlagen bis 2500 m vor.                         sind Weiden sehr lichtbedürftig. Sie ertragen
                                                   Frost, Sonnenstrahlung, Hitze, Nässe und Tro­
Eine bemerkenswerte Weidensammlung                 ckenheit, wie sie auf Freiflächen vorkommen.
Eine bemerkenswerte Sammlung von Weiden­           Sie sind anspruchslos und äusserst robust
arten befindet sich in Wattwil SG. Hier hat der    und wachsen praktisch überall gut, auch auf
ehemalige Kreisförster Heinrich Oberli (1913–      jungen, nährstoffarmen Rohböden. Und sie
1983) im letzten Jahrhundert eine grosse Wei­      ertragen Überschwemmungen. Weiden blü­
densammlung angelegt. Andreas Rudow von            hen meist schon in jungen Jahren und bilden
der ETH hat diese Sammlung («Salicetum             leichte Samen in grosser Zahl, was der Pio­
Oberli»), die 72 Weidenarten und 33 Hybride        nierstrategie zusätzlich hilft.
umfasst, 1999 beschrieben.                            Baumförmige Weidenarten wachsen meist
                                                   sehr schnell, sind dafür aber relativ kurzlebig.
Weiden – schnell wachsende Pioniere mit            Grosse Weiden kommen deshalb bei uns nur
kurzem Leben                                       an Orten vor, wo die Konkurrenzkraft der an­
Charakteristisch für Weiden sind ihre Blüten,      deren Baumarten weniger gross ist.
die Weidenkätzchen, die meistens schon im             Die häufigsten Weidenarten im Thurgauer
März bis April austreiben. Weiden sind zwei­       Wald sind die Salweide (Salix caprea), die Sil­
häusig, d.h., auf einer Weide gibt es immer        berweide (Salix alba) und die Purpurweide
entweder nur männliche oder nur weibliche          (Salix purpurea).

                                                                                            BTW 1/2021 5
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 Die Salweide kommt überall vor
 Die Salweide kommt praktisch in der ganzen
 Schweiz vor. Obwohl sie kaum gepflanzt wird,
 ist sie auch im Thurgauer Wald vor allem auf
 Verjüngungsflächen und in Jungbeständen
 sehr häufig, da sie sich sehr gut natürlich ver­
 jüngt. Wegen ihrer geringen Konkurrenzkraft
 und weil bei der Bewirtschaftung andere
 Baumarten bevorzugt werden, verschwindet
 sie mit der Zeit, sodass in älteren Beständen
 kaum Salweiden vorhanden sind. Salweiden                Weiden verjüngen sich sehr gut natürlich. Junge
 erreichen Baumhöhen von 15 bis 20 m und                 Salweiden besiedeln eine Buntbrache. Im Hintergrund
                                                         grosse Silberweiden. Foto: Ulrich Ulmer
 werden meist nur 50 bis 70 Jahre alt. Sie er­
 reichen im Wald Durchmesser von 50 cm auf
 Brusthöhe, selten mehr.                                 über 30 m hoch. Grosse Silberweiden kommen
                                                         bei uns vor allem entlang von Gewässern vor,
 Die Salweide ist ökologisch sehr wertvoll               wo die Konkurrenzkraft der anderen Baumarten
 Dass Weiden eine wertvolle Bienenweide                  weniger ausgeprägt ist. Hier können sie
 sind, ist allgemein bekannt. Neben jedem                mächtig werden und Durchmesser von 100 cm
 Bienenhäuschen findet man Weiden. Dass                  und mehr auf Brusthöhe erreichen. Ähnlich
 aber die Salweide neben der Eiche eine der              wie andere in der Jugend schnell wachsende
 wichtigsten Baumarten für Schmetterlinge                Baumarten, werden auch sie nicht sehr alt.
 ist, ist doch eher erstaunlich. Dutzende                Sie werden vielleicht 80 bis 100-jährig, selten
 von Schmetterlingsarten, wie z.B. der Grosse            auch älter.
 Schillerfalter, ernähren sich von der Salweide,
 sowohl als Raupe als auch als ausgewachse­              Der Silberweiden-Auenwald
 ner Falter. Diese schätzen die Salweide vor             Auf regelmässig überschwemmten Standorten
 allem im Frühjahr. Salweiden sind also von              können Silberweiden dominieren und ganze
 besonderer Bedeutung für die Biodiversität              Bestände bilden. Der Silberweiden-Auenwald
 (Artenvielfalt) und werden oft unterschätzt.            stockt auf regelmässig stark überschwemmten
                                                         Flussuferbereichen («Weichholzaue») auf jungen
 Die Silberweide, die Königin der Weiden                 Böden (Rohböden, Sedimente). Schweizweit
 Die Silberweide ist deutlich weniger häufig             ist dieser Silberweiden-Auenwald äusserst sel­
 als die Salweide. Sie wird 25 bis 30 m, selten          ten. Auch im Thurgau kommen diese Bedin­
                                                         gungen nur kleinflächig vor: entlang der Thur
                                                         von Pfyn bis Neunforn, im Mündungsbereich
                                                         der Aach und weiterer Bäche am Obersee
                                                         zwischen Arbon und Romanshorn sowie am
                                                         Seerhein und Untersee von Gottlieben bis Er­
                                                         matingen, dies auf einer Fläche von gesamt­
                                                         haft nur rund 13 ha.

                                                         Die Purpurweide im Lebendverbau
                                                         Verschiedene Weidenarten werden im Lebend­
 Die Verbreitung der Salweide in der Schweiz. Quelle:    verbau eingesetzt. Dank ihrer guten Durch­
 Schweizerisches Landesforstinventar (LFI), www.lfi.ch   wurzelung und Verankerung sichern sie Ufer­
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Forstamt und Forstdienst

Im Thurgau gibt es nur wenige Waldstandorte, wo Weiden natürlich dominieren können, so z.B. im Silber­
weiden-Auenwald (Einheit 43) der sogenannten Weichholzaue. Silberweiden im Auenschutzgebiet «Schäffäuli»
an der Thur bei Niederneunforn. Foto: Ulrich Ulmer

böschungen und oberflächliche Rutschungen,             der Alpensüdseite (0,9 %) und in den Alpen
auch das gute Ausschlagvermögen dieser                 (0,7 %) am höchsten. Im Mittelland (0,3 %) ist
Weidenarten wird geschätzt. Insbesondere               er deutlich geringer. Weiden haben von 1985
die strauchförmige Purpurweide wird im Grün-           bis 2015 in der Schweiz zahlenmässig um
oder Lebendverbau häufig verwendet.                    45 % zugenommen. Auch im Thurgau hat der
                                                       Anteil der Weiden in dieser Zeitspanne stetig
Wenig Weiden, dafür überall verteilt                   zugenommen und beträgt nun rund 0,3 %.
Gemäss Schweizerischem Landesforstinventar
(LFI) haben Weiden schweizweit einen Vorrats­          Weidenholz – mehr als nur Biomasse?
anteil von nur 0,1 % und einen Stammzahlan­            Das Holz der Weide ist weiss bis rötlich,
teil von 0,5 %. Nur jeder 200. Baum ab 12 cm           weich, sehr leicht und biegsam (Flechten, Kor­
Durchmesser auf Brusthöhe im Schweizer                 ben). Es kann als Blindholz oder als Schälfur­
Wald ist also eine Weide. Weiden messen im             nier für Sperrholz verwendet werden oder zu
Durchschnitt nur rund 20 cm Durchmesser auf            Zellulose verarbeitet werden. Weidenholz ist
Brusthöhe, denn die meisten sind relativ jung          nicht sehr dauerhaft. Wegen des geringen
und alte, grosse Exemplare sind nicht häufig.          Brennwertes wird es kaum als Brennholz ver­
Der Anteil der Weiden in der Schweiz ist auf           wendet. Weniger in der Schweiz, aber im Aus­
                                                       land werden neben Pappeln auch verschiede­
                                                       ne Weidenarten als schnell wachsende und
                                                       ausschlagfähige Baumarten in sogenannten
                                                       Kurzumtriebsplantagen zur Biomasseproduk­
                                                       tion angepflanzt.

                                                       In der Weidenrinde steckt ein Heilmittel
                                                       Die Rinde von Weiden wurde schon von Ger­
                                                       manen, Kelten und Römern, und sicher auch
                                                       schon früher, als Heilmittel gegen Schmerzen
                                                       und Fieber eingesetzt. Der Wirkstoff Salicyl­
                                                       säure hat auch seinen Namen von der Weide
                                                       erhalten (Salix, die Weide).
Eine markante Silberweide steht im Nordwesten
der Stadt Frauenfeld im Gebiet Niderwise. Ihr Alter
wird vom Eigentümer auf rund 160 Jahre geschätzt.
                                                                                         Ulrich Ulmer
Foto: Ulrich Ulmer                                                    Kreisforstingenieur Forstkreis 3

                                                                                               BTW 1/2021 7
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 Revierförster – auch in Zukunft ein attraktiver Beruf?

 Im Thurgau scheint es in jüngster Zeit eher
 schwierig geworden zu sein, freie Revierförs-
 terstellen wieder gut zu besetzen. Als für alle
 Beteiligten gelungen darf die Wahl von Tobi-
 as Fischer zum Revierförster in Kreuzlingen
 und zum Betriebsleiter der Pro Forst vor gut
 vier Jahren bezeichnet werden. Im Interview
 mit ihm wollen wir der Frage nachgehen, was
 es braucht, damit der Försterberuf für junge
 Leute weiterhin attraktiv bleibt.

 Tobias, warum wolltest du seinerzeit
 unbedingt Förster werden?
 Ich suchte einen Beruf, bei dem ich meinen
 Arbeitstag selber gestalten kann. Ausserdem
 gefällt mir die Abwechslung zwischen Wald
 und Büro.

 Wie bist du als Aargauer ausgerechnet auf
 den Thurgauer Wald gekommen?
 Stellenangebote für Förster sind dünn gesät –
 damals wie heute. Eine Auswahl gibt es nur        Der 33-jährige Aargauer Tobias Fischer ist seit
 selten. Mir war zum Vornherein klar, dass ich     2016 Revierförster und Betriebsleiter der Pro Forst.
                                                   Unterdessen ist er zu einer festen Grösse im
 meinen Horizont über den Heimatkanton hi­         Kreuzlinger Wald geworden. Foto: Robin Roth
 naus ausweiten musste. Stellenausschreibung,
 Gegend und auch erste Gespräche mit meinen        Waldleistungen. Dies bekomme ich täglich zu
 künftigen Vorgesetzten liessen keine Zweifel      spüren, da mein Revier von einer vorwiegend
 offen, dass ich hier am richtigen Ort war.        urbanen Bevölkerung besucht und bean­
                                                   sprucht wird. Hier gilt es, den richtigen Um­
 Hast du auch aus heutiger Sicht – vier Jahre      gang zu finden.
 danach – deinen Traumjob gefunden?                  Zusätzliche spannende Herausforderungen
 Ja.                                               bieten die vielen Arbeiten für Dritte, die wir in
                                                   der Stadt tätigen dürfen.
 Was macht deinen Job zum Traumjob?
 Die Abwechslung im Alltag und die täglich         Wenn du dich mit deinen Försterschul­
 neuen Herausforderungen.                          kollegen vergleichst, bist du zufrieden, wo
                                                   du heute stehst? Und wenn ja oder nein,
 Hat das mehr mit der Aufgabe als Förster          warum?
 allgemein oder ganz konkret mit deiner            Ja, weil ich eine Stelle gefunden habe, die
 Stelle hier in Kreuzlingen zu tun?                mich glücklich und zufrieden macht.
 Beides. Die Aufgaben des Försters sind der­
 zeit wieder einmal in starkem Wandel begrif­      Wie erklärst du dir, dass sich derzeit nur
 fen. Die Schwerpunkte verschieben sich von        wenige valable Bewerber für eine Förster-
 der Holznutzung zur Inwertsetzung anderer         stelle im Thurgau zu interessieren scheinen?
8 BTW 1/2021
Blätter aus dem Thurgauer Wald
Forstamt und Forstdienst

                                                 ter verdienen lässt. Der Kanton sollte versu­
 Dipl. FörsterIn HF                              chen, die guten hei­mischen Forstwarte, die
                                                 mit unseren Verhältnissen vertraut sind, in
 Ausbildung                                      der Branche zu halten, indem er zum Beispiel
 Die Ausbildung zum/r dipl. FörsterIn HF         Sprungbrettstellen für künftige Förster schafft
 setzt eine abgeschlossene Grundausbildung       und Anreize zur Finanzierung der Weiterbil­
 (i.d.R. als ForstwartIn EFZ) voraus. Je nach    dung anbietet.
 Grundbildung müssen zur Zulassung zu­
 sätzlich ein bis drei Jahre praktische Arbeit   Was versprichst du dir von der neu
 in einem Forstbetrieb absolviert werden. Zu     mög­lichen berufsbegleitenden Ausbildung
 Beginn der Ausbildung werden sechs ein-         zum Förster?
 bis zweiwöchige Grundlagenmodule berufs­        Dass der Lohnausfall während der Schulzeit
 begleitend besucht. Anschliessend folgt         nicht mehr den Ausschlag gibt, dass an sich
 während 21 Monaten eine Vollzeitausbil­         geeignete junge Forstwarte darauf verzichten,
 dung (inkl. Praktikum). Neu wird ab 2021        diesen Berufsweg einzuschlagen. So dürften et­
 eine berufsbegleitende Ausbildung ange­         liche den Schritt zur Weiterbildung eher wagen.
 boten, die sechs Semester dauert.
                                                 Du stehst noch am Anfang deiner Berufs­
 Ausbildungsorte                                 laufbahn. Könntest du dir vorstellen, deine
 Bildungszentrum Wald Lyss                       jetzige Aufgabe bis zur Pensionierung
 (http://www.bzwlyss.ch)                         wahrzunehmen?
 Bildungszentrum Wald Maienfeld                  Ja.
 (http://www.ibw.ch)
 Eine Einteilung erfolgt nach Wohnkanton.        Welche Voraussetzungen müssten dazu
                                                 erfüllt sein?
 Weiterbildung                                   Immer wieder neue Herausforderungen und
 Ein vielfältiges Kursprogramm der beiden        Erneuerungen im Betrieb und im Revier. Der
 Försterschulen ermöglicht gezielte Weiter­      Arbeitsalltag sollte möglichst abwechslungs­
 bildungen und Spezialisierungen.                reich und herausfordernd sein.

                                                 Welche Chancen bieten sich interessierten
Das liegt zum Teil sicher daran, dass viele      jungen Leuten für die Zukunft im Förster­
Försterschulabgänger nicht bereit sind, sich     beruf?
ausserhalb ihres bisherigen Wohn- und/oder       Die Chance, tatsächlich auch etwas für die Zu­
Arbeitskantons neuen, fremden Gegebenhei­        kunft zu tun. Der Wald rückt immer mehr in
ten zu stellen. Die geografische Lage des        den Fokus und wir als Revierförster sind die
Kantons trägt bestimmt auch dazu bei.            zentralen Ansprechpartner, die sehr vieles be­
                                                 wirken können.
Wo siehst du Handlungsbedarf bei der
Branche und beim Kanton?                         Besten Dank, Tobias, für dieses aufschlussrei­
In der Waldbranche wäre ein Gesamtarbeits­       che Gespräch und weiterhin viel Freude und
vertrag mit besseren Löhnen für Forstwarte       Erfolg bei deiner schönen und wichtigen Auf­
vordringlich. So könnte man verhindern, dass     gabe!
fähige junge Leute nach dem Lehrabschluss
in andere Berufe abwandern, wo sich mit                    Interviewfragen Erich Tiefenbacher,
einer weniger strengen Arbeit das Geld leich­                  Kreisforstingenieur Forstkreis 2

                                                                                     BTW 1/2021 9
Blätter aus dem Thurgauer Wald
Forstamt und Forstdienst

  E in V e r s c h w i n d en i m Schatten d es Bork e n k äfe rs

  Durch das starke Auftreten des Borkenkäfers        vom Blatt aus in den Trieb hineinzuwachsen.
  ist die Esche etwas aus dem Rampenlicht ver-       Gelingt ihm dies, stirbt der Trieb ab. Die Esche
  schwunden. Erwähnung findet sie noch, wenn         hält dagegen und kann in der Regel die meis­
  Bäume aus Sicherheitsgründen entlang von           ten Triebinfektionen stoppen. Bei zahlreichen,
  Strassen oder in Pärken gefällt werden müs-        wiederholten Infektionen kommt es jedoch
  sen. Das Verschwinden der Esche, 2016 noch         zu einem progressiven Kronensterben. Durch
  die dritthäufigste Baumart im Kanton, geht         das Einsammeln des Laubes im Herbst im
  aber ungeachtet weiter.                            Siedlungsgebiet wird der Infektionsdruck bei
                                                     Stadt- und Garteneschen etwas vermindert.
  Das Eschentriebsterben (ETS) wird durch den
  aus Ostasien stammenden Pilz Hymenoscy-            Anhaltende Schäden
  phus fraxineus (Deutsch: Falsches weisses          Für das Landesforstinventar 4 (LFI4) wurden
  Eschenstengelbecherchen) verursacht. In Asi­       Förster zu Schäden durch Naturereignisse und
  en ist er ein harmloser Blattpilz, der die dort    Schadorganismen befragt. Unter den biologi­
  heimischen Eschenarten besiedelt. Die Frucht­      schen Ursachen der Flächenschäden dominiert
  körper und somit die Sporen werden im Som­         gemäss Försterbefragung der Insektenbefall
  mer auf den letztjährigen Blattresten in der       (Borkenkäfer) mit einem Anteil von 20 %,
  Streu gebildet und Millionen von Sporen bil­       gefolgt von Pflanzenkrankheiten mit 6 %.
  den sich, welche die frischen Blätter der          Diese 6 % sind fast vollständig eine Folge des
  Esche infizieren. Teilweise schafft es der Pilz,   ETS. Gemäss LFI4 sind rund 30 % der jungen
                                                     Eschen (Mindesthöhe 1,3 m) befallen. Damit
                                                     haben seit dem LFI3 die Schäden durch das
                                                     ETS deutlich zugenommen.
                                                        Seit 2016 werden in der Schweiz Zwangs­
                                                     nutzungen von Eschenholz erhoben. Nach
                                                     einer Spitze 2017 ist der Wert rückläufig und
                                                     erreicht 2019 einen Wert von schweizweit
                                                     105 000 m3. Dafür gibt es verschiedene mögli­
                                                     che Erklärungen: Einerseits lag der Fokus der
                                                     Forstdienste 2019 auf der Räumung von Käfer­
                                                     holz. Andererseits war der Sommer 2019
                                                     warm und damit ungünstig für den Erreger
                                                     des ETS. Seine Entwicklung und seine Infek­
                                                     tionskraft waren gehemmt. Unter Umständen
                                                     war der Pilz nach dem Extremsommer 2018
                                                     vielerorts bereits in seiner Vitalität beein­
                                                     trächtigt. In feuchten Tälern mit hoher Eschen­
                                                     dichte konnten jedoch noch Neuinfektio­-
                                                     nen festgestellt werden. Die Thurgauer Forst­
                                                     statistik 2019 weist Schäden durch das ETS
                                                     nicht separat aus. Der Anteil Zwangsnutzun­
                                                     gen durch andere Ursachen beläuft sich auf
  Orange verfärbte Rindennekrose an jungem           8880 m3, wobei der grösste Teil dem ETS zu­
  Eschentrieb. Foto: Daniel Rigling / wsl            zuschreiben ist. Neben den Zwangsnutzungen
10 BTW 1/2021
Forstamt und Forstdienst

wurde seit 2016 auch die Intensität des ETS         wird das Fällen von Totholz deshalb vertieft
in den Kantonen abgefragt. Die meisten Kan­         geübt.
tone, so auch der Kanton Thurgau, stuften die
Intensität des ETS 2019 als stark ein.              Wissenschaftliche Projekte
                                                    Zwei neue Projekte an der WSL: Basierend auf
Wenn möglich stehen lassen                          den 2016 erhobenen Daten, wurden in der
Da es gegen das ETS noch keine wirksame             Schweiz Standorte mit mindestens fünf
Bekämpfungsmethode gibt, sollten Eschen,            scheinbar toleranten Eschen (maximale Kro­
auch kranke, wenn immer möglich stehen­             nenverlichtung 25 %) und mindestens fünf er­
gelassen werden. Der Forstdienst des Kantons        krankten Eschen (ab 50 % Kronenverlichtung)
Freiburg hat hierzu eine Handlungsanleitung         mit einem BHD von 20–50 cm ausgewählt.
verfasst. Sie teilt befallene Eschen in fünf        Weitere Kriterien waren eine gute Erreichbar­
Stufen ein und legt fest, wie eine allfällige       keit mit dem Auto und ein schwaches Gefälle.
Behandlung der Eschen aussehen soll. Die            Im Kanton Thurgau wurden Flächen in Frauen­
Anleitung kann unter https://forstamt.tg.ch/        feld, Dozwil, Ermatingen und Neuwilen für die
publikationen/externe-publikationen.html/11272      Versuche ausgewählt.
eingesehen werden. Sie orientiert sich an den          Für die Tests im Labor sind Replikate der
Handlungsempfehlungen der Forschungsan­             ausgewählten Bäume nötig. Da die Samen
stalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).        aus einem Gemisch aus väterlichen und müt­
Müssen Eschen gefällt werden, entstehen auf­        terlichen Genen bestehen, wurde entschie­
grund der instabilen Bäume Sicherheitspro­          den, die Baumkandidaten durch Pfropfung zu
bleme. Eine Umfrage bei verschiedenen Kan­          vervielfältigen, um Klone zu produzieren. An
tonen hat ergeben, dass die Zahl der durch          jedem Standort wurden von einer scheinbar
ETS verursachten Unfälle zunimmt. Im ÜK C           toleranten und von einer erkrankten Esche
 2. Befallsstadien
der                und geeignete
     Lernenden (vgl.    Artikel inMassnahmen
                                   diesem Heft)     jeweils 50 gesunde Triebe aus der Krone ge­
 —                                                  sammelt und diese anschliessend auf Wurzel­
      Stufe 0           Stufe 1           Stufe 2
                                                    stöcke von 2- bis 3-jährigen Eschenbäumen
                                                    (aus Schweizer Baumschulen) gepfropft. Ins­
                                                    gesamt sind 80 % der Pfropfungen gelungen.
                                                       Im weiteren Verlauf der Untersuchungen
                                                    wurden die gepfropften Eschen (insgesamt
                                                    1100 Stück) 2020 im Pflanzenschutzlabor mit
                                                    dem ETS und dem Eschenprachtkäfer kon­
                                                    frontiert, um die Frage nach der Anfälligkeit
                                                    von verschiedenen Eschengenotypen gegen­
      Stufe 3           Stufe 4           Stufe 5
                                                    über dem Eschenprachtkäfer mit und ohne
                                                    biotischen (Pilz) und abiotischen (Trocken­
                                                    heit) Stress zu beantworten und zugrunde­
                                                    liegende Mechanismen aufzudecken. Erste
                                                    Ergebnisse sollen 2021 veröffentlicht werden.
                                                       Britische Forscher haben herausgefunden,
                                                    welche Stoffe in den Blättern dafür verant­
                                                    wortlich sind, dass gewisse Eschen weniger
Fünf Befallsintensitäten werden in der vom Kanton   anfällig auf das ETS sind. Je geringer die Kon­
Freiburg verfassten Anleitung unterschieden.
 4

                                                    zentration dieser Stoffe, die als Bitterstoffe
Abbildung: Forstamt Kanton Freiburg
                                                    u.a. Schutz gegen Insekten bieten, ist, desto

                                                                                        BTW 1/2021 11
Forstamt und Forstdienst

  weniger anfällig sind die Bäume gegenüber
  dem ETS. Die Forscher hoffen, einen Schnell­
  test zu entwickeln, mit dem man tolerante
  Eschen bestimmen kann. Das Ganze hat je­
  doch den Nachteil, dass Pflanzen Bitterstoffe
  zur Abwehr von Schädlingen einsetzen. Ein
  weiterer potenzieller Schädling für die Esche
  ist der Asiatische Eschenprachtkäfer. Dieser
  Käfer stammt aus Asien und wurde in Europa
  bereits in der Ukraine und Russland gesich­
  tet. Durch die Auslese von gegen das ETS re­
  sistenteren Eschen könnte das Schadenpo­
  tenzial, welches durch den Eschenprachtkäfer
  existiert, ungewollt gefördert werden.
     Um die wichtige Baumart Esche zu retten,
  wurden Forschungsversuche durchgeführt und
  Massnahmen zum Erhalt getroffen. Eine Lö­                Die Holzträger aus Esche geben der Cantina des
  sung des Problems zeichnet sich jedoch nicht             Ekkarthofes elegante Weite. Foto: zVg
  ab. 2021 soll die Esche Thema eines wissen­
  schaftlichen Symposiums sein.                            men, welche teilweise bereits im Werk zusam­
                                                           mengebaut wurden. Vorteile von Laubholz
  Zum Verfeuern zu schade                                  gegenüber Nadelholz sind die höhere Quer­
  Wie das Beispiel des Neubaus des Gastrono­               druck- und Querzugfestigkeit, aber auch die
  mie- und Mehrzweckgebäudes auf dem Ekkart­               grössere Schub- und Zugfestigkeit parallel zur
  hof 2018 in Lengwil zeigt, kann Eschenholz               Faser. Diese Eigenschaften machen Brett­
  auch als Konstruktionsholz verwendet wer­                schichtholz aus Laubholz für tragende Konst­
  den. Das Primärtragewerk dieses Gebäudes                 ruktionen bei Gebäuden interessant.
  besteht aus Eschenbrettschichtholz mit Rah­                                              Sandra Horat

  Befallene Eschen sind in der Landschaft gut zu erkennen. Foto: Ruedi Lengweiler

12 BTW 1/2021
Forstamt und Forstdienst

Der Schatz im Speckbachtobel

Eine hohe, schroffe Felsflanke, darunter ein       sind dicke Bäume grundsätzlich geschützt,
sich wild schlängelnder Bach, der sich tief        Pflegeeingriffe (mitunter mit Holzanfall) zur
ins Gestein eingefressen hat. Unzählige dicke      Förderung seltener Arten oder Erhöhung der
Bäume, die perfekte Deckung für einen Über-        Naturnähe sind weiterhin vorgesehen. Allen
fall auf die Postkutsche. Ferne Trommel­           voran die rund fünf Hektar Eichenwälder auf
geräusche und schwacher Rauchgeruch ...            der steilen Flanke des Speckbachtobels bedür­
Kindheitserinnerungen an die abenteuerlichen       fen regelmässiger Pflegeeingriffe im Turnus
Winnetou-Filme werden in einem beim An-            von fünf bis sieben Jahren. Zudem sind Pflege­
blick des Speckbachtobels in Steckborn             eingriffe zum Erhalt der Schutzwirkung des
wach. Wer weiss, vielleicht hätte Karl Mays        Waldes gegenüber gerinnerelevanten Prozes­
«Schatz im Silbersee» ja einen geringfügig         sen wie Erosion und Rutschungen erlaubt.
anderen Titel erhalten, hätte er sich denn ein-    Teile des Reservatsperimeters befinden sich
mal in diese wilde Ecke des Thurgaus verirrt.      nämlich im Schutzwald des Bundes. Dem
                                                   potenziellen Zielkonflikt zwischen Biodiversität
Ein Schatz für die Biodiversität ist das Speck­    und Schutz vor Naturgefahren wurde mit einer
bachtobel, der vermutlich grösste Canyon des       entsprechenden Regelung in der Schutzanord­
Thurgaus, allemal. Vieles ist dabei der extre­     nung zum Waldreservat begegnet.
men Topografie des Molassetobels geschuldet,          Mit dem Speckbachtobel wurde das 30. Re­
welche verantwortlich für die kleinräumig än­      servat im Kanton Thurgau in Kraft gesetzt,
dernden Standortbedingungen im Wald ist.           wobei hierzu auch die sechs entlang der Thur
Resultat ist ein feines Mosaik verschiedenster     ausgeschiedenen Auenschutzgebiete von na­
Waldgesellschaften, darunter der sehr seltene      tionaler Bedeutung zählen. Damit sind heute
Pfeifengras-Föhrenwald und seltene Seggen-         1871 ha oder rund 9,4 % des Thurgauer Wal­
Buchenwälder. Doch auch der Raum ausser­           des als Waldreservat ausgeschieden. Der
halb des Waldes ist beispielsweise mit der von     Thurgau hat sich die Sicherung von 10 % der
Pro Natura unterhaltenen Unteren Speckwiese        Waldfläche, d.h. 2000 ha, als Waldreservat bis
für die Biodiversität von grosser Bedeutung.       2030 zum Ziel gesetzt. Angesichts der mehre­
Seit 1. Juli 2020 ist das Speckbachtobel Teil      ren in Vorbereitung stehenden Waldreservate
des gleichnamigen Waldreservats, welches           ist dies aller Voraussicht nach erreichbar.
eine Waldfläche von rund 30 ha einnimmt, die          Waldreservate bilden Kerngebiete der so­
18 Waldeigentümern gehört. Rund sechs Hek­         genannten ökologischen Infrastruktur. Diese
tar davon werden die kommenden 50 Jahre            kann man sich vereinfacht als ein Netzwerk
völlig der natürlichen Entwicklung überlassen      von Kerngebieten und Vernetzungsgebieten
und damit nicht bewirtschaftet. Damit wird ins­    ökologisch besonders wertvoller Objekte im
besondere die Anreicherung von Totholz geför­      Wald, in der Flur, in Gewässern und Über­
dert. In Urwäldern fällt Totholz mit dem Abster­   gangsbereichen der drei vorstellen. Der Bund
ben alter Bäume oder durch äussere Einflüsse       hat sich mit der «Strategie Biodiversität
wie Stürme an. Mit der intensiven Nutzung der      Schweiz» 2017 zum Ziel gesetzt, bis 2040
Wälder in der Schweiz und in den benachbar­        eine funktionsfähige ökologische Infrastruk­
ten Ländern ist dieser Waldzustand heute sel­      tur aufzubauen. Diese soll als Rückgrat für
ten anzutreffen. Für rund ein Viertel der wald­    den Erhalt unserer Ökosysteme für unsere
bewohnenden Arten, und das sind immerhin           Kinder und Kindeskinder dienen, damit auch
6000, bietet Totholz Lebensraum und Nah­           sie dereinst die Vorteile eines intakten Öko­
rungsquelle. Auf der übrigen Reservatfläche        systems erfahren dürfen.

                                                                                        BTW 1/2021 13
Forstamt und Forstdienst

  Was bedeutet ein Waldreservat als ein Kern­        mäss den Zielen des Waldzieltypenplans ent­
  gebiet in der schweizweiten ökologischen In­       wickelt. Pflegemassnahmen im Einklang mit
  frastruktur nun konkret für den Waldeigen­         dem Waldzieltypenplan erlauben die Steue­
  tümer? Erst mal erhält er eine jährliche           rung und Beschleunigung der Entwicklung.
  Entschädigung für die durch die Schutzan­          Diese werden angemessen entschädigt, die
  ordnung und räumlich mit dem Waldzielty­           Pauschalen sind höher angesetzt als jene für
  penplan festgelegte Nutzungsbeschränkung.          den Wirtschaftswald. All diesen Entschädigun­
  Zudem ist der Waldeigentümer für die ge­           gen steht unbestritten der reduzierte wirt­
  schützte Fläche fortan vom Flächeneinzug des       schaftliche Nutzen durch Eigengebrauch oder
  Forstreviers befreit. Das Forstrevier wird wie­    Verkauf der fortan weitgehend geschützten
  derum über den Revierbeitrag für die ge­           dicken Bäume gegenüber. Allerdings stehen
  schützte Fläche entschädigt, um den Ausfall        dicke Bäume, wie beispielsweise Fichten im
  des Flächeneinzugs zu kompensieren. Im bes­        Eichenwald, weiterhin zur Nutzung frei, wenn
  ten Fall, d.h. bei einem vollständigen Nut­        sie nicht dem Waldzieltyp entsprechen. Dies
  zungsverzicht, kann der Eigentümer mit der         ist, kurz geschildert, die Aussensicht für den
  Entschädigung für die Nutzungsbeschränkung         Waldeigentümer auf ein Waldreservat. Hinzu
  und dem Wegfall des Flächeneinzugs bei             gesellt sich die nicht zu unterschätzende In­
  ­einer Laufzeit von 50 Jahren gut und gerne        nensicht, nämlich, welchen Stellenwert man
   15 000 Franken pro Hektar für sich verbuchen.     selbst der langfristigen ökologischen Aufwer­
   Dies entspricht in etwa dem Waldwert eines        tung und Erhaltung seines Waldes beimisst.
   mässig bis schlecht erschlossenen, buchen­           Vor lauter Waldreservaten ist nicht ausser
   dominierten Waldes. Die Entschädigung steigt      Acht zu lassen, dass auch die anderen gut
   zudem, wenn sich der Wald in der Folge ge­        18 000 ha Wald im Thurgau ihren Beitrag an
                                                     die Biodiversität leisten. Der Wald im Thurgau
                                                     ist stets multifunktional und jeder Fleck leis­
                                                     tet einen, wenn vielleicht auch nur kleinen,
                                                     Beitrag an die Biodiversität. Vielfalt, und da­
                                                     mit Biodiversität, ist zudem eine vernünftige
                                                     Strategie im Umgang mit dem Klimawandel.
                                                     Das Ausfallrisiko des Waldes, wie zurzeit bei
                                                     fichtendominierten Wäldern in tieferen Lagen
                                                     zu beobachten, lässt sich mit Verteilung des
                                                     Risikos auf mehrere Baumarten vermindern.
                                                     Mit Beitragsrichtlinien für die Jungwaldpflege
                                                     und neu für die Wiederbewaldung von Sturm-
                                                     und Käferflächen bestehen bereits heute In­
                                                     strumente, um den Waldeigentümer bei den
                                                     Herausforderungen des Klimawandels finanzi­
                                                     ell zu unterstützen. Wer weiss, vielleicht wer­
                                                     den wir künftig noch öfter als heute beim
                                                     Waldspaziergang Orte antreffen, die uns den­
                                                     ken lassen: Das wäre doch ein toller Unter­
                                                     schlupf für Robin Hood gewesen!

  Blick von der Felsflanke aus ins Speckbachtobel.                                Jochen Breschan
  Foto: Ruedi Lengweiler                                                     Planung und Beiträge
14 BTW 1/2021
Forstamt und Forstdienst

Adventsrundweg in Sirnach und Aadorf –
Öffentlichkeitsarbeit in Corona-Zeiten

Corona hat gezeigt, wie wichtig der Wald für
die Bevölkerung ist. Durch die Einschränkun-
gen der vergangenen Monate haben viele Leu-
te die Wälder als Orte des Ausgleichs, der
Bewegung, der Ruhe und Distanz entdeckt.
Der Wald wird hoch geschätzt und wirkt nach-
weislich gesundheitsfördernd. Wird er aber
auch verstanden oder ist er für viele «nur»
eine grosse Freizeitarena?

An den Waldtagen in Weinfelden 2021 wäre
die Sensibilisierung der Besucher*innen zu
den verschiedenen Waldleistungen ein Schwer­
punktthema gewesen. Leider musste auch
dieser Anlass auf unbestimmte Zeit verschoben
werden. Antonia Fuchs-Schrakmann, die als
Sachbearbeiterin bei der Fortuso und beim             Im Orangensaft hat es Holz drin?! Am Posten 1
Forstbetrieb Fischingen-Tobel tätig ist, hatte        in Sirnach staunten die Besucher*innen darüber,
                                                      in welchen Produkten sich überall Holz versteckt.
die Idee, als Ersatz für die vielen abgesagten        Foto: Roger Hollenstein
vorweihnachtlichen Events einen coronakon­
formen Adventsrundgang einzurichten. Diese            gaben eines Forstbetriebes. Die Informationen
Idee wurde mit zwei Rundkursen in einem               wurden jeweils mit einer passenden Aktivität
Waldstück in Aadorf und in Sirnach umge­              oder einem passenden Rätsel ergänzt. So
setzt. Leitfaden durch die Parcours war die           konnten unter anderem Eicheln für einen
Adventsgeschichte vom kleinen Stern, welche           zukunftsfähigen Wald gestupft, Tiere durch
verteilt über zehn Postentafeln gelesen werden        ein Memory kennengelernt, Holz gesägt,
konnte. An jedem Standort gab es dazu viele           Überwinterungsplätze für Kleintiere gebaut
lehrreiche Informationen über die Waldbewirt­         oder ein Weihnachtsstern und ein Holzchrist­
schaftung, die heimische Tierwelt und die Auf­        baum mit Naturmaterialien dekoriert werden.

Auswertung der Botschaften der Besucher*innen der Adventswege in Aadorf und Sirnach. Insgesamt wurden
675 Antworten abgegeben. Grafik: Roger Hollenstein

                                                                                                BTW 1/2021 15
Forstamt und Forstdienst

  Die beiden Wege wurden rege benutzt und
  stiessen nicht nur bei den jüngsten, sondern
  dank den vielfältigen Waldinformationen auch
  bei den älteren Besucher*innen auf ein grosses
  Interesse.

  Was bedeutet Ihnen der Wald?
  Diese Frage wurde den Besuchern am Ende
  des Rundkurses gestellt. Der angebrachte
  Briefkasten in Form eines Vogelhauses wurde          Posten 5 in Sirnach: Der Holzstern wurde fleissig
  fleissig mit Botschaften gefüllt. Neben den          gefüllt. Dazu gab es Informationen zum Schweizer
                                                       Wald. Fotos: Roger Hollenstein
  vielen positiven Rückmeldungen zum Ad­
  ventsrundweg waren die Kommentare zur
  Waldwahrnehmung sehr interessant. Die auf­           tung gewonnen. Es ist allgemein erfreulich,
  geteilte Auswertung nach Themen zeigt die            dass das Naturbewusstsein der Menschen ge­
  Bedeutung des Waldes für die Besucher*innen:         stiegen ist. Leider muss aber auch festgestellt
     Die Feedbacks zeigen klar, dass für die           werden, dass dieses Bewusstsein sich bei
  Besucher*innen die Erholung und die Biodi­           einigen verliert, sobald es um die Befriedi­
  versität die wichtigsten Waldfunktionen sind.        gung der persönlichen Erholungsbedürfnisse
  Hätten wir diese Frage vor 50 oder sogar 100         geht. Solange die Strassen und Wege begeh­
  Jahren der Bevölkerung gestellt, wäre die Ant­       bar sind und nicht ganze Waldstücke infolge
  wortverteilung bezüglich Waldfunktionen ganz         Sturm oder Kalamität verschwinden, ist für
  anders herausgekommen. Heute ist der Wald            viele Waldbesucher im Wald alles in bester
  nicht mehr nur ein Rohstofflieferant, sondern        Ordnung.
  seine Funktion als Lebens- und Erholungs­               Was die Waldeigentümer alles für eine
  raum wird von den Menschen viel stärker ge­          nachhaltige Erfüllung der Waldleistungen un­
  wichtet. Der Wald als intakte Naturoase hat in       ternehmen, wie es um die wirtschaftliche Situ­
  der aktuellen Situation nochmals an Bedeu­           ation in der Forstwirtschaft steht und welche
                                                       Herausforderungen infolge der Klimaverände­
                                                       rung in Zukunft zu erwarten sind, sind nur
                                                       einige Themen, über welche die Bevölkerung
                                                       zum Teil zu wenig Kenntnis hat. Genau hier
                                                       sind Waldbesitzer und Forstleute gefragt, die
                                                       Menschen darüber zu informieren, mit wel­
                                                       chen gezielten Massnahmen ein nachhaltiger
                                                       und vielfältiger Wald für die nächsten Genera­
                                                       tionen gefördert wird.
                                                          Es kann erwartet werden, dass künftig un­
                                                       sere Wälder noch stärker als bisher besucht
                                                       und in Anspruch genommen werden. Es
                                                       herrscht bei der Bevölkerung eine sehr positi­
                                                       ve Grundhaltung zum Wald. Dies darf auch als
                                                       Chance betrachtet werden, wenn es darum
                                                       geht Nichtholzleistungen in Wert zu setzen.
  Posten 2 in Sirnach: Beim Tier-Memory wurde eifrig                                Roger Hollenstein
  nach Paaren gesucht.                                            Revierförster Forstrevier Fischingen
16 BTW 1/2021
Forstamt und Forstdienst

W a ld u n d W a l db ewi rts chaf tung i m Mit te l t h urgau
Teil 5 : W e i t e r e Neuerung en

Neue Gewichtung der Waldfunktionen
Mit der Theorie vom Bodenreinertrag war die        Im Rahmen der Feierlichkeiten der Einwei­
Waldbewirtschaftung um 1900 stark wirt­            hung des neuen Forstwerkhofs Mittel­
schaftlich ausgerichtet. Naturereignisse wie       thurgau wurde eine Festschrift veröffent­
Käferschäden nach Trockenjahren (1947–1951,        licht. Darin wurden der Wald und die
2003–2006 oder auch ganz aktuell wieder)           Waldbewirtschaftung im Mittelthurgau um­
und Stürme (1967, 1990, 1999) zeigten, dass        fassend beschrieben. Aufgegliedert in fünf
vor allem mit grösseren Rottannen-Anpflan­         Teilberichte, wird diese Geschichte in den
zungen eine einseitige, zu risikoreiche und        Ausgaben der «Blätter aus dem Thurgauer
ökologisch fragwürdige Forstwirtschaft betrie­     Wald» wiedergegeben. Teil 1 bis 4 sind in
ben wurde.                                         den BTW 1 bis 4/2020 erschienen.
   Schon 1950, verstärkt aber seit den 1970er-
und 1980er-Jahren, wurde vor allem im
Schweizer Mittelland eine besorgniserregen­       Bachtobeleinhänge werden seither durch stufi­
de Verarmung der Artenvielfalt in Fauna und       ge Eingriffe und nachhaltige Pflege im Schutz­
Flora festgestellt, vor allem im Kulturland,      wald entlastet.
teilweise aber auch im Wald; dies als Folge          Diese gesellschaftliche Entwicklung hat dazu
der Rationalisierung und Intensivierung der       geführt, dass im Waldgesetz des Bundes (in
Landwirtschaft mit immer kürzeren Schnitt­        Kraft seit 1993) die übrigen Funktionen
folgen, mit sich ausbreitenden Monokulturen       (Schutz, Ökologie und Erholung) gegenüber
und einer immer grösseren Belastung der           der Nutzfunktion aufgewertet worden sind.
Umwelt mit Schadstoffen. Mit der Ausschei­        Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt,
dung von Waldreservaten, Altholzinseln, Eichen­   dass der Wald multifunktional betrachtet wer­
nutzungsverzichtsflächen und Habitatbaum­         den muss. Mit Regionalen Waldplänen, wie
gruppen – selbstverständlich unter Abgeltung      einer 1999 auch für den Mittelthurgau erarbei­
von Eigentumsbeschränkungen und Zusatzauf­        tet wurde, werden die verschiedenen Funktio­
wendungen an die betroffenen Waldeigen­           nen und Interessen am Wald gegenseitig abge­
tümer – trägt das kantonale Forstamt nun          wogen und miteinander in Einklang gebracht.
vermehrt auch der Biodiversität im Wald              Heute wird in den Waldungen im Mittel­
Rechnung.                                         thurgau versucht, möglichst stabile, vitale,
   In den letzten Jahrzehnten ist die Erholung    standortgerechte, strukturreiche und ökolo­
der Menschen im Wald immer wichtiger ge­          gisch wertvolle Laubholzbestände mit mässi­
worden. Schwerpunktgebiet im Mittelthurgau        ger oder gar keiner Nadelholz-Beimischung zu
ist in dieser Hinsicht zweifellos der Ottenberg   begründen, die den Anforderungen an Ökolo­
mit einer Vielzahl unterschiedlicher Erho­        gie und Erholung entgegenkommen. Mit der
lungsnutzungen (Wandern, Mountainbike, OL,        Ausnutzung der ganzen Baumartenvielfalt,
Reiten, Zeltlager etc.).                          wie sie für einen bestimmten natürlichen
   Die Bedeutung der Schutzfunktion des Wal­      Waldstandort typisch ist, wird versucht, das
des wurde bei Behörden und Bevölkerung vor        Bestandesrisiko so tief wie möglich zu halten.
allem seit den durch Starkregen bedingten         Allen Wäldern im Mittelthurgau eigen ist
Überschwemmungen am Ottenberg-Südab­              jedoch, dass die hohen Rehwildbestände
hang 1994 und den hohen Folgeschäden ins­         eine artenreiche Verjüngung ohne künstliche
besondere in Weinfelden erkannt. Die steilen      Schutzmassnahmen kaum zulassen. Das Reh

                                                                                      BTW 1/2021 17
Forstamt und Forstdienst

  ist ein Feinschmecker. Mit Vorliebe tut es sich        Insbesondere Sportverbände und Freizeit­
  gerade an den Jungpflanzen seltener Baum­              nutzer befürchteten allerdings zu grosse
  arten gütlich. Ohne Zäune oder Einzelschütze           Einschränkungen, die ihnen der neue Erlass
  kommt es in den Verjüngungen zur Entmi­                auferlegte. Nach einem harten, emotional
  schung. Wenig verbissen werden meist nur               geführten Abstimmungskampf sagten schliess­
  Fichte und Buche. Den Ahorn-Jungpflanzen               lich 55 % der Thurgauerinnen und Thurgauer
  gelingt es aufgrund ihrer üppigen Regenerati­          Ja zu ihrem Wald, denn mit dem neuen kanto­
  onskraft in der Regel, in genügender Anzahl            nalen Waldgesetz konnten ab 1. April 1996
  dem Äser der Rehe zu entwachsen, vor allem             verschiedene der bereits genannten Neuerun­
  wenn die Naturverjüngung nach einem Räu­               gen im Interesse des Waldes eingeführt wer­
  mungshieb zunächst noch einmal auf den                 den (Forstrevierkörperschaften als Träger der
  Stock gesetzt wird.                                    Beförsterung, Abgeltung gemeinwirtschaftli­
                                                         cher Leistungen unter Beteiligung der politi­
  Das erste Thurgauer Waldgesetz                         schen Gemeinden, Regionale Waldplanung,
  1839, 1860 und 1871 gab es bereits drei ver­           Ablösung der eigentümerbezogenen Betriebs­
  gebliche Anläufe für ein kantonales Waldge­            pläne durch eigentumsübergreifende Ausfüh­
  setz. Alle diese Versuche scheiterten am poli­         rungspläne für ein ganzes Forstrevier etc.).
  tischen Gegenwind und am Nein des Volkes.
  So behalf sich der Kanton lange mit einer di­          Reorganisation von Revier und Betrieb
  rekten Vollzugsverordnung zum Eidgenössi­              Im Thurgau sind heute alle Waldeigentümer
  schen Forstpolizeigesetz. Nachdem sich der             von Gesetzes wegen Mitglied einer öffentlich-
  Bund in der Folge der Waldsterbensdebatte              rechtlichen Forstrevierkörperschaft. Die Re­
  zu Beginn der 1990er-Jahre ein grundlegend             viergrenzen gibt das Departement für Bau
  neues Waldgesetz gegeben hatte, waren auch             und Umwelt (DBU) vor. Diese Körperschaft,
  die Kantone gefordert, ihre Anschlussgesetz­           der alle Waldeigentümer im entsprechenden
  gebung neu zu gestalten. Unter der Leitung             Gebiet zwingend angehören, ist Trägerin der
  von Regierungsrat Philipp Stähelin und danach          Beförsterung und hat so die Anstellung eines
  vor allem von Regierungsrat Ulrich Schmidli            Försters als wichtigsten Zweck. Dieser muss
  wurde so auch ein ausgewogener Entwurf für             in seinem Revier die gesetzlich festgelegten
  ein Thurgauer Waldgesetz erarbeitet.                   Hoheitsaufgaben erfüllen. Darüber hinausge­

  Eine Zangengeburt, heute aber essenziell für den Wald und die Waldpflege im Kanton – das erste Thurgauer
  Waldgesetz. Foto: Forstamt Kanton Thurgau

18 BTW 1/2021
Forstamt und Forstdienst

hende Dienstleistungen des Försters sind re­            Für den Mittelthurgau sah der erwähnte Be­
vierinterne Angelegenheiten, die vom Forstre­           richt den Zusammenschluss der bisherigen Re­
vier auch verrechnet werden. Im Interesse der           viere Ottenberg und Bürglen zu einem neuen
Waldeigentümer kann die Körperschaft zu                 Doppelrevier Mittelthurgau vor. Gleichzeitig
diesem Zweck auch einen eigenen Forstbe­                würde das bisherige Revier Märstetten mit der
trieb führen, der seinen Mitgliedern je nach            2016 anstehenden Pensionierung von Revier­
Bedarf forstliche Dienstleistungen zu mög­              förster Jakob Stump aufgelöst und das darin
lichst günstigen Konditionen anbietet. Dieser           befindliche Gemeindegebiet Märstetten eben­
Betrieb muss selbsttragend sein.                        falls an das neue Revier Mittelthurgau ange­
   Im Auftrag des DBU hatte das Forstamt im             schlossen. Die anderen Gemeindegebiete Amli­
Jahr 2012 einen umfassenden Bericht zur kurz-           kon-Bissegg und Wigoltingen im bisherigen
und mittelfristigen Entwicklung der Forstrevier­        Revier Märstetten dagegen sollten an die
strukturen im Thurgau auszuarbeiten. Zur Ab­            westlich benachbarten Forstreviere gehen. Alle
deckung der hoheitlichen und betrieblichen              drei in diese Revierbildung involvierten Forst­
Aufgaben in unserem ausgesprochenen Privat­             reviere führten bisher auch einen reviereige­
waldkanton wurde dabei von einer auch künftig           nen Forstbetrieb. Mit ein Grund für die Neuor­
nötigen Zahl von insgesamt 25 Revierförstern            ganisation war, dass nach kantonalem Konzept
ausgegangen. Diese sollten sich in sogenann­            in der Region Mittelthurgau nur noch ein Forst­
ten Doppelrevieren organisieren (eine Körper­           betrieb mit einem neuen, zentralen Werkhof­
schaft mit zwei hoheitlich zuständigen Revier­          standort vorgesehen war. Unter den betroffe­
förstern). Damit wäre der laufende fachliche            nen Förstern und Reviervorständen ergab sich
Austausch mit Stellvertretung gewährleistet und         schnell ein Konsens zu Sinn, Zweck und Not­
betriebliche Synergien könnten genutzt werden.          wendigkeit einer derart umfassenden Neuge­

Das neue Forstrevier Mittelthurgau mit den Waldflächen der grösseren Eigentümer im Revier.
Karte: Forstamt / swisstopo

                                                                                             BTW 1/2021 19
Forstamt und Forstdienst

  staltung der Forstreviere und Forstbetriebe. Auch   –– Die Strukturen sollten möglichst effizient
  die Waldeigentümer der drei betroffenen Reviere        und schlank bleiben. Der Vorstand soll für
  bekräftigten und unterstützten das Vorhaben            die strategische Führung besorgt sein.
  an ihren Jahres­versammlungen. So konnte das        –– Kostengünstige Lösungen für Waldeigentü­
  DBU am 21. September 2015 die dafür nötige             mer. Was den Neubau des Forstwerkhofs
  Neueinteilung der Forstreviere gutheissen.             betraf, hiess das:
     Für die neue Forstrevierkörperschaft erga­          >>Standort im Waldareal (günstiges Bau­
  ben sich im Wesentlichen folgende Vorteile:              land), gleichzeitig aber auch gut erschliess­
  –– ideale Grösse (1535 ha) bezüglich Auslas­             bar. Die Bürgergemeinde Weinfelden hatte
     tung beider Revierförster mit sachgerech­             dem neuen Revier dazu ein entsprechen­
     ten Aufgaben                                          des Baurecht im Wald südlich der KVA
  –– vorteilhafte Mischung von öffentlichem                Weinfelden an optimaler Lage zugesichert.
     (483 ha) und privatem (1052 ha) Wald                  Das Waldgesetz des Bundes lässt die Mög­
  –– ganzer Erholungsraum Ottenberg neu in                 lichkeit für forstliche Bauten von regiona­
     einem Revier                                          ler Bedeutung ausdrücklich zu.
  –– Ausschöpfung der Abgeltungen für gemein­            >>den im Finanzplan 2017–19 des Kanton
     wirtschaftliche Leistungen in voller Höhe             vorgesehenen Investitionsbeitrag an forst­
     dank idealer Grösse und Struktur.                     liche Infrastrukturen im Mittelthurgau nut­
                                                           zen (60 % der Baukosten)
  Den Vorständen der bestehenden Forstreviere            >>zinslose forstliche Investitionskredite des
  waren von Beginn der Gespräche an die fol­               Bundes beanspruchen
  genden Kernanliegen wichtig:                           >>unabhängige Prozessbegleitung durch
  –– Die neue Organisation sollte weiterhin                forstlich-betriebswirtschaftliche Fachleute
     einen reviereigenen Forstbetrieb führen,
     der allen Waldeigentümern je nach Bedarf         An der Gründungsversammlung vom 20. Juni
     kostengünstige, massgeschneiderte Lösun­         2016, zu der alle Waldeigentümerinnen und
     gen zur fachgerechten Bewirtschaftung            Waldeigentümer im neuen Revier eingeladen
     ihres Waldes anbieten kann. Vom verfüg­          waren, wurden die neuen Statuten mit gros­ser
     baren Arbeitspotenzial her sollten zwei Re­      Mehrheit angenommen. Das neue Forstrevier
     vierförster, vier Forstwarte, vier Lehrlinge     Mittelthurgau konnte so auf den 1. Oktober
     und eine Teilzeit-Fachkraft in Buchhaltung       2016 seine Tätigkeit aufnehmen. Die beiden
     und Administration ausgelastet werden            Forstbetriebe genossen vorerst noch weiterhin
     können. Es wurde darauf geachtet, dass           ihr Gastrecht an den bisherigen Standorten
     alles bisherige Personal der betroffenen         bei den Bauamtswerkhöfen der Gemeinden
     Forstreviere von den Nachfolgeorganisatio­       Berg und Bussnang.
     nen wieder neu angestellt werden konnte.
  –– Die Waldeigentümer sollten ihre bisherigen       Der neue Forsthof Mittelthurgau
     Revierförster als Ansprechpartner möglichst      Zur Abklärung der betriebswirtschaftlichen
     beibehalten. Zusätzlich zu den Waldeigentü­      Tragfähigkeit hatten die Vorstände der beiden
     mern in Weinfelden, Berg, Hugelshofen und        früheren Forstreviere Ottenberg und Bürglen
     Dotnacht sollte Revierförster Hansruedi Gub­     noch vor der Reviergründung einen Business­
     ler neu auch jene der Gemeinde Märstetten        plan durch die in fachlicher Hinsicht bestens
     betreuen. Revierförster Roman Gunterswei­        ausgewiesene Leitung des Forstbetriebs der
     ler würde wie bisher den Waldeigentümern         Stadt Winterthur erarbeiten lassen, der auf­
     in den Gemeinden Bussnang, Bürglen und           zeigen sollte, wie eine optimale und finanziell
     Birwinken zur Verfügung stehen.                  erfolgreiche Betriebsstruktur für das neue

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Forstamt und Forstdienst

                                                      –– Arbeitsabläufe optimaler zu gestalten, be­
 Neubau Forsthof Mittelthurgau                           sonders im Bereich der Aufrüstung von
                                                         Brennholz und anderer forstlicher Produkte.
 6. Dezember 2017 Spatenstich
 16. Januar 2019  Schlüsselübergabe                   Nach umfangreichen Vorbereitungsarbeiten
 29. Juni 2019	Offizielle Einweihung                 konnte der neue Forsthof über das Jahr 2018
                  mit Tag der offenen Tür             hinweg erstellt werden. Es entstand ein an­
                                                      sprechender, moderner Holzbau nach dem
                                                      bewährten Muster des 2009 erstellten Forst­
                                                      werkhofs der Bürgergemeinde Ermatingen. Er
Doppelrevier auszugestalten wäre. Ein Kern­           ist gleichsam ein Markenzeichen von Wald
element dieses Businessplans war der Bau              und Holz in der heutigen Zeit. Der Neubau
eines neuen Forstwerkhofs an zentraler Lage.          erhielt das Label «Schweizer Holz» und wurde
Damit wurde es möglich                                dank einer umsichtigen, frühzeitigen Planung
–– die beiden Forstbetriebe im Revier auch vom        gar zu 80 % mit Holz aus dem eigenen Revier
   Standort her zu einer effizient führbaren und      erstellt.
   operierenden Einheit zu verschmelzen.                 Der neue Forsthof ist der vorläufig letzte
–– Büroräumlichkeit mit zweckmässiger Aus­            Meilenstein im langen Weg der Entwicklung
   rüstung für die beiden Förster und für ad­         des Waldes in der Region Mittelthurgau und
   ministrative Mitarbeiterinnen zu erstellen,        des Forstreviers. Mit der aktuellen Organisati­
   um beste Voraussetzungen für die gemein­           on und Ausrüstung sind die Waldbesitzer gut
   same Arbeit und für die Führung der Mitar­         für die Zukunft gerüstet. Der Neubau ist sicht­
   beiter zu schaffen.                                bares Zeichen dafür.
–– für die Mitarbeiter des Betriebes angemes­
   sene Arbeitsbedingungen und genügende
   sanitäre Einrichtungen zu haben.
–– ihnen die Möglichkeit zu geben, Schlecht­                                       Erich Tiefenbacher
   wetterarbeiten unter Dach auszuführen.                             Kreisforstingenieur Forstkreis 2

Der gefällige Neubau im Rüüteli-Wald der Bürgergemeinde Weinfelden hinter der KVA – dank vorausschauender
Planung erbaut zu 80 % mit Schweizer Holz aus dem eigenen Forstrevier! Foto: Erich Tiefenbacher

                                                                                              BTW 1/2021 21
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