Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ

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Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
M A G A Z I N F Ü R E N G A G I E RT E K AT H O L I K E N         Januar-

       Gemeinde
                                                                         Februar 2022

          creativ

                 GESELLSCHAFT
                 Vollzeitjob und
                 obdachlos

                 VOR ORT
                 Neue Wohnformen
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                 WOHNEN

                 Alles im grünen
                 Bereich?
ISSN 1618-8322
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
Gemeinde
       creativ                                                                                ISSN 1618-8322
                                                                                              65. Jahrgang
                                                                                              Januar-Februar 2022

                                         Informationen
                                            4 Es geht! Gerecht.
                                            5 Der Zauberer verlässt die Manege                           Alle im
                                            6 Hagen Horoba schreibt 2022                          Heft angegebenen
                                              die Meditationen                                   Zusatzinformationen
                                                                                               wie Links oder Literatur-

                                                                                                                                F OTO : S T M B /AT E L I E R K R A M M E R
                                           		 Zukunftsplan: Hoffnung                            hinweise finden Sie auf
                                            7 Gut aufhören                                         unserer Homepage
                                                                                               www.gemeinde-creativ.de
                                          Meditation                                            stets beim jeweiligen
                                                                                                    Artikel.
                                                  8 »Mein Haus, mein Auto, mein Boot.«
                                                    Von Hagen Horoba

                                                                                                Wohnen: Alles im grünen Bereich?
                                                                                                 10 Ein Schlüssel für soziale                                                                                                                23 Von hier aus kann‘s
                                                                                                    Gerechtigkeit                                                                                                                               weitergehen
                                                                                                     Von Martin Schneider                                                                                                                       Von Pat Christ
                                                                                                 14 Gemischte Gefühle                                                                                                                        24 „Was ich tat?
                                                                                                     Von Jörn M. Scheuermann                                                                                                                    Ich schlief halt.“
                                                                                                                                                                                                                                                Von Pat Christ
                                                                                                 16 Eines der knappsten Güter
                                                                                                     Von Pat Christ                                                                                                                          26 Kirche zu verkaufen?
                                                                                                                                   Von Pat Christ
                                                                                                 18 Bezahlbarer Wohnraum
                                                                                                    für alle                    28 St. Klara – gemeinsam
    F OTO : TO N K T I T I / A D O B E S TO C K

                                                                                                                                   mittendrin!
                                                                                                 20 Kein Akt der Barmherzigkeit
                                                                                                                                                                                                                                                Von Michael Eibl
                                                                                                     Von Martin Schneider
                                                                                                                                                                                                                                             29 Bezahlbares Bauland
                                                                                                 22 Abnabelung in ein selbst­
                                                                                                                                                                                                                                                dringend gesucht
                                                                                                    bestimmtes Leben
                                                                                                                                                                                                                                                Von Klemens Deinzer
                                                                                                     Von Christine Bronner

                                          Ökumene
                                         32 Mit der Welt im Gespräch
                                                                                                                                                                              F OTO : B L U E P L A N E T S T U D I O / A D O B E S TO C K

                                                    Interviews zur Tagung des Ökumenischen Rats
                                                    der Kirchen in Karlsruhe

                                         Katholisch in Bayern und der Welt
                                         30 Aus Räten und Verbänden                              35 Auch das noch,
                                         34 Begeistert sein                                         Impressum
                                                    Interview mit Silvia Wallner-Moosreiner      36 Cartoon
                                                                                                     Von Thomas Plaßmann

2                                          Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
12
„Mir ist wichtig, dass die
                                            Schön … teuer!
                                                                           EDITORIAL

 Menschen überall in Bayern
 leben können.“                             Liebe Leserin, lieber Leser,
 Seit fast zwei Jahren ist Kerstin          für Generationen war es eine Selbst-
 Schreyer inzwischen Bayerische             verständlichkeit, dass man sich
 Staatsministerin für Wohnen, Bau           Wohneigentum erarbeiten konnte.
 und Verkehr. In ihrem Ministerium          Die eigenen vier Wände – das war
 laufen Megatrends zusammen                 kein unerreichbares Ziel, kein ferner
– Wohnungsnot und die Frage nach            Traum. Das hat sich geändert. Gebaut
 bezahlbarem Wohnraum, ökologi-             wird trotzdem, und zwar kräftig. So
 sches Bauen und nachhaltige                kräftig, dass vor einiger Zeit erstmals
 Flächennutzung und die Auswirkun-          laut und deutlich darüber diskutiert
 gen der Corona-Pandemie, die viele         worden ist, ob das Einfamilienhaus
 Städter auf’s Land getrieben hat.          wirklich die Wohnform der Zukunft
                                            sein kann und soll. Den Grünen, die
                                            diese Diskussion mit angestoßen
Wir freuen uns, Gemeinde creativ
                                            haben, hat das viel Häme und Kritik
ab diesem Jahr kostenfrei anbieten
                                            eingebracht. Der Grundansatz aller-
zu können. Die bayerischen Diöze-
                                            dings ist richtig: wir müssen darüber       ma, das vermutlich viel zu komplex ist,
sen finanzieren die Zeitschrift des
                                            sprechen, wie wir in Zukunft leben          um es auf 36 Seiten zu behandeln. Wir
Landeskomitees künftig als wichtiges
                                            wollen – und dazu gehört auch die           versuchen es trotzdem – und wollen
Arbeitsmittel für die Ehrenamtlichen
                                            Frage, wie wir wohnen möchten.              dabei neben dem Blick auf das „gro-
vor Ort – eine tolle Wertschätzung für
                                               Die Ressourcen unseres Planeten          ße Ganze“ vor allem jene Menschen
die wertvolle und ermüdliche Arbeit,
                                            sind nicht unendlich, das wissen wir        in den Mittelpunkt rücken, auf die
die in unseren Gemeinden geleistet
                                            längst. Nur handeln wir auch danach?        sonst kaum einer schaut: Menschen
wird!
                                            Dass das Wachstum unserer Städte            am Rand der Gesellschaft, die keine
Unsere Zeitschrift finden Sie vollstän-
                                            und Gemeinden „auf der grünen               Chance auf eine reguläre Wohnung
dig auch im Internet: www.gemeinde-
                                            Wiese“ durch die Ausweisung von             haben, wenn sie nicht unterstützt
creativ.de. In den nächsten Monaten
                                            Neubaugebieten und Gewerbeflächen           werden. Aber auch auf Seniorinnen
werden wir unseren Internetauftritt
                                            nicht ungebremst so weitergehen             und Senioren, denen ein selbstbe-
kontinuierlich weiter ausbauen und
                                            kann, das leuchtet den allermeisten         stimmtes Leben und Wohnen im Al-
um neue Rubiken erweitern. Künftig
                                            ein – zumal viele Ortskerne zuse-           ter wichtig ist. Und nicht zuletzt auch
finden Sie neben den Themen aus dem
                                            hends veröden – doch auf das Eigen-         auf die Verantwortung der Kirche.
Heft dort auch aktuelle Nachrichten
                                            heim verzichten? Das sollen dann            Wohnen ist eines der Megathemen
aus den Räten und Verbänden sowie
                                            doch besser die anderen…                    unserer Zeit, da können wir uns als
Materialien zu Liturgie, Arbeitshilfen
                                              … die anderen wären allerdings            Kirche nicht verschließen und sagen:
und Best-Practice-Beispiele zu vielen
                                            schon froh, wenn sie sich überhaupt        „Das geht uns nichts an.“ Die Beiträge
unterschiedlichen Themen (Umwelt,
                                            ein Dach über dem Kopf leisten              in diesem Heft zeigen Möglichkeiten
Eine Welt, Soziales ...) und vieles mehr.
                                            könnten. In unseren Städten werden          und auch Verpflichtungen der Kirche
                                            horrende Mieten gezahlt, viel zu teuer      auf, sich hier engagiert einzubringen.
                                            für Normal- oder gar Geringverdiener.       Wohnen ist eine Frage der sozialen
       Mehr Mensch,                         Der Katholische Männerfürsorgever-          Gerechtigkeit – Kirche muss sich in
       weniger Markt                        ein hat 2020 in München ein Wohn-           Sachen Glaubwürdigkeit an ihrem
                                            heim eröffnet – für Menschen mit            Engagement messen lassen.
                                            einem Vollzeitjob, die sich aber trotz-
                                            dem keine Wohnung leisten können.          Viel Freude beim Lesen und gute
                                            Katholische Verbände wie IN VIA            Anregungen für Ihre kirchliche Arbeit
                                            oder Sant‘Egidio stellen fest: die Co-     wünscht Ihnen

                         31
                                            rona-Pandemie hat viele Menschen
                                            in existenzielle Nöte getrieben. Die
                                            Schlangen vor der Bahnhofsmission
                                            werden länger, die an den Essensaus-
                        Aus dem             gabestellen auch. Die Zahl der Woh-
                                            nungslosen, sie steigt. Dies kann nur      Ihre Alexandra Hofstätter
                  Landeskomitee
                                            ein kurzes Blitzlicht sein, auf ein The-   Redaktionsleiterin

                                                                                                 Gemeinde creativ Januar-Februar 2022   3
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
Gemeinde
       creativ Es geht! Gerecht.
                                           Die diesjährige Misereor-Fastenaktion steht unter dem
    informationen                          Leitwort „Es geht! Gerecht.“ Im Mittelpunkt stehen 2022
                                           Projekte zur Anpassung an den Klimawandel in Bangla-
    Entmachtung                            desch und auf den Philippinen sowie die gemeinsame Ver-
     In seinem neuen Buch diskutiert       antwortung für Wege zur globalen Klimagerechtigkeit.
     der bekannte Soziologe Michael
     N. Ebertz vier Thesen zur Ge-
     genwart und Zukunft der Kirche
    – Entmachtung lautet der Titel.

                                           „Es geht! Gerecht.“ – mit diesem Auf-     Außer sich sein.“ Was bedeutet: Wer
    Er stellt fest: aus den Familien        ruf will Misereor deutlich machen,       Antworten auf die genannten Fragen
    kommt der Nachwuchs für die             dass mit gemeinsamen Anstrengun-         sucht, sich mit den Zusammenhän-
    Kirche längst nicht mehr wie frü-       gen und einer größeren Solidarität       gen von eigenem Alltag und dem Le-
    her. Die Kirche hat die „Luftho-        eine Welt möglich ist, in der allen      ben in benachteiligten Weltregionen
    heit über Körper, Geist und Seele       Menschen Anerkennung und Acht-           auseinandersetzt, soll ins Handeln
    der Einzelnen“ verloren. Entspre-       samkeit entgegengebracht und die         kommen, sich gegen globale Unge-
    chend bunt sind ihre Mitglieder         Schöpfung für zukünftige Genera-         rechtigkeiten und die Zerstörung der
    zusammengesetzt, die ihrerseits         tionen bewahrt wird. Die globale         Schöpfung einsetzen: mit Aktionen
    mit einer pluralen Gesellschaft         Erderhitzung treibt immer mehr           und Spenden, im Gebet und in politi-
    verflochten sind. In Entmachtung        Menschen dauerhaft in Armut und          schem Engagement.
    geht es um Macht und ihre Re-           Migration. „Mit einer ambitionierten        Eröffnet wird die Misereor-Fas-
    duktion, um Familien- und Rollen-       Begrenzung der Klimakrise können         tenaktion am Sonntag, 6. März 2022,
    bilder, die Frage nach der Stellung     wir gegensteuern, dass Menschen          mit einem Gottesdienst im Freibur-
    der Frau und darum, wie kirchli-        in Not geraten und Ungleichheiten        ger Münster. Am 3. April 2022, dem
    che Sozialisation in der modernen       zunehmen“, betont Pirmin Spiegel,        5. Fastensonntag, wird dann in allen
    Welt gelingen kann. Michael N.          Hauptgeschäftsführer von Misere-         katholischen      Kirchengemeinden
    Ebertz beschreibt nicht nur diese       or, und appelliert weiter: „Setzen Sie   Deutschlands für die Arbeit von
    existenziellen Zäsuren, sondern         sich für anspruchsvolle Klimaziele       Misereor gesammelt. Bereits eine
    analysiert die Hintergründe und         ein, um die Treibhausgasemissionen       Woche zuvor, am 27. März 2022,
    Zusammenhänge der Entmach-              deutlich zu reduzieren. Teilen wir die   findet ein virtuelles Fastenkochen
    tung der Kirche – und skizziert die     uns geschenkten und doch spürbar         statt. Sternekoch Björn Freitag und
    Richtung möglicher Wege in eine         begrenzten Ressourcen unserer Erde       Misereor-Hauptgeschäftsführer Pir-
    Zukunft. (pm)                           geschwisterlich und in gegenseitiger     min Spiegel kochen gemeinsam kli-
     Ebertz, Michael (2021), Ent-          Verantwortung.“                          mafreundliche und faire Gerichte.
    machtung. 4 Thesen zu Gegen-                                                     Neben Präsenz-Veranstaltungen bie-
                                           IN SICH GEHEN,
    wart und Zukunft der Kirche.                                                     tet Misereor auch Online-Workshops
                                           AUSSER SICH SEIN
    160 Seiten, Paperback. Patmos                                                    zu den Themen der Fastenaktion an.
    Verlag, 19 Euro.                       Fastenzeit, das heißt für Misereor        An den ersten fünf Donnerstagen der
                                           auch, einander zu motivieren, sich        Fastenzeit finden jeweils um 19 Uhr
                                           persönlich zu fragen: Woraus schöp-       Online-Stammtische mit inspirie-
                                           fe ich Kraft? Wofür setze ich mich        renden Gesprächspartnerinnen und
                                           ein? Wie geht teilen? Das Werk für        Gesprächspartnern zu Themen der
                                           Entwicklungszusammenarbeit bringt         Fastenaktion statt. (pm)
                                           diesen Prozess der Selbstvergewisse-       Mehr dazu unter www.gemeinde-
                                           rung auf die Formel: „In sich gehen.      creativ.de.

4   Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
Der Zauberer                                                                                   Gemeinde
                                                                                                  creativ
 verlässt die                                                                                   informationen
     Manege                                                                                    Gott ist bunt
                                                                                                Der Franziskanerpater Helmut
Von Karl Eder                                                                                   Schlegel sagt, „dass Liturgie oft
                                                                                                nicht lebendig genug, und ja, auch

                                                                               F OTO : K N A
Geschäftsführer des Landeskomitees
                                                                                                nicht mystisch genug ist. Eine
Der ehemalige Vorsitzende des Lan-                                                              fertige Sprache, ein abgehobener
deskomitees der Katholiken in Bay-                                                              Ritus, der Mangel an Stille – das
ern, Helmut Mangold, ist im vergan- Gremium des Laienapostolats natür-                          spricht offensichtlich Menschen
genen November im Alter von 83 Jah- licherweise gebe, das auf überregi-                         nicht im Kern ihrer Seele an.“ – mit
ren nach kurzer schwerer Krankheit onaler Ebene die gemeinsamen An-                             seinem neuen Buch, erschienen in
gestorben. Der frühere Ingenieur für liegen vernetzen und vertreten soll.                       der Reihe Kon-
Nachrichten- und Informationstech- „Dies ist ihm meisterhaft gelungen,                          krete Liturgie des
nik sowie Telematik war von Jugend ohne dabei nivellierend zu agieren“,                         Friedrich Pustet
an ehrenamtlich in der katholischen    betont Unterländer und verweist da-                      Verlags, will er
Kirche engagiert: angefangen von       bei auf die Dankesworte des früheren                     Abhilfe schaffen.
seiner Heimatgemeinde in Senden- Geistlichen Beauftragten der Frei-                             Gott ist bunt.
Aufheim (Kreis Neu-Ulm), über das      singer Bischofskonferenz und heuti-                      Kreative Gottes-
Dekanat Neu-Ulm und den Diöze- gen Diözesanbischofs von Augsburg,                               dienste für beson-
sanrat der Katholiken der Diözese Bertram Meier, bei der Verabschie-                            dere Zeiten und
Augsburg bis zum Landeskomitee der dung Mangolds als Vorsitzender                               an besonderen
Katholiken in Bayern.                  des Landeskomitees im Jahr 2009:                         Orten heißt es,
   Bereits im Jahr 1971, also wenige „Manchmal glich unser Vorsitzender                         und der Name ist
Jahre nach dem Zweiten Vatikani- auch einem kleinen Zauberer, der die                           Programm. Denn
schen Konzil und kurz nach Einfüh- unterschiedlichen Meinungen unter                            der Autor ist
rung der Pfarrgemeinderäte heutigen einen Hut brachte und überraschen-                          überzeugt, das Kirchenjahr bietet
Zuschnitts in Bayern, wurde Hel- de Lösungen hervorholte, damit aus                             zahlreiche Anlässe, Themen und
mut Mangold zum Vorsitzenden des der Manege der Kirche kein Zirkus                              Orte an, um ausgetretene Pfade
Pfarrgemeinderates seiner Heimatge- wurde.“                                                     zu verlassen und kreativ mitein-
meinde St. Johann Baptist in Senden-      Neben dem bisweilen mühsamen                          ander zu feiern: wie immer in der
Aufheim gewählt. Noch im selben Dienst an der Einheit innerhalb der                             Reihe Konkrete Liturgie bündelt
Jahr bestimmten ihn die Delegierten eigenen Kirche und des Laienaposto-                         Gott ist bunt eine ganze Menge
zum Vorsitzenden des Dekanatsrates     lats in Bayern, das in den Augen Man-                    an Bausteinen für liturgische Fei-
Neu-Ulm. Diese Funktion übte er bis    golds auch gleichwertige Strukturen                      ern. Neben besonderen Tagen im
2014 aus, also 43 Jahre lang. Mitglied voraussetzt, sei ihm besonders am                        Kirchenjahr berücksichtigt Pater
seines Pfarrgemeinderates blieb Hel- Herzen gelegen, die Ökumene voran-                         Helmut Schlegel dabei auch Orte –
mut Mangold ebenfalls bis 2014.        zubringen, betont Joachim Unterlän-                      bei „Weizenkorn und Ackerboden“
   Erstmals wurde Helmut Mangold der. „Der Ökumenische Kirchentag                               geht es um gutes Wachstum, bei
im Jahr 2001 von den Mitgliedern der im Jahr 2010 in München trägt nach-                       „Brücken der Gerechtigkeit“ um
Vollversammlung zum Vorsitzenden weislich auch die Handschrift von                              Geld und Ethik. Mit Gott ist bunt
des Landeskomitees gewählt. In die- Helmut Mangold, der maßgeblich an                           kommt man gut durch’s Kirchen-
ser Mitgliederversammlung in Re- der Vorbereitung beteiligt war.“                               jahr: vom Dreifaltigkeitsfest bis
gensburg wurde zugleich das 50-jäh-       Als „aufrechten Christen und                          Allerheiligen, vom Schöpfungsfest
rige Bestehen des Landeskomitees       wertvollen Moderator“ würdigt auch                       bis zum Totengedenken, vom Flur-
gefeiert. Landeskomitee-Mitglied war Kardinal Reinhard Marx den ehema-                          gottesdienst bis zur Mitternachts-
er aufgrund seiner Funktionen im Di- ligen Vorsitzenden des Landesko-                           andacht. (alx)
özesanrat der Katholiken der Diözese   mitees. „Helmut Mangold war eine                          Schlegel, Helmut (2021), Gott
Augsburg sogar von 1986 bis 2014.      überzeugende Gestalt der katholi-                        ist bunt. Kreative Gottesdienste
   Der Vorsitzende des Landeskomi- schen Kirche in Bayern.“ Christ sein,                        für besondere Zeiten und Orte.
tees, Joachim Unterländer, hebt in das war für ihn klar, erschöpft sich                         144 Seiten, kartoniert. Verlag
der Würdigung für seinen früheren nicht im sonntäglichen Kirchbesuch,                           Friedrich Pustet, 16,95 Euro.
Vorgänger dessen außergewöhnli- so der Kardinal. „Christsein bedeute-
ches Talent hervor, die unterschied- te ihm vielmehr, die Welt da, wo Gott
lichen Perspektiven und Richtungen ihn hingestellt hatte, im Sinne von
zusammenzuführen, die es in einem Jesu Botschaft mitzugestalten.“

                                                                                                  Gemeinde creativ Januar-Februar 2022   5
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
Verkaufsoffen im
    Advent
                                                                                                 Hagen Horoba schreibt
    Die Stadt Regensburg hat Ende
    vergangenen Jahres informiert,                                                               2022 die Meditationen
    den ersten Adventssonntag
    verkaufsoffen halten zu wollen,                                                              Wörter / meine Fallschirme / mit euch / springe / ich / ab
    soweit dieser bereits im Novem-                                                              Ich fürchte nicht die Tiefe / wer euch richtig / öffnet
    ber stattfindet. Das hat einige
                                                                                                 schwebt
    katholische Akteure mit deutlicher
    Kritik auf den Plan gerufen. Das                                                             Von Hagen Horoba
    Diözesankomitee der Katholiken,
    die Katholische Arbeitnehmer-                                                                Dieses Gedicht des in Gleiwitz gebo-
    Bewegung (KAB) und die Betriebs-                                                             renen und 1990 in München verstor-
    seelsorge im Bistum Regensburg                                                               benen Horst Bieneck begleitet mich
    haben sich mit einer Stellungnah-                                                            seit meiner Schulzeit in Mainz, wo
    me zu Wort gemeldet. „Unabhän-                                                               ich 1972 geboren wurde. Bienecks             rufliche Laufbahn zum Bischöflichen
    gig davon, ob diese Entscheidung                                                             Gedicht, seine Sensibilität für Spra-        Ordinariat Regensburg. Nach Aufga-
    überhaupt auf einer ausreichend                                                              che, erinnern mich immer wieder              ben im Bereich Öffentlichkeitsarbeit
    rechtlichen Grundlage getroffen                                                              daran, dass Wörter und ihre Anein-           und Weltkirche kam ich an den Re-
                                                                                                 anderreihung in Sprache, in Texten           gensburger Dom, in dessen Umfeld
                                                                                                 und im gesprochenen Wort eine Be-            ich seit zehn Jahren arbeite. Im Feb-
                                                                                                 deutung haben. Dies gilt umso mehr           ruar 2015 übernahm ich die Leitung
                                           F OTO : N AT E E M E E P I A N / A D O B E S TO C K

                                                                                                 in unserer Zeit, wo wir allerorten           des Informations- und Besucherzen-
                                                                                                 erfahren müssen, dass Sprache mehr           trums DOMPLATZ 5.
                                                                                                 ausgrenzt als verbindet und verletzt            Während der verschiedenen Lock-
                                                                                                 als heilt.                                   down-Zeiten der Jahre 2020 und 2021
                                                                                                    Nach dem Studium der katho-               schrieb ich Impulse und »Gedanken

                                                                                                                                                                                       F OTO : U W E M O O S B U R G E R
                                                                                                 lischen Theologie an der Philoso-            in besonderen Zeiten«, die wohl mit
                                                                                                 phisch-Theologischen Hochschule              den Ausschlag dafür gaben, dass ich
                                                                                                 Sankt Georgen in Frankfurt und an            nun für Gemeinde creativ schreiben
                                                                                                 der Universität Regensburg sowie ei-         darf. Ich freue mich darauf, Sie, ver-
                                                                                                 ner Tätigkeit in einer Münchner De-          ehrte Leserinnen und Leser, durch
    wurde, wird damit die Intention                                                              signagentur führte mich meine be-            das Jahr begleiten zu dürfen.
    des Gesetzgebers, nämlich die
    vier Adventsonntage verkaufsfrei
    zu halten, ausgehebelt“, heißt es
    dort. Ein verkaufsoffener Sonntag
    löse nicht die Probleme des stati-
                                                                                                 Zukunftsplan: Hoffnung
    onären Einzelhandels, die durch
    die Digitalisierung beschleunigt                                                             Weltgebetstag 2022 aus England, Wales und Nordirland
    und durch die Corona-Pandemie
    weiter verstärkt würden. „Sonn-                                                              Am Freitag, 4. März 2022, feiern Menschen in mehr als
    tagsöffnungen werden dem Struk-                                                              150 Ländern den Weltgebetstag der Frauen. Dieses Jahr
    turwandel in den Innenstädten                                                                kommen die Vorlagen aus England, Wales und Nordirland.
    nicht entgegenwirken können“,                                                                Unter dem Motto „Zukunftsplan: Hoffnung“ laden sie ein,
    sind sich die Akteure sicher. „Da
                                                                                                 den Spuren der Hoffnung nachzugehen. Sie erzählen von
    das Geld nur einmal ausgegeben
    werden kann, ist nicht mit einer                                                             ihrem stolzen Land mit seiner bewegten Geschichte und
    Umsatzsteigerung zu rechnen,                                                                 der multiethnischen, -kulturellen und -religiösen Gesell-
    sondern nur mit einer Verlagerung                                                            schaft. Aber auch Themen wie Armut, Einsamkeit und
    von den anderen Tagen.“ Wichti-                                                              Missbrauch kommen zur Sprache.
    ger wäre es, den Sonntag als von
    Arbeit und Konsum befreite Zeit                                                              Eine Gruppe von 31 Frauen aus 18 un-         und irischen Weltgebetstagsfrauen
    zu erhalten, an dem man sich mit                                                             terschiedlichen christlichen Konfes-         besteht eine enge freundschaftliche
    Freunden treffen, zusammen Un-                                                               sionen und Kirchen hat gemeinsam             Beziehung.
    ternehmungen planen sowie allein                                                             die Gebete, Gedanken und Lieder                 Bei allen Gemeinsamkeiten hat
    oder gemeinsam eine Zeit der                                                                 zum Weltgebetstag 2022 ausgewählt.           jedes der drei Länder des Verei-
    Entspannung und Muße erleben                                                                 Sie sind zwischen 20 und 80 Jahre alt        nigten Königreichs seinen ganz ei-
    kann. (pm)                                                                                   und stammen aus England, Wales               genen Charakter: England ist mit
                                                                                                 und Nordirland. Zu den schottischen          130.000 km² der größte und am dich-

6   Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
Gut aufhören                                                                      Sozialwahlen
                                                                                  Die nächsten Sozialwahlen
Bald werden in Bayern die Pfarrgemeinderäte neu gewählt                           sollen am 31. Mai 2023 stattfin-
                                                                                  den – schon jetzt geht es aber in
– für viele Männer und Frauen endet dann ein Lebenskapi-                          die Kandidatenfindung. So hat
tel, wenn sie sich nicht mehr zur Wahl stellen. An sie richtet                    beispielsweise die Arbeitsgemein-
 sich ein Angebot im Bildungshaus Vierzehnheiligen.                               schaft Christlicher Arbeitnehmer-
                                                                                  organisationen (ACA) Interessierte
Menschliches Leben ist geprägt von        schwierigere Momente zur Sprache        dazu aufgerufen, sich für ein

                                                                                                                               F OTO : J E N N Y O N T H E M O O N / A D O B E S TO C K
Übergängen. Auch das Ausscheiden          kommen. So soll es ermöglicht wer-
aus einem Ehrenamt wie die Mitar-         den, mit Dankbarkeit auf diese Zeit
beit im Pfarrgemeinderat stellt einen     zu blicken und sie gut abzuschließen.
solchen Übergang dar. Anlässlich der         Im gemeinsamen Austausch, im
Pfarrgemeinderatswahlen im März           Auseinandersetzen mit dem eigenen
2022 laden die Veranstalter schei-        Weg im Pfarrgemeinderat und me-
dende Pfarrgemeinderatsmitglieder         thodisch abwechslungsreich wird
ein, den Übergang bewusst wahr-           ein passender Rahmen für den Über-
zunehmen und zu gestalten. Es geht        gang aus dem Pfarrgemeinderat ge­
darum, Rückschau zu halten auf die        schaffen.
Zeit im Pfarrgemeinderat und auf das         Der Kurs wird in identischer Wei-
eigene Engagement. Dabei dürfen           se an zwei verschiedenen Terminen
sowohl glückliche Erlebnisse als auch     (04./05. April 2022 und 08./09. April   Mandat zu bewerben. Die ACA
                                          2022) angeboten. Veranstaltungsort      ist vertreten bei den gesetzlichen
                                          ist das Bildungs- und Tagungshaus       Krankenkassen, der gesetzlichen
                                          Vierzehnheiligen im Erzbistum Bam-      Rentenversicherung und bei Be-
                                          berg. Anmeldeschluss ist am 18. März    rufsgenossenschaften. 2023 soll
                                          2022. (pm)                              erstmals eine Stimmabgabe auch
                                           Mehr Informationen zum Kurs und       online möglich sein. Wer ein Man-
                                          zur Anmeldung unter www.gemein-         dat übernimmt, wird sechs Jahre
                                          de-creativ.de.                          lang in den Entscheidungsgremien
                                                                                  der Sozialversicherungsträger den
                                                                                  Kurs mitbestimmen. In den Gre-
                                                                                  mien fallen die Entscheidungen
                                                                                  über die personelle, finanzielle und
                                                                                  strategische Ausrichtung der
                                                                                  Sozialversicherungsträger.
 testen besiedelte Teil des Königreichs                                           Nach der jüngsten Reform der
– mit mehr als 55 Millionen Menschen                                              Sozialwahlen sei eine stärkere Mit-
 leben dort etwa 85 Prozent der Ge-                                               wirkung von Frauen ein zentrales
 samtbevölkerung. Seine Hauptstadt                                                Ziel, heißt es. „Ihre beruflichen
 London ist wirtschaftliches Zentrum                                              Erfahrungen und Kompetenzen
 sowie internationale Szene-Metropo-                                              werden zukünftig die Entschei-
 le für Mode und Musik. Die Walise-                                               dungen bei den Sozialversiche-
 rinnen und Waliser sind stolze Men-                                              rungsträgern wesentlich beein-
 schen, die sich ihre keltische Sprache                                           flussen“, erklärte die bayerische
 und Identität bewahrt haben. Von der                                             ACA-Landesvorsitzende Angelika
 Schließung der Kohleminen in den         Das umfangreiche Begleitmaterial        Görmiller.
 1980er Jahren hat sich Wales wirt-       dazu kann auf der Homepage des          Die ACA ist ein ökumenischer
 schaftlich bisher nicht erholt. Grü-     Deutschen Komitees für den Welt-        Verband. In ihm sind in Bayern die
 ne Wiesen, unberührte Moorland-          gebetstag heruntergeladen und be-       Katholische Arbeitnehmer-Bewe-
 schaften, steile Klippen und einsame     stellt werden. Dort gibt es neben in-   gung (KAB), das Kolpingwerk, die
 Buchten sind typisch für Nordirland.     teressanten Hintergründen zu den        Evangelische Arbeitsgemeinschaft
 Jahrzehntelange, gewaltsame Kon-         Gastgeberländern, Bildmaterial und      für soziale Fragen, der Berufsver-
 flikte zwischen den protestantischen     Projektvorstellungen natürlich auch     band der Hauswirtschafterinnen
 Unionisten und den katholischen          wieder die beliebten Rezeptideen, so    und der Evangelische Handwer-
 Republikanern haben bis heute tiefe      dass der Weltgebetstag 2022 auch ku-    kerverein zusammengeschlossen.
 Wunden hinterlassen. Diese Identitä-     linarisch wieder ein Genuss werden      (pm)
 ten, Brüche, aber auch Gemeinsam-        kann. (pm)                               Mehr unter www.gemeinde-
 keiten sind Thema beim diesjährigen       Mehr dazu unter www.gemeinde-         creativ.de.
 Weltgebetstag.                           creativ.de.

                                                                                    Gemeinde creativ Januar-Februar 2022   7
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
»Mein Haus, mein Auto,
    mein Boot.«

8   Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
Creativ - Alles im grünen Bereich? - Vollzeitjob und obdachlos - Gemeinde creativ
M E D I TAT I O N

Von Hagen Horoba                          »Balken seiner Wohnung im Wasser«, Die jüdische Tradition kennt neben
                                          nimmt sich die Wolken zum Wagen       dem Eigennamen Gottes – JHWH –
Wie in der legendären Werbung ei-         und fährt einher auf den Flügeln des  noch weitere Gottesbenennungen,
ner Finanzgruppe, so sind wir Men-        Windes (Ps 104)? Sind wir Menschen    eine bezeichnet Gott als māqōm
schen immer wieder versucht, ein-         dabei, diese Wohnung Gottes zu zer- – hebräisch für »Ort«. Diese Benen-
ander nach den äußeren Schichten          stören durch die Vernichtung der na- nung führt über unsere gedanklichen
unseres Daseins zu beurteilen, nach       türlichen Lebensgrundlagen?           Grenzen hinaus, auch über die von
Körper, Kleidung und zuletzt auch            Wohnt Gott in den Kirchen, die     uns als besondere Orte der Gegen-
den Häusern, in denen wir wohnen.         wir als seine Häuser – Gotteshäuser wart Gottes bezeichneten Kirchen,
Ob man in der Badstraße oder in der      – bezeichnen? Macht es einen Un- die Menschen, die Natur oder den
Schlossallee, im Flüchtlingscamp          terschied, wenn im Ritus der Weihe    Himmel: Gott ist allerorten erfahr-
oder unter einem Brückenbogen sein        einer Kirche diese so gut wie nie als bar, weil er als māqōm allerorten an-
Zuhause – seine Wohnung – hat, ent-       »Haus Gottes« bezeichnet wird, da- sprechbar ist: Allen Versuchen, Gott
scheidet leider viel zu häufig nicht      für aber als »Haus des Herrn« (be- zu verorten, ist er damit weit voraus.
nur über die Entwicklung eines Men-       zogen auf Christus), »Haus der Ge-       Bei Gott/māqōm finden alle Zu-
schen, sondern auch darüber, wie wir      meinde« und »Haus des Gebetes«? flucht, gerade auch die, die keine
über einen Menschen denken.               Haben wir Gott seiner Wohnung Wohnung haben, die Heimatlosen
   Wie denken wir über Gott? Wie          beraubt?                              und Hoffnungslosen, sie alle dürfen
beeinflussen die Wohnungen, die wir          Wohnt Gott in den Menschen, sich im Gottesraum geborgen wissen.
ihm zuweisen unser Gottesbild? Wo         in ihren Herzen, im Nächsten oder Auch das, was in unseren Vorstellun-
»wohnt« Gott überhaupt?                   im Anderen? Respektieren wir die      gen oder Schubladen keinen Platz
   Wohnt er im Himmel des Kin-            Unverletzlichkeit dieser Wohnung, findet, bei Gott/māqōm hat es einen
derglaubens oder im neuen Himmel,         wenn wir Menschen nach ihrer Ort.
von dem uns die Offenbarung des Jo-       Hautfarbe und Geschlecht, nach           Und selbst, wenn wir Menschen
hannes kündet? Ist er in »unzugäng-       ihrer sexuellen Orientierung und      Gott keinen Raum in unserer Her-
lichem Licht« (1 Tim 6, 16), scheinbar          vielen anderen Kategorien un- berge anbieten (Lk 2), ihn in seinem
unerreichbar für uns Menschen,                       terscheiden, ihnen Lasten  Eigentum nicht aufnehmen (Joh 1)
zugleich aber auch allgegenwär-                           aufbürden, ihnen wo- und er scheinbar aus der Welt ver-
tig?                                                          möglich den Se- drängt wird: Gott/māqōm ist »Woh-
   Wohnt Gott in der Na-                                           gen verwei- nung von Geschlecht zu Geschlecht«
tur, der Umwelt, der                                                  gern?     (Ps 90) – für uns und die Welt.
ganzen Schöpfung?
Verankert er die

                                                                                                                             F OTO : K N A B I L D

                                                                                      Gemeinde creativ Januar-Februar 2022           9
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Bezahlbar wohnen

                                 Ein Schlüssel für
                                 soziale Gerechtigkeit
                                                                                                                                               teilungswirkungen. Die Wohnungs­
                                                                                                                                               bedingungen sind nicht nur ein
                                                                                                                                               Spiegel bestehender Ungleichheit,
                                                                                                                                               sondern tragen zu einer Steigerung
                                                                                                                                               der Ungleichheit bei. Es steigen die
                                                                                                                                               Vermögen und bei Vermietungen
                                                                                                                                               die Einkommen jener Wohlhaben-
     F OTO : A N D R I I YA L A N S K Y I / A D O B E S TO C K

                                                                                                                                               den und Wohnungskonzerne noch
                                                                                                                                               weiter, die in den Ballungsräumen
                                                                                                                                               über eine Vielzahl von Wohnungen
                                                                                                                                               verfügen. Zugleich machen sie dort
                                                                                                                                               den Erwerb von Wohneigentum für
                                                                                                                                               Einkommensschichten der unteren
                                                                                                                                               Mitte unerschwinglich und erschwe-
                                                                                                                                               ren es einkommensschwachen Haus-
                                                                                                                                               halten, sich adäquat mit Wohnraum
                                                                                                                                               zu versorgen.
                                                                                                                                               WOHNEN
                                                                 Seit Jahren steigen die Wohnungskosten dramatisch, vor allem in               ALS MENSCHENRECHT
                                                                 Metropolregionen. Die Menschen sind davon unterschiedlich be-                 Diese Diagnose zeigt, dass es ein Irr-
                                                                 troffen. Wer bereits ein Eigenheim besitzt, ist von den Preissteige-          weg ist, Marktkräften zuzutrauen,
                                                                                                                                               unseren Lebensraum zu gestalten.
                                                                 rungen auf dem Boden- und Wohnungsmarkt weniger betroffen,                    Es ist ein Gebot der sozialen Gerech-
                                                                 sondern profitiert meist davon, über den Wertzuwachs für seine                tigkeit, in das freie Spiel der Kräfte
                                                                 Immobilie. Nirgendwo in der EU wohnen aber weniger Menschen                   einzugreifen. Denn der Wohnraum
                                                                 in den eigenen vier Wänden als in Deutschland, im Schnitt nur                 ist nicht einfach eine Ware. Er hat,
                                                                                                                                               so Papst Franziskus in der Enzyklika
                                                                 jeder zweite. Eine entscheidende Rolle, ob das Wohnen zu einer
                                                                                                                                               Laudato si‘, „viel mit der Würde der
                                                                 sozialen Frage wird, spielt das verfügbare Einkommen.                         Personen“ (LS 152) zu tun. Deswegen
                                                                                                                                               ist das Menschenrecht auf Wohnen
                                                                 Von Martin Schneider                    Blick auf die Mietbelastungsquote     Teil des Rechtes auf einen adäquaten
                                                                 Theologischer Grundsatzreferent         zeigt. 27 Prozent ihres Nettoein-     Lebensstandard, das der Internatio-
                                                                 beim Diözesanrat München und            kommens müssen Mieterinnen und        nale Pakt über die wirtschaftlichen, so-
                                                                 Freising                                Mieter in Deutschland im Durch-       zialen und kulturellen Rechte (ICESCR
                                                                                                         schnitt für die Kaltmiete ausgeben.   bzw. UN-Sozialpakt) garantiert.
                                                                 Laut einer Studie der Hans-Böckler-     Mehr als 40 Prozent des Einkom-          Daraus folgt erstens, dass die
                                                                 Stiftung (2021) werden die Unter-       mens für die Miete auszugeben, kann   Schaffung von bezahlbarem Wohn-
                                                                 schiede zwischen Arm und Reich          armuts­gefährdend sein. 2019 lebten   raum eine öffentliche Aufgabe ist.
                                                                 durch das Wohnen größer. Es gibt        in Deutschland 11,4 Millionen Men-    Dies sollte schon aus Gründen der
                                                                 genügend reiche Leute, an die man       schen in durch ihre Wohnkosten        Marktgerechtigkeit einsichtig sein.
                                                                 jederzeit eine Wohnung verkaufen        überlasteten Haushalten. Das sind     Denn auf dem Wohnungsmarkt ha-
                                                                 oder vermieten kann, während die        14 Prozent der Bevölkerung.           ben die Anbietenden eine zu große
                                                                 anderen nicht wissen, wo sie bleiben.      Die Entwicklungen auf dem Woh-     Marktmacht, zumindest in Ballungs-
                                                                 Wohnen kann arm machen, wie ein         nungsmarkt haben erhebliche Ver-      gebieten. Dies hängt zum einen mit

10                                                               Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
SCHWERPUNKT

 dem Gut des Bodens zusammen.            dras­ tischen Anstieg der Bodenprei-      darf es Anreize und Instrumente, den
 Dieses unterscheidet sich merklich      se. ­Gewinne, die aus der Spekulation     vorhandenen Wohnraum effizienter
 von einem „üblichen marktgängigen       mit Grund und Boden resultieren,          zu nutzen.
 Gut“. „Erstens braucht jeder woh-       zu besteuern, ist eine Forderung der         Fünftens sollte mehr Energie in
 nende Mensch Boden, und zweitens        Gerechtigkeit. Denn Bodenwertstei-        die Förderung des Wohneigentums
 ist Boden nicht beliebig vermehrbar     gerungen sind fast vollständig unver-     für möglichst breite Bevölkerungs-
 und immobil“, so die im Frühjahr        diente Gewinne, die den Bodeneigen-       kreise gesteckt werden. Für etwas Ei-
 2021 erschienene EKD-Studie „Be-        tümern ohne eigene Leistungen al-         genes verantwortlich zu sein und da-
 zahlbar wohnen“ (S. 33). Weil zudem     lein aufgrund der gesellschaftlichen      rauf vertrauen zu können, dass dieses
 die Entscheidung, eine Wohnung          oder wirtschaftlichen Entwicklung         Eigene auch geschützt wird, schafft
 in einer bestimmten Stadt zu su-        der Region zufallen.                      für den Einzelnen langfristige Si-
 chen, durch berufliche und familiäre       Viertens kann einer Ursache für        cherheit und eröffnet Freiheitsräume.
„Zwänge“ bestimmt ist, entfalle ein      den Anstieg der Wohnkosten ent-           Eine breite Eigentumsstreuung ist
 wesentliches Marktkorrektiv, das        gegengewirkt werden, indem das            zudem gesellschaftlich wünschens-
 bei üblichen Gütern besteht, indem      Postulat „gleichwertiger Lebensver-       wert, denn sie verringert die Abhän-
 ohne großen Aufwand auf ein preis-      hältnisse im Bundesgebiet“ (Art 72.2      gigkeit der Bürgerinnen und Bürger
 günstigeres Produkt ausgewichen         GG) umgesetzt und die Attraktivität       von Vermietern und trägt substan-
 werden kann (S. 35). Wenn aber keine    von strukturschwachen Regionen er-        ziell zur individuellen Alterssiche-
 Marktgerechtigkeit herrscht, muss       höht wird. Umso mehr Menschen im          rung bei. Dazu müsste aber vor allem
 die öffentliche Hand eingreifen, auch   ländlichen Raum verbleiben oder auf       das soziale System an sich beitragen.
 um die Bildung übermäßiger wirt-        das Land ziehen, umso mehr wird der       Die sozialstaatlich garantierten Leis-
 schaftlicher Macht zu verhindern.       Druck auf die Metropolregionen ge-        tungen und Schutzmechanismen
 Aus diesem Grund ist es parallel zur    bremst. Eigentlich müsste die nächs-      sollten als „Sozialeigentum“ angese-
 Etablierung von Mietpreisbremsen        ten 20 Jahre keine einzige neue Woh-      hen werden. Dass das Versprechen
 und zur massiven Ankurbelung des        nung gebaut werden, wenn die Suche        auf soziale Sicherheit im Rahmen
 sozialen Wohnungsbaus notwendig,        nach Wohnraum geografisch klüger          eines erhitzten Wohnungsmarktes
 eine „Neue Wohngemeinnützigkeit“        verteilt wäre und der vorhandene          bis in die Mittelschicht hinein nicht
 einzuführen – also dieses 1990 im       Wohnraum effizienter genutzt wer-         mehr garantiert werden kann, ist
 Zuge des Skandals mit der „Neuen        den würde. Einer einzelnen Person         gefährlich, weil damit das Vertrauen
 Heimat“ zu Grabe getragene Instru-      steht derzeit in Deutschland so viel      in das demokratische Gemeinwei-
 ment wiederzubeleben.                   Wohnfläche wie nie zuvor zur Verfü-       sen unterminiert wird. Dieser Ent-
    Zweitens braucht es selbstbe-        gung. Aktuell sind es im Schnitt etwa     wicklung nicht taten- und wortlos
 wusste Kommunen, die soziale und        47 m², 1991 waren es lediglich 31,9 m².   zuzuschauen, ist ein „Zeichen der
 genossenschaftliche Wohnprojekte        Bevor einfach mehr gebaut wird, be-       Zeit“.
 fördern. Kommunen können eigene
 Wohnungsgesellschaften gründen,
 Land vorausschauend erwerben und            Ein Blick in die Geschichte zeigt, rechten Gestaltung des Wohnungs-
 an diejenigen Bauherren verkaufen,          dass in den 1960er und 1970er marktes im Spannungsfeld sozialer,
 die ein schlüssiges Konzept für eine        Jahren die Reform des Eigentums- ökologischer und ökonomischer
 soziale Durchmischung und günstige          und vor allem des Bauboden- Verantwortung“. Es wird erkannt,
 Mieten haben. Mit festen Quoten für         rechts maßgeblich von sozialka- dass es längst an der Zeit ist, die
 den sozialen Wohnungsbau in Neu-            tholischen und -protestantischen Wohnungs- und Bodenordnungs-
 baugebieten kann vermieden werden,          Initiativen beeinflusst wurde. In   politik in den Fokus der Aufmerk-
 dass in bestimmten Stadtteilen der          den 1980er Jahren sind die Stim- samkeit zu rücken. Im EKD-Text
 Anteil von sozial schlecht gestellten       men der Kirchen hierzu nahezu von 2021 wird dabei von drei
 Bürgerinnen und Bürger unverhält-           verstummt. Angesichts der dras- Handlungsfeldern ausgegangen,
 nismäßig hoch ist. Wenn Baugenos-           tisch steigenden Wohnungskos- die sich für die Kirchen ergeben:
 senschaften und Baugemeinschaften           ten werden sie mittlerweile aber „Sie sehen innerhalb ihres Auftra-
 bei der Baulandvergabe stärker zum          wieder lauter. Beispiele sind zum ges zur öffentlichen Verantwor-
 Zuge kommen, ist sichergestellt, dass       einen das im Juni 2020 veröffent- tung die Aufgabe der ethischen
 dieses unter Maßgabe einer größt-           lichte Papier „Mehr Teilhabe und Orientierung im öffentlichen
 möglichen Nutzung für das Gemein-           Zusammenhalt durch gleichwerti- Diskurs, sie sind mit ihren Kir-
 wohl veräußert wird. Darüber hinaus         ge Lebensverhältnisse. Ein kirchli- chengemeinden, Beratungsstel-
 ist es überlegenswert, dass kommu-          cher Diskussionsbeitrag“ der Kom- len und Einrichtungen zur Woh-
 nales Bauland nicht verkauft, son-          mission für gesellschaftliche und   nungslosenhilfe sozialdiakonisch
 dern im Rahmen von Erbpachtverträ-          soziale Fragen der deutschen Bi- tätig und sie sind als Eigentümer
 gen vergeben wird.                          schöfe, zum anderen der im März von Boden und Gebäuden in der
    Drittens benötigen wir Instru-           2021 publizierte EKD-Text „Be- Pflicht, mit diesen Gütern ethisch
 mente, um der Haupttriebfeder der           zahlbar wohnen. Anstöße zur ge- verantwortlich umzugehen.“
 steigenden Wohnkosten in Ballungs-
 räumen entgegenzuwirken: dem

                                                                                        Gemeinde creativ Januar-Februar 2022   11
INTERVIEW

     „Mir ist wichtig, dass die
     Menschen überall in
     Bayern leben können.“
     Seit fast zwei Jahren ist Kerstin Schreyer inzwischen Bayerische                     schaffen lassen können. Wir als Frei-
     Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr. In ihrem Minis-                        staat müssen da schon auch mit an-
     terium laufen Megatrends zusammen – Wohnungsnot und die                              schieben. Das tun wir auch sehr in-
                                                                                          tensiv und erfolgreich.
     Frage nach bezahlbarem Wohnraum, ökologisches Bauen und                              Stichwort „Sozialer Wohnungsbau“ –
     nachhaltige Flächennutzung sowie die Auswirkungen der                                wurde hier in den vergangenen Jahren
     Corona-Pandemie, die viele Städter auf’s Land getrieben hat.                         etwas verpasst?
                                                                                          In den vergangenen Jahren konnten
     Gemeinde creativ: In der aktuellen         gegangen. Insofern war die Frage des      wir den Stand der Sozialwohnun-
     Ausgabe von Gemeinde creativ geht es       Wohnens nicht ganz so entscheidend.       gen auf einem konstanten Niveau
     um das Thema „Wohnen“, können Sie          Jetzt wird sie aber umso wichtiger.       halten. 2020 waren es bayernweit
     zu Beginn einen kurzen Überblick zur       Mehr als jeder achte Bewohner von         mehr als 135.000. In den nächsten
     Wohnraumsituation in Bayern geben?         Städten mit mehr als einer halben         Jahren laufen weiterhin planmäßig
     Kerstin Schreyer: Der Bereich „Woh-        Million Einwohner will diese laut ei-     Sozialmietwohnungsbindungen aus,
     nen“ ist eine ganz große Herausfor-        ner Befragung des Münchner ifo-Ins-       gleichzeitig werden im Rahmen der
     derung. Und zwar deswegen, weil            tituts und des Immobilienportals Im-      Wohnraumförderung neue Bindun-
     hier die Fragen so unterschiedlich         mowelt binnen maximal eines Jahres        gen begründet. Wir investieren also
     sind. In Städten wie München haben         verlassen. Wenn man feststellt, dass      weiterhin kräftig in kostengünstigen
     wir noch nicht mal mehr die Frage          man vielleicht nur zweimal die Wo-        Wohnraum.
     nach kostengünstigem Wohnraum.             che zum Arbeiten in eine Stadt fah-       Viele Städter drängen ins Umland,
     Denn es gibt praktisch keinen. Hier        ren muss, weil man den Rest zuhause       welche Konsequenzen hat das für die-
     müssen wir überlegen: Wie kriegen          digital machen kann, dann wird man        se Regionen. Sehen Sie hierin eher Vor-
     wir überhaupt diesen Wohnraum              sich auch überlegen, ob man nicht         oder Nachteile?
     her? Im ländlichen Raum stellt sich        lieber weiter rauszieht und sich viel-    Mir ist wichtig, dass die Menschen
     dagegen eher die Frage: Kann ich mir       leicht dort Wohneigentum schafft.         überall in Bayern leben können. Da-
     ein Eigenheim erwerben? Diese ver-         In den Ballungsräumen können sich         mit es im Umland nicht bald die glei-
     schiedenen Fragen müssen wir unter         heute schon viele Menschen das Woh-       chen Probleme wie in den Städten
     einen Hut bekommen.                        nen nicht mehr leisten, sind auf Hilfen   gibt, müssen wir das Thema Wohnen
     Preise für Wohnungen und Bauland           angewiesen und das, obwohl sie eine       ganzheitlich betrachten. Ich spreche
     steigen seit Jahren stetig an, wie sehen   Vollzeitbeschäftigung haben…              zum Beispiel von der Straßen- und
     Sie diese Entwicklung? Wird Wohn-          Es gibt nur ein Mittel gegen Woh-         Schieneninfrastruktur und natürlich
     eigentum bald nur noch etwas für die       nungsmangel: Bauen. Wir als Frei-         auch vom ÖPNV. Wir müssen hier
     Privilegierten der Gesellschaft sein?      staat unterstützen natürlich auch         die richtigen Rahmenbedingungen
     Wohneigentum in Städten wie Mün-           entsprechend. Zum Beispiel über die       und Anreize setzen, dann werden
     chen zu schaffen, ist tatsächlich selbst   Wohnraumförderung. Das waren im           auch die Vorteile überwiegen.
     für sehr gut verdienende Menschen          vergangenen Jahr 848,6 Millionen          Es wird viel gesprochen über Flächen-
     fast unmöglich geworden. Hier gibt         Euro, die wir da zur Verfügung hatten.    versiegelung, darüber, dass das Einfa-
     es auf dem Land mehr Möglichkeiten.        2020 haben wir bayernweit mit ähn-        milienhaus nicht das Wohnmodell der
     Corona bringt da nun noch mal eine         lichen Mitteln mehr als 9.500 Woh-        Zukunft sein sollte, und über ressour-
     völlig neue Dynamik rein. Früher           nungen gefördert. Und wir bauen           censchonendes Bauen. Wie sieht für
     war man es in der Stadt oft einfach        auch selbst! Mit der Stadibau, mit der    Sie nachhaltiges Bauen und Wohnen
     gewohnt, in einer kleineren Woh-           BayernHeim und mit der Siedlungs-         zukünftig aus?
     nung ohne Garten und ohne Balkon           werk Nürnberg. Weil wir eben auch         Das Thema Nachhaltigkeit ist zent-
     zu leben. Abends ist man vielleicht        der Auffassung sind, dass wir unsere      ral für uns. Mit den Modellvorhaben
     eh noch zum Essen oder zum Sport           Kommunen nicht allein Wohnraum            des Experimentellen Wohnungsbaus

12   Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
haben wir in meinem Ministerium          in seiner Regierungserklärung zum Grünflächen zu Straßenbiotopen für
                                              schon vor vielen Jahrzehnten einen       Klimaschutz viele Bereiche ange- Bienen, Schmetterlinge und Co.
                                              eigenen Impulsgeber ins Leben ge-        sprochen, in denen wir noch besser Während der Corona-Pandemie ha-
                                              rufen. Er liefert uns seitdem Innova-    werden wollen: Fassadenbegrünung, ben viele Menschen ins Homeoffice
                                              tionen und Blaupausen für zukünf-        Photovoltaik auf Dächern oder auch      gewechselt, nicht alle werden (wieder
                                              tiges und bezahlbares Wohnen für         urban gardening. Wir sind hier an vie- vollständig) in die Büros zurückkehren
                                              die Praxis. Und da ist wirklich eine     len Themen dran und wollen auch als – leer stehende Büroflächen auf der
                                              Menge Musik drin. Im neuesten Mo-        Verwaltung mit unseren eigenen Ge- einen, längere Pendlerstrecken (wenn
                                              dellvorhaben „Klimaanpassung im          bäuden Vorbild sein.                    auch nicht täglich) auf der anderen
                                              Wohnungsbau“ geht es zum Beispiel        Neben den „großen Projekten“, was Seite. Wie kann man dem infrastruk-
                                              um den Klimawandel und seine Aus-        kann im Kleinen, in jeder Gemein- turell begegnen?
                                              wirkungen auf das Wohnen und die         de und in jedem privaten Vorgarten, Wenn wir möchten, dass Pendler die
                                              Gesundheit der Bewohnerinnen und         getan werden?                           öffentlichen Verkehrsmittel nutzen,
                                              Bewohner.                                In unserer Broschüre „Artenschutz müssen wir Angebote schaffen. Ein
                                              Es gibt viele Visionen von „grünen       leicht gemacht“ haben wir Tipps Thema ist die Reaktivierung von
                                              Städten“, wie können Artenvielfalt und   und Tricks zusammengefasst, wie Bahnstrecken. Allerdings muss man
                                              Umweltschutz an Straßen, auf Dä-         Artenschutz auch zuhause gelingt. hier ganz genau hinschauen. Es bringt
                                              chern, an Fassaden und in Gärten ge-     Die Broschüre kann auf unserer In- nichts, in leeren Zügen Luft zu bewe-
                                              fördert werden bzw. welche Projekte      ternetseite kostenlos bestellt werden. gen. Wenn nicht eine bestimmte Zahl
                                              gibt es hier schon?                      Wir wollen auch hier Vorbild sein: An von Fahrgästen erreicht wird, sind
                                              Das Ökologie-Thema wird uns natür-       den Staats- und Bundesstraßen im Busse oft die ökologisch sinnvollere
                                              lich immer mehr beschäftigen. Etwa       Freistaat lassen wir an Böschungen Alternative. Und dazu braucht man
                                              30 Prozent der CO2-Emissionen in         und entlang der Straßen, wo es die      wieder den Straßenbau, denn Busse
                                              Deutschland gehen auf Gebäude            Straßenverkehrssicherheit      zulässt, und Sammeltaxis fahren bekanntlich
                                              zurück – im Verkehrssektor sind es       ganz bewusst Blühflächen und Rück- auch auf Straßen. Wir müssen Ange-
                                              etwa 19 Prozent. Wir können hier         zugsräume für Insekten und andere       bote in allen Bereichen schaffen.
                                              also richtig etwas bewegen. Unser        Tiere stehen. Außerdem werden etwa  Mehr unter www.gemeinde-
                                              Ministerpräsident Markus Söder hat       1.000 Hektar besonders wertvolle        creativ.de.

                                                                                                                            Kerstin Schreyer
                                                                                                                            (*1971) ist seit Februar 2020
                                                                                                                            Bayerische Staatsministerin
                                                                                                                            für Wohnen, Bau und Verkehr.
                                                                                                                            Davor war sie Bayerische
                                                                                                                            Sozialministerin (2018 bis 2020)
                                                                                                                            und Integrationsbeauftragte
                                                                                                                            der Bayerischen Staatsregierung
                                                                                                                            (2017 bis 2018). Die studierte
                                                                                                                            Sozialpädagogin gehört dem
                                                                                                                            Landtag seit 2008 an.
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                                                                                                                                    Gemeinde creativ Januar-Februar 2022   13
SCHWERPUNKT

     Gemischte Gefühle
     Von Jörn M. Scheuermann                  ßen, dass die Zahl der betroffenen an sich mit einer exorbitanten Sum-
     Geschäftsführer der Arbeitsgemein-       Menschen in Bayern bis heute auf me subventioniert werden muss, weil
     schaft Wohnungsnotfallhilfe Mün-         ca. 18.000 weiter rasant gestiegen     sich Teile der eigentlichen Marktteil-
     chen und Oberbayern                      ist. Es ist mit dem geflügelten Wort nehmerinnen- und teilnehmer die
                                              der „sozialen Marktwirtschaft“ nur aufgerufenen Preise überhaupt nicht
     Seit der Wiedervereinigung Deutsch-      schwer in Einklang zu bringen, dass    mehr leisten können – einen Markt
     lands verfolgen wir wohnbaupoli-         in strukturstarken Regionen Men- nennen sollte, muss an dieser Stelle
     tisch eine klare Strategie: Der Staat    schen teilweise trotz Vollbeschäfti- eine philosophische Frage bleiben. Es
     hält sich zurück und versucht Vertei-    gung keinen leistbaren Wohnraum wäre jedenfalls hilfreich, sauber ein-
     lungsgerechtigkeit auf dem versor-       finden und so im Einzelfall gar auf zuordnen, dass diese im Bundeshaus-
     gungsrelevanten Feld des Wohnens         einen Platz in einer Einrichtung der halt als Sozialabgaben „getarnten“
     über marktwirtschaftlich organisier-     Wohnungsnotfallhilfe angewiesen Steuermittel eigentlich eine indi-
     te Prozesse zu erzielen. So wurden       sind. „Wohnungslos trotz Voller- rekte Wirtschaftsförderung privater
     beginnend mit den 1990er Jahren          werbstätigkeit“ – in den Metropolre- Wohnbauunternehmen sowie deren
     eine größere Anzahl von ehemals          gionen unserer Republik sind Teile Gewinne darstellen.
     gemeinnützigen       Wohnungsunter-      der sogenannten gesellschaftlichen
     nehmen – insbesondere aus dem            Mitte – Stichwort Niedriglohnsek- EINE LÄNGST
     Besitz des Bundes, der Länder und        tor und unterbezahlte Berufe – mit VERGANGENE ÄRA?
     Kommunen – an deutsche und inter-        einem die Existenz bedrohenden Ar- Nachdem es überspitzt formuliert
     nationale Finanzinvestoren verkauft,     mutsrisiko konfrontiert.               unsere Bundeskanzlerin a.D. Angela
     die heute zu großen börsennotierten          Es ist zu bedauern, dass dieses Merkel also geschafft hat, mit ihrer
     Konzernen mit Orientierung auf ma-       brennende Thema von der bishe- Wirtschafts-, Finanz- und Wohnbau-
     ximale Renditen verschmolzen sind.       rigen Bundesregierung mit dem          politik das 20. Jahrhundert um 16 Jah-
     Die Wohngemeinnützigkeit, also           Wohngipfel 2018 lediglich öffentlich- re zu verlängern, scheint die FDP nun
     die Wohnraumversorgung breiter           keitswirksam genutzt wurde – nen- Willens zu sein, in der neuen Koali-
     Bevölkerungsschichten ohne Rendi-        nenswerte, substanzielle gesetzliche   tion in ihre Fußstapfen zu stolpern
     teerwartung, wurde 1990 in Gänze         Veränderungen für die Schaffung von – die beiden anderen Koalitionäre
     abgeschafft. Das Ergebnis: Von Bun-      günstigem Wohnraum wurden we- bleiben seltsam blass. Es ist neben
     desweit einst ca. 3,3 Millionen Woh-     der in der letzten, noch in den Legis- weiteren namhaften Wirtschafts-
     nungen mit Sozialbindung 1990 exis-      laturen zuvor geschaffen.              wissenschaftlerinnen und -wissen-
     tieren aktuell noch ca. 1,1 Millionen,       Eine kurze Analyse des parteiüber- schaftlern immerhin der ehemalige
     Tendenz weiter fallend.                  greifend und zu jeder Zeit gerühmten Chefökonom der Weltbank und
                                              Instrumentes „Wohngeld“ führt uns Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E.
     WOHNUNGSLOS
                                              zu den politisch verantwortlichen Stieglitz, der überraschend scharf da-
     TROTZ VOLLZEITJOB
                                              Akteuren, die sich in Talkshows stets  vor warnt, die FDP huldige mit ihrem
     In München regeln die rechtlichen        in Sorge über die steigenden Sozi- wirtschaftspolitischen Ansatz bezüg-
     Rahmenbedingungen des Markt-             alausgaben des Bundeshaushaltes        lich Schuldenbremse und Europa
     geschehens, dass die Zahl woh-           zeigen. Dass es aber in der Regel ge- konservativen Klischees einer längst
     nungsloser Menschen, die von der         nau diese Akteure sind, die stets eine vergangenen Ära. Im Ignorieren der
     Landeshauptstadt im Kontext der          Erhöhung dieser sogenannten „Sub- ökonomischen Erkenntnisse der
     ordnungsrechtlichen Unterbringung        jektförderung“ fordern, sich also für vergangenen Jahre sowie der damit
     im Sofortunterbringungssystem ver-       den Ausgleich steigender Mietpreise    verbundenen Verweigerung der Wei-
     sorgt werden müssen, in den vergan-      durch die Erhöhung von Wohngeld, terentwicklung der Schuldenbremse
     genen zehn Jahren von unter 2.500        der Kosten der Unterkunft oder der werden zur Ermöglichung der Finan-
     auf mittlerweile ca. 8.200 Personen      Grundsicherung einsetzen, entfal- zierung überfälliger Investitionen,
     gestiegen ist, darunter mehr als 1.700   tet auf den ersten Blick eine gewisse  unter anderem für eine substanzielle
     Kinder unter 18 Jahren. Die im Jahr      Komik – doch auf den zweiten kann Bautätigkeit des Bundes, der Länder
     2019 veröffentlichten, bereits 2017      man die harte Vertretung von Wirt- und Kommunen, allerlei haushalte-
     erhobenen Zahlen wohnungsloser           schaftsinteressen klar erkennen: Ge- rische Verrenkungen notwendig sein.
     Menschen in Bayern, weisen allein        nau genommen subventionieren alle Der Bundesminister der Finanzen
     für den Zeitraum 2014 bis 2017 einen     Steuerzahlerinnen und Steuerzahler scheint den Versuch zu wagen, die
     Anstieg um annähernd 30 Prozent          einen völlig aus dem Ruder gelaufe- Herausforderungen der Zukunft mit
     aus (von knapp 12.000 auf ca. 15.500     nen Mietwohnungsmarkt mit jähr- den ökonomischen Glaubenssätzen
     Personen). Allein die Steigerungs-       lich 18 Milliarden Euro. Ob man ei- der Vergangenheit bewältigen zu
     rate in München lässt darauf schlie-     nen „Markt“ – der vom Steuerzahler wollen.

14   Gemeinde creativ Januar-Februar 2022
SCHWERPUNKT

So bleibt die Aussicht auf eine Wen-     gemeinheit nutzbar zu machen sind. baut auf Boden und Immobilien auf
de am Mietwohnungsmarkt vorerst          Die Erträge aus Bodenwertsteigerun- – mehr als 50 Prozent der Kredite an
trotz des im Koalitionsvertrag ange-     gen werden nun auch unter der neu- Unternehmen und Haushalte sind
kündigten Bauzieles von 400.000          en Regierung überhaupt nicht oder durch Boden besichert, 80 Prozent
Wohneinheiten/Jahr ziemlich verne-       wenn dann nur in geringem Umfang des Vermögens von Haushalten ist
belt: Ziele bauen keine Wohnungen.       besteuert, sind aber überwiegend Immobilienbesitz.
   Der Deutsche Städtetag begrüßt        nicht auf Leistungen des Grundei-        Hoffnung macht hingegen der von
die angekündigte Novellierung des        gentümers zurückzuführen, sondern Experten schon seit Jahren geforderte
Baugesetzes, die effizientere Ausge-     vielmehr auf Leistungen des Gemein- (Wieder)Einstieg in eine neue Wohn-
staltung von bestimmten Instrumen-       wesens durch die das Umfeld aufge- gemeinnützigkeit, um die Schaffung
ten, die Digitalisierung und Verkür-     wertet wird, beispielsweise durch die von günstigem Wohnraum wieder
zung der Planverfahren, aber auch        Schaffung von Baurecht und Infra- ökonomisch sinn- und reizvoll zu
die Absenkung der Kappungsgrenze         struktur. Eine Reform der Bodenbe- machen. Hier ist grundsätzlich da-
im Kontext legaler Mietsteigerungen      steuerung, die eine gemeinwohlori- von auszugehen, dass dem Einsatz
in angespannten Mietmärkten. Kriti-      entierte Wohnraumpolitik im Blick öffentlicher Fördermittel – egal ob
siert wird hingegen zu Recht deutlich,   hat und zwischen unterschiedlichen durch Steuerverzichte, Steuergut-
dass die wirklich wirksame Stellen-      regionalen Gegebenheiten diffe- schriften oder Zuschüsse und För-
schraube, nämlich die mietpreis-         renziert, hätte bewirken können, derdarlehen – auch ein dementspre-
treibende Spekulation mit Grund          dass leistungslose Steigerungen des   chender dauerhafter und nicht nur
und Boden, nicht justiert wird. Am       Bodenwertes abgeschöpft und für zeitlich eng begrenzter öffentlicher
Beispiel München lässt sich zeigen,      Aufgaben der kommunalen Daseins- Förderzweck gegenüberstehen wird.
dass 1961 acht Prozent der Baukosten     fürsorge genutzt werden können. Es Doch auch eine Bautätigkeit, auch
eines Hauses auf die Grundstücks-        ginge hier nicht um das zum Wohnen wenn sie nicht renditeorientiert ist,
kosten fielen. 1970 waren es bereits     oder Erwerb dienende Boden- und       braucht ein Grundstück. Ob nun das
16 Prozent. Mittlerweile sind es gar     Immobilieneigentum breiter Schich- Vorhaben der Weiterentwicklung der
                                                                                                                           F OTO : K E N I S H I R OT I E / A D O B E S TO C K

80 Prozent der Gesamtkosten.             ten der Bevölkerung, sondern aus- Bundesanstalt für Immobilienaufga-
   Nun steht im Grundgesetz der          schließlich und gezielt um jene Im- ben (BIMA) zu einer Wohnbaugesell-
Bundesrepublik Deutschland nicht         mobilienvermögen, die gewerbsmä- schaft und damit verbunden das Ein-
nur, dass Eigentum verpflichtet, in      ßig betrieben und gehandelt werden    bringen bundeseigener Grundstücke
der Bayerischen Verfassung steht in      und vor allem auf die Erzielung von   punktgenau in den Ballungszentren
Artikel 161 sogar, dass Steigerungen     Maximalrenditen aus Bodenwert- die Abhilfe schafft, welche die explo-
des Bodenwertes, die ohne besonde-       steigerungen angelegt sind. Trivial dierenden Zahlen wohnungsloser
ren Arbeits- oder Kapitalaufwand des     wäre dies allerdings nicht gewesen: Menschen fordern: Es bleibt, dies als
Eigentümers entstehen, für die All-      Das Finanzsystem in unserem Land Gesellschaft kritisch zu beobachten.

                                                                                    Gemeinde creativ Januar-Februar 2022                                                         15
Eines der knappsten Güter
     Der Flächenfraß in Bayern muss aus ökologi-
     schen Gründen dringend gestoppt werden
     Vor genau 20 Jahren richtete Günther Beckstein einen dringen-                   BUND-Vorsitzende Richard Mergner,
     den Appell an die Städte und Gemeinden in Bayern: Angesichts                    ist aktuell eines der größten Umwelt-
     fortschreitender Versiegelung, so der damalige Innenminister,                   probleme im Freistaat.
                                                                                        Anne Weiß stimmt dem, was der
     sollten die Kommunen sehr sparsam mit ihren Flächen umge-                       Vorsitzende des Naturschutzver-
     hen. Zu jener Zeit wurden noch Tag für Tag im Schnitt 28 Hektar                 bands sagt, voll und ganz zu. Die
     an Fläche im Freistaat verbraucht. Im vergangenen Jahr waren                    Geografin ist Flächensparmanagerin
     es „nur“ noch 11,6 Hektar täglich. Insgesamt aber wurden in                     bei der Regierung von Unterfran-
                                                                                     ken. Als solche berät sie Gemeinden,
     den letzten zwei Jahrzehnten riesige Areale versiegelt.
                                                                                     wie sie Boden schützen können. Das
                                                                                     ist nicht immer einfach. Ein großes
     Von Pat Christ                         wiederum verschärft die Gefahr von       Problem besteht darin, dass Bürger
     Freie Journalistin                     Hochwasser.“                             Böden als Spekulationsobjekt erwor-
                                               Unter der Webadresse der Stadt        ben haben. Rein pekuniär betrachtet,
     Die Bodenversiegelung ist ein Prob-    Nürnberg kann ein interessantes
     lem, welches das industrielle ZeitalterKonzept zum behutsamen Umgang
     den Menschen beschert hat. Immer       mit freien Flächen abgerufen wer-
     mehr Flächen wurden zunächst für       den: „Masterplan Freiraum“ nennt
     Bahnlinien und später für Straßen      es sich. „Die Stadt Nürnberg setzt auf
     verbraucht. Boden wurde genutzt,       eine nachhaltige Stadtentwicklung
     um Wohnungen, Gewerbe- und             mit der Vorgabe: Innenentwicklung
     Industriebetriebe zu bauen. Hinzu      vor Außenentwicklung‘“, erklärt
     kommen heute Flächen für erneuer-      dazu Umweltreferentin Britta Walt-
     bare Energien. Etwa für große Pho-     helm. Diese städtebauliche Strategie
     tovoltaikanlagen. Längst weiß man:     bezweckt, den zukünftigen Bedarf an
     Der Flächenfraß kann und darf nicht    Fläche für den Bau von Wohnungen,
     derart ungebremst weitergehen. Die     Arbeitsstätten und Kitas dadurch zu
                                                                                 Anne Weiß ist Flächensparmanagerin in
     Staatsregierung bekräftigte denn       decken, dass man bereits erschlos-   Unterfranken.
     auch in der Bayerischen Nachhaltig-    sene Flächen im Stadtinneren nach-
     keitsstrategie 2017, dass sie den Ver- verdichtet. Flächen auf der „Grünen  ist das clever: Wer sein übriges Geld
     brauch an Fläche langfristig deutlich  Wiese“ sollen in Nürnberg möglichst  vor zehn Jahren in Böden investiert
     reduzieren möchte. Ziel sei eine „Flä- nicht mehr ausgewiesen werden.       hat, ist heute ein „gemachter Mann“.
     chenkreislaufwirtschaft“.                                                   Flächen im Inneren von Städten oder
        Viele Menschen, vor allem die Jün- GROSSES UMWELTPROBLEM                 Dörfern brachliegen zu lassen, wider-
     geren, sind heute sehr besorgt wegen Allein auf den CO2-Fußabdruck zu       spricht allerdings eklatant dem Ge-
     des Klimawandels. Dieses Thema          schauen, reicht nicht. Im Sinne der meinwohl. Denn dann muss neues
     dominiert seit langem den öffentli- Nachhaltigkeit muss der gesamte Land außerhalb verbraucht werden.
     chen Diskurs über Umweltproble- „ökologische Rucksack“, also der Res-          Gemeinden können in dieser Situ-
     me. Die Bodenversiegelung scheint sourcenverbrauch, der Wasserfuß- ation in ein großes Dilemma geraten.
     eher zweitrangig zu sein. Dabei ist abdruck und der Flächenverbrauch, Wie geht man mit Bürgerinnen und
     auch sie ganz und gar nicht „ohne“. betrachtet werden. In Nürnberg Bürgern um, die Flächen blockieren?
     Wird immer mehr Fläche versiegelt, wird eben dies versucht. Hier setzt „Mir sagte einmal ein Bürgermeister,
     verursacht das vielfältige Probleme, man auch keineswegs allein auf dass es nichts nützt, solche Bürger
     warnte das Bundesumweltministeri- Flächensparen durch Nachverdich- einmal anzusprechen, es nützt auch
     um schon vor mehr als zehn Jahren. tung, betont Britta Walthelm: Die        nichts, sie zweimal anzusprechen“,
     Wertvoller fruchtbarer Boden geht Innenstadt soll gleichzeitig grüner schildert Anne Weiß. Immer wieder
     verloren: „Pflanzen und Tiere verlie- werden. Solche Konzepte sind ganz müssten die Eigentümer beackert
     ren ihren Lebensraum.“ Versiegelter im Sinn des Bund für Umwelt- und        und auf den Grundsatz „Eigentum
     Boden vermindert zudem die Versi- Naturschutz in Bayern (BUND). Der verpflichtet!“ hingewiesen werden,
     ckerung von Niederschlägen: „Das        hohe Flächenverbrauch, mahnt der bis sie sich einsichtig zeigen und die

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