Das große Ding: Handwerk 4.0 - Wie Betriebe und Beschäftigte erfolgreich den digitalen Wandel meistern - IG Metall
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Die Gewerkschaft für das Handwerk Arbeit der Zukunft gestalten Das große Ding: Handwerk 4.0 Wie Betriebe und Beschäftigte erfolgreich den digitalen Wandel meistern
Inhalt Inhalt 02 Vorwort 38 Das Interview: 67 Im Gespräch: Besuch beim Heinz-Piest- Handwerk 4.0: Handwerksexperte Wilfried Hartmann Institut für Handwerkstechnik (HPI) Chance und Herausforderung von der IG Metall Bezirksleitung Hannover Das Handwerk bleibt nicht so, wie es ist Repariert das Elektrohandwerk bald 04 Trendsetter: die Autos? 70 Der Praxistipp: Landesverband Metall- Vor Ort im Betrieb – Experten im Interview Handwerk Niedersachsen-Bremen startet Handwerk 4.0 ist eine Chance 42 Im Gespräch mit Service-Angebot Norbert Kaus, Betriebsratsvorsitzender Digitalisierungs-Werkstatt soll Betrieben 14 Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung bei der Firma Dornhöfer in Mainz helfen für Nutzfahrzeuge in Koblenz „Datenmissbrauch hat es bei uns noch „Eigentlich sind wir unschlagbar“ nicht gegeben“ 72 Das Interview: Das Kfz-Handwerk stellt sich neu auf Frank Gerdes, Ausbildungsexperte beim 46 Das Interview: Vorstand der IG Metall in Frankfurt/Main 20 Der Faktencheck: Helmut Dittke, Koordinator Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung Das Auto der Zukunft: Handwerkspolitik/ KMU der IG Metall hilft bei guter Ausbildung Vernetzt, autonom, emissionsfrei, geteilt, Innung 4.0 als Chance für die digital Handwerksorganisation 74 Vor Ort: Digitalisierung im Zahntechnikerhandwerk 23 Im Gespräch: 48 Im Gespräch: Wenn Analogistan und Digitalien Wilhelm Hülsdonk, Vizepräsident Manfred Sedlatschek, zusammenwächst Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeug Betriebsratsvorsitzender bei der Firma gewerbe (ZDK) Elektro Kreutzpointer in Burghausen 82 Pro & Contra Wem gehören die Daten aus dem Auto? Weiterbildung entzaubert digitale Welt Ein Thema – zwei Experten Ist ein Tarifvertrag für das 27 Das Interview: 54 Der Faktencheck: Zahntechnikerhandwerk notwendig? Ralf Kutzner, Geschäftsführendes Für die Gewerke im Baubereich Vorstandsmitglied der IG Metall Was ist BIM? 83 Im Überblick: Grundsatz Datenvermeidung Digitalisierung hilft, gute Arbeit im und Datensparsamkeit gilt unverändert Handwerk umzusetzen 57 Das Interview: Apps für Handwerker Christoph Krause, Leiter des 32 Vor Ort: Kompetenzzentrums West für Digitales 85 Links & Apps Otto Künnecke GmbH, der metall Handwerk der Handwerkskammer Koblenz verarbeitende Handwerksbetrieb in 10-30-60: Das ist hoffentlich nicht die 86 Unterstützende Projekte Holzminden Zukunft des Handwerks Der Hidden Champion aus Südniedersachsen 62 Vor Ort: August Kreienbaum GmbH, Möbel und Einrichtungen in Warendorf Digitalisiert und gut vernetzt, das ist die Chance
Vorwort Handwerk 4.0: Chance und Herausforderung Ü ber die Digitalisierung in der Industrie reden und schreiben viele, über Handwerk 4.0 kaum jemand. ratsvorsitzenden sprachen wir über die Digitalisierung bei Elektro und Heizung- Klima-Sanitär. Ihre übereinstimmende Unsere Spurensuche in den Gewerken Botschaft: Die Gesellen können Smart Kfz, Elektro, Heizung-Klima-Sanitär, Home, wenn sie ausreichend geschult bei den Metallbauern, den Tischlern sind. Aus- und Weiterbildung ist und den Zahntechnikern zeigt: Das überhaupt die wichtigste Stellschraube, große Ding Handwerk 4.0 ist gestartet. um Fachkräftesicherung und Handwerk Betriebe, Beschäftigte und ihre 4.0 erfolgreich zu gestalten. Betriebsräte sind schon jetzt erfolgreich unterwegs, um den digitalen Wandel zu Bei den Tischlereien hat die CNC- meistern. Das ist beeindruckend. Technologie Konstruktionsbüro und Werkstatt gleichermaßen verändert. In Holzminden gab es ein Zusammen- Immer häufiger sind sie die Sieger treffen mit einem Hidden Champion bei Ausschreibungen, an denen auch aus dem Handwerk, der mit seinen Industrieunternehmen teilnehmen. Maschinen am Weltmarkt erfolgreich ist. In Koblenz vermittelte eine Kfz-Werk- Überrascht waren wir, dass mit der statt einen Einblick in die Welt der Digitalisierung auch neue Ideen Telematik, die bei Nutzfahrzeugen wachsen: Handwerksbetriebe eingebaut ist. Eine Studie der Hans- vernetzen sich, streifen falsches Böckler-Stiftung und der IG Metall Konkurrenzdenken ab, basteln an wagt einen Blick in die Zukunft des ihren Geschäftsmodellen, sind kreativ Autos. Wir haben Experten vom und offen für Veränderungen, richten Heinz-Piest-Institut (HPI) und den Digitalisierungs-Werkstätten ein, um Leiter des Kompetenzzentrums Digitales sich gegenseitig zu helfen. Handwerk befragt, wie die Arbeit der Zukunft im Handwerk zu gestalten ist. Natürlich sind unsere Eindrücke Momentaufnahmen aus einigen Wir waren in Bremen, um uns Betrieben. Wir konnten nur die anzuschauen, wie im Dentallabor Meinungen einiger Experten die digitale Zukunft den Beruf des einsammeln. Aber sie geben ein über Technikers verändert. Mit Betriebs- einstimmendes Bild: Es tut sich was. 2
Vorwort Noch nicht überall, aber doch an mehr talisierung und gute Arbeit zusammen Stellen, als viele denken. zubringen. Die Gewinne aus der Digita- lisierung, die müssen wir in gute Arbeit Warum führt die IG Metall die im Handwerk stecken. Wenn wir das Diskussion Handwerk 4.0? schaffen, dann haben wir etwas erreicht. Um diese drei Punkte geht es uns: Zum Schluss bleibt für uns eines ganz Erstens um Informationen, Eindrücke wichtig: Die Digitalisierung ist ohne und Perspektiven. Die verschaffen wir Tarifbindung und Mitbestimmung eine mit dieser Broschüre. reine Rationalisierungsveranstaltung. Unsere Gestaltungskraft einzubringen, Wir wollen zweitens unseren betrieb- haben wir selber in der Hand. lichen und außerbetrieblichen (Hand- werkskammer, Innungen) Interessen vertretern zeigen, wo und wie sie sich Ralf Kutzner einbringen können und ihnen Mut Geschäftsführendes Vorstandsmitglied machen, sich mit Themen der Digitali- der IG Metall sierung zu beschäftigen. Wer da genau hinschaut, der gestaltet mit bei der Zukunft des Betriebs und des Gewerks. Und drittens will die IG Metall sich als kompetenter Gesprächspartner für den öffentlichen Dialog zu Handwerk 4.0 aufstellen. Immer dann, wenn es um die Zukunft der Gewerke aus unserem Organisationsbereich geht, wollen wir dabei sein. In meinem Grundsatz-Interview für diese Broschüre betone ich, dass mir gute Arbeit im Handwerk wichtig ist. Wir haben jetzt die Gelegenheit, Digi- 3
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Handwerk 4.0 ist eine Chance DIGITALISIERUNG Noch hat die Digitalisierung das deutsche Handwerk nicht so richtig gepackt. Allenthalben skeptisches Abwarten. Viele Betriebe wissen wenig über die wirtschaftlichen Chancen, die dieser Technologieschub bringen kann. Oft scheitert der Einsatz, weil es an Informationen und Fachkenntnissen bei den Handwerksmeistern fehlt. Die Beschäftigten sehen Chancen, benennen aber auch die Risiken. B undesweit arbeiten rund fünf Millionen Handwerker in einer Million Betrieben. Die spannende der Recherche stellen wir in dieser Broschüre vor. Frage ist: Was macht die Digitalisie- Wo steht das Handwerk rung mit dem stolzen Handwerk, mit bei der Digitalisierung? den Beschäftigten und Betrieben? Professor. Günther Schuh von der Die Chancen und Risiken der Digitali- Rheinisch-Westfälischen Technischen sierung in der Industrie sind in vielen Hochschule (RTWH) in Aachen, hat Studien beschrieben. Was fehlt, ist im Auftrag der Enquete-Kommis- der Fokus auf die Handwerksbetriebe. sion Handwerk des Landtags in NRW Durch eine gewiefte Lobbyarbeit schafft den Einfluss der Digitalisierung auf es die Industrie, ihre technologischen den Wandel der Arbeitsumfänge, der Herausforderungen zu einem gesell- Arbeitslasten und Geschäftsprozesse in schaftlichen Hype zu stilisieren. Es kleineren und mittleren Unternehmen brauchte einige Zeit, bis die Beteiligten systematisch untersucht. Schuh hat begriffen, Digitalisierung ist genauso eine der wenigen Studien vorgelegt, ein Thema für die Handwerksbetriebe. die es zum Handwerk 4.0 gibt. Es wäre Handwerk 4.0 ist ebenso wichtig wie wichtig, im Wirtschaftszweig Handwerk Industrie 4.0. genauso viel Forschung zu betreiben wie in der Industrie. Deshalb hat die IG Metall sich auf die Suche gemacht, um vor Ort in Betrieben Sein Befund: Die Digitalisierung ist die Trendsetter der Digitalisierung im deutschen Handwerk kaum präsent. zu finden. Gesprächspartner waren Handwerksbetriebe wissen wenig über Betriebsräte, Vizepräsidenten, Gesellen die wirtschaftlichen Chancen, die dieser und Betriebsinhaber. Und wir haben Technologieschub bringen kann. Schuh Experten, Kenner des Handwerks, nach hat errechnet, dass Produktivitäts ihren Prognosen gefragt. Die Ergebnisse steigerungen von bis zu 20 Prozent 4
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview möglich sind. Bei den jetzt anstehenden und der Absatzwege. Prozesse können digitalen Techniken sieht das Aachener beschleunigt und effizienter organisiert Forscherteam vor allem Einsatz werden. Digitale Produktionsverfahren möglichkeiten von Echtzeit-BUS- eröffnen neue Aufgaben und Geschäfts- Systemen, Big Data, M obile-Geräte und felder, neue Arbeitsinhalte, neue Orte Services, Cloud-Dienste, IT-Sicherheit und Zeiten der Arbeit, Beschäftigungs und intelligente Sensorik. Und dann ist chancen und Beschäftigungsrisiken“. da noch ein Punkt, der nachdenklich Wirtschaftsministerium, Handwerk stimmt: Oft scheitert der Einsatz digitaler und Gewerkschaften versprechen, Technik, weil es an Informationen und mögliche Risiken gemeinsam im Blick Fachkenntnissen bei den Handwerks zu behalten und „ihnen bei Bedarf auch meistern fehlt, (vgl. Schaubild: Was ist durch Regelungen entgegenzuwirken.“ das Besondere der Digitalisierung?). Konkret sehen die Vertreter im Die politischen Akteure (Wirtschafts- Branchendialog die Aufgabe, für einen ministerium, Zentralverband des flächendeckenden Breitbandausbau zu Deutschen Handwerks und Gewerk- sorgen, die veränderten Leistungs- und schaften) haben in ihrem Branchen- Qualifikationsanforderungen in der Aus- dialog erkannt, dass im Handwerk und Weiterbildung besser zu berücksich- weitreichende Veränderungen anstehen. tigen, die Beratung auszubauen und die In einer gemeinsamen Erklärung zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie Digitalisierung heißt es dann auch: zu unterstützen. „Wir wollen bewährte „Die tiefgreifenden Veränderungen der Stärken des deutschen Modells der Wertschöpfungsketten und Marktpro- Mitbestimmung, der Tarifautonomie und zesse durch die Digitalisierung erfassen der sozialen Sicherheit in die digitale sämtliche Wirtschaftsbereiche – auch Arbeitswelt überführen. Die Digita- das Handwerk. Es ergeben sich neue lisierung soll auch im Handwerk mit Möglichkeiten der Kundenansprache den Sozialpartnern gestaltet werden“, Was ist das Besondere der Digitalisierung? ✔ Die Verknüpfung von Produkt und Information ✔ Objekte, die untereinander kommunizieren ✔ Hohe Geschwindigkeit der Informationsübertragung ✔ Daten und Dienste, die weltweit zur Verfügung stehen ✔ Unbegrenzte Speichermöglichkeit ✔ Mensch-Maschine-Schnittstelle ist existent ✔ Schnelle Verarbeitung von vielen Informationen 5
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Abstandsangaben; Bitte einhalten (Bsp.: Titelbereich 6,61 – 5,06 / max. 2 Zeilen) ch 6,61 Effizienz und Flexibilität – Vorteile aus Sicht der Handwerker Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Vorteile von digitalen Anwendungen im Handwerk? 5,06 4,25 Optimierte Lagerung und Logistik 91% reich Zeitersparnis 81% Flexible Arbeitsorganisation 78% Gleichbleibende Qualität 75% Körperliche Entlastung 71% Weniger Bedarf an Arbeitskräften 60% Geringere Kosten 55% Höhere Arbeitsplatzattraktivität 48% Geringere Umweltbelastung 40% 0% 20% 40% 60% 80% 100% - 6,00 3 Basis: Alle befragten Handwerksbetriebe (n=504) | Quelle: Bitkom Research - 7,14 12,33 Inhaltsbereich -12,33 heißt es wörtlich in der gemeinsamen beim wirtschaftlichen Nutzen und Erklärung. die mangelnden Fachkenntnisse im IT-Bereich. Das sind die Faktoren, die Diese schönen Versprechen beißen sich offenbar für eine passive Haltung der jetzt aber noch mit den harten Fakten handwerklichen Betriebe sorgen. der Realität. Professor Schuh, Leiter des Werkzeugmaschinenlabors in Aachen, Das Heinz-Piest-Institut (HPI) für kennt die skeptische Haltung vieler Handwerkstechnik in Hannover ist Betriebsinhaber im Handwerk. „Jedoch ebenfalls besorgt, dass „das Thema sollte sich jeder Unternehmer bewusst Digitalisierung insbesondere bei vielen sein, dass durch vehemente Ablehnung Kleinst- und Kleinbetrieben noch jeglicher Modernisierung die Gefahr nicht angekommen ist.“ Oft fehle besteht, langfristig im Wettbewerb nicht es schlicht an konkreten Informa mehr konkurrenzfähig zu sein.“ tionen über die unternehmerischen Entwicklungspotentiale. Viele handwerkliche Betriebsleiter stehen der Digitalisierung negativ Aber der Druck wächst, auch von gegenüber, berichtet Schuh in seiner den Kunden. Sie beherrschen digitale Expertise. Es ist eine Kombination Prozesse und erwarten im direkten aus Furcht vor den finanziellen Kontakt mit dem Handwerksbetrieb Folgen, die weit verbreitete Skepsis entsprechende Kompetenz und 6
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Ausstattung. Fehlende Agilität und allerdings auch nach Auffassung des Schnelligkeit, die auch im hand- ZDH nicht, auch wenn die Gewerke werklichen Umfeld wächst, können „nicht durchgängig in gleicher Wucht“ gefährlich sein. „Handwerksbetriebe betroffen sind. So werde Haareschneiden können langfristig nicht konkurrenz- kein Roboter übernehmen, Online- fähig bleiben, wenn sie sich dieser Buchungen an der Kasse hätten aber Entwicklung gänzlich entziehen“, so dennoch etwas mit Digitalisierung zu die klare Botschaft von Schuh. tun. Grund zur Sorge bestehe jedenfalls nicht: „Wir sehen das eher als Chance Nur eine Minderheit und nicht als Bedrohung.“ ist vorneweg Die Untersuchungsergebnisse sind auch Der Aachener Forscher Schuh beschreibt beim Zentralverband angekommen. in seinem Report nicht nur die Defizite. ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Er hat aus seinem Gutachten sechs Schulte schätzt, dass etwa 20 Prozent der konkrete Ratschläge an die Adresse von Handwerker „sehr nah an den aktuellen Handwerk und Politik herausdestilliert: Entwicklungen dran sind“ – sozusagen als digitale Vorreiter. Wie im Rest der ■■ Förderung, Ausbau von Know-how Wirtschaft fange das breite Mittelfeld sowie Identifikation handwerks gerade damit an, sich intensiv mit spezifischer Anwendungsfälle in den Vernetzung, intelligenter Computer- Bereichen Echtzeit-Bus, Big Data, software und mit der Anpassung ihrer Mobile Devices und Services, Cloud- Geschäftsmodelle zu beschäftigen, fügt er Dienste, IT-Sicherheit und intelligente optimistisch hinzu. Unterstützung dabei Sensorik bietet seit knapp einem Jahr das von ■■ Transformation von Geschäfts- ZDH und Bundeswirtschaftsministerium modellen, basierend auf den ins Leben gerufene Kompetenzzentrum Potenzialtechnologien Digitales Handwerk (KDH). ■■ Stärkung und Erweiterung der Kompetenz zur Digitalisierung und „Wenn Betriebe und Beschäftigte die Vernetzung Möglichkeiten des digitalen Wandels ■■ Schaffung finanzieller Anreize für nutzen, werden keine Jobs wegfallen Digitalisierungsvorhaben durch die oder Berufe verschwinden – aber Tätig- Politik keitsfelder werden sich verändern“, so ■■ Fachspezifische Plattformen schaffen, die Prognose von Schulte. Branchen, wo Handwerksunternehmen umfassend die von der Digitalisierung unberührt informiert und unternehmensspezifisch bleiben, gibt es im Handwerk beraten werden können 7
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview ■■ Feste Verankerung einer fachspe- Studie Befragten geben an, die Digitali- zifischen Schulung von relevanten sierung habe heute einen unmittelbaren IT-Themen in der Berufsausbildung. Einfluss auf ihren Arbeitsplatz. Vom technischen Fortschritt erhoffen sie sich Handwerk 4.0 kann durchaus eine an erster Stelle (35 Prozent) bessere Chance für Unternehmen und Beschäf- Arbeitsergebnisse, gefolgt von einer tigte sein. Es bietet neue Aufgaben, anspruchsvolleren Tätigkeit (30 Prozent). Arbeitsinhalte und fordert andere Quali- fikationen. Mehr Investitionen in die In einer Befragung des Instituts für Aus- und Weiterbildung sind notwendig. Demoskopie Allensbach berichten Vor allem ist aber die Frage zu klären, Beschäftigte, dass viele Abläufe wie die Beschäftigen die Digitalisierung inzwischen schneller sind, die Produk- sehen. Und wie kann das Handwerk tivität steigt, Arbeitszeiten und Mehr- als Arbeitgeber die Möglichkeiten der belastungen den Interessen der Kunden Digitalisierung nutzen, um die dringend und Bedürfnissen der Betriebe folgen, benötigten Fachkräfte zu gewinnen und dass die Arbeit anspruchsvoller ist und zu halten? häufiger Weiterbildungen anstehen (vgl. Grafik: Wie hat sich die Arbeit Das erwarten die Beschäftigten durch die Digitalisierung verändert?). Handwerk 4.0 kann weitreichende Folgen für die Beschäftigten haben – In der zehnten Erhebungswelle zum über ständige Erreichbarkeit bis hin zu DGB-Index Gute Arbeit 2016 kamen prekärer Beschäftigung über Online- die negativen Seiten der Digitalisierung Plattformen. Diese Risiken sehen die auf den Tisch. So berichten Befragte Beschäftigten durchaus, sie erkennen über eine höhere Arbeitsbelastung, eine aber auch für sich neue Chancen. wachsende Arbeitsmenge und mehr Multitasking. Auch die Überwachung Wenn die Beschäftigten und Auszubil- und Kontrolle der Arbeitsleistung hat denden zur Digitalisierung ihre Meinung demnach zugenommen. äußern, ergibt sich ein verhalten-opti- mistisches Bild. Dies geht zumindest Ein weiterer Befund: Bei den digitalen aus einer Studie der Beratungsgesell- Veränderungen ihrer Arbeit werden schaft Ernst &Young hervor. Viele die Beschäftigten nur unzureichend Arbeitnehmer sehen den Vormarsch von beteiligt. Drei Viertel der digitalisiert Algorithmen und Robotern nicht als Arbeitenden haben keinen oder nur Bedrohung, nur 11 Prozent sehen ihren einen geringen Einfluss auf den Digitali- Job gefährdet. 85 Prozent der für die sierungsprozess an ihrem Arbeitsplatz. 8
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Wie hat sich die Arbeit durch die Digitalisierung verändert? 0 10 20 30 40 50 60 Viele Abläufe sind schneller geworden Ich schaffe mehr in der gleichen Zeit Arbeitszeiten bestimmen die Kunden Meine Arbeit ist anspruchsvoller als früher Ich bin häufiger auf Fortbildungen als früher Die Arbeit ist leichter geworden Die Arbeit ist anstrengender geworden Ich muss nach der Arbeitszeit erreichbar sein Ich habe jetzt ganz andere Aufgabenbereiche Die Arbeit ist abwechslungsreicher, interessanter Ich kann die Zeit freier und flexibler einteilen Quelle: Allensbacher Archiv Die Arbeitszeiten sind unregelmäßiger berufstätige Bevölkerung ab Ich fühle mich häufiger überfordert 16 Jahre in Deutschland „ ngebote der beruflichen Bildung A Videos, Chat-Dienste, elektronische mögen noch so modern und Tests und soziale Netzwerke. Von deshalb reizvoll sein. Wenn die allen Schulabgängern sind es vor damit verbundenen Beschäfti- allem Auszubildende mit Hauptschul gungsmöglichkeiten unattraktiv abschluss, die Inhalte selbst gestalten. sind, werden sie die gewünschten Sie fühlen sich durch digitales Lernen Nachfragewirkungen nicht sogar besonders motiviert. „Berufs- entfalten – und umgekehrt. “ Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundes schüler setzen digitale Medien beim Lernen zu Hause wesentlich häufiger instituts für Berufsbildung (BIBB) ein als im Unterricht oder im Betrieb“, heißt es in der Studie „Monitor Digitale Wenig überraschend: Jüngere Bildung“ der Bertelsmann Stiftung. Arbeitnehmer stehen der Digita- Und sie wünschen sich auch von ihrer lisierung positiver gegenüber als Berufsschule einen stärkeren Einsatz ältere, das zeigen die Ergebnisse von digitaler Medien. Ernst & Young. Während zwei Drittel der unter Dreißigjährigen finden, dass Die Erwartungen und Hoffnungen ihr Arbeitsplatz durch Digitalisierung der Beschäftigten müssen allerdings attraktiver geworden ist, teilt nur etwas im Einklang stehen, um die Heraus mehr als jeder Dritte über fünfzig diese forderungen der neuen Technik auch zu Einschätzung. bewältigen. Junge Menschen verbinden mit der Der Mensch kann Industrie 4.0 Digitalisierung Hoffnungen. Schon Professorin Sabine Pfeiffer, Lehrstuhl jetzt lernen Auszubildende im privaten inhaberin an der Universität in Stutt- Bereich mit digitaler Technik. Zum gart-Hohenheim, plädiert dafür, einen Einsatz kommen vor allem Wikis, Blick auf die vorhandenen menschlichen 9
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Kompetenzen zu werfen: „71 Prozent „Beide Ausbildungswege münden der Erwerbstätigen in Deutschland also in Tätigkeiten, in denen im hohen besitzen lebendiges Arbeitsvermögen im Maße die Fähigkeit zum Umgang mit Umgang mit Komplexität und Unwäg- Komplexität heute schon verlangt wird.“ barkeiten. Sie bewältigen vielfachen Wandel und bringen das dafür nötige Pfeiffer ist ausgesprochen optimistisch, Erfahrungswissen in ihre Tätigkeit ein.“ dass beim Faktor Mensch ausreichend Potenzial schon jetzt vorhanden ist. Um die vorhandenen Kompetenzen zu „Wenn bereits heute 71 Prozent der ermitteln, hat die Wissenschaftlerin den Erwerbstätigen in Deutschland in Arbeitsvermögen-Index entwickelt. In hohem Maße befähigt sind, häufig mit den Berufen, die für die Umsetzung Komplexität und Wandel umzugehen, der Szenarien von Arbeit 4.0 in erster ist auf dieser Seite das Potenzial für Linie gefordert sind, finden sich größere Veränderungen also längst da.“ vergleichsweise hohe Werte. Dabei Wer den erfahrungsbasierten Umgang mischen sich Berufe akademischer mit Komplexität beherrscht und dies im Ausbildung und solche mit beruflicher alltäglichen Arbeitshandeln beweisen Aus- und Weiterbildung im Ranking. kann, der werde die für Handwerk Arbeit wird digitaler Beschäftigte arbeiten mit … digitalen Mitteln insgesamt 82+18 82 % elektronischen Kommunikationsmitteln 68+32 68 % IT-Geräten (wie Scanner oder Datenbrillen) 53+47 53 % Quelle: DGB-Index Gute Arbeit 2016 softwaregesteuerter Produktionsplanung 50+50 50 % Projektkooperation im Internet 33+67 33 % computergesteuerten Maschinen oder Robotern 23+77 23 % 10
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Welche Handlungsfelder ergeben sich aus der Digitalisierung für die betriebliche Interessenvertretung im Handwerk? Arbeitsbedingungen und Gesundheit: Soziale Sicherung und tariflicher Schutz von Arbeits effektiver Arbeits- und Gesundheitsschutz, Vermeidung verhältnissen: körperlicher und psychischer Belastungen Entgelt, Arbeitszeit, Gesundheitsschutz, Alterssicherung Bildung und Qualifikation: Sicherung und Ausbau von Arbeitsplätzen: Förderung der Aus- und Weiterbildung als Schlüssel, proaktive Mitgestaltung von Handwerk 4.0; Standort um das Potenzial für eine humane Digitalisierung zu sicherung durch den Einsatz digitaler Technologien erschließen bzw. aufzubauen Datenschutz: Work-Life-Balance: Privatsphäre, Leistungs-und Verhaltenskontrolle, kein Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, lebensphasen Datenmissbrauch bei der Leistungs- und Verhaltens- orientierte Arbeitszeitregelungen kontrolle oder bei der Auswertung personenbezogener Daten (Stichwort: „People Analytics“ ), Sicherung der Beteiligungs- und Mitbestimmungsansprüche: Privatsphäre, Transparenz beim Einsatz von Big-Data formelle und informelle Beteiligung, andere Führungskultur 4.0 notwendige formale Weiterquali- Neue Handlungsfelder fizierung und informelle Kompetenz für Betriebsräte entwicklung ohne Probleme schaffen. Betriebsräte, Vizepräsidenten der Es komme darauf an, die Wege der Arbeitnehmer, Vorstandsmitglieder, entsprechenden beruflichen Weiter- Mitglieder der Selbstverwaltung bildung für den Einzelnen gangbar zu im Handwerk – sie alle können mit machen. Handwerk 4.0 umgehen, das hat unsere „ Recherche vor Ort in fünf Gewerken ir müssen Geld einsetzen, um W gezeigt. Der rechtliche Rahmen gibt Lehrlinge digital weiterzubilden. einiges her; wichtiger ist aber, eine Heute muss der Lehrling digital eigene Strategie für den Umgang mit weiter sein als der Meister. Ein der Digitalisierung zu entwickeln. bisschen Informatik reicht nicht mehr. Wir müssen neue Berufe In jedem Fall ist es wichtig, dass es der kreieren. “ Johanna Wanka, Interessenvertretung und der IG Metall gelingt, sich als zentrale Akteure für Bundesbildungsministerin Handwerk 4.0 aufzustellen. Dazu bedarf es eigener Ideen, Konzepte, persön- Spätestens an dieser Stelle kommen licher Kompetenzen und natürlich Betriebsräte, die überbetrieblichen Verhandlungsmacht. Kommen diese vier Bildungsstätten und die Sozialpartner Faktoren zusammen, lassen sich Ziele ins Spiel. durchsetzen. 11
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Der Praxistipp Zehn Handlungsschritte der betrieblichen handwerklichen Interessenvertretung 1. Qualifizierung der handwerklichen Interessenvertreter zum Thema Digitalisierung vorantreiben 2. Handlungsfelder erkennen: Technologie und Arbeitsorganisation, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Aus- und Weiterbildung, Datenschutz und -sicherheit 3. Strukturanalyse erarbeiten: Wo stehen wir und was muss sich ändern? Eine IT-Folgenabschätzung kann helfen, ebenso externe Beratung 4. Klären: Ist ein eigener Schwerpunkt Handwerk 4.0 sinnvoll? 5. Aufgabe: Betriebsräte über die IG Metall Fachausschüsse oder Handwerksausschüsse vernetzen 6. Beispiele aus der Praxis auswerten 7. Betrieblicher Arbeitsplan (Ziele, Maßnahmen, Zeitraum) erarbeiten und umsetzen 8. Verabredungen mit dem Arbeitgeber treffen (evtl. Betriebsvereinbarungen) 9. Jährliches Controlling, Handlungsschritte überprüfen und nachjustieren 10. Organisationskraft stärken: Mehr Mitglieder für die IG Metall werben durch kompetenten Auftritt Warum müssen sich handwerkliche Für die Interessenvertreter im Handwerk Interessenvertreter um die Kompetenz verschieben sich mit der Digitalisierung entwicklung und Qualifizierung die Handlungsfelder, wie die Übersicht bei Einführung von Handwerk 4.0 auf Seite 44 zeigt. kümmern? Ganz einfach: Aus- und Weiterbildung sind für die Beschäftigten Bedeutsam ist, die Felder im eine Schlüsselfrage. Zusammenhang zu sehen. Insoweit vernetzt die Digitalisierung auch die Gute Bildung ist Voraussetzung für den Betriebsräte in einer neuen Form. Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und für gute Arbeit. Fehlende oder unzu Die Digitalisierung bringt für die reichende Qualifikationen, weil Beschäf- Beschäftigten Chancen, aber auch tigte beispielsweise über Jahre hinweg Risiken. Den Chancen auf Entlastung keine Möglichkeit zur Weiterbildung von harter Arbeit stehen Risiken hatten, sind ein Hemmschuh bei der des Jobverlustes, einer Dequalifi- persönlichen Entwicklung. zierung und der Entgrenzung von 12
Trendsetter: Recherchen in Betrieben – Experten im Interview Der Praxistipp Das können die überbetrieblichen handwerklichen Interessenvertreter tun 1. Qualifizierung der handwerklichen Interessenvertreter zum Thema Digitalisierung vorantreiben 2. „Gute Arbeit“ und Arbeitnehmerthemen in der Digitalisierungsdebatte mitdenken 3. Regionale Branchendialoge im Handwerk unter Einbeziehung der Gewerkschaften initiieren 4. Angebote zur Beratung des betrieblichen Ausbildungspersonals der Kammern entwickeln 5. Digitalisierung in den Kursen überbetrieblicher Bildungsstätten verankern 6. Für Weiterbildungsangebote zur Umsetzung von Handwerk 4.0 sorgen 7. Technologietransfer nicht nur für Betriebsinhaber, sondern auch für Arbeitnehmer sicherstellen 8. Personalentwicklungsstrategien entwickeln und fest im betrieblichen Alltag verankern 9. Leistungsfähigkeit der Bildungsstätten zur Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen überprüfen 10. Kontinuierliche Qualifizierung und Anpassung des Bildungspersonals an die technische Entwicklung sicherstellen Arbeit gegenüber. Damit die Chancen mit starker Sozialpartnerschaft und genutzt und die Risiken minimiert eine Verbesserung der betrieblichen werden, braucht das Handwerk 4.0 Mitbestimmung. Die meisten dieser einen besseren Ordnungsrahmen, Punkte sind gerade im Handwerk der von der Politik, den Tarifparteien ausbaufähig. und den betrieblichen Akteuren zu setzen ist. Wenn die Digitalisierung das Handwerk, wie prognostiziert, mächtig durchein- Der Rahmen muss ander rüttelt, dann will die IG Metall sich ändern dafür sorgen, dass am Ende des Tages Handwerk 4.0 erfordert beispiels mehr Rechte und Perspektiven für weise veränderte rechtliche Rahmen- die Beschäftigten im Handwerk 4.0 setzungen im Arbeits- und Gesund- stehen. ■ heitsschutz, beim Datenschutz, in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, eine Stärkung der Tarifautonomie 13
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz „Eigentlich sind wir unschlagbar“ Das Kfz-Handwerk stellt sich neu auf KFZ-HANDWERK Erst lernten sie Schlosser, dann Mechaniker, jetzt Mechatroniker und bald Kfz-Informatiker? Ja, so könnte es weitergehen mit dem Kernberuf des Kfz-Handwerks. Die Namen stehen für den technologischen Wandel, den die Fahrzeuge durchlaufen haben. Die Auszubildenden, die in der Mercedes-Benz Niederlassung in Koblenz lernen, sehen in der immer neuen Technik keine Bedrohung, sondern eine Chance. Deshalb spielt in ihrer Ausbildung die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Der Betriebsrat diskutiert neue Werkstattkonzepte, weil nicht nur Azubis dazulernen müssen. Er will alle mitnehmen in die neue Welt von Handwerk 4.0, junge und ältere Monteure. Eine Heraus forderung. Wie schaffen die Akteure in Koblenz das? K fz-Handwerk ohne Digitalisierung? Undenkbar. In der Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge, in auf Wartungs- und Reparaturbedarf. Dadurch reduzieren sich Pannen und Ausfälle, ein Vorteil für die Spediteure. der Koblenzer Friedrich-Mohr-Straße, Natürlich erfasst die Software auch den verändert sich gerade für die 206 aktuellen Standort des Fahrzeugs. Für Beschäftigten der Arbeitsalltag. Alle die einen bedeutet das Transparenz, müssen dazulernen, sich auf digitali- andere nennen das lückenlose Kontrolle. sierte Tools einstellen, Arbeitsabläufe ummodeln. FleetBoard ist so ein Ding, Spediteur und Werkstatt haben das Änderungen bringt. FleetBoard, das jederzeit Einblick in die Wartungs- und ist der Telematik unterstützte Internet- Verschleißdaten des Fahrzeugs. Gibt dienst für Lkw-Flotten. Gerade hat die es Reparaturbedarf, kann die Werkstatt hundertprozentige Daimler Tochter ihr aktiv auf den Kunden zugehen. Das digitales Serviceangebot um Uptime verkürzt die Standzeiten, der Annahme erweitert. vorgang ist entzerrt und Ersatzteile liegen parat, wenn der Lkw auf den Hof Was kann das digitale System? fährt. Die Monteure in Koblenz wissen FleetBoard erfasst im Life-Format alle inzwischen mit der kleinen Wunderbox wichtigen Daten bei 365.000 Trucks. („Connectivity Plattform“), die in der Die vollautomatische Telediagnose Fahrerkabine oberhalb der Frontscheibe kontrolliert fortlaufend den Status sitzt, umzugehen. Ihr Vorteil: Sie der Fahrzeugsysteme und reagiert haben eine passgenaue Weiterbildung rechtzeitig auf kritische Zustände und absolviert. 14
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Autonomes Fahren: Roadmap für Nutzfahrzeuge Fortgeschrittene teil-autonome Fahrzeuge grösstenteils Fahrassistenzsysteme autonome fahrzeuge 2000 heute 2022 2025 2030+ Markenübergreifendes Platooning Vollständig Temporärer autonome Baustellen-Assistent Platooning Autopilot Stadt-Lkw Vollständig Automatischer Stau-Assistent autonome Automatischer Rückfahr- Langstrecken-Lkw und Manövrier-Assistent Spurhalte-Assistent Adaptive Geschwindigkeitsregelung Notbremssystem Warnsystem beim Spurverlassen Navigation Quelle: Oliver Wyman-Analyse „Für eine Logistik sind Echtzeit-Daten Im Geleit lässt sich der Kraftstoff- entscheidend – und unsere Lkw können verbrauch um sieben Prozent und diese Daten liefern“, sagte Wolfgang die benötigte Fahrbahnfläche auf Bernhard, im Vorstand bei Daimler Autobahnen um knapp die Hälfte zuständig für Daimler Trucks & reduzieren – bei gleichzeitig mehr Buses. Laut Bernhard soll FleetBoard Sicherheit auf der Straße. Aufbauend dabei helfen, bislang noch ungenutzte auf dem Daimler Trucks-System Potenziale im Straßengüterverkehr zu „Highway Pilot“ für autonomes heben. Deshalb investiert der Konzern Fahren von schweren Lkws verbinden bis zum Jahr 2020 rund eine halbe sich drei Fahrzeuge zu einem aero- Milliarde Euro, um die Lkws mit ihrer dynamischen Verbund. Das weiter Umwelt digital zu vernetzen. entwickelte System nennt Daimler Trucks „Highway Pilot Connect“ Autonom fahrende Lkws (vgl. Schaubild). Noch ist dieses neue fahren im Platoon Feature im Lkw in der Koblenzer Im nächsten Schritt geht es um Werkstatt nicht angekommen, weder autonomes Fahren: Eine erste digitale zur Wartung noch zur Reparatur. Aber Variante präsentierte Daimler auf das ist nur eine Frage der Zeit, bis der Autobahn A52 bei Düsseldorf. auch so ausgestattete Fahrzeuge in die Drei über WLAN vernetzte, autonom Werkstatt fahren. Und dann heißt es für fahrende Lkws hatten als Verbund die Monteure: Erneut gut vorbereitet („Platoon“) mit Straßenzulassung sein durch Weiterbildung. im öffentlichen Verkehr Premiere. 15
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Zur Person J oachim Noll hat seine berufliche Karriere im Daimler-Konzern vor 35 Jahren gestartet. Er machte eine Ausbildung als Kfz-Schlosser in der Niederlassung Koblenz. Nach der Meister- prüfung übernahm er 2002 die technische Berufsausbildung. Sein ehrenamtliches Engagement im Handwerk startete Noll im Technik ist verbaut. „Je nach Auto Jahre 1999 als Mitglied der Vollversammlung. Diese Arbeit führte haben wir bis zu 100 Steuergeräte, 2012 dazu, dass er zum Vizepräsident der Handwerkskammer die alle relevanten Motor,- Antriebs- „Die Azubis kommen und aufstieg. Noll ist als Bildungsexperte Mitglied im Berufsbildungs sowie Informationsparameter erfassen sagen, ich ausschuss der Kammer und beim Deutschen Handwerkskam- und verarbeiten, damit Lkw und Pkw brauche mal mertag (DHKT) in Berlin. 1998 kam Joachim Noll auch in den demnächst alleine fahren. Das Auto ist die CBT zum Betriebsrat. In der Freizeit schraubt Noll immer noch gerne und inzwischen ein fahrender Computer“, Getriebe- oder Achsvermessung.“ zwar an seinem Kfz-Oldtimer und an seiner Harley-Davidson. berichtet Azubi Johannes Schäfer, der sich gerade auf seine Abschlussprüfung als Kfz-Mechatroniker vorbereitet. Auszubildende lernen Handwerk 4.0 Damit die Azubis sich besser auf die Oliver Lobb, Auszubildender im digitalen Techniken vorbereiten können, vierten Jahr zum Kfz-Mechatroniker, gibt es Veränderungen in der Lehrwerk- weiß um die rasante Entwicklung in statt bei Ausbilder Joachim Noll. Der ist seinem Gewerk. Zusammen mit zwei so ein richtiger Mercedes-Benz-Mann: Azubi-Kollegen liest er gerade in der Seine berufliche Karriere startete er Ausbildungswerkstatt die Fehler aus vor 35 Jahren. Damals machte er seine dem Motor-Steuergerät bei einem Ausbildung als Kfz-Schlosser in der Sprinter. Diagnose-Verfahren sind Niederlassung Koblenz. Nach seiner eigentlich ein alter Hut, aber sie Meisterprüfung übernahm er 2002 die entwickeln sich kontinuierlich weiter. technische Berufsausbildung. Seit 2012 Lobb berichtet: „Früher waren wir ist er im Ehrenamt Vizepräsident der Schlosser, dann Mechaniker und jetzt Handwerkskammer. Außerdem gehört Mechatroniker. Die Elektronik ist er dem neunköpfigen Betriebsrat an. bei jedem Schritt immer wichtiger Noll erinnert sich: „Vor 15 Jahren hatte geworden. Jetzt kommt die Vernetzung ich eine EMail-Adresse, das war es aber hinzu“. Jan Hutgens, ebenfalls Azubi auch schon.“ zum Kfz-Mechatroniker im vierten Jahr, ergänzt: „Wir haben in der Werkstatt Inzwischen läuft der Bewerbungs einen Prüfstand, um die Infrarot- prozess um die Azubi-Stellen komplett Sensorik zu messen. Und es gibt schon digital. Die letzte Hürde ist ein Test Fahrzeuge, die teilautonom mit Spur- in der Werkstatt, der mit einem iPad halter-Assistenten fahren. Die ersten oder Notebook zu erledigen ist. Der Fahrzeuge mit einer 360-Grad-Kamera Wissenscheck unterscheidet nach der kommen in die Werkstatt.“ Je neuer schulischen Vorbildung der Bewerber. das Fahrzeug ist, umso mehr digitale „Ein 15-jähriger Hauptschüler 16
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Mein Vorschlag Was kann die IG Metall tun, um Handwerk 4.0 zu gestalten? bekommt andere Matheaufgaben als nutzt Noll. „Die Azubis kommen und „ itarbeiter und Betriebsräte M brauchen die Unterstützung der 19-jährige Abiturient“, erläutert der sagen, ich brauche mal die CBT zum ihrer Organisation, weil die Heraus- Ausbilder. „Das schafft mehr Chancen Getriebe- oder Achsvermessung.“ forderungen der Digitalisierung gleichheit bei der Einstellung.“ Gelernt wird in der Werkstatt, aber auch gewaltig sind. Es ändern sich ja zu Hause, die Grenzen sind fließend. nicht nur Arbeitsprozesse sondern ebenso auch die Arbeitswelt. Mit seinen 21 Kfz-Mechatroniker- „Gerade kurz vor der Prüfung nehmen Bei der Vielzahl der Gewerke Azubis arbeitet er direkt an den sich viele eine CBT mit nach Hause“, und der Betriebsgrößen verbieten Fahrzeugen, Diagnosegeräte sind erläutert Noll. Mit der Carl-Benz- sich Pauschallösungen. allgegenwärtig. Ohne dieses Aggregat Berufsschule kooperiert die Nieder- Wichtig ist zu wissen, was die Technik mit den Menschen macht – zur Fehlerauslese ist die Fehlerdiagnose lassung. Jetzt will die Schule einen da brauchen wir Unterstützung. deutlich zeitaufwändiger. Natürlich Plug-in-Hybrid von Daimler für ihre Und wir brauchen mehr Informa- müssen die Azubis nicht nur die Technik Werkstatt haben. „Mal schauen, ob wir tionen über die Veränderungen, beherrschen, sondern auch verstehen, da helfen können.“ die sich für das Handwerk ergeben. Angst haben die Beschäftigten was passiert, die Zusammenhänge und nicht. Veränderungen gab es Funktionen begreifen. Dabei setzt Ausbilder Noll keineswegs ja schon immer. Das sollte ausschließlich auf digitale Technik. uns Mut machen, die Digitali- sierung als Betriebsräte und “ Multimediale Er sieht durchaus Vorteile, wenn seine Gewerkschaft aktiv zu gestalten. Lernprogramme helfen Azubis auch mit dem Schaltplan Wichtigstes Lern-Hilfsmittel für auf Papier klar kommen. „Bei einer Fabienne Dorscheimer, Ausbilder Noll sind die konzernweit komplexen praktischen Projektaufgabe Betriebsratsvorsitzende der Mercedes-Benz Vertrieb Nieder- entwickelten und genutzten Computer- in der Prüfung muss der Azubi einen lassung Nutzfahrzeuge GmbH Based Trainings (CBT). Das sind Schaltplan lesen, dann ist er mit der in Koblenz. computerunterstützte multimediale Papierfassung besser unterwegs als Lernprogramme, die die Daimler digital.“ Digitale Messtechnik lässt sich Tochter Global Training (https:// auch direkt am Fahrzeug nicht immer mobile.gt.mercedes-benz.com/home/) optimal einsetzen. „Mit dem Multimeter erstellt. Für Gruppen- oder Einzel- in der Grube unter dem Lkw zu arbeiten training sind sie per Laptop oder ist letztlich einfacher. Damit ist der iPad verfügbar. Besonders gelungene Monteur flexibler als mit dem iPad oder CBT’s, findet der Ausbilder, sind die Laptop.“ Natürlich sei es möglich, die Lerneinheiten zum Verbrennungs- Messtechnik auf den Computer aufzu- motor in der Grundbildung, das Modul spielen. „Geht zwar, macht auch was Elektrik/Elektronik oder das CBT zum her, aber viele Dinge gehen altbacken CAN-Bus (Controller Area Network). einfach besser.“ CAN entstand, um die Kabelbäume in Fahrzeugen zu reduzieren und dadurch Gewicht zu sparen. 100 CBT-Einheiten 17
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Zur Person Fabienne Dorscheimer hat 2008 den Beruf Kfz-Mechatronikerin (Schwerpunkt Pkw) erlernt. Ihre erste Arbeitsstelle fand sie im Ersatzteillager mit unterschiedlichen Stationen. Seit dem Sommer 2016 ist sie freigestellte Betriebsratsvorsitzende für die Niederlassung Koblenz mit 206 Beschäftigten. „Eine Aufteilung nach dem Motto, die Jungen kümmern sich um die neuen Technologien und für die Erfahrenen gibt es genug alte Autos, wäre fatal“. Betriebsratsvorsitzende Konzepte, die auf eine Spaltung der ist Kfz-Mechatronikerin Monteure hinauslaufen, haben in Fabienne Dorscheimer hat Kfz-Mecha- Koblenz keine Chance. Jeder muss tronikerin bei Ausbildungsmeister sich mit der zunehmenden Digitalisie- Noll gelernt. Seit Sommer 2016 ist rung in den Fahrzeugen beschäftigen. sie die Betriebsratsvorsitzende der „Eine Aufteilung nach dem Motto, die Niederlassung Koblenz. 76 Prozent Jungen kümmern sich um die neuen der Beschäftigten sind Mitglieder in Technologien und für die Erfahrenen der IG Metall (bei den Azubis sind gibt es genug alte Autos, wäre fatal“, es 100 Prozent). Gerade jetzt ist erläutert Dorscheimer. Für Bildungs- die Verankerung in der Belegschaft fachmann Noll ist klar, dass sich auch wichtig, weil ein neues Werkstatt- die 55-Jährigen mit der Digitalisierung konzept mit der Geschäftsleitung zu beschäftigen müssen. Natürlich ist verhandeln ist. „Bei der Teambildung, dafür Weiterbildung notwendig. „Und welche Fachgruppen legen wir genau die gilt es in Tarifverhandlungen zusammen, da müssen wir die Abläufe abzusichern“, so seine Forderung an berücksichtigen, die sich aus der die Adresse der IG Metall. Digitalisierung ergeben“, erläutert die Betriebsratsvorsitzende. 18
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Datenkontrolle ist ein weiterer langwierig, die Neuerungen kommen wichtiger Punkt. Dazu gibt es eine tröpfchenweise. „Selbst wenn ich die Betriebsvereinbarung im Konzern, Digitalisierung auf dem Schirm habe die in Koblenz umzusetzen ist. „Bei und ich mich damit beschäftige, sind Fahrzeugen aus dem Fuhrpark muss viele Punkte schwer abzuschätzen.“ Mercedes me connect ausgeschaltet Macht Digitalisierung Angst? Johannes bleiben“. Das Unternehmen muss nicht Schäfer, dem angehenden Kfz-Mecha- wissen, wo der 24-Stunden-Notdienst- troniker, jedenfalls nicht. „Das ist was Mann gerade ist. „Das ist ein Beispiel für Neues, das ist spannend und erweitert Digitalisierung, wo wir als Betriebsräte meinen Arbeitsbereich. Warum sollte ich Nein gesagt haben, das wollen wir nicht. davor Angst haben.“ Wir wollen keine ständige Überwachung der Mitarbeiter“, erklärt Dorscheimer. Zur Zukunft des Kfz-Handwerks gibt es viele Diskussionen. Autonomes Wir können das Fahren, das Elektroauto, andere Thema gestalten Mobilitätskonzepte, Digitalisierung Die Betriebsrätin glaubt, dass sie in oder die sich verändernden Schnitt- der Niederlassung in Koblenz bei der stellen zwischen Hersteller und Digitalisierung gut aufgestellt sind Service-Werkstätten – das sind alles („Eigentlich sind wir unschlagbar“). Punkte, die das bisherige Geschäfts- „Ja definitiv, wir können das Thema modell der Kfz-Werkstätten verändert. gestalten. Das ist auch unsere Pflicht Dennoch ist Noll optimistisch: „In den und Aufgabe, das ist unsere Verant- nächsten fünf bis zehn Jahren stellt die wortung gegenüber den Kollegen.“ Digitalisierung das Kfz-Handwerk nicht Mitunter sei es ein schwieriger Prozess, auf den Kopf.“ ■ 19
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Das Auto der Zukunft: Vernetzt, autonom, emissionsfrei, geteilt, digital VISIONEN Die hier in der Reportage beschriebenen Verände rungen durch die Digitalisierung in der Mercedes-Benz Nutz fahrzeugniederlassung in Koblenz (vgl. Seite 10) sind nur ein Ausschnitt. Einen vollständigeren Überblick gibt Jürgen Dispan in seinem Branchenreport über das Kfz-Handwerk, die er im Auftrag der IG Metall, Ressort Handwerk/KMU und der Hans-Böckler- Stiftung erstellt hat. D en generellen Trend bringt Daimler-Vorstand, Ole Källenius, auf der Consumer Electronics Show Fehler zu vermeiden. Elektrische Autos beherrschen den Markt. Alles, was nicht Bremsen, Gas geben oder Lenken (CES) Anfang 2017 in Las Vegas so ist, wird für Apps von außen geöffnet. auf den Punkt: „Ziel ist es, das Auto Software wird regelmäßig von außen zur Plattform zukünftiger Mobilitäts aktualisiert wie bei Smartphones. Man konzepte und zum digitalen Erlebnis kann Features kostenlos für eine Woche raum zu machen. Das Auto der ausprobieren, etwa hochauflösende Zukunft muss vernetzt, autonom sowie Laserscheinwerfer, die Zebrastreifen emissionsfrei sein und die Möglichkeit vor das Auto auf die Straße zeichnen, für Shared Mobility liefern.“ wenn man einem Fußgänger Vortritt gewähren möchte. Nach der Probewoche Noch weiter geht Christoph Keese in kostet das Feature eine kleine Gebühr seinem Szenario mit dem Zeithorizont im Abonnement. Autos organisieren ihre von 20 Jahren. In seinem Buch Silicon Wartung selbst. Sie ersteigern Reifen- Germany: Wie wir die digitale Trans- wechsel, Wartung und Reinigung auf formation schaffen, beschreibt er die Plattformen, bewegen sich selbsttätig möglichen Entwicklungen der Auto- zu den Werkstätten und kommen fertig mobilbranche, die natürlich auf das wieder zurück. Ihre Abwesenheit stimmen Kfz-Gewerbe Auswirkungen hätten, so: sie automatisch auf den Kalender des Nutzers ab, sodass ihr Fehlen nicht Der größte Teil der Wertschöpfung „ auffällt. Parken geschieht von allein. entsteht nicht mehr durch den Verkauf Jedes Auto führt sein eigenes Pflegeheft der Autos, sondern durch elektro und fährt regelmäßig durch Scanner, nische Leistungen, die innerhalb und um seinen Zustand erfassen zu lassen. außerhalb des Wagens erbracht werden. Der aktuelle Marktpreis wird im Tacho Auf dem Weg zum völlig autonomen Auto angezeigt. Automatische Systeme zur helfen immer neue Assistenzsysteme, Optimierung des Gewinns informieren 20
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Mein Vorschlag Was kann die IG Metall tun, um Handwerk 4.0 zu gestalten? den Eigentümer, ob ein Abstoßen des Maintenance) „ ie IG Metall sollte die D Weiterbildung ganz nach Fahrzeugs jetzt lohnt oder man es doch ■■ Datenbrillen (Augmented Reality) vorne schieben. So, wie wir das noch länger behält.“ zur Unterstützung und Anleitung bei bei der Erstausbildung machen. Reparaturarbeiten, Sie arbeitet bei der Entwicklung Zurück zu den heute schon greifbaren ■■ langfristig: 3D-Druck für Ersatzteile. von Fortbildungsregelungen Veränderungen durch die Digitalisie- aktiv mit, das müssen wir weiter rung. Eine überragende Rolle hat die Die Informationen und weitere ausbauen. Ebenfalls sinnvoll sind Digitalisierung im Handel. Online- Fahrzeug- und Kundendaten sind feste Bildungszeiten. Das könnte Verkaufsplattformen sind schon verknüpft und fließen in die digitale helfen, individuelle Ansprüche zu sichern. Auch bei den Meis- Alltag. Die Automobilhersteller nutzen Direktannahme des Serviceberaters ein. terprüfungen geht es um das das Internet für den Direktvertrieb. Die dabei gesammelten Daten stehen Engagement der IG Metall. Inzwischen gibt es auch erste digitale den Kfz-Mechanikern in der Werkstatt Bei der Qualität der Aus- und Showrooms von den Herstellern. per Knopfdruck zur Verfügung. Weiterbildung dürfen wir keine Und das passiert zu einer Zeit, in der Kompromisse machen. Die beste die Autohäuser ihren digitalen Auftritt Weitere digitale Neuerungen sind Bildung ist für unsere Kollegen gerade gut genug. Bei der vernachlässigen. Nur für 11 Prozent der spätestens ab 2018 zu erwarten, wenn Vernetzung der Bildungsträger Autohäuser ist dies wichtig, berichtet neue Pkw mit dem automatischen kann die IG Metall eine wichtige der Digitalreport TÜV Süd. Notrufsystem „E-Call“ ausgerüstet sein Rolle spielen, vielleicht sogar die müssen (vgl. Beitrag: Wem gehören die Federführung übernehmen, die In der Kfz-Werkstatt schlägt die Digita- Daten aus dem Auto?). Akteure an den Tisch bringen. lisierung mit folgenden Themen auf: Die Digitalisierung schiebt das ■■ Online-Terminvereinbarungen, Eine ADAC-Studie zeigt, dass Bildungsthema in die Pool- Position, dem muss die IG Metall ■■ digitale Dialogannahme durch Mercedes, BMW und Renault bereits beim Einsatz ihrer Ressourcen “ Kfz-Kennzeichenerkennung, heute mit den gesammelten Daten „jede Rechnung tragen. ■■ Online-Diagnose, Menge Rückschlüsse auf den Zustand ■■ On-Board-Diagnose (OBD) des Autos sowie auf das Nutzungs- Joachim Noll, Vize-Präsident der Fahrzeugdiagnosesystem profil des Fahrers ziehen können. Handwerkskammer Koblenz, ■■ Werkstattvernetzung. Ausbilder und Betriebsrat in So kann Renault beim Zoe beliebige der Mercedes-Benz-Vertriebs Informationen auslesen und Ferndia- niederlassung Nutzfahrzeuge Weitere digitale Elemente, die Experten gnosen erstellen. Zahlt der Kunde seine GmbH in Koblenz erwarten, sind: Leasingraten nicht, kann der Hersteller ■■ Ferndiagnose (vgl. Reportage zur das Aufladen der Batterie stoppen. Laut NFZ Niederlassung Koblenz) ADAC-IT-Experten weiß BMW über ■■ Fernwartung (z. B. automatische die Anzahl der eingelegten CDs (320d) Updates, Online Pannenhilfe) und die 100 letzten Abstellpositionen ■■ vorausschauende Wartung auf der des Autos (i3) Bescheid“ (Kfz-Betrieb Basis von Big Data (Predictive 29-30/2016: 46). 21
Vor Ort: Die Mercedes-Benz Niederlassung für Nutzfahrzeuge in Koblenz Strafverfolger und BMW-Mitarbeiter Ausführliche Informationen zur in den USA haben ein gestohlenes Auto Entwicklung der Branche sind hier (550i) orten können. Die Polizei konnte nachzulesen: das vernetzte Auto orten und den Täter darin einsperren. Jürgen Dispan: Kraftfahrzeug-Gewerbe Die nächsten gravierenden Verände- in Deutschland, Entwicklungstrends und rungen stehen schon vor der Tür: Bei Herausforderungen, Branchenreport batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) 2017, Studie im Auftrag der Hans- ergeben sich niedrigere Wartungs- und Böckler-Stiftung ■ Reparaturumfänge sowie ein signifikant niedrigerer Teilebedarf. Und autonomes Fahren ist ebenfalls nicht ohne Folgen für die Werkstätten. Ausbilder, Betriebsrat und Vizepräsident Joachim Noll erklärt einem Azubi eine CBT 22
Im Gespräch: Wilhelm Hülsdonk, Vizepräsident Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe(ZDK) Wem gehören die Daten aus dem Auto? DATENSCHUTZ Moderne Autos sammeln unzählige Daten. Sie sind notwendig, damit beispielsweise Assistenzsysteme funktionieren. Was aber sonst noch mit den Daten passiert, bleibt meist unklar. Wilhelm Hülsdonk, Vizepräsident des Zentral verbands Deutsches Kraftfahrzeug-Gewerbe (ZDK), erklärt, was jetzt schon technisch möglich ist und wie der Verband Datenschutz und Wettbewerb in Einklang bringen will. A utos sind super Datensammler, manche sagen: ein großes Tablet mit vier Rädern. Wie funktioniert das? Aber auch: wann und wie oft legt der Fahrer eine CD ein, welche Musik wird abgespielt und ein Hersteller kann Immer mehr Fahrzeuge senden Infor- sogar aus der Ferne verhindern, dass der mationen und andere Daten. Sammel- Akku auflädt, nämlich dann, wenn die stellen sind die zentralen Server der Leasingrate nicht bezahlt ist. Angebote Automobilhersteller. Über ein GPS- wie Car-Net Guide & Inform Dienste Wilhelm Hülsdonk, Vizepräsident des ZDK: bzw. GSM-Modul, das im Fahrzeug bieten eine dauerhafte Daten-Verbin- „Beim Kauf eines Autos gehen alle Daten an verbaut ist, läuft der Austausch. Egal dung und Information für Unterwegs: den Hersteller. Nur es fragt sich: Wo bleibt der ob Volkswagen, Opel, Mercedes oder Online Verkehrsinformationen, Online- Mittelstand?“ BMW – alle Hersteller wissen immer, Zielimporte, Online-Sonderzielsuche, wann und wo das Auto gerade ist und Nachrichten, Wetterinformationen und ob die Technik im grünen Bereich die Eingabe von persönlichen Interessen ist: Wie geht es dem Auto, wann am Reiseziel („Wo ist die nächste sind die Bremsen zu erneuern, ist der Pizzeria in der Nähe meines Hotels?“). Motor zu heiß? „Beim Kauf eines Autos gehen alle Daten an den Hersteller, nur es fragt Aufenthaltsort und Technikzustand sich: Wo bleibt der Mittelstand?“, reicht den Datensammlern bei weitem beklagt Wilhelm Hülsdonk, Vize- nicht: Wie warm ist der Innenraum, präsident des Zentralverbandes des welchen Fahrstil pflegt der Kunde, ist Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK). der Fahrer angeschnallt, wie funktioniert der Gurtstraffer, wohin geht die Reise? „Zum ersten Mal kommuniziert der Immer wieder gehen Datenpakete an Autobauer direkt mit seinen Kunden“, den Hersteller. Das Fahrverhalten ist erklärt der Kfz-Meister, der ein für Versicherungen interessant und ein Autozentrum in Voerde am Niederrhein rabiates Fahrverhalten kann Ansprüche betreibt. „Und das passiert, ohne dass aus der Gewährleistung beeinflussen. unsere Autohäuser oder die Werkstätten 23
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