Evonik-Magazin - Die Häutung Wachstum ist Evolution. 100 Ideen aus der ganzen Welt
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Evonik-Magazin CHANCEN FRÜHER BEGREIFEN 2|2012 Die Häutung Wachstum ist Evolution. 100 Ideen aus der ganzen Welt
EDITORIAL 3 Touch me. Die Kraft der Ideen Das neue Evonik-Magazin steht für Sie Das Thema Wachstum beschäftigt uns auf allen Ebenen des Konzerns – es ist aber im App Store zum Download bereit auch von allerhöchster gesellschaftlicher Relevanz: europaweit, weltweit Liebe Leserinnen und Leser, Wachstum ist ein großes Wort, ein schillernder Begriff. Mit einem hohen ideologischen Anteil, der die Diskussion polarisiert, ja zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt hat: in Wachstumsgegner und -befürworter. FOTO: BENNO KRAEHAHN In einigen Beiträgen dieses Hefts wird dieser Konflikt spürbar, etwa im Interview mit Dennis Meadows, dem wohl bekanntesten Kritiker, der den prägenden Begriff vom „Ende des Wachstums“ erfunden hat. Dr. Klaus Engel, Vorsitzender Viele Wachstumsgegner bezweifeln, dass sich der weltweit zuneh- des Vorstandes der Evonik Industries AG mende Konsum und die steigende Produktion umweltverträglich gestalten lassen. Dies ist ein heikler Punkt, denn es stellt sich die Frage, wer hier für wen Vorschriften machen möchte. Zum Beispiel wird das Bestreben, den aufsteigenden Mittelschichten in Asien das Autofahren und den Energie- und Flächenverbrauch zu verbieten, in den betroffe- nen Regionen zunehmend als Arroganz des Westens empfunden. Wir dürfen nicht übersehen, dass sich die Wachstumsdiskussion heute nicht mehr auf den engen Zirkel der alten Industrienationen beschränkt, sondern weichenstellend wirken kann für eine Weltbevöl- kerung, die bis 2050 von heute 7 auf dann 9 Milliarden angewachsen sein wird – und die Weltagenda um Themen bereichern wird, die wir heute noch gar nicht kennen. Eines wird sicher nicht funktionieren: die ständige Fortschreibung des heute Erkennbaren in die Zukunft. Sei es auf der negativen Prognose-Seite, wie es Dennis Meadows tut, oder auf der positiven, die dazu neigt, die heute schon entwickelten nachhaltigen Technologien in ihrer Auswirkung zu überschätzen. Am Ende landen wir immer bei Glaubensfragen. Fest steht: Der menschliche Erfindungsreichtum war immer in der Lage, Lösungen Jetzt gratis herunterladen und für drängende Probleme zu finden – und zwar neue Lösungen, mit denen exklusive Extras entdecken! niemand vorher gerechnet hat. Warum sollte sich das in Zukunft ändern? Eine inspirierende Lektüre wünscht Evonik-Magazin 2 | 2012
4 I N H A LT I N H A LT 5 Mindmap zum erpunkt He hw m ftsc W stu ach 6 ab Seite 1 EDITORIAL 42 Wachstum aus dem Nichts Autoren in dieser Ausgabe: 3 Die Kraft der Ideen Kreativität ist der billigste und beste Rohstoff: Sie Das Thema Wachstum beschäftigt uns auf allen Ebenen bringt Unternehmen und Staaten auf die Erfolgsspur Christine Mattauch, des Konzerns – es ist aber auch von höchster New York, berichtet gesellschaftlicher Bedeutung: in Europa und weltweit 47 Luxus zum Abheben über das Comeback In China boomt die Luftfahrtindustrie der US-Autoindustrie mit „grünen“ Modellen INFORMIEREN 48 E-Shopping mit Handkarren 6 Grenzüberschreitend In Indien blüht der Internethandel – aber erst, Klaus Jopp, Drei Minuten mit… Chemiker Dr. Paul Mahaffy, seit er sich den lokalen Gepflogenheiten angepasst hat Hamburg, hat die mobile dem Entwicklungsleiter des Mars-Labors SAM Chemiefabrik besucht Feuilleton: das persönliche Wachstum. Was Kunst 51 Der nächste Einstein… und zeigt, wie flexibel der und Kultur zum Thema Wachstum beitragen …kommt aus Afrika: Neue Hochschulen Evotrainer eingerichtet ist Weltkarte: …und sie wächst doch! Wo Wirtschaft sollen angehende Naturwissenschaftler fördern und Wohlstand am stärksten zulegen Marcus Bensmann, 52 Chemiefabrik auf Weltreise Almaty (Kasachstan), WACHSTUM Mit individuell eingerichteten Minilaboren wird die hat das Wirtschafts- Produktion von Chemikalien kundennah dezentralisiert 10 Wachstum braucht Akzeptanz wunder des Steppen- Diskussion mit Beiträgen von Dr. Klaus Engel, landes analysiert GLOBAL Vorstandsvorsitzender von Evonik Industries (Essen), Dr. Fred Luks, Nachhaltigkeitsmanager der Bank 57 Wo die Welt wächst Stefan Mauer, Austria (Wien), Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué vom Südafrika: Vom Wirtschaftswunderland am Kap Mumbai (Indien), er- Lehrstuhl für Internationale Wirtschaft, Magdeburg, aus versorgt Evonik den Kontinent mit PLEXIGLAS zählt, wie Tradition und Prof. Dr. Niko Paech, Gastprofessor am Lehrstuhl für Moderne den Wachs- China I: Beim Boom der Elektroautos kommen auch Produktion und Umwelt, Oldenburg, Kardinal Reinhard tumskurs bestimmen die Leichtbaumaterialien von Evonik zum Einsatz Marx, Erzbischof von München und Freising China II: Sven Augustin vom Automotive Industry Jakob Vicari, 16 Mindmap und Who’s who Team zur Rolle der Chinesen in der E-Mobilität Hamburg, untersucht Mehr Geld, mehr Wohlstand, mehr Lebensqualität – das Potenzial, das Kreati- Kanada: wie die Evonik-Einheit Corporate Venturing Theorien, Träume und Tatsachen vom Wirtschafts- vität, der billigste Roh- jungen Hightech-Unternehmen hilft wachstum. Das Schaubild zum Heftschwerpunkt stoff der Welt, freisetzt Russland: Effizienzsteigerung in der russischen 22 Rückkehr des Schwarzmalers Fleischerzeugung durch den Einsatz von BIOLYS Christian Tröster, Vor 40 Jahren erschien Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dennis USA: Ausbau der Produktion von BIOLYS in Hamburg, stellt Meadows‘ Weltbestseller „Grenzen des Wachstums“. Nebraska, einem der Hauptanbaugebiete für Mais fünf Produkte vor, die Welche Wirkung hat sein Ansatz heute noch? in fünf Jahren zu Brasilien: Zusammen mit dem US-Futtermittel- Megasellern wurden 28 Comeback in Grün hersteller Cargill baut Evonik eine Anlage für BIOLYS Die US-Autoindustrie ist auf dem Weg Tom Schimmeck, aus der Krise und präsentiert eine breite Palette LEBEN Küsten, versucht die spritsparender Modelle 62 Ein Nilpferd im Zellhaufen Struktur des Wachs- Tom Schimmeck über das Rätsel, wie die Natur tumsprozesses in der 32 Die fetten Jahre Wachstum organisiert Natur zu enträtseln Öl und seltene Bodenschätze haben Kasachstan reich Kabelsalat in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi gemacht – nun geht es darum, die Zukunft zu sichern FINDEN Dr. Brigitte Röthlein, Kaum eine Region der Welt legt so dramatisch zu wie der Subkontinent. Mit Riesenschritten eilt Indien durchs Internet-Zeitalter. München, erklärt, welchen Online-Handel, Software-Entwicklung oder Callcenter-Services für Kunden in aller Welt haben Hochkonjunktur. Doch der 37 Wie Produkte Märkte machen 63 Auf einen Blick Einfluss „Grenzen des Erfolg der glitzernden Hightech-Branchen hängt an brüchigen Kabeln. Die Infrastruktur des Landes ist veraltet und überlastet. Im Som- Kaffeekapsel, LED-Leuchte, E-Bike, App und Der Produktfinder hilft, Produkte von Evonik Industries Wachstums“-Autor mer brachen in Indien drei regionale Stromnetze zusammen, und mehr als 600 Millionen Menschen waren zeitweise ohne Elektrizität E-Geldbörse – wurden zu weltweiten Megasellern im Heft zu lokalisieren Meadows wirklich hatte Diese Ausgabe des IMPRESSUM Herausgeber: Objektleitung: Chefredaktion: Art Direction: Dokumentation: Verlag und Anschrift der Druck: Neef+Stumme Fragen zum Biolys®, PLEXIGLAS®, Evonik Industries AG Stefan Haver Urs Schnabel (V.i.S.d.P.) Wolf Dammann Kerstin Weber/ Redaktion: premium printing, Wittingen Evonik-Magazin: Rent-a-Plant®, ROHACELL® und VESTAMIN® sind geschützte Evonik-Magazins Christian Kullmann Kontor Korrekt Hoffmann und Campe Telefon Rellinghauser Straße 1–11 Beratung und Konzept: Redaktion: Gestaltung: Verlag GmbH, Copyright: © 2012 by +49 40 68879-139 Marken der Evonik Industries AG finden Sie auch online Manfred Bissinger Michael Hopp (Leitung), Teresa Nunes (Leitung), Schlussredaktion: Evonik Industries AG, Essen. oder ihrer Tochterunternehmen. 45128 Essen Christiane Oppermann Anja Giese/Redaktion 4 Wilm Steinhäuser ein Unternehmen der GANSKE VERLAGSGRUPPE Nachdruck nur mit Telefax +49 40 68879-199 Sie sind im Text in Großbuchstaben unter www.evonik.de Genehmigung des Verlages. Chef vom Dienst: Fotoredaktion: Harvestehuder Weg 42 Der Inhalt gibt nicht in E-Mail geschrieben und als iPad-App Stefan M. Glowa Ulrich Thiessen, 20149 Hamburg magazin-vertrieb@hoca.de Beatrice Linnenbrügger E-Mail: cp@hoca.de jedem Fall die Meinung des im App Store Herausgebers wieder TITELMOTIV: ANDREJ BAROV, NASA FOTOS: BLOOMBERG VIA GETTY IMAGES, PRIVAT (8) Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
6 INFORMIEREN INFORMIEREN 7 Chemiker Forschung Evonik in Zahlen Kultur Chemielabor auf dem Mars Persönliches Wachstum Dr. Paul Mahaffy leitete die 48 Millionen € investierte die Entwicklung Evonik Industries AG 2011 in den von SAM Der Mars-Rover Curiosity analysiert Proben vor Ort Umweltschutz. Gegenüber 2004 Wirtschaft auf der Bühne: Verschiedene Künstler in Bayreuth, Zürich und sanken die energiebedingten Treib- Hamburg suchen nach Antworten auf drängende Fragen der Ökonomie Zum dritten Mal landete am 6. August dieses Jahres ein Roboterfahrzeug auf dem hausgasemissionen des Konzerns Planeten Mars: Um 7.32 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit – 1.32 Uhr im um 17 Prozent. NASA Space Flight Center an der US-Ostküste – setzte der Mars-Rover Curiosity heil auf der Oberfläche des Roten Planeten auf. Ziel der mit 2,5 Milliarden US-$ teuersten Mission, die je zum Mars geschickt wurde, ist die Suche nach organi- 24.000 Patente hielt Evonik im Jahr 2011. Darunter waren schen Substanzen. Flüssiges Wasser, Voraussetzung allen Lebens auf der Erde, 300, die im vergangenen Jahr neu kann auf dem Mars nicht existieren. Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts angemeldet wurden. stehen raffinierte chemische Analysen. Mit der Untersuchung von Gesteins- proben will sich die US-Weltraumbehörde NASA ein Bild der marsianischen 350 Millionen € investierte FOTO: DDP IMAGES/DAPD Lebensbedingungen machen. Zu diesem Zweck hat die Curiosity ein hoch Evonik in Brasilien und Russland entwickeltes, mobiles Chemielabor an Bord. Das Gerät „Sample Analysis at Mars in die Herstellung der Futtermittel- Drei Minuten mit... (SAM)“ wurde speziell zu diesem Zweck vom Planetary Environments Laboratory aminosäure L-Lysin. am NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt im US-Bundesstaat Mary- Paul Mahaffy land entwickelt. SAM ist das Herzstück des Rovers und untersucht die Funde des fahrbaren Roboter-Geochemikers mithilfe eines Massenspektrometers, eines 15 neue Arbeitsplätze Im Datennetz gefangene Handlungsreisende: Bei den Bayreuther Festspielen inszenierte Jan Philipp Gloger Der Spaß fängt erst an Gaschromatografen und eines Laserspektrometers. Messungen wie diese geben Wissenschaftlern Aufschluss über die Umwelt- entstanden in Marl durch den Bau einer Großanlage für Richard Wagners Oper „Der Fliegende Holländer“ – mit Geschäftsleuten in der Sinnkrise Die Frage, die Dr. Paul Mahaffy beschäftigt, klingt simpel: „Gibt und Klimabedingungen auch aus der Vergangenheit des Roten Planeten: Polybutadiene. Euro-Krise, Bankenrettung, Alters- Becher als Insignien des modernen Einen Blick in die Vergangenheit es Leben auf dem Mars?“ Der Leiter des Atmospheric Experi- Mit dem Massenspektrometer können Elemente und Verbindungen erkannt und sicherung – immer mehr wirt- Geschäftsmanns. Allerdings ist er wirft hingegen die Ausstellung ments Laboratory am NASA Goddard Space Flight Center ist Ex- getrennt werden. Der Gaschromatograf verdampft Steine und Staub und 34 Prozent der zur Teilhabe schaftliche Großereignisse bestim- der Genüsse überdrüssig, die er mit „Kapital. Kaufleute in Venedig und perte für die Entwicklung raumfahrttauglicher Instrumente. Die untersucht die entstehenden Gase auf ihre Zusammensetzung. Per Laserspek- berechtigten Mitarbeiter erwarben men unseren Alltag. Die Themen seinem Geld kaufen kann. Statt- Amsterdam“, die noch bis 17. Fe- Antwort auf seine Frage liegt in den Steinen. Bisher ist nicht trometer werden in den Gesteinsproben Anteile verschiedener Isotope bestimmt. 2011 Genussrechte im Rahmen finden längst nicht nur im Wirt- dessen sehnt er sich nach Heimat, bruar im Landesmuseum Zürich zu nur offen, ob es auf dem Roten Planeten organische Substanzen Zusätzlich besitzt der sechsrädrige Rover eine chemische Kamera, die des Programms „Mitwachsen“. schaftsteil der Zeitungen statt, son- nach Treue, nach Liebe. sehen ist. Anhand von Schiffs- gibt, sondern auch, ob sein jüngstes Kind, SAM, sie finden kann. Gesteinsoberflächen von Staub befreit und durch den Beschuss mit Laserstrahlen dern werden auch im Feuilleton Die Grenzen des Kapitals und modellen, Handbüchern von Kauf- Das Gerät „Sample Analysis at Mars (SAM)“ begleitet den Mars-Rover Curiosity auf seiner Suche. Und zwar in zentraler analysiert (ChemCam). Das „Chemistry and Mineralogy Instrument“ (CheMin) in Reichweite des Roboterarms bestimmt die gefundenen Mineralien, indem 150.000 Tonnen behandelt. Macht Reichtum zufrie- den? Wie weit lassen sich Ökono- des Wachstums thematisierte auch ein elfstündiges Happening beim leuten oder einem Exemplar der ersten Aktie der Welt aus dem Jahr Methionin soll die für Ende 2014 Funktion: „Wenn wir glauben, dass wir den Stein näher unter- es einen stark gebündelten Röntgenstrahl auf die Fundstücke richtet – das geplante Anlage in Singapur mie und Ökologie aussöhnen? Internationalen Sommerfestival auf 1606 zeigt sie, wie unser Wirt- suchen sollten, produzieren wir ein ,Sample’ – das heißt: Wir reflektierte Licht verrät, welche Mineralien in ihm enthalten sind. Auch hieraus herstellen – die jährliche Kapazität Lässt sich eine Balance zwischen Kampnagel in Hamburg. Unter dem schaften entstand. Die Idee zu der bohren ihn auf, erzeugen ein bisschen Pulver und legen es in können Wissenschaftler auf Entstehungsbedingungen schließen. steigt damit auf 580.000 Tonnen. Arbeits- und Familienleben Motto „Ausgewachsen“ näherten Ausstellung kam dem Kurator Wal- den Ofen von SAM. Während der pulverisierte Stein von Last, but not least hilft das sogenannte Alpha Particle X-Ray Spectrometer finden? Und was hat das alles sich Vorträge, Trink-Performances, ter Keller beim Abendessen mit der Umgebungstemperatur auf 1.000 Grad Celsius erhitzt wird, (APXS) am Roboterarm des Fahrzeugs, die Elemente einer Gesteinsoberfläche zu mit Glück zu tun? Parteigründungen und Rock- Freunden während der Finanzkrise. sondert er einfache oder komplexe Gase ab – und das hilft bestimmen. Binnen zehn Minuten gewinnen Forscher einen groben Überblick. Das Feuilleton ist insofern konzerte dem Thema Wachstum „Jeder am Tisch wusste, was er uns, die mineralischen Komponenten zu bestimmen“, erklärt der Für genaue Ergebnisse braucht das Gerät zwei bis drei Stunden. der richtige Ort für diese Diskussi- von verschiedenen Seiten. So er- vom Kapitalismus halten sollte, aber Doktor der Physikalischen Chemie. Dafür muss SAM mit on, als auch die Kunst vermehrt zählte der Londoner Künstler kaum einer, wie und wo er ent- passenden und präparierten Gesteinsproben gefüttert werden. Evonik im Zitat Antworten auf diese und ähnliche Boz Temple-Morris in einem skur- stand“, erzählt er. Im Zentrum Chemisches Weltraumlabor auf sechs Rädern: Ein Selbstporträt (links) in Die erste Sondierung übernimmt eine hochauflösende Kamera mehreren Bildern zeigt das Fahrzeugdeck des Mars-Rovers. Das Gerät Sample Fragen geben will. Neben dem rilen Hörspiel die Geschichte eines stehen dabei Venedig und Amster- am Mast des Raumfahrzeugs. Analysis at Mars (rechts) ist nicht viel größer als eine Mikrowelle „Innovation ist in Roman von Dr. Dr. Rainald Goetz Hamsters, der partout nicht auf- dam. Die Kaufleute beider Städte Der Weg bis zum Start von Curiosity war weit. „Wir muss- über Aufstieg und Fall des Vor- hören will zu wachsen. Das mons- haben nämlich die Grundsteine für ten eine Ausrüstung von Instrumenten, die auf der Erde einem globalen standsvorsitzenden Johann Holtrop tröse Nagetier wird zum Ereignis. unser Wirtschaftssystem gelegt. So einen ansehnlichen Platz einnehmen, in eine Box von der Größe beschäftigen sich aktuell gleich drei Ebenfalls ungewöhnlich nä- haben die Venezianer als Erstes die einer Mikrowelle bekommen“, so Mahaffy. Und wie stehen die Chancen für Leben auf dem Mars? Konzern kein Ein- Kunstevents mit der Wirtschaft. So hat der Opernregisseur Jan Philipp herte sich die Hamburger Theater- macherin Sibylle Peters dem doppelte Buchführung eingeführt – noch immer die Grundlage für jede Die Bedingungen auf dem Planeten sind jedenfalls hart: Die Atmosphäre ist dünn, ultraviolette und kosmische Strahlung personenstück, Gloger bei den Bayreuther Fest- spielen kürzlich Richard Wagners Thema. In ihrer Live-Performance „Let’s Make Money!“ entwarf Bilanz. Es sind oft essenzielle Fak- ten zu den Themen Wirtschaft und trifft intensiv auf die Oberfläche. „Auch wenn wir dort kein „Der Fliegende Holländer“ in sie auf einem Schiedsrichterhoch- Wachstum, die wir hier erfahren. organisches Leben entdecken, ist das eine wertvolle Information“, sondern Aufgabe die Postmoderne verlegt und als stuhl Zukunftsszenarien – und In ihrer ansprechenden Aufmachung sagt Paul Mahaffy. „Das könnte bedeuten, dass der beste Ort, Drama eines entwurzelten, im ließ das Publikum etwa darüber ab- wirken sie inspirierend und tragen FOTOS: NASA (3) nach Leben zu suchen, nicht die Oberfläche ist und wir in tieferen aller Mitarbeiter“ Datennetz gefangenen Handlungs- stimmen, wie wahrscheinlich vielleicht ein wenig zu unserem Schichten forschen müssen.“ Mahaffy ist überzeugt: „Falls es hier Dr. Peter Nagler, reisenden übersetzt. Die Titelfigur eine Zukunft ohne Euro im Jahr persönlichen Wachstum bei, wie es organische Substanzen geben sollte, fängt der Spaß erst richtig an.“ Chief Innovation Officer Evonik trägt Rollkoffer und Coffee-to-go- 2019 tatsächlich ist. Kunst und Kultur eben vermögen. Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
8 INFORMIEREN INFORMIEREN 9 48.181 22.277 40.198 3.106 10.408 1.487 143 141 …und sie wächst doch Russland Europa und die USA sind in schwere See geraten, doch 3.286 3.893 Hohe Ölpreise und eine stark steigende Konsumnachfrage stärken das Wachstum ebenso wie steigende Ausgaben für am Horizont gibt es Hoffnung für die Weltwirtschaft 82 81 den Militärsektor und für das Sozialsystem. Deutschland Die Weltwirtschaft wächst, 2011 waren Moderates Wachstum: Das BIP pro Kopf es 3,8 Prozent, und es geht weiter. Die Prognose nimmt zu, die Bevölkerung schrumpft. Deutschland bleibt die stärkste Volks- der Unternehmensberatung Bain & Company wirtschaft im Euro-Raum. geht bis 2020 von einem Anstieg des Brutto- inlandsprodukts weltweit um 40 Prozent auf 53.761 90 Billionen US-$ aus – trotz Finanz- und Schuldenkrise. Die Bain-Experten sehen einen 19.705 59.707 43.015 global ansteigenden Trend. Bereits eingerechnet sind die Häufung von kurzfristigen Krisen in den In- 46.900 dustrie- und Schwellenländern und die strukturelle 14.526 Veränderung der Weltwirtschaft. Ein Fünftel 6.696 der Weltbevölkerung steigt in die konsumkräftige 5.488 Mittelschicht auf. Bildungs- und Gesundheitsaus- gaben steigen, und technologische Innovationen sind 127 125 gefragt wie nie zuvor. Deutliche Wohlstands- 310 337 zuwächse gibt es in den Schwellen- und Entwick- Japan lungsländern, doch auch Europa und die USA Eine der führenden Industrienationen Asiens. Es verfügt über eine breit bleiben stabil. aufgestellte, technologisch hoch ent- USA wickelte und exportorientierte Mit einem BIP von 14 Billionen sind Wirtschaftsstruktur. Ein Problem wird Bruttoinlandsprodukt (BIP) die USA noch immer die leistungs- die stark überalterte Bevölkerung. 2010 in Milliarden US-$: fähigste Volkswirtschaft. Nach heutigen Wert aller Güter, die innerhalb Prognosen werden sie aber bis 2020 von China überholt. 240 263 eines Jahres in einer Volks- 1.387 6.903 wirtschaft hergestellt werden. 1.812 1.225 708 2.981 15.985 ≤10 3.268 11.089 195 210 Indonesien 10,1– 49,9 2.143 Das Land ist der Shootingstar im pazi- fischen Raum. Das rohstoffreiche 50–99,9 Land erreichte 2011 ein Wirtschafts- Brasilien wachstum von 6,5 Prozent. 100– 499,9 Die Hälfte aller Brasilianer ist heute in der Mittelschicht 500–999,9 angekommen und verfügt über ein Jahreseinkommen von über 5.000 US-$. Strukturelle Probleme wie mangelnde 2.906 1.000–2.499,9 Altersversorgung, niedrige Bildungsausgaben und eine 1.598 Zweiklassengesellschaft im Gesundheitswesen bleiben. 1.342 2.225 2.500– 4.999,9 Indien ≥5.000 Mit einem Wirtschaftswachstum von Keine Angaben Wachstumsmotor Gesundheit: 6,9 Prozent ist Indien eines der erfolg- reichsten Länder, aber mit einem BIP QUELLE: IMF Mehr Wohlstand führt zu höheren Ausgaben pro Kopf von unter 2.000 US-$ gehört 1.388 in Billionen US-$ es noch zu den Entwicklungsländern. 10 1.341 Wirtschaftswachstum Entwicklungsländer Kennzahlen für die Leistungsfähigkeit Wachstumsmotor Industrie: einer Volkswirtschaft 9 12.714 Bric-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) Technische Innovationen sichern den Fortschritt BIP pro Land in Milliarden US-$ (2010 und Prognose für 2017) Weitere Schwellenländer •Dampfmaschine •Informationstechnologie 6 Japan •Eisen •Nukleartechnologie Erste Phase Erste Phase 2010 2017 6 Westeuropa 5.930 •Textilien •Raumfahrttechnik Industrielle Revolution Informationsrevolution BIP pro Kopf in US-$ 9.152 (2010 und Prognose für 2017) USA 4.421 3 2010 2017 •Elektrifizierung •Nanotechnologie Eine immer älter werdende China Zweite Phase Zweite Phase Gesellschaft in den Industrienationen •Stahl •Biotechnologie Bevölkerung in Millionen Das Wirtschaftswachstum schwächt sich ab, bleibt sowie steigender Wohlstand, •Chemikalien •Künstliche Intelligenz (2010 und Prognose für 2020) und damit bessere gesundheitliche (inklusive Petroleum) aber mit neun Prozent auf hohem Niveau. China ist mit 0 •Robotertechnik einem BIP pro Kopf von über 5.000 US-$ das größte 2010 2020 2010 2020 Versorgung in den Schwellenländern, •Bahn und Auto •Datennetze Schwellenland und auf dem Weg, in wenigen Jahren lassen die Ausgaben stark ansteigen. •Telegraf/Telefon die USA als größte Volkswirtschaft der Welt abzulösen. QUELLE: IMF/UNITED NATIONS QUELLE: BAIN & COMPANY QUELLEN: BAIN & COMPANY Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
» 10 W A C H S T U M F O R U M Wachstum ist ohne gesellschaftliche Akzeptanz nicht möglich« Wir brauchen Vertrauen in die Zukunft und eine neue Chancenkultur, um die Aussichten für junge Leute in Europa zu verbessern – fordert Dr. Klaus Engel, Vorsitzender des Vorstands der Evonik Industries AG. Welches Wachstum brauchen wir? Eine Diskussion in fünf Beiträgen GERADE ERLEBEN WIR eine besonders bedrohli- in den Köpfen und Herzen der Menschen verankert aber auch: Unsere Bereitschaft, die Zukunft Europas beide Seiten, denn mitunter erschöpft sich die Qualität DR. KLAUS ENGEL che Dimension des Schuldenproblems auf europäi- sein. Nur so ist sichergestellt, dass wir unsere jun- der Kritik ja schon in lautstark vorgetragener Betrof-mit einem großen politischen Beitrag und finanziellen hielt die Rede „Von der Wiederentdeckung scher Ebene. Die Desillusionierung begann nicht ein- gen und gut qualifizierten Menschen nicht an ande- fenheitslyrik. Immerhin: Dinge besser zu machen, Betrag zu retten, ist nicht bedingungslos. Und darf es der verloren geglaubten mal in Europa selbst: Seit dem Zusammenbruch der re Länder verlieren. Und nur eine neue, gut ausgebil- als sie zuvor waren; Dingen mehr individuellen und auch nicht sein. Unsere Hilfe darf nur fließen, wenn Zukunft” am 10. September Investmentbank Lehman Brothers in den USA sind nun dete und hoch motivierte Generation lässt uns weiter gesellschaftlichen Nutzen zu verleihen, einen höheren sich die Nehmerländer im Gegenzug dazu verpflich- dieses Jahres vor dem vier Jahre vergangen. Vier Jahre, in denen wir Deut- ganz oben mitspielen im weltweiten Wettbewerb der Wirkungsgrad, eine ressourcenschonende Ersparnis- ten, ihre Haushalte zu konsolidieren. Das Prinzip muss Politischen Forum Ruhr schen gelernt haben, „Krise“ als Dauerzustand und alten und neuen Industrieregionen dieser Welt! funktion – darauf können wir uns alle einigen! lauten: keine Leistung ohne Gegenleistung, Solidari- „Zukunft“ im selben Atemzug mit Ungewissheit und Die Chemieindustrie treibt das Wachstum auf tät im Gegenzug zu Reformen. Das Ziel muss heißen: Bedrohung zu denken. Aber wo bitte bleibt unsere Wir brauchen gesellschaftliche Teilhabe! genau diese Weise, als Problemlöser für große Zu- Wir wollen die Zukunft Deutschlands in einem star- europäische Unabhängigkeitserklärung gegen das Die Industriegesellschaft ist kein Freizeitpark. In ihr kunftsfragen. Etwa, wenn Unternehmen der chemi- ken und weiter zusammenwachsenden Europa, wel- Elend der Perspektivlosigkeit? Wie steht es um unser widerstreiten ständig Interessen und Lobbys, und das schen Industrie hochwertige Futtermitteladditive für ches sich spürbar auf der geopolitischen Weltbühne Recht auf Streben nach Glück? auch zu Recht. Das Ringen der einzelnen Interessen – die Tierzucht herstellen, die helfen, den Fleischbedarf einbringen kann. Als Wirtschaftsmensch sehe ich mich in der beson- es ist ein wesentliches Merkmal einer Chancenkultur. einer stetig wachsenden Weltbevölkerung zu befrie- Unsere Regierung sollte das Drängende mit dem deren Verpflichtung, mitzuhelfen, Arbeit und Wohl- Doch das reicht nicht. Denn zu einer glaubwürdigen digen, ohne die Umwelt zusätzlich zu belasten. Oder Nützlichen verbinden: Sie sollte ein Wachstums- stand auch noch für die nachfolgenden Generationen Chancenkultur gehört auch die soziale Dimension: In Ziegelsteine für den Hausbau entwickeln, die dank programm auflegen, das auch der exportorientier- möglich zu machen. Was eine neue Generation aus einer wachstumsgetriebenen Wirtschaft gilt es, die einer Spezialfüllung höhere Wärmeisolationswerte ten deutschen Wirtschaft zugutekommt. Bei einem ihren Chancen macht, das ist gewiss nicht alleine unse- Wächter- und Kontrollfunktion der Öffentlichkeit zu haben. Oder ein Bindemittel im Bereich des Korro- solchen Programm geht es nicht darum, alte Fehler re Sache. Unsere Sache aber ist, dafür zu sorgen, dass beachten. Wenn gesellschaftliche Bewegungen Dinge sionsschutzes, das den Einsatz giftiger Schwermetal- zu wiederholen. Nicht nur in Deutschland ist bereits es überhaupt Chancen in ausreichendem Maße gibt. konstruktiv und kritisch hinterfragen, dann ist das ein le deutlich reduzieren kann. lange darüber gegrübelt und gestritten worden, ob Inzwischen ist jedenfalls klar: Im großen, schnell Beispiel für gelebte Chancenkultur. Auch hier geht es Wachstum kann eben bisweilen auch heißen, in schwierigen Zeiten die Stärkung der Angebots- erweiterten Euro-Wirtschaftsraum hat es über vie- immer wieder um Freiräume und Grenzen. dass etwas wegfällt und durch Besseres ersetzt wird. oder die Stärkung der Nachfrageseite durch den Staat le Jahre und an vielen Stellen massives Missmanage- Wachstum und Wohlstand sind ohne soziale Wenn solche Innovationen in Serienproduktion gehen, erfolgreicher ist. Ich bin mir sicher: Diese Diskus- ment gegeben – teils war und ist das schlicht fahrlässig, Akzeptanz entweder gar nicht möglich oder nicht treiben sie das Wirtschaftswachstum auf nachhalti- sion wird auch noch künftige Experten-Generatio- teils willkürlich oder sogar kriminell. Aber indem wir nachhaltig. Die Kritik von Bündnissen, Bewegungen ge Weise an: Sie ersetzen Schlechteres, Gefährliche- nen beschäftigen. die Folgen der Weltfinanzkrise von 2009 aufarbeiten und NGOs von Attac bis hin zu Greenpeace ist eine res, Komplizierteres, Fehleranfälligeres. Meist scho- Wir brauchen dringend eine gemeinsame Fiskal-, und die Lehren aus der nachfolgenden Staatsschulden- Macht, die auch Banken und Industriekonzerne aner- nen sie dabei auch noch natürliche Ressourcen. Das Wirtschafts- und Sozialpolitik im Euro-Raum, und krise ziehen, müssen wir trotz allem Frust den Blick kennen müssen. Das heißt nicht, jeder Kampagne und ist Wachstum, das auf breite Akzeptanz zählen darf. sie muss demokratisch legitimiert und abgesichert Dieser Text ist nach vorn richten. Unsere Messlatte kann dabei nur jedem Boykottaufruf um des lieben Friedens willen werden. Nur im Dreiklang von rascher politischer die gekürzte Fassung Durch Wachstum aus der Euro-Krise einer Rede von sein, wie viele und welche Chancen wir uns erarbeiten. nachzugeben. Aber wir Manager tun gut daran, diese und fiskalischer Einigung, Teilhabe der Bürger und Dr. Klaus Engel. Die Und hierzu brauchen wir eine neue Chancenkultur! Menschen ernst zu nehmen und mit ihnen auf Augen- Wenn der Euro überleben soll und die Idee eines größtmöglichem Wachstum kann die europäische vollständige Fassung Wir verfügen über eine starke, eine aussichtsrei- höhe über unsere Projekte zu sprechen. In Zeiten des starken Europas leben soll, werden wir anerkennen Krise mit gutem Ausgang beendet werden. Es ist an erscheint in „Leistung. FOTO: FRANK PREUSS che Plattform, weil unsere Industrie jede Menge neuer Internets hat die Welt feine Antennen dafür, ob die müssen, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht der Zeit, dass gerade wir Deutschen vom Bremser- Verantwortung. Teilhabe“ (ab Oktober Ideen hat und auch die Mittel, kräftig in deren Umset- Wachstumstreiber der Wirtschaft einen echten Dia- erreicht ist. Um es klar zu sagen: Die Schuldenbrem- häuschen in den Führungsstand der Lokomotive wech- im Hoffmann zung zu investieren. Wir stehen für Zukunft, nicht log anbieten oder ob sie ihre Kritiker mit Floskeln und se punktgenau einhalten und den Euro retten – bei- seln und gemeinsam mit unseren Partnern Europa und Campe Verlag) in erster Linie für Vergangenes – das muss auch fest Scheinbeteiligung abspeisen. Das gilt im Übrigen für des gleichzeitig wird kaum funktionieren. Richtig ist wieder in Fahrt bringen. Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
» W A C H S T U M F O R U M 13 Endlich im Endlichen? Jenseits des ALLE 30 ODER 40 JAHRE WIRD in westlichen nen, wie wir es im 19. Jahrhundert taten. Wenn China Gesellschaften intensiv über Wirtschaftswachstum und Indien, wo rund 40 Prozent der Weltbevölkerung diskutiert. Jedesmal behaupten prominente Stimmen, leben, zum Wachstum ansetzen, werden wir sie daran unwirtschaftlichen Wachstums« das Ende des Wachstums sei nun definitiv erreicht – nicht hindern können. Schon der Versuch, es zu tun, sei es in den 1930er-Jahren (Prof. Dr. Lord John May- wäre eine neue Form von Imperialismus – nach dem nard Keynes) oder den in frühen 1970er-Jahren (Prof. Motto: Wir durften noch wohlhabend werden, aber DR. FRED LUKS Dr. Dennis Meadows und der Club of Rome). Und so ihr dürft es nicht mehr. Das ist ethisch nicht akzepta- ist es auch heute wieder. bel. Die Nachfrage nach Ressourcen wird wohl wei- Bisher kam es stets anders. Warum? Weil Wirt- ter steigen – und damit auch die Preise. Zunehmen schaftswachstum vor allem Wachstum des Wissens wird aber auch die Zahl der Menschen, die über neue ist, also: Innovationen durch neue Verfahren und neue Technologien zur Ressourceneinsparung nachdenken, Produkte. Diese erlaubten, die Grenzen des Wachs- möglicherweise allein in China mehr als 50 Millionen! tums wieder ein Stück hinauszuschieben. Aus einem Bleibt die Frage des Glücks: Wachstum, so hören PROF. DR. KARL-HEINZ einfachen Grund: Kommt die Verfügbarkeit von Res- wir, macht die Menschen nicht glücklicher. Was folgt PAQUÉ ist Dekan der Fakultät für Wirtschafts- sourcen an ihre Grenzen, werden diese teurer, und es daraus? Soll die indische Regierung ihren Bürgern wissenschaften an der gibt machtvolle Anreize, sie einzusparen. Anpassung erklären, man solle erst gar nicht versuchen, so wohl- Otto-von-Guericke-Univer- braucht Zeit, wie sich nach den Ölkrisen 1973 und habend wie die Deutschen zu werden, denn dann wür- sität Magdeburg. Von 2002 1980 zeigte. Und was die Menschen als Anpassungen de man auch deren Grad an Missmut erreichen? Wohl bis 2006 war der Experte beobachten, empfinden sie in der Marktwirtschaft als kaum, denn der Wohlstand ist in aller Regel mit der für internationale Wirtschaft Finanzminister des Landes Krisen. Zu Recht, aber Krisen sind notwendig. objektiven Verbesserung der Lebensbedingungen ver- Sachsen-Anhalt, danach bis Auch der Weg zu einem globalen ökologischen bunden. Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinig- 2008 Vorsitzender der Gleichgewicht führt durch neues Wissen und Wachs- ten Staaten lag schon richtig, als sie den Menschen das FDP-Fraktion im Landtag ÜBER WACHSTUM wird zurzeit mit hoher Intensität diskutiert. Der Bun- tum. Ein Problem besteht darin, dass große Teile der „Streben nach Glück“ als unabdingbares Recht zuer- destag hat eine Enquetekommission zum Thema eingerichtet. Der Sachver- Welt denselben Weg in den Wohlstand zu gehen schei- kannte. Vom Glück selbst ist dabei nicht die Rede. ständigenrat für Umweltfragen setzt sich mit der „neuen Wachstumsdebatte“ auseinander. Auch die Publikumspresse widmet sich dem Problem. Ist das Thema 40 Jahre nach der berühmten Veröffentlichung des Club of Rome in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Mitnichten. Paradoxerweise steht neben all der Wachstumskritik eine intensive Wachstumssehnsucht. Wachstum bleibt die heilige Kuh der Politik. Ein Versuch, die Spannung zwi- schen Nachhaltigkeit und Wachstum aufzulösen, ist die Idee vom nachhalti- gen Wachstum – klingt einfach, ist es aber nicht. Denn die Hoffnungen der » Green Economy stützen sich auf Problemverdrängung, Technikglauben und begriffliche Verwechslungen. Am Ende kann nur die absolute Entkopplung von Wirtschaftsleistung und Umweltverbrauch einen Beitrag zur Versöh- nung von Wirtschaft und Umwelt leisten – und zur realen Schrumpfung der ökologischen Lasten führen. Dieses Ziel ist nicht durch Technik und bei gleichzeitiger ökonomischer Expansion erreichbar. Warum? Weil es eine Endlosschleife von Mehrpro- Wachstum DR. FRED LUKS ist Nachhaltigkeitsmanager in Wien. duktion und Mehrwollen gibt, die davon lebt, dass unaufhörlich Bedürfnis- Nach dem Studium in Hamburg und auf Hawaii forschte er lücken geschaffen werden, die es zu schließen gilt. Dieses Streben im Verein unter anderem an der New York University und der mit den technischen Möglichkeiten des Naturverbrauchs ist die Ursache der University of California in Berkeley (Kalifornien, USA) problematischen Beziehung zwischen Wachstum und Nachhaltigkeit: Hier und war mehrere Jahre freier Mitarbeiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie sind Erwartungen im Spiel, die unerfüllbar sind. Der „Prozess permanenter Mangelproduktion“, so die Ökonomin Dr. Caroline Gerschlager, hängt damit ist nötig und richtig. Wir müssen nur das Richtige zusammen, „dass alles wirtschaftliche Tun in einem unaufhörlichen Kampf gegen vorgegebene Knappheiten besteht“. In einer nachhaltigen Welt muss ein Ausstieg aus dieser Schleife gelin- gen – nicht nur aus ökologischen Gründen. Ökonom Prof. Dr. Herman Daly hat bereits auf die Möglichkeiten unwirtschaftlichen Wachstums hingewie- darunter verstehen« FOTO: ULLSTEIN BILD, IMAGO sen: Wenn die Zusatzkosten des Wachstums den entstehenden Nutzen über- steigen, sei weiteres Wachstum schlicht unökonomisch. Wachstum hat also PROF. DR. KARL-HEINZ PAQUÉ wirtschaftliche Grenzen, wenn man die Umwelt nicht völlig ausblendet und dabei den gesellschaftlichen Nutzen des Wachstums berücksichtigt. Ist die- ser Punkt erreicht, sollte man sich vom Wachstumsziel verabschieden. Die Zeit ist reif. Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
» W A C H S T U M F O R U M 15 Nachhaltigkeits- NEOLIBERALISMUS. Diejenigen, die nach der Katastrophe des Zweiten Welt- reichen Länder ihre Hilfe so leisten, dass dadurch wirkliche Entwicklungschancen missionare, die Wasser kriegs die europäische Rechts-, Sozial- und für die ärmeren Länder eröffnet werden, Wirtschaftsordnung wieder aufgebaut wird das nicht nur ihre moralische, son- haben, wussten sehr gut, dass Wirtschaft dern auch ihre wirtschaftliche Leistungs- predigen und Wein trinken …« kein Selbstzweck ist, sondern im Dienst des bilanz erhöhen. ... Menschen zu stehen hat. Wenn heute vie- Ich weiß, dass gerade angesichts der le die „Neoliberalen“ kritisieren, dann wird anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen in den es manchen wundern, dass der Erfinder meisten Industrienationen viele Menschen APL. PROF. DR. NIKO PAECH dieses Begriffs, Alexander Rüstow, genau die Befürchtung haben, dass eine derartige das wollte, was viele Kapitalismuskritiker Entwicklungshilfe die Wettbewerbssitua- PROF. DR. REINHARD heute wieder zu Recht einfordern. ... tion auf dem Weltmarkt noch weiter ver- KARDINAL MARX ist Erzbischof Alexander Rüstow benutzte den Begriffschärfen und damit noch mehr Arbeits- von München und Freising. Marx ist ehemaliger Hochschullehrer für Vitalpolitik. „Vital ist dasjenige, was die plätze in den reichen Ländern gefährden Christliche Gesellschaftslehre, ‚vita humana‘, was das menschliche Leben, würde. Dieser Gedanke mag egoistisch Vorsitzender der Kommission für das menschenwürdige Leben fördert. Es isterscheinen, ist aber angesichts des vielfäl- gesellschaftliche und soziale unsere neoliberale Meinung“, so Rüstow, tigen Leids, das die Arbeitslosigkeit mit sich Fragen der Deutschen Bischofs- „dass diese Vitalpolitik ... eine durchausbringt, auch für mich nachvollziehbar. konferenz und Präsident der Europäische-Union(EU)-Bischofs- überragende Bedeutung hat, während der Die gute Botschaft, die uns vor einem kommission COMECE. Markt nur Mittel zum Zweck ist.“ Gewissenskonflikt bewahrt, lautet aber: Nebenstehend finden Sie Aus- Einen solchen „Neoliberalismus“ lasseDieser Gedanke geht von falschen öko- züge aus dem Buch: Reinhard Marx, HÖHER IM KURS als heute standen Bionade und Co., fairer Handel, ich mir auch als katholischer Bischof undnomischen Annahmen aus. Es ist ja nicht „Das Kapital“, Pattloch Verlag Ökostrom und natürliche Textilien noch nie. Das produktgewordene gute als christlicher Sozialethiker gefallen, weil so, dass das auf der Welt für Investitio- Gewissen ist zum Wirtschaftsfaktor geworden. Der vermeintlich nachhal- hier der Wirtschaft und dem Wirtschaf- nen zur Verfügung stehende Kapital eine tige Lebensstil boomt – etwa in Form von Sonderzahlungen für Flugreisen ten ein dezidiert ethisches Fundament feste Summe hat. Wenn ein Deutscher an sogenannte CO2-Compense-Portale. Kein Wunder, denn das Angebot gegeben wird, eine ethische Ausrichtung 100.000 € in einem Schwellenland inves- bedeutet für den solventen Langstreckenflieger weder Mühe noch Verzicht. gegeben wird, die sich an der Würde des tiert, dann kann man deshalb nicht ein- Doch keine Technologie, kein Produkt kann per se nachhaltig sein. Alle Menschen, an der gleichen Würde aller fach sagen, dass dieses Geld für Deutsch- Versuche, Konsum und Mobilität von ökologischen Folgeschäden zu entkop- Menschen orientiert... land verloren ist. Denn das zur Verfügung peln, waren bisher Geschichten des Scheiterns: Das Dreiliterauto strahlt vor stehende Kapital vermehrt sich mit der nachhaltiger Symbolik, doch solange sein Besitzer damit täglich 200 Kilome- ENTWICKLUNG. Um die Armut in der Anzahl der Investitionsmöglichkeiten. Und ter pendelt, tendieren die Klimaeffekte bestenfalls gegen null. Jeder zweimal Welt zu bekämpfen, müssen wir auf unse- es vermehrt sich mit der Anzahl der Men- jährlich gefahrene 20-Liter-Oldtimer hat die bessere Bilanz. Ähnliches gilt für ren Wohlstand also nicht ganz verzichten, schen, die auch in den entwickelten Län- Ökostrom nutzende Haushalte, die so viele Flachbildschirme, PCs und Stereo- sondern wir müssen dabei helfen, dass dern Güter und Dienstleistungen nachfra- anlagen wie Zimmer besitzen. Oder die Kundschaft des Ökosupermarkts, die die Armen auch zu Wohlstand kommen. gen, die in den reichen Ländern produziert mit dem Geländewagen vorfährt. Dafür müssen wir durchaus bereit sein, in werden. Man könnte also sagen: Es geht » Unsere moderne Multioptionsgesellschaft macht das Individuum zum Trä- Form von Entwicklungshilfe gegenüber nicht darum, einen vorhandenen Kuchen germedium paralleler Identitäten, Lebensstile und sozialer Praktiken. In einem den armen Ländern erst einmal etwas zu teilen, sondern einen größeren Kuchen immer breiteren Spektrum möglicher Selbstinszenierungen lässt sich immer abzugeben, also zu teilen. Aber wenn die zu backen. ... DR. NIKO PAECH lehrt als auch eine vorzeigbare Nachhaltigkeitsmoral unterbringen. Tatsächlich geht es Gastprofessor am Lehrstuhl für jedoch nur um die Summe aller Aktivitäten des Einzelnen und ihre ökologi- Produktion und Umwelt an der Carl schen Folgen. Der zuständige Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung von Ossietzky Universität Oldenburg. hat ausgerechnet, dass das Zwei-Grad-Klimaschutzziel mit hoher Wahrschein- Nicht einen vorhandenen Er ist Mitgründer des Oldenburg Center for Sustainability Economics lichkeit erreicht wird, wenn jeder Erdbewohner bis 2050 jährlich nur noch 2,7 FOTO: AGENDA/WOLFGANG HUPPERTZ, DDP IMAGES/DAPD and Management, Vorstandsvor- Tonnen Kohlendioxid ausstößt. Der Flug Paris–New York und retour verur- sitzender der Vereinigung für sacht für eine Person allein die Hälfte davon. Die durchschnittliche CO2-Bilanz Kuchen teilen, sondern einen Ökologische Ökonomie und Mitglied der Deutschen wird zurzeit auf elf Tonnen jährlich geschätzt. des wissenschaftlichen Beirats von Weit darüber dürfte die Spezies jener hoch dotierten Nachhaltigkeits-Schi- Attac Deutschland ckeria liegen, die von Kontinent zu Kontinent fliegt, um immer gleiche Bot- größeren Kuchen backen« schaften vor immer gleichem Publikum zu verbreiten – die also bei exorbitan- tem Kerosinverbrauch nichts bewirkt. Am Ende trägt diese Berufsgruppe eher zur Verschärfung der Probleme bei, die sie zu bekämpfen vorgibt. Nachhaltig- keitsmissionare, die Wasser predigen, aber Wein trinken, produzieren somit REINHARD MARX den größten anzunehmenden Kommunikationsunfall: Sie reproduzieren die Schizophrenie einer Gesellschaft, deren Nachhaltigkeitsziele nie lauter bekun- det wurden – und deren Lebenspraktiken nie weiter davon entfernt waren. Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
Solarenergie Verdiente ein amerikanischer Manager Anfang der Mind Map: der Traum vom ewigen Wachstum Nachfrageorientiert Angebotsorientiert Fall der Berliner Mauer 70er-Jahre im Durchschnitt ungefähr das Ozonloch, 1989, Ende des Traums erstmals entdeckt von der real sozialistischen Weltherrschaft 25-Fache von einem Industriearbeiter, so war es knapp 1985 über dem Industriegelände werden Südpol zu Freizeitparks 30 Jahre später bereits das 500-Fache Mehr Geld, mehr Wohlstand, mehr Freizeit, mehr Lebensqualität sind die Antriebskräfte der Wirtschaftsentwicklung in allen Staaten der Erde. Die Erfüllung des Menschheitstraums hat viele Facetten, Waldsterben, saurer Regen Theorie und Praxis klaffen oft weit auseinander, neben großen Erfolgen stehen krasse Fehlentwicklungen Nachfrage- „Das Wachstum verlangt vom Recycling von Plastikmüll Zivile Raumfahrt: 2007 gab es weltweit orientierte Menschen eine kontinuierliche Milliardenprojekte für 946 Milliardäre in Proteste gegen die Monetarismus die Wissenschaft Freie US-$, 2006 nur 793, und Mitte der Macht der Banken Ökonomie Anpassung an sich ständig wandelnde 80er-Jahre Arbeits- und Lebensweisen“ Marktwirtschaft waren es erst 140 Sputnik, Raumsonde, führt 1957 den Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und In Deutschland stiegen die Löhne Wettbewerb USA gegen UdSSR ins Weltall Weltweite Antivietnam- kriegsproteste Entwicklung (OECD) 1973 Mondlandung 1969 Wachstumschance durch Kreativitäts- von 1850 bis Anfang der 1970er-Jahre um 3.600 Prozent Prof. Dr. Oswald von Luft- und Raumfahrt und nachhaltig- Bluejeans – US-Arbeiterhose Empire State Building Dr. Karl Marx, Nell-Breuning, 1890–1991, Prof. Dr. John Kenneth keitsorientierte Wohlstandstraum 1950: wird Kultobjekt und Symbol globaler Coolness US-Präsident Ronald Reagan und sein Steuer-Guru 1818–1883, Vordenker des Ökonomie Prof. Dr. Tomáš Sedláček Galbraith, 1908–2006, real existierenden Sozialismus Theologe und Sonntagsbraten und Prof. Dr. Arthur B. Laffer: (*1977), tschechischer US-Ökonom und Berater Tai Ta T aaiip pe peh eh eh 10101 und Kommunismus Sozialwissenschaftler Buttercremetorte Beginn Ökonom und Autor von US-Präsident John F. Marshallplan 1948: Syyym Sym S mb bol bo oll neuer o neu ne uer ueeerr Wladimir Kennedy der Reaganomics und Die Antibabypille Wirtschaftsaufbau- Amazon: Wir Wi W ir irttsc tssc scha schhaf h afts af tss-- ts- Iljitsch Lenin, Prof. Dr. Lord John Voodoo-Economics Prof. Dr. Milton Friedrich Engels, ermöglicht Frauen programm der USA Internethandel mac ma m ach ac htt 1870–1924, Maynard Keynes, Friedman, Starbucks: 1820–1895, Philosoph, Karriereplanung für Westeuropa Prof. Dr. Joseph schafft neue Märkte Mao Tse-tung, Begründer der 1883–1946, britischer Hans Carl von Carlowitz 1973: Jeder vierte Gordon Gekko, 1912–2006, Tass Kaffee Weggefährte von Marx Alois Schumpeter, 1893–1976, Sowjetunion 3 Ökonom, Namensgeber 1645–1714, Schöpfer des 2011: Wind Explorer, 1883–1950, Bundesbürger hat ein Ende des Börsenmakler ultraliberaler goes global Jane Fonda (*1937), 4 des Keynesianismus das erste Fahrzeug, das Vorsitzender Schauspielerin, 5 Nachhaltigkeitsbegriffs Prof. Dr. Julian Ökonom und Auto, 91,4 Prozent aller Kolonialismus (Filmfigur 1987), US-Ökonom der Kommunis- fast nur mit Windener- Kreativitätsforscher Haushalte einen „Greed is good“ Frauenrechtlerin und gie einen Kontinent L. Simon, 1932–1998, tischen Partei Friedensaktivistin Fernseher, jeder zweite durchquert Wirtschafts- Prof. Dr. Adam 18 Chinas 6 Haushalt eine wissenschaftler Smith, 1723–1790, Burdsch Waschmaschine und Begründer der Chalifa: einen Schallplatten- 9 klassischen Big is beautiful spieler, fast jeder einen Nationalökonomie and very Kühlschrank, jeder fünfte eine Kühltruhe expensive 1 12 Import/Export: Ohne globale 10 Fabriken um 1900: Wahlplakat Arbeitsteilung 17 Google Industrialisierung Sozialdemokratische 11 wächst nichts mehr Info und Real Alternative Wissen schafft Arbeitsplätze Partei Carepakete: Energien: Strom weltweit aus Wind, Sonne existierender Lebensmittel aus den USA und Biomasse Coca-Cola: Limonade total Gettoblaster Sozialismus Siedlungsbau in den 1960ern: global Sound-Machine jugendlicher Underdogs Bankia: Staatshilfen Sonnenblumen: T-Aktie für alle: spanisches für Häuslebauer Traumziel Rimini – Symbol der Tupperware: „Ich wär so gerne Opfer der durch mehr Freizeit Umweltbewegung innovativer Vertrieb von Aktionär“ Euro-Krise und höhere Einkommen Plastikhaushaltswaren wächst die Tourismus- branche Grubenarbeiter Adolf Baroness Margaret Thatcher Monopoly: Hennecke: Vorbild für die ICE: mit Hochgeschwindigkeit Neue Armut 13 Gehen Sie nicht über „Los“ Helden der Arbeit in der DDR durchs Schienennetz (*1925), britische Lehman Brothers: in den Premierministerin und Pleite mit Schrottpapieren Industrie- Prof. Dr. Ludwig ultraliberale staaten Erhard, Wirtschaftsreformerin 1897–1977, Volkswagen Käfer – Symbol Wirtschaftsminister der Massenmotorisierung und Bundeskanzler Fabrikarbeit circa 1890: Frauenarbeit Prof. Dr. Jeremy Rifkin (*1945), US-Ökonom und Soziologe Boykott der Organisation Autofreie Sonntage in Erdöl exportierender 2 McDonald’s: US-Fleischklöpse der Ölkrise von 1973 Länder (OPEC) 1973: Trümmerfrauen für die Welt Erste Ölkrise verursacht Smartphones 7 nach 1945: Aufbruch Fräuleinwunder weltweite Rezession aus den Ruinen in 1950er-Jahren: deutsche Prof. Dr. Dr. Prof. f Dr. Joseph Stiglitz Ferrari: Imagepflege in Friedrich August (*1943), US-Ökonom, wrrroom – den USA von Hayek, Schwerpunkt Präsidentenberater, Beatles: Barbie der Sound des 1899–1992, Prof. Dr. Walter Eucken, Chefökonom der Weltbank neue Idole für (seit 1959): Reichtums Weihnachtsmann, Dr.h.c.mult. Helmut Schmidt (*1918), Vertreter des 1891–1950, die Jugend erfolgreichste Arbeitstheorie Bundeskanzler, Mitbegründer des EWS und Weltökonom Neoliberalismus 15 Vordenker der sozialen Marktwirtschaft Modepuppe aller Zeiten ab 1840 säkularer Wachstums- beschleuniger am Jahresende Trabant P70 Arbeitsplatz Prof. Dr. Alfred Müller-Armack, 16 Aufnahme von 1955 Wahlplakat Arbeitsroboter ersetzen 1901–1978, Erfinder des Begriffs Streik für mehr Lohn Homeoffice Prof. Dr. Karl Schiller, 1911–1994, in Zwickau Kommunistische menschliche Arbeitskraft „soziale Marktwirtschaft“ und Achtstundentag Wirtschaftswissenschaftler, Partei Bundesminister für Wirtschaft (1966–1972), 8 und für Finanzen (1971–1972) 14
16 W A C H S T U M Diese „Außenseiten” sind 3 4 5 18 6 direkt mit der Aufklapp- 9 1 12 10 17 Grafik verknüpft. Jeder der 11 Who’s who: Denker des Wachstums beschriebenen Ökonomen hat 13 eine hervorgehobene Ziffer, die Sie am umseitigen Schaubild wiederfinden – zu Ihrer Seit Jahrhunderten streiten Wissenschaftler darüber, welches Ordnungsprinzip Wachstum schafft: 2 persönlichen Navigation durch 7 den „Traum vom Wachstum” 15 freier Wettbewerb oder staatliche Lenkung – ein Überblick über die wichtigsten Theorien 16 8 14 und seine Sinnstifter Hans Carl von Carlowitz einen Ausgleich zu sorgen. Diesen Mechanismus der sozialen Marktwirtschaft unterschied streng Dr. Karl Marx Prof. Dr. Tomáš Sedláček, Prof. Dr. Joseph Stiglitz 9 1 4 7 (1645–1714) nannte Smith die „unsichtbare Hand“. Freie Märk- zwischen plan-/zentralwirtschaftlichen Syste- (1818–1883) (*1977) (*1943) Der Oberberghauptmann am kursächsischen te erzeugten die besten Ergebnisse, wenn es keine men und der freien Marktwirtschaft. Als Anhän- Für den Nationalökonomen und Journalisten Ökonom, Autor – seine Auffassung: Nicht Der Wirtschaftswissenschaftler, Berater von Hof in Freiberg gilt als Begründer des Nachhaltig- staatlichen Eingriffe gebe, keine Konzentration, ger des Liberalismus setzte er auf die freie Markt- besteht in der Ausbeutung des Arbeiters und mathematisch abbildbare Prozesse bestimmen US-Präsident Bill Clinton und Chefökonom keitsprinzips. 1713 forderte er, dass nur so viel keine Monopole – weder aufseiten der Hersteller wirtschaft als Grundlage für eine florierende im unversöhnlichen Widerspruch der Klassen- über Wohl und Wehe von Volkswirtschaften, der Weltbank wurde bekannt durch seine Kritik Holz geschlagen werden soll, wie durch Auffors- noch der Arbeiter noch der Konsumenten. Wirtschaft: „Der Staat soll weder den Wirtschafts- interessen das Problem des Kapitalismus. sondern Wertesysteme, die jenseits ma- an der Globalisierungspolitik der Industrie- tung nachwachsen kann. prozess zu steuern versuchen noch die Wirt- Die ganze Existenz des Menschen, sein Recht thematischer Rationalität liegen. Wirtschaft- staaten, die nur ihre eigenen Interessen Prof. Dr. Ludwig Erhard schaft sich selbst überlassen: staatliche Planung 13 auf freie Entfaltung und freie Gestaltung liches Handeln könne nur in Abhängigkeit verfolgten und nichts unternähmen, um Armut Prof. Dr. Julian L. Simon (1897–1977) der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung 10 seiner Umwelt sah er durch die kapitalistischen von ethischen Regeln funktionieren. Dieses und Hunger in den Entwicklungsländern zu (1932–1998) Der Bundeswirtschaftsminister von 1949 bis des Wirtschaftsprozesses – nein. … Die einzige Verhältnisse behindert. Marx plädiert für Moralgebot gelte auch für wirtschaftliches bekämpfen. Grundsätzlich hält Stiglitz die Der Wirtschaftswissenschaftler erklärte 1981 1963 und Bundeskanzler von 1963 bis 1966 Wirtschaftsordnung, in der dies möglich ist, ist die eine klassenlose Gesellschaft, in der alle Denken. Die Tatsache, dass wir die Bedeutung Globalisierung aber für einen Prozess, der das in seinem Werk „The Ultimate Resource“, setzte mit Müller-Armack die Grundzüge von des vollständigen Wettbewerbs. … Der Staat muss Produktionsmittel sozialisiert sind, in der die von kulturellen Normen und Werten für Leben der Menschen in den Entwicklungs- dass Grenzen des Wachstums und Knappheit Euckens Theorie (siehe unten) in die Politik um. deshalb durch einen entsprechenden Rechtsrah- Produktivkräfte die für die Reproduktion ökonomisches Denken vergessen haben, sei ländern verbessert. bei Rohstoffen nicht naturgegeben seien, sondern Die soziale Marktwirtschaft sollte „Wohlstand men die Marktform – das heißt die Spielregeln, in der Arbeitskraft erforderliche Arbeit redu- Mitursache der gegenwärtigen Schuldenkrise. durch den technischen Fortschritt nahezu für alle“ (1957) durch Wachstum bringen. denen gewirtschaftet wird – vorgeben.“ zieren und das Mehrprodukt für die Bedürfnis- Prof. Dr. Karl Schiller 8 unendlich erweitert werden könnten. Höheres befriedigung aller nutzen können: „Jeder Prof. Dr. Lord John Maynard Keynes (1911–1994) Prof. Dr. Alfred Müller-Armack Prof. Dr. Arthur B. Laffer 5 Bevölkerungswachstum erzeuge mehr 14 17 nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen (1883–1946) Der Wirtschaftswissenschaftler, Bundesminis- (1901–1978) (*1940) Nachfrage und dadurch mehr Wachstum. Bedürfnissen!“ Der Mathematiker und Nationalökonom war ter für Wirtschaft von 1966 bis 1972 und zu- Für den Nationalökonomen und Mitbegründer Der Ökonom wurde berühmt als Berater einer der einflussreichsten Wirtschaftswissen- sätzlich für Finanzen von 1971 bis 1972 führte Prof. Dr. Joseph Alois Schumpeter der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland des US-Präsidenten Ronald Reagan. Bei ei- Prof. Dr. Jeremy Rifkin 11 2 schaftler des 20. Jahrhunderts. Unter dem das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz mit (1883–1950) nach 1945 stand Marktwirtschaft mit nem Abendessen zeichnete er eine Kurve von (*1945) Eindruck der Weltwirtschaftskrise 1929 seinem magischen Viereck ein, das ein Gleich- Der Ökonom und Politiker zeigt in seiner „Theorie „sozialer Gerechtigkeit… in einem komplemen- Steuersätzen und Steuereinnahmen auf eine Der Ökonom, Soziologe und Beschäftigungs- plädierte er für staatliche, gesamtökonomisch gewicht zwischen den vier Zielen der Wirt- der wirtschaftlichen Entwicklung“ (1911), dass tären Verhältnis“. Der Staat soll die Aufgaben Serviette. Die These: Der optimale Steuersatz forscher zeigte in dem Bestseller „Das orientierte Eingriffe in die Wirtschaftsabläufe, schaftspolitik – Preisniveaustabilität, Wachs- der Kapitalismus auf der schöpferischen Kraft der übernehmen, die die Wettbewerbswirt- bringt maximale Einnahmen. Ende der Arbeit und ihre Zukunft” (1995) wenn das kapitalistische Wirtschaftssystem tumsrate, Außenwirtschaftsgleichgewicht und Unternehmer beruht. Jeder innovative Unterneh- schaft nicht leisten kann, beispielsweise die die dramatischen Veränderungen der versagt, um soziale Schieflagen wie Massen- Vollbeschäftigung – herstellen soll. Mit mer würde zunächst als Monopolist in den Markt Folgen von Arbeitslosigkeit abmildern. Prof. Dr. Milton Friedman 18 Arbeitswelt durch den Einsatz moderner arbeitslosigkeit durch Interventionen und diesem Gesetz sollte die erste Rezession der treten. Erst wenn Nachahmer auftreten, verblasse (1912–2006) Technologienauf. In seinem 2000 veröffent- öffentliche Investitionen zu mildern. Der Staat Nachkriegszeit in Deutschland überwunden, Prof. Dr. Dr. Friedrich August von Der Ökonom, neben Keynes der einflussreichste die Stellung der schöpferischen Unternehmer. Im 15 lichten Werk „Access“ beschreibt er die (Regierung und Notenbank) soll finanz- und die Arbeitslosigkeit abgebaut, Inflation ver- Hayek (1899–1992) Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts Wechselspiel von Innovation und Imitation sah er moderne „Zugangsgesellschaft“ der Industrie- geldpolitische Maßnahmen ergreifen, um die hindert und die Konjunktur stabilisiert werden. die Triebkräfte von Wettbewerb und Wachstum. Jurist und Staatswissenschaftler, Mitbegründer und führende Vertreter des Monetarismus staaten, die alles sofort haben will und gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stimulieren, Die gesetzlich verfügte Globalsteuerung der der Schule der Nationalökonomie – Hayek forderte in seinem Bestseller „Kapitalismus und dank Globalisierung und Internet auch erhält. bis Vollbeschäftigung erreicht ist. Wirtschaft durch die Bundesregierung wurde Prof. Dr. Adam Smith war ein überzeugter Liberaler und Anhänger der Freiheit“ (1962) die Reduktion der Staatsquote, 12 Er warnt vor den Folgen der totalen Öko- vor allem von den Neoliberalen und überzeug- (1723–1790) freien marktwirtschaftlichen Ordnung: „Eine freie Wechselkurse, den Wegfall staatlicher Prof. Dr. John Kenneth Galbraith nomisierung unseres Lebens und dem Verlust ten Marktwirtschaftlern heftig kritisiert. 6 Der Moralphilosoph und Begründer der klassi- soziale Marktwirtschaft ist keine Marktwirt- Handelsbeschränkungen, die Aufhebung der der kulturellen Identität. (1908–2006) schen Nationalökonomie erklärt in seinem wich- schaft, ein sozialer Rechtsstaat kein Rechtsstaat, Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Berufs- Der Nationalökonom, Sozialkritiker und Präsi- tigsten Werk „Der Wohlstand der Nationen – eine ein soziales Gewissen kein Gewissen, soziale gruppen und den Abbau staatlicher Fürsorge. Prof. Dr. Oswald von Nell-Breuning 3 dentenberater zählt zu den Keynesianern und Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“ Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit – und ich Für jede Volkswirtschaft gebe es eine „natural rate (1890–1991) Linksliberalen unter den US-Ökonomen. von 1776, dass das Gemeinwohl am stärksten ge- fürchte auch, dass soziale Demokratie keine of unemployment“, die durch Unvollkommen- Der katholischer Theologe, Ökonom und In seinem bekanntesten Werk „Gesellschaft im fördert werde, wenn freier Wettbewerb herrsche. Demokratie ist.“ Nach Hayek sind Konjunktur- heiten des Marktes wie Informationsmängel, Sozialphilosoph forderte bei der Neuordnung Überfluss” zeigt er, dass der Kapitalismus Die Preise der Güter, und damit auch die Löhne/ zyklen die Folge von Abweichungen des Mobilitätshemmnisse, Anpassungskosten und des Wirtschaftssystems nach 1950, die privaten Reichtum und gleichzeitig öffentliche Gewinne der Produzenten, würden durch die freie Geldzinssatzes vom „natürlichen Zinssatz“, dem demografischen Wandel entstehe. Geldpoli- Arbeitnehmer in die Industriegesellschaft Armut produziert. Bereits 1958 warnte er Entscheidung der Käufer ins Gleichgewicht ge- Zinssatz, in dem Sparen und Investieren im tik mit dem Ziel der Vollbeschäftigung sei zum zu integrieren und den Arbeitgebern vor den Folgen ungezügelten Wachstums für bracht. Wenn das Angebot zu groß werde, wür- Gleichgewicht sind. Scheitern verurteilt und führe schlimmstenfalls gleichzustellen. Er setzte sich für die Beteiligung die Umwelt. den die Preise sinken und es würde weniger Pro- zur Steigerung der Inflation, die er als ein rein der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg duzenten geben. Dann stiegen wieder die Preise Prof. Dr. Walter Eucken monetäres Phänomen sah, dem die Zentralbank 16 und für die Mitbestimmung ein, weil die und die Löhne für die Beschäftigten, das reize (1891–1950) durch strikte Kontrollen der Geldmenge begeg- menschliche Arbeitskraft in der modernen GESTALTUNG UND ILLUSTRATION: PICFOUR. FOTOS: GETTY IMAGES(4), PICTURE ALLIANCE(5), ACTION PRESS(2), neue Unternehmen, in die Produktion einzustei- Der Nationalökonom, Mitbegründer der Freibur- nen könne. Friedmans Theorie folgten Ronald automatisierten Wirtschaft zu weiten Teilen ULLSTEIN BILD(2), BPK(2), IMAGEBROKER, INTERFOTO, OLIVIER ROLLERI/FEDEPHOTO/STUDIOX, AKG-IMAGES, CORBIS, gen und durch zusätzliche Waren wieder für ger Schule des Ordoliberalismus und Vordenker Reagan und Baroness Margaret Thatcher. verzichtbar sei. THINKSTOCK(12), SHUTTERSTOCK(4), NASA(3), ARCHIV(8), PR(23) Evonik-Magazin 2 | 2012 Evonik-Magazin 2 | 2012
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