Festschrift 150 Jahre - Verein Ehemaliger Weinsberger eV

 
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Festschrift 150 Jahre - Verein Ehemaliger Weinsberger eV
Festschrift
 150 Jahre
   1868 – 2018
Festschrift 150 Jahre - Verein Ehemaliger Weinsberger eV
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F e s t s c h r i f t 1 5 0 J a h r e LV WO We i n s b e r g

I N H A LT S V E R Z E I C H N I S

       Grußwort des Direktors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                 2
       150 Jahre Weinbauschule Weinsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                5

       DIE LETZTEN 25 JAHRE

                Schule und Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .               13
                Weinbau und Rebschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      18
                Rebenzüchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            25
                Kellerwirtschaft und Staatsweingut Weinsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                         30
                Obstbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    34
                Obstbauversuchsgut Heuchlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                               40
                Frucht- und Brennereitechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             43
                Analytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   46
                Qualitätsprüfung für Wein und Sekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             50
                Bodenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      53
                Mechanisierung im Obst- und Weinbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                    55
                Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       60

       JUBILÄUMSJAHR 2018

                Nach der Kirch.... so könnte es gewesen sein... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                63
                Große Ereignisse im Jubiläumsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                              64

       WA N D E L U N D B E S T Ä N D I G K E I T

                Alle reden vom Klima - 120 Jahre Wetterbeobachtung in Weinsberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                              70
                Rebschutz – alte Probleme und neue Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                   72
                Neue Apfelsorten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .           74
                Weintourismus und Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          78
                Internationale Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                  81
                Verein Ehemaliger Weinsberger e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             84
                Verein der Freunde und Förderer der Fachschule für Wein und Obstbau Weinsberg e.V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                                 86

       Organigramm 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            89
       Die Lehrkräfte der LVWO Weinsberg von 1868 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                  91
       Wir danken unseren Partnern, Förderern, Unterstützern und Freunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                                92
       Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     94

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Festschrift 150 Jahre - Verein Ehemaliger Weinsberger eV
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                            Grußwort des Direktors
                                                     DR. DIETER BLANKENHORN

Liebe Leserinnen und Leser,

Im Jahr 2018 konnte die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg
(LVWO) ihr 150-jähriges Jubiläum begehen. Sie ist die älteste Weinbauschule in Deutschland. 1868
bis 2018 - während 150 Jahren - wurde die Ausbildung für den Wein- und Obstbau in unterschied-
lichen Kursen angeboten. Die Gründung der Königlich Württembergischen Weinbauschule 1868
und der Beginn der Schule mit sechs Zöglingen, sonntags nach der Kirche, sind fast schon legendär
und bestimmen noch heute das Wesen und den Geist der Weinsberger Institution.

Initiator und Förderer war der Kameralverwalter Immanuel Dornfeld, der bereits 1849 konkrete Vorschläge für die Bildungsarbeit
formulierte, indem er eine Art Musterbetrieb beschrieb, der zum einen der Ausbildung dient, zugleich neue Erkenntnisse erarbeitet
und diese in die Praxis umsetzt. Um den Betrieb eigenständig und unabhängig zu führen, sollte er mit ausreichend Obst-, Acker- und
Rebflächen und entsprechenden Gebäuden ausgestattet sein. Das Weinsberger Profil der Ausbildung verknüpft in besonderem
Maße die theoretischen Grundlagen mit Erfahrungen im praktischen Betrieb. Bis heute hat sich dieses Konzept für die Weinsberger
Bildung als Markenkern bewiesen und steht für die einzigartige und erfolgreiche Bildungsarbeit im Wein- und Obstbau in
Baden-Württemberg.

Das Motto „Bildung - Forschung - Praxis seit 1868“ begleitete uns während des gesamten Jubiläumsjahres, das am 22.02.2018 mit
einem Festakt zur Gründung vor 150 Jahren begann. Nach einer kurzen Andacht in der Johanniskirche wechselten wir in die
LVWO um die Grußworte von Minister Peter Hauk, Verbandsvertretern und Kooperationspartnern zu hören. Der Theaterverein
Weinsberg ließ durch Spielszenen die Gründungszeit lebendig werden. Zudem konnte ein geschnitztes Jubiläums - Holzfass enthüllt
werden, das die Entwicklung im Wein- und Obstbau der letzten 150 Jahre darstellt.

Es ist mir eine große Freude, dass wir anlässlich unseres Jubiläums diese Festschrift über die Entwicklungen der letzten 25 Jahre in
den Händen halten. Sie berichtet über die Aktivitäten im Jubiläumsjahr 2018, die wesentlichen Meilensteine unserer 150 jährigen
Geschichte und sie zeigt eindringlich, wie vielfältig unsere Tätigkeitsfelder im 21. Jahrhundert sind.

Die letzten 25 Jahre waren für den Wein- und Obstbau stark von technischem Fortschritt, neuen Versuchsergebnissen und wissen-
schaftlichen Erkenntnissen geprägt. Insgesamt können die Rahmenbedingungen als wirtschaftlich stabil und von internationalem
Wettbewerb geprägt bezeichnet werden. Mehr denn je müssen jedoch die Anpassungen an eine sich verändernde Gesellschaft
erkannt und umgesetzt werden. In Zeiten der Digitalisierung sämtlicher Lebens- und Arbeitsbereiche werden die Zyklen der

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Anpassung immer kürzer. Erzeugerbetriebe, die diesen dynamischen Wandel begleiten, werden eine erfolgreiche Zukunft vor sich
haben. Unser Beitrag für diese Zukunft ist die Ausbildung der jungen Generation zu hervorragenden Fach- und Führungskräften im
Wein- und Obstbau.

Ein ereignisreiches Jahr mit vielen Höhepunkten und persönlichen Begegnungen liegt hinter uns. Eindrucksvoll konnten wir unseren
Gästen unseren Auftrag „Bildung - Forschung - Praxis seit 1868“ sowie den Geist der Weinsberger Institution aufzeigen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Mitarbeiter*innen im aktiven Dienst sowie bei allen ehemaligen Mitarbeiter*innen
der LVWO für die langjährig hervorragende Arbeit an Fachthemen, das Engagement für die Institution und für ein kollegial -
freundschaftliches Verhältnis untereinander, herzlich bedanken.

Für das beeindruckende Jubiläumsjahr 2018 danke ich für die große Unterstützung aller Akteure, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Freunde und Förderer sowie dem Netzwerk der Ehemaligen Weinsberger recht herzlich.

Dr. Dieter Blankenhorn
Direktor

                                                                                                                                   3
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150 Jahre
                      Weinbauschule Weinsberg
                                                       DR. DIETMAR RUPP

Am Sonntag, den 23. Februar 1868, im Anschluss an den Vormit-     Schädlinge und Krankheiten aus Übersee eingeschleppt wurden,
tagsgottesdienst, wurde in Weinsberg die Königlich Württem-       war bereits das eine und andere Krisenjahr zu bewältigen.
bergische Weinbauschule eröffnet. Bis zu dieser kleinen Feier-
stunde und dem eigentlichen Start der ältesten Weinbauschule      D O R N F E L D H AT E I N E I D E E
Deutschlands war es jedoch ein langer Weg.                        Erste Ansätze zu Verbesserung der Situation entwickelten die im
Während des 19. Jahrhunderts hatte der Weinbau in Würt-           Jahr 1825 in Stuttgart gegründete „Gesellschaft für die Weinver-
temberg mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zu einer           besserung“ und insbesondere der 1828 entstandene „Weinbauver-
Reihe von Fehlherbsten, Preisverfall und Konkurrenz durch den     ein“ (HAAG, 1980). Dieser finanzierte sich auf Aktienbasis und
zunehmenden Bierkonsum kamen strukturelle Probleme wie            sah seine Aufgabe in
die durch die Realteilung verursachte Besitzzersplitterung. Mit   l   Forschung und „Bekehrung“ auf dem Gebiet des Weinbaus
wenigen Ausnahmen gab es keine reinen Weinbaubetriebe. Mit            und der Kellerwirtschaft,
etwas Ackerbau, Viehzucht, Obst und vielleicht ein- oder zwei     l   der Abgabe von geeignetem Pflanzholz an die Weingärtner
handtuchartigen Rebengrundstücken musste die Familie ernährt          und
werden. Ganz im Argen lag die Weinbereitung. So kannte die        l   insbesondere in der Anlage und Bewirtschaftung
Mehrzahl der württembergischen Weingärtner weder den eige-            sortenreiner Musterweinberge
nen Weinausbau, noch die eigene Einlagerung oder gar die Fla-     Was nun den Bereich der Bekehrung oder besser gesagt, Aus-
schenfüllung. Die meist im gemischten Satz erzeugten Trauben      bildung betraf, wurden mit der Gründung der Ackerbauschule
wurden im Freien in der großen Bütte vergoren und noch unter      Hohenheim im Jahr 1818 (ab 1847 Landwirtschaftliche Akade-
der Presse an den Weinhändler verkauft. In guten Jahren war der   mie, seit 1967 Universität Hohenheim) für die Landwirtschaft
Preis schlecht, in Fehljahren gab es nichts zu verkaufen. Noch    schon früh neue Wege beschritten. Für den Weinbau fehlte eine
bevor mit Reblaus, Echtem Mehltau und Peronospora neue            entsprechende Bildungseinrichtung.

                                                                                                                   Küferkurs 1906

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1 5 0 J a h r e We i n b a u s c h u l e We i n s b e r g

Noch 1850 stellte Professor Karl Wilhelm Göritz (1802-1853),                POLITIK MACHT SCHULE
der vor seiner Berufung nach Tübingen an der Hohenheimer                    Die gedanklichen Vorarbeiten von Dornfeld und Göritz werden
Akademie auch Vorlesungen über Weinbau und Weinbereitung                    ab 1852 auch von der Politik aufgegriffen. Es ist der Abgeordnete
gehalten hatte, ernüchtert fest, dass es in ganz Europa, auch in            Seybold aus Ludwigsburg, der in der württembergischen Ab-
dem großen Weinland Frankreich keine richtige Weinbauschule                 geordnetenkammer im Februar 1852 den Antrag einbringt, die
gäbe. In einem Aufsatz untersuchte er daher, „unter welchen                 Königliche Regierung um Errichtung einer Weinbauschule zu
Voraussetzungen eine höhere theoretisch-praktische Lehranstalt              bitten. In seinem Antrag fordert er:
für Weinbau und Weinbereitung geschaffen werden kann.“                      „Ähnlich unseren Ackerbauschulen eine Weinbauschule zu
Als gute Lösung sieht er eine höhere theoretisch-praktische                 errichten, welche ganz wie jene ihre Zöglinge durch Schulunter-
Lehranstalt mit drei wissenschaftlich gebildeten Bediensteten, die          richt und praktische Einübung ausbilden, sogleich als Muster-
den entsprechenden Unterricht oder Vorlesungen halten sollen.               wirtschaft für Weinbau und die damit verwandten Zweige des
Für praktische Übungen sollen zusätzlich ein Weinbauaufseher                Garten- und Handelsgewächsbaues zu dienen und mit Lösung
und ein Küfermeister zuständig sein (JUNGER, 1968).                         aller der Fragen über Auswahl der für Rebsorten geeigneten La-
Im Kern übernimmt Göritz dabei das Modell der bereits beste-                gen, Boden und Dünger für dieselben, Schnittmethode, zweck-
henden Ackerbauschulen, wie er es von Hohenheim her kennt.                  mäßige Lese und Kelterung, Gärung und Kellerbehandlung sich
Die Ausbildung gliedert er in drei Stufen. In der ersten Klasse             zu beschäftigen hätte.“
soll ein wissenschaftlich geschulter Führungsnachwuchs heran-               Seybold braucht viel Geduld, denn erst ein Jahr später, in der
gezogen werden. Die zweite Klasse ist für junge Weingärtner                 Sitzung vom 15. April 1853, wird über den Antrag diskutiert. Im-
vorgesehen, die gleichzeitig Arbeiter im Betrieb sind. Während              merhin wird vom volkswirtschaftlichen Ausschuss der Kammer
einer zweijährigen Ausbildung sollen beide Klassen getrennten               die Notwendigkeit einer Weinbauschule bestätigt. Sie soll sieben
Unterricht entsprechend ihrer Vorbildung erhalten. In der                   bis zehn Hektar Rebfläche erhalten und zu einer zweijährigen
dritten Klasse schließlich sollen Küfer in einem einjährigen                Ausbildung jährlich 6 - 7 „Zöglinge“ aufnehmen. Allerdings
Lehrgang in der Weinbereitung sowie in der Schaumwein- und                  sieht der Ausschuss keine Notwendigkeit, auch zugleich eine
Branntweinherstellung unterrichtet werden.                                  gesonderte Ausbildung für Küfer anzubieten. Am Ende stim-
Schon einige Jahre vor Göritz befasste sich der Kameralverwalter            men die Abgeordneten für die Schule und bitten den König, die
und weinbauliche Autodidakt Immanuel Dornfeld (1796 – 1869)                 Errichtung baldmöglichst vorzunehmen.
mit der Frage der Ausbildung im Weinbau (HACHENBERGER,                      Die königlich württembergische Regierung folgt in diesen
1998). Er formulierte sogar konkrete Vorschläge, die er bereits             Tagen aber anderen Prioritäten. Und auch erst im November
1849 bei der Königlichen Zentralstelle für die Landwirtschaft in            1854 lässt König Wilhelm I. ausrichten, der Plan sei aufgrund
Stuttgart einreichte. Seine Überlegungen zielen auf eine Schule,            der schlechten Finanzlage bis auf weiteres zurückzustellen. So
bei der ein hauptverantwortlicher Lehrer und Schulvorstand                  muss nach dem ersten Vorschlag Dornfelds zur Errichtung einer
den theoretischen Unterricht erteilt. Für die praktischen Unter-            Weinbauschule mehr als ein Jahrzehnt verstreichen, bis ein durch
weisungen im Wein- und Obstbau empfiehlt auch er zusätzlich                 Neckarsulmer Weingärtner initiierter berufsständischer Vorstoß
die Anstellung eines tüchtigen Weinbergmeisters. Die Schüler                im Jahr 1861 wieder Bewegung in die Angelegenheit bringt.
sollten unentgeltliche Verpflegung und Unterkunft erhalten                  Dank der Vorarbeiten geht es jetzt schneller voran. Die neuen
und im Gegenzug neben dem Unterricht sämtliche anfallenden                  Aktivitäten münden sogar in einen Gründungsbeschluss: nach
praktischen Arbeiten erledigen.                                             dem gemeinsamen Vortrag von Kultus- und Innenminister im
Damit entwirft Dornfeld eine Art Musterbetrieb, der zum einen
der Ausbildung dient, nebenbei neue Erkenntnisse erarbeitet
und diese in die Praxis umsetzt. Um den Betrieb eigenständig
und auf eigene Rechnung führen zu können, sollen der Schule
ausreichend Obst-, Acker-, Rebflächen sowie entsprechende
Gebäude zur Verfügung gestellt werden. Wie sehr sich Dornfeld
mit der weinbaulichen Wissensvermittlung beschäftigte, zeigt
im Grunde auch der Titel seiner 1859 in Druck gegebenen Wein-
baulehrschrift: „Weinbauschule, oder Anleitung zu Pflanzung der
Rebe und Gewinnung des Weins.“

                                                                                        Modell einer Hydraulischen Presse, Weinbauschule um 1900

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Festschrift 150 Jahre - Verein Ehemaliger Weinsberger eV
1 5 0 J a h r e We i n b a u s c h u l e We i n s b e r g

Dezember 1863 gibt König Wilhelm wenige Monate vor seinem
Tod die Zustimmung zur Gründung der Weinbauschule.
Im Etat des Ministeriums für das Kirchen- und Schulwesen
werden für die Jahre 1864-1867 die notwendigen Mittel einge-
stellt. Geplanter Standort für die künftige Weinbauschule ist die
Staatsdomäne Weißenhof in Weinsberg und noch im Jahr 1864
wird vorsorglich mit dem Aufkauf von Rebland begonnen. 1866
gibt es endlich auch personelle Entscheidungen. Mit Christian
Single aus Stuttgart als erstem Vorstand und Johannes Mühl-
häuser als Stellvertreter übernimmt eine Doppelspitze die wei-
teren Vorarbeiten. Single ist nicht nur ehrenwertes Mitglied des
Stuttgarter Gemeinderats, als Weinbausachverständiger hat er
sich intensiv mit Rebsorten befasst und im Jahre 1860 sogar eine
bemerkenswerte Ampelographie veröffentlicht. Mühlhäuser, der
                                                                            Rebenerziehung im Remstal: Zeichnung von Gottlob Halbgewachs 1908
zuvor in Hohenheim tätig war, erhält den Titel eines Inspektors
und regelt die Angelegenheiten vor Ort in Weinsberg. Zu klären
hat er dort vor allem den Standort der künftigen Lehranstalt.               Für die Zöglinge war die zweijährige Ausbildung an der Schule
Die Domäne Weißenhof außerhalb des Städtchens hält er für                   streng geregelt (JUNGER, 1968). Von früh bis spät war der Tag
gut geeignet, doch werden die 28 Morgen Weinberge des Gutes                 ausgefüllt mit Unterricht, Arbeit in Weinberg, Feld und Stall so-
von Kritikern als eher mittelmäßig bis gering eingestuft. Eine              wie praktischen Unterweisungen. Das Wohnen im Internat war
Weinbauschule müsse Weinberge nicht nur in guten sondern                    Pflicht. Urlaub oder Ferien waren knapp bemessen. Am Sonntag
auch in verschiedensten Lagen haben, sonst sei ein Lehrerfolg               war bis zum Beginn des Gottesdienstes Zeichenunterricht, für
nicht möglich. Außerdem gäbe es im Ort staatliche Gebäude,                  ein paar Freistunden blieb nur der Sonntagnachmittag. In den
die sinnvoll genutzt werden müssten. Gemeint war damit das                  Monaten März bis Oktober stand die praktische Ausbildung im
Oberamtsgerichtsgebäude, dessen Keller vom Vorbesitzer zur                  Vordergrund. Der Unterricht beschränkte sich dann auf den frü-
Champagnerproduktion(!) genutzt wurde. Zufall oder nicht: es                hen Morgen ab 5.30 h und auf die Spätnachmittags- und Abend-
war Immanuel Dornfeld, der als Kameralverwalter das Gebäude                 stunden. Um 21.00 h wurde das Tor geschlossen und um 21.30 h
im Jahr 1856 für die Liegenschaftsverwaltung erworben hatte.                das Licht gelöscht. In den Wintermonaten mit kurzen Tagen war
Passend dazu gelangte Ende der 1860er Jahre das ebenfalls an der            um 1900 der Unterricht entsprechend intensiver von 6.00 h bis
Haller Straße liegende Anwesen der Familie Hildt in öffentliches            12.00 h und von 18.00 h bis 19.30 h. Dieser Ausbildungsrhythmus
Eigentum.                                                                   wurde mit geringfügigen Veränderungen bis in die 1940er Jahre
                                                                            beibehalten. In den Kriegsjahren konnten ab November 1942
DAS HARTE LEBEN DER ZÖGLINGE -                                              nur noch Kurzlehrgänge angeboten werden.
F R E I Z E I T N U R A M S O N N TA G N A C H M I T TA G                   Erst ab Februar 1947 gab es wieder regulären Unterricht. Und
Öffentlich bekannt wurde die Weinbauschule erstmals im Januar               mit dem Neubeginn nahm die Zahl der Schüler gegenüber den
1868. Das Wochenblatt für die Land- und Forstwirtschaft be-                 Vorkriegsjahren stetig zu, die normale Klassenstärke betrug jetzt
richtete über die Einrichtung der Schule und forderte gleichzeitig          20 bis 25 Schüler. Neuerungen gab es beim Tagesablauf als
Interessenten zur Abgabe einer Bewerbung auf. Zwölf Bewerber                auch im Lehrplan. Es wurde nach Jahrgangsstufen getrennt
meldeten sich und nach einer Aufnahmeprüfung wurden für das                 unterrichtet, die beiden Klassen des zweijährigen Kurses
Jahr 1868 die ersten sechs „Zöglinge“ aufgenommen. Sie traten               waren abwechselnd im Unterricht oder im praktischen Betrieb.
am Samstag, den 22. Februar 1868 in die Anstalt ein und tags                Sowohl die Anzahl der Fächer als auch der Unterrichtsumfang
darauf war dann - wie schon erwähnt - die offizielle Eröffnung.             wurde deutlich erhöht. Die produktionstechnischen Fächer
Damit begann das Wirken der ersten deutschen Weinbauschule.                 sowie die naturwissenschaftlichen Grundlagenfächer erfuhren
Nach den sogenannten „organischen Bestimmungen für die                      eine Vertiefung und die neu hinzugekommene Betriebs- und
Königliche Weinbauschule“ war ihr Zweck, „junge Männer,                     Arbeitswirtschaft konnte in den Unterricht integriert werden.
vornehmlich aus dem Stande der Weingärtner, durch passenden                 Größeres Gewicht erhielten nun auch praktische Übungen und
Unterricht und durch Einübung beim Betrieb der mit der                      Seminare zur Vertiefung der erlernten Stoffgebiete. Hinzu kamen
Anstalt verbundenen Weinberge, Frucht- und Gemüsepflan-                     regelmäßige Lehrfahrten und Exkursionen.
zungen, Baum- und Rebschulen usw. teils zu einer besseren
Bewirtschaftung ihres eigenen Grundbesitzes zu befähigen, teils
zu künftigen tüchtigen Aufsehern und Vorarbeitern für derartige
Betriebe heranzuziehen.“

                                                                                                                                            7
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VOM WEINBAUSCHÜLER ZUM TECHNIKER
Die Weinsberger Absolventen hatten sich inzwischen durch ihre
gute Qualifikation als Betriebsleiter, sowohl in den eigenen Be-
trieben, als auch in größeren Weingütern, Genossenschaften und
Kellereien einen Namen gemacht. Nur der Schulabschluss in
Weinsberg war namenlos geblieben. Nachdem Ende der 1950er
Jahre die Geisenheimer Technikerausbildung in ein sechssemest-
riges Ingenieurstudium umgewandelt wurde, bot sich ab 1962 die
Gelegenheit, die bestandene Abschlussprüfung in Weinsberg
mit dem Titel „Staatlich geprüfter Wein- und Obstbautechniker“
(Anm.: aus Gründen der Lesbarkeit wird bei den Bezeichnungen
der Bildungsgänge die männliche Form verwendet) zu versehen.
                                                                                               Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom
In einer erneuten Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen                                          9. Januar 1868 - Errichtung der Weinbauschule
erfolgte 1977 eine Gliederung des zweijährigen Bildungsganges
in die Fachrichtungen „Staatlich geprüfter Techniker für Wein-             wurde der Obstbau in den 1950er und 1960er Jahren in Form
bau und Kellerwirtschaft“ und „Staatlich geprüfter Techniker               von Baumwartlehrgängen und Schnittkursen. Seit 1989 gibt es
für Obstbau und Obstverwertung“. Gleichzeitig wurden die                   an der Weinsberger Schule einen dem Weinbau analogen Bil-
Aufnahmevoraussetzungen dahingehend geändert, dass für den                 dungsgang, der der Vorbereitung auf die Gärtnermeisterprüfung
Bildungsgang Techniker mindestens das Zeugnis der mittleren                Fachrichtung Obstbau dient. Die Teilnehmer durchlaufen auch
Reife oder ein gleichwertiger Bildungsstand, eine erfolgreiche             hier zwei fachtheoretische Halbjahre und ein fachpraktisches
Abschlussprüfung in einem einschlägigen Ausbildungsberuf der               Sommerhalbjahr. Nach erfolgreicher Prüfung sind sie „Staatlich
Landwirtschaft oder der Kellerwirtschaft und eine mindestens               geprüfter Wirtschafter für Obstbau.“
einjährige einschlägige berufliche Tätigkeit nach der beruflichen          Wenngleich in den Anfangsjahren der Schule eher stiefmütter-
Abschlussprüfung nachgewiesen werden mussten (GÖTZ &                       lich behandelt, so wurde der Weinbereitung doch zunehmend
STEINER, 1993). Damit wurde der eher praktische Teil der Aus-              mehr Bedeutung im Unterricht eingeräumt. Hiervon zeugen
bildung gewissermaßen ins Vorfeld der Schule verlagert. In der             auch die um 1910 von der damals noch selbstständig agierenden
Gegenwart haben sich durch die jüngst eingeführte Möglichkeit              Versuchsanstalt durchgeführten Hefe-Lehrkurse. Schon in den
des Dualen Studiums die Bildungsgänge der Hochschulen und                  1930er Jahren wurden Gedanken für eine Kellermeisterschule
damit die Ausbildungslandschaft im Weinbau generell verändert.             vorgestellt, doch erst ab 1957 gelang es, einen entsprechenden
Wie sich dieser verstärkte Trend zur Akademisierung auswirken              Lehrgang zu etablieren. Organisiert wird diese Bundesfachklasse
wird, ist nicht abzusehen, doch wird die Weinbranche auch in               für das Weinküferhandwerk (jetzt: Weintechnologen) bis heute
Zukunft Führungskräfte mit guter Ausbildung und praktischen                in Zusammenarbeit mit dem Verband des Deutschen Fass- und
Fähigkeiten benötigen.                                                     Weinküferhandwerks. Der Lehrgang dient der Vorbereitung auf
Eine weniger zeitintensive Alternative zur zweijährigen Wein-              die Meisterprüfung. Unterrichtsfelder und fachliche Themen
bauschule war mit Beginn der 1930er Jahre der „Winterkurs                  sind immer Kinder ihrer Zeit. So gab es um 1930 hauswirt-
für Weingärtnersöhne.“ Aus diesem Angebot entwickelte sich                 schaftliche Kurse zur Obst- und Gemüseverwertung, Lehrgänge
zunächst das „Weinbau-Wintersemester“, welches auf den Unter-              zur Bienenzucht, zur Obstmostherstellung oder in den 1950er
kurs an einer Landwirtschaftsschule aufbaute. Ab 1975 werden so-           Jahren Unterweisungen zum Einsatz von Sprengstoff, um mit
wohl Unter- als auch Oberkurs in Weinsberg angeboten. Damit                dem „Kultursprengverfahren“ die mühevolle Rigolarbeit zu
wurden diese Winterlehrgänge in den Bildungsgang „Staatlich                erleichtern.
geprüfter Wirtschafter für Weinbau“ mit zwei fachtheoretischen             Eine Grundlinie der modernen Weinvermarktung besteht darin,
Halbjahren und einem fachpraktischen Halbjahr übergeführt.                 den Wein als regionales Produkt kenntlich zu machen und dem
                                                                           Kunden zusätzliche Erlebnisse und Informationen zu bieten. Um
WEINSBERG IST AUCH OBSTBAUSCHULE                                           diese Vermittlungsarbeit zu unterstützen, gibt es in Weinsberg
Schon seit den ersten Unterrichtseinheiten im Jahr 1868 hat                seit 2008 die Ausbildung zum anerkannten Weinerlebnisführer.
auch der Obstbau einen festen Platz in den Lehrplänen der                  Ein „Brennerkurs“ führt seit 2003 zum staatlich geprüften Ab-
Weinsberger Weinbauschule. Ein eigenständiger obstbaulicher                schluss „Fachkraft für Brennereiwesen.“
Unterrichtsstrang entstand schon im Jahr 1878 mit einem
elfwöchigen Obstbaulehrkurs. Die Lehrkurse wurden bis in die               D I E V E R S U C H S A N S TA LT
1930er Jahre angeboten, zuständig waren die jeweiligen Leiter der          Die zweite Wurzel der heutigen Staatlichen Lehr- und Ver-
Weinbauschule, unterstützt wurden diese durch obstbauliche                 suchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) ist die im Jahr
Praktiker. Als eigenständiger Bildungsgang erneut aufgegriffen             1901 ebenfalls in Weinsberg gegründete Versuchsanstalt. Ab

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                                                                            selbstständige „Württembergische Anstalt für Rebenzüchtung
                                                                            und Rebenpfropfung“ in Offenau. Unweit der Wimpfener Kai-
                                                                            serpfalz lag dort ab 1907 der Schwerpunkt auf der Bereitstellung
                                                                            von Pflanzmaterial und der Erhaltungszüchtung. Erste Kreu-
                                                                            zungsarbeiten wurden am zweiten und späteren Hauptstandort
                                                                            Lauffen intensiviert. Verantwortlich für die Rebenzüchtung ab
                                                                            den späten 1920er Jahren und nach Krieg und Gefangenschaft
                                                                            war August Herold (1902-1973). Aus seinen Kreuzungen stam-
                                                                            men unter anderem die erfolgreichen Rebsorten Kerner und
                                                                            Dornfelder.

                                                                            FREUNDE FÜRS LEBEN
                                                                            Ob Weinbauschule oder Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt -
                                                                            das Bemühen um eine Verbesserung der baulichen Verhältnisse
                                                                            begleitet die Geschichte der Einrichtung seit dem Gründungstag.
                                                                            Schon 1885 beklagte sich Inspektor Mühlhäuser über den „Rum-
                                                                            pelkasten“, in dem die Schule ihre Heimstätte gefunden hatte.
                                                                            Und so verwundert es nicht, dass für die jeweiligen Anstaltsdi-
                                                                            rektoren (Johannes Mühlhäuser 1868-1895, Heinrich Schoffer
                                                                            1895-1928, Friedrich Gräter 1929-1945, Ernst Klenk 1946-1970, Dr.
                                                                            Gerhard Götz 1970-1995, Dr. Günter Bäder 1995-2017, Dr. Dieter
                                                                            Blankenhorn seit 2017) Bauangelegenheiten immer ein Teil der
                                                                            Aufgabe waren und bleiben werden. Erste wichtige bauliche
                                                                            Verbesserungen ergaben sich 1898/99 durch eine Erweiterung
                                                                            des Schul- und Internatsgebäudes sowie einen Neubau für die
               Drei Direktoren: Dr. Dieter Blankenhorn (seit 2017),
      Dr. Gerhard Götz (1970-1995), Dr. Günter Bäder (1995-2017)
                                                                            1901 gegründete Versuchsanstalt. Ein langersehntes Schul- und
                                                                            Verwaltungsgebäude entstand 1985, im Jahr 1999 erhielt das
                                                                            Staatsweingut einen neuen Verkaufsraum und mit dem Herbst
1924 wurde sie als „Weinchemische Abteilung“ mit der Wein-                  2002 kam der erste Jahrgang in die neue Versuchskellerei. Seit
bauschule zur „Württembergischen Lehr- und Versuchsanstalt“                 2009 steht ein moderner Sensorikraum zur Verfügung .
zusammengeführt. Nach dem Vorbild eines bereits in Geisen-                  Die Flächenausstattung der Weinbauschule bestand ursprüng-
heim bestehenden Instituts widmete man sich zunächst dem                    lich in einer in Weinsberg angesiedelten Musterwirtschaft für
Gärungsgeschehen und der Hefereinzucht. Spätere Aufgaben                    Weinbau und der damit verbundenen Zweige des „Garten- und
waren die Testung von Weinbehandlungsmitteln und Verfahren                  Handelsgewächsbaus“.
der Weinanalytik sowie Untersuchungen zur Wirksamkeit                       Heute verfügt die Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und
von Pflanzenschutzmitteln. Das weitgefasste Aufgabenfeld                    Obstbau über mehrere Standorte. Mit den Weinbaubetrie-
der früheren Versuchsanstalt wird heute im Wesentlichen von                 ben Gundelsheim, Weinsberg und Burg Wildeck stehen
den LVWO-Abteilungen Obst- und Weinbau sowie Frucht-                        Versuchsflächen in den für Württemberg typischen geologischen
und Weintechnologie bearbeitet. Wichtige Impulse für die                    Formationen und Klimaräumen zur Verfügung. Seit 1953 besteht
kellerwirtschaftliche Praxis lieferten ab den 1950er Jahren die in          das Obstbauversuchsgut Heuchlingen.
Weinsberg entwickelten Erhitzungsverfahren zur Rotweinbe-                   Weinbauschüler, Obstbauern, Techniker, Wirtschafter, Baum-
reitung. Wegweisende Arbeiten im Weinbau waren die ersten                   warte, Küfer, Brenner und Gästeführer - während der letzten 150
großflächigen Praxistests zur Traubenwicklerverwirrung in den               Jahre haben rund 7.000 Menschen in Weinsberg „die Schulbank
1980er Jahren oder die Entwicklung von Progonosemodellen bei                gedrückt“. Unzählige Tagesbesucher erhielten in Seminaren, bei
Rebkrankheiten. Eine feste Größe im Weinsberger Obstbau sind                Vorträgen und Informationsveranstaltungen wertvolle Informa-
das Stein- und Beerenobst sowie das ökologische Versuchswesen               tionen für die berufliche Weiterbildung. Wer länger in Weins-
und der in Weinsberg angesiedelte Beratungsdienst ökologischer              berg war – dem wurde aber nicht nur Wissen und Fertigkeiten
Obstbau. Mit der amtlichen Prüfstelle für Wein- und Sekt und                vermittelt. Viele „Weinsberger“ aus dem Bundesgebiet, dem
der Weinbaukartei erfüllt Weinsberg weinrechtliche Verwal-                  europäischen Ausland oder aus Übersee haben in der vormaligen
tungsaufgaben. Die Produkte aus Keller, Brennkessel und Obst-               Königlich Württembergischen Weinbauschule Freunde fürs
anlagen werden durch das Staatsweingut Weinsberg vermarktet.                Leben gefunden.
Keimzelle der Weinsberger Rebenzüchtung ist die ehemals

                                                                                                                                           9
1 5 0 J a h r e We i n b a u s c h u l e We i n s b e r g

Q U E L L E N U N D L I T E R AT U R

Archiv LVWO Weinsberg. (ab 1868). Rechenschaftsberichte der
Weinbauschule Weinsberg.
GÖTZ, G., & STEINER, H. (Hrsg.). (1993). 125 Jahre Staatliche
Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Festschrift
1868-1993.
HAAG, O. (1980). Das Wirken des Württembergischen Wein-
bau-Vereins von 1828 bis 1864. Sonderdruck. Weinbauverband
Württemberg eV.
HACHENBERGER, R. (1998). Immanuel August Ludwig
Dornfeld – Pate der Rotwein-Neuzüchtung Dornfelder. Deut-
sches Weinbau-Jahrbuch, S. 261-268.
JUNGER, W. (1968) in KLENK, E. (Hrsg.). Festschrift
1868-1968. Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Obst- und
Weinbau Weinsberg.
Verein Ehemaliger Weinsberger e.V. (Hrsg.). (2010). Festschrift
1910-2010.

                                                                                                      Weinbau-Praktikum 2017

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12
Schule und Bildung
                                                           ROLF HAUSER

Die Abteilung Schule ist Dreh- und Angelpunkt für die              regelrechter Einbruch, mit nur 13 Schülern hatte der Jahrgang
Umsetzung der Aus-, Fort- und Weiterbildung an der LVWO.           1996/1998 die bisher geringste Klassenstärke. Doch bald erholten
Im Bildungsbereich gibt es immer neue Strömungen und Ent-          sich die Bewerberzahlen und erhöhten sich nach 2000 wieder bis
wicklungen. Die Bildungsgänge insbesondere unterliegen einem       auf 60 Bewerber pro Jahr. Eine zweite Klasse konnte aus Kapa-
stetigen Wandel. In ihrer ursprünglichen Struktur stammen sie      zitätsgründen nicht mehr aufgemacht werden. Infolgedessen
aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Über die Zeit der vergan-       musste die Wartezeit auf zwei Jahre ausgedehnt werden.
genen 25 Jahre waren immer wieder Anpassungen notwendig            In den Jahren nach der Jahrtausendwende wurden auch die
und neue Ausbildungsgänge kamen hinzu. Nicht zuletzt haben         Lehrinhalte umgestaltet und an die erwähnten Erfordernisse
sich auch die Rahmenbedingungen im Obst- und Weinbau, in           angepasst. Fächer wie Marketing, Sensorik und Informations-
der Vermarktung und in unserer Gesellschaft, innerhalb dieses      technologie traten in den Vordergrund. Umweltschutz und Fra-
Zeitraums wesentlich verändert.                                    gestellungen des ökologischen Anbaus erhielten mehr Gewicht.
Der fortschreitende Strukturwandel hat die Betriebe wachsen        Seit der Einführung der Fächer Englisch und Technische Mathe-
lassen. Dies erfordert in der Außenwirtschaft einen effizienten    matik im Jahr 2002 erlangen die Techniker mit ihrem Abschluss
Technikeinsatz. Noch wichtiger als die Deckelung der Erzeu-        zugleich die Fachhochschulreife. Seit 2005 tragen sie den Titel
gungskosten ist die Stabilisierung der Erlöse. Vermarktung und     „Staatlich geprüfter Techniker / staatlich geprüfte Technikerin für
Marketing sind daher zur zentralen Herausforderung für die         Weinbau und Oenologie“.
Betriebe geworden.                                                 Zwischen 2012 und 2014 wurde die Ausbildungs- und Prüfungs-
Wie andere Bereiche der Landwirtschaft stehen auch Wein- und       ordnung für alle landwirtschaftlichen Fachschulen überarbeitet.
Obstbau im Rampenlicht der Umweltdiskussion. Verändert             Leider hatte man in dieser Zeit bei der Umsetzung des Bolog-
haben sich auch die gesamtgesellschaftlichen Vorstellungen zur     na-Prozesses in Deutschland zu sehr die Hochschulen im Fokus
Schule und zur Berufsbildung generell. So ist der Trend zur Aka-   und die berufliche Qualifikation zu wenig beziehungsweise gar
demisierung der Ausbildung im Wein- und Obstbau deutlich zu        nicht berücksichtigt. Aufgrund dieser einseitigen Aufwertung
spüren.                                                            der akademischen Abschlüsse kam und kommt es zu einem
                                                                   massiven Einbruch der Ausbildungszahlen in den praktischen
TECHNIKER FÜR WEINBAU UND OENOLOGIE                                Berufen. Auch die nachträgliche Anerkennung des Technikers,
Ende der 1980er Jahre hießen die Absolventen des Lehrganges        des Wirtschafters und des Meisters mit der Bewertungszahl
noch „Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft“. Damals          6 nach dem deutschen und EU-Qualifikationsrahmen bringt
waren die Bewerberzahlen sehr hoch, es musste sogar zweizügig      wenig Änderung.
unterrichtet werden. Dann kam Mitte der 1990er Jahre ein

                                                                                                   Verabschiedung Obstbaumeister 2019

                                                                                                                                    13
S chule und Bildung

                                                                        WIRTSCHAFTER FÜR OBSTBAU
                                                                        Im Gegenzug zum nachlassenden Interesse am Bildungsgang
                                                                        Techniker für Obstbau stiegen die Schülerzahlen im Ausbil-
                                                                        dungsgang zum Staatlich geprüften Wirtschafter für Obstbau
                                                                        kontinuierlich an. In der Regel vervollständigen die Absolventen
                                                                        diese Ausbildung mit dem Abschluss der Gärtnermeisterprüfung
                                                                        in der Fachrichtung Obstbau. Der „Obstbaumeister“ hat in der
                                                                        Berufspraxis eine hohe Akzeptanz und ist deswegen die zentrale
                                                                        schulische Weiterbildung im obstbaulichen Bereich der LVWO
                                 Sektprojekt 2011 - letzte Feinarbeit
                                                                        Weinsberg. Im Süden von Deutschland hat sich die LVWO als
                                                                        solider Ausbildungsstandort für diese berufliche Qualifikation
                                                                        etabliert. Die ursprüngliche Ausbildung zum Wirtschafter für
                                                                        Obstbau bestand in einem 20-wöchigen Kurs, der sich über das
                                                                        Winterhalbjahr von Oktober bis April des Folgejahres erstreck-
                                                                        te. Sehr schnell stellte sich heraus, dass diese Version weder für
                                                                        die Schüler noch für die Schule vorteilhaft war. Ab dem Jahrgang
                                                                        1997 wurde, wie bei den Winzern, auf zwei Winterhalbjahre
                                                                        umgestellt. Die allgemeinen Fächer konnten mit den Winzern
                                                                        zusammen unterrichtet werden und so konnten gewisse Syner-
                                                                        gieeffekte erzielt werden. Erfreulicherweise erreichte die Zahl der
                                                                        Obstbauern in manchen Jahren 30 und mehr Teilnehmer. Inzwi-
                                                    Sektprojekt 2011
                                                                        schen haben sich die Teilnehmerzahlen in beiden Fachgruppen
Nicht nur in der Privatwirtschaft, auch im öffentlichen Dienst,         auf gutem Niveau stabilisiert. Daher kann wieder komplett
wird diese Einstufung bei der Bewerberauswahl leider nicht              getrennt unterrichtet werden.
berücksichtigt. Dass die Weinsberger Absolventen wegen ihrer
breit gefächerten Kenntnisse und ihrer zugleich praktischen Fä-
higkeiten für die Branche noch nie so wertvoll waren wie heute,
mag ein gewisser Trost sein.

TECHNIKER FÜR OBSTBAU UND
OBSTVERWERTUNG
Bedingt durch die fehlende Weiterverarbeitungsstufe wie beim
Weinbau die Weinbereitung war der Obstbautechniker immer
weniger nachgefragt. So gingen die Interessentenzahlen bis zum
Jahrgang 1996/1998 auf fünf Teilnehmer zurück. Auch in den
Folgejahren kamen nicht mehr genügend Interessierte zusam-
men. Entsprechend wurde der Lehrgang in einer Neufassung der
Fachschulverordnung nicht mehr aufgeführt. Mit dem Jahr 1998
wurde die Ausbildung eingestellt.                                                  Obstbaumeister 2015 - Freude über die bestandene Prüfung

WIRTSCHAFTER FÜR WEINBAU UND OENOLOGIE
Nach wie vor ist der Ausbildungsgang zum Wirtschafter für
Weinbau und Oenologie die weniger zeitintensive Alternative
zum zweijährigen Technikerkurs. Während in den 1980er Jahren
die Klassenstärke noch 30 Personen umfasste, setzte ab Mitte der
1990er Jahre eine gravierende Änderung ein. Die Bewerberzah-
len schmolzen zusammen und liegen jetzt bei dem alle zwei Jahre
stattfindenden Kurs bei 10 – 15 Teilnehmern. Für die Mehrzahl
der „Staatlich geprüften Wirtschafter für Weinbau und Oeno-
logie“ dient der Lehrgang als Vorbereitung auf die Prüfung zum
Winzermeister. Über 80 Prozent der Absolventen erwerben
anschließend den Meisterbrief.                                                                             Familientag der Ehemaligen 2018

14
S chule und Bildung

                                                                         Für Weinsberg öffnen sich alle Türen - Techniker 2016 in Italien

FA C H K R A F T F Ü R B R E N N E R E I W E S E N                 Jahr angeboten. Als 2004 der Meisterzwang für das Küferhand-
2003 kam mit der Fachkraft für Brennereiwesen ein neuer Ausbil-    werk aufgehoben wurde, war zu befürchten, dass die Nachfrage
dungsgang in Weinsberg dazu. Rund zwanzig Teilnehmer lassen        nach dieser Fortbildung stark zurückgehen würde. Überraschen-
sich alle zwei Jahre für das Brennen begeistern und fortbilden.    derweise trat dies nicht ein. Die Qualifikation wird nach wie
Die Herkunft der Teilnehmer reicht von Schleswig-Holstein          vor nicht nur von den Teilnehmern gewünscht, sondern auch
über den Schwarzwald bis nach Tirol, in die Schweiz und Serbien.   von den Arbeitgebern gefordert. Die Anzahl der Teilnehmer
Das Durchschnittsalter der Kursteilnehmer ist erwartungsge-        schwankt zwischen 12 und 20. 2018 wurde der Meisterzwang für
mäß höher als bei den Technikern und Wirtschaftern und liegt       das Küferhandwerk sinnvollerweise wieder eingeführt.
bei 35 – 40 Jahren. Das Lehrangebot wird ohne zusätzliche per-
sonelle Unterstützung hausintern getragen. Auch der alle zwei      H O T E L - U N D G A S T R O N O M I E K O N TA K T E
bis drei Jahre abgehaltene Brennmeisterkurs wird ebenfalls in      Seit 1996 gibt es eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Hotel-
wesentlichen Teilen von den Mitarbeitern der LVWO bestritten.      und Gastronomiefachschulen und dem DeHoGa-Verband in
                                                                   der Region Heilbronn. Dabei gestalten die angehenden Weins-
WEINERLEBNISFÜHRER                                                 berger Techniker und die Weinerlebnisführer mehrere Ausbil-
Zur Verbesserung der weintouristischen Angebote fehlte im          dungstage zum Thema Wein für die Schülerinnen und Schüler
Anbaugebiet Württemberg lange Zeit die Schnittstelle zwischen      aus Villingen-Schwenningen, Bad Überkingen und Heilbronn.
Weinkunden, Tourismusbranche und Erzeugerbetrieben. Nach           Mit großem Engagement organisieren Ulrich Lochar (VS) und
langen Diskussionen zwischen dem Weinbauverband, dem               Birgitt Wölbing (HN) den Gegenbesuch der Weinsberger in
Ministerium Ländlicher Raum, der Touristikgemeinschaft Heil-       den Hotel- und Gastronomieschulen. Neben den Einblicken in
bronner Land und der LVWO Weinsberg wurde entschieden,             die Abläufe und Bedingungen im Gastrobetrieb kommen dort
dass der Weintourismus mit einer Personalstelle an der LVWO        auch die kulinarischen Eindrücke nicht zu kurz. Die passenden
verankert werden sollte. Nach dem Vorbild und mit großzügiger      Begleiter zu den Köstlichkeiten aus der Lehrküche sind regelmä-
Starthilfe der Kollegen aus Franken gehört seit 2008 die Ausbil-   ßig die Weine des Staatsweinguts Weinsberg.
dung zum Weinerlebnisführer fest zum Portfolio der LVWO.
Schulungen, Fachvorträge, Übungen und Exkursionen geben
den zertifizierten Gästeführern das Rüstzeug für ihre Arbeit.
Mittlerweile folgen jährlich etwa 40.000 Weininteressierte den
„Weinsberger Weinerlebnisführern“ durch die Weinberge und
Keller Württembergs. Ein Zusammenschluss der Badener und
Württemberger Gästeführer ist aktuell in der Planung.

KÜFERMEISTER
Seit 1957 werden angehende Küfermeister im Auftrag der Fass-
und Weinküferinnung in Weinsberg auf ihre Meisterprüfung
vorbereitet. Mit wenigen Ausnahmen wird der Lehrgang jedes                                                     Wildschweingrillen 2018

                                                                                                                                      15
S chule und Bildung

                                                                        Nicht zu vergessen sind Einzelereignisse wie etwa der Dornfel-
                                                                        der-Wettbewerb im Jahr 1996, anlässlich des 40. Geburtstags der
                                                                        erfolgreichen Weinsberger Neuzüchtung. Die Abteilung Schule
                                                                        hält nicht nur Kontakt zu den Ehemaligen in aller Welt, sie
                                                                        erledigt auch die vielfältigen Organisationsaufgaben im Ehema-
                                                                        ligen- und im Förderverein.
                                                                        Um all dies bewältigen zu können, braucht es ein gut eingespiel-
                                                                        tes Team. Zu den altbewährten Kräften Rolf Hauser, Friedrich
                                                                        Lörcher, Dr. Helmut Steiner und Erich Bihlmayer auf der Tech-
                                                                        nikerstelle gesellten sich nach dem Ausscheiden von Matthias
                                                                        Schilling im Jahr 1993, noch im selben Jahr Uwe Michelfelder und
                                                                        Susanne König (bis 1997) als Verstärkung hinzu. Teil der Abtei-
      Abteilung Schule 2013 (von links: Martin Strauß, Fritz Lörcher,
 Dr. Helmut Steiner, Uwe Michelfelder, Erich Bihlmaier, Rolf Hauser)    lung war auch Martin Walter von 1997 – 2002, der anschließend
                                                                        ins Landwirtschaftsamt Ludwigsburg wechselte. Neu an Bord
S C H U L O R G A N I S AT I O N                                        kam danach im Jahr 2002 Martin Strauß. Auf Erich Bihlmayer,
Neben der Organisation des Unterrichts und der Lehrtätigkeit            der 2016 in Ruhestand ging, folgte Anja Steiner. Die wichtigen
in den Bereichen Betriebswirtschaft, Marketing, Technik sowie           Aufgaben im Schulsekretariat erledigte lange Zeit Irene Hagen-
Berufs- und Arbeitspädagogik ist die Abteilung für vieles an-           loch. Seit 2004 ist Ina Bender-Häfner ihre Nachfolgerin. Das
dere zuständig. Die Aufgaben reichen von der Mitorganisation            neue Thema des Weintourismus wurde 2008-2013 von Evelyn
externer Prüfungen (z.B. Gehilfen- und Meisterprüfungen) über           Schmidt bearbeitet. Auf sie folgten Dr. Fanny Raab (2013–2015),
die Verwaltung der drei Wohnheime mit insgesamt über 60                 Marianne Steinschulte (2016-2018) und Vanessa Hauert (2019).
Betten bis zu Querschnittsaufgaben wie Controlling oder die             Ein Ende ist immer auch ein neuer Anfang. Mit dem 125. Jubilä-
Koordination von Marketingmaßnahmen für das Staatsweingut.              umsjahr der Schule endete 1993 die Tätigkeit von Wilhelm Junger
Hinzu kommt die Organisation von kleineren und großen                   als Schulleiter und stellvertretendem Direktor. Rolf Hauser, der
Veranstaltungen, die in unregelmäßigen Abständen im Laufe der           bereits zehn Jahre als Referatsleiter Technik in der Schulabteilung
Jahre anstehen , wie der Berufswettbewerb der Landjugend (alle          eingebunden war, übernahm die Aufgabe für weitere 26 Jahre
2 Jahre), Tag der Technik im Wein- und Obstbau (alle 3 Jahre),          bis zum 150. Jubiläumsjahr 2018 und seinem Ausscheiden Ende
die Jubiläumstreffen der Ehemaligen (2010 und 2018), Veranstal-         August 2019.
tungen anlässlich der Jubiläen (1993 und 2018).

                                                                                                              Absolventenzahlen 1868 -2017

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S chule und Bildung

KÜCHE UND HAUSWIRTSCHAFT
Ein ganz wichtiges Element, sowohl für die Schule wie auch
für die gesamte LVWO ist die Küche. Die tägliche Verpflegung
der Studierenden der verschiedenen Bildungsgänge und auch
der Mitarbeiter ist die Kernaufgabe von Heidi Heller und ihren
Kolleginnen. Für die Wohnheimbewohner wird darüber hinaus
Frühstück und Abendessen angeboten und die Bettwäsche
gewaschen. Darüber hinaus ist aber keine Veranstaltung, keine
fachliche Weinprobe und keine Weiterbildungsveranstaltung,
kein Prüfungstag ohne die Unterstützung der Küche mit Gläsern
und Tagungsverpflegung denkbar.
Dabei unterlag auch dieser Bereich insbesondere in der letzten
Zeit einer rasanten Weiterentwicklung. Mit dem Jahr 2019 gibt
es ein zweites Menü für den Mittagstisch. Hinzu kommt die
Bio-Zertifizierung für das Angebot von Speisen in Bio-Qualität
                                                                                      Das Küchenteam 2020 (von links: Kerstin Wiedmann,
sowie der Job-Fit-Zertifizierung für Vollverpflegung nach dem                                           Sandra Rodemerk, Heidi Heller)
DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung)-Qualitätsstandard
für Betriebsverpflegung.
                                                                       Einzellösung, so wurde die Generalsanierung des Unterrichts-
T E C H N I S C H E A U S S TAT T U N G                                trakts 2010 zum Anlass für eine Vollausstattung aller Unterrichts-
Innerhalb der LVWO ist die Schulabteilung ein Ansprechpart-            räume mit Computer, Visualizer, Beamer, Präsentationswänden,
ner bei der Umsetzung der Digitalisierung. Wurden Anfang der           Whiteboards und nicht zuletzt Access-Points für das WLAN.
1990er die Lehrkräfte nach und nach mit Computern ausgestat-           2017 konnte mit zwei befristeten Stellen das Projekt „Blended
tet, so löste der E-Mail Verkehr zunehmend den Postversand ab.         Learning“ angegangen werde. Dabei wurde die Lernplattform
War die Einrichtung eines EDV-Lehrsaals im Jahr 1999 noch eine         Moodle für die LVWO aktiviert.

                                                                       AUSBLICK
                                                                       Die Schule ist erfolgreich und die Lehrgänge sind aktuell
                                                                       nachgefragt. Die weitere Entwicklung, hängt sehr stark vom
                                                                       Strukturwandel und der künftigen wirtschaftlichen Situation
                                                                       der Betriebe ab. Um der starken Nachfrage nach akademischen
                                                                       Bildungsgängen entgegen zu kommen, wurden im Jubiläums-
                                                                       jahr 2018 intensive Gespräche mit verschiedenen Hochschulen
                                                                       geführt. Letztendlich hat sich daraus eine Zusammenarbeit mit
                                                                       der Dualen Hochschule Baden- Württemberg ergeben, die im
                                                                       Angebot eines Studienganges mit der Bezeichnung Wein-Tech-
                                                                       nologie- Management umgesetzt wird. Der erste Jahrgang startet
                                                                       im September 2019.

  Abteilung Bildung 2020 (von links: Adrian Albers, Martin Strauß,
         Fritz Lörcher, Christina Bender-Häfner, Dr. Oliver Schmidt,
                   Vanessa Hauert, Uwe Michelfelder, Steffen Zeyer)

                                                                                                                                       17
Weinbau und Rebschutz
                        DR. MANUEL BECKER, HANNS-CHRISTOPH SCHIEFER, KARL BLEYER

Ende 2013 wurde der langjährige Abteilungs- und Referatsleiter       Jahren 1990 und 2000 verfügte der Betrieb über sechs Mitarbeiter.
Dr. Walter Kast in den Ruhestand verabschiedet. Auf ihn folgte       Zeitgleich (1993 – 2002) wurde Burg Wildeck mit erhöhtem
Dr. Manuel Becker im Juni 2014 als Referatsleiter Weinbau und        Arbeitsaufwand nach den Richtlinien des ökologischen Weinbaus
Rebschutz. Zeitgleich übernahm der Referatsleiter Obstbau, Dr.       (Naturland) bewirtschaftet. Im Jahr 2010 arbeiteten auf Burg
Franz Rueß, die Leitung der Abteilung Wein- und Obstbau.             Wildeck noch vier festangestellte Personen. Im Jahr 2018 verfügt
Im Bereich Rebschutz kümmerte sich Dr. Konrad Rühl in den            Wildeck über 3,5 Planstellen, die sich auf eine Vollzeitstelle und
Jahren 1992 bis 1993 um die Belange der amtlichen Mittelprüfung.     fünf teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter verteilen. Im Außenbetrieb
Auf ihn folgte von September 1996 bis April 2005 Hanns-Chris-        Gundelsheim lag die Personalstärke im Jahr 1990 bei fünf, 2000 bei
toph Schiefer. Seit November 2005 wird der Bereich der amtlichen     vier und 2010 erneut bei fünf Mitarbeitern. Im Jahr 2018 kümmern
Mittelprüfung von Karl Bleyer verantwortet. Versuchstechniker        sich drei Beschäftigte um die Gundelsheimer Reben. Eine Vollzeit-
im Pflanzenschutz war von 1995 bis Ende 2016 Martin Ziegler.         stelle und zwei Teilzeitmitarbeiter füllen damit 2,4 Planstellen.
Seit Mitte 2006 ist Rainer Wild als Versuchstechniker angestellt.    Die langjährigen Betriebsleiter Wolfgang Heller (Wildeck), Ro-
Timo Zeller verstärkt den Pflanzenschutz als Nachfolger von          bert Achstetter (Gundelsheim) und Hermann Frisch (Weinsberg)
Martin Ziegler seit dem Jahr 2017.                                   sind seit 2015 durch Peter Steinbrenner abgelöst. Als Gesamtbe-
Das weinbauliche Versuchswesen war bis zu seiner Pensionie-          triebsleiter ist er für alle drei Standorte zuständig.
rung Ende 2009 unter der Leitung von Rudolf Fox. Im Mai 2010         Im Lauf der Jahre hat auch die Zahl der Auszubildenden abgenom-
kehrte Hanns-Christoph Schiefer aus der Qualitätsweinprüfung         men. Bis zum Jahr 2008 wurden jährlich bis zu 12 Winzerlehrlinge
in den Weinbau als sein Nachfolger für das weinbauliche Ver-         ausgebildet (Weinsberg: 5, Burg Wildeck: 4, Gundelsheim: 3). Im
suchswesen zurück. Gunnar Thim verstärkt seit August 2013 das        Jahr 2018 gab es 10 Auszubildende im Weinbau (Weinsberg: 4,
Referat als Versuchstechniker im Bereich Weinbau.                    Burg Wildeck: 3, Gundelsheim 3).
In den Weinbaubetrieben der Anstalt wurden die Personal­
stellen seit 1990 deutlich reduziert. Dies geschah im Rahmen der     FLÄCHEN UND REBSORTEN - DIE WEINBAUBE-
Strukturreform der LVWO und konnte durch die zunehmende              TRIEBE
Mechanisierung einigermaßen ausgeglichen werden. Waren               Im Lauf der letzten 25 Jahre wurde die weinbauliche Aktivität der
im Betrieb Weinsberg im Jahr 1990 noch 13 Personen tätig, so         Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau
waren es im Jahr 2000 noch neun und im Jahr 2010 nur noch acht       Weinsberg zunehmend gebündelt.
Beschäftigte. Im Jubiläumsjahr 2018 hat der Weinsberger Betrieb      So hat sich die Zahl der Standorte von sechs auf drei verringert.
9 Mitarbeiter auf sieben Vollzeitstellen. Damit arbeiten zwei        Der Betrieb der Rebenzüchtung und Rebenveredlung in Lauffen
Personen in Vollzeit und sieben Mitarbeiter in Teilzeitanstellung.   wurde in den Betrieb Weinsberg integriert. Die Rebenveredlung
Ähnlich verhält es sich im Außenbetrieb Burg Wildeck. In den         wurde aufgegeben und die Flächen in Lauffen verpachtet. Das
                                                                     weinbauliche Versuchsgut in Lauda wurde privatisiert und die
                                                                     Rebflächen in Talheim an die staatliche Vermögensverwaltung
                                                                     zurückgegeben.
                                                                     Mit der Verringerung der Standorte ging ein Flächenrückgang
                                                                     einher, der in letzter Zeit durch Flächenzukäufe in Weinsberg
                                                                     zum Teil kompensiert wurde. Die Rebfläche der LVWO betrug
                                                                     1993 rund 58 ha und umfasst nun 25 Jahre später ziemlich genau
                                                                     50 ha. Dabei entfallen 12,7 ha auf Burg Wildeck, 10,5 ha auf Gun-
                                                                     delsheim und 26,7 ha auf Weinsberg.
                                                                     Bei den Rebsorten erfolgte eine stetige Anpassung an die Markt­
                                                                     erfordernisse. So ist insbesondere bei Trollinger, Schwarzriesling
                                                                     sowie Riesling ein Rückgang zu verzeichnen.
                                        Weinsberger Burgberg 2017

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We i n b a u u n d R e b s c h u t z

Auf der anderen Seite wurde der Sortenprüfung (LVWO-Züch-                BETRIEB WEINSBERG
tungen, internationale Sorten) der notwendige Umfang einge-              Im Betrieb Weinsberg werden 21,5 ha Ertragsrebfläche inklusive
räumt.                                                                   2,5 ha Biorebfläche, 4,5 ha terrassierter Flächen am Burgberg,
                                                                         5,5 ha Flächen für die Züchtung sowie 1 ha für besondere
TA B E L L E : V E R Ä N D E R U N G D E R R E B S O R T E N             Pflanzenschutzversuche bewirtschaftet.
VON 1993 BIS 2018                                                        Der Betriebsteil Weinsberg wird in Nachfolge von Hermann
Rebsorten                  2018 [ha]  1993 [ha]                          Frisch (1983 – 2015) von Peter Steinbrenner und seinem Stell-
Riesling                         5,94      9,07
                                                                         vertreter Tobias Böhringer geleitet. Im Jahr 2017 erfolgte die
Lemberger                       4,60       4,48
Spätburgunder                    3,71       4,18                         Bestockung der neuerworbenen Fläche am Hirschberg die mit
Gemischter Satz - Rot/Weiß      3,60                                     der hauseigenen pilzwiderstandfähigen Rebsorte We 94-26-37
We 94-26-37                      2,58                                    nach Bio-Richtlinien bewirtschaftet wird. Ausschließlich für
Samtrot                         2,04         3,53                        Pflanzenschutzversuche wurde bereits 2014 eine 1 ha große,
Muskateller                     2,00        0,38
                                                                         isoliert liegende Fläche angepflanzt.
Trollinger                       1,98       4,41
Sauvignon Blanc                  1,98                                    Ein großes Projekt der vergangenen Jahre war die Neugestaltung
Cabernet Dorsa                   1,50                                    der Flächen unterhalb der Burg Weibertreu. Die Weinberge am
Weißer Burgunder                 1,47       0,53                         Burgberg sind steil, zum großen Teil terrassiert und waren wegen
Ruländer                         1,30      0,40                          der früheren Seilzugbewirtschaftung meist in der Falllinie ange-
Kerner                           1,30        2,35
Schwarzriesling                  1,10       3,75
                                                                         pflanzt. In einem begrenzten Bereich direkt an der Burgmauer
Cabernet Cubin                   0,91                                    war im Querbau der Einsatz von handgeführten Kleingeräten
Müller-Thurgau                  0,62        1,72                         möglich.
Traminer                         0,58       0,85                         Dies gab den Anstoß, das Bewirtschaftungssystem rund um die
Acolon                           0,52
                                                                         Burg neu zu überdenken. Ziel war, die moderne Weinbautechnik
Chardonnay                      0,47        0,72
Syrah                           0,42                                     auch hier gefahrlos nutzen zu können. Andererseits sollten die
Dornfelder                      0,29        0,61                         Eigenart der Weinbaulandschaft und ihr ökologischer Wert
Gewürztraminer                  0,28                                     erhalten oder wenn möglich gestärkt werden. Die Flurstücke am
We 94-28-32                     0,26                                     Burgberg befinden sich im Landschaftsschutzgebiet, Vorkom-
We 88-98-31                      0,22
Cabernet Sauvignon              0,20
                                                                         men der Mauereidechse und der Schlingnatter sind nachgewiesen.
Sauvignon Cita                   0,19                                    Bei den Trockenmauern handelt es sich um einen überwiegend
Sauvignon Gryn                   0,19                                    kartierten Biotopkomplex. Veränderungen bedürfen in diesem
We 94-26-36                      0,17                                    Gebiet zudem einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung.
Pinotage                         0,15
                                                                         Als weitere Schwierigkeit erwiesen sich die zersplitterten Eigen-
Sangiovese                       0,11
Nebbiolo                         0,11                                    tumsverhältnisse. Während der obere und untere Bereich des
Tempranillo                      0,11                                    Burgbergs fast vollständig im Besitz der LVWO waren, mussten
Malbec (Cot)                     0,11                                    die Flächen im dazwischen liegenden Abschnitt mit viel Aus­
Cabernet Mitos                  0,09                                     dauer erworben beziehungsweise getauscht werden.
We 93-13-68                     0,07
Merlot                          0,07
Cabernet Franc                  0,07
We 70-259-10                    0,06
Muscaris                        0,06
We 70-274-12                    0,06
Sauvignon Sary                  0,03
Sauvitage (We 88-101-13)        0,02
Regent                          0,02
We 73-45-84                      0,01
Silvaner 		                                0,78
Juwel		0,39
Silcher		0,25
Hölder		0,10
Sonstige Weiß		                            0,68
Helfensteiner		0,35
Herold		0,24
Blauburger		0,12
Zweigelt		0,13
Sonstige Rot		                              1,64
Gesamtfläche                    41,57     41,66                                                             Terrassenbau am Burgberg 2015

                                                                                                                                       19
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