FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...

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FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...
Buchhandlung Breuer & Sohn

Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge-
gensatz zur gültigen Allgemeinheit existiert. Richard Wagner

   F E ST S P I E L E
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BÜCHER UND                               Es geht weiter

 ERLESENES                               N   ur eines will ich noch, sagt Wotan, das Ende. Meint er
                                             das Ende der Pandemie? Natürlich nicht. Aber wenn
                                         dort, wo bis vor Kurzem so gut wie Nichts angesagt war,
                                         wieder Festspiele stattfinden können, darf sich nicht allein
                                         der Bayreuther freuen. Und wenn selbst in einem Ringlo-
                                         sen Sommer ein aus der Not geborener Zyklus über die di-
                                         versen Bühnen der Festspiele geht, um eine sehr spezielle
                                         Tetralogie zu formen, mag man sogar und von Neuem den
                                         Gedanken äußern, dass nichts so schlecht ist, dass es nicht
                                         irgendetwas Gutes an sich hätte. Ich freue mich also auf die
                                         vier Ring-Teile, die im Festspielhaus, unten im Park und
                                         anderswo, in Form von vier Kunst-Aktionen den Hallraum
                                         des gewaltigen musikdramatischen Opus erweitern werden.
 Wir freuen uns auf Sie!                 Der US-amerikanische Kritiker Alex Ross veröffentlichte
                                         vor einiger Zeit ein wunderbar reichhaltiges Buch mit dem
Ihre Buchhandlung Breuer & Sohn          ins Deutsche übersetzten Titel Die Welt nach Wagner – in
                                         Bayreuth wird die Wagner-Welt in diesem Sommer um ein
       Am Luitpoldplatz 9                paar Variationen bereichert werden. Ganz abgesehen von
      im Herzen Bayreuths                allem Anderen… den Büchern, die in den letzten zwei Jah-
                                         ren erschienen sind und unser Wissen um Wagner erwei-
        0921 5070890                     tert haben, den Konzerten, die am See und in Wahnfried
   buch@breuerundsohn.de                 stattfinden, auch der Architektur wie dem Alten Schloss, in
                                         dem schon im 17. Jahrhundert eine Bühne stand, und das
   Whatsapp: 0160 891 58 99              nicht allein den Festspielgästen eher unbekannt sein dürfte.
                                         Wer im August als Kulturtourist nach Bayreuth kommt,
                                         sollte es sich genauer anschauen. Was bleibt, ist Wagner:
                                         Siegfrieds Friedensengel kann erstmals am Ort erlebt wer-
                                         den, über Wieland erschien eine neue, kritische Biographie,
        Die familiengeführte             mit einem Wort: Es geht weiter. Doch nicht als business as
      BUCHHANDLUNG                       usual, sondern mit bemerkenswerten Entdeckungen.

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www.breuerundsohn.de
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VIELEN DANK!                                                  DER KULTURBRIEF
Wir danken unseren Mäzenen für Ihr Engagement. Durch Sie wird                Feuilleton und Termine
                 der Kulturbrief erst möglich.
                                                                          für Bayreuth und Umgebung
                        UNTERNEHMEN

                                                                   Ein Haiku                      Kulturtermine
 Alexander von Humboldt Kulturforum Schloss Goldkronach e.V.
                                                                   Der schönste Drachen           Einlage einschließlich
   Bayreuth Baroque - Opera Festival | Büchergilde Gutenberg
                                                                                                  Sonderausstellungen
Jürgen Ern Operneinführungen | Festival junger Künstler Bayreuth
                                                                   Künstlergespräch
           Friedrichsforum Bayreuth | Kanzlei Treibert
                                                                   Christian Thielemann           Hinter den
             Metzgerei Imhof | Praxis Kristine Joop
                                                                                                  Kulissen
    Regionalmanagment Bayreuth | Richard Wagner Museum             Bayreuth leuchtet              Wagner: Mein Leben
                    Scandi Club | Stereofone                       Das Wagnerzimmer
  Staatliches Museum für Porzellan Selb | Steingraeber & Söhne     in Fantaisie                   Das alte Buch
                                                                                                  Der Ring in Bildern von
                      Universität Bayreuth                         Vom Grünen Hügel
                                                                                                  Hermann Hendrich
                                                                   Jay Scheib
                                                                                                  ... war hier
                       PRIVATPERSONEN                              Künstlergespräch               Virginia Woolf
                                                                   Roland Wagenführer
                    Johannes-Martin Kränzle
                     Christian Thielemann                                                         Künstlergespräch
                         Michael Volle                             Klangliches                    Johannes Martin Kränzle
                         Angelika Beck                             Das Lautboard                  und Michael Volle
                       Wolfgang Hammon
                       Dieter Schweingel                           Neue Wagner-                   Nais vom Heiner
                          Jutta Richter                            literatur                      Weltstadt auf Zeit
                  Astrid Böhmer + Toni Schug                       Rezensionen
                        Amelie Artmann
                                                                   Fichtelgebirge                 Das neue Album
               TITELILLUSTRATION                                   Festspiele im Fichtelgebirge   1. Wagner: Pilgerfahrt
                                                                                                  2. Beethoven: Fidelio
 Matthias Ose: Nach Carl Spitzweg: Sonntagsspaziergang
                                                                   Rauchkultur
                1841, Salzburg Museum.                             Zigarrenverkostung

Seit Carl Spitzwegs Beobachtungen in der sommerlichen                                             Sammlung online
                                                                   Festspiele                     Bayreuther Wagnerschätze
Bayreuther Sonntagnachmittags–Hitze wissen wir, dass               Clement Harris
     Wotans Raben immer und überall zu finden sind.
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WAR HIER                                                                  KÜNSTLERGESPRÄCH

                                                                   © Matthias Creutziger
Virginia Woolf

H    at sie „ein Zimmer für sich allein“, als die 27jährige an-
     gehende Schriftstellerin 1909 in Bayreuth absteigt? Man
kann es vermuten. Bruder Adrian, der sie liebevoll „die Ziege“
nannte, war zusammen mit Saxon Sidney-Turner, einem lei-                            Kultur ist Lebensbereicherung. Ein Gespräch mit
denschaftlichen Wagnerianer, mit von der Festspielpartie. Sie                       Christian Thielemann
wohnt in einer Villengegend, findet die Stadt „reizend“ (das
machten die Markgrafenbauten), auch die Eremitage – und
die Einwohner scheußlich und plump, die Frauen „unför-                             V     or dem Theater stehen die Schlangen von Wartenden.
                                                                                         Alle schick gekleidet in Smoking und Abendkleid. Die
                                                                                    Stimmung ist, wie immer an solchen Abenden, heiter an-
mig“, deren Gesichter „rot und teigig“. Bayreuth erscheint
ihr wie ein umgekehrtes Paradies: Monströse Männer und                              gespannt. Es liegt Musik in der Luft. Während die Menge
Frauen trinken unmäßig viel Bier und essen sehr viel Fleisch,                       bereits Platz nimmt, erscheint am Bühneneingang ein jun-
„obwohl es glühend heiß ist“. Die Arroganz der fragilen Lady                        ger Mann mit einem leeren Geigenkasten in der Hand. Pro­
aus London beschränkt sich nicht auf die Bayreuther, auch                           blemlos kommt er am Pförtner vorbei und schleicht in den
die Festspielbesucher bekommen ihren Teil ab: im Festspiel-                         Block B. Hier kann er ungestört auf der Treppe sitzen und
haus erscheinen ihr die hässlichen Geschöpfe noch hässlicher                        sich der Musik hingeben. „Das war ein Abenteuer“, sagt
als vor den Türen, und auch sie „essen enorm viel, große Stü-                       Christian Thielemann Jahrzehnte später. Und heute ist so et-
cke Braten mit viel Fett“. Doch das Wesentliche, um dessen                          was leider kaum noch möglich. Dabei sollte der Zugang zur
Willen sie angereist sind, wird zum Erlebnis. Parsifal ist ihr                      Kultur für Kinder und junge Menschen unbedingt gefördert
bei der zweiten besuchten Aufführung am 11. August die                              werden. „Damals kam man für fünf Mark in das ‚Theater
„bemerkenswerteste Oper“. Zehn Tage später erscheinen ihre                          der Schulen‘.“ Hier konnte man als Kind die ganz Großen
Impressions of Bayreuth in der Londoner Times, doch zur Wag-                        sehen. „Das war ein ganz wichtiger Initiator meiner weiteren
nerianerin wird sie in Bayreuth nicht. Vielleicht aber erinnerte                    Entwicklung hin zum Dirigenten.“ Erzählt Thielemann bei
man sich hier noch länger an die schwierige Engländerin, die                        unserem Gespräch in der Bayreuther Buchhandlung. Es sind
einige Bayreuther Verkäufer in den Wahnsinn getrieben haben                         noch wenige Tage bis zum Beginn der Bayreuther Festspiele
dürfte. Woher sollten sie auch wissen, dass sie gerade eine Frau                    2021 und wir haben uns vorgenommen, über den Kulturbe-
bedienten, die zu einer der bedeutendsten Schriftstellerinnen                       griff zu sprechen. Zunächst aber wird geplaudert. Und plau-
der Moderne des 20. Jahrhunderts werden sollte?                                     dern mit Thielemann heißt: Über Musik zu sprechen. Nein
                                                  Frank Piontek                     mehr, viel mehr. Man beginnt die Musik zu hören, sie zu
                                                                                    fühlen und vor allem sie zu verstehen. Die Begeisterung des
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                                                                                                                                 nur ahnen ob der Euphorie, die einen bei den Schilderungen

                    WAGA
                                                                                                                                 ergreift, mit welchem Rausch der Abend im Konzertgraben
                                                                                                                                 verbunden ist.

                                                                                                                                 Darf sich auch ein Dirigent berauschen? Muss er das Or-

                   LAWEIA!
                                                                                                                                 chester nicht völlig unter Kontrolle haben? Auf die Frage,
                                                                                                                                 wie das Verhältnis von (eigener) Begeisterung und Disziplin,
                                                                                                                                 von Emotion und Handwerk aussieht, hat er, sagt er, eine
                                                                                                                                 gute Mittelposition gefunden: „Man kann dort fortgetragen
                                                                                                                                 werden von der Musik, wo man es sich erlauben kann“. Die
                                                                                                                                 Weisheit kommt auch mit dem Alter – er hat inzwischen
                            „Meisterstück in Strichen“ — ANDREAS PLATTHAUS, F.A.Z.                                               erkannt, dass Richard und Rock gar nicht so weit voneinan-
                                                                                                                                 der entfernt sind. Klingt das berühmte Adagietto aus Mah-
                           „Die unkonventionelle Art sich dem Wagner-Werk
                           so zu nähern und den Opernzyklus auf Bilderbogen                                                      lers 5. Symphonie nicht so, als könnte man sehr gut dazu
                                zu komprimieren ist einmalig und genial.“                                                        knutschen? Und könnte man den jungen Leuten (und allen
                                   — DAGNY BEIDLER, URENKELIN VON RICHARD WAGNER                                                 anderen, denke ich) nicht zeigen, dass ein Song von Madon-
                                                                                                                                 na in seinen harmonischen Entwicklungen nicht gar so weit
                                                                                                                                 entfernt ist von bestimmten Stücken der sog. Klassischen
                                                                                                                                 Musik, die einen völlig legalen Rausch erzeugen? Und geht
                                                                                                                                 es bei Bruckner, dessen erste fünf Symphonien einschließlich
                                                                                                                                 der ganz frühen er gerade mit den Wienern eingespielt hat,
                                                                                                                                 nicht zunächst einmal darum, Atmosphäre zu schaffen? „Se-
                                                                                                                                 hen Sie, in Strawinskys ‚Sacre du printemps‘ gibt es so schö-
                                                                                                                                 ne lyrische Stellen, die muss man herausarbeiten“ – so wie
                                                                                                                                 er dafür plädiert, eine Beethoven-Symphonie mit Tempi zu
                                                                                                                                 spielen, die in keiner Partitur fixiert wurden. Das macht: die
                                IN                                                                                               Freiheit des Dirigenten gegenüber dem lebendigen Kunst-
                           BAYREUTH
                            EXKLUSIV                                                                                             werk. Beweglichkeit, nicht Dogmatismus. Christian Thiele-
                           BEI BREUER
                             & SOHN                                                                                              manns Interesse an der Geschichte dürfte daher nicht zuletzt
                                                                                                                                 in einem ästhetischen Moment liegen. Dass er ein bedeuten-
                                                                                                                                 des Buch über die Kunst- und Bewohnergeschichte eines zer-
                                                 Martin Stark                                                                    störten ostpreußischen Schlosses (Schloss Friedrichstein) mit
                                 Der Ring des Nibelungen nach Richard Wagner                                                     auf den Weg brachte, hat mit zweierlei zu tun: dem Wissen,
                                              BÜCHERGILDE BILDERBOGEN —extra—
                                                                                                                                 dass wir alle nicht aus dem luftleeren Raum kommen, son-
                            4 + 1 Bilderbogen, beidseitig zweifarbig bedruckt: Das Rheingold, 48 x 66 cm,
                            Die Walküre, 66 x 48 cm, Siegfried, 66 x 72 cm, Götterdämmerung, 96 x 66 cm,                         dern Vor-Geschichten haben, und der Freude an der Schön-
                          Der Stammbaum, 48 x 66 cm, im festen goldbezogenen Schuber, 24 x 33,2 x 2,5 cm
                                       Empfohlener VK € 60,– | ISBN 978-3-86406-102-8
                                                                                                                                 heit, die mit einem prachtvollen Barockbauwerk und einsti-
                                                                                                                                 gen Kulturmonument verbunden ist, um dessen literarische
                                           buechergilde.de/wagner                                                                Rekonstruktion sich zu kümmern nicht allein ihm großen

AZ_BBextra_Stark_Wagner_Bayreuther_Kulturbrief_98x210.indd 1                                                    15.07.21 14:02
FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...
Spaß macht. „Ach wissen Sie“, sagte er einmal während der
Buchvorstellung, „es gibt ja noch viel mehr als die Musik…“.                   KÜNSTLERGESPRÄCH

Jetzt kommen wir zum Kern der Frage: Was ist Kultur? „Kul-
tur kann den Menschen einen höheren Sinn des Lebens, eine
höhere Daseinsstufe ermöglichen.“ Sagt Thielemann und
ergänzt: „Ein Leben ohne Kultur ist kein Leben, Kultur ist
Lebensbereicherung.“ Und deswegen sei es eminent wich-
tig, Kultur zugänglich zu machen. „Das fängt natürlich in
der Schule an. Zwei Mal im Jahr ins Theater gehen, Kunst-
und Musikunterricht fördern, Klassenreisen unternehmen.“
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. „Es geht
darum, den Kindern zu zeigen, wie vielfältig das Leben ist.“
Aber man braucht gar nicht so hoch zu greifen. Ein Sonntag-
sausflug mit den Eltern, eine Radtour, ein Spaziergang. Auch      Kultur ist geistige Nahrung - Ein Gespräch mit den
hier beginnt Kultur. „Und in Bayreuth sind die Möglichkei-        Solisten Johannes Martin Kränzle und Michael Volle
ten ja vielfältig!“ Und das Essen – auch Kultur. „In Bayreuth
nimmt man immer zu, weil es hier so gut schmeckt!“ Das            Das Dream Team gibt es nicht nur im Basketball. Wenn man
hört man natürlich gerne und nicht umsonst sind wir ja auch       Johannes Martin Kränzle und Michael Volle miteinander er-
Genussregion. Das Wichtigste aber ist, Kultur ist friedens-       lebt, ob auf der großen Bühne in den Meistersingern oder im
stiftend: „Jeder Mensch hat Sucht nach Harmonie, und Kul-         Interview in der Buchhandlung, die beiden ergänzen sich wie
tur trägt zur Harmonie bei“. Ein hervorragender Gedanke!          ehemals Michael Jordan und Magic Johnson. Wir haben das
Wir jedenfalls bedanken uns für das harmonische Gespräch.         Dream-Team zu einem gemeinsamen Gespräch eingeladen,
Ein Gespräch, in dem man sich schon eine gute halbe Stun-         um über den Kulturbegriff zu sprechen. Und schnell merken
de lang über die verschiedenen Fassungen der Symphonien           wir, wie überkandidelt dieses Wort ist – Kulturbegriff. Dabei
Anton Bruckners und die richtige Tempowahl bei Beethoven          ist es ganz einfach: „Kultur unterscheidet uns von den Tie-
unterhält und sich schließlich daran erinnert, dass es einmal     ren“, definiert Michael Volle. Kultur als geistige Nahrung,
Städte und Schlösser gab, in denen geistige und materielle        die – gleich in welchem Alter – das Unentbehrliche ist, um
Güter geschaffen wurden, die uns immer noch erfreuen und          die Gesellschaft zu formen. Und ein Bereich der geistigen
zum Nachdenken bringen – auch dieses Gespräch, scheint            Nahrung ist der Gesang. „Gesang ist eine Grundlage der Kul-
uns, ist genau das, worüber es handelt: Kultur, verbunden         tur“, ist Martin Kränzle überzeugt. Und Volle pflichtet ihm
mit Kreativität und Freude. Und wäre „Klassik zum Knut-           bei. Leider sei das Singen aus der Gesellschaft verschwunden.
schen“ nicht ein guter Titel für eine Klassik-CD, die das alles   „Zu Weihnachten wurde kein Geschenk ausgepackt, ohne
verbindet?                                                        vorher zwanzig Choräle und zehn Sonaten vorgesungen zu
                                                                  haben“, erzählt er lachend. „Und das bei acht Geschwistern!“
                        Benjamin Breuer und Frank Piontek         Bei Johannes Martin Kränzle war es ähnlich. „Meine Mutter
                                                                  war Musiklehrerin, da war Gesang an der Tagesordnung.“
                                                                  Hier wurde das Fundament gelegt für die Karrieren als Solis-
                                                                  ten, die auf der ganzen Welt gefragt und gebucht sind. Die
                                                                  beiden sind sich einig: Kulturelle Grundbildung liegt erst
                                                                  einmal zuhause bei den Eltern. Dann folgt die Bildung in
FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...
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                                                                                      der Schule. „Leider sind die Lehrpläne völlig verkopft. Und
                                                                                      es hängt immer an einzelnen Lehrern“, meint Volle. Dabei
                                                                                      führten schon kleine Initiativen bei manch einem zu einem
                                                                                      Aha-Erlebnis. „Wie bei meiner Frau“, erzählt Kränzle. „Sie
                                                                                      hat einmal als Kind einen Chor gehört und sich dann sofort
                                                                                      selbstständig im Chor angemeldet. Die Noten wurden vom
                                                                                      Taschengeld bezahlt.“ Inzwischen ist Frau Kränzle Professo-
                                                                                      rin für Gesang. Und das ist eben das Allerwichtigste: dass
                                                                                      jeder alles erreichen kann, wenn der zündende Funke über-
                                                                                      springt. Deshalb muss der Zugang zur Kultur, speziell zum
                                                                                      Gesang, wieder vereinfacht werden.
                                                                                      Apropos Singen und Spielen: Es ist durchaus kein Wider-
                                                                                      spruch, wenn sie beide, Volle und sein guter Freund, zusam-
                                                                                      men in einer New Yorker Meistersinger-Aufführung stehen,
                                                                                      die, anders als die Arbeit von Barrie Kosky, traditionell ist.
                      1. - 12 . S E P T E M B E R 2 0 2 1
                                                                                      „Sie muss nur gut gearbeitet sein. Und Otto Schenks Regie
                                                                                      war wirklich sehr detailreich – das macht wahnsinnig Lau-
                                                                                      ne“, sagt der nächste New Yorker Sachs. Auch in Bayreuth
                                                                                      spüren sie kein Gängelband. Im Gegenteil: „Kosky hat uns
                                                                                      gesagt: Macht, was ihr tun könnt, dann können wir einiges
                                                                                      weglassen. Nur: er wollte nichts davon weglassen…“. Gestri-
                                                                                      chen wurden in diesem Jahr allerdings Wagners Hunde Mar-
                                                                                      ke und Molly. Kränzle lacht und bedauert es nicht: „Immer,
                                                                                      wenn ich das Kostüm anhatte und das Tier mich abgeleckt
                                                                                      hat, habe ich den ganzen Abend wie ein feuchter Hund ge-
                     MAX EMANUEL CENCIC        FR ANCO FAGIOLI                        rochen.“
                                                                                      Was es sonst noch außer Wagner gibt, ist so verschieden wie
                                                                                      bereichernd: Kränzle wird in der Festspielzeit zwischen Bay-
                                                                                      reuth und Salzburg hin- und herpendeln, weil dort, mit ihm
                                                                                      als Don Alfonso, die Così des letzten Jahres wiederaufgenom-
                                                                                      men wird, und Volle, der am 16. August einen Liederabend
                                                                                      in Wahnfried geben wird, schwärmt vom Freischütz-Film,
                       SIMONE K ER MES       JAKUB JÓZEF ORLIŃSKI                     den er vor einiger Zeit mit wunderbaren Kollegen – dem
                                                                                      Franz Grundheber (er imitiert ihn köstlich und basstief ), der
                                 www.bayreuthbaroque.de                               Juliane Banse – in der Sächsischen Schweiz drehen konnte.
                                                                                      Die Musik in den berühmten Abbey Road Studios, in denen
                                                                                      die Beatles gearbeitet haben, war sowieso Klasse: „Ich bin
                                                                                      da“, sagt Volle, „zehnmal über den Zebrastreifen gelaufen“.
                                                                                      Dann, abschließend, haben wir uns noch eine ganz besonders
                                                                                      kluge Frage ausgedacht – wie lange die beiden wohl noch

Kulturbrief Ad (84x194).indd 1                                   7.7.2021. 21:54:19
FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...
singen werden? Tatsächlich bekommen wir eine Antwort:
„Besser man sagt: Schade, dass er weg ist, als das man sagt:                           FICHTELGEBIRGE
Gott sei Dank!“, überlegt Volle. „Das sind Gedanken, die
sich die älteren Kollegen machen müssen“, ergänzt Kränzle
und beide lachen. „Während du Gesangskurse gibst, sing ich
ja noch – in Castrop-Rauxel. Den Kaspar!“, feixt Volle. Und
damit ist das Thema erledigt. Denn jetzt kommen die Fest-
spiele und anschließend geht es nach New York. Warum sie
sich beide wieder mit den beiden Rollen, die untrennbar zu-
sammengehören, auf einer Bühne wiederfinden? „Ich mach‘s
nur, wenn Kränzle den Beckmesser singt!“, das war, so Volle,
die Forderung. Das Dream-Team bleibt uns also noch eine
Weile erhalten. Und New York ist immer eine Reise wert.

                              Benjamin Breuer und Frank Piontek
                                                                       Festspiele im Fichtelgebirge

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                                                                           Akteuren. Nicht „die Großen der Geschichte“ waren es,
                                                                       die zur Ausbildung einer ganz eigenen, bodenständigen Kul-
                                                                       tur führten, sondern die Menschen vor Ort, die durch ihr
   Einladung
                                                                       Denken und Handeln, durch ihren Umgang mit der Land-
                                                                       schaft und der Natur, das schufen, was wir heute „Heimat“
                                                                       nennen dürfen. Die Liebe und Verbundenheit zu ihr führte
                                                                       zur Gründung der beiden „Festspiele“ im Fichtelgebirge an
                                                                       der Luisenburg und am Waldstein.
   Jüdisches Leben in Bayreuth
                                                                       Das 19. Jahrhundert gilt als Epoche des Umbruchs: Aus der
                                                                       Landwirtschaft und dem parallel dazu entwickelten Hand-
   Die Universität Bayreuth hilft anlässlich                           werk entstanden umfassende Wirtschaftssysteme, die schließ-
   des Festjahres zu 1700 Jahren leben-
   diger jüdischer Tradition in                                        lich ab den 1880er Jahren in die Hochindustrialisierung und
   Deutschland mit einem reich-                                        damit auch in eine komplett neue Gesellschaftsstruktur
   haltigen Programm beim                                              überleiteten. „Das Bürgertum“ konnte sich als Stand etablie-
   Erinnern und Füllen von
   Wissenslücken. Freuen Sie                                           ren und sich schnell als tonangebende Instanz positionieren.
   sich auf Ringvorlesungen,                                           Diese Bürger waren es, die es ab 1800 vermehrt in die heimi-
   Stadtgespräche, Mitmach-
   Workshops, eine App, etc.
                                                                       schen Wälder zog, schlichtweg, weil sie es sich leisten konn-
   Interessierte sind herzlich
                                                                       ten, einmal nichts zu tun. Die Lustwandelei, das Genießen
   eingeladen!                                           Foto: Waha
                                                                       des Laissez-Faire als Gegenbewegung zum immer häufiger
                                                                       starr strukturierten Alltag war bis dato weithin unbekannt,
       Nähere Informationen, Programm und Mediathek unter:
                                                                       erlaubte andererseits aber auch eine neue Wahrnehmung der
             www.juedisches-leben.uni-bayreuth.de
                                                                       göttlichen Schöpfung: Die Wildheit und die Unberührtheit
FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...
der Landschaft luden dazu ein, das aufkommende Nati-              Aufführungen 1925 führte. Nach Sümmerers Abberufung
onalgefühl und die damit einhergehende Heimatverbun-              nach München wurde es still um die Festspiele, ehe Oskar
denheit durch neue Formen auszudrücken. Und während               Froschauer ihnen mit dem Stück „Des Roten Schlosses Un-
Novalis von der Blauen Blume schrieb und Caspar David             tergang“ 1929 noch einmal Leben einhauchte. Zwischenzeit-
Friedrich in bis heute atemberaubender Schönheit die Ver-         lich aber war die Infrastruktur stark in Mitleidenschaft ge-
bindung zwischen Schöpfer und Schöpfung auf Leinwand              zogen worden und selbst wenn der Bayreuther Heldentenor
bannte, begannen Honoratioren aus Wunsiedel mit der               Josef Schöffel versuchte, die Festspiele durch Ausgabe von
Aufführung von „Singspielen“ auf der Felsenbühne Luisen-          Anteilsscheinen zu retten, versanken sie in der Vergessenheit.
burg, die dadurch als ältestes Freilichttheater Deutschlands      Erst 1998 wurden sie von Dr. Reinhardt Schmalz und Dieter
gilt. „Kurzweil“ und Zerstreuung für die sonst in Politik und     Sailer wiederbelebt: Mit den beiden originalen Stücken und
Wirtschaft tätigen Personengruppen standen dabei im Fokus         drei extra für die Bühne verfassten Nachfolgewerken finden
und lieferten zugleich einen adäquaten Anlass, das Selbstbild     die „Waldstein-Festspiele“ seither im regelmäßigen Turnus
des elitären Standes zu unterstreichen.                           statt, wobei sich Laienschauspieler und alles in allem 200
                                                                  Ehrenamtliche engagieren.
Am Waldstein indes, wo sich die Bürger aus Münchberg,
Hof und Weißenstadt ab der Jahrhundertmitte vermehrt auf          Auch die Luisenburg-Festspiele, die 1890 mit „Die Losburg“,
die romantisch verklärten Spuren des Mittelalters machten,        ebenfalls einem Spiel, das der romantischen Wahrnehmung
kam es 1854 erstmals zu einer kleinen Theateraufführung, als      des Mittelalters entspricht, aus der Feder Ludwig Hackers
„Der Citherspieler und das Gaugericht“ für die biedermei-         den Schritt in Richtung Theater wagten, laden bis heu-
erlichen Touristen inszeniert wurde. Auch wenn aus seinem         te jährlich hunderttausende Besucher ein. Schon seit 1914
Inhalt nichts weiter bekannt ist, steht zu vermuten, dass das     sind hier Berufsschauspieler am Werk, die selbstgeschriebene
Stück mit dem Streben des Bürgertums nach „Nationalgeist“         Stücke auf die Bühne bringen, aber auch weithin bekannte
und der Fokussierung auf die „Deutsche Geschichte“ in Ein-        Werke inszenieren.
klang zu bringen war. Immerhin erlebten in jenen Jahrzehn-
ten viele historische Stätten ein richtiggehendes Revival und     Beide Festspiele, die neben der Luisenburg und die am Gip-
so luden auch die inzwischen von Moos und Farn überwu-            fel des Waldsteins, sind Zeugnisse einer tiefgehenden Ver-
cherten Ruinen des mittelalterlichen Kleinadels dazu ein, den     bundenheit zur Heimat und ihrer einmaligen natürlichen
neuen „Deutschen Geist“ zu zelebrieren. 1923 schließlich,         Schönheit. Darüberhinaus aber zeigen sie auch, wie sich ge-
exakt 400 Jahre nach der Zerstörung der Westburg auf dem          sellschaftliche Wandlungen auf die Wahrnehmung der Land-
Waldsteingipfel, wurde mit „Ihre Burgen sind zerfallen“ der       schaft auswirken können und stellen damit wichtige Säulen
romantisieren Adelsgeschichte ein theatralisches Denkmal          der regionalen Kultur dar.
gesetzt. Das kurze Spiel aus der Feder des leider in Vergessen-
heit geratenen Heimatdichters Christian Sümmerer übertraf         Information: Die Waldstein-Festspiele finden aufgrund der an-
alle Erwartungen und veranlasste die Verantwortlichen, 1924       haltend unsicheren Situation voraussichtlich erst wieder 2023,
mit „Des Waldsteins Wunderblume“ nachzulegen, ein Stück,          zur 500. Wiederkehr der Zerstörung der Westburg, statt.
das die Sagenwelt des Fichtelgebirges auf einmalige Weise zu
einem bildgewaltigen Epos verquickt, aus dem ein ganz eige-       Bild: Szene aus „Des Waldsteins Wunderblume“ von 1924. Die
ner Zugang zum Zauber der Natur möglich wird. Innerhalb           Bühne befand sich damals inmitten der Felspartien unterhalb
eines Jahres besuchten knapp 20.000 Zuschauer die extra           des Teufelstisches.
angelegte Waldsteinbühne, was zu einer Wiederholung der
                                                                                                                 Adrian Roßner
FESTSPIELE - Buchhandlung Breuer & Sohn - Bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im Ge- gensatz zur gültigen Allgemeinheit ...
KÜNSTLERGESPRÄCH

Zwischen Froh und Franzbrötchen. Ein Interview
mit Roland Wagenführer.

A    m Grünen Hügel debütierte der Tenor 1998 als Erik
     im „Fliegenden Holländer“. 2006 leistete er mit seinem
Buch „Der Hügel kocht“ einen ganz speziellen Beitrag zur
Festspielgeschichte, in dem er mit Prominenten des Hügels
deren Lieblingsrezepte kochte. Heute beherrscht der viel-
seitige Sänger sogar die Herstellung der hanseatischen Spe-
zialität der „Franzbrötchen“ auf höchstem Niveau, wie der
Autor dieser Zeilen schon mehrfach beeindruckt feststellen
konnte. Wie es danach mit der Karriere des Tenors weiter-
ging, erzählt er uns in einem Gespräch für den Bayreuther
Kulturbrief.

Zunächst einmal: wie kamst Du überhaupt nach Bayreuth`?
Über Lübeck, um genau zu sein. Das dortige Theater wur-
de renoviert und mit den „Meistersingern“ 1996 wiederer-
öffnet, in denen ich den Stolzing sang. Zur Premiere kam
auch Wolfgang Wagner, der mich dann zum Vorsingen nach
Bayreuth einlud. Er suchte nämlich einen Stolzing für die
dortigen nächsten „Meistersinger“
Wie lief das denn ab?                                              Mielitz für mich auf den Spielplan, damit ich Bühnen-Erfah-
Gemischt. Da saß neben Wolfgang Wagner nämlich auch die            rung in der Rolle sammeln konnte.
komplette Dirigentenriege der damaligen Festspiele vor mir:
Daniel Barenboim, James Levine, Peter Schneider und Giu-           Wie ging es dann mit Deiner Karriere und den Angeboten wei-
seppe Sinopoli. Ein solches Publikum stabilisiert das Nerven-      ter?
kostüm eines jungen Sängers nicht unbedingt. Und es kam,           Nach dem Lohengrin-Debüt kamen aber jetzt noch „unmo-
was kommen musste: ich brachte im Preislied die Strophen           ralische“ Angebote im Wagner-Fach wie die Siegfriede oder
durcheinander, brach ab und rief ein deutlich vernehmbares         Tannhäuser hinzu. Aber da kam ich nie in Versuchung, da
„Sch….!“ in den Zuschauerraum. Da dachte ich nur: „Das             ich genau wusste, was meine Stimme konnte, und was ihr
war’s dann wohl mit Bayreuth!“ Aber Wolfgang Wagner rief           schaden würde. Lohengrin ist für mich wie der Erik auch
nur zurück: „Wagenführer, das ist schon ganz anderen pas-          im Grunde genommen eine lyrische Rolle, und die passten
siert, weiter machen!“ und bat mich danach dann in sein            beide perfekt für mich. Weiter wäre ich zu dem Zeitpunkt
Büro. „Hast Du gut gemacht, nächstes Jahr singst Du hier           auf keinen Fall gegangen, denn ich kam ja aus dem lyrischen
den Stolzing!“ Ich war zwar perplex aber nicht wahnsinnig,         Fach: Hans in der „Verkauften Braut“, Ferrando, Rodolfo,
denn ich wusste: was für Lübeck ganz ok war, würde für             Tamino und für Hans-Werner Henze habe ich sogar mal den
den Hügel noch nicht ausreichen in dieser schwierigen Rolle.       Belmonte vorgesungen.
Und so einigten wir uns dann auf den Erik im „Fliegenden
Holländer“ im Jahr 1998.                                           Wie kam das?
                                                                   Henze wollte mich in einem Vorsingen hören, aber der Pia-
Wie ist denn das, wenn man als Neuling das erste Mal zu den        nist kam nicht. Da fragte er mich etwas schüchtern: „Macht
Proben nach Bayreuth kommt? Wie nehmen einen die Kollegen          es Ihnen etwas aus, wenn ich Sie selbst begleite?“ Ich sagte
da auf?                                                            natürlich derart überraschend geehrt; „Natürlich nicht! Was
1997 kam ich bereits zu den Vorproben der Dieter Dorn In-          möchten Sie denn hören?“ Henze sagte daraufhin: „Kennen
szenierung vom „Fliegenden Holländer“ zum Hügel. Das               Sie vielleicht etwas in C-Dur…?“ Da sang ich die erste Bel-
war auch eine Produktion, die man nicht vergisst, dieses sich      monte-Arie und wurde engagiert.
langsam um seine Achse drehende Haus dürfte wohl allen
Zuschauern unvergessen geblieben sein. Ich habe mich da-           Im darauffolgenden Jahr, 2000, hast Du erneut den Lohengrin
mals schon sehr wohl dort gefühlt, die Kollegen vor Ort nah-       übernommen und zusätzlich den Froh im „Rheingold“ unter
men mich unglaublich nett auf, und später wählten sie mich         Giuseppe Sinopoli.
sogar zum Solistensprecher.                                        Es ist in Bayreuth ja Usus, dass man neben den ganz großen
                                                                   Partien parallel auch einmal die ein oder andere kleinere Rol-
Wie erinnerst Du Dich an das folgende Jahr,1999, das mit dem       le mit übernimmt. Aber dieser Sommer lief sehr unglücklich
Lohengrin ja ein Debüt mit sich brachte, das für einen Sänger      für mich. Nach der ersten „Lohengrin“-Aufführung merkte
kaum zu bestreiten ist, ohne sich klar zu werden, wer vor einem    ich schon, dass etwas nicht stimmte mit meiner Stimme. Ich
hier schon diese Rolle singen durfte.Wie geht man als Sänger mit   musste nach jeweils zwei Vorstellungen die Auftritte danach
solchem Druck um? Wie groß ist das Lampenfieber?                   absagen. Ich konnte aber nicht erkennen, woran es liegen
Lampenfieber? (lacht) Da hat man die Hosen gestrichen voll         konnte. Einige „Spezialisten“ meinten sofort zu erkennen,
bis zur Halskrause…. Aber der damalige Intendant der Sem-          dass ich zu früh zu schwere Rollen gesungen hätte. Aber das
per-Oper, Christoph Albrecht, hatte mir sehr geholfen. Er          war es natürlich nicht. Ich hatte zuvor gerade noch eine wun-
setzte das Werk in der legendären Inszenierung von Christine
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          derbare Lohengrin-Serie in Barcelona am“ Liceu“ gesungen
          gehabt, da war alles noch in bester Ordnung. Als Sänger
          merkt man es als erstes, wenn etwas nicht stimmt. Heute bin
          ich mir sehr sicher, dass das schon die ersten Anzeichen der
          Multiplen Sklerose bei mir waren, die später bei mir entdeckt
          wurde. Stimmbänder sind eben auch Muskeln und bleiben
          davor leider auch nicht immer gefeit.

          Wie hast Du versucht, da gegen zu steuern?
          Erst denkt man natürlich, dass das ein stimmtechnisches
          Problem ist. Ich habe wieder Unterricht genommen, parallel
          habe ich mich von Hals-Nasen-Ohren-Ärzten checken las-
          sen. Jeder glaubte auch, etwas gefunden zu haben, an dem es
          liegen konnte, aber es trat im Endeffekt keine wirkliche Ver-
          besserung ein. Das machte mich wahnsinnig, in der Luft zu
          hängen und nicht zu wissen, was mit einem los ist. Und ich
          hatte natürlich Verträge international von Florenz bis Lon-
          don und bis in die weite Zukunft, die waren natürlich alle
          gefährdet. Da habe ich mich dazu entschlossen, lieber aufzu-
          hören. Zwischendurch habe ich noch mit Michael Gielen ein
          „Lied von der Erde“ gesungen und in Dresden den Loge un-
          ter Semjon Bychkov in der Inszenierung von Willy Decker,
          der auch recht gut lief, wobei das natürlich eine Rolle ist, die
          rein sängerisch nicht so viel verlangt wie Lohengrin und Co.

          Warst Du zu dem Zeitpunkt noch in einem Ensemble?
          Nein, leider nicht. Wenn der Erfolg und die Gastspiele dann
          zunehmen, ist das mit regelmäßigen Auftritten in einem En-
          semble nicht mehr praktisch vereinbar. Man entscheidet sich
          dann eigentlich immer für eine Laufbahn als freischaffender
          Sänger. Das ist natürlich dann schlecht, wenn einen dann so
          eine Krankheit heimsucht.

          Du bist aber später wieder in ein Ensemble gekommen, nämlich
          hier in Hannover. Wie kam es dazu?
          Das war ein mehr oder weniger glücklicher Zufall. Ich war
          damals in Graz und hatte dort als Gast entdeckt, wie viel
          Spaß es mir machte, die kleineren Charakterrollen zu singen,
          die Comprimarii, wie die Italiener diese Partien so schön
          nennen. Jürgen Reitzler war dort damals künstlerischer Be-
triebsdirektor, den ich noch aus meiner Zeit aus Coburg
kannte. Er wechselte dann in dieser Position nach Hanno-                                            FESTSPIELE
ver. Von dort kam dann im Jahr 2006 eine Anfrage, ob ich
mir vorstellen könnte, ins Ensemble zu kommen als erfah-
rener Sänger, der eben auch schauspielerisches Talent hatte.
Auch Musicals kamen dann dort für mich stärker in den
Focus, Tevje in Anatevka eben, „My Fair Lady“, „How to
suceed in business“ oder „Kiss me, Kate“! Und natürlich
Operette, die ja immer mein Steckenpferd war.
Das Singen machte mir wieder Freude, weil der ganze Stress
und Leistungsdruck auf einmal weg waren. Ich konnte nach
den Vorstellungen in meinem eigenen Bett schlafen, und
wenn mal ein Ton nicht 100%ig kam, hat nicht gleich die
halbe Opernwelt deshalb aufgeschrien. Ich konnte wieder
Freundschaften pflegen, mich mehr um meine Familie küm-
mern und einfach wieder zu mir finden. Ich bedauere heute                       Der englische Pianist und Komponist Clement Harris
sehr, durch meine Karriere das Großwerden meiner Kinder                         (1871 bis 1897) bei den Bayreuther Festspielen 1891
mehr oder weniger verpasst zu haben durch meine interna-
tionale Karriere. Ich habe mir vorgenommen, dass jetzt bei                      Im Juli 2021 gedenken Musikfreunde in London, Frankfurt,
meinen Enkeln anders zu machen!                                                 Heidelberg und Athen des 150. Geburtstages von Clement
                                                                                Harris - Bayreuth feierte diesen besonderen Geburtstag sogar
                                            Dr. Stefan Mauß                     mit einem Klavier-Konzert bei Steingraeber & Söhne. Was
                                                                                den zwanzigjährigen Künstler mit den Wagners und dem
                                                                                Grünen Hügel verband?
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                                                                                ris endgültig für das Klavier, es wurde (nach der Geige) das
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                                                                                wollte, so war die Überlegung seiner wohlhabenden Londo-
                                                                                ner Familie, die eine internationale Reederei besaß, gab es
                                                                                in Deutschland eine Legende, die Garantin für eine große
                                                                                Karriere war: Clara Schumann. Die Witwe des Komponisten
                                                                                Robert Schumann, selbst eine phänomenale Pianistin, leitete
                            rosalie
                                 und
                                                                                die Meisterklasse am Hoch‘schen Konservatorium in Frank-
                                                                                furt am Main. Im Herbst 1887 machte sich der ehrgeizige
                                 wagner                                         junge Mann auf den Weg, erlernte die deutsche Sprache (mit
                                        licht – mythos – material               hessischem Einschlag und britischem Akzent) und übte zwei
                                                                                Jahre intensiv, um im Sommer 1889 bei Frau Schumann auf-
                                              www.wagnermuseum.de
                                                                                genommen zu werden. Durch englische Kontakte fand er in
                                                    Foto: Wolf-Dieter Gericke
                                                                                der Main-Metropole sehr schnell Aufnahme in aristokrati-
                                                                                sche Kreise (Töchter von Queen Victoria waren in deutsche
Fürstentümer und ins kaiserliche Berlin verheiratet worden)      zwanzig geworden, ein charmanter Jüngling mit ausgespro-
sowie in den künstlerischen Salon im Hause Edward Speyer.        chen guten Manieren aus priviligierten Verhältnissen, ein
Dort verkehrten neben Clara Schumann, Johannes Brahms,           talentierter Musiker, der fließend Englisch, Deutsch und
dem Maler Hans Thoma u.a. auch Daniela und Dr. Hen-              Französisch sprach und für das Werk Wagners leidenschaft-
ry Thode. Daniela war die älteste Tochter Cosima Wagners         lich eintrat - Cosima spannte ihn sogleich für ihre Zwecke
aus der Ehe mit dem Dirigenten Hans von Bülow. Noch              ein, indem sie ihn bat, die Festspielleitung zu unterstützen,
ein Name spielt eine wesentliche Rolle: Engelbert Hum-           indem er die „fremdsprachige Korrespondenz“ erledigte und
perdinck. Der Parsifal-Assistent Richard Wagners verdiente       besondere Festspielgäste aus dem Ausland betreute.
seinen Lebensunterhalt als Lektor für den Verlag Schott in       Clement Harris erlebte seinen Favoriten, die Oper „Tristan“,
Mainz und als Dozent am Hoch‘schen Konservatorium. Co-           und notierte im Tagebuch seine Eindrücke.
sima bat „das Hümpchen“, sich um ihren Sohn Siegfried zu         „Glücklicherweise saß ich die ganze Zeit in der Familienloge,
kümmern und ihm die Grundlagen für eine mögliche Mu-             denn während des letzten Aktes war ich viel zu aufgeregt und
siker-Existenz zu vermitteln. Der Wahnfried-Erbe hatte sich      völlig zermürbt. Ich gebe zu: Ich schluchzte wie ein Kind!“
jedoch noch längst nicht für das Festspieltheater auf dem        Bei allen Einflüssen stellte er an anderer Stelle klar: „Frau
Hügel entschieden. Aber er pendelte häufig zwischen Karls-       Wagner ist eine ungewöhnliche Frau von starker Faszination.
ruhe, wo der Dirigent Felix Mottl als Generalmusikdirektor       An der Judenhatz beteiligte ich mich in keinem Moment...“
die Oper prägte und Frankfurt häufig hin und her und hatte       Clement Harris erhielt von seinen Eltern als Geschenk zum
zu seiner Halbschwester und seinem Schwager eine durchaus        21. eine Reise um die halbe Welt. Im November 1891 traf
enge Beziehung. Und so lernten sie sich kennen, der eine         ein Brief in Wahnfried ein, worin er Siegfrieds Mutter dar-
18, der andere 20, im Hause Speyer. Clement, der seit 1889       um bat, ihr Sohn dürfe ihn als sein Reisegefährte begleiten.
Tagebuch führte, notierte zu ihrer ersten Begegnung.             Auch wenn Cosimas erster Impuls gewesen sein mag, dem
„Der Sohn des Riesen war auch da. Wir hatten ein langes          Wahnfried-Erben diese Zustimmung zu verweigern, musste
Gespräch über Wagner. Er sieht seinem Vater sehr ähnlich,        sie doch einsehen, dass Siegfried die Aussicht auf die Rei-
hat aber einen weniger mächtigen Kopf!“ In den Jahren            se „wie eine Befreiung“ empfand. Es ist nicht übertrieben
1890 bis 1892 hatten die Freunde intensiven Kontakt, was         zu sagen, dass es auch dem Einfluss von Clement Harris zu
schließlich dazu führte, dass Clement Harris die Familie         verdanken ist, dass Siegfried sein Bayreuther Erbe akzeptier-
Wagner in den Sommerwochen 1891 besuchte. Wie stark              te. Der Brite, der seine Studien in Heidelberg fortsetzte und
seine Begeisterung für Wagner war, lässt sich angesichts eines   bis 1896 als Pianist, Arrangeur und erfolgreicher Kompo-
Tagebuch-Eintrags vom 8. Juli 1890, seinem 19. Geburtstag        nist auf sich aufmerksam machen konnte, engagierte sich für
ermessen:                                                        sein Sehnsuchtsland und fiel mit 25 Jahren als freiwilliger
„Es gibt nur einen, den ich wage, zum Vorbild meiner Wün-        Kämpfer bei der Bergfestung Pente Pigadia (Fünf Brunnen)
sche zu erheben. Ihn, der zwanzigmal mehr gelitten hat als       in Griechenland. Das war am 23. April 1897. Er sah sich we-
ich: Ihn, der in Kunst und Leben die Philister und Ungläu-       der als Held noch als Opfer. Vielmehr setzte er aus innerster
bigen bekämpfte und zuletzt den Sieg errang: Er sei mein         Überzeugung, der an die Zukunft Hellas glaubte, sein Leben
Leitstern, der Leuchtturm in brandender See und ein Hafen,       aufs Spiel. Ein großes Talent ging der Musikwelt dadurch
in dem ich ankern kann. O könnte ich doch alle Gegner von        verloren.
der Echtheit und gigantischen Größe des Meisters überzeu-                                                      Claus J. Frankl
gen.“
Kein Wunder, dass er bei solch großem Enthusiasmus in
Wahnfried mit offenen Armen empfangen wurde. Er war
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                                                                                           is in Bareid fei wenig los
                                                                                       doch im August, do werrnsa munter,
                                                                                       klappnsa die Gehsteich nunter.

                                                                                       Ieberoll do hänga Fohna
                                                                                       alla Leit, die wo do wohna
                                                                                       wissn etzertla Bescheid,
                                                                                       in Bareid is Festspillzeit.

                                                                                       Wenn alla Stroßn nai geteert,
                                                                                       es werd ka Baustellnlärm mehr ghert
                                                                                       aa im Werzhaus, schautna her
                                                                                       zohlst a Fuchzgerla glei mehr.

                                                                                       Und werkli wohr in alla Lädn
                                                                                       lieng Notn, blecherna Drumbeedn
                                                                                       und sogoor im Metzgerloodn
                                                                                       steht der Wonger nebern Brotn.

                                                                                       Es kumma aa aus aller Welt
                                                                                       die Leit und bringa uns a Geld
                                                                                       und ieberoll is a Mordsgschrei
                                                                                       wer derf ins Deoder nei.
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                                                                                       do dirigiert fei etz a Fraa
                                                                                       des hots frieher gornet gebn,
                                                                                       dass mir sowos nuch derlebn.
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Und ieberhaupt, soocht er dann glei
do bringt miech fei kaaner nei
wall mir Bareider ohne Lieng
ja aa kanna Kaddn krieng.

Do hobbi gsocht, des werd dro felln
Du musst erst amol bestelln
wall die Kaddn ungelong
werrnda fei net noochgetrong.

                                                     © courtesy of the artist
Dabei is des doch so schee
in a Oper, a Konzert zu geh
und etzert konnst a tichtich schwitzn
host neber dir ja kann zu sitzn.

Doch eigentlich freia sich die Leit,
                                                                                Der Grenzgänger: Jay Scheib
dass Festspiele sin do in Bareid
und wers net mooch in jedn Fall
fährt in Urlaub halt awall.
                                                                      E             r ist ein Tausendsassa, also nicht allein der Mann für Wag-
                                                                                    ner, sondern auch für das Sprechtheater, das Musical, die
                                                                                Medienkunst. Jay Scheib ist, so scheint‘s, ein US-amerikani-
                                                                                scher Selbst(er)findungskünstler, dessen Projekte von erstaun-
Und erzählt oo jedn Strand
                                                                                licher Vielfältigkeit sind. Es war wohl ein Wagner-Projekt, das
ganz stolz im In- oder Ausland
                                                                                ihm den Auftrag verschaffte, für die Bayreuther Festspiele eine
aus Bareid bin iech fei doo,
                                                                                besondere Siegfried-Variation zu kreieren, aber angesichts sei-
Wonger, no sie wissn scho.
                                                                                ner vielen anderen Produktionen hätte es kaum die Referenz
                                                                                gebraucht. Scheib, Jahrgang 1969, absolvierte zunächst eine
                                 Reinhold Hartmann                              zünftige Universitätsausbildung: an der Columbia University
                                                                                School of the Arts machte er seinen Master of Fine Arts in
                                                                                Theaterregie. Was folgte, ist eine Reihe von vielen internatio-
                                                                                nalen Produktionen, aber vor allem von interessanten Namen:
                                                                                zwischen Antonin Artaud (Le Jet de Sang) und Heiner Müller
                                                                                (Mommsens Block), Anton Tschechow (Platonow) und Gertru-
                                                                                de Stein (The Making of Americans), zwischen fast klassischem
                                                                                Musiktheater und einem Post-Punk-Liederabend spannt sich
                                                                                für den kreativen Mann aus Iowa eine Bühnenwelt auf, die sich
                                                                                vor allem, aber nicht allein für die neue Theaterkunst enga-
                                                                                giert. Was Scheib interessiert, sind Übergänge; dass er zusam-
                                                                                men mit dem Komponisten Keeril Makan aus Ingmar Berg-
                                                                                mans Film Persona eine Oper machte, ist kein Zufall. Schon
die bloße Nennung seiner Arbeiten für das Musiktheater ist
beeindruckend vielfältig. Jim Steinmans Musical Bat Out of                NEUE WAGNER - LITERATUR
Hell (London Coliseum 2017: bestes Musical des Jahres), steht
neben Addicted to Bad Ideas, einem „Liederabend“ über Peter
Lorre, A House in Bali, eine „Live-Kino-Oper“ neben Irena
Popovichs Mozart Luster Lustik (Sava Center Belgrad), die No-
vaflot-Opernsaga Kommander Kobayashi, u.a. mit Musik von
Moritz Eggert (Staatstheater Saarbrücken) neben zwei von ei-
ner Gitarre begleiteten Shakespeare-Projekten: Margarethham-
let (Berlin) und All Good Everything Good nach All‘s Well That
Ends Well (UA Bologna) für eine Darstellerin. Dagegen könn-
te die Inszenierung von Thomas Adès‘ Donna Giovanna-Oper
                                                                  Wagner und kein Ende… Das wichtigste Wagner-Buch des
Powder Her Face (New York City Opera 2013) fast herkömm-
                                                                  Jahres ist wieder ein Quellenband. Denn nirgendwo anders als
lich wirken. Kam 2016 eine neue Version von Carmen heraus,
                                                                  in Wagners eigenen Werken und Schriften lernt man ihn so
so folgte 2017 an der Oper Wuppertal sein bislang einziges
                                                                  gut kennen. Auch der 27. Band der Sämtlichen Wagner-Briefe
Wagner-Projekt: freilich nicht als „reiner“ Wagner. Surrogate
                                                                  überrascht mit vielen Neufunden und Erstpublikationen, die
Cities/Götterdämmerung bot eine Mixtur aus Orchesterstücken
                                                                  belegen, dass auch von Wagner noch längst nicht alles gesagt
von Heiner Goebbels und dem letzten Akt der Tetralogie. Das
                                                                  ist. 1875: das war das Jahr vor den ersten Festspielen. Noch ist
Ring-Finale in einer modernen Großstadt, das war das Kons-
                                                                  nichts in trockenen Tüchern, noch sucht der Festspielleiter seine
trukt: „Durch den 3. Akt der Götterdämmerung gewinnt die
                                                                  Sänger und Musiker zusammen, noch muss er um Geld kämp-
Frage der Surrogate Cities nach Verantwortung, Ethik und
                                                                  fen, um das Unternehmen über die Bühne gehen zu lassen, ein
der Zukunft eine globale Dimension: Wie kann das Zu-
                                                                  Verlegerstreit um die Neufassung des Tannhäuser belastet zu-
sammenleben in der Stadtgesellschaft der Zukunft gelingen,
                                                                  sätzlich. Im Kleinklein des Arbeitsalltags enthüllt sich Wagners
wenn der Mensch letztlich von Machtstreben und Gleichgül-
                                                                  Zähigkeit, aber auch sein Charme, seine Verzweiflung und seine
tigkeit dominiert wird?“ Damals sah man in eine Wohnung
                                                                  Zuversicht. Ein Lektüre-Muss für jeden, der Wagner, seine un-
ohne Mauern, eine Stadt ohne Ort, in der, so Scheib, „Spuren
                                                                  mittelbare Umgebung wirklich kennen lernen will.
kollektiver und persönlicher Erinnerung auftauchen, die mit
Momentaufnahmen der Jetzt-Zeit verknüpft werden“, wobei
                                                                  Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Bd. 27 (1875). Breitkopf &
„die Kamera als Vehikel für die Konfrontation der Realität mit
                                                                  Härtel, 2021. 728 Seiten. 74 Euro.
der Fiktion und umgekehrt“ dient. In Bayreuth geht Scheib
noch einen Schritt weiter. Denn die „multimediale Arbeit Sei
Siegfried“ – so heißt es auf der Homepage der Festspiele – „er-
möglicht den Besuchern, selbst in die Rolle des Siegfried zu
schlüpfen und gegen Fafner den Drachen zu kämpfen.“ My-
thos und Moderne werden, so gesehen, spielerisch verwoben.
Man darf also gespannt sein, in welchen Wald uns Jay Scheib
hineinführen wird – und wie das Monster aussieht, mit dem
er uns konfrontiert.

                                               Frank Piontek      Die „Theuerste Nichte“ – so nannte Cosima Wagner die Ham-
                                                                  burger Bürgermeistertochter Antonie „Toni“ Petersen. Ohne die
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                                     Frau an der Elbe hätte Wagner für sein Festspielunternehmen ge-
                                     wiss nicht ganz so viele Unterstützer werben können. Es war vor
                                     allem Cosima Wagner, die den Kontakt zur musikbegeisterten
                                     Toni aufrecht hielt. Die glänzend kommentierte Briefsammlung
                                     wurde ausgestattet mit erstklassig reproduzierten Fotos, die die
                                     persönlichen und beruflichen Beziehungen der beiden Frauen
                                     im einseitig überlieferten Briefwechsel reizvoll und facettenreich
                                     aufschimmern lassen: auch als eine Hamburger Wagnertheater-
                                     geschichte in nuce.
 Richard-Wagner-Verband              Claudia Graciela Petersen: An die „theuerste Nichte“. Cosima
   Bayreuth präsentiert:             Wagner im Spiegel ihrer Korrespondenz mit der Hamburger
                                     Bürgermeistertochter Antonie Petersen. Leipziger Universitäts-
                                     verlag, 2020. 251 Seiten, 72 Bilder und 31 Seiten Brieffaksi-
                                     mile. 29 Euro.

AUF
      EIN
          WIE
        IN 2 DERSE
            022    HEN
                                     Dass über Wagner schon alles gesagt ist, ist so wahr wie die Be-
                                     hauptung, dass die Erde eine Scheibe sei. Die deutsche Wag-
                                     ner-Fachzeitschrift bündelte im 2. Halbjahr sieben profunde
                                     Beiträge zum Themenfeld „Wagner – USA – Kurt Weill“, um zu
                                     belegen, dass die Beziehungen der Werke Wagners zur US-ame-
                                     rikanischen Kultur nicht über einen Kamm zu scheren sind.
 Einführungsvorträge                 Dazugepackt: ein origineller Beitrag über „Wagners Köchin“,
                                     die musikalische Beziehung Liszts zu Wagner, ein Gespräch mit
 von Jürgen Ern
                                     John Lundgren (einem Bayreuther Wotan) und weitere Beiträge
                                     zum Ring und zu Wagners Lieblingswort „Wonne“.
 Hintergründe                        Der Band des 1. Halbjahrs 2021 kreist mit sechs großen Aufsät-
 Handlung und Symbolik               zen um die Festspiel-Premiere des Jahres, also um den Fliegenden
 Musikbeispiele                      Holländer: von der Entstehungsgeschichte über Fassungsfragen
 Inszenierung                        zur Verfilmung durch Joachim Herz. Als Zugabe gibt es diesmal
                                     eine kommentierte Edition von 20 (!) neu- bzw. wiederaufge-
fundenen Gedichten Richard Wagners; eine „Gesamtausgabe“
erschien bekanntlich 2019 im Verlag Breuer & Sohn.

Wagnerspectrum 2/2020. Schwerpunkt: Wagner - Weill – Ame-
rika. Königshausen & Neumann. 380 Seiten.
Wagnerspectrum 1/2021. Schwerpunkt: Der fliegende Hollän-
der. Königshausen & Neumann. 352 Seiten. Jew. 24,80 Euro.

                                                                  Mit dem Sammelband Wagner Weimar Eisenach bewegen wir
                                                                  uns im Spannungsfeld von Kultur und Politik, auch von The-
                                                                  orie des Entwurfs und Praxis des Werks. Die Autoren unter-
                                                                  suchten Gemeinsames und Trennendes in Liszts und Wagners
                                                                  Kunst- und Kulturentwürfen, begaben sich auf die Spuren der
                                                                  Sänger und Sängerinnen, die Wagners Werke in Weimar und
                                                                  weit darüber hinaus populär machten, und publizierten zum
Mit den Prachtgemäuern vollendeten die Autoren eine Tetralogie    ersten Mal den Entwurf für das Sgrafitto von Haus Wahnfried,
von umfangreichen Bänden, die dem Festspielhaus, dem Haus         der sich in Eisenach erhielt. Dass Wagner nicht ohne die politi-
Wahnfried, Wagners Lebens- und Reiseorten und nun en detail       schen Zeitumstände, ohne die adligen Unterstützer und Franz
den Schweizer Wohnungen und Venedig gewidmet sind. Wir            Liszt zu haben ist: der gut konzipierte Band macht es mit origi-
erhalten auch durch Quellenneufunde Einblicke in selten bis       nellen Funden und Fund-Deutungen wieder einmal klar.
nie abgebildete Räume, um Wagners Umwelt genau zu erfor-
schen. Wirklich spannend wird der Band dort, wo jene Figuren      Helen Geyer (u.a. Hrgg.): Wagner Weimar Eisenach. Richard Wag-
genauer beleuchtet werden, die Wagner auf seinem Lebensweg        ner im Spannungsfeld von Kultur und Politik. Transcript, 2020.
direkt und indirekt begleiteten. Zu erfahren, wer Alfred Escher   220 Seiten. 34,99 Euro.
war, ist nicht allein in Hinsicht auf die Escherhäuser am Zelt-
weg relevant. Neben den bekannten Schweizer Freunden sind es
die unbekannten, meist deutschen Maler, die im venezianischen
Teil des Buchs ihren erstmaligen Auftritt in der Wagner-Biogra-
phik haben. Und die Fotos sind immer erstklassig.

Christian Bührle, Markus Kiesel, Joachim Mildner: Pracht-
gemäuer. Wagner-Orte in Zürich, Luzern, Tribschen und Ve-
nedig. ConBrio, 2020. 284 Seiten, viele Abbildungen. 58
Euro.                                                             Ins Spannungsfeld von Theorie und Praxis begibt man sich
                                                                  auch, wenn man sich genauer anschaut, wie Wagner zu singen
                                                                  ist und wie er (vermutlich) zu seiner Zeit gesungen worden ist.
                                                                  Mehrere Autoren haben sich mit den historischen, aber auch
                                                                  den stimmtechnischen Voraussetzungen befasst, die das Beson-
                                                                  dere des Phänomens „Wagnergesang“ zu beschreiben versuchen.
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   mit Siggi Stadter sowie die Zollkapelle Nürnberg                                                  Geführte Humboldt-
                                                                                                     Wanderungen mit
am Sonntag, 8. August 2021 von 11.00 - 18.00 Uhr                                                     David Zinke und
                                                                                                     Hartmut Koschyk auf
                                                                                                     dem Humboldtweg
                                                                                                     rund um Goldkronach
                                                                                                     mit Humboldt-Brotzeit.

                                                                Während der Wanderungen gibt es Erläuterungen über
                                                                die Geschichte des Bergbaus in Goldkronach und die
                                                                    fränkischen Jahre Alexander von Humboldts.
                                                               Ausgangs- und Zielpunkt: Marktplatz Goldkronach
   Ein Liederabend mit Freunden
   von Alexander von Humboldt                                       Linus Cuno und Band
   mit Antonia Ruck, Gesang und Kirill Kvetniy, Flügel         Konzert in der Evangelischen Stadtkirche Goldkronach
    in der Kath. Kirche St. Michael Goldkronach
                                                                     am Samstag,
 am Samstag, 14. August 2021 um 19.30 Uhr
                                                                 28. August 2021
                                                                    um 19.30 Uhr

                                                                Die Veranstaltungen finden unter Einhaltung aller Corona-bedingten
                                                               Vorgaben statt. Für die Konzerte und die Wanderung ist die Teilnahme
                                                                nur nach telefonischer Anmeldung unter: 09241 / 48 58 59 2 möglich.

                  www.humboldt-kulturforum.de                                       www.humboldt-kulturforum.de
Hier Wilhelmine Schröder-Devrient, die für Wagner durchaus
nicht die beste Sängerin war, dort ein paar Gespräche mit Sän-
gern und Sängerinnen und einer Dirigentin, die ihre Erfahrun-
gen mit den Werken Richard Wagners diskutieren. Ein Muss
für alle, die wissen wollen, wie er (der Wagnergesang) gemacht
wird – oder gemacht werden könnte.

Isolde Schmid-Reiter (Hrg.): Worttonmelodie. Die Heraus-
forderung, Wagner zu singen. ConBrio 2020. 299 Seiten. 29
Euro.                                                              Die Justiz bzw. Rechtsgeschichte dürfte ein besonderes Recht
                                                                   dazu besitzen, über die Werke eines Mannes zu schreiben, der
                                                                   in so ziemlich allen seinen Opern und Musikdramen juristische
                                                                   Fallen aufgestellt hat. Wolfgang Schild hat in seinem Sammel-
                                                                   band seine 14 „kleinen Schriften“ zu Wagner zusammengestellt,
                                                                   in denen er sich v.a. dem Lohengrin, dem Ring und Parsifal wid-
                                                                   met, um – immer auf der Basis eines genauen Quellenstudiums
                                                                   – zu bisweilen überraschenden, doch immer überzeugenden
                                                                   Antworten zu finden. Wer der Meinung ist, dass es jenseits der
                                                                   Klangmagie von Wagners genialen Bühnenstücken eine philolo-
                                                                   gisch vermittelbare Schicht gibt, die uns den Sinn dieser Stücke
Eine weitere Neuerscheinung hat es mit Theorie und Praxis, mit     erst begreifen lässt, sollte zu Schilds profunden Analysen greifen.
den Schriften und der Bühnenrealität und -technik zu tun. Der
dritte Band der Reihe Diskurs Bayreuth dokumentiert die Vor-       Wolfgang Schild: Richard Wagner – Recht betrachtet. Verlag De-
träge und Gespräche, die in diesem dritten Symposion in Wahn-      Gruyter, 2020. 458 Seiten. 119,95 Euro.
fried gebracht wurden. Hier geht‘s um die Wagner-Auffüh-
rungspraxis gestern und heute. Als man sich 2019 in Wahnfried
traf, hatte man gerade Tobias Kratzers Tannhäuser-Inszenierung
hinter sich gebracht, über die so viel Gutes wie Problematisches
zu berichten war. Der Diskurs Bayreuth aber brachte nicht allein
Gespräche mit dem Regisseur und einigen Kollegen, sondern
tiefe Einblicke in das Phänomen der Wagner-Regie: exempli-
fiziert an herausragenden Inszenierungen, historischen Figuren
und Phänomen, nicht zuletzt an der Frage, was das Gestern mit
dem Heute zu tun haben könnte, vielleicht auch müsste. Ein
Buch zum Weiterdenken.
                                                                   Der blaue Lohengrin – dies war das Schlagwort, das die In-
Szenen-Macher. Wagner-Regie vom 19. Jahrhundert bis heute (=       szenierung des Werks durch Yuval Sharon bei den Bayreuther
Diskurs Bayreuth 3). Hrg. von Katharina Wagner, Holger von Berg    Festspielen 2018 am besten traf. Nun haben Rosa Loy und
und Marie Luise Maintz. Bärenreiter, 2020. 238 Seiten. 38,95       Neo Rauch ein Buch vorgelegt, das Loys Kostümentwürfe und
Euro.                                                              Rauchs Bühnenbildskizzen in einem höchst ansehnlichen ge-
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          stalteten Band vereinigt. Hinzu kam ein schöner Begleittext des
          Dirigenten der Produktion, von Christian Thielemann also, der
          einige wertvolle Hinweise zur Interpretation der Oper dazugibt.
          Ein Geschenk – auch für die, die die Inszenierung vielleicht
          nicht mochten, weil es Einiges zu erklären vermag.

          Richard Wagner: Lohengrin. In Bildern von Rosa Loy und Neo
          Rauch. Mit einer Einführung von Christian Thielemann. Verlag
          C.H. Beck, 2020. 152 Seiten, 51 farbige Abbildungen. 34 Euro.

          Früher gab es Moritatensänger und Bilderbogen, heute gibt
          es nur noch Bilderbogen. Jüngst erschienen vier zum Ring des
          Nibelungen. Hat man das schon mal gehabt? Den kompletten
          Text jedes Musikdramas auf der Rückseite, auf der Vorderseite
          eine Riesenzeichnung in übereinanderlappenden Segmenten,
          in denen die Figuren und die wichtigsten Handlungsmomente
          auf einem Blick sichtbar sind? Dazugelegt: ein Blatt mit dem
          gesamten Ring-Personal. Bei Martin Stark wird aus der mythi-
          schen Moritat ein graphisches, optisch variantenreiches Kunst-
          werk in Schwarzweiß – und Gold! Womit die Wagner-Kunst-
          geschichte um eine schöne originelle Variante reicher geworden
          ist: für Kenner, Liebhaber und Novizen.

          Der Ring des Nibelungen nach Richard Wagner. Illustriert von
          Martin Stark. Büchergilde Gutenberg, 2020. 60,- Euro.
                                                                   Anzeige

          Die vorgestellten Bücher finden Sie alle
          im Festspielregal der Bayreuther Buch-
          handlung Breuer & Sohn am Luitpold-
               platz 9 im Herzen Bayreuths.
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