Freiheit für die Meinungen, Seit 1791 schützt die Verfassung der USA die freie Rede. Trotzdem muss das Grundrecht immer wieder politisch und ...

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Freiheit für die Meinungen, Seit 1791 schützt die Verfassung der USA die freie Rede. Trotzdem muss das Grundrecht immer wieder politisch und ...
52    USA

»Freiheit für die Meinungen,
     Seit 1791 schützt die Verfassung der USA die freie Rede. Trotzdem muss das Grundrecht
     immer wieder politisch und juristisch erkämpft werden – bis heute V O N M A N F R E D B E R G
Freiheit für die Meinungen, Seit 1791 schützt die Verfassung der USA die freie Rede. Trotzdem muss das Grundrecht immer wieder politisch und ...
die wir hassen«

FÄHNLEIN IM WIND
Flagge der »Dreiprozenter«
in Washington vor
dem Sturm aufs Kapitol
am 6. Januar 2021:
Die rechtsradikale Miliz
wähnt sich im Geiste einer
vermeintlichen Avant­garde
(»Drei Prozent«)
der amerikanischen
Revolutionäre von
1776 und unterstützt
Donald Trump
Freiheit für die Meinungen, Seit 1791 schützt die Verfassung der USA die freie Rede. Trotzdem muss das Grundrecht immer wieder politisch und ...
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           D              ie Bürgerinnen und Bürger der Ver­
           einig­ten Staaten sind stolz auf die Meinungsfreiheit,
           die ihnen ihre Verfassung garantiert. Seit 1791 ver­
           bietet der Erste Zusatzartikel, das First Amendment,
                                                                       gegen den Drucker Johann Peter Zenger, diesen
                                                                       wegen Verleumdung schuldig zu sprechen, weil die
                                                                       in seiner Zeitung geäußerte Kritik am Gouverneur
                                                                       der Kolonie New York offenkundig den Tatsachen
           dem Kongress, ein Gesetz zu erlassen, das »die Rede-        entsprach. Der Wahrheitsbeweis blieb als Mittel der
           oder Pressefreiheit oder das Recht des Volkes ein­          Verteidigung gegen Anklagen wegen aufrührerischer
           schränkt, sich friedlich zu versammeln«. Der Erste          Verleumdung gleichwohl noch lange umstritten.
           Zusatzartikel, der außerdem die Religionsfreiheit               Den Patrioten der Amerikanischen Revolution
           und das Petitionsrecht gewährleistet, gehört zum            galt eine freie Presse als »Bollwerk der Freiheit« ge­
           Kernbestand des amerikanischen Freiheitsbegriffs.           gen »despotische Regierungen«, wie es 1776, im Jahr
               Er schützt nach heutigem Verständnis nicht nur          der Unabhängigkeitserklärung, in der Virginia De­
           politische Betätigung, Wissenschafts-, Medien- und          claration of Rights hieß. Mit der Ratifizierung des
           Kunstfreiheit, sondern auch vieles, was große Teile         First Amendment schien dieses Bollwerk auf festem
           der Bevölkerung als unmoralisch oder unpatriotisch          Grund zu stehen.
           empfinden, wie etwa die Verbreitung von Porno­                  Ende der 1790er-Jahre spitzte sich jedoch die par­
           grafie und das Verbrennen amerikanischer Flaggen.           teipolitische Polarisierung zwischen den von Präsi­
           Das First Amendment schützt sogar die Leugnung              dent John Adams angeführten Föderalisten und den
           des Holocausts, die in der Bundesrepublik unter             Anhängern des oppositionellen Vizepräsidenten
           Strafe steht. Das amerikanische Prinzip der Mei­            Thomas Jefferson zu. Der von den Föderalisten be­
           nungsfreiheit, so formulierte es der US-Verfassungs­        herrschte Kongress erließ Gesetze, die angeblich der
           richter Oliver Wendell ­Holmes im Jahr 1929, be­            nationalen Sicherheit dienten – die USA standen am
           deute »Freiheit für die Meinungen, die wir hassen«.         Rande eines Krieges gegen Frankreich –, in Wirklich­
               Dieser Grundsatz war allerdings lange Zeit keines­
           wegs allgemein anerkannt. Trotz seines knappen,
           scheinbar zeitlosen Wortlauts verstanden die Zeit­
           genos­sen das First Amendment am Ende des 18. Jahr­         Selbst während des
           hunderts gänzlich anders als heutige Ver­fas­sungs­juris­
           ten. So war zunächst unklar, ob die Bürger die in der       Bürgerkrieges herrscht im
           Bill of Rights der US-Verfassung (den Zusatzartikeln
           1 bis 10) aufgelisteten Grundrechte überhaupt vor           Norden Pressefreiheit
           Gericht einklagen konnten. Ohnehin beschränkte die
           Bill of Rights nur den Bundesgesetzgeber, nicht aber
           die Einzelstaaten, die ihre eigenen Verfassungen und        keit aber auf die Opposition zielten. Das 1798 er­
           Grundrechtskataloge hatten. Erst 1925 entschied der         lassene »Gesetz gegen den Aufruhr« (Sedition Act)
           Supreme Court, dass der Erste Zusatzartikel auch die        kriminalisierte praktisch jede Kritik an der Regie­
           Gesetzgebung der Bundesstaaten bindet.                      rung, die nun mit bis zu 2000 Dollar Geldstrafe und
               Vor allem aber unterschied sich der Schutzbereich       bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden konnte.
           der im Ersten Verfassungszusatz garantierten »Rede-         Insgesamt wurden 14 führende Journalisten der Jef­
           und Pressefreiheit« grundlegend von modernen Vor­           ferson zugeneigten Presse angeklagt.
           stellungen. Prägend waren die Bestimmungen des                  Dessen Parteigänger beschuldigten ihrerseits die
           englischen Common Law gegen »böswillige und                 Föderalisten, Verfassung und Freiheit mit Füßen zu
           aufrührerische Verleumdung« (seditious ­libel). Ihnen       treten. Und tatsächlich gewannen die Jeffersonians
           zufolge war zwar Zensur vor der Veröffentlichung            bei den Wahlen von 1800 die Präsidentschaft und
           einer Schrift unzulässig, nicht aber die nachträgliche      die Mehrheit im Kongress. Die Föderalisten hatten
           Bestrafung des Autors oder Verlegers. Ob eine angeb­        klugerweise die Dauer des Sedition Act so terminiert,
           liche Verleumdung staatlicher oder kirchlicher Auto­        dass er vor einem möglichen Regierungswechsel aus­
           ritäten der Wahrheit entsprach, tat nichts zur Sache.       lief. Der demokratische Machtwechsel von 1800
           Was immer das Ansehen der Obrigkeit beschädigen             bedeutete einen historischen Sieg für die Meinungs-
           konnte, galt als »aufrührerisch«.                           und Pressefreiheit. Die Versuche, sie unter Berufung
               Diese Logik leuchtete nicht jedermann ein. So           auf äußere Gefahren einzuschränken, setzten sich
           weigerten sich 1735 die Geschworenen im Prozess             freilich bis in die Gegenwart fort.
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In Kriegszeiten leidet die Freiheit, auch in Ame­
rika. Allerdings erstaunt, wie viel Rede- und Presse­
freiheit während des Bürgerkrieges (1861–1865)
Kriegsgegner und Sympathisanten der Kon­fö­de­ra­
tion im Norden genossen. Große Teile der opposi­
tionellen Demokraten stellten sich gegen den Krieg
und ganz besonders gegen die Befreiung der Sklaven.
Ihre Zeitungen attackierten Präsident Abraham Lin­
coln als »Tyrannen« und »Negerfreund«, der weiße
Männer in einem sinnlosen Bruderkrieg verheize.
Immer wieder kam es zu Demonstrationen und Aus­
schreitungen gegen die Kriegspolitik des Präsidenten.
Gleichwohl blieben Inhaftierungen allein wegen re­
gierungskritischer Äußerungen und die Schließung
von Zeitungen vorübergehende Ausnahmen. Lin­
coln, der den Krieg gegen Mexiko (1846–1848)
scharf kritisiert und immer wieder die Unterdrü­
ckung der Sklavereigegner im Süden angeprangert
hatte, bemühte sich redlich um eine Balance zwi­
schen dem Verfassungsprinzip der Meinungsfreiheit
und den Notwendigkeiten des Krieges.
    Diese Balance ging während des Ersten Welt­
krieges nahezu völlig verloren. In seiner Kriegsbot­
schaft vom 2. April 1917 verkündete Präsident
Wood­row Wilson, die USA zögen in den Krieg, um          REDEFREIHEIT
die Welt »sicher für die Demokratie« zu machen,          FÜR ALLE
drohte aber zugleich, Illoyalität werde »mit fester      Männer des
Hand und strenger Repression« bekämpft werden.           Ku-Klux-Klans
Zwar verweigerte der Kongress die Einführung einer       hetzen 1964 gegen
offiziellen Vorzensur, ermächtigte jedoch den Post­      Geschäfte, die
minister, »hochverräterische und anarchistische Pu­      schwarze und
blikationen« von der Beförderung mit der US-Post         weiße Kunden
auszuschließen. Das kam einem Verbot gleich und          gleich behandeln.
war viel effizienter als die in Großbritannien, Frank­   Links: Ein Demons-
reich und Deutschland praktizierte mühselige Zen­        trant beim »march
sur einzelner Zeitungen.                                 for peace« gegen
    Das Spionage-Gesetz vom Juni 1917 und der            den Vietnamkrieg
Sedition Act vom Mai 1918 belegten Aufrufe zu            im November 1971
Hochverrat, Aufstand und Wehrdienstverweigerung          in San Francisco
mit hohen Strafen. Vor allem Pazifisten und Linke
sahen sich Repressalien ausgesetzt. Der Sozialisten­
führer ­Eugene Debs wurde wegen einer eher harm­
losen Rede zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
    Darüber hinaus entfachte die Propaganda der
Wilson-Administration eine beispiellose Kriegshys­
terie. Mehr als die zentralstaatliche Repression be­
drohte die Selbstmobilisierung auf lokaler Ebene die
Meinungsfreiheit. Überall machten Superpatrioten
Jagd auf Pazifisten und angebliche Drückeberger.
Vor allem die Deutschamerikaner gerieten ins Visier.
Die deutsche Kultur und Sprache sollten rigoros aus
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                 DAS WORT        dem amerikanischen Leben getilgt werden. Bücher                Während des Zweiten Weltkrieges richtete sich
               BLEIBT FREI       deutscher Autoren wurden aus Bibliotheken ent­             der Verdacht der Illoyalität vor allem gegen japani­
     Im Mai 1973 scheitert       fernt, Musikstücke deutscher Komponisten vom               sche Einwanderer, von denen circa 120.000 in In­
          die Regierung von      Spielplan gestrichen, die Deutschstunden in Schu­          ternierungslager deportiert wurden. Die Einschrän­
        Präsident Nixon vor      len abgeschafft, Sauerkraut in liberty cabbage – »Frei­    kungen der Redefreiheit blieben dagegen gering, in
          Gericht: Sie wollte    heitskohl« – umgetauft. Nach Kriegs­ende setzte sich       erster Linie wohl, weil nach dem japanischen Über­
     der »New York Times«        die Hysterie mit der »roten Furcht« vor kommunis­          fall auf P
                                                                                                     ­ earl Harbor nur eine kleine Minderheit of­
     verbieten, vertrauliche     tischer Unterwanderung und Revolution fort. Tau­           fen gegen den Krieg opponierte. Einige wenige Nazi-
            Unterlagen zum       sende mutmaßliche Kommunisten wurden bei lan­              Sympathisanten gerieten ins Fadenkreuz der Justiz.
           Vietnamkrieg, die     desweiten Razzien verhaftet. Wer, wie die aus Russ­        So wurde William D. Pelley, der Führer der faschis­
        »Pentagon Papers«,       land eingewanderte Anarchistin Emma Goldman,               tischen »Silver Shirts«, 1942 wegen Anstiftung zum
          zu veröffentlichen.    nicht die US-Staatsbürgerschaft besaß, konnte de­          Aufruhr zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
     Die Zeitung vermeldet       portiert werden.
          den Erfolg und die         Die Exzesse des Ersten Weltkrieges riefen aller­       Dagegen bedeutete die antikommunistische Hyste­
     Freilassung verhafteter     dings auch Widerstand hervor. Bürgerrechtler grün­         rie des frühen Kalten Krieges einen harten Rückschlag
            Informanten auf      deten 1920 die American C ­ ivil Liberties U­ nion, die    für die Meinungsfreiheit. Kommunismus wurde zum
                der Titelseite   sich vor allem dem Kampf für die Meinungsfreiheit          Inbegriff aller tatsächlichen und eingebildeten Be­
                                 verschrieb. Viele der wegen Aufrufen zur Kriegs­           drohungen des American Way of L     ­ ife. Der McCart­
                                 dienstverweigerung Verurteilten fochten ihre Stra­         hyismus, wie die Kommunistenjagd nach ihrem be­
                                 fen unter Berufung auf das First Amendment an.             kanntesten Protagonisten, Senator Joseph McCarthy,
                                 Zwar bestätigte der Supreme Court 1919 in gleich           meist genannt wird, infizierte das öffentliche Leben
                                 vier Entscheidungen die drakonischen Urteile, unter        der USA mit dem Ungeist des Verdachts und der
                                 anderem gegen E  ­ ugene Debs, doch zog das Gericht        Denunziation. Künstler, Intellektuelle und Regie­
                                 der staatlichen Einschränkung der Redefreiheit von         rungsbedienstete mussten vor Kommissionen ihre
                                 nun an engere Grenzen.                                     Loyalität beweisen, gerieten auf schwarze Listen oder
                                     Insbesondere die Richter Oliver Wendell ­Holmes        verloren ihre Arbeit. Die Grenze zwischen Hochverrat
                                 und Louis D. Brandeis entwickelten die Doktrin,            und Dissens wurde fließend. Der Su­preme Court be­
                                 dass von einer Rede oder einer Pu­bli­ka­tion eine »ein­   stätigte 1951 die Urteile gegen die Führer der Kom­
                                 deutige und unmittelbare Gefahr« ausgehen müsse            munistischen Partei der USA, die ein Gericht allein
                                 und niemand nur für seine Ansichten verurteilt             deshalb zu fünf Jahren Haft verurteilt hatte, weil die
                                 werden dürfe. In der höchstrichterlichen Recht­            marxistische Ideologie den gewaltsamen Umsturz
                                 sprechung und in der Jurisprudenz setzte sich all­         propagiere. Personen nicht für ihre Taten, sondern
                                 mählich die Auffassung durch, dass die Meinungs­           allein für ihre Weltanschauung zu bestrafen, befand
                                 freiheit weit auszulegen sei und nur in Ausnahme­          Richter Hugo Black in einem abweichenden Votum,
                                 fällen eingeschränkt werden dürfe.                         sei Zensur und verletze den Ersten Zusatzartikel.
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    Nach dem Ende der McCarthy-Ära setzte sich                 Das umfassende Verständnis von Meinungsfrei­
Blacks Meinung schrittweise durch. Pikanterweise           heit, das sich im Verlaufe der amerikanischen Ge­
war es die Hetze des rassistischen Ku-Klux-Klans, die      schichte in der US-Rechtskultur ausgebildet hat,
1969 zu einem neuen Grundsatzurteil führte. Ein            beruht auf der optimistischen Überzeugung, dass
Gericht in Ohio hatte einen Klan-Führer wegen Auf­         der freie Wettbewerb der I­ deen Wahrheit und Fort­
stachelung zu Hass und Gewalt gegen Juden und              schritt ebenso wie individueller Selbstentfaltung
Schwarze zu einer Gefängnisstrafe verurteilt; aber der     dient. Dieser Grundsatz war indes nie unangefoch­
Oberste Gerichtshof hob das Urteil auf. Die Befür­         ten und ist in der polarisierten Gegenwart erneut
wortung von Gewalt, so die Begründung, sei nur             brüchig geworden. Rechtspopulisten diffamieren
dann strafwürdig, wenn sie unmittelbar darauf ziele,       liberale Main­stream-­Me­dien als »Volksfeinde« und        WEITERLESEN
eine Straftat zu provozieren. Redefreiheit für den         unterminieren jeden Minimalkonsens über empiri­            Manfred Berg:
Klan war der Preis dafür, dass auch Pazifisten und         sche Fakten. Mit seinen Tweets setzte Ex-Präsident­        »Geschichte der USA«
Linke, die gegen den Viet­nam­krieg protestierten,         Donald Trump in der Kategorie »böswillige Ver­             Oldenbourg Verlag,
jetzt in den Genuss einer deutlich liberalisierten         leumdung« neue Maßstäbe, sodass sich die Betreiber         München 2013
Rechtsprechung kamen.                                      der Plattform Twitter schließlich genötigt sahen,
    In den Sechziger- und Siebzigerjahren stärkten         viele seiner Nachrichten mit dem Hinweis zu ver­
die US-Verfassungsrichter zudem nachhaltig die             sehen, sie seien »umstritten«; nach der aufstacheln­
Pressefreiheit. Seit 1964 müssen Amtsträger, die           den Rede vor der Erstürmung des Kapitols am
Zeitungen wegen Verleumdung verklagen, nach­               6. Januar 2021 sperrten sie sein Konto ganz. Trump
weisen, dass Falschbehauptungen vorsätzlich oder           wütete, er sei Opfer von Zensur.
grob fahrlässig erhoben wurden. Und als die Nixon-
Administration der New York T    ­ imes die Veröffentli­    Zugleich beklagen liberale Intellektuelle, dass der
chung der Pentagon Papers, eines regierungsinternen         berechtigte Kampf gegen den Rassismus zu einem
Dossiers über die Eskalation des Viet­nam­krie­ges, ver­    moralischen Kreuzzug und einer intoleranten »Cancel-­
                                                            Cul­ture« zu eskalieren drohe. Im Juni 2020 musste
                                                            der verantwortliche Meinungsredakteur der New York
Eskaliert der Kampf                                        ­Times seinen Posten räumen, weil er einen Kommen­
                                                            tar des republikanischen Senators Tom Cotton publi­

gegen Rassismus zum                                         ziert hatte, in dem dieser der Einsatz des Militärs ge­
                                                            gen militante Black-­Lives-­Mat­ter-­De­mons­tran­ten

moralischen Kreuzzug?                                       forderte. Cottons Artikel, so argumentierten viele
                                                            Times-­Jour­na­lis­ten, sei keine Meinungsäußerung,
                                                            sondern ein Aufruf zu rassistischer Unterdrückung,
                                                            für den es in ihrem Blatt keinen Platz geben dürfe.       AUSGEZWITSCHERT
bieten wollte, befand der Su­preme Court 1971, die              Immer öfter ist zu hören, wer es ernst meine mit      Am 8. Januar 2021
Kontrollfunktion der Presse habe Vorrang vor der            dem Kampf gegen Rassismus und alle anderen For­           sperrt die Plattform
Berufung der Exekutive auf die nationale Sicherheit.        men der Diskriminierung, dürfe sich nicht an ein          Twitter den Account
    Der nach den Terroranschlägen des 11. Septem­           antiquiertes Konzept der Meinungsfreiheit für Pri­        von Donald Trump
ber 2001 von der George-­W.-­Bush-­Admi­nis­tra­tion        vilegierte klammern, sondern müsse endlich kon­           dauerhaft, damit der
ausgerufene »Krieg gegen den Terror« führte zu              sequent den Stimmen der Unterdrückten Vorrang             abgewählte Präsident
schwerwiegenden Verletzungen der Menschen- und              geben. Aber wo verläuft die Grenze zwischen Hass­         nicht weiter zu Gewalt
Bürgerrechte. Doch die Meinungs- und Redefreiheit           rede und scharfer Polemik? Wer entscheidet, welche        aufstacheln könne
in den Vereinigten Staaten war weniger durch Re­            Stimmen legitim und authentisch sind? Amerikas
pression der Regierung als durch Selbstzensur und           neue Tugendwächter wären gut beraten, wieder ein­
den »eingebetteten Journalismus« gefährdet, der             mal bei Oliver Wendell H      ­ olmes nachzuschauen.
sich bereitwillig zum Sprachrohr der Kriegstreiber          Meinungsfreiheit heißt nicht »Freiheit für die, die
im Weißen Haus machte. Immerhin entschuldigte               unsere Meinung teilen, sondern Freiheit für die Mei­
sich die New York T  ­ imes, das stolze Flaggschiff ame­    nungen, die wir hassen«.
rikanischer Pressefreiheit, später dafür, dass sie im
Vorfeld des Irak-Krieges ihre journalistische Sorg­ M A N F R E D B E RG ist Professor für Amerikanische
faltspflicht verletzt hatte.                             Geschichte an der Universität Heidelberg
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