Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
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Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung 1 Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
2 Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung Impressum Herausgeber Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) Referat WR I 7 · Postfach 12 06 29 · 53048 Bonn E-Mail: WRI7@bmuv.bund.de · Internet: www.bmuv.de Redaktion BMUV, Referat WR I 7 Gestaltung wbv Media, Bielefeld, Sabine Ernat Bildnachweise Siehe Seite 83 Stand Kabinettsbeschluss vom 1. September 2021 Veröffentlichung: Februar 2022 Download dieser Publikation Internet: www.bmuv.de/publikationen Hinweis Diese Publikation wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz kostenlos herausgegeben. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwerbung politischer Parteien oder Gruppen eingesetzt werden. Mehr Informationen unter: www.bmuv.de/publikationen
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung 3 Inhalt 1 EINLEITUNG....................................................................................................................................................................................................................................................................... 6 2 BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND – AUFGABEN UND HERAUSFORDERUNGEN.................................................................... 9 3 BODENSCHUTZ IM KONTEXT DER NUTZUNG.......................................................................................................................................................................13 3.1 Bodenschutz in der Land- und Forstwirtschaft...............................................................................................................................................................13 3.1.1 Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik.....................................................................................................................................................13 3.1.2 Düngung......................................................................................................................................................................................................................................................13 3.1.3 Landtechnik..............................................................................................................................................................................................................................................14 3.1.4 Ökologischer Landbau, Beratung und Eiweißpflanzenstrategie.........................................................................................................15 3.1.5 Wald und Forstwirtschaft...........................................................................................................................................................................................................16 3.2 Altlastensanierung und Bodenschutz auf bundeseigenen Grundstücken.........................................................................................17 3.2.1 Baufachliche Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz ...................................................................................................................17 3.2.2 Baumaßnahmen und Bauunterhaltung des Bundes .....................................................................................................................................18 3.2.3 Erfassung und Sanierung von Altlasten ......................................................................................................................................................................18 3.2.4 Bodenschutz auf Truppenübungsplätzen..................................................................................................................................................................19 3.3 Bodenbelastungen und Bodenschutz an Bundesverkehrswegen................................................................................................................20 3.3.1 Bau und Unterhaltung der Verkehrsinfrastruktur ..........................................................................................................................................20 3.3.2 Bundesfernstraßen............................................................................................................................................................................................................................20 3.3.3 Bundeswasserstraßen.....................................................................................................................................................................................................................21 3.3.4 Schienenverkehr..................................................................................................................................................................................................................................22 4 SCHWERPUNKT: BODEN UND KLIMA.............................................................................................................................................................................................23 4.1 Bodenschutz als Beitrag zu Klimaschutz und Klimaanpassung....................................................................................................................23 4.2 Moorbodenschutz............................................................................................................................................................................................................................................24 4.3 Minderung der Torfverwendung im Gartenbau.............................................................................................................................................................25 4.4 Humuserhalt und -aufbau.......................................................................................................................................................................................................................26 4.5 Anpassung an den Klimawandel .....................................................................................................................................................................................................26 5 SCHWERPUNKT: ORGANISCHE FLUORVERBINDUNGEN........................................................................................................................................28 5.1 Organische Fluorverbindungen – eine Gefahr auch für den Boden..........................................................................................................28 5.2 Aktivitäten auf Bundesebene...............................................................................................................................................................................................................30 5.3 Ressortforschung zu PFAS.......................................................................................................................................................................................................................32
4 Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung 6 WEITERE THEMEN DES BODENSCHUTZES................................................................................................................................................................................33 6.1 Mantelverordnung ......................................................................................................................................................................................................................................33 6.2 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.............................................................................................................................................................................................34 6.3 Flächenverbrauch..........................................................................................................................................................................................................................................35 6.4 Bodenbiodiversität.......................................................................................................................................................................................................................................37 6.5 Bundeskompensationsverordnung...........................................................................................................................................................................................38 6.6 Kunststoffe in Böden ................................................................................................................................................................................................................................39 6.7 Bioabfallverordnung..................................................................................................................................................................................................................................39 6.8 Klärschlammverordnung......................................................................................................................................................................................................................39 6.9 Novelle der TA Luft ......................................................................................................................................................................................................................................40 6.10 Sanierung von Altlasten als Teil des EU-Regionalfonds .....................................................................................................................................40 6.11 Bodenschutz beim Stromnetzausbau .....................................................................................................................................................................................41 6.12 Bodenforschung..............................................................................................................................................................................................................................................41 7 BODENSCHUTZ AUF EUROPÄISCHER UND INTERNATIONALER EBENE..............................................................................................45 7.1 Europa...........................................................................................................................................................................................................................................................................45 7.1.1 Überarbeitung der EU-Bodenschutzstrategie........................................................................................................................................................45 7.1.2 Farm-to-Fork-Strategie der EU.............................................................................................................................................................................................46 7.1.3 EU-Biodiversitätsstrategie für 2030.................................................................................................................................................................................46 7.1.4 Sonderbericht zur Wüstenbildung in der EU.........................................................................................................................................................47 7.1.5 EU Soil Observatory ........................................................................................................................................................................................................................47 7.1.6 Alpenkonvention.................................................................................................................................................................................................................................47 7.2 International..........................................................................................................................................................................................................................................................48 7.2.1 Bekämpfung der Wüstenbildung ......................................................................................................................................................................................48 7.2.2 Vorsitz der EU-Ratsarbeitsgruppe Desertifikation............................................................................................................................................48 7.2.3 Landdegradationsneutralität..................................................................................................................................................................................................49 7.2.4 Entwicklungszusammenarbeit.............................................................................................................................................................................................49 7.2.5 Technische Zusammenarbeit..................................................................................................................................................................................................50 7.2.6 Netzwerke der Welternährungsorganisation ........................................................................................................................................................50 8 BUND/LÄNDER-ZUSAMMENARBEIT UND FACHLICHE BERATUNG...........................................................................................................51 8.1 Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz............................................................................................................51 8.2 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ............................................................................................................................................53 8.3 Fachbeirat Bodenuntersuchungen................................................................................................................................................................................................55 8.4 Kommission Bodenschutz......................................................................................................................................................................................................................55 8.5 Kommission Landwirtschaft................................................................................................................................................................................................................56
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung 5 9 AKTIVITÄTEN DER BUNDESLÄNDER.................................................................................................................................................................................................57 9.1 Baden-Württemberg..................................................................................................................................................................................................................................57 9.2 Bayern.........................................................................................................................................................................................................................................................................58 9.3 Berlin...........................................................................................................................................................................................................................................................................60 9.4 Brandenburg.......................................................................................................................................................................................................................................................62 9.5 Bremen......................................................................................................................................................................................................................................................................63 9.6 Hamburg..................................................................................................................................................................................................................................................................63 9.7 Hessen.........................................................................................................................................................................................................................................................................64 9.8 Mecklenburg-Vorpommern...............................................................................................................................................................................................................66 9.9 Niedersachsen....................................................................................................................................................................................................................................................67 9.10 Nordrhein-Westfalen.................................................................................................................................................................................................................................69 9.11 Rheinland-Pfalz...............................................................................................................................................................................................................................................71 9.12 Saarland....................................................................................................................................................................................................................................................................72 9.13 Sachsen......................................................................................................................................................................................................................................................................73 9.14 Sachsen-Anhalt................................................................................................................................................................................................................................................73 9.15 Schleswig-Holstein......................................................................................................................................................................................................................................74 9.16 Thüringen..............................................................................................................................................................................................................................................................75 ANHANG: BODEN DES JAHRES...........................................................................................................................................................................................................................76 FUßNOTENVERZEICHNIS.........................................................................................................................................................................................................................................78 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.................................................................................................................................................................................................................................81 BILDNACHWEISE................................................................................................................................................................................................................................................................83
Boden 6 EINLEITUNG Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung schutz 1 Einleitung Warum wurde dieser Bericht erstellt? Bericht über die erzielten Fortschritte im Bereich des Bodenschutzes dem Deutschen Bundestag Anlass für diesen Bericht ist die Zustimmung des vorzulegen. Deutschen Bundestages vom 26. Oktober 2000 zum Antrag „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Anschließend an die vorausgegangen Berichte1 werden Stärkung des Schutzes der Böden“ (Bundestagsdruck- in diesem Fünften Bodenschutzbericht die wesentli- sache 14/2567). Darin wird die Bundesregierung – zwei chen Entwicklungen und Fortschritte im Bodenschutz Jahre nach Verabschiedung des Bundes-Bodenschutz- für die 19. Legislaturperiode (2017 bis 2021) zusammen- gesetzes – aufgefordert, gefasst. ■ Initiativen zur Weiterentwicklung der Bodenschutz- Berücksichtigt wurden dabei unter anderem Beiträge politik auf allen Ebenen zu ergreifen aus den Bundesressorts sowie den Bundesländern und beratenden Gremien. ■ die Kommission für nachhaltige Entwicklung sowie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen Im Vierten Bericht bildete das Thema Flächenrecyc- (UNEP) und das Übereinkommen der Vereinten ling einen fachlichen Schwerpunkt – nach wie vor ist Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und (UNCCD) zu unterstützen Verkehrszwecke zu hoch. Als aktuelle Herausforderun- ■ Bodenschutzbelange in alle Politikbereiche über gen werden im vorliegenden Bodenschutzbericht der Staatengrenzen hinweg und unter Ausschöpfung Beitrag des Bodens als Teil einer umfassenden Klima- der vorhandenen nationalen und internationalen politik und der Umgang mit einer neuen Schadstoff- Strukturen zu integrieren gruppe (organische Fluorverbindungen) als themati- sche Schwerpunkte hervorgehoben. ■ Forschung über die Ursachen der Bodendegradation und ihre Behebung zu intensivieren ■ Konzepte zum Schutz der Böden und zur Redu- Gründe für den Schutz des Bodens zierung des Flächenverbrauchs im Rahmen einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten Der Boden ist eines der komplexesten aller Ökosyste- me. Er ist ein eigenständiger Lebensraum, in dem eine ■ Bewusstseinsbildung über die zunehmenden unglaubliche Vielfalt von Organismen lebt, die wich- Gefährdungen der Böden zu intensivieren, um auf tige Ökosystemleistungen wie Bodenfruchtbarkeit, allen Ebenen den nachhaltigen Umgang mit der Nährstoffkreislauf und Klimaregulierung erbringen natürlichen Ressource Boden schnellstmöglich zu und kontrollieren. Unser Boden ist für die Gesund- erreichen und einmal pro Legislaturperiode, erst- heit des Menschen, die Erzeugung von Lebensmitteln, mals spätestens im I. Quartal des Jahres 2002, einen die Artenvielfalt und das Klima von unverzichtbarer
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung EINLEITUNG 7 Bedeutung – und damit entscheidend für unser aller lasten landwirtschaftlicher Flächen. Etwa die Hälfte Wohlergehen. davon wird versiegelt und somit in ihren natürlichen Funktionen stark beeinträchtigt. Konkurrierende Trotz der offenkundigen Belastun- Nutzungsansprüche und Fehlan- ” gen von Böden und der Gefähr- Buy land, they’re not reize zugunsten dieser führen auch dung der Bodenfunktionen ist der in Deutschland nach wie vor dazu, Bodenzustand in der Öffentlichkeit making it anymore.“ dass der Anteil überbauter und weit weniger präsent als beispiels- Mark Twain versiegelter Böden immer weiter weise der Zustand der Pflanzen- und zunimmt. Zusätzlich zur Überbau- Tierwelt oder von Luft und Wasser. Dafür gibt es meh- ung tragen Bodendegradation und Wüstenbildung rere Gründe: Böden sind meist bedeckt, ihre genauen dazu bei, dass sich die Verfügbarkeit fruchtbarer Böden Eigenschaften lassen sich nur mit verhältnismäßig weltweit verringert. aufwendigen Untersuchungen erfassen. Auf Einflüsse reagieren sie eher langsam, dadurch bleiben Verände- Gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutsch- rungen oft unentdeckt. Schäden werden nur mit Verzö- land gilt es, den Boden in seinen natürlichen Funk gerung erkannt. tionen zu erhalten. Denn Boden lässt sich nicht vermehren. Die Wiederherstellung von Bodenfunktionen ist auf- wendig, langwierig und, soweit überhaupt möglich, mit erheblichen Kosten verbunden. Der vorausgegangene Es gibt noch Luft nach oben Vierte Bodenschutzbericht der Bundesregierung von 2017 hat betont: Mit der Verkündigung des Gesetzes zum Schutz des Bodens wurde der Boden 1998 neben dem Wasser und „Der Schutz des Bodens vor schädlichen Veränderungen der Luft als drittes Umweltmedium unmittelbar durch stellt aufgrund der Vielfalt der Einflussfaktoren eine ein Gesetz des Bundes unter Schutz gestellt. Zweck des komplexe umweltpolitische Herausforderung dar. Oft beschlossenen Gesetzes war und ist es, die Funktionen führen Summeneffekte von Belastungen zu Schäden, des Bodens nachhaltig in ihrer Leistungsfähigkeit zu deren Folge der unwiederbringliche Verlust von Boden erhalten oder wiederherzustellen. Hierzu sind Ge- ist. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung – bis fahrenabwehr- und Beseitigungsmaßnahmen sowie 2050 auf voraussichtlich über neun Milliarden Men- Maßnahmen zur Vorsorge gegen künftige Belastungen schen – erhöht sich der Druck auf die Ressource Boden. des Bodens zu ergreifen. Der Schutz des Bodens wird immer wichtiger.“ (Seite 6) Auch wenn inzwischen etwa 20 Jahre seit der Vorlage Ein übergeordnetes Ziel muss es daher sein, der hohen des Ersten Bodenschutzberichtes vergangen sind, ist er Bedeutung dieses Schutzguts gerecht zu werden. im Kern ungeachtet der bis heute erreichten Fortschrit- te immer noch aktuell: Weit mehr als 90 Prozent der weltweiten Nahrungs mittelproduktion sind direkt vom Zustand der Böden „Gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutsch- abhängig. Die je Kopf der Bevölkerung zur Verfügung land gilt es, den Boden in seinen ökologischen Funk- stehende landwirtschaftliche Fläche nimmt aber tionen als Lebensgrundlage und Lebensraum für weltweit ab und hat sich seit Anfang der 60er-Jahre bis Menschen, Tiere und Pflanzen und als Bestandteil des heute halbiert (von 0,45 auf 0,22 Hektar pro Kopf). Und Naturhaushalts mit seinen Wasser- und Nährstoff- es geht weiter: Bis zum Jahr 2050 wird sie laut Prognose kreisläufen zu erhalten … Gleichwohl bleibt auch in der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der der Zukunft noch vieles zu tun, um die nachhaltige Vereinten Nationen auf 0,18 Hektar pro Kopf sinken. Siedlungsentwicklung mit konkreten Maßnahmen zu fördern.“ (Seite 15) Die steigende Nachfrage zur Erfüllung unserer viel- fältigen Nutzungsansprüche trifft vor allem durch „Jeder, der auf den Boden einwirkt, hat sich so zu die anhaltende Flächenneuinanspruchnahme auf ein verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen nicht sinkendes Angebot. Allein in Europa wird jedes Jahr hervorgerufen werden.“ Diese allgemeine in § 4 Absatz 1 eine Fläche so groß wie die Stadt Berlin in Siedlungs- des Bodenschutzgesetzes enthaltene Pflicht ist heute in und Verkehrsflächen umgewandelt – überwiegend zu- Politik und Verwaltung bereits weitgehend akzeptiert;
8 EINLEITUNG Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung bis zu ihrer stringenten Beachtung in allen Lebensbe- Der Fünfte Bodenschutzbericht belegt einerseits die reichen, die für Böden von Bedeutung sind, ist es jedoch vielen Aktivitäten und die Entwicklung im Boden- noch ein weiter Weg.“ (Seite 51f.) schutz der letzten Jahre, zugleich zeigt er aber auch, wie sich die Anforderungen seit der Verabschiedung des Und noch etwas ist unverändert gültig: Bodenschutzgesetzes 1998 verändert haben. „Zukünftig wird neben der nachsorgenden Aufar- Neue Herausforderungen mit ihren Auswirkungen beitung der Altlasten dem Kreislaufgedanken in der auf den Bodenschutz werden unter anderem von der Flächennutzung und dem vorsorgenden Bodenschutz Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz oder eine stärkere Bedeutung zukommen. Mindestens vom Umweltbundesamt thematisiert. Dazu zählen gleichbedeutend wie die Lösung der Altlastenfragen beispielsweise Empfehlungen zu Regelungen zur Un- sind als weiterer Schwerpunkt des Bodenschutzrechts terstützung von Maßnahmen zum Erhalt der Klima- die Regelungen zum vorsorgenden Bodenschutz ein- funktion des Bodens. Auch eine stärkere Nutzung der zustufen, mit denen das Entstehen von Altlasten [und Entsiegelungspotenziale sowie eine Einschränkung der schädlichen Bodenveränderungen] nachhaltig verhin- Versiegelung von Böden werden in den Blick genom- dert werden soll.“ (Seite 52) men. Aus Sicht des Bundes bedarf es in diesem Zusam- menhang einer fachlichen Aufarbeitung sowie einer Ergänzend zu den vorstehenden Aussagen aus dem Defizitanalyse. Ersten Bodenschutzbericht ist hervorzuheben, dass sich die Herausforderungen durch den fortschreitenden Klimawandel und die wachsenden Anforderungen an Gliederung natürliche Kohlendioxid(CO2)-Senken – also auch den Der vorliegende Fünfte Bodenschutzbericht der Boden – deutlich verstärkt haben. Deutschland und die Bundesregierung bezieht sich auf die 19. Legislatur- Europäische Union (EU) haben sich das langfristige Ziel periode und gliedert sich wie folgt: gesetzt, bis zum Jahr 2045 (Deutschland) und 2050 (EU) Treibhausgasneutralität zu erreichen und im Anschluss I m Anschluss an die Einleitung knüpft Kapitel 2 Negativemissionen anzustreben. mit Betrachtungen zu Aufgaben und Herausforde- rungen im Bodenschutz und an die Altlastenbear- beitung an Erkenntnisse der Bundesregierung seit Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass die Res- dem Internationalen Jahr des Bodens (2015) an. source Boden seit dem Erlass des Bundesbodenschutz- gesetzes auch neuen Herausforderungen, wie zum D ie Kapitel 3 und 6 geben einen Überblick über die Beispiel Klimawandel oder Plastikeinträge, gegenüber- Entwicklungen und Fortschritte im Bodenschutz steht. Insbesondere der Bezug von Boden und Klima auf Bundesebene. (siehe Kapitel 4) lässt die Rolle der Böden zunehmend D ie beiden Schwerpunktthemen dieses Berichtes auch in die öffentliche Wahrnehmung treten. So ver- werden in Kapitel 4 „Boden und Klima“ und Kapi- deutlichen die für deutsche Verhältnisse ungewöhn tel 5 „Organische Fluorverbindungen“ vertiefend lichen Trockenperioden in Frühjahr und Sommer der behandelt. letzten drei Jahre sowie sich häufende Starkregener- Kapitel 7 ergänzt die nationale Perspektive zum eignisse, dass Boden als unsere Existenzgrundlage Bodenschutz durch Ausführungen zu den Ent- angemessen geschützt und nachhaltig genutzt werden wicklungen auf europäischer und internationaler muss. Der Boden ist von entscheidender Bedeutung Ebene. für den Wasserhaushalt, da ein gesunder Boden Wasser wie ein Schwamm aufnehmen, halten und ins Grund- ktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft A wasser weiterleiten kann und so Hochwasser abmildert Bodenschutz sowie einiger beratender Fachgremi- sowie bei Trockenheit Wasser für Pflanzen und für das en werden gesondert in Kapitel 8 aufgeführt. Grundwasser und damit die Trinkwasserversorgung L ast, but not least werden in Kapitel 9 Entwicklun- liefert. gen und Fortschritte aus Sicht der Bundesländer dargestellt. Dies ergänzt die nationale Perspektive Zum anderen zeigen die Aktivitäten der Europäischen der Kapitel 3, 6 und 8. Kommission der letzten Monate (siehe Kapitel 7.1), dass die Ressource Boden auf europäischer Ebene in den Fokus rückt.
Boden Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND 9 schutz Bodenzustand in Deutschland – Aufgaben und Herausforderungen 2 Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2015, im Internatio- ■ Erosion, Verdichtung nalen Jahr des Bodens, einen Bericht über den „Boden ■ Rückgang der biologischen Vielfalt im Boden zustand in Deutschland“2 vorgestellt. Er beschreibt unsere Böden und die bereits vorhandenen Programme zur Erfassung des Bodenzustands. Die Antwort zur oben aufgeworfenen Frage nach der heutigen Situation zum Zustand der Böden lautet: Aus Anlass des Bodenschutzberichtes für die 19. Le- positive Tendenzen, aber keine Zeit auszuruhen. Es gibt gislaturperiode stellt sich die Frage nach der Situation viele und große Herausforderungen für den Boden- heute, sechs Jahre später. Die folgenden Betrachtungen schutz, die in Angriff genommen werden müssen: – einschließlich der Hinweise zu den Bodenzustands erhebungen – bilden die Basis für die sich anschlie- ßenden Kapitel zur Darstellung der Entwicklungen Verlust von Böden und Fortschritte im Bodenschutz und im Umgang mit Altlasten während der 19. Legislaturperiode. Der große Verlust wertvoller Böden ist mit der Ab- nahme des Flächenverbrauchs etwas zurückgegangen. Böden sind Lebensgrundlage und Lebensraum für Betrug der durchschnittliche tägliche Zuwachs an Pflanzen, Tiere, Bodenorganismen und den Men- Siedlungs- und Verkehrsfläche in den Jahren 1997 bis schen sowie Bestandteil der natürlichen Wasser- und 2000 im Schnitt noch 129 Hektar, ging die Flächen Stoffkreisläufe. Als wichtiger Teil der globalen Kohlen- neuinanspruchnahme auf 52 Hektar täglich im Jahr stoff- und Stickstoffkreisläufe sind Böden eng mit dem 2019 zurück. Der Trend geht also – zumindest vorü- Klimasystem verzahnt. bergehend – in die richtige Richtung. Dennoch wird täglich noch immer etwa ein halber Quadratkilometer Dass sich der Zustand der Böden durch Nutzung wertvollen, fruchtbaren Bodens unwiederbringlich verschlechtert, ist möglichst zu vermeiden, denn damit zerstört. Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, werden wichtige Bodenfunktionen beeinträchtigt oder bis zum Jahr 2030 den Flächenverbrauch auf unter können sogar unwiederbringlich verloren gehen. 30 Hektar pro Tag zu verringern, sind erhebliche weite- re Anstrengungen erforderlich.3 Insbesondere durch den steigenden Nutzungsdruck, aber auch klimatische Veränderungen können nachtei- lige Bodenveränderungen entstehen: Schadstoffeinträge in Böden ■ Verlust von Böden durch Überbauung Schadstoffe in Böden können von Pflanzen oder durch direkten Bodenkontakt von Mensch und Tier ■ Verunreinigung mit Schadstoffen aufgenommen werden; durch Verlagerung im Bo- ■ Verlust organischer Substanz den können sie zu einer Belastung des Grundwassers
10 BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung führen. Im Gegensatz zu anorganischen Stoffen wie feststellen, ob diese Stoffe in Böden eingetragen, sich Cadmium oder Quecksilber sind die Gehalte organi- dort anreichern und schädigend wirken werden. So scher Verbindungen in Böden – zum Beispiel Polychlo- können Stoffe, die derzeit noch nicht als Schadstoffe rierte Biphenyle (PCB), Dioxine/Furane oder per- und gelten, eine bodenschädigende Wirkung entfalten. polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) – auf die Einträ- ge durch menschliche Tätigkeiten zurückzuführen. Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) Das flächenhafte Vorkommen von Schadstoffen in Böden wird anhand von Hintergrundwerten für Böden Eine der aktuellen Herausforderungen für den Bo- gekennzeichnet.4 2017 wurden mit Unterstützung des denschutz stellen die organischen Fluorverbindungen UBA erstmals bundesweite Hintergrundwerte auch für (PFAS) dar, auf die in diesem Bericht in Kapitel 5 als organische Schadstoffe wie Polyzyklische Aromatische Schwerpunktthema eingegangen wird. Kohlenwasserstoffe (PAK), PCB oder Dioxine abge- leitet. Werte für neu aufgekommene Schadstoffe, wie PFAS und Kunststoffe, standen bisher nicht im Fokus Kunststoffe flächenhafter Untersuchungen. Die Ermittlung dieser Werte ist derzeit in Planung. Kunststoffpartikel aus vielfältigen Quellen und Nut- zungen befinden sich bereits in allen Umweltkomparti- menten (Boden, Wasser und Luft), treten global auf und Altlasten können direkt oder indirekt in den Boden gelangen.6 Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass schädigende Neben den diffusen Schadstoffeinträgen, die zu flä- Wirkungen von Kunststoffen auf Bodenorganismen chenhaften Bodenbelastungen führen können, kann es möglich sind. Die Studien zum Gehalt von Kunststof- zu lokalen Kontaminationen und Altlasten kommen. fen in Böden kommen häufig zu unterschiedlichen Ergebnissen, die schwer miteinander vergleichbar sind. Die Altlastenbearbeitung in der Zuständigkeit der Ein Grund dafür ist das Fehlen von genormten Metho- Bundesländer ist auf einem guten Weg. Die aktuelle den für die Probenahme, Probenvorbereitung sowie die Altlastenstatistik (siehe Kapitel 8.1) dokumentiert Analytik. Fortschritte bei der Sanierung. Jedoch kommen neue altlastverdächtige Flächen immer noch hinzu, vor Das Umweltbundesamt arbeitet an einer genormten allem durch die erstmalige Erfassung von neuen Methode, damit flächenhafte Hintergrundgehalte Schadstoffen (siehe folgender Abschnitt) oder auch als von Kunststoffen in Böden reproduzierbar ermittelt Folge der Industrie-Emissionsrichtlinie und des von ihr werden können. Zentrale Herausforderungen sind geforderten Ausgangszustandsberichts und Monito- zurzeit die Entwicklung und Standardisierung von rings. Bestimmungsmethoden für (Mikro-)Plastik, besonders für Agrarböden. Ziel der Arbeiten des Thünen-Instituts Aktuell wird das Altlastenthema durch fluororgani- für Agrartechnologie ist die Schaffung der methodi- sche Verbindungen (die PFAS-Thematik, siehe unten), schen Grundlagen für die Untersuchung der auf Plastik militärische Altlasten, Rüstungsaltlasten, die Kampf- in Böden zurückzuführenden Umweltprobleme und mittelräumung und durch die Fortschreibung und deren anschließende Bewertung. Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen und die Überprüfung der Bewertungsgrundlagen einzelner Stoffe und Stoffgruppen bestimmt.5 Verlust organischer Substanz Nach den Ozeanen ist der Boden der zweitgrößte Koh- Neu aufkommende Schadstoffe lenstoffspeicher weltweit: Im oberen Bodenmeter ist mehr CO2 gebunden als in der Atmosphäre und der ge- Ein für den stofflichen Bodenschutz großes Prob- samten Vegetation zusammen.7 Durch seine Fähigkeit, lem stellt die große Anzahl der „neuen“ technisch Kohlenstoff im Humus zu speichern, kann der Anteil produzierten Chemikalien dar. Es lässt sich bei ihrer des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre gesenkt chemikalienrechtlichen Registrierung unter der euro- oder niedrig gehalten werden. Wie viel der Boden päischen REACH-Verordnung nicht vorausschauend speichern kann, hängt stark von den Standorteigen-
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND 11 schaften sowie seiner Bewirtschaftung ab. So werden ter verbessern, zum Beispiel hinsichtlich der Änderun- beim Abbau von Humus große Mengen CO2 freigesetzt, gen der Humusvorräte, insbesondere hinsichtlich der was den Klimawandel beschleunigt. Das geschieht zum Entwicklung der CO2-Bindung. Beispiel, wenn Grünland in Ackerland umgewandelt wird (Grünlandumbruch) oder Moore trockengelegt Die Ergebnisse der vom Thünen-Institut für Wald- werden. Um einen angemessenen fachpolitischen Rah- ökosysteme koordinierten Bodenzustandserhebung men zum Moorbodenschutz zu entwickeln, wurde eine im Wald wurden im Vierten Bodenschutzbericht (dort Bund-Länder-Zielvereinbarung erarbeitet. Diese wird Kapitel 6.7) dargestellt.11 Die Auswertungen belegen die mit den Ländern abgestimmt. Gemäß Koalitionsvertrag hohen Kohlenstoffvorräte im Waldboden, die ver- soll zudem eine Moorschutzstrategie erarbeitet werden, gleichbar sind mit jenen im lebenden Baumbestand. deren Entwurf vorliegt.8 Insgesamt hat sich der Bodenzustand im bundes- weiten Durchschnitt gegenüber der ersten Erhebung Die Rolle der Böden im Klimawandel als Senke, aber leicht verbessert, insbesondere der Humuszustand, auch als Quelle für CO2 sowie für Lachgas und Methan die pH-Werte sowie die Basensättigung in den oberen wird intensiv untersucht. Hierbei besteht noch großer fünf Zentimetern der Waldböden. Es ist keine flächen- Forschungs- und Datenerhebungsbedarf. Das Umwelt- deckende Bodenversauerung mehr festzustellen. Die bundesamt hat 2016 einen Bericht veröffentlicht, nach Schwermetallgehalte liegen mit Ausnahme von Blei dem auf den Ackerflächen von ausgewählten, teilweise und Arsen unterhalb der Vorsorgewerte. Die Stickstoff- mehr als 20 Jahre untersuchten Dauerbeobachtungs- Einträge über die atmosphärische Deposition haben flächen nur wenige signifikante Veränderungen des seit 1990 abgenommen. Humusgehaltes nachgewiesen werden konnten, wobei die wenigen signifikanten Änderungen sowohl Ab- als auch Zunahmen zeigten.9 Dabei sind die Gründe für Zunehmende Bodenerosion und anhaltende die Veränderungen unbestimmt; auch die Rolle des Verdichtung Klimawandels ist unklar. Neben dem Humusgehalt beeinflussen Wasser- und Die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft (BZE-LW), Winderosion sowie Bodenverdichtung die Bodenstruk- ein umfassendes Projekt des Thünen-Instituts im tur und den Bodenzustand. Im Zuge sich verändernder Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und klimatischer Verhältnisse kommt es zu einer höheren Landwirtschaft (BMEL), hat den Humusstatus auf Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen und ge- rund 3.100 Beprobungspunkten untersucht.10 Sie war häuften Trockenperioden. Fehlt dann die Bodenbede- die erste bundesweit einheitliche Inventur landwirt- ckung durch Kulturen, Zwischenfrüchte, Untersaaten, schaftlich genutzter Böden. Erstmals wurden deutsch- Mulchauflagen oder andere Bodendecker, so nimmt landweit die Vorräte an organischem Kohlenstoff in die Erosionsgefahr zu. Prognosen zeigen auf, dass es landwirtschaftlichen Böden bis in eine Tiefe von einem regionale Unterschiede bei der Wassererosion geben Meter erfasst und ihre Beeinflussung durch Standort- wird, wobei Ackerbaugebiete im Süden und Südwesten und Nutzungsfaktoren bewertet. Im Jahr 2018 wurden Deutschlands (insbesondere Böden mit geringer Infilt- die Ergebnisse vorgestellt. Die BZE-LW diente in erster rationskapazität) besonders betroffen sind.12 Linie der wissenschaftlichen Absicherung und Weiter- entwicklung der Treibhausgas-Emissionsberichterstat- Eine infolge des Klimawandels zunehmende Verduns- tung Deutschlands, stellt gleichzeitig jedoch auch eine tung führt bei gleichzeitiger prognostizierter Abnahme wichtige Grundlage für die weitere Bodenschutzpolitik der Niederschläge im Sommerhalbjahr zu einer schnel- dar. leren Austrocknung des Oberbodens. Die Folge ist eine Zunahme der Winderosionsgefährdung und damit des Aus den zusammengeführten Ergebnissen aus den Abtrags fruchtbaren Bodens. Als potenziell windero- Berichten des UBA und des Thünen-Instituts konnten sionsgefährdet gelten insbesondere solche Böden, die Humusspannen abgeleitet werden, die einen Richtwert nicht dauerhaft durch eine geschlossene Pflanzendecke für die jeweiligen Standorte darstellen. geschützt oder nicht ausreichend durchfeuchtet sind, sowie große Ackerschläge ohne natürliche Barrieren Mit der geplanten Wiederholungsbeprobung der wie zum Beispiel Hecken. Eine hohe Winderosionsan- BZE-LW (2023 bis 2028) und der Fortsetzung der fälligkeit weisen außerdem sandige Böden mit hohem Bodendauerbeobachtung wird sich die Datenbasis wei- Fein- und Mittelsandanteil sowie Böden mit hohem
12 BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung Erosive Abflussbahn nach Bodenerosionsereignis Erosionsschutz: Pflanzstreifen aus Wintergerste zur Vermeidung von erosiven Abflüssen Humusgehalt in Gebieten mit abgesenktem Grund- Fazit wasserspiegel und in degradierten Mooren auf. Der Winderosion besonders ausgesetzt sind Regionen in Die globalen Herausforderungen wie der fortschrei- Norddeutschland sowie das westliche Brandenburg.13 tende Klimawandel, Nutzungsschäden der Böden, der Beeinträchtigen Bodenverdichtungen die wichtigsten Verlust von Boden durch Erosion und Ausweitung von Bodenfunktionen und damit die Bodenfruchtbarkeit, Siedlungs- und Verkehrsflächen, Einträge von Schad- können sie hohe Kosten in der Landwirtschaft verur- stoffen in Böden einerseits sowie die begrenzte Verfüg- sachen. Vor diesem Hintergrund arbeiten Experten der barkeit von Boden zur Sicherung der Ernährung für die Agrartechnik, des Pflanzenbaus und der Bodenphysik wachsende Weltbevölkerung andererseits zeigen die mit Hochdruck daran, standortangepasste Maßnah- Vielfalt der vor uns liegenden Aufgaben. Sie machen men für bodenschonendes Befahren unterschiedlicher deutlich, dass der Schutz der Böden ein Querschnitts- Mechanisierungsketten zu entwickeln – so kann ein thema ist. Es bedarf einer gesellschaftlichen Sensibi- Vorsorgegesichtspunkt für die „gute fachliche Praxis“ lisierung und eines ressortübergreifenden Handelns, bei der Bodenbewirtschaftung erfüllt werden. um die vor uns liegenden Aufgaben im Bodenschutz gemeinsam zu lösen und die nachhaltige Nutzung der begrenzten Ressource Boden besser zu gestalten. Vielfalt des Bodenlebens Eine Präjudizierung der öffentlichen Haushalte geht Der Boden ist ein unverzichtbarer und überaus leben- damit nicht einher. Maßnahmen im Bereich des diger Lebensraum für eine unüberschaubare Vielzahl Bundes werden von den jeweils betroffenen Einzelplä- unterschiedlicher Bodenorganismen. Diese sensiblen nen innerhalb der jeweils geltenden Haushaltsansätze Organismen tragen maßgeblich zur Produktionsfunk- (finanziell und stellenmäßig) zu realisieren sein. tion unserer Böden bei. Der Bodenzustand ist nur dann gut, wenn auch die Artenzusammensetzung der Bo- In den folgenden Kapiteln wird auf Entwicklungen und denorganismen intakt ist. Die wichtige ökosystemare Fortschritte im Bodenschutz und im Umgang mit Alt- Rolle dieser Organismen ist wissenschaftlich gut lasten während der 19. Legislaturperiode eingegangen. verstanden. Jedoch gibt es nur vereinzelt Referenzdaten für einen guten ökologischen Bodenzustand und noch wenig Details zum Vorkommen und zu Veränderungen der Bodenfauna. Erste Zusammenstellungen des Vor- kommens der Bodenfauna wurden durch das Umwelt- bundesamt veröffentlicht.14 Sie bilden einen Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Datenbank EDAPHOBASE.15
Boden Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung BODENSCHUTZ IM KONTEXT DER NUTZUNG 13 schutz Bodenschutz im Kontext der Nutzung 3 3.1 Bodenschutz in der Land- und Wichtige Maßnahmen mit dem Ziel des Bodenschutzes werden über den Europäischen Landwirtschaftsfonds Forstwirtschaft für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) als sogenannte Zweite Säule der GAP kofinanziert. Im Über die Hälfte der Fläche in Deutschland wird land- Vordergrund stehen dabei beispielsweise die Förderung wirtschaftlich genutzt. Hierbei wird der Boden durch des ökologischen Landbaus, bestimmter Agrarum- Bearbeitung, Düngung, das Aufbringen von Pflanzen- welt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie die investive schutzmitteln, aber auch durch Be- und Entwässerung Förderung bestimmter bodenschonender Produktions- verändert. Ein weiteres Drittel ist Wald und überwie- verfahren, die den Zielen des Erhalts und des Aufbaus gend forstlich genutzt. der Bodenfruchtbarkeit dienen. Auf über 80 Prozent der Landfläche werden durch die Im Rahmen der letzten GAP-Reform von 2013 für die Land- und Forstwirtschaft neben Nahrungsmitteln bio- Förderperiode 2014 bis 2020 wurden Regelungen im gene (nachwachsende) Rohstoffe für eine nachhaltige Rahmen von Cross Compliance und Greening vorge- Bioökonomie bereitgestellt. Für die nachhaltige Pro- sehen, die auch zur Verbesserung des Bodenschutzes duktion ist der Erhalt gesunder und fruchtbarer Böden auf landwirtschaftlich genutzten Flächen beitragen. Bei von zentraler Bedeutung. Belastende Auswirkungen den Verhandlungen und der Ausgestaltung der neuen auf die Bodenfunktionen sind daher auf ein Minimum Förderperiode ab 2023 hat sich die Bundesregierung zu beschränken. für ein höheres Umweltambitionsniveau der GAP eingesetzt. Dieses gilt es nun mit der Ausgestaltung des nationalen GAP-Strategieplans zu verwirklichen. 3.1.1 Ausgestaltung der Gemeinsamen Ein wesentlicher Baustein sind die sogenannten Öko- Regelungen, mit denen zukünftig weitere Umwelt-, Agrarpolitik Natur- und Klimaschutzleistungen der Landwirtschaft Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU dient unterstützt werden sollen. Zudem hat der Bundestag der Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen beschlossen, die Umschichtung von Direktzahlungs- Lebensmitteln, der Entwicklung ländlicher Regionen mitteln zugunsten der Zweiten Säule zur Stärkung und der wirtschaftlichen Stabilität landwirtschaftlicher einer nachhaltigen Landwirtschaft deutlich anzuheben. Betriebe und trägt mit der Förderung von Maßnahmen des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes zu einer nach- haltigen Landwirtschaft bei. 3.1.2 Düngung Bestandteil einer nachhaltigen Landwirtschaft ist die Das Düngerecht ist ein wesentlicher Baustein für den ökologisch angepasste und zukunftsorientierte Bewirt- Schutz der Böden. Das Düngegesetz und insbesonde- schaftung des Bodens. re die darauf aufbauenden Verordnungen haben den
14 BODENSCHUTZ IM KONTEXT DER NUTZUNG Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung Zweck, die Ernährung von Nutzpflanzen sicherzustel- stoffen, wie etwa Cadmium, zulässige Ausgangsstoffe/ len, die Fruchtbarkeit des Bodens, insbesondere den Bestandteile und einheitliche Kennzeichnungsvor- standort- oder nutzungstypischen Humusgehalt, zu schriften festgelegt. Die neuen Vorschriften sollen zum erhalten oder, falls erforderlich, nachhaltig zu ver- Schutz des Bodens beitragen und potenzielle Gefahren bessern. Gleichzeitig soll es einen nachhaltigen und für Mensch, Tier und Pflanze verringern. ressourceneffizienten Umgang mit Nährstoffen bei der landwirtschaftlichen Erzeugung sicherstellen, insbe- sondere Nährstoffverluste in die Umwelt so weit wie 3.1.3 Landtechnik möglich vermeiden. Beim Einsatz stickstoffhaltiger Dünger kommt es im Boden zur Denitrifikation. Dabei Die für die Pflanzenproduktion eingesetzte Landtech- kann Lachgas entstehen. Die daraus resultierenden nik ist mit der Zeit immer größer und schwerer gewor- Emissionen in die Atmosphäre stellen den dominanten den. Dadurch konnte die Effizienz der landwirtschaft- Anteil der Emission dieses Klimagases aus landwirt- lichen Produktion erhöht werden. Jedoch hat die hohe schaftlichen Böden dar. Gefahren für die Gesundheit Gesamtmasse einzelner landwirtschaftlicher Maschi- von Menschen und Tieren sowie für den Naturhaushalt nen zu einem erhöhten Risiko für Schadverdichtungen und somit auch für die Böden, die durch das Herstellen, im Ackerboden geführt. Inverkehrbringen oder die Anwendung von Stoffen, die diesem Regelungsbereich unterliegen, entstehen Um diesen entgegenzuwirken, ist entsprechend der können, soll vorgebeugt beziehungsweise sollen abge- Witterung auf eine ausreichende Krumen- und Unter- wendet werden. bodenfestigkeit zu achten. Die Gefahr von Schadver- dichtungen lässt sich zudem durch weniger Überfahr- Geregelt wird im Düngerecht auch, dass Düngemittel ten und den Einsatz von Gerätekombinationen sowie nur nach guter fachlicher Praxis anzuwenden sind. optimierter Transportketten reduzieren. Dabei müssen Art, Menge und Zeitpunkt der Anwen- dung von Düngemitteln am Bedarf der Pflanzen und Durch Anpassung des Reifeninnendrucks an den des Bodens ausgerichtet werden. Bodenzustand lassen sich mit niedrigem Kontakt- flächendruck Bodenverdichtungen vermeiden bzw. Die Bundesregierung hat im Berichtszeitraum die abmildern. Zugleich wird hierdurch der Treibstoffver- Düngeverordnung und die Düngemittelverordnung brauch und damit der Ausstoß von klimaschädlichen umfassend angepasst. In der Düngemittelverordnung CO2-Emissionen gesenkt. Deshalb fördert das BMEL wurde insbesondere die Bezugsgröße des maximal zu- seit November 2020 die Zusatzausstattung neuer oder lässigen Anteils an unvermeidbaren Fremdstoffen wie die Nachrüstung vorhandener Landmaschinen mit Papier, Glas, Metalle und Kunststoffe in Düngemitteln automatischen Reifendruckregelanlagen in land- von zwei auf einen Millimeter abgesenkt. Das heißt, wirtschaftlichen Betrieben im Bundesprogramm zur die maximal zulässigen Fremdstoffanteile gelten nun Steigerung der Energieeffizienz und CO2-Einsparung bereits für Fremdstoffe ab einem Millimeter. Außerdem in Landwirtschaft und Gartenbau. Dies soll zusammen sind Verpackungen und Verpackungsbestandteile jetzt mit einer Weiterentwicklung der Anbausysteme und verpflichtend vor der ersten biologischen Behandlung stärkerer Nutzung der Digitalisierung zu einer boden- (Kompostierung, Vergärung) von den Bioabfällen zu schonenden Bewirtschaftung beitragen. trennen. Diese Änderungen sollen dem Schutz des Bo- dens vor Verunreinigungen durch in Komposten und Über das „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ Gärresten enthaltenen Fremdstoffen dienen, insbeson- werden zudem seit 2021 Maschinen für die dere auch durch Verunreinigungen mit Mikrokunst- umwelt- und klimaschonende Ausbringung von stoffpartikeln. Pflanzenschutzmitteln sowie Mineral- und Wirt- schaftsdüngern und zur mechanischen Unkrautbe- In der EU ist 2019 eine neue Verordnung für das kämpfung gefördert. Damit soll zu einer landwirt- Inverkehrbringen von Düngemitteln auf dem EU- schaftlichen Bewirtschaftung beigetragen werden, die Markt in Kraft getreten (sogenannte Düngeprodukte- gleichzeitig die Bodenstruktur wie auch die Bodenbio- verordnung – Verordnung [EU] 2019/1009). Sie muss diversität schont. bis zum 16. Juli 2022 umgesetzt werden. Neben der Harmonisierung von Anforderungen an Düngemittel wurden auch Grenzwerte für eine Reihe von Schad-
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