Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021

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Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung   1

Fünfter Bodenschutzbericht der
Bundesregierung
Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
2        Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

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Herausgeber
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
Referat WR I 7 · Postfach 12 06 29 · 53048 Bonn
E-Mail: WRI7@bmuv.bund.de · Internet: www.bmuv.de

Redaktion
BMUV, Referat WR I 7

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wbv Media, Bielefeld, Sabine Ernat

Bildnachweise
Siehe Seite 83

Stand
Kabinettsbeschluss vom 1. September 2021
Veröffentlichung: Februar 2022

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Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung                                                                                   3

Inhalt

1   EINLEITUNG....................................................................................................................................................................................................................................................................... 6

2   BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND – AUFGABEN UND HERAUSFORDERUNGEN.................................................................... 9

3   BODENSCHUTZ IM KONTEXT DER NUTZUNG.......................................................................................................................................................................13

    3.1 Bodenschutz in der Land- und Forstwirtschaft...............................................................................................................................................................13
             3.1.1 Ausgestaltung der Gemeinsamen ­Agrarpolitik.....................................................................................................................................................13
             3.1.2 Düngung......................................................................................................................................................................................................................................................13
             3.1.3 Landtechnik..............................................................................................................................................................................................................................................14
             3.1.4 Ökologischer Landbau, Beratung und ­Eiweißpflanzenstrategie.........................................................................................................15
             3.1.5 Wald und Forstwirtschaft...........................................................................................................................................................................................................16

    3.2 Altlastensanierung und ­Bodenschutz auf bundeseigenen Grundstücken.........................................................................................17
             3.2.1 Baufachliche Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz ...................................................................................................................17
             3.2.2 Baumaßnahmen und Bauunterhaltung des Bundes .....................................................................................................................................18
             3.2.3 Erfassung und Sanierung von Altlasten ......................................................................................................................................................................18
             3.2.4 Bodenschutz auf Truppenübungsplätzen..................................................................................................................................................................19

    3.3 Bodenbelastungen und Bodenschutz an Bundesverkehrswegen................................................................................................................20
             3.3.1 Bau und Unterhaltung der Verkehrs­infrastruktur ..........................................................................................................................................20
             3.3.2 Bundesfernstraßen............................................................................................................................................................................................................................20
             3.3.3 Bundeswasserstraßen.....................................................................................................................................................................................................................21
             3.3.4 Schienenverkehr..................................................................................................................................................................................................................................22

4   SCHWERPUNKT: BODEN UND KLIMA.............................................................................................................................................................................................23

    4.1 Bodenschutz als Beitrag zu Klimaschutz und Klimaanpassung....................................................................................................................23

    4.2 Moorbodenschutz............................................................................................................................................................................................................................................24

    4.3 Minderung der Torfverwendung im Gartenbau.............................................................................................................................................................25

    4.4 Humuserhalt und -aufbau.......................................................................................................................................................................................................................26

    4.5 Anpassung an den Klimawandel .....................................................................................................................................................................................................26

5   SCHWERPUNKT: ORGANISCHE FLUORVERBINDUNGEN........................................................................................................................................28

    5.1 Organische Fluorverbindungen – eine Gefahr auch für den Boden..........................................................................................................28

    5.2 Aktivitäten auf Bundesebene...............................................................................................................................................................................................................30

    5.3 Ressortforschung zu PFAS.......................................................................................................................................................................................................................32
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4                 Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

6 WEITERE THEMEN DES BODENSCHUTZES................................................................................................................................................................................33

        6.1 Mantelverordnung ......................................................................................................................................................................................................................................33

        6.2 Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.............................................................................................................................................................................................34

        6.3 Flächenverbrauch..........................................................................................................................................................................................................................................35

        6.4 Bodenbiodiversität.......................................................................................................................................................................................................................................37

        6.5 Bundeskompensations­verordnung...........................................................................................................................................................................................38

        6.6 Kunststoffe in Böden ................................................................................................................................................................................................................................39

        6.7 Bioabfallverordnung..................................................................................................................................................................................................................................39

        6.8 Klärschlammverordnung......................................................................................................................................................................................................................39

        6.9 Novelle der TA Luft ......................................................................................................................................................................................................................................40

      6.10 Sanierung von Altlasten als Teil des EU-Regionalfonds .....................................................................................................................................40

      6.11 Bodenschutz beim ­Stromnetzausbau .....................................................................................................................................................................................41

      6.12 Bodenforschung..............................................................................................................................................................................................................................................41

7     BODENSCHUTZ AUF EUROPÄISCHER UND ­INTERNATIONALER EBENE..............................................................................................45

      7.1 Europa...........................................................................................................................................................................................................................................................................45
                7.1.1 Überarbeitung der ­EU-Bodenschutzstrategie........................................................................................................................................................45
                7.1.2 Farm-to-Fork-Strategie der EU.............................................................................................................................................................................................46
                7.1.3 EU-Biodiversitätsstrategie für 2030.................................................................................................................................................................................46
                7.1.4 Sonderbericht zur Wüstenbildung in der EU.........................................................................................................................................................47
                7.1.5 EU Soil Observatory ........................................................................................................................................................................................................................47
                7.1.6 Alpenkonvention.................................................................................................................................................................................................................................47

      7.2 International..........................................................................................................................................................................................................................................................48
                7.2.1 Bekämpfung der Wüstenbildung ......................................................................................................................................................................................48
                7.2.2 Vorsitz der EU-Ratsarbeitsgruppe ­Desertifikation............................................................................................................................................48
                7.2.3 Landdegradationsneutralität..................................................................................................................................................................................................49
                7.2.4 Entwicklungszusammenarbeit.............................................................................................................................................................................................49
                7.2.5 Technische Zusammenarbeit..................................................................................................................................................................................................50
                7.2.6 Netzwerke der Welternährungs­organisation ........................................................................................................................................................50

8     BUND/LÄNDER-ZUSAMMENARBEIT UND FACHLICHE BERATUNG...........................................................................................................51

      8.1 Aktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz............................................................................................................51

      8.2 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ............................................................................................................................................53

      8.3 Fachbeirat Bodenuntersuchungen................................................................................................................................................................................................55

      8.4 Kommission Bodenschutz......................................................................................................................................................................................................................55

      8.5 Kommission Landwirtschaft................................................................................................................................................................................................................56
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9 AKTIVITÄTEN DER BUNDESLÄNDER.................................................................................................................................................................................................57

          9.1 Baden-Württemberg..................................................................................................................................................................................................................................57

          9.2 Bayern.........................................................................................................................................................................................................................................................................58

          9.3 Berlin...........................................................................................................................................................................................................................................................................60

          9.4 Brandenburg.......................................................................................................................................................................................................................................................62

          9.5 Bremen......................................................................................................................................................................................................................................................................63

          9.6 Hamburg..................................................................................................................................................................................................................................................................63

          9.7 Hessen.........................................................................................................................................................................................................................................................................64

          9.8 Mecklenburg-Vorpommern...............................................................................................................................................................................................................66

          9.9 Niedersachsen....................................................................................................................................................................................................................................................67

       9.10 Nordrhein-Westfalen.................................................................................................................................................................................................................................69

       9.11 Rheinland-Pfalz...............................................................................................................................................................................................................................................71

       9.12 Saarland....................................................................................................................................................................................................................................................................72

       9.13 Sachsen......................................................................................................................................................................................................................................................................73

       9.14 Sachsen-Anhalt................................................................................................................................................................................................................................................73

       9.15 Schleswig-Holstein......................................................................................................................................................................................................................................74

       9.16 Thüringen..............................................................................................................................................................................................................................................................75

ANHANG: BODEN DES JAHRES...........................................................................................................................................................................................................................76

FUßNOTENVERZEICHNIS.........................................................................................................................................................................................................................................78

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.................................................................................................................................................................................................................................81

BILDNACHWEISE................................................................................................................................................................................................................................................................83
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Boden
6       EINLEITUNG Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

  schutz
1      Einleitung

Warum wurde dieser Bericht erstellt?                         Bericht über die erzielten Fortschritte im Bereich
                                                             des Bodenschutzes dem Deutschen Bundestag
Anlass für diesen Bericht ist die Zustimmung des             vorzu­legen.
Deutschen Bundestages vom 26. Oktober 2000 zum
Antrag „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur           Anschließend an die vorausgegangen Berichte1 werden
­Stärkung des Schutzes der Böden“ (Bundestagsdruck-       in diesem Fünften Bodenschutzbericht die wesentli-
sache 14/2567). Darin wird die Bundesregierung – zwei     chen Entwicklungen und Fortschritte im Bodenschutz
Jahre nach Verabschiedung des Bundes-Bodenschutz-         für die 19. Legislaturperiode (2017 bis 2021) zusammen-
gesetzes – aufgefordert,                                  gefasst.

■ Initiativen zur Weiterentwicklung der Bodenschutz-      Berücksichtigt wurden dabei unter anderem Beiträge
  politik auf allen Ebenen zu ergreifen                   aus den Bundesressorts sowie den Bundesländern und
                                                          beratenden Gremien.
■ die Kommission für nachhaltige Entwicklung sowie
  das Umweltprogramm der Vereinten Nationen
                                                          Im Vierten Bericht bildete das Thema Flächenrecyc-
  (UNEP) und das Übereinkommen der Vereinten
                                                          ling einen fachlichen Schwerpunkt – nach wie vor ist
  Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung
                                                          die Flächenneuinanspruchnahme für Siedlungs- und
  (UNCCD) zu unterstützen
                                                          Verkehrszwecke zu hoch. Als aktuelle Herausforderun-
■ Bodenschutzbelange in alle Politikbereiche über         gen werden im vorliegenden Bodenschutzbericht der
  Staatengrenzen hinweg und unter Ausschöpfung            Beitrag des Bodens als Teil einer umfassenden Klima-
  der vorhandenen nationalen und internationalen          politik und der Umgang mit einer neuen Schadstoff-
  Strukturen zu integrieren                               gruppe (organische Fluorverbindungen) als themati-
                                                          sche Schwerpunkte hervorgehoben.
■ Forschung über die Ursachen der Bodendegradation
  und ihre Behebung zu intensivieren

■ Konzepte zum Schutz der Böden und zur Redu-             Gründe für den Schutz des Bodens
  zierung des Flächenverbrauchs im Rahmen einer
  nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten       Der Boden ist eines der komplexesten aller Ökosyste-
                                                          me. Er ist ein eigenständiger Lebensraum, in dem eine
■ Bewusstseinsbildung über die zunehmenden
                                                          unglaubliche Vielfalt von Organismen lebt, die wich-
  Gefährdungen der Böden zu intensivieren, um auf
                                                          tige Ökosystemleistungen wie Bodenfruchtbarkeit,
  allen Ebenen den nachhaltigen Umgang mit der
                                                          Nährstoffkreislauf und Klimaregulierung erbringen
  natürlichen Ressource Boden schnellstmöglich zu
                                                          und kontrollieren. Unser Boden ist für die Gesund-
  erreichen und einmal pro Legislaturperiode, erst-
                                                          heit des Menschen, die Erzeugung von Lebensmitteln,
  mals spätestens im I. Quartal des Jahres 2002, einen
                                                          die Artenvielfalt und das Klima von unverzichtbarer
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Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung EINLEITUNG           7

Bedeutung – und damit entscheidend für unser aller            lasten landwirtschaftlicher Flächen. Etwa die Hälfte
Wohlergehen.                                                  davon wird versiegelt und somit in ihren natürlichen
                                                              Funktionen stark beeinträchtigt. Konkurrierende
Trotz der offenkundigen Belastun-                                                  Nutzungsansprüche und Fehlan-

                                       ”
gen von Böden und der Gefähr-                     Buy land, they’re not reize zugunsten dieser führen auch
dung der Bodenfunktionen ist der                                                   in Deutschland nach wie vor dazu,
Bodenzustand in der Öffentlichkeit
                                                  making   it anymore.“            dass der Anteil überbauter und
weit weniger präsent als beispiels-                      Mark Twain                ­versiegelter Böden immer weiter
weise der Zustand der Pflanzen- und                                                 ­zunimmt. Zusätzlich zur Überbau-
Tierwelt oder von Luft und Wasser. Dafür gibt es meh-         ung tragen Bodendegradation und Wüstenbildung
rere Gründe: Böden sind meist bedeckt, ihre genauen           dazu bei, dass sich die Verfügbarkeit fruchtbarer Böden
Eigenschaften lassen sich nur mit verhältnismäßig             weltweit verringert.
aufwendigen Untersuchungen erfassen. Auf Einflüsse
reagieren sie eher langsam, dadurch bleiben Verände-          Gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutsch-
rungen oft unentdeckt. Schäden werden nur mit Verzö-          land gilt es, den Boden in seinen natürlichen Funk­
gerung erkannt.                                               tionen zu erhalten. Denn Boden lässt sich nicht
                                                              vermehren.
Die Wiederherstellung von Bodenfunktionen ist auf-
wendig, langwierig und, soweit überhaupt möglich, mit
erheblichen Kosten verbunden. Der vorausgegangene             Es gibt noch Luft nach oben
Vierte Bodenschutzbericht der Bundesregierung von
2017 hat betont:                                              Mit der Verkündigung des Gesetzes zum Schutz des
                                                              Bodens wurde der Boden 1998 neben dem Wasser und
  „Der Schutz des Bodens vor schädlichen Veränderungen        der Luft als drittes Umweltmedium unmittelbar durch
  stellt aufgrund der Vielfalt der Einflussfaktoren eine      ein Gesetz des Bundes unter Schutz gestellt. Zweck des
  komplexe umweltpolitische Herausforderung dar. Oft          beschlossenen Gesetzes war und ist es, die Funktionen
  führen Summeneffekte von Belastungen zu ­Schäden,           des Bodens nachhaltig in ihrer Leistungsfähigkeit zu
  deren Folge der unwiederbringliche Verlust von Boden        erhalten oder wiederherzustellen. Hierzu sind Ge-
  ist. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung – bis        fahrenabwehr- und Beseitigungsmaßnahmen sowie
  2050 auf voraussichtlich über neun Milliarden Men-          Maßnahmen zur Vorsorge gegen künftige Belastungen
  schen – erhöht sich der Druck auf die Ressource Boden.      des Bodens zu ergreifen.
  Der Schutz des Bodens wird immer wichtiger.“ (Seite 6)
                                                              Auch wenn inzwischen etwa 20 Jahre seit der Vorlage
Ein übergeordnetes Ziel muss es daher sein, der hohen         des Ersten Bodenschutzberichtes vergangen sind, ist er
Bedeutung dieses Schutzguts gerecht zu werden.                im Kern ungeachtet der bis heute erreichten Fortschrit-
                                                              te immer noch aktuell:
Weit mehr als 90 Prozent der weltweiten Nahrungs­
mittelproduktion sind direkt vom Zustand der Böden              „Gerade in einem dicht besiedelten Land wie Deutsch-
abhängig. Die je Kopf der Bevölkerung zur Verfügung             land gilt es, den Boden in seinen ökologischen Funk-
stehende landwirtschaftliche Fläche nimmt aber                  tionen als Lebensgrundlage und Lebensraum für
weltweit ab und hat sich seit Anfang der 60er-Jahre bis         Menschen, Tiere und Pflanzen und als Bestandteil des
heute halbiert (von 0,45 auf 0,22 Hektar pro Kopf). Und         Naturhaushalts mit seinen Wasser- und Nährstoff-
es geht weiter: Bis zum Jahr 2050 wird sie laut Prognose        kreisläufen zu erhalten … Gleichwohl bleibt auch in
der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der             der Zukunft noch vieles zu tun, um die nachhaltige
Vereinten Nationen auf 0,18 Hektar pro Kopf sinken.             Siedlungsentwicklung mit konkreten Maßnahmen zu
                                                                fördern.“ (Seite 15)
Die steigende Nachfrage zur Erfüllung unserer viel-
fältigen Nutzungsansprüche trifft vor allem durch               „Jeder, der auf den Boden einwirkt, hat sich so zu
die anhaltende Flächenneuinanspruchnahme auf ein                verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen nicht
sinkendes Angebot. Allein in Europa wird jedes Jahr             hervorgerufen werden.“ Diese allgemeine in § 4 Absatz 1
eine Fläche so groß wie die Stadt Berlin in Siedlungs-          des Bodenschutzgesetzes enthaltene Pflicht ist heute in
und Verkehrsflächen umgewandelt – überwiegend zu-               Politik und Verwaltung bereits weitgehend akzeptiert;
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
8          EINLEITUNG Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

    bis zu ihrer stringenten Beachtung in allen Lebensbe-      Der Fünfte Bodenschutzbericht belegt einerseits die
    reichen, die für Böden von Bedeutung sind, ist es jedoch   vielen Aktivitäten und die Entwicklung im Boden-
    noch ein weiter Weg.“ (Seite 51f.)                         schutz der letzten Jahre, zugleich zeigt er aber auch, wie
                                                               sich die Anforderungen seit der Verabschiedung des
Und noch etwas ist unverändert gültig:                         Bodenschutzgesetzes 1998 verändert haben.

    „Zukünftig wird neben der nachsorgenden Aufar-             Neue Herausforderungen mit ihren Auswirkungen
    beitung der Altlasten dem Kreislaufgedanken in der         auf den Bodenschutz werden unter anderem von der
    Flächennutzung und dem vorsorgenden Bodenschutz            Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz oder
    eine stärkere Bedeutung zukommen. Mindestens               vom Umweltbundesamt thematisiert. Dazu zählen
    gleichbedeutend wie die Lösung der Altlastenfragen         beispielsweise Empfehlungen zu Regelungen zur Un-
    sind als weiterer Schwerpunkt des Bodenschutzrechts        terstützung von Maßnahmen zum Erhalt der Klima-
    die Regelungen zum vorsorgenden Bodenschutz ein-           funktion des Bodens. Auch eine stärkere Nutzung der
    zustufen, mit denen das Entstehen von Altlasten [und       Entsiegelungspotenziale sowie eine Einschränkung der
    schädlichen Bodenveränderungen] nachhaltig verhin-         Versiegelung von Böden werden in den Blick genom-
    dert werden soll.“ (Seite 52)                              men. Aus Sicht des Bundes bedarf es in diesem Zusam-
                                                               menhang einer fachlichen Aufarbeitung sowie einer
Ergänzend zu den vorstehenden Aussagen aus dem                 Defizitanalyse.
Ersten Bodenschutzbericht ist hervorzuheben, dass sich
die Herausforderungen durch den fortschreitenden
Klimawandel und die wachsenden Anforderungen an                  Gliederung
natürliche Kohlendioxid(CO2)-Senken – also auch den
                                                                 Der vorliegende Fünfte Bodenschutzbericht der
Boden – deutlich verstärkt haben. Deutschland und die
                                                                 Bundesregierung bezieht sich auf die 19. Legislatur-
Europäische Union (EU) haben sich das langfristige Ziel          periode und gliedert sich wie folgt:
gesetzt, bis zum Jahr 2045 (Deutschland) und 2050 (EU)
Treibhausgasneutralität zu erreichen und im Anschluss               I m Anschluss an die Einleitung knüpft Kapitel 2
Negativemissionen anzustreben.                                      mit Betrachtungen zu Aufgaben und Herausforde-
                                                                    rungen im Bodenschutz und an die Altlastenbear-
                                                                    beitung an Erkenntnisse der Bundesregierung seit
Der vorliegende Bericht macht deutlich, dass die Res-
                                                                    dem Internationalen Jahr des Bodens (2015) an.
source Boden seit dem Erlass des Bundesbodenschutz-
gesetzes auch neuen Herausforderungen, wie zum                      D
                                                                     ie Kapitel 3 und 6 geben einen Überblick über die
Beispiel Klimawandel oder Plastikeinträge, gegenüber-               Entwicklungen und Fortschritte im Bodenschutz
steht. Insbesondere der Bezug von Boden und Klima                   auf Bundesebene.
(siehe Kapitel 4) lässt die Rolle der Böden zunehmend               D
                                                                     ie beiden Schwerpunktthemen dieses Berichtes
auch in die öffentliche Wahrnehmung treten. So ver-                 werden in Kapitel 4 „Boden und Klima“ und Kapi-
deutlichen die für deutsche Verhältnisse ungewöhn­                  tel 5 „Organische Fluorverbindungen“ vertiefend
lichen Trockenperioden in Frühjahr und Sommer der                   behandelt.
letzten drei Jahre sowie sich häufende Starkregener-
                                                                    Kapitel 7 ergänzt die nationale Perspektive zum
eignisse, dass Boden als unsere Existenzgrundlage
                                                                    Bodenschutz durch Ausführungen zu den Ent-
angemessen geschützt und nachhaltig genutzt werden
                                                                    wicklungen auf europäischer und internationaler
muss. Der Boden ist von entscheidender Bedeutung
                                                                    Ebene.
für den Wasserhaushalt, da ein gesunder Boden Wasser
wie ein Schwamm aufnehmen, halten und ins Grund-                     ktivitäten der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft
                                                                    A
wasser weiterleiten kann und so Hochwasser abmildert                Bodenschutz sowie einiger beratender Fachgremi-
sowie bei Trockenheit Wasser für Pflanzen und für das               en werden gesondert in Kapitel 8 aufgeführt.
Grundwasser und damit die Trinkwasserversorgung                     L ast, but not least werden in Kapitel 9 Entwicklun-
liefert.                                                            gen und Fortschritte aus Sicht der Bundesländer
                                                                    dargestellt. Dies ergänzt die nationale Perspektive
Zum anderen zeigen die Aktivitäten der Europäischen                 der Kapitel 3, 6 und 8.
Kommission der letzten Monate (siehe Kapitel 7.1), dass
die Ressource Boden auf europäischer Ebene in den
Fokus rückt.
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
Boden
                         Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND              9

  schutz
                               Bodenzustand in Deutschland –
                             Aufgaben und Herausforderungen                                                   2

Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2015, im Internatio-         ■ Erosion, Verdichtung
nalen Jahr des Bodens, einen Bericht über den „Boden­
                                                           ■ Rückgang der biologischen Vielfalt im Boden
zustand in Deutschland“2 vorgestellt. Er beschreibt
unsere Böden und die bereits vorhandenen Programme
zur Erfassung des Bodenzustands.                           Die Antwort zur oben aufgeworfenen Frage nach der
                                                           heutigen Situation zum Zustand der Böden lautet:
Aus Anlass des Bodenschutzberichtes für die 19. Le-        positive Tendenzen, aber keine Zeit auszuruhen. Es gibt
gislaturperiode stellt sich die Frage nach der Situation   viele und große Herausforderungen für den Boden-
heute, sechs Jahre später. Die folgenden Betrachtungen     schutz, die in Angriff genommen werden müssen:
– einschließlich der Hinweise zu den Bodenzustands­
erhebungen – bilden die Basis für die sich anschlie-
ßenden Kapitel zur Darstellung der Entwicklungen           Verlust von Böden
und Fortschritte im Bodenschutz und im Umgang mit
Altlasten während der 19. Legislaturperiode.               Der große Verlust wertvoller Böden ist mit der Ab-
                                                           nahme des Flächenverbrauchs etwas zurückgegangen.
Böden sind Lebensgrundlage und Lebensraum für              Betrug der durchschnittliche tägliche Zuwachs an
Pflanzen, Tiere, Bodenorganismen und den Men-              Siedlungs- und Verkehrsfläche in den Jahren 1997 bis
schen sowie Bestandteil der natürlichen Wasser- und        2000 im Schnitt noch 129 Hektar, ging die Flächen­
Stoffkreisläufe. Als wichtiger Teil der globalen Kohlen-   neuinanspruchnahme auf 52 Hektar täglich im Jahr
stoff- und Stickstoffkreisläufe sind Böden eng mit dem     2019 zurück. Der Trend geht also – zumindest vorü-
Klimasystem verzahnt.                                      bergehend – in die richtige Richtung. Dennoch wird
                                                           täglich noch immer etwa ein halber Quadratkilometer
Dass sich der Zustand der Böden durch Nutzung              wertvollen, fruchtbaren Bodens unwiederbringlich
verschlechtert, ist möglichst zu vermeiden, denn damit     zerstört. Um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen,
werden wichtige Bodenfunktionen beeinträchtigt oder        bis zum Jahr 2030 den Flächenverbrauch auf unter
können sogar unwiederbringlich verloren gehen.             30 Hektar pro Tag zu verringern, sind erhebliche weite-
                                                           re Anstrengungen erforderlich.3
Insbesondere durch den steigenden Nutzungsdruck,
aber auch klimatische Veränderungen können nachtei-
lige Bodenveränderungen entstehen:                         Schadstoffeinträge in Böden

■ Verlust von Böden durch Überbauung                       Schadstoffe in Böden können von Pflanzen oder
                                                           durch direkten Bodenkontakt von Mensch und Tier
■ Verunreinigung mit Schadstoffen
                                                           aufgenommen werden; durch Verlagerung im Bo-
■ Verlust organischer Substanz                             den können sie zu einer Belastung des Grundwassers
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung - Beschluss des Bundeskabinetts vom 1. September 2021
10      BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

führen. Im Gegensatz zu anorganischen Stoffen wie           feststellen, ob diese Stoffe in Böden eingetragen, sich
Cadmium oder Quecksilber sind die Gehalte organi-           dort anreichern und schädigend wirken werden. So
scher Verbindungen in Böden – zum Beispiel Polychlo-        können Stoffe, die derzeit noch nicht als Schadstoffe
rierte Biphenyle (PCB), Dioxine/Furane oder per- und        gelten, eine bodenschädigende Wirkung entfalten.
­polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) – auf die Einträ-
ge durch menschliche Tätigkeiten zurückzuführen.
                                                            Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS)
Das flächenhafte Vorkommen von Schadstoffen in
Böden wird anhand von Hintergrundwerten für Böden           Eine der aktuellen Herausforderungen für den Bo-
gekennzeichnet.4 2017 wurden mit Unterstützung des          denschutz stellen die organischen Fluorverbindungen
UBA erstmals bundesweite Hintergrundwerte auch für          (PFAS) dar, auf die in diesem Bericht in Kapitel 5 als
organische Schadstoffe wie Polyzyklische Aromatische        Schwerpunktthema eingegangen wird.
Kohlenwasserstoffe (PAK), PCB oder Dioxine abge-
leitet. Werte für neu aufgekommene Schadstoffe, wie
PFAS und Kunststoffe, standen bisher nicht im Fokus         Kunststoffe
flächenhafter Untersuchungen. Die Ermittlung dieser
Werte ist derzeit in Planung.                               Kunststoffpartikel aus vielfältigen Quellen und Nut-
                                                            zungen befinden sich bereits in allen Umweltkomparti-
                                                            menten (Boden, Wasser und Luft), treten global auf und
Altlasten                                                   können direkt oder indirekt in den Boden gelangen.6
                                                            Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass schädigende
Neben den diffusen Schadstoffeinträgen, die zu flä-         Wirkungen von Kunststoffen auf Bodenorganismen
chenhaften Bodenbelastungen führen können, kann es          möglich sind. Die Studien zum Gehalt von Kunststof-
zu lokalen Kontaminationen und Altlasten kommen.            fen in Böden kommen häufig zu unterschiedlichen
                                                            Ergebnissen, die schwer miteinander vergleichbar sind.
Die Altlastenbearbeitung in der Zuständigkeit der           Ein Grund dafür ist das Fehlen von genormten Metho-
Bundesländer ist auf einem guten Weg. Die aktuelle          den für die Probenahme, Probenvorbereitung sowie die
Altlastenstatistik (siehe Kapitel 8.1) dokumentiert         Analytik.
­Fortschritte bei der Sanierung. Jedoch kommen neue
 altlastverdächtige Flächen immer noch hinzu, vor           Das Umweltbundesamt arbeitet an einer genormten
 allem durch die erstmalige Erfassung von neuen             Methode, damit flächenhafte Hintergrundgehalte
 ­Schadstoffen (siehe folgender Abschnitt) oder auch als    von Kunststoffen in Böden reproduzierbar ermittelt
  Folge der Industrie-Emissionsrichtlinie und des von ihr   werden können. Zentrale Herausforderungen sind
  geforderten Ausgangszustandsberichts und Monito-          zurzeit die Entwicklung und Standardisierung von
  rings.                                                    Bestimmungsmethoden für (Mikro-)Plastik, besonders
                                                            für Agrarböden. Ziel der Arbeiten des Thünen-Instituts
Aktuell wird das Altlastenthema durch fluororgani-          für Agrartechnologie ist die Schaffung der methodi-
sche Verbindungen (die PFAS-Thematik, siehe unten),         schen Grundlagen für die Untersuchung der auf Plastik
militärische Altlasten, Rüstungsaltlasten, die Kampf-       in Böden zurückzuführenden Umweltprobleme und
mittelräumung und durch die Fortschreibung und              deren anschließende Bewertung.
Weiterentwicklung der rechtlichen Grundlagen und
die Überprüfung der Bewertungsgrundlagen einzelner
Stoffe und Stoffgruppen bestimmt.5                          Verlust organischer Substanz

                                                            Nach den Ozeanen ist der Boden der zweitgrößte Koh-
Neu aufkommende Schadstoffe                                 lenstoffspeicher weltweit: Im oberen Bodenmeter ist
                                                            mehr CO2 gebunden als in der Atmosphäre und der ge-
Ein für den stofflichen Bodenschutz großes Prob-            samten Vegetation zusammen.7 Durch seine Fähigkeit,
lem stellt die große Anzahl der „neuen“ technisch           Kohlenstoff im Humus zu speichern, kann der Anteil
produzierten Chemikalien dar. Es lässt sich bei ihrer       des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre gesenkt
chemikalienrechtlichen Registrierung unter der euro-        oder niedrig gehalten werden. Wie viel der Boden
päischen REACH-Verordnung nicht vorausschauend              speichern kann, hängt stark von den Standorteigen-
Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND             11

schaften sowie seiner Bewirtschaftung ab. So werden       ter verbessern, zum Beispiel hinsichtlich der Änderun-
beim Abbau von Humus große Mengen CO2 freigesetzt,        gen der Humusvorräte, insbesondere hinsichtlich der
was den Klimawandel beschleunigt. Das geschieht zum       Entwicklung der CO2-Bindung.
Beispiel, wenn Grünland in Ackerland umgewandelt
wird (Grünlandumbruch) oder Moore trockengelegt           Die Ergebnisse der vom Thünen-Institut für Wald-
werden. Um einen angemessenen fachpolitischen Rah-        ökosysteme koordinierten Bodenzustandserhebung
men zum Moorbodenschutz zu entwickeln, wurde eine         im Wald wurden im Vierten Bodenschutzbericht (dort
Bund-Länder-Zielvereinbarung erarbeitet. Diese wird       Kapitel 6.7) dargestellt.11 Die Auswertungen belegen die
mit den Ländern abgestimmt. Gemäß Koalitionsvertrag       hohen Kohlenstoffvorräte im Waldboden, die ver-
soll zudem eine Moorschutzstrategie erarbeitet werden,    gleichbar sind mit jenen im lebenden Baumbestand.
deren Entwurf vorliegt.8                                  Insgesamt hat sich der Bodenzustand im bundes-
                                                          weiten Durchschnitt gegenüber der ersten Erhebung
Die Rolle der Böden im Klimawandel als Senke, aber        leicht verbessert, insbesondere der Humuszustand,
auch als Quelle für CO2 sowie für Lachgas und Methan      die pH-Werte sowie die Basensättigung in den oberen
wird intensiv untersucht. Hierbei besteht noch großer     fünf Zentimetern der Waldböden. Es ist keine flächen-
Forschungs- und Datenerhebungsbedarf. Das Umwelt-         deckende Bodenversauerung mehr festzustellen. Die
bundesamt hat 2016 einen Bericht veröffentlicht, nach     Schwermetallgehalte liegen mit Ausnahme von Blei
dem auf den Ackerflächen von ausgewählten, teilweise      und Arsen unterhalb der Vorsorgewerte. Die Stickstoff-
mehr als 20 Jahre untersuchten Dauerbeobachtungs-         Einträge über die atmosphärische Deposition haben
flächen nur wenige signifikante Veränderungen des         seit 1990 abgenommen.
Humusgehaltes nachgewiesen werden konnten, wobei
die wenigen signifikanten Änderungen sowohl Ab- als
auch Zunahmen zeigten.9 Dabei sind die Gründe für         Zunehmende Bodenerosion und anhaltende
die Veränderungen unbestimmt; auch die Rolle des
                                                          ­Verdichtung
Klimawandels ist unklar.
                                                          Neben dem Humusgehalt beeinflussen Wasser- und
Die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft (­BZE-LW),       Winderosion sowie Bodenverdichtung die Bodenstruk-
ein umfassendes Projekt des Thünen-Instituts im           tur und den Bodenzustand. Im Zuge sich verändernder
Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und          klimatischer Verhältnisse kommt es zu einer höheren
Landwirtschaft (BMEL), hat den Humusstatus auf            Wahrscheinlichkeit von Starkregenereignissen und ge-
rund 3.100 Beprobungspunkten untersucht.10 Sie war        häuften Trockenperioden. Fehlt dann die Bodenbede-
die ­erste bundesweit einheitliche Inventur landwirt-     ckung durch Kulturen, Zwischenfrüchte, Untersaaten,
schaftlich genutzter Böden. Erstmals wurden deutsch-      Mulchauflagen oder andere Bodendecker, so nimmt
landweit die Vorräte an organischem Kohlenstoff in        die Erosionsgefahr zu. Prognosen zeigen auf, dass es
landwirtschaftlichen Böden bis in eine Tiefe von einem    regionale Unterschiede bei der Wassererosion geben
Meter erfasst und ihre Beeinflussung durch Standort-      wird, wobei Ackerbaugebiete im Süden und Südwesten
und Nutzungsfaktoren bewertet. Im Jahr 2018 wurden        Deutschlands (insbesondere Böden mit geringer Infilt-
die Ergebnisse vorgestellt. Die BZE-LW diente in erster   rationskapazität) besonders betroffen sind.12
Linie der wissenschaftlichen Absicherung und Weiter-
entwicklung der Treibhausgas-Emissionsberichterstat-      Eine infolge des Klimawandels zunehmende Verduns-
tung Deutschlands, stellt gleichzeitig jedoch auch eine   tung führt bei gleichzeitiger prognostizierter Abnahme
wichtige Grundlage für die weitere Bodenschutzpolitik     der Niederschläge im Sommerhalbjahr zu einer schnel-
dar.                                                      leren Austrocknung des Oberbodens. Die Folge ist eine
                                                          Zunahme der Winderosionsgefährdung und damit des
Aus den zusammengeführten Ergebnissen aus den             Abtrags fruchtbaren Bodens. Als potenziell windero-
Berichten des UBA und des Thünen-Instituts konnten        sionsgefährdet gelten insbesondere solche Böden, die
Humusspannen abgeleitet werden, die einen Richtwert       nicht dauerhaft durch eine geschlossene Pflanzendecke
für die jeweiligen Standorte darstellen.                  geschützt oder nicht ausreichend durchfeuchtet sind,
                                                          sowie große Ackerschläge ohne natürliche Barrieren
Mit der geplanten Wiederholungsbeprobung der              wie zum Beispiel Hecken. Eine hohe Winderosionsan-
­BZE-LW (2023 bis 2028) und der Fortsetzung der           fälligkeit weisen außerdem sandige Böden mit hohem
 Boden­dauerbeobachtung wird sich die Datenbasis wei-     Fein- und Mittelsandanteil sowie Böden mit hohem
12       BODENZUSTAND IN DEUTSCHLAND Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

Erosive Abflussbahn nach Bodenerosionsereignis            Erosionsschutz: Pflanzstreifen aus Wintergerste zur Vermeidung von
                                                          erosiven Abflüssen

Humusgehalt in Gebieten mit abgesenktem Grund-            Fazit
wasserspiegel und in degradierten Mooren auf. Der
Winderosion besonders ausgesetzt sind Regionen in         Die globalen Herausforderungen wie der fortschrei-
Norddeutschland sowie das westliche Brandenburg.13        tende Klimawandel, Nutzungsschäden der Böden, der
Beeinträchtigen Bodenverdichtungen die wichtigsten        Verlust von Boden durch Erosion und Ausweitung von
Bodenfunktionen und damit die Bodenfruchtbarkeit,         Siedlungs- und Verkehrsflächen, Einträge von Schad-
können sie hohe Kosten in der Landwirtschaft verur-       stoffen in Böden einerseits sowie die begrenzte Verfüg-
sachen. Vor diesem Hintergrund arbeiten Experten der      barkeit von Boden zur Sicherung der Ernährung für die
Agrartechnik, des Pflanzenbaus und der Bodenphysik        wachsende Weltbevölkerung andererseits zeigen die
mit Hochdruck daran, standortangepasste Maßnah-           Vielfalt der vor uns liegenden Aufgaben. Sie machen
men für bodenschonendes Befahren unterschiedlicher        deutlich, dass der Schutz der Böden ein Querschnitts-
Mechanisierungsketten zu entwickeln – so kann ein         thema ist. Es bedarf einer gesellschaftlichen Sensibi-
Vorsorgegesichtspunkt für die „gute fachliche Praxis“     lisierung und eines ressortübergreifenden Handelns,
bei der Bodenbewirtschaftung erfüllt werden.              um die vor uns liegenden Aufgaben im Bodenschutz
                                                          gemeinsam zu lösen und die nachhaltige Nutzung der
                                                          begrenzten Ressource Boden besser zu gestalten.
Vielfalt des Bodenlebens
                                                          Eine Präjudizierung der öffentlichen Haushalte geht
Der Boden ist ein unverzichtbarer und überaus leben-      damit nicht einher. Maßnahmen im Bereich des
diger Lebensraum für eine unüberschaubare Vielzahl        Bundes werden von den jeweils betroffenen Einzelplä-
unterschiedlicher Bodenorganismen. Diese sensiblen        nen innerhalb der jeweils geltenden Haushaltsansätze
Organismen tragen maßgeblich zur Produktionsfunk-         (finanziell und stellenmäßig) zu realisieren sein.
tion unserer Böden bei. Der Bodenzustand ist nur dann
gut, wenn auch die Artenzusammensetzung der Bo-           In den folgenden Kapiteln wird auf Entwicklungen und
denorganismen intakt ist. Die wichtige ökosystemare       Fortschritte im Bodenschutz und im Umgang mit Alt-
Rolle dieser Organismen ist wissenschaftlich gut          lasten während der 19. Legislaturperiode eingegangen.
verstanden. Jedoch gibt es nur vereinzelt Referenzdaten
für einen guten ökologischen Bodenzustand und noch
wenig Details zum Vorkommen und zu Veränderungen
der Bodenfauna. Erste Zusammenstellungen des Vor-
kommens der Bodenfauna wurden durch das Umwelt-
bundesamt veröffentlicht.14 Sie bilden einen Teil der
vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) geförderten Datenbank EDAPHOBASE.15
Boden
                 Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung BODENSCHUTZ IM KONTEXT DER NUTZUNG                13

  schutz
                    Bodenschutz im Kontext der Nutzung                                                        3

3.1 Bodenschutz in der Land- und                          Wichtige Maßnahmen mit dem Ziel des Bodenschutzes
                                                           werden über den Europäischen Landwirtschaftsfonds
    Forstwirtschaft                                        für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) als
                                                           sogenannte Zweite Säule der GAP kofinanziert. Im
Über die Hälfte der Fläche in Deutschland wird land-       Vordergrund stehen dabei beispielsweise die Förderung
wirtschaftlich genutzt. Hierbei wird der Boden durch       des ökologischen Landbaus, bestimmter Agrarum-
Bearbeitung, Düngung, das Aufbringen von Pflanzen-         welt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie die investive
schutzmitteln, aber auch durch Be- und Entwässerung        Förderung bestimmter bodenschonender Produktions-
verändert. Ein weiteres Drittel ist Wald und überwie-      verfahren, die den Zielen des Erhalts und des Aufbaus
gend forstlich genutzt.                                    der Bodenfruchtbarkeit dienen.

Auf über 80 Prozent der Landfläche werden durch die        Im Rahmen der letzten GAP-Reform von 2013 für die
Land- und Forstwirtschaft neben Nahrungsmitteln bio-       Förderperiode 2014 bis 2020 wurden Regelungen im
gene (nachwachsende) Rohstoffe für eine nachhaltige        Rahmen von Cross Compliance und Greening vorge-
Bioökonomie bereitgestellt. Für die nachhaltige Pro-       sehen, die auch zur Verbesserung des Bodenschutzes
duktion ist der Erhalt gesunder und fruchtbarer Böden      auf landwirtschaftlich genutzten Flächen beitragen. Bei
von zentraler Bedeutung. Belastende Auswirkungen           den Verhandlungen und der Ausgestaltung der neuen
auf die Bodenfunktionen sind daher auf ein Minimum         Förderperiode ab 2023 hat sich die Bundesregierung
zu beschränken.                                            für ein höheres Umweltambitionsniveau der GAP
                                                           eingesetzt. Dieses gilt es nun mit der Ausgestaltung
                                                           des nationalen GAP-Strategieplans zu verwirklichen.
3.1.1 Ausgestaltung der Gemeinsamen                       Ein wesentlicher Baustein sind die sogenannten Öko-
                                                           Regelungen, mit denen zukünftig weitere Umwelt-,
      ­Agrarpolitik
                                                           Natur- und Klimaschutzleistungen der Landwirtschaft
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU dient             unterstützt werden sollen. Zudem hat der Bundestag
der Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen            beschlossen, die Umschichtung von Direktzahlungs-
Lebensmitteln, der Entwicklung ländlicher Regionen         mitteln zugunsten der Zweiten Säule zur Stärkung
und der wirtschaftlichen Stabilität landwirtschaftlicher   einer nachhaltigen Landwirtschaft deutlich anzuheben.
Betriebe und trägt mit der Förderung von Maßnahmen
des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes zu einer nach-
haltigen Landwirtschaft bei.                               3.1.2 Düngung

Bestandteil einer nachhaltigen Landwirtschaft ist die      Das Düngerecht ist ein wesentlicher Baustein für den
ökologisch angepasste und zukunftsorientierte Bewirt-      Schutz der Böden. Das Düngegesetz und insbesonde-
schaftung des Bodens.                                      re die darauf aufbauenden Verordnungen haben den
14      BODENSCHUTZ IM KONTEXT DER NUTZUNG Fünfter Bodenschutzbericht der Bundesregierung

Zweck, die Ernährung von Nutzpflanzen sicherzustel-       stoffen, wie etwa Cadmium, zulässige Ausgangsstoffe/
len, die Fruchtbarkeit des Bodens, insbesondere den       Bestandteile und einheitliche Kennzeichnungsvor-
standort- oder nutzungstypischen Humusgehalt, zu          schriften festgelegt. Die neuen Vorschriften sollen zum
erhalten oder, falls erforderlich, nachhaltig zu ver-     Schutz des Bodens beitragen und potenzielle Gefahren
bessern. Gleichzeitig soll es einen nachhaltigen und      für Mensch, Tier und Pflanze verringern.
ressourceneffizienten Umgang mit Nährstoffen bei der
landwirtschaftlichen Erzeugung sicherstellen, insbe-
sondere Nährstoffverluste in die Umwelt so weit wie       3.1.3 Landtechnik
möglich vermeiden. Beim Einsatz stickstoffhaltiger
Dünger kommt es im Boden zur Denitrifikation. Dabei       Die für die Pflanzenproduktion eingesetzte Landtech-
kann Lachgas entstehen. Die daraus resultierenden         nik ist mit der Zeit immer größer und schwerer gewor-
Emissionen in die Atmosphäre stellen den dominanten       den. Dadurch konnte die Effizienz der landwirtschaft-
Anteil der Emission dieses Klimagases aus landwirt-       lichen Produktion erhöht werden. Jedoch hat die hohe
schaftlichen Böden dar. Gefahren für die Gesundheit       Gesamtmasse einzelner landwirtschaftlicher Maschi-
von Menschen und Tieren sowie für den Naturhaushalt       nen zu einem erhöhten Risiko für Schadverdichtungen
und somit auch für die Böden, die durch das Herstellen,   im Ackerboden geführt.
Inverkehrbringen oder die Anwendung von Stoffen,
die diesem Regelungsbereich unterliegen, entstehen        Um diesen entgegenzuwirken, ist entsprechend der
können, soll vorgebeugt beziehungsweise sollen abge-      Witterung auf eine ausreichende Krumen- und Unter-
wendet werden.                                            bodenfestigkeit zu achten. Die Gefahr von Schadver-
                                                          dichtungen lässt sich zudem durch weniger Überfahr-
Geregelt wird im Düngerecht auch, dass Düngemittel        ten und den Einsatz von Gerätekombinationen sowie
nur nach guter fachlicher Praxis anzuwenden sind.         optimierter Transportketten reduzieren.
Dabei müssen Art, Menge und Zeitpunkt der Anwen-
dung von Düngemitteln am Bedarf der Pflanzen und          Durch Anpassung des Reifeninnendrucks an den
des Bodens ausgerichtet werden.                           Bodenzustand lassen sich mit niedrigem Kontakt-
                                                          flächendruck Bodenverdichtungen vermeiden bzw.
Die Bundesregierung hat im Berichtszeitraum die           abmildern. Zugleich wird hierdurch der Treibstoffver-
Düngeverordnung und die Düngemittelverordnung             brauch und damit der Ausstoß von klimaschädlichen
umfassend angepasst. In der Düngemittelverordnung         CO2-Emissionen gesenkt. Deshalb fördert das BMEL
wurde insbesondere die Bezugsgröße des maximal zu-        seit November 2020 die Zusatzausstattung neuer oder
lässigen Anteils an unvermeidbaren Fremdstoffen wie       die Nachrüstung vorhandener Landmaschinen mit
Papier, Glas, Metalle und Kunststoffe in Düngemitteln     automatischen Reifendruckregelanlagen in land-
von zwei auf einen Millimeter abgesenkt. Das heißt,       wirtschaftlichen Betrieben im Bundesprogramm zur
die maximal zulässigen Fremdstoffanteile gelten nun       Steigerung der Energieeffizienz und CO2-Einsparung
bereits für Fremdstoffe ab einem Millimeter. Außerdem     in Landwirtschaft und Gartenbau. Dies soll zusammen
sind Verpackungen und Verpackungsbestandteile jetzt       mit einer Weiterentwicklung der Anbausysteme und
verpflichtend vor der ersten biologischen Behandlung      stärkerer Nutzung der Digitalisierung zu einer boden-
(Kompostierung, Vergärung) von den Bioabfällen zu         schonenden Bewirtschaftung beitragen.
trennen. Diese Änderungen sollen dem Schutz des Bo-
dens vor Verunreinigungen durch in Komposten und          Über das „Investitionsprogramm Landwirtschaft“
Gärresten enthaltenen Fremdstoffen dienen, insbeson-      werden zudem seit 2021 Maschinen für die
dere auch durch Verunreinigungen mit Mikrokunst-          umwelt- und klimaschonende Ausbringung von
stoffpartikeln.                                           Pflanzenschutzmitteln sowie Mineral- und Wirt-
                                                          schaftsdüngern und zur mechanischen Unkrautbe-
In der EU ist 2019 eine neue Verordnung für das           kämpfung gefördert. Damit soll zu einer landwirt-
­Inverkehrbringen von Düngemitteln auf dem EU-            schaftlichen Bewirtschaftung beigetragen werden, die
 Markt in Kraft getreten (sogenannte Düngeprodukte-       gleichzeitig die Bodenstruktur wie auch die Bodenbio-
 verordnung – Verordnung [EU] 2019/1009). Sie muss        diversität schont.
 bis zum 16. Juli 2022 umgesetzt werden. Neben der
 Harmonisierung von Anforderungen an Düngemittel
 wurden auch Grenzwerte für eine Reihe von Schad-
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