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www.kolping.de 1 –2020 magazin ■ KOLPING IN DER DDR Seite 6 ■ FAIRE STÄDTE Seite 14 ■ SYNODALER WEG Seite 42 Mit Beharrlichkeit und Mut Kolping in Frechen unterstützt Kirchliche Sexualmoral unter Beobachtung überlebt den fairen Handel auf dem Prüfstand Jugendliche sagen Brummifahrern einfach mal Danke! mit 8Seiten Ein harter Job
Jetzt im Kolping-Shop: Orange wird grüner! EĂĐŚŚĂůƟŐĞWƌŽĚƵŬƚĞ Kolping Kerze 5/15 – klein Kolping Kerze 8/20 – groß TϱĐŵ͕,ƂŚĞϭϱĐŵ TϴĐŵ͕,ƂŚĞϮϬĐŵ &ĂƌďĞ͗ůĨĞŶďĞŝŶŵŝƚŽƌĂŶŐĞĨĂƌďĞŶĞƌ &ĂƌďĞ͗ůĨĞŶďĞŝŶŵŝƚŽƌĂŶŐĞͲ dĞŝůŇćĐŚĞƵŶĚŽŐŽ͕ŚĞƌ- ĨĂƌďĞŶĞƌdĞŝůŇćĐŚĞƵŶĚŽŐŽ͕ŚĞƌŐĞƐƚĞůůƚŝŶĞŝŶĞŵ hŶƚĞƌŶĞŚŵĞŶĂƵƐ
E D I TO R I A L / I N H A LT Unsere Themen 6 Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 In diesem Jahr feiern wir 30 Jahre Deutsche Synodalversammlung: Erste Schritte gemacht Einheit. Passend dazu wurde im Januar eine Dissertation als Buch veröffentlicht, in der Kolping in der DDR . . . . . . . . . . . . . 6 die Historikerin Petra Heinicker die Kolping- Verbandsleben unter schwierigen arbeit in der Sowjetischen Besatzungszone Bedingungen und in der DDR (1945– 1990) wissenschaft- lich aufarbeitet. Dabei wird deutlich, wie Ratgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 und warum sich Kolping im Osten und im Was ist gendergerechte Sprache? Westen unterschiedlich entwickelt hat. Seit dem 3. Oktober 1990 gibt es das Kolpingwerk Magazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Deutschland, dem seitdem alle Kolpingsfami- Film über Jugendgemeinschaftsdienste lien aus West und Ost angehören. Doch mit dem Zusammenschluss sind die Unterschiede 14 Fairtrade-Town . . . . . . . . . . . . . . . 14 nicht verschwunden. In einem Beitrag dieses Frechen bekennt sich zum fairen Handel. Heftes stellen wir Petra Heinickers Erkennt- nisse zusammenfassend vor. Ein Blick in das Junge Erwachsene . . . . . . . . . . . . . .18 Buch lohnt sich auf jeden Fall, um die neuere Verbandsgeschichte und auch Kolping im Jahr „Rausfinden, wie die Politik so tickt.“ 2020 besser verstehen zu können. Junge Nachrichten . . . . . . . . . . . . . 20 Titelbild: Barbara Bechtloff, Fotos S. 3: Archiv Michael Meinung, Barbara Bechtloff, iStock, krockenmitte/photocase.de, Alexandra Hillenbrand Ende Januar hat die Synodalversammlung das erste Mal getagt. Dieser Versammlung X-Mag: Autobahn-Nomaden 22 gehören auch drei Mitglieder unseres Bun- desvorstandes (siehe Seite 4). In dieser Aus- X-Mag: GQ 25 gabe befassen wir uns mit dem Forum, das sich mit der Erneuerung der kirchlichen Se- X-Mag: Darf man das? 26 28 xualmoral auseinandersetzt. Der Freiburger X-Mag: Wenn das Ehrenamt Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hat im vergangenen Jahr vor der Deutschen Bi- Leben rettet 28 schofskonferenz sehr deutlich gesagt, was sich ändern muss und weshalb. Eine gekürzte Aus den Diözesanverbänden . . . . . 30 Version seines Vortrages veröffentlichen wir Netzwerk für Geflüchtete . . . . . . . . 38 hier. Ein sicher nicht leicht zu lesender, aber ein wichtiger und wertvoller Beitrag. Ein Schulen sehr interessiert ergänzender Beitrag von Birgit Mock, eine Schnuffis Seite . . . . . . . . . . . . . . . . 40 der beiden Leitenden des entsprechenden Forums, zeigt den aktuellen kontroversen Das Karnevals-ABC Diskussionsstand. Klar ist: Der „Synodale Sexualmoral auf dem Prüfstand . . . 42 Weg“ ist kein leichter Weg. Aber ihn nicht zu 42 Deutliche Worte von Professor beschreiten, wäre unverzeihlich. Schockenhoff an die Bischofskonferenz Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in unserem Verband überraschen uns immer Die Zukunft ist jetzt . . . . . . . . . . . . 48 wieder mit guten, ungewöhnlichen Aktionen Zukunftsdialoge im Rahmen des und auch mit ihrem sozialen Engagement. Zukunftsprozesses Auf den X-mag-Seiten stellen wir die Arbeit einiger ehrenamtlicher Rettungskräfte vor. So Seit über 150 Jahren gut aufgestellt . 52 viele haben sich auf unseren Aufruf gemeldet, Kolpingsfamilie Höchstätt ist bekannt für dass wir längst nicht alle vorstellen konnten. ihre Theateraufführungen. Im Diözesanverband Hildesheim besuchen Kolpingjugendliche LKW-Fahrer auf Auto- Eine Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 bahnrastplätzen. Sie sagen einfach mal Danke 48 Dürrezeiten in Kenia besser überstehen. und würdigen die Arbeit der Fahrer. Glaube und Leben . . . . . . . . . . . . . 58 Solidarität ist menschlich. Herzlichen Gruß Verbandsnachrichten . . . . . . . . . . . 59 und Treu Kolping Dein Georg Wahl Volontär/-in für‘s Kolpingmagazin und für Idee & Tat gesucht Stellvertretender Chefredakteur Rückblick auf die Arbeit des georg.wahl@kolping.de Bundeshauptausschusses KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 3
NACH RICHTEN Der Synodalversammlung gehören auch drei Mitglieder des Bundesvorstandes des Kolpingwerkes Deutschland an Die ersten Schritte sind gemacht Die Synodalversammlung ist am letzten Januarwochenende in Frankfurt am Main zum ersten Mal zusammengekommen. Nachdem bereits im Dezember 2019 der teilung in der Kirche – Gemeinsame Teil- offizielle Startschuss für den „Synodalen nahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, Weg“ der katholischen Kirche in Deutsch- „Priesterliche Existenz heute“, „Frauen in GEB ET ZUM land erfolgt ist, hat am letzten Januarwo- Diensten und Ämtern in der Kirche“ und „SYNODALEN WEG“ chenende 2020 die erste Synodalversamm- „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe Die geistliche Leiterin und der lung in Frankfurt am Main stattgefunden. leben in Sexualität und Partnerschaft“. Bundespräses des Kolpingwerkes Rund 230 Mitglieder sowie 20 Beobachter Der Vorsitzende der DBK, Kardinal Rein- Deutschland, Rosalia Walter und aus dem benachbarten Ausland und der hard Marx, zog eine positive Bilanz: „Das Josef Holtkotte, haben gemeinsam Ökumene hatten sich versammelt, um den Experiment ist im ersten Akt gelungen. Die ein Gebet anlässlich des Beginns des von der Deutschen Bischofskonferenz Versammlung war ein großartiger Quer- „Synodalen Weges“ verfasst. (DBK) und dem Zentralkomitee der deut- schnitt der Kirche in unserem Land.“ In schen Katholiken (ZdK) ausgerichteten „Sy- Frankfurt habe man gespürt, dass sich die Darin heißt es unter anderem: „Den nodalen Weg“ inhaltlich zu gestalten. Kirche – trotz aller Krisen – im Aufbruch richtigen Weg zu finden und zu Zu den Mitgliedern der Synodalversamm- befinde. gehen, ist nicht immer leicht. Ohne lung gehören auch drei Mitglieder des Bun- Auch der Präsident des ZdK, Thomas unseren Gott wissen wir nicht, wo- desvorstandes des Kolpingwerkes Deutsch- Sternberg, betonte, dass die ersten Schritte hin wir gehen sollen. Er zeigt uns land: Josef Holtkotte (Bundespräses des gemacht seien: „Viele Reformthemen wur- den Weg.“ Kolpingwerkes Deutschland), Rosalia Wal- den in den vier Forenbereichen deutlich an- ter (Geistliche Leiterin des Kolpingwerkes gesprochen. In klarer Sprache eröffnete sich Das Gebet kann online aufge- Fotos: Harald Oppitz/KNA, Pixabay.com/Pexels Deutschland) und Michaela Brönner (Bun- ein Kaleidoskop von Standpunkten, Mei- rufen werden via https://bit.ly/ desleiterin der Kolpingjugend Deutschland) nungen und Erfahrungen.“ Es sei deutlich 2ZUUtiR oder über folgenden QR- waren in Frankfurt vor Ort. geworden, dass eine große Mehrheit der Code: Neben einer theologischen Grundlegung Versammelten Reformen und Veränderun- über den Begriff „Synodalität“ sowie der gen will, um als Kirche Vertrauen zurückzu- Verabschiedung der Geschäftsordnung gewinnen und glaubwürdig Zeugnis von stand die inhaltliche Auseinandersetzung dem geben zu können, woraus sie leben will. mit den vier Themen für die Synodalforen Nach weiteren Sitzungen der Synodalfo- im Vordergrund der Beratungen. Diese um- ren wird die zweite Synodalversammlung fassen die Bereiche „Macht und Gewalten- vom 3. bis zum 5. September stattfinden. 4 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
NACH RICHTEN Aufbau der Stiftungshochschule beginnt Die Kolping Stiftungshochschule wird am der Hochschule und die Entwicklung der ellen digitalen Raum an den Vorlesungen 1. September 2021 zum Wintersemester Studiengänge. Dabei wird unter anderem teilnehmen. Sie werden sich zu den Veran- 2021/22 ihren Lehrbetrieb in Köln aufneh- das Profil der Hochschule weiter ausgear- staltungen über ihren Rechner einloggen men. Der Fokus der Ausbildung liegt auf den beitet, die organisatorische Struktur festge- und diese live verfolgen. Online besteht Themen Gesundheit und Soziales. Bereits am legt und die räumlichen Anforderungen an dann die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme, 30. September 2019 wurde die Gesellschaft die Hochschule definiert, sodass alle Vorga- beispielsweise können Fragen gestellt wer- für die zukünftige Hochschule von den Kol- ben für die staatliche Anerkennung der den, und auch eine Diskussion mit den an- ping-Bildungsunternehmen, dem Kolping- Hochschule erfüllt sind. Ebenso werden die deren Studierenden sowie den Lehrkräften werk Diözesanverband Dresden-Meißen und Curricula der Studiengänge entwickelt, Stu- ist technisch möglich. Ergänzend sind im dem Kolpingwerk Deutschland gegründet. dienziele werden definiert und eine entspre- Lehrplan auch Lehrtermine in den Hoch- Folgende vier Studiengänge sollen zur Er- chende Prüfungsordnung wird geschrieben. schulräumen in Köln vorgesehen. öffnung der Fachhochschule angeboten Abschließend müssen die Studiengänge ein- Zurzeit laufen die Gespräche für die Be- werden: Soziale Arbeit, Frühkindliche Bil- zeln akkreditiert werden. setzung der Stelle des Rektors/der Rektorin dung, Gesundheitspsychologie und Pflege- Die Kolping Stiftungshochschule wird als der Hochschule. Zudem müssen die Lei- pädagogik. Gründungsmanagerin Judith digitale Präsenzhochschule aufgebaut; das tungspositionen der einzelnen Studiengän- Topp kümmert sich zurzeit um den Aufbau heißt, dass die Studierenden in einem virtu- ge besetzt werden. Armut in Familien entgegenwirken! Das Kolpingwerk Deutschland hat im Rah- men der Tagung des Bundeshauptausschus- ses im November 2019 ein entschlossenes Handeln für Familien in Armut gefordert. In einer entsprechenden Erklärung wird daran erinnert, dass Familien in Deutsch- land einen besonderen Anspruch auf Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft haben. Dennoch würden rund 1,8 Millionen Kin- der in Familienhaushalten leben, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Weite man die Definition von Armut auf die sogenannte Armutsrisikoquote aus, seien 13,3 Prozent der Familienhaushalte von Ar- mut betroffen; bei Alleinerziehenden seien es sogar 33,2 Prozent. Aufgrund dieses Sach- verhalts weist der Bundeshauptausschuss fordert in diesem Zusammenhang eine Das Kolpingwerk Deutschland wendet sich auf die Situation von Armut in Familien hin Stärkung der Sozial- und Tarifpartner- gegen eine Politik, die Armut und Reichtum und stellt folgende Forderungen: schaft, die Ausweitung von Branchen- polarisiert: Weder halten wir Armut und und Flächentarifen sowie die konsequen- Reichtum für „natürliche“ Zustände gesell- } Staatliche Fürsorgeleistungen: Es müs- te Umsetzung des Mindestlohns für alle schaftlicher Differenzierungen, noch möch- sen jene Sanktionen abgeschafft werden, (abhängig) Beschäftigten. ten wir „Armut“ in einem reichen Land wie die in der Folge zu einer Unterschreitung } Vereinbarkeit von Familie und Erwerbs- Deutschland als gesellschaftliches Phäno- des Existenzminimums führen. arbeit: Es braucht Zeit und finanzielle men überzeichnen. } Wohnungsnot: Es muss mehr bezahl- Sicherheit nicht nur für Eltern, die in- Betont werden muss jedoch: Millionen barer familiengerechter Wohnraum nerhalb des Familiensystems ihre Kinder Menschen in Deutschland leiden unter geschaffen werden. Spekulation und die erziehen, sondern auch für diejenigen, relativer Armut beziehungsweise Armuts- Zweckentfremdung von Wohnraum müs- die ihre Arbeitszeit reduzieren, um sich nähe. Es braucht daher mutige und grund- sen verhindert werden. Auf Bundesebene um die Betreuung und Pflege von Fami- legende Reformen, um der Lebenswirklich- muss der soziale Wohnungsbau deutlich lienangehörigen zu kümmern. Teilzeit- keit unterschiedlichster Familien gerecht zu ausgebaut werden. beschäftigung darf in diesem Kontext werden und der Armut entschlossen entge- } Faire und gute Löhne: Arbeitsverhältnis- nicht zu einer Falle werden, zum Beispiel, genzuwirken, unter der viele Eltern mit se und die zu erzielenden Löhne müssen wenn sich sorgende Tätigkeiten nicht ihren Kindern in der aktuellen Situation existenzsichernd sein. Das Kolpingwerk ausreichend auf die Rente niederschlagen. leiden. KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 5
VERBANDSGESCHICHTE Kolping in der DDR 30 Jahre Deutsche Einheit wird in diesem Jahr gefeiert. Das Kol- pingwerk Deutschland nimmt dies zum Anlass, zurückzublicken. Zum Thema ist gerade ein neues Buch von Petra Heinicker erschie- nen, das zeigt: Kolping ließ sich nicht unterkriegen. TEXT: Alexandra Hillenbrand I Bis zu diesem Bannerzug n der DDR gab es etwa 150 Kolpingsfamilien mit Zunächst ein kurzer Blick auf die Zeit des National- inmitten von 80 000 über 4 000 Mitgliedern. Wie war es für sie möglich, sozialismus: Viele „Gruppen Kolping“, die damaligen Teilnehmenden am Elisa- beth-Jubiläum der Thü- unter dem SED-Regime fortzubestehen, wo doch Gesellenvereine, zogen sich in die Pfarrgemeinden, in ringer Katholiken 1981 auf keine Zusammenschlüsse, also Vereine und Verbände, den Schutzraum der Kirche, zurück und gaben ihre dem Domplatz in Erfurt war es ein langer Weg für die außerhalb der staatlichen Strukturen und Massenor- berufsbildenden Programme auf. Spätestens mit Be- Kolpingmitglieder durch ganisationen erlaubt waren? Welche Auswirkungen ginn des Zweiten Weltkrieges stellten sie ihre Arbeit die SED-Diktatur. hatte dies auf die Arbeit der Kolpingsfamilien? ein. Nach dem Krieg lebten im Westen Deutschlands 6 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
VERBANDSGESCHICHTE 125 Jahre Kolpingsfamilie Heiligenstadt 1983: Prozes- sion mit Bischof Dr. Joa- chim Wanke (Mitte), dem Erfurter Diözesanpräses Prälat Paul Uthe (rechts) und Generalpräses Heinrich Festing aus Köln (links). die Vereine zügig wieder auf und formten den Ver- fen kirchenfeindlichen Repressionsphase in den band zu einem katholischen Sozialverband mit demo- 1950er-Jahren gestand das SED-Regime seit dem kratischen Strukturen. Im Osten Deutschlands – in Mauerbau den Kirchen (...) begrenzte Spielräume im der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR kirchlichen Binnenraum zu.“ Allerdings gab es bezüg- – erwartete die Kolpingmitglieder etwas anderes. „Tat- lich der kirchlichen Akzeptanz und Förderung für die sächlich nahmen auch dort einige Kolpingsfamilien Kolpingsfamilien das Problem, dass die katholische ihre Arbeit unmittelbar wieder auf“, erläutert Petra Kirche dem seinem Charakter nach sehr selbständig Heinicker den Ausgangspunkt für die Kolpingarbeit agierenden Vereinskatholizismus eher ablehnend in der DDR, „jedoch stellte sich schnell die Frage, wie oder zumindest passiv gegenüberstand. „Vereine wa- die Kolpingsfamilien und ihre Aktivitäten in diesem ren das Rückgrat des Laienkatholizismus. Einige Kle- atheistisch-sozialistischen, kirchenfeindlichen Staat riker hatten ihnen gegenüber Vorbehalte und hätten dauerhaft bestehen sollten.“ Denn obwohl die Verfas- die Laien lieber stärker in die Kirche integriert gese- sung Religions- und Versammlungsfreiheit offiziell hen. Dass die Kolpingsfamilien erhalten blieben und gewährte, hatten es kirchliche Gruppierungen schwer. Schutz bei der Kirche fanden, lag an der Beharrlich- Rechtlich war es nicht mehr möglich, Vereine zu keit vieler Laien und der Unterstützung einiger weni- gründen, und Kolpingsfamilien, die z. B. Immobilien ger Geistlicher in der Kirche“, sagt Petra Heinicker. besessen hatten, verloren diese. „Das SED-Regime „Es gehörte Mut dazu, sich in der DDR aktiv zu Kir- duldete in seinem atheistischen Staat keine gesell- che und Kolping zu bekennen“, sagt auch Zeitzeuge schaftlichen Zusammenschlüsse außerhalb der von Michael Meinung, ein Journalist aus Erfurt. „Dass die ihm vorgegebenen Strukturen, schon gar keine Verei- Spielräume für religiöse Bildung und christliche Fa- ne, die als bürgerlich und damit als reaktionär galten“, milienarbeit in den Kirchengemeinden ausgelotet sagt Heinicker dazu. werden konnten, lag an mutigen Kirchenmännern, Was taten die Kolpingsfamilien und andere katholi- wie Bischof Hugo Aufderbeck, oder engagierten Kol- sche Laienverbände, die rechtlich betrachtet Vereine pingmitgliedern aus Dresden, Görlitz, Magdeburg waren? „Als selbständige Organisationen gingen sie in und Erfurt, z. B. Franz Jensch und Siegfried Baron.“ der DDR alle unter“, bestätigt Petra Heinicker. Ihre Rettung war letztlich die Kirche, mit deren Hilfe sich Das Handwerkerdiakonat die Kolpingsfamilien den staatlichen Übergriffen zu- Die ostdeutschen Kolpingsfamilien lösten sich offizi- mindest teilweise entziehen konnten „Die Kirchen ell vom Kolpingwerk Deutscher Zentralverband und blieben im atheistisch-sozialistischen Staat die einzi- setzten unter dem Dach der Kirche ihre Arbeit als gen gesellschaftlichen Großgruppen, die nicht von Pfarrgruppen fort. Damit war die „Kirchliche Kol- den totalitären staatlichen Strukturen überformt wa- pingsarbeit“ entstanden. Die alltägliche Arbeit der ren“, schreibt Heinicker. Und weiter: „Nach einer of- Kolpingsfamilien war dann auch rein kirchlich ori- KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 7
VERBANDSGESCHICHTE entiert, d. h. es ging um Themen, wie Ehe und Fa- innert sich Michael Meinung, „traf man sich milie, Arbeit und Beruf oder katechetische Themen. alljährlich in der Ostberliner Pappelallee zum intensi- „Kolpingmitglieder engagierten sich z. B. in der Alten- ven Gedanken- und Erfahrungsaustausch.“ Über Pa- und Krankenfürsorge und bemühten sich um katholi- tenschaftsarbeit versorgten einzelne Diözesanverbän- sche Fremdarbeiter in der DDR. Vor allem aber wid- de und Kolpingsfamilien die Kolpinggeschwister im meten sie sich dem sogenannten Handwerkerdiakonat, Osten mit Paketen und leisteten ideelle und materielle in dessen Rahmen sie unentgeltlich kirchliche Immo- Unterstützung. Nach dem Mauerbau waren Besuche bilien instandhielten, womit sie für die Kirche geld- nur schwer möglich und Kontakte rückläufig. Ab den werte Leistungen erbrachten und damit zugleich ei- 1970ern ermöglichten Reiseerleichterungen durch nen Teil des Dienstleistungs- und Materialengpasses verschiedene Verträge neue grenzüberschreitende Ar- in der DDR kompensierten“, schreibt Heinicker. Das beit. „Mit Antritt von Generalpräses Heinrich Festing, sogenannte Handwerkerdiakonat verweist auch dar- dem die Kontaktpflege zu den Kolpingsfamilien im auf, dass Kolping zwar allen Berufsgruppen of- Osten besonderes Herzensanliegen war, wurden diese fenstand, aber bis in die 1980er-Jahre hinein die meis- brüderlichen Begegnungen ab Anfang der siebziger ten Mitglieder nach wie vor im Handwerks- oder Jahre noch intensiver“, sagt Meinung. Dies geschah technischen Bereich tätig waren. „Im Grunde retteten einvernehmlich mit den ostdeutschen Bischöfen trotz die Kolpingmitglieder mit dem Handwerkerdiakonat weltanschaulicher Differenzen, unter dem Motto das berufsständische Element des Gesellenvereins in „Fördern und Schützen“. Und auch aufgrund des Ein- die DDR hinüber; das war ein Pfund, mit dem sie wu- satzes einzelner Kolpingmitglieder verstärkte sich in chern konnten und das die Bischöfe sehr schätzten. diesem Zeitraum auf lokaler und diözesaner Ebene Allerdings wollten die Kolpingsfamilien auch nicht die deutsch-deutsche Partnerschaftsarbeit. auf dieses Dasein als ‚Bautrupp des Bischofs‘ reduziert werden“, sagt Heinicker. Kolpingsfamilien gestalteten Ständige Beobachtung die Kirche mit, stellten aber ihre Lehre und Organisa- „Ab 1950 standen die Kolpingsfamilien vier Jahrzehnte tion und die Hierarchie zwischen Laien und Geistli- lang unter Beobachtung des Ministeriums für Staats- chen grundsätzlich nicht in Frage. Der Drahtseilakt sicherheit“ (MfS), sagt Petra Heinicker zum unange- für die Kolpinger lag darin, den Kolpingcharakter als nehmen Themenkomplex Stasi. Es gab Kolpingmit- aktive kirchliche Gemeinschaft zu bewahren und die glieder, die verhaftet, strafrechtlich verfolgt wurden Grenzen dafür möglichst weit abzustecken, ohne und sogar ins Gefängnis kamen. Denn der Meinung gleichzeitig aus weltanschaulichen Gründen diese Ar- der SED nach stellten die ostdeutschen Kolpingsfami- beit und damit die eigene Existenz zu gefährden. Kol- lien ein Gefahrenpotential für die sozialistische Ge- pingsfamilien in der DDR waren generationenüber- sellschaft dar, zumal sie Kontakte ins westliche Aus- greifende Lebensgemeinschaften, die sich gegenseitig land unterhielten. In späteren DDR-Zeiten dabei halfen, als Christen in einer atheistischen Um- konzentrierte sich die Stasi dann primär auf die Über- gebung fortzubestehen. wachung des Diözesanverbandes Berlin, „in dem es eine die ostdeutsche Kolpingsarbeit steuernde ‚Zent- Thüringer Teilnehmer an der Berliner Kolping-Regio- Kontakte in den Westen rale‘ auszumachen glaubte. Dieser Eindruck wurde nalkonferenz in der Pappel- Zwischen ostdeutschen Kolpingsfamilien und den auch dadurch verstärkt, dass sich ab Ende der allee, eine „Geheimtagung“ Geschwistern im Westen sowie auch der dortigen Ver- 1960er-Jahre die Vertreter der west- und ostdeutschen mit Joachim Kardinal Meis- ner (5.v.l.) und Generalprä- bandsleitung gab es regelmäßige Kontakte auf unter- Kolpingsarbeit regelmäßig zu den Regionaltagungen ses Heinrich Festing (4.v.l.). schiedlichen Ebenen. „Schon in den 60er-Jahren“, er- in Ost-Berlin trafen, aus dem pragmatischen Grund, dass dieses für westdeutsche Besucher einfacher zu er- reichen war als andere Orte in der DDR“, schreibt Heinicker. Es gab gezielte Störmanöver, wie Verleum- dungskampagnen, um einzelne Kolpingmitglieder zu isolieren, Einfluss zu nehmen und die deutsch-deut- schen Kontakt einschränken zu können. Die Kolpin- ger, die die Stasi für ihre Arbeit anzuwerben versuchte und die sich dagegen zur Wehr setzten, erlebten ver- einzelt persönliche Beeinträchtigungen. „Da die DDR jedoch nach dem Grundlagenvertrag auf die Wah- rung ihrer internationalen Reputation bedacht war, Fotos: Archiv Michael Meinung musste das MfS möglichst subtil vorgehen, wodurch es streckenweise seine eigenen Ziele und Maßnahmen konterkarierte“, so Heinicker. Grenzen und Ausblick Was an Kolping blieb vom atheistischen Regime un- beeinflusst? Petra Heinicker resümiert: „Die sozialisti- 8 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
VERBANDSGESCHICHTE sche Diktatur wiederum hatte dort ihre Grenze, wo in rückführt, ein Kolping-Charakteristikum, das bis Bannereinzug bei der ersten Thüringer Kolping- kirchlichen Gruppen wie den Kolpingsfamilien ein heute aktuell ist, hat es am 3. Oktober 1990 sicher wallfahrt im Jahr 1980 nach dezidiert anderes Weltbild vermittelt wurde, als es die einfach(er) gemacht, die neue Ära des einen Kolping- Etzelsbach. Staats- und Parteiführung der DDR vorgab. Die Kol- werkes Deutschland einzuläuten. Doch können Glo- pingsfamilien prägten über vier Jahrzehnte hinweg cken nachklingen. Sie lassen fragen: Unterscheidet christlich-katholisch fundierte Gegenbilder zu den sich das Selbstverständnis ostdeutscher Kolpingsfami- staatlichen Vorstellungen von sozialistischer Arbeit, lien, die es zu DDR-Zeiten gab und die auch heute sozialistischer Familie und sozialistischem Menschen- noch aktiv sind, nach wie vor von ihren westdeut- bild. In diesem Sinne endete Kolpingsarbeit nicht an schen Geschwisterfamilien? Wirkt die enge Bindung der Kirchentür, sondern erfasste den Menschen in al- der ostdeutschen Kolpingsfamilien an die Kirche bis len seinen Lebensbezügen.“ Dieser Dienst am Men- heute nach? Fragen, die in einem der folgenden Kol- schen, der auf den Gesellenvater Adolph Kolping zu- pingmagazine gestellt und diskutiert werden. P E TR A H E I N IC K E R – KO L P I N G SA R B EIT I N D E R S B Z U N D D D R 1945-1990 den Aktionsradius eines der größten sozial-katho- Veröffentlichungen der Kommission für lischen Laienverbände auswirkten und in der DDR Petra Heinicker Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, zur Formierung einer „Kirchlichen Kolpingsarbeit“ Kolpingsarbeit Band 139 führten. Deren Organisation und Alltag lassen eine in der SBZ und DDR katholische Gegenkultur erkennen, deren nie ab- 1945–1990 Ein katholischer Sozialverband unter den Augen gerissene Kontakte zum westdeutschen Kolping- des SED-Regime? Wie war das möglich in einem werk das Ministerium für Staatssicherheit letztlich Staat, der eine bürgerliche Selbstorganisation vergeblich zu durchdringen versuchte. abseits parteistaatlicher Massenorganisationen nicht dulden konnte? Das Buch geht der Frage am Petra Heinicker wurde mit der Studie 2016 an der Beispiel der bislang unbeachtet gebliebenen Kol- Universität Mainz im Fach Mittlere und Neuere pingsfamilien in der DDR nach. Geschichte promoviert. Sie ist wissenschaftliche Die Autorin untersucht, wie sich die Existenzbe- Mitarbeiterin im Editionsprojekt „Regesta Imperii dingungen in der sozialistischen Diktatur und die – Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493)“ an der Ferdinand Schöningh damit einhergehende Rückbindung an die Kirche Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissen- auf das Programm, das Selbstverständnis und schaften. KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 9
R ATG E B E R Leser fragen – Experten antworten Sendet einfach Eure Fragen an ratgeber@kolping.de – oder per Post an Redaktion Kolpingmagazin, 50606 Köln Wie kann Bildung im Alter gelingen? Diese Frage kann nicht in Kürze beantwor- dazu bereit, welche Lernherausforderungen lineplattform www.wissensdurstig.de einige tet werden, aber: Lern- und Bildungsprozes- auf Menschen im jungen sowie im hohen Antworten. Hierbei handelt es sich um ein se kennzeichnen die menschliche Entwick- Alter warten und wie Bildungsveranstaltun- Angebot der Bundesarbeitsgemeinschaft der lung nicht nur im Kindes- und Jugendalter. gen diesbezüglich didaktisch geplant und Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO). Auch im hohen Alter finden Bildungspro- durchgeführt werden können. Über das Portal kann auch die lesenswerte zesse statt! Die wissenschaftliche Disziplin Auf die Frage danach, was und wie ältere Handreichung „Wie Bildung im Alter ge- der „Geragogik“ hält viele Erkenntnisse Menschen lernen möchten, weiß die On- lingt“ bezogen werden. Michael Hermes Was ist geschlechtergerechte Sprache? Als geschlechtergerechte oder auch gender- bekannter und häufiger genutzt werden das mit der Umsetzung des Themas auseinan- gerechte Sprache wird der geschlechterbe- Gendersternchen (Student*innen) und der dersetzt. Eine festgelegte Schreibweise exis- wusste Sprachgebrauch verstanden, um Gendergap (Student_innen). Diese Schreib- tiert noch nicht, Informationen über die möglichst alle Geschlechter anzusprechen. weisen stehen für die geschlechtliche Vielfalt geschlechtergerechte Sprache können aber Häufig wird in Texten die maskuline Form und sollen alle Geschlechter integrieren. Al- zum Beispiel auf www.genderleicht.de ge- eines Begriffes verwendet. Viele Menschen, leine in Deutschland leben circa 160 000 funden werden. Wichtig zu wissen ist, dass vor allem Frauen und diverse Menschen, Menschen, deren Geschlecht sich aus ver- Sprache nie zu 100 Prozent gerecht sein fühlen sich damit nicht angesprochen oder schiedenen biologischen Gründen nicht wird. Es geht aber darum, aufmerksam und integriert. Deshalb gibt es verschiedene klassisch in männlich oder weiblich zuord- sensibel dem Thema gegenüber zu werden, Schreibweisen, um alle Geschlechter glei- nen lässt. Auch die Kolpingjugend Deutsch- Diskriminierung zu verhindern und sich chermaßen zu integrieren. So zum Beispiel land hat sich für die Nutzung des Gen- dafür einzusetzen, dass geschlechtliche Di- das Binnen-I (StudentInnen) oder die dersternchens ausgesprochen und eine versität gesamtgesellschaftlich anerkannt Schrägstrich-Lösung (Student/-in). Immer Expert*innengruppe berufen, welche sich und gelebt wird. Elisabeth Adolf Warum kreuzen wir beim Singen die Hände? Kurz vor dem Tode Adolph Kolpings wurde reitschaft und Konfliktfähigkeit beim Ent- im Jahre 1865 vom Präses Caspar Berens in wickeln gemeinsamer Standpunkte aus- Arnsberg das Lied „Vater Kolping – ´s war zeichnet! einst ein braver Junggesell“ verfasst und im In unserem Verband ist es deshalb guter Fotos: Kolping International, Tobias Pappert dortigen Gesellenverein zum ersten Mal Brauch geworden, bei der letzten Strophe gesungen. Es hat sich in wenigen Jahren in des Liedes „Vater Kolping“ aufzustehen unserem Verband verbreitet und ist damit und sich gegenseitig überkreuzt die Hände zu einem wirklichen „Volkslied“ geworden. zu reichen. Der Text und die Melodie des Liedes sind Das Lied „Vater Kolping“ ist damit zu ei- sehr emotional gehalten und bringen zu- nem echten Symbol unserer familienhaften treffend zum Ausdruck: Wir sind eine fa- Verbundenheit – inzwischen auch in unse- milienhafte Gemeinschaft, die sich durch rem heutigen weltweiten Kolpingwerk – gegenseitiges Vertrauen, durch Dialogbe- geworden. Ulrich Vollmer 10 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
R ATG E B E R Thema Jugend Thema Familie Thema Eine Welt Thema Arbeit Thema Glaube Thema Verband Elisabeth Adolf Michael Hermes Georg Wahl Oskar Obarowski Josef Holtkotte Ulrich Vollmer Was sind die Schlüssel zum Frieden? Frieden beginnt in mir selbst und zeigt Wir treten für ein Menschenbild ein, das Dazu bringen wir uns nicht mit einfachen sich im Zusammenleben mit den anderen. jedem Menschen seine Würde lässt. Schablonen oder billigen Parolen ein, son- Ein Leben in Aufmerksamkeit und Soli- Unsere offene, demokratische Gesell- dern mit Gewissen und Glaubenskraft. darität; gemeinsam Gottesdienst feiern schaft ist ein zerbrechliches Modell. Zum Frieden geschieht durch die Vermehrung und den Nächsten im Blick haben; Ver- friedlichen Miteinander tragen die Wert- des Guten. Frieden zu leben und zu hal- antwortung für die Eine Welt wahrneh- maßstäbe des Evangeliums und der katho- ten, ist in jeder Situation, zu jeder Zeit, an men und aus dem Glauben heraus han- lischen Soziallehre bei, die wir als Christen jedem Ort, ein bleibender Auftrag – jeder deln – das sind für mich Schlüssel zum einbringen. Wir bauen mit an einer Kirche, und jede kann einen Beitrag dazu leisten – Frieden. die für Vertrauen und Hoffnung steht. oft ganz konkret. Josef Holtkotte Warum feiert Kolping International ein Jubiläum? Der Sozial-und Entwicklungshilfe des Kol- Die verschiedenen Aktionen sind so kon- pingwerkes e.V. (heute Kolping Internatio- zipiert, dass Ihr sie gut für Veranstaltungen nal Cooperation e.V.) ist jetzt 50 Jahre alt. nutzen könnt, die Ihr sowieso schon durch- Dieses Jubiläum kann auf allen Ebenen des führt, z.B. die jährliche Familienwanderung, Kolpingwerkes gefeiert werden, denn die In- die Wallfahrt, den Kolpinggedenktag, das ternationalität ist im Kolpingwerk wichtig Josefschutzfest. Anlässlich des Jubiläums und prägend. Interessierte können ein Akti- wurde außerdem ein Film über 50 Jahre onsset bestellen, das eine Wanderbroschüre Entwicklungszusammenarbeit von Kolping zur Aktion Jubiläumswanderung, Gottes- International produziert, den Ihr gerne für dienstbausteine zur Aktion Jubiläumsgot- Eure Aktionen nutzten könnt. Er steht auf tesdienst und einen Menüvorschlag zur Ak- www.50.kolping.net zum Download bereit. tion Jubiläumsmenü „Eine-Welt-Dinner“ Weitere Informationen findet Ihr unter enthält. Außerdem gibt es Samentütchen Die Titelseite der Wanderbroschüre zur 50@kolping.net und www.50.kolping.net. „Hoffnung säen“ und Luftballons. Aktion Jubiläumswanderung. Georg Wahl Wer schlägt die Höhe des Mindestlohns vor? Die Erhöhung des Mindestlohns orientiert bern und Arbeitnehmern je drei Vertreten- Bundesregierung den gesetzlichen Mindest- sich insbesondere an der wirtschaftlichen de für die Kommission vor. Die zwei bera- lohn auf Vorschlag der Mindestlohnkom- Lage und der allgemeinen Tarifentwicklung. tenden Mitglieder stimmen nicht mit ab, mission für die Zeit ab dem 1. Januar 2019 Die konkrete Höhe wird von einer unab- sondern sollen ihren wissenschaftlichen auf 9,19 Euro brutto je Zeitstunde festgelegt hängigen Kommission vorgeschlagen, die Sachverstand einbringen. Alle Mitglieder und gleichzeitig über die Anhebung auf 9,35 aus einem oder einer Vorsitzenden und werden von den Tarifpartnern benannt und Euro brutto je Zeitstunde ab dem 1. Januar sechs stimmberechtigten sowie zwei bera- dann von der Bundesregierung berufen. Mit 2020 entschieden. Die nächste Anpassung tenden Mitgliedern besteht. Alle fünf Jahre der zweiten Mindestlohnanpassungsverord- des gesetzlichen Mindestlohns wird zum 1. schlagen die Spitzenverbände von Arbeitge- nung vom 13. November 2018 hatte die Januar 2021 erfolgen. Oskar Obarowski KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 11
M AGAZI N Paten gesucht Restaurierungsbedingte Dokumente Nur ein Stückchen Papier? Das dünne Velinpapier ist abgerissen – links, rechts, oben. Es klafft eine große Lücke. Der Großteil des Textes fehlt, ebenso die Unter- schrift. Und doch erkennt man die Signatur Adolph Kolpings. Seine Schrift sowie die tiefe Dankbarkeit und Verbundenheit zu Kerpen und seinem Förderer Pfarrer Lauffs lassen sich auf dem restlich ver- bleibenden unteren linken Teil des zum Jahreswechsel entstandenen Schriftstückes noch herauslesen. Was wohl auf dem ganzen Brief stand? Bei der Frage schwingt die stille Hoffnung mit, doch noch irgendwo das passende Gegenstück zu finden. Umso wichtiger ist es dieses Zeugnis zu erhalten, ist es doch zugleich eine der wenigen Überlieferungen mit Bezug zu Kol- pings Heimat. Vielleicht möchtet Ihr dieses Anliegen unterstützen und die Res- taurierungspatenschaft über dieses Fragment übernehmen. Ab 100 Euro erhaltet Ihr eine Patenurkunde mit dem Abbild des Originals. Wer lieber ein vollständiges Originaldokument aus der Feder unse- res Verbandsgründers seinen Patenbrief nennen möchte, kann sich gerne in der Dokumentationsstelle Kolping melden. Marion Plötz } Ansprechpartnerin Dokumentationsstelle Kolping Marion Plötz Telefon (0221) 20701-141 E-Mail: marion.ploetz@kolping.de } Die Kontoverbindung für die Spende: Kolpingwerk Deutschland IBAN-Nr. DE18370502990000124928 Fragment eines Briefes von Adolph Kolping aus hadernhaltigen Velinpapier, 79 x 149 mm (Kolpingwerk Deutschland). Köln Eine Kolping-Anekdote Lachen ist der Feind der Angst Fotos: Kolping Jugendgemeinschaftsdienste, Verbraucherzentrale Hamburg, privat Auf der Domsitzung in Köln wurde Büttenredner Willibert Pauels plötzlich sehr ernst. Der Diakon, der im Kölner Karneval als „Bergi- scher Jung“ auftritt, kam nach einigen Witzen auf die Angst von Dik- tatoren vor dem Humor zu sprechen. Mit Witzen würden sich Un- tergeben heute wie in der Vergangenheit für ganz kurze Zeit über die Diktatoren erheben. Dann erzählte Pauels eine Geschichte aus seiner Kindheit. Sein Vater hatte dem jungen Willibert erzählt, wie er im Dritten Reich als junger Soldat mit seinen Kameraden Witze über Hitler gemacht habe. „Hätte man uns erwischt, wir wären an die Wand gestellt und erschossen worden“, sagte er. Darauf Willibert: „Doch nicht wegen eines Witzes! Doch heute wisse er, dass der größte Feind der Angst das Lachen sei, und dass deshalb Diktatoren immer die Witzemacher bekämpfen. „Woher wusstest du denn, dass dich keiner deiner Kameraden verraten würde“, fragte Willibert. Darauf sein Vater: „Da konnte kein Nazi drunter sein; wir waren doch alles Kolpingsöhne.“ Wahrscheinlich habe das nicht für alle Kolpingbrüder gegolten, meint Willibert Pauels (l.) weiß um die befreiende Kraft der Witze. Pauels. Aber sicher komme die Geschichte der Wahrheit sehr nahe. 12 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
M AGAZI N Tipp Kolping Jugendgemeinschaftsdienste Film über Kolping JGD Jedes Jahr bieten die Kolping Jugendgemeinschaftsdienste (JGD) viele Workcamps an. Gemeinsam reisen die Teilnehmenden zu langjährigen Partnerinnen und Partnern der JGD auf der ganzen Welt. Dort dürfen sie Einblicke in die Arbeit von sozialen oder ökologischen Projekten erhalten und arbeiten auch mit. Vor der Reise werden die Teilnehmenden ausführ- lich vorbereitet, denn alles ist eingebettet in ein Programm zur Weiterbil- dung und Reflexion. Dieses Jahr gibt es noch einige Plätze für Workcamps unter anderem in Costa Rica, Fidschi, Nepal, Tansania oder Kenia. Zu- sammen mit ihrem Ehemann hat Lucia Lehmann, die Leiterin eines Workcamps in Kenia eine kurze Reportage über ihre Zeit vor Ort gedreht. Die Reportage kannst Du jetzt auf dem Youtube-Kanal der Kolping JGD anschauen. Jede Woche wird eine neue Folge hochgeladen. Glück verschenken Spenden für besondere Anlässe Geburtstag, Goldene Hochzeit oder Firmenjubiläum: Wünschen Sie sich doch mal etwas ganz Besonderes. Lassen Sie sich ein Dutzend Hühner, ein Schwein oder eine Ziege schenken. Damit unterstützen Sie eine Bauernfamilie in Afrika und öffnen ihr den Weg in ein besseres Leben. Oder wie wär’s mit einer Aus- bildung für einen Jugendlichen, einer Zisterne für Menschen in Dürregebieten oder einem Kleinkredit, mit dem sich eine Familie eine Existenz aufbauen kann. TI P P Der Kolping-Geschenke-Shop bietet viele Ideen: kolping-geschenke-shop.net Broschüre zu nachhaltiger Kleidung Nachhaltigkeit ist in Mode! Immer mehr Menschen wollen deshalb gerne zu „korrekten Klamotten“ greifen. Kleidung, „Ihr Festtag kann auch zu einem mit der sie eine nachhaltige, soziale und umweltfreund- Glückstag für Menschen werden, liche Produktion unterstützen können. Doch wie erkennt die nicht aus der Fülle des Lebens man solche Kleidungsstücke? Zum diesem Thema hat die Verbraucherzentrale Hamburg nun die Broschüre „Korrekte schöpfen. Mit Ihrem Geschenk Klamotten“ veröffentlicht. Darin gibt es Tipps zum Kauf von ermöglichen Sie ihnen ein Leben in nachhaltiger Kleidung, zur Pflege der Lieblingsklamotten Würde, jenseits der Armut.“ und eine Übersicht darüber, wel- Msgr. Ottmar Dillenburg, Generalpräses che Siegel wirklich sinnvoll sind, und welche die Konsumenten nur in die Irre führen sollen. Die SPENDENKONTO Broschüre kostet in der aus- IBAN: DE74 4006 0265 0001 3135 00 führlichen Vollversion 1,99 Euro, DKM Darlehnskasse Münster eG die etwas dünnere „Mini-Bro- schüre“ ist kostenlos. Beide Kontakt: sind erhältlich unter https:// Gabriele Wortmann bit.ly/31asNXR oder der Telefon- Tel.: 0221 – 77 88 0-16 nummer: (040) 24832-104. spenden@kolping.net www.kolping.net KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 13
Zusammen für eine fairere Stadt! TEXT: FOTOS: Tobias Pappert Barbara Bechtloff Fair gehandelte Produkte findet man heute in fast jedem Lebensmit- telgeschäft. Trotzdem ist der Marktanteil verschwindend gering. Mit ihrer Fairtrade-Town wollen engagierte Frechener das ändern. I Stehen für ein faires Fre- m Jahr 2014 geht der Kolpinger Joachim Martin zu Dazu gehört ein Ratsbeschluss, der bestätigt, dass die chen (v.l.n.r.): Bürgermei- Elisabeth Kann, der Betreiberin des Eine-Welt-La- Stadt Fairtrade-Town werden möchte. Manche Städte sterin Susanne Stupp, Fair- trade-Beauftragte Mareike dens in Frechen. Er berichtet ihr von der Fairtra- hätten sich früher damit schwer getan, wenn beispiels- Mischke, Leiter der Fairtra- de-Deutschland-Kampagne, über die er im Kolping- weise der Vorschlag von den Grünen kam, erzählt de-Town-Steuerungsgrup- pe Joachim Martin und magazin gelesen hatte. Zusammen beschließen sie, die Manfred Holz. Er ist Ehrenbotschafter der Fairtra- Kolping-Pressesprecherin 50 000 Einwohnerstadt Frechen als Fairtrade-Town de-Towns und verleiht unter anderem die Urkunden Angelika Martin. zertifizieren zu lassen. „Wir sind sozusagen die Keim- an die Städte. „Heute ist der Ratsbeschluss zum Glück zelle der ganzen Geschichte“, sagt Kann stolz. oftmals nur eine Formsache“, erzählt er. So auch in Die Kampagne „Fairtrade-Towns“ zeichnet in Frechen. Hier ist sogar die Bürgermeisterin Susanne Deutschland seit 2011 Städte, Landkreise, Inseln und Stupp zusammen mit ihrer Fairtrade-Beauftragten Gemeinden aus, die sich für den fairen Handel einset- Mareike Mischke Teil der Steuerungsgruppe. Diese zen. Mittlerweile sind es in Deutschland beinahe 700 Gruppe organisiert den Zertifizierungsprozess und Fairtrade-Towns, weltweit über 2 000 in 36 Ländern. muss aus mindestens drei Personen aus den Bereichen Um dabei zu sein, müssen fünf Kriterien erfüllt sein. Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bestehen. 14 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
FA I RT R A D E -TO W N Mit der Auszeichnung zur Fairtrade-Town ist Frechen Vorreiter. Einige Nachbar- städte im Rhein-Erft-Kreis haben bereits nachgezogen oder befinden sich in der Bewerbungsphase. „Für die Stadt ist das natürlich super“, erzählt Stupp. erstmal überzeugt werden. Ich wusste nicht, wo ich „Es gibt ja keine Argumente dagegen. Es hilft den Men- den Kaffee herbekomme, wie ich ihn anbieten kann schen im globalen Süden, der Umwelt und natürlich und ob er überhaupt angenommen wird.“ Doch nach auch dem Image der Stadt!“ Doch nicht alle sehen der Einführung habe sich noch keiner über den Fair- den Umstieg auf Fairtrade-Produkte so unkritisch. Zu trade-Kaffee beschwert, sagt er zufrieden. der Auszeichnung Fairtrade-Town gehört nicht nur Joachim Martin ergänzt: „Gastronomen wollen ein- der politische, sondern auch der wirtschaftliche Wille. fache Lösungen. Keinen Mehraufwand, keine Mehr- Abhängig von der Einwohnerzahl der Stadt muss es kosten und bloß keinen Qualitätsverlust.“ Aber Fair- auch eine vorgeschriebene Anzahl von Geschäften trade lohne sich immer, davon ist er überzeugt. und Gastronomien geben, die mindestens zwei Fair- Sobetzko nickt zustimmend. Auf der Theke stehen trade-Produkte verkaufen. In Frechen müssen es elf kleine bunte Pappaufsteller von Fairtrade zwischen Geschäfte und sechs Gastronomien sein. Manusch So- Bierdeckeln. „Die lass ich da immer ganz bewusst ste- betzkos Theke gehört auch dazu. Sobetzko ist für die hen, auch wenn wir den Raum vermieten“, erzählt er. Bewirtung des Harlekin-Theaters zuständig, dem „Aber drauf angesprochen hat mich noch keiner. Fair- Treffpunkt für alle Amateurtheaterbegeisterten in Fre- trade ist wahrscheinlich schon so alltäglich, dass es chen. Ein Highlight der Frechener Kulturszene. Nach den meisten nicht mehr auffällt.“ den Aufführungen treffen sich Publikum und Ensem- An Zeiten, in denen das Fairtrade-Siegel seltener zu ble an Manuschs Theke. finden war, kann sich Elsa Konstantinidou noch gut „Fairtrade-Kölsch gibt´s noch nicht“, scherzt er. erinnern. Im Juni 1978 eröffnete sie nicht weit vom „Aber unser Kaffee ist von GEPA!“ Die GEPA ist der heutigen Ort ihr erstes Restaurant in Frechen. Und größte europäische Importeur fair gehandelter Pro- schon damals kochte sie nur mit Bio-Produkten, ein dukte. Bevor die Steuerungsgruppe auf ihn zugekom- Alleinstellungsmerkmal in Frechen. Konstantinidou Neben seiner Theke hat Manusch Sobetzko die men sei, hätten seine Gäste einen italienischen Kaffee kann sich noch gut erinnern, wie ein Mann sie böse Fairtrade-Town Urkunde serviert bekommen. „Da musste ich von Fairtrade fragte: „Gibt es hier nur Körner zu fressen?“ aufgehängt. D I E FÜ N F K R ITE R I E N } Ratsbeschluss: Die Kommune beschließt die Unter- stützung des Fairen Handels. } Steuerungsgruppe: Mindestens drei Personen aus Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft organisie- ren und repräsentieren den Prozess. } Produkte: In Gastronomie und Handel werden mindestens zwei Produkte aus fairem Handel an- geboten. Die Einwohnerzahl bestimmt die Anzahl der Geschäfte. } Zivilgesellschaft: Öffentliche Einrichtungen (Schu- len, Vereine, Kirchengemeinden) bieten Informati- onsveranstaltungen und Fairtrade-Produkte an. Die Einwohnerzahl bestimmt die Anzahl. } Öffentlichkeitsarbeit: Pro Jahr mindestens vier Arti- kel über die Fairtrade-Town in lokalen Medien. Mehr zu den Kriterien unter www.fairtrade-town.de KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 15
Krankenhäuser. Wohin das Geld geht, wird vor Ort demokratisch entschieden. „Leben verändern durch Wandel im Handel“, das schreibt Fairtrade Deutschland über sich selbst. Dietmar Prielipp brachte diese Vision mit in den Kolping-Diözesanverband Aachen ein. Der Geistliche Leiter hat schon mehrere Eine-Welt-Vereine und Ei- ne-Welt-Läden gegründet und zusammen mit der Kolpingjugend im DV Aachen ein Nachhaltigkeits- konzept entwickelt. Einer der Aspekte: Mehr Fairtra- de! „Eine Maßnahme bei uns war, nur noch Fairtra- de-Kaffee zuzulassen.“ Früher sei Fairtrade eine Überzeugungstat gewesen, heute durch eine sehr in- tensive Bildungsarbeit von Misereor, GEPA und Fair- trade Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Er be- Im Restaurant von Elsa Doch seitdem hat sich viel getan: In ihrem heutigen klagt die mangelnde Offenheit vieler Menschen Konstantinidou gibt es nur Restaurant „Bio Elsa“ in der Stadtmitte von Frechen gegenüber fair gehandelten Produkten: „Es gibt einige, Bio-Zutaten. Damit kocht sie auch das Mittagessen steht nun ihr Sohn am Herd und kocht auch mit vie- die sich auf ihren Kaffee festgelegt haben. Mache ich für einige Frechener Kinder- len Fairtrade-Produkten. „Alles, was ich brauche, be- mit diesen Leuten aber eine Blindverkostung mit Fair- tagesstätten. komme ich in Bio. Und wenn es dann auch noch Fair- trade-Kaffee, finden den viele sehr lecker. Man muss trade ist, umso besser. Natürlich ist das ein bisschen den Produkten einfach mal eine Chance geben, denn teurer, aber wir wissen ja, wofür wir es machen“, sagt die sind wirklich gut.“ sie. Das Wissen um die Arbeits- und Lebensbedingun- Im Eine-Welt-Laden in Frechen riecht es leicht gen der Menschen im globalen Süden verbindet die nach Tee und Holz. Fairtrade-Silberschmuck liegt in Engagierten in Frechen – und der Wunsch etwas Gu- der Vitrine. Im Regal stehen Holzschnitzereien und tes zu tun. Klangschalen. Auch wenn es mittlerweile bei großen Über 1,66 Millionen Bauern und Arbeiter profitie- Ketten und Discountern Fairtrade-Lebensmittel zu ren weltweit vom System. Zu 89 Prozent sind sie in kaufen gibt, ist die Auswahl im Laden weit umfangrei- Kleinbauernkooperativen organisiert. Das bedeutet: cher. Elisabeth Kann, die Vorsitzende des Ei- Das Geld kommt den Menschen vor Ort zu Gute und ne-Welt-Laden Frechen e.V. sieht sich nicht als Vorrei- fließt nicht zu Zwischenhändlern oder großen Unter- terin. „Das war vielleicht am Anfang der Bewegung nehmen im Ausland. Fairtrade gibt den Produzenten so.“ Der entscheidende Unterschied sei, dass Lidl und mit einem kostendeckenden Mindestpreis Stabilität, Aldi nur Fairtrade-Produkte führen, die sich bezahlt während die Preise auf dem Weltmarkt schwanken. machen. Kann fährt fort: „Bei uns kaufst du die Moti- Faire Löhne und ein Verbot von Kinderarbeit sind so vation dahinter: Keine Almosen, sondern ordentliche leichter zu erreichen. Das Verbot von gefährlichen Bezahlung. Als wir angefangen haben, hieß es noch Pestiziden und genmanipuliertem Saatgut sowie eine Dritte-Welt-Laden. Mit dem Namenswechsel zeigen Prämie für Bio-Anbau helfen dabei, die Umwelt zu wir klar, wo wir hin wollen – und müssen. Wir sind ja schützen. Mit dieser sowie weiteren Prämien finanzie- eine Welt, in der es eine gerechte Verteilung geben ren die Produzenten beispielsweise Brunnen und soll.“ Mit der Fairtrade-Town zeigen sie es deutlich! Dietmar Prielipp ist Geistlicher Leiter des Kolping-Diözesanverbandes Aachen. Er hat schon meh- rere Eine-Welt-Vereine und Eine-Welt-Läden gegründet. Elisabeth Kann ist die Vor- sitzende des Eine-Welt-La- den Frechen e.V. Zusam- men mit einem Team aus 15 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern setzt sie sich seit 1983 für den fairen Handel ein. 16 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
Interview Manfred Holz, Ehrenbotschafter von Fairtrade Deutschland und Kolpingmitglied Welche Grundidee steckt hinter Fairtrade- seit 1994 Mitglied bei TransFair e.V., da passt es doch, Towns? sich für eine Fairtrade-Town einzusetzen! Die Idee des fairen Handels soll mit Fairtrade- Welche Aufgaben können Kolpingsfamilien Towns auf eine breite Basis gestellt werden. Das be- außerhalb der Steuerungsgruppe leisten? gann 2001 in England. 2011 wurde die erste Fairtra- Kolpinger sollten mehr nachfragen. Wenn ich in ein de-Town in Deutschland ausgezeichnet. Ich erlebe oft, Hotel gehe, erkundige ich mich immer, ob sie fairen dass den Menschen nicht bewusst ist, wie weit ver- Kaffee anbieten. Auch im Lieblingsrestaurant können Foto: Privat breitet Fairtrade-Produkte bereits sind. Deshalb Kolpingmitglieder nachfragen, ob sie nicht Lust hät- braucht es eine größere Öffentlichkeit für Fairtra- ten mehr fair gehandelte Produkte anzubieten. In de-Produkte, zum Beispiel durch Fairtrade-Towns! Deutschland wurden 2018 durchschnittlich 19 Euro Was bringt der Titel Fairtrade-Town einer Stadt? pro Person für faire Produkte ausgegeben. In den Nie- Jede gute Eine-Welt-Arbeit kann das Image der Stadt derlanden und Österreich das Doppelte. Da ist noch stark nach oben bringen. Einige Städte haben das Luft nach oben. Es gibt so viele verschiedene Möglich- Logo der Fairtrade-Town sogar auf dem Briefkopf. keiten, den fairen Handel mit einzubinden. Für Fuß- Den Titel bekommt die Stadt ja nicht einfach ge- ballturniere von Kolping gibt es faire Fußbälle, beim schenkt. Wer unsere Kriterien für eine Fairtra- Karneval werfen die Jecken faire Kamelle, und zu Fes- de-Town erfüllt, kann auf die geleistete Arbeit stolz ten und Ehrungen lassen sich wunderbar faire Rosen sein. Die Stadt beweist so, dass sie um Nachhaltigkeit verschenken. bemüht ist. Und Fürsorge schafft auch immer ein Was kann der Prozess für die Kolpingsfamilien gutes Image. bringen? Welchen Aufwand muss eine Steuerungsgrup- Aus der katholischen Soziallehre heraus haben wir pe leisten? eine Verpflichtung, und fairer Handel kommt nun Das ist ganz individuell. Es hängt zum Beispiel davon mal vom Handeln, nicht vom Reden. Wenn jemand ab, wie groß die Stadt ist und wie viel bereits für den an der Kolpingsfamilie interessiert ist und sieht, die fairen Handel geleistet wird. Gibt es schon einen Welt- engagieren sich für die Eine Welt, dann kann das für laden? Wie engagiert sind unterschiedliche Gruppen einen Eintritt schon ausschlaggebend sein. Meine bereits? In der Regel dauert der Vorbereitungsprozess Heimat-Kolpingsfamilie hat unter anderem durch die dann zwischen neun und 18 Monaten. Die Steue- Mitarbeit in der Fairtrade-Town-Steuerungsgruppe rungsgruppe hat da aber auch keinen Zeitdruck. ein hohes Ansehen erlangt. Wie hilft mir Fairtrade Deutschland dabei? Wie beginnt man den Weg zur Fairtrade-Town? Wenn die Steuerungsgruppe Fragen hat, können wir Da gibt es kein allgemein gültiges Konzept. Der erste von Fairtrade Deutschland gerne unterstützen. Die Schritt sollte sein, sich mit interessierten Menschen zu- Arbeit vor Ort liegt aber bei der Zivilgesellschaft be- sammenzutun und Kontakt mit der Stadtverwaltung ziehungsweise der Steuerungsgruppe. Außerdem ent- (u.a. Bürgermeisterin, Bürgermeister, Landrätin, Land- sendet Fairtrade Deutschland sogenannte Promoto- rat etc.) aufzunehmen. Wichtig ist, dass der Prozess ren, die zu einer Auftaktveranstaltung kommen von Zivilgesellschaft und Stadt gemeinsam ausgeht. können und über den fairen Handel informieren. Das kann nur gemeinsam klappen, deshalb ist der Warum macht es gerade für Kolpingsfamilien Ratsbeschluss ja eines der fünf zu erfüllenden Kriteri- Sinn, sich zu engagieren? en. Engagierten, die sich vorher informieren, welche In jeder Stadt wo eine Kolpingsfamilie ist, besteht Gruppen schon aktiv sind und sich mit diesen vernet- doch schon ein gutes Netzwerk. Der eine hat z.B. Kon- zen, geht die Arbeit auch schnell und leicht von der takt zur Bürgermeisterin, die andere kennt ein Mit- Hand. Gute Vorbereitung ist da ganz entscheidend. glied des Stadtrates und so weiter. Wenn dann jemand Der wichtigste Schritt ist aber, wie fast überall, aktiv zu von Kolping sagt „lass uns was machen“, ist die Bereit- werden! schaft doch gleich viel größer, mit anzupacken. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Adolph Kolping war ein Wegbereiter der katholischen Ich würde mich sehr freuen, wenn ich bei den Aus- Soziallehre, und mit dem fairen Handel machen wir zeichnungsfeiern zu Fairtrade-Towns, Fairtrade nichts anderes. Das Thema Eine Welt gehört zu der Schools und Fairtrade Universitys so manche Kolping- DNA von Kolping, das Kolpingwerk Deutschland ist mitglieder treffen würde! KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020 17
J U N G E E R WA C H S E N E Fotos: Michael Schinkel (links), Noah Baum (rechts) „Rausfinden, wie die Politik so tickt“ Näher kann man dem Zentrum deutscher Politik nicht kommen: Bei der Jugendpolitischen Praxiswoche lernen junge Menschen das politische Berlin hautnah kennen. Diesmal gehörten ein paar besondere Highlights dazu. Alexander Suchomsky TEXT: A In einer offenen Fragerunde n einem regnerischen Freitagmorgen im No- Begeistert sind die Teilnehmenden besonders von nimmt sich Gesundheits- vember betreten 16 junge Erwachsene in aller ihren Hausausweisen und den damit verbundenen minister Jens Spahn Zeit für die Fragen der Teilneh- Frühe den Bundestag. Sie tun das so routiniert, Privilegien. „Dass man mit einem Hausausweis so menden der Jugendpoli- als wenn sie in den letzten Tagen nichts anderes getan ziemlich alle Räume im Bundestag betreten kann, von tischen Praxiswoche. hätten. Und in der Tat tun sie es bereits seit einer Wo- der Bibliothek über die unterirdischen Verbindungs- che: Jeden Morgen in den Bundestag hineinspazieren, gänge bis hin zur Besuchertribüne im Plenarsaal, hat als würden sie schon fest dazugehören. mich völlig überrascht“, erzählt Miriam ganz begeis- Bei der Jugendpolitischen Praxiswoche (JPPW) er- tert. Miriam ist 24 Jahre alt und studiert Molekulare halten junge Erwachsene die Gelegenheit, eine Woche Biotechnik in Heidelberg. Im Diözesanverband lang das politische Berlin hautnah zu erleben. Im Mit- Aachen ist sie nebenher ehrenamtlich bei der Kolping- telpunkt steht die Hospitanz in den Büros der Bun- jugend aktiv. Für die JPPW hat sie sich extra eine Wo- destagsabgeordneten. Die Teilnehmenden bearbeiten che frei genommen. „Ich hatte schon häufiger von der Anfragen, recherchieren politische Themen und be- Praxiswoche gehört und wollte nun selbst einmal he- gleiten die Mitglieder des Bundestags zu Terminen. rausfinden, wie das politische Berlin so tickt. Dass es Auf diesem Weg lernen sie den Alltag im höchsten möglich ist, über meinen Jugendverband einen solch deutschen Parlament kennen. tiefen Einblick zu bekommen, beeindruckt mich sehr.“ 18 KOLPI NGMAGAZI N 1 – 2020
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