FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder

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FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
Das Magazin der
Kulturstiftung der Länder
3 2018

                                 FLUXUS
                            MULTIPLE KUNST UND SOUND-ART
                                   FÜR MÖNCHENGLADBACH
                                             UND BREMEN

                                     WILHELM LEHMBRUCK
                                           IN STUTTGART
                                    SCHLESWIG-HOLSTEIN:
                                           DER SAMMLER
                                       GUSTAV FERDINAND
                                               THAULOW
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
Moderne Galerie                                                                                                                                                                                                                                                                              EDITORIAL                                                  damit unsere Sehgewohnheiten maßgeblich mitgeprägt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        hat. Andererseits zählte zu den zentralen Aspekten von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Fluxus „die konzeptuelle, anti-kommerzielle und anti-
                                                                                                                                                                                                                                                                                           „La cédille qui sourit“                                      institutionelle Ausrichtung“, wie Susanne Rennert in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        ihrem Beitrag zu Sammlung und Archiv Dorothee und
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Erik Andersch in diesem Heft betont (S. 22 –28). Das
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Hinterfragen gesellschaftlicher und politischer Kon-

        01.09.2018                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      ventionen, formale und mediale Durchdringungen, die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Auflösung einer starren Disziplinarität, all das wirkt

        — 13.01.2019
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        wohltuend irritierend in einer Gegenwart, in der Ab-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        grenzungen, Partikularismen und regressive Nationalis-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        men an politischem Einfluss gewinnen und Einzug in

        Slevogt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        gesellschaftliche Diskurse halten. Die Erwerbung von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Sammlung und Archiv Dorothee und Erik Andersch

                                                                                                             Max Slevogt, Segelboote auf der Alster am Abend (Detail), 1905, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Foto: bpk / Nationalgalerie, SMB / Andres Kilger
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        für das Städtische Museum Abteiberg Mönchenglad-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        bach sowie der Sound Collection Guy Schraenen für
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        die Bremer Weserburg, die die Kulturstiftung der Län-

        und Frankreich
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        der gemeinsam mit ihren Partnern ermöglichen konnte,
                                                                                                                                                                                                                                                                              Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der                             ist damit nicht zuletzt ein deutliches Signal der födera-
                                                                                                                                                                                                                                                                              Kulturstiftung der Länder
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        len Kulturförderung zur Stärkung derjenigen Kräfte in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        unserer Gesellschaft, die diesen Tendenzen intellektuel-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Liebe Leserinnen und Leser,                                ler und kultureller Erstarrung entgegenwirken wollen.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Werke der Fluxus-Bewegung sind heute auch noch

                     Cézanne
                                                                                                                                                                                                                                                                                             werden Sie gern verunsichert? Schätzen Sie es, wenn Sie    in anderer Hinsicht relevant: Ihre vielfach prekäre Ma-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             liebgewordene Sichtweisen in Frage gestellt sehen? Als     terialität verweist auf die erheblichen Herausforderun-

                     Courbet                                                                                                                                                                                                                                                                 Johannes Cladders, Direktor des Städtischen Museums
                                                                                                                                                                                                                                                                                             in Mönchengladbach, im Juni 1969 eine Ausstellung
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        gen kulturbewahrender Einrichtungen beim Erhalt des
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        materiellen Kulturerbes des 20. Jahrhunderts. Kunst-

                     Delacroix                                                                                                                                                                                                                                                               seines Hauses mit Werken der Fluxus-Künstler George
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Brecht (1926 –2008) und Robert Filliou (1926 –1987)
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        stoffe, Papier und organische Materialien sind konser-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        vatorisch anspruchsvoll und bedürfen eines besonde-

                     van Gogh                                                                                                                                                                                                                                                                eröffnete, sprach er über eben jene Unsicherheit und
                                                                                                                                                                                                                                                                                             über die Wachheit, die aus der Unsicherheit entsteht.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        ren Engagements der verantwortlichen Institutionen.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Der Ausbau entsprechender Ausbildungs- und Förder­

                     Manet                                                                                                                                                                                                                                                                   Cladders bezog sich auf ein Projekt, das Brecht und
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Filliou einige Jahre zuvor in Villefranche-sur-Mer bei
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        programme wird eine wichtige kulturpolitische Aufgabe
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        der nächsten Jahre sein.
                     Monet                                                                                                                                                                                                                                                                   Nizza verwirklicht hatten und das den Namen „La cé-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             dille qui sourit“ trug, „Das Häkchen, das lächelt“: Ein        Ihr
                     Renoir …                                                                                                                                                                                                                                                                Laden, in dem neben Werken von Brecht, Filliou und
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Anderen auch Alltagsgegenstände oder Kurioses so
                                                                                                                                                                                                                                                                                             ausgestellt wurden, dass eine Unterscheidung zwischen
                                                                                                                                                                                                                                                                                             ‚Kunst‘ und ‚Leben‘ nicht ohne weiteres möglich war.
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Das dadurch entstehende „merkwürdige Zwielicht“
                                                                                                                                                                                                                                                                                             besaß für Johannes Cladders einen eigenen Wert: „Be-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             sagtes Zwielicht erzeugt nämlich eine gewisse Unsicher-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             heit, und sie wiederum hat eine besondere Wachheit im
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Gefolge. Sie erzwingt ein waches, kritisches Verhalten.
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Im Endeffekt reizt sie zur Reflektion über die wirk­
                                                                                                                                                                                                                                                                                             lichen Positionen von Kunst und Kultur und gewöhn-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             lichem Leben. Indem das Zwielicht die Grenzen ver-
                                                                                                                                                                                                                                                                                             wischt und so in Unsicherheit stürzt, gibt es zugleich
                                                                                                                                                                                                                                                                                             das schizophrene Schubladendenken – hier Kultur, hier
                                 Die Ausstellung wird unterstützt durch
                                                                          Exposition organisée avec le soutien
                                                                          du Musée des Beaux-Arts de Nancy
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Zivilisation, hier Kunst und hier Leben – auf.“
                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Wenn uns die Protagonisten und Positionen der
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       La cédille qui sourit, Museumskatalog
                                                                                                                                                                                                                                                                                             Fluxus-Bewegung heute gleichermaßen vertraut und                          im Streichholzschachtel-Design,
                                                                                                                                                                                                                                                                                             nach wie vor provokant erscheinen, so hat dies einer-                     Herausgeber: George Brecht und ­Robert
                                                                          Medienpartner                                                                                                                                                                                                      seits gewiss damit zu tun, dass Fluxus die Kunst der Ge-                  Filliou, 1969; Museum Abteiberg,
                                                                                                                                                                                                                                                                                             genwart, insbesondere die konzeptionelle Kunst, und                       ­Mönchengladbach

modernegalerie.org                                                                                                                                                                                                                                                                           ARSPROTOTO 3 2018                                                                                                  3
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
AUTOREN                                                                                        IMPRESSUM                                            INHALT
                                                Neue Musik bei Radio Bremen gut. Dazu          Arsprototo
                                                                                               Das Magazin der Kulturstiftung der Länder
                                                                                                                                                    3     EDITORIAL                             TITELTHEMA FLUXUS
                                                gehörten die Ausstellungen „Hans Otte
                                                                                               Lützowplatz 9, 10785 Berlin

                                                                                                                                                                                                     FLUXUS UND
                                                – Künstlerbücher und Partituren“, „Pro
                                                musica nova – Ein Radiofestival und der        Telefon 030 - 89 36 35-0 Fax 030 - 8914251           4     AUTOREN / IMPRESSUM                   22
                                                Geist von Fluxus“ und „Art on Air – Radio-     Redaktion 030 - 89 36 35-27
                                                kunst im Wandel“. Marita Emigholz, die         E-Mail arsprototo@kulturstiftung.de                                                                   
                                                                                                                                                    8     L A RETRAITE DE LA RENOMMÉE
                                                                                                                                                                                                     DAS „ETERNAL
                                                auch als Musikproduzentin und Konzertver-      Internet www.kulturstiftung.de
                                                anstalterin wirkte, kuratierte von 1996 bis                                                                von Johann Gottfried Schadow
                                                2000 das Festival „Pro musica nova“, das       Herausgeber Prof. Dr. Markus Hilgert,

                                                                                                                                                                                                     NETWORK“
                                                Hans Otte, langjähriger Musikchef Radio        Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder
                                                Bremens, 1962 gegründet hatte. Für Arspro-     Projektleitung Dr. Stephanie Tasch                   10     EHN FOTOGRAFIEN
                                                                                                                                                          Z
                                                toto greift Emigholz aus der mehr als 1.000    Chefredakteurin Carolin Hilker-Möll                        von Bernd und Hilla Becher
                                                Objekte umfassenden, weltgrößten Samm-         Geschäftsführender Redakteur Johannes Fellmann
                                                lung zur Klangkunst, die das Weserburg-        Redaktionelle Mitarbeit Jenny Berg, Antonia Kölbl,                                                    Die Sammlung und das Archiv Dorothee
SUSANNE RENNERT                                 Museum jetzt erwerben konnte, die wichtigs-    Louise Burghardt                                     12    E IN GEMÄLDEPAAR                          und Erik Andersch kommen in das
Wohin mit Fluxus? Wohin mit der Kunst, die      ten Stücke heraus. Sie beschreibt, wie der     Senior Editor Dieter E. Beuermann                           von Januarius Zick                        Museum Abteiberg in Mönchengladbach
dagegen war: anti Museum, anti Kommerz,         belgische Sammler Guy Schraenen mit seiner     Konzeption und Gestaltung Stan Hema mit
                                                                                                                                                                                                     — von Susanne Rennert
anti singuläres Kunstwerk. Dafür pro Syner-     Sound Collection ein eindrucksvolles künst-    Vladimir Llovet Casademont, www.stanhema.com
gie, Humor, Aktion, pro Mitmachen. Die          lerisches Gedächtnis der flüchtigen Kunst-     Anzeigen Jenny Berg, Telefon 030 - 89 36 35-21       14    B RIEFFRAGMENT
Kunsthistorikerin Susanne Rennert suchte        form schuf. ––– Seite 29                                                                                   von Heinrich von Kleist
gemeinsam mit Erik und Dorothee Andersch                                                       Abonnements Arsprototo – Abonnementservice,

                                                                                                                                                          S AMMLUNG HISTO-
den richtigen Museums-Ort für deren                                                            Bessemerstraße 51, 12103 Berlin
Fluxus-Sammlung: Eine ab 1968 entstandene                                                      E-Mail abo@kulturstiftung.de                         15

                                                                                                                                                           RISCHER KINDER- UND
Werkekollektion, die immer auch Archiv und                                                     Telefon 030 - 89 36 35-29 Fax 030 - 26 55 56‑71
Bibliothek der neuen Kunstform sein sollte.                                                    Jahresabonnement: 20 Euro

                                                                                                                                                           JUGENDLITERATUR
Die Fluxus-Spezialistin Rennert, die in Köln                                                   Erscheinungsweise Viermal jährlich

                                                                                                                                                                                                         VIEL VINYL
über den deutsch-dänischen Künstler Arthur                                                     Erscheinungstermin dieser Ausgabe: 12.9.2018
Køpcke promovierte, (mit-)kuratierte zahlrei-                                                  Gedruckte Auflage dieser Ausgabe: 16.000                                                         29
che Ausstellungen in u. a. Düsseldorf („Nam                                                                                                               von Sigrid Wehner
June Paik“, 2010), Kassel, New York und                                                        Nachdruck von Bildern und Artikeln, auch                                                                  
Mönchengladbach („VON DA AN. Räume,                                                            auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung                                                       Das Zentrum für Künstlerpublikationen
Werke, Vergegenwärtigungen des Antimuse-                                                       der Redaktion.
                                                                                                                                                                                                     in der Bremer Weserburg erwirbt die welt-
ums 1967–1978, 2017/2018). Dort im                                                             Litho Mega-Satz-Service, Berlin
Museum Abteiberg, wo Johannes Cladders ab                                                      Herstellung Buch- und Offsetdruckerei                                                                 weit größte Sammlung zur Sound Art
1967 die Institution Museum mit der Kunst                                                      H. Heenemann GmbH & Co., Berlin                                                                       — von Marita Emigholz
des 20. Jahrhunderts neu dachte, findet die     STEFAN FRICKE                                  Vertrieb OML KG , Berlin
Sammlung Andersch jetzt künstlerischen                                                         ISSN 1860 - 3327
Anschluss. Für Arsprototo erzählt Susanne       Was ist Klangkunst? Wie arbeiten Künstler
Rennert von der alten und neuen Resonanz        auf der Schwelle von Musik und bildender       Arsprototo erscheint mit Unterstützung des
im interdisziplinären Dialog zwischen Musik,    Kunst? Und was hat die Gesellschaft davon?     Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder.
bildender Kunst, Poesie und Aktion.             Der Musikwissenschaftler Stefan Fricke, seit
––– Seite 22                                    2008 Redakteur für Neue Musik/Klangkunst
                                                beim Hessischen Rundfunk, fragt nach           Kulturstiftung der Länder
                                                historischer Entwicklung, Produktionsbedin-    Stiftung bürgerlichen Rechts
                                                gungen und Einfluss der hörbaren Kunst-        Lützowplatz 9, 10785 Berlin
                                                form. Die bedeutende deutsche Klangkünst-      Telefon 030 - 89 36 35-0 Fax 030 - 89 14 251
                                                lerin Christina Kubisch erzählt im Interview   E-Mail kontakt@kulturstiftung.de
                                                mit Fricke, der als Honorarprofessor an der    Internet www.kulturstiftung.de
                                                Hochschule für Musik Mainz lehrt, wie sie      Generalsekretär Prof. Dr. Markus Hilgert
                                                durch innovative Bremer Festivals und im       Stellv. Generalsekretär Prof. Dr. Frank Druffner
                                                Dialog mit u. a. John Cage, Charlemagne        Dezernentinnen Dr. Britta Kaiser-Schuster,
                                                Palestine oder dem Neue-Musik-Pionier          Dr. Stephanie Tasch                                  16     IE MÄRCHENERZÄHLERIN
                                                                                                                                                          D
                                                Hans Otte neue künstlerische Ausdrucks­        Leiter Kommunikation Johannes Fellmann                     von Otto Modersohn
                                                formen zwischen Musik, Performance und         Leiter der Verwaltung Ronny Günther
                                                Installation entwickelte. ––– Seite 34         Finanzbuchhalterin Angela Neumann-Bauermeister
                                                                                               Sekretariat Gabriele Lorenz, Monika Michalak
                                                                                               Referentin des Vorstands Jenny Berg
                                                                                                                                                    18    IM WETTBEWERB
MARITA EMIGHOLZ
                                                                    Titel: Laurie Ander-
                                                                    son, Big Science,          Informationsgemeinschaft zur Feststellung
                                                                                                                                                           DER NARRATIVE
Zeuge und Gedächtnis der neuen künstleri-                           Warner Bros. Records       der Verbreitung von Werbeträgern e.V.                      Nadja Al-Khalaf im Gespräch mit
                                                                    Inc., New York, 1982
schen Strömungen seit den 1950er-Jahren                                                                                                                   Markus Hilgert, dem Generalsekretär
will das Studienzentrum für Künstlerpublika-
tionen im Bremer Weserburg-Museum sein.
                                                                                                                                                          der Kulturstiftung der Länder         34	 „WENN DER WALD NICHT
Die Musikwissenschaftlerin Marita Emigholz
kennt das Zentrum aus Kooperationen
während ihrer Tätigkeit als Redakteurin für
                                                                                                                                                                                                      MEHR WALD IST...“
                                                                                                                                                                                                     Die Klangkünstlerin Christina Kubisch im
                                                                                                                                                                                                     Interview mit Stefan Fricke
4                                                                                                                                                   ARSPROTOTO 3 2018                                                                            5
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
INHALT

38	   S TARK: KULTURBILDUNG                             58      KUNST UND KULTUR IN DEN LÄNDERN

        FÜR DIE ZUKUNFT
       Warum wir einen nationalen Bildungspakt brauchen
       — von Johannes Fellmann und Carolin Hilker-Möll

42	   SPIRITUALITÄT UND
       SINNLICHKEIT
       Die Staatsgalerie Stuttgart erwirbt Werke
       von Wilhelm Lehmbruck
       — von Anita Beloubek-Hammer

                                                          62 	   S CHÖNHEITSKUR FÜR SULAMITH
                                                                   UND MARIA
                                                                  Das Museum Behnhaus Drägerhaus Lübeck braucht Ihre
                                                                  Unterstützung bei der Restaurierung eines Freundschaftsbildes
                                                                  von Johann Friedrich Overbeck

                                                          64	    ETIKETT(E): POLITISCH
                                                                  Ein Besuch der Art Basel 2018 mit Stipendiatinnen des
                                                                  Jungen Freundeskreises der Kulturstiftung der Länder
48     I M LABYRINTH DER MODERNE                                 — von Antonia Kölbl
        Das Städel Museum widmet dem Werk
        Victor Vasarelys eine große Retrospektive
        — von Jenny Berg

50     NEUE BÜCHER

51     FREUNDESKREIS / SERVICE / BILDNACHWEIS

LÄNDERPORTRÄT
SCHLESWIG-HOLSTEIN

52	   DER
       VORDENKER
       Gustav Ferdinand Thaulows
       Sammlung in der Stiftung
       Schleswig-Holsteinische
                                                            66 S CHÖN IM DEPOT
       Landesmuseen Schloss                                       Ulrike Wolff-Thomsen mit einem Gemälde
       Gottorf                                                    von Peder Severin Krøyer im Depot des Museum
       — von Uta Baier                                            Kunst der Westküste in Alkersum/Föhr

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ERWERBUNGEN                                  aktuell seinen Kommentar zum Scheitern       verkörpert. Schadows Satire von 1813
                                             von Napoleons Russland-Feldzug im            stellte ursprünglich in zwei aufeinander

AM BODEN                                     Herbst/Winter 1812. Er tut dies mit einer
                                             raffinierten Mischung von historisch
                                             belegbarem (Napoleon, sein Leibdiener
                                                                                          bezogenen Blättern dem schmählichen
                                                                                          Rückzug das Elend der Überlebenden der
                                                                                          geschlagenen Grande Armée gegenüber.
Ein Panorama der Kapitulation: Vor einer     Roustam Raza) und typisiertem Personal       Das Gegenstück wurde vom Metropolitan
eisigen Winterlandschaft reihen sich die     (die Soldaten) und fügt seinem Figuren-      Museum of Art in New York erworben,
uniformierten Figuren, ein Soldat sitzt      fries mit Bedeutung aufgeladene Protago-     so dass sich nun beide Versionen von
zusammengesackt auf seinem Pferd,            nisten hinzu: Als Allegorie zu erkennen      Schadows politischer Kunst in öffent­
während eine Rückenfigur mit Dreispitz       gibt sich die von ihrem Reittier gestürzte   lichen Sammlungen befinden.
rechts vorn herrisch das Ziel des Marsches   Frau durch die zerbrochene Trompete und
vorgibt: „Nach Posen“ ist auf dem Weg-       die verstreuten Lorbeeren – identifizieren   Johann Gottfried Schadow, La Retraite de la
weiser zu erkennen. Nach Posen? Was sich     lässt sie sich mit Hilfe von Schadows        Renommée (Napoleons Rückzug), 1813,
da in beinahe filmischer Figurenfolge vor    Vorzeichnung, die sich in der Kunst-         Aquarell, 15,4 × 39,3 cm (oben); Akademie
unseren Augen ereignet, ist historisch       sammlung der Akademie der Künste             der Künste, Berlin, Kunstsammlung
belegt und dabei karikaturhaft überspitzt    erhalten hat, und den Bildunterschriften     Radierung, 22 × 47,5 cm (rechts); Staatliche
dargestellt: Johann Gottfried Schadow        auf der nach dem Aquarell ausgeführten       Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett
(1764 –1850) – als Begründer der Berliner    Radierung von 1814: Die Gestürzte ist die
Bildhauerschule bekannter denn als           Verkörperung von „la Renommée“, dem          Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung
satirischer Zeichner – formuliert mit        Ansehen, während der kläffende Hund          der Länder, Ernst von Siemens Kunststif-
beißender Ironie und tagespolitisch          „la voix publique“, die Stimme des Volkes    tung, Gesellschaft der Freunde der Akademie
8                                                                                         der Künste                                     ARSPROTOTO 3 2018   9
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
ERWERBUNGEN

HÜTTEN UND
LANDSCHAFTEN
Fördertürme, Gasometer, Hochöfen, Wasser-
türme, Kohlebunker, Fabrikhallen, Kies- und
Schotterwerke: Seit Ende der 1950er-Jahre
fotografierten Bernd (1931–2007) und
Hilla (1934 –2015) Becher in Deutschland,
Europa und den USA vom Abriss bedrohte
Nutzbauten des industriellen Zeitalters.
Ihre Herangehensweise wirkte stil- und
schul­bildend. Mit geradezu archäologischem
Interesse und streng dokumentarischem
Anspruch näherte sich das Künstlerpaar der
verschwindenden Industrie­­architektur: Mit
einer spezifischen fotografischen Grammatik
und einem visuellen Vokabular von hohem
Wiedererkennungswert werden die einzelnen
Motive aus dem konkreten zeitlichen und
räumlichen Kontext herausgelöst und in
ihrer Typologie miteinander vergleichbar
gemacht.
     Parallel dazu entstand die Werkgruppe
der „industriellen Landschaften“, in der
In­dus­trie, Siedlung und Natur zusammen-
spielen. Hier sind die hochaufragenden
Hüttenan­lagen und Zechen des Siegerlandes,
der Heimat von Bernd Becher, in ihre Um-
gebung eingebettet und räumlich zu veror-
ten. Mit der Erwerbung von zehn Schwarz-
weiß-Fotografien dokumentiert das Museum
für Gegenwartskunst Siegen Lokalgeschichte:
Sie ergänzen die seit 2001 bestehende
Sammlung der Werke von Bernd und Hilla
Becher um eine wichtige Facette und bewah-
ren die heute zum großen Teil bereits ver-
schwundenen Landschaften ganz im Sinne
der beiden Fotografen vor dem Vergessen.

Bernd und Hilla Becher, Birlenbacher Hütte,
Siegen-Geisweid (S. 10: o. r, u. r.), 1972,
Eiserfelder; Hütte, Siegen-Eiserfeld (S. 10:
M. r., S. 11: o. l., o. r.), 1972; Hainer Hütte,
Siegen (S. 11: u. l., u. r), 1961, 91 × 74 cm
bzw. 74 × 91 cm; Museum für Gegenwarts-
kunst Siegen

Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung der
Länder, Land Nordrhein-Westfalen, Kunst­
stiftung NRW, Stiftung Kunst und Kultur der
Sparkasse Siegen, Freundeskreis des Museums
für Gegenwartskunst Siegen
10
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Antike
                                          Betrachter gleich doppelt erklärungsbe-    nistische Bildung vorausgesetzt – mut-     tung des Schlosses aufgrund der franzö­     Werken der Malerfamilie Zick, die          Januarius Zick, Alexander der Große und
                                          dürftig: Ihr Thema, die „exempla virtu-    maßlich direkt wirkte. Zick, der seit      sischen Besatzung seit 1794 und der         beiden für das Spätwerk repräsenta­tiven   die Familie des Darius (links), Die Ent-
                                          tis“, Beispiele vorbildlicher (vor allem   1760 Hofmaler des Trierer Erzbischofs      Flucht des bischöflichen Auftraggebers      Gemälde mit Unterstützung der Kultur-      haltsamkeit des Scipio (rechts), 1780/90,

Tugenden                                  männlicher) Tugend, inszeniert antike
                                          Helden in der Bildsprache der franzö­
                                          sischen Historienmalerei des 18. Jahr-
                                          hunderts. Ihre Funktion als dekorative
                                                                                     und Kurfürsten Clemens Wenzeslaus
                                                                                     (1739 –1812) und als solcher für die
                                                                                     malerische Ausstattung seiner Residenz
                                                                                     zuständig war, hat die Pendants mit
                                                                                                                                unvollendet blieb, kommt Zicks Ge­
                                                                                                                                mäldepaar eine weitere Funktion zu: als
                                                                                                                                historisches Dokument einer unterge-
                                                                                                                                gangenen Epoche, deren Ende durch
                                                                                                                                                                            stiftung der Länder aus dem Kunsthan-
                                                                                                                                                                            del zu erwerben. An ihrem Entstehungs-
                                                                                                                                                                            ort sind die Pendants zunächst noch
                                                                                                                                                                            bis zum 30. September in einer großen
                                                                                                                                                                                                                       jeweils 142 × 184 cm; Mittelrhein-
                                                                                                                                                                                                                       Museum Koblenz

                                                                                                                                                                                                                       Förderer dieser Erwerbung: Kulturstiftung
Herrschertugend – Herrscherlob? Ge-       Bestandteile höfischer Residenzausstat-    „Alexander der Große und die Familie       die französische Revolution markiert ist.   Ausstellung zu sehen: „Das Erbe der        der Länder, Ernst von Siemens Kunst­
mälde wie die um 1780/90 entstande-       tungen war demnach verbunden mit           des Darius“ sowie „Die Enthaltsamkeit      Grund genug für das Mittelrhein-Mu-         Väter. Mit der Malerfamilie Zick           stiftung, Stiftung Rheinland-Pfalz für
nen, großformatigen Werke von Janua-      einem moralischen Appell, der auf          des Scipio“ wohl für das Koblenzer         seum in Koblenz mit seinem deutsch-         durch zwei Jahrhunderte“ (siehe auch       Kultur, Verein der Freunde des Mittel-
rius Zick (1739 –1812) sind für heutige   damalige Betrachter – die nötige huma-     Schloss geschaffen. Da die Innenausstat-   landweit umfangreichsten Bestand an         Ars­prototo 2/2018).                       rhein-Museums und des Ludwig Museums
                                                                                                                                                                                                                       Koblenz e. V.
12                                                                                                                                            ARSPROTOTO 3 2018                                                                                               13
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
KINDHEITS-
                                                                                                    WELTEN
                                                                                                    Deutschland in den Jahren zwi-
                                                                                                    schen 1925 und 1945 – von der
                                                                                                    ersten Demokratie der Republik
                                                                                                    über die Diktatur des National­
                                                                                                    sozialismus bis zur bedingungs­
                                                                                                    losen Kapitulation. Sigrid Wehner,
                                                                                                    Jahrgang 1931, sammelte rund
                                                                                                    18.000 Bände der Kinder- und
                                                                                                    Jugendliteratur dieser Zeit: Bilder-
                                                                                                    bücher, Sachbücher, Romane sowie
                                                                                                    Erzählungen, Einzelhefte von
                                                                                                    Zeitschriften und Material aus
                                                                                                    der Hitlerjugend, dem Deutschen
                                                                                                    Jungvolk oder dem Jungmädel-
                                                                                                    bund dokumentieren zwei Jahr-
                                                                                                    zehnte deutscher Geschichte. Vor
                                                                                                    allem aber geben sie Aufschluss
                                                                                                    über die Art und Weise der Politi-
                                                                                                    sierung und Instrumentalisierung
                                                                                                    von Literatur. Neben den vielen
                                                                                                    nationalsozialistischen Kinder-
                                                                                                    und Jugendbüchern finden sich
                                                                                                    auch einige Originalausgaben von
ERWERBUNGEN                                                                                         auch heute noch beliebten Titeln,
                                                                                                    darunter „Emil und die Detektive“,

129 Paten für 7 Zeilen                                                                              „Pünktchen und Anton“ und
                                                                                                    „Der 35. Mai oder Konrad reitet
                                                                                                    in die Südsee“ des regimekritischen
                                                                                                    Autors Erich Kästner. Die Samm-
                                                                                                    lung Wehner gewährt somit einen
Jedes Wort, jedes Satzzeichen fand einen           Die Heiterkeit, die in den Zeilen vom 14.        vielseitigen Einblick in die Lese-
Paten: Das Kleist-Museum in Frankfurt              März 1803 steckt, findet sich nur in weni-       kultur der damals Heranwachsen-
(Oder) startete im Dezember 2017 einen             gen Schriftstücken des Dichters. „Ein ein­       den, in die prägenden Geschichten
                                                                                                    ihrer Kindheit, in der wie heute
Spendenaufruf, um die Finanzierungslücke           ziges Wort von euch, und ehe ihrs euch           Helden als Vorbilder und Böse-
für seine neueste Erwerbung zu schließen.          verseht wälze ich mich vor Freude in der         wichte als Rivalen überdauern.
129 Paten unterstützten gemeinsam mit der          Mittelstube“, schrieb Kleist an seine Familie.   An der „Arbeitsstelle Kinder- und
Kulturstiftung der Länder und dem Land             Denn seine erste, noch anonyme Veröffent­        Jugendliteratur“ der Georg-Au-
                                                                                                    gust-Universität Göttingen erhält
Brandenburg das Museum beim Ankauf von             lichung „Die Familie Schroffenstein“ fand        die umfassende Sammlung nun
einem Brieffragment Heinrich von Kleists           Anklang. „Endlich doch wieder ein rüstiger       eine bildungsorientierte Funktion
(1777–1811). Den herzlichen Abschieds-             Kämpfer, der um den poetischen Lorbeer           und kann fachübergreifend – von
                                                                                                    Geschichte über Politik bis hin zu
gruß des Dichters an seine Lieblings­              aufsteht“, freute sich der Dramatiker            Pädagogik – genutzt werden. In
schwester Ulrike können Besucherinnen              ­Ludwig Ferdinand Huber. Das fröhliche           einer Spezialbibliothek zu früher
und Besucher nun im Museum lesen, die               Schreiben an die Schwester in Frankfurt –       literarischer Erziehung wird sie
                                                                                                    der Öffentlichkeit zugänglich
Forschung kann hier mit dem Original                eine historische Momentaufnahme aus dem         verwahrt. Sowohl in Seminararbei-
arbeiten.                                           Leben eines werdenden Dichters.                 ten und Vortragsreihen für Studen-
     Möglicherweise trennte Ulrike selbst die                                                       ten als auch in Ausstellungen wird
letzten sieben Zeilen vom restlichen Schrei-       Förderer dieser Erwerbung: Kultur­stiftung der   die Sammlung nun zur Aufklärung
                                                                                                    genutzt – zur Bewusstseinsbildung
ben ab. Der Hauptteil des Briefes, in der          Länder, Ministerium für Wissenschaft, For-       und Entwicklung kritischer und
Sammlung der Berliner Staatsbibliothek             schung und Kultur des Landes Brandenburg,        politisch reflektierter junger
seit 1923 aufbewahrt, wurde mit weiteren           private Spenden                                  Erwachsener.
Handschriften im Zweiten Weltkrieg nach                                                             Förderer dieser Erwerbung:
Schloss Fürstenstein in Schlesien auslagert.                                                        ­Kulturstiftung der Länder, Stiftung
In der Folge befinden sich die zweieinhalb                                                           Niedersachsen, Lindemann-­
                                                                                                     Stiftung der Universität Göttingen
Seiten des Briefes heute in der Biblioteka
Jagiellońska in Krakau.
     Doch auch die halbe Seite in Frank-
furt ist   ein   literaturhistorisches Dokument:

14                                                                                                                                         ARSPROTOTO 3 2018   15
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
Der digitale
                                                                                                                                                   Kunstführer
                                                                                                                                                      für das
                                                                                                                                                     Ruhrgebiet

                                                                                                                                                                                        www.kunstgebiet.ruhr

                                                                                                                                                                                             gefördert durch die

                                                                                                                                           180816_KGR_Anzeige_Arsproto_215x140.indd 1                              16.08.18 15:15

ERWERBUNGEN                                   Eden. Im Teufelsmoor gründen sie 1889 die
                                              Künstlerkolonie Worpswede. Nach Natur-
                                                                                             sohn-Museum e.V. kaufte die Otto-
                                                                                             Modersohn-Stiftung nun „Die Märchen­

Märchenhaftes
                                              wahrheit, Stille und Einfachheit sucht         erzählerin“ aus Schweizer Privat­besitz.
                                              Modersohn, wie er seinem Tagebuch anver-
                                              traut. Mit dem Skizzenblock in der Hand        Otto Modersohn, Die Märchenerzählerin,

Moor                                          zieht er durchs Moor und sammelt zeich-
                                              nend Bildideen. In der Tradition der franzö-
                                              sischen Freilichtmalerei nimmt er schließ-
                                                                                             1896, 125 ×108,5 cm; Otto-Modersohn-
                                                                                             Museum, Fischerhude

Zurück zur Natur, weit weg vom hektischen     lich die Leinwand selbst mit nach draußen,     Förderer dieser Erwerbung: Kultur­stiftung
Großstadtleben. Landschaften, die nicht       fängt die Natur mit pastosem Auftrag in        der Länder, Niedersächsisches Ministerium
der Mensch, sondern die Natur formt, gelten   kräftigen Farben ein. Den Sommer zeigt der     für Wissenschaft und Kultur, Nieder­
den Lebensreformern des ausgehenden           Maler in der „Märchen­erzählerin“ (1896).      sächsische Sparkassenstiftung, Stiftung der
19. Jahrhunderts als Paradies. Nördlich       Zwischen blühenden Büschen und unter           Kreissparkasse Verden, Waldemar Koch
von Bremen, wo die Industrialisierung         dichten Baumkronen spricht die Alte zu den     Stiftung, private Spende aus Potsdam,
die Schifffahrt zum immer stärkeren Wirt-     beiden Kindern. Gut 30 Jahre nach dem Tod      zahlreiche private Spenden und Spenden
schaftsfaktor macht, finden die Maler         Modersohns eröffnet sein Sohn im benach-       der Mitglieder der Gesellschaft-Otto-
Fritz Mackensen, Hans am Ende und Otto        barten Fischerhude das Otto-Modersohn-         Modersohn-Museum e.V.
Modersohn (1865 –1943) ihr persönliches       Museum. Für die Gesellschaft-Otto-Moder-
                                                                                                                                                 bauhaus100-im-westen.de
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                                                                                                                                                 #bauhauswow
FLUXUS Das Magazin der Kulturstiftung der Länder 3 2018 - Kulturstiftung der Länder
INTERVIEW                                    Profil stoßen. Unter dem Nutzernamen          den Bereich der digitalen Vermittlung       Gegenüber der Deutschen Presseagen-           Er ist eine der wichtigsten Charakteri-       hochspezialisierte Fachexpertise – wie
                                             „textcultures“ teilen Sie Inhalte aus         münden, neu organisieren. Das schließt      tur sagten Sie, „dass eine aus Steuer-        stika unserer Kulturlandschaft. Viele         zum Beispiel die der Altorientalistik –

IM WETT–
                                             der Welt der Kunst und der Kultur­            die auf das jeweilige Zielpublikum          mitteln finanzierte Institution die           halten ihn für ein sperriges und arbeits-     ist, aber auch verdeutlicht, dass sie erst
                                             politik, platzieren aber auch eigene          ausgerichtete Kommunikationsstrategie,      Verpflichtung hat, sich an den großen         intensives Erbe. Ich persönlich halte ihn     im interdisziplinären Austausch mit
                                             Botschaften für Ihre knapp 3.600              aber auch die Vernetzung von vorhan-        politischen und kulturpolitischen             für ein hohes Gut. Zum einen, weil er         anderen Fächern ihr ganzes Potential

BEWERB
                                             Follower. Wie passen ein Altorientalist       denen Datenbanken mit Social-Media-         Themen dieser Tage zu beteiligen“.            dem vorbeugt, was wir in der deutschen        ausschöpft. Natürlich lernt man aber
                                             und der digitale Kurznachrichten-             Kanälen oder mit einer Museums-App          Welche Themen sind das?                       Geschichte schon einmal erlebt haben,         auch, was es kostet und welcher Infra-
                                             dienst Twitter zusammen?                      mit ein und geht bis hin zu Zusatzaus­      Ja, ich bin der festen Überzeugung, dass      nämlich, dass Kultur zentral – aus einer      struktur es bedarf, ein solches Fach am

DER
                                            Man könnte natürlich antworten, dass           bildungen, in denen beispielsweise          eine Stiftung wie die KSL eine solche         Stadt und von einigen wenigen Organen         Leben zu halten. Wer eine universitäre
                                            auf Keilschrifttafeln ebenfalls nur Platz      Kuratoren in digitalen Kompetenzen          Verantwortung gegenüber der Gesell-           – „verordnet“ wird und zum anderen,           Laufbahn hinter sich hat, versteht, was
                                            für eine geringe Anzahl von Zeichen war.       geschult werden. Da sich in den kom-        schaft hat, die sie ja nicht nur finanziell   weil kulturelle Vielfalt gleichbedeutend      für einer vielschichtigen und komplexen

NARRATIVE                                   280 Zeichen, wie sie einem auf   Twitter
                                            zur Verfügung stehen, könnten sogar
                                            hinhauen. Aber lassen Sie mich diese
                                                                                           menden Jahren viele Museen mit diesen
                                                                                           Herausforderungen konfrontiert sehen
                                                                                           werden und die Arbeit der KSL dort
                                                                                                                                       trägt, sondern sie vor allem auch mit der
                                                                                                                                       Erfüllung eines gewissen Auftrags betraut
                                                                                                                                       hat. Natürlich muss der Beitrag, den eine
                                                                                                                                                                                     mit Kultur ist.

                                                                                                                                                                                     Wie kann es gelingen, auf die viel­
                                                                                                                                                                                                                                   Infrastruktur es bedarf, um Kultur zu
                                                                                                                                                                                                                                   erhalten.

Fragen an Markus Hilgert,                   Frage ernsthaft beantworten: Für mich
                                            ist Twitter vor allem ein Informations­
                                                                                           ansetzen soll, wo der Bedarf am stärksten
                                                                                           ist, sind all diese Erkenntnisse auch für
                                                                                                                                       solche Institution leisten kann, auch in
                                                                                                                                       ihrem Kompetenzbereich – in unserem
                                                                                                                                                                                     fältigen und unterschiedlichen Be­
                                                                                                                                                                                     dürfnisse der verschiedenen Länder
                                                                                                                                                                                                                                   „WIR BRAUCHEN AUF
Generalsekretär der Kultur-                 medium, über das ich Zugang zu Wissen          uns – als Kommunikator zwischen den         Fall dem der Kulturförderung – angesie-       einzugehen?                                    ALLEN EBENEN EIN
stiftung der Länder                         erlange, auf das ich analog keinen so          Ländern – extrem relevant.                  delt sein. Und genau dort sehe ich eine       Unsere Aufgabe ist es, zuzuhören. Wir          VERSTÄRKTES BEWUSST-
                                            leichten Zugriff hätte. Wer denkt, Alt­                                                    ganze Reihe von Themen, für die wir uns       müssen den Bedarf der einzelnen Länder         SEIN FÜR DEN WERT
                                            orien­talisten würden nicht in unserer          Als ehemaliger Direktor des Vorder­        gewinnbringend einsetzen können. Dazu         wahrnehmen, die uns angetragenen
                                            Welt leben und könnten auf digitale             asiatischen Museums des Pergamon-          gehört die bereits genannte Auseinander-      Anliegen ernst nehmen und sie bündeln.         VON KULTUR“
                                            Kommunikations- und Vernetzungswege             museums haben Sie sich bereits             setzung mit unrechtmäßig erworbenem           Wenn wir feststellen, dass mehrere            Was muss sich kultur- und bildungs-
                                            verzichten, liegt falsch. Im Gegenteil: Die     ­ausführlich mit Herkunftsfragen von       Kulturgut genauso wie die digitale Trans-     Länder ähnliche Anliegen haben, ist es        politisch in Deutschland tun, um auch
                                            Alt­orientalistik als Wissenschaft der ma­-      musealen Beständen beschäftigt. Auch      formation von Museen, aber auch die           an uns, den gegenseitigen Austausch von       zukünftige Generationen für die Ar-
                                            ­te­riellen Hinterlassenschaften alt­orien­­     die KSL verlangt, dass alle ihre Er­      Debatte um Integration, die gerade in         Expertisen unter diesen Ländern anzu­         beit, die die KSL länderübergreifend
                                             talischer Gesellschaften hat ja vor allem       werbungen erforschte Provenienzen         Deutschland geführt wird. Denn Inte-          regen. Damit die KSL auch weiterhin           seit drei Jahrzehnten leistet, interes­
                                             in den letzten Jahren an Aktualität und         haben. Was muss, rund um das Thema        grationsprozesse laufen letztlich nicht       erfolgreich als Moderatorin zwischen den      sieren zu können?
                                             Relevanz gewonnen. Als „kleines Fach“           Provenienzforschung, in Zukunft           nur auf struktureller oder sozialer, son-     16 Bundesländern agieren kann, darf           Wir brauchen auf allen Ebenen ein
                                             ist sie besonders darauf angewiesen, ihre       getan werden, um den Diskurs ­weiter      dern vor allem auf kultureller Ebene ab.      sie vor allem nicht nivellieren wollen.       verstärktes Bewusstsein vom Wert der
                                             Kompetenzen durch ständigen Austausch         ­voranzubringen?                            Die Frage, ob wir als Gemeinschaft Teil       Im Gegenteil: Sie muss die lokalen und        Kultur. Kultur ist nicht nur schmü-
                                             auch langfristig garantieren zu können.        Zunächst einmal darf man nicht ver­        einer Interpretationsgesellschaft sind,       regionalen Besonderheiten der einzelnen       ckendes Beiwerk. In vielen gesellschaft-
                                                                                            gessen, wie umfassend der Bereich der      muss letztlich zu einem großen Teil           Länder respektieren.                          lichen und politischen Bereichen ist
Prof. Dr. Markus Hilgert, General­          Bleiben wir noch einen Moment beim              Provenienzforschung eigentlich ist.        kulturell beantwortet werden. Als Kul-                                                      Kultur zu einem zentralen Instrument
sekretär der Kulturstiftung der Länder      Thema digitaler Kommunikation. Im               Darunter fallen Kulturgüter aus kolo­      turstiftung haben wir die Aufgabe,            Bevor Sie 2014 nach Berlin gingen,            geworden. Wer sich die Erklärungen des
                                            Zuge des Projekts museum4punkt0                 nialem Kontext, aber auch Objekte, die     Erzählungen zu entwickeln, die so gut         haben Sie sieben Jahre lang als Profes-       Sicherheitsrats der Vereinten Nationen

A
      m 1. Juni 2018 trat Markus Hilgert    wurden und werden Strategien zur                ihren rechtmäßigen Eigentümern durch       sind, dass sie im Wettbewerb der Narra-       sor für Assyriologie an der Universität       ansieht, wird feststellen, dass der Einfluss
      sein Amt als Generalsekretär der      digitalen Transformation von Museen             die Verfolgung der Nationalsozialisten     tive – und nichts anderes ist die Frage       Heidelberg gelehrt. Was haben Sie aus         von Kultur dort auch in Bereichen wie
      Kulturstiftung der Länder an. Der     entwickelt. Inwieweit sind die dort             entzogen wurden. Bezüglich letzterer       um Integration letztlich – attraktive         dieser Zeit mitgenommen?                      der Sicherheitspolitik oder der Friedens-
habilitierte Altorientalist lehrte an der   gewonnenen Erkenntnisse auch für                wurde in den vergangenen Jahrzehnten       Angebote der Teilhabe darstellen. Wenn        Vieles von dem, was ich in Heidelberg         bewahrung genannt wird. Wenn die
Universität Heidelberg, bevor er ab 2014    die Kulturstiftung der Länder (KSL)             bereits enorme Vorarbeit geleistet, wäh-   wir es schaffen, die Geschichten, die mit     gelernt habe, hat mich beruflich nachhal-     Bedeutung von Kultur – weit über
das Vorderasiatische Museum auf der         relevant?                                       rend sich bei dem Erbe aus kolonialem      unseren Kulturgütern verbunden sind,          tig geprägt. Wer im Lehrbetrieb tätig ist,    sogenannte kulturpolitische Belange
Berliner Museumsinsel leitete. Dort ko­     Digitale Transformation bedeutet eine           Kontext gerade erst ein neuer, riesiger    so zu erzählen, dass daraus Integrations-     versteht, dass die Vermittlung von Wis-       hinaus – bereits erkannt worden wäre,
ordinierte er mit dem 2017 gegründeten      auf digitale Kommunikation und digitale         Raum öffnet: den der sogenannten           angebote werden, war unsere Arbeit            sen ein langwieriger und arbeitsintensiver    müsste der Transfer von kulturpoli-
Verbundprojekt museum4punkt0 ein            Wertschöpfung ausgerichtete Neuorgani-          tertiären Objekte. Also jener Kulturgü-    erfolgreich.                                  Prozess ist. Bis ein Student, der im ersten   tischen Themen in andere politische
bundesweites Programm, das sich der         sation sämtlicher musealer Prozesse. Im         ter, die koloniale Domination abbilden.                                                  Semester das wissenschaftliche Arbeiten       Bereiche längst verstärkt gefördert wer-
digitalen Transformation in Museen wid-
met. Markus Hilgert ist u. a. Gründungs-
                                            Rahmen des Projekts museum4punkt0
                                            – dessen Ergebnisse allen Kultureinrich-
                                                                                            U. a. mit diesen müssen wir uns in Zu-
                                                                                            kunft verstärkt auseinandersetzen. Die
                                                                                                                                       „KULTURELLE VIELFALT                          aufnimmt, selbstständig forschen kann,
                                                                                                                                                                                     vergehen Jahre. Vor allem aber muss er
                                                                                                                                                                                                                                   den. An dieser Stelle müssen wir für
                                                                                                                                                                                                                                   einen kulturpolitischen Wandel sorgen.
präsident von „Blue Shield Deutschland“     tungen zur Verfügung stehen – hat               Aufgabe der KSL als Vermittlerplattform     IST GLEICHBEDEUTEND                          oder sie intensiv betreut und gefördert       Und dieser kann selbstverständlich nur
und Vorstandsmitglied der Deutschen         sich modellhaft gezeigt, mit welchen            ist es, darauf hinzuweisen, wie notwen-     MIT KULTUR“                                  werden. Eine weitere Erkenntnis aus           mit einer vermehrten Investition in
UNESCO-Kommission.                          enormen Herausforderungen sich ein              dig die Auseinandersetzung mit diesen                                                    dieser Zeit ist, dass bestimmte, hochspe-     die kulturelle Bildung gelingen.
Für Arsprototo sprach Nadja Al-Khalaf       Museum, das sich oft in öffentlicher            Objekten ist. Außerdem müssen wir deut-    Die KSL vertritt als „Einkaufsgemein-         zialisierte Fachexpertise an der Univer­
mit Markus Hilgert.                         Trägerschaft befindet, und in dem Perso-        lich machen, dass sich Lösungen für den    schaft“ 16 Bundesländer. Lässt sich da        sität enorm wichtig ist. Neben meiner         Die Literaturwissenschaftlerin Nadja
                                            nal- und Budgetpläne vorgegeben sind,           Umgang mit solchen Objekten nicht am       bereits auf nationaler Ebene von einer        Lehrtätigkeit hatte ich einen DFG-­           Al-Khalaf schreibt als Autorin u. a. für die
Herr Hilgert, wer online zu Ihnen           konfrontiert sieht: Denn, wer digital           grünen Tisch finden lassen, sondern sie    kulturellen Vielfalt sprechen?                Sonderforschungsbereich gegründet, für        Frankfurter Allgemeine Zeitung und für
recherchiert, wird unter den Such­          kommunizieren und vermitteln möchte,            in den einzelnen Institutionen, aus der    Absolut. Und das haben wir dem deut-          dessen Leitung ich verantwortlich war.        ze.tt, das junge Onlinemagazin des
ergebnissen zuoberst auf Ihr Twitter-       muss alle jene Bereiche, die letztlich in       Praxis heraus, entwickelt werden müssen.   schen Kulturföderalismus zu verdanken.        Diese Arbeit hat gezeigt, wie wichtig         ZEIT-Verlags.

18                                                                                                                                                    ARSPROTOTO 3 2018                                                                                                      19
Susanne Rennert über die Sammlung und das Archiv           TITELTHEMA FLUXUS
von Dorothee und Erik Andersch für das Museum

                                                            DER SOUND
Abteiberg in Mönchengladbach — Seite 22
Marita Emigholz über die Sound Collection
Guy Schraenen, die weltweit größte Sammlung zur
Sound Art, für die Bremer Weserburg — Seite 29

                                                            VON FLUXUS
Die Klangkünstlerin Christina Kubisch
im Interview mit Stefan Fricke — Seite 34

Joseph Beuys, Ja Ja Ja Nee Nee Nee, 1969, Filzstapel mit
Tonband, 15 × 34 × 34 cm, Gabriele Mazzotta Editore,
Mailand; Museum Abteiberg, Mönchen­gladbach

20                                                         ARSPROTOTO 3 2018   21
TITELTHEMA FLUXUS                                                                                                                                                            den Übergängen zu Archiv und Bibliothek – und einer
                                                                                                                                                                             bereits existierenden Sammlung ergeben? Wo könnten

                     FLUXUS UND DAS
                                                                                                                                                                             sich inspirierende Dialoge und fluxushafte synergetische
                                                                                                                                                                             Prozesse entwickeln? Zu den zentralen Aspekten von
                                                                                                                                                                             Fluxus zählt die konzeptuelle, anti-kommerzielle und
                                                                                                                                                                             anti-institutionelle Ausrichtung. Die internationale

                   „ETERNAL NETWORK“
                                                                                                                                                                             Fluxus-Bewegung hatte die Grenzen zwischen den
                                                                                                                                                                             verschiedenen künstlerischen Disziplinen – Musik,
                                                                                                                                                                             bildende Kunst, Poesie, Aktion, Theater etc. – so radi-
                                                                                                                                                                             kal wie spielerisch aufgehoben, die Rolle des Rezipien-
                                                                                                                                                                             ten völlig neu – als eine aktive – definiert, den „Werk“-
                                                                                                                                                                             Charakter von Kunst unterminiert und war lakonisch,
          Die Sammlung und das Archiv Dorothee und Erik Andersch kommen                                                                                                      ironisch und provokant gegen jede Form institutioneller
                   in das Museum Abteiberg in Mönchengladbach                                                                                                                Verfestigung angegangen. Schon in dem programmati-
                                      von Susanne Rennert                                                                                                                    schen Text „Neo-Dada in den Vereinigten Staaten“, den
                                                                                                                                                                             George Maciunas, der litauisch-amerikanische Initiator,
                                                                                                                                                                             Organisator und Impresario von Fluxus auf der ersten
                                                                                                                                                                             Proto-Fluxus-Veranstaltung „Kleines Sommerfest –
                                                                                                                                                                             Après John Cage“ (Galerie Parnass, Wuppertal, 9. Juni
                                                                                                                                                                             1962) verlesen ließ, wurden „Konkretismus“ und
                                                                                                                                                                             „Kunstnihilismus“ propagiert. In welcher Institution
                                                                                                                                                                             würden die mannigfachen Varianten humorvoller
                                                                                                                                                                             Institutionskritik, wie sie für Fluxus charakteristisch
                                                                                                                                                                             sind, auf augenzwinkernde Resonanz stoßen? Unsere
                                                                                                                                                                             Überlegungen zu diesem idealen Ort für eine Samm-
                                                                                                                                                                             lung, die nach der Silverman Collection (MoMA, New
                                                                                                                                                                             York) und dem Archiv Sohm (Staatsgalerie Stuttgart)
                                                                                                                                                                             zu den bedeutendsten und umfangreichsten Material-
                                                                                                                                                                             sammlungen zum Thema Fluxus und benachbarte
                                                                                                                                                                             intermediale Tendenzen der 1960er- und 1970er-Jahre
                                                                                                                                                                             zählt, hätte keinen glücklicheren Ausgang nehmen
                                                                                                Fluxus cc fiVe                                                               können. Die Sammlung Andersch ergänzt die Samm-
                                                                                                ThReE, 1964,          FLUX … ACT OF FLOWING: A CONTINOUS                     lung Museum Abteiberg wie ein elementares Passstück,
                                                                                                58,2 × 45,5 cm,
                                                                                                Fluxus Newspaper
                                                                                                                     MOVING ON OR PASSING BY, AS A FLOWING                   das bislang fehlte. Ihre Bestände werden vor allem auch
                                                                                                Nr. 4, Edition        STREAM; A SUCCESSION OF CHANGES…                       dank des eindrucksvollen Archivs, das einen ganz
                                                                                                Fluxus, New York           (FLUXUS PREVIEW REVIEW,                           eigenen Informationskosmos darstellt, dazu verhelfen,
                                                                                                                               FLUX ROLL, 1963)                              „mehr Kontext, Zeit und Raum hinter bedeutenden
                                                                                                                                                                             Werken der Mönchengladbacher Sammlung darzustel-
                                                                                                                          PLEASE, RETURN THE FISH (INSIDE)
                                                                                                                                                                             len“, so die heutige Museumsdirektorin Susanne Titz.
                                                                                                                           TO THE WATER. NAM JUNE PAIK
                                                                                                                                                                             Enge Beziehungen zwischen den Sammlern und dem

                                                                                                                   V
                                                                                                                         or einigen Jahren begannen Erik Andersch und        Museum bestanden schon früh: Erik Andersch, Mit-
                                                                                                                         ich über die Zukunft der Sammlung und einen         glied im Museumsverein, sammelte Johannes Cladders’
                                                                                                                         idealen neuen Standort nachzudenken. Welcher        legendäre Kassettenkataloge, die dieser in Anlehnung an
                                                                                                                   Ort wäre von Robert Fillious Diktum „art is to make
                                                                                                                   life more important than art“ genauso durchdrungen
                                                                                                                   wie die Sammlung Andersch selbst? Sie wurde von Erik
                                                                                                                   und Dorothee Andersch ab 1968 in enger Freundschaft
                                                                                                                   und großer Solidarität zu Künstlern wie Filliou (1926 –
                                                                                                                   1987), George Brecht (1926 –2008), Dorothy Iannone
                                                                                                                   (*1933), Nam June Paik (1932 –2006), Robin Page
                                                                                                                   (1932 – 2015), Dieter Roth (1930 –1998), Takako Saito
George Brecht, Water Yam, 1964,                                           Alle auf den Seiten                      (*1929), Daniel Spoerri (*1930), André Thomkins
transparente Plastikschachtel mit                                       22 –28 abgebildeten                        (1930 –1985) u.v.a. aufgebaut. In welchem Museum
aufgeklebtem Etikett, 13 × 18 ×                                       Werke befinden sich im
3 cm, Inhalt: 94 Karten mit Hand-                                        Museum Abteiberg,                         würden sich historisch sinnvolle Anschlüsse zwischen      Erik Andersch bei der Eröffnung der Ausstellung
lungsanweisungen und Booklet Nut                                          Mönchengladbach                          der Sammlung Andersch – mit ihren offenen, fließen-       von Robert Filliou, Galerie Magers, Bonn 1972
Bone, Herausgeber: George Maciunas,
Edition Fluxus, New York

22                                                                                                                 ARSPROTOTO 3 2018                                                                                               23
die Schachteln der Fluxus-Künstler und deren Inspira­                                                                                                                                                        den Wirt Carlo Schroeter vertrat –, lud ihn zu seiner
tionsquelle, die „Boîtes“ von Marcel Duchamp, zwi-                                                                                                                                                           Ausstellungseröffnung in der Galerie Gunar ein. Und
schen 1967 und 1978 herausgab. Wie für die Sammler,                                                                                                                                                          damit wurden Erik und Dorothee Andersch Freunde,
für deren Wirken der Kontakt mit den freiheitlichen,                                                                                                                                                         integrale Teile des internationalen, multidisziplinären
bewusstseinserweiternden Fluxus-Impulsen substantiell                                                                                                                                                        Künstlerkreises, der sich ab 1968 – Daniel Spoerri,
war, so auch für den damaligen Museumsdirektor                                                                                                                                                               Dieter Roth und dessen kongenialer Partnerin Dorothy
Cladders (1924 –2009), der wie wenige andere die                                                                                                                                                             Iannone folgend – für einige Jahre in Düsseldorf nie-
internationale Museumslandschaft des 20. Jahrhunderts                                                                                                                                                        derließ. Dieter Roth hatte damals auf Initiative von
durch seine kuratorische Arbeit transformierte. Wir                                                                                                                                                          Joseph Beuys die Graphik-Klasse an der Düsseldorfer
begegnen Erik und Dorothee Andersch auf zahlreichen                                                                                                                                                          Akademie übernommen. Dieser Freundeskreis trug
historischen Fotos im Museumsarchiv: So 1969 auf der                                                                                                                                                         entscheidend dazu bei, dass sich die Stadt, in der sich
Eröffnung von Brechts und Fillious Ausstellung „La                                                                                                                                                           bereits seit den 1950er-Jahren lokale, regionale und
cedille qui sourit“ im Vorgängerbau des Museums an                                                                                                                                                           internationale Kunstgeschichte auf einzigartige Weise
der Bismarckstraße: Lachend, tanzend in Aktionen und                                                                                                                                                         miteinander verschränkten, für einige Jahre zu einem
im Kreise der Künstlerfreunde, die damals fast alle im                                                                                                                                                       so virulenten Brennpunkt entwickelte. Dazu zählten:
nahen Düsseldorf lebten – gleichsam als Akteure von                                                                                                                                                          Robert und Marianne Filliou, George Brecht, die
                                                                                                                                                Alison Knowles, Sea Bean, 1978, 9 × 5 × 5 cm, Papp-
„The Eternal Network“, das Brecht und Filliou bei                                                                                               schachtel mit Plastikbehälter, Bohne und gedruckter          „Schweizer Fraktion“ mit Spoerri, Andre Thomkins und
dieser Gelegenheit als Idee ankündigten. „La Fête est                                                                                           Handlungs­anweisung, Edition Hundertmark, Berlin             Karl Gerstner, die japanische Fluxus-Künstlerin Takako
Permanente“ hieß es an diesem Vernissagen-Abend, der                                                                                                                                                         Saito, der Schwede Erik Dietman und der Kanadier
wie eine ausgedehnte Performance gestaltet war und                                                                                              wie damals. Parallel zu den Demokratisierungsbestre-         Robin Page. Es war diese kosmopolitische Gruppe eher
zelebriert wurde. Und zuletzt: Einen geeigneteren                                                                                               bungen in der Politik entstanden in der Kunst umfang-        konzeptuell und intermedial arbeitender „Indepen-
architektonischen Rahmen für eine Sammlung wie die                                                                                              reiche editorische Initiativen (ars multiplicata). Gleich-   dents“, die hier parallel zu den teils agitatorisch-politi-
der Anderschs, die – so treffend Friedemann Malsch –                                                                                            zeitig setzten 1967 mit der Initiierung der ersten Messe     schen Aktivitäten rund um Joseph Beuys im pulsieren-
die Demokratisierung der Kunst in den Mittelpunkt                                                                                               für moderne Kunst, dem Kölner Kunstmarkt, radikale           den Umfeld der Kunstakademie und ihrer Studenten
rückt, könnte es kaum geben als die visionäre, offene                                                                                           Veränderungen ökonomischer und distributiver Pro-            ihre poetisch-revolutionäre Kraft entfaltete. Die Bewe-
Architektur Hans Holleins. Hollein entwickelte sie ab                                                                                           zesse in der Kunst ein.                                      gung, frischen Wind, Intellektualität und Glamour
1972 in enger Kooperation mit Cladders, der dazu                                                                                                     Zur Entstehung der Sammlung: An einem Morgen            nach Düsseldorf brachte. Man traf sich an Orten wie
festhielt: „Dann wollte ich ein demokratisches Mu-                                                                                              im Mai 1968, dem symbolischen Schlüsselmonat für             dem Künstlerlokal Creamcheese, Spoerris Restaurant
seum. Alles Autoritäre, das Absolutistische ist symme­                                                                                          den Protest der Studentenrevolte und die Neuformatie-        und der daran angeschlossenen Eat Art Gallery oder
trisch. Ich wollte ein Museum, in das man hinein                                                                                                rung einer offenen, demokratischen Gesellschaft, lernte      auch der Kunsthalle, die 1967 neu eröffnet worden war.
kommt und das keinen vorgeschriebenen Rundgang                                                                                                  Erik Andersch Daniel Spoerri und Dorothy Iannone in          Dazu merkt Daniel Spoerri an: „Es war so bumsvoll,
hat […] Ich wollte weiterhin Konfrontation.“                                                                                                    der Düsseldorfer Altstadt kennen. Von da an ging es          dass man eine halbe Stunde brauchte, um vom Eingang
                                                                                                                                                rasch: Spoerri, der in diesem Jahr sein Restaurant am        in den ersten Stock hochzukommen. Kunst war das
               LA MONTE YOUNG                                                                                                                   Burgplatz eröffnet hatte – wo Andersch später häufig         Stichwort, es war fast eine Art Religion, kann man
            COMPOSITION 1960 #13
           TO RICHARD HUELSENBECK
            THE PERFORMER SHOULD
          PREPARE ANY COMPOSITION
               ANY COMPOSITION
           AND THEN PERFORM IT AS
                WELL AS HE CAN.
              NOVEMBER 9, 1960
     Aus: An Anthology, hg. von La Monte Young
     und Jackson Mac Low, New York 1963 (s. S. 27)                                                                    Flux Year Box 2, 1966,
                                                                                                                      Holzkasten,
Viele Ideen der späten 1960er-Jahre finden sich bei                                                                   20,4 × 20,4 × 8,7 cm,
                                                                                                                      Inhalt: Super 8 mm-
Fluxus als Wegbereiter der konzeptuellen Kunst vorfor-    losigkeit, Emanzipation, Gleichberechtigung und am          Filmstreifen mit Hand-
muliert. Sammlung und Archiv Andersch entstanden          Schaffen eines veränderten intellektuellen und physi-       projektor, Spielkarten,
vor einer Kulisse außergewöhnlicher Auf- und Umbrü-       schen Bewusstseins. „SOZIALE REVOLUTION,                    Puzzles, Events und
                                                                                                                      Spielzeug von Eric
che in Kunst, Gesellschaft und Politik. An den Univer-    SEXUELLE REVOLUTION, POETISCHE REVO-                        Andersen, George
sitäten bündelten sich die Kräfte der Studentenrevolte,   LUTION“ hielt Robert Filliou als notwendige Anliegen        Brecht, Christo, George
die gegen den „Muff von 1.000 Jahren unter den Tala-      der Zeit in seinem kollektiven Buchprojekt „Lehren          Maciunas, Claes Olden-
ren“, gegen Notstandsgesetze, amerikanischen Imperia-     und Lernen als Auffuehrungskuenste/Teaching and             burg, Yoko Ono u.a.
                                                                                                                      Herausgeber: George
lismus und gegen den Vietnamkrieg protestierten. Man      Learning as Performing Arts“ fest, das – 1971 in Filli-     Maciunas, Edition
arbeitete an Themen wie Herrschafts- und Hierarchie-      ous Düsseldorfer Jahren publiziert – heute so aktuell ist   Fluxus, New York                                                                       Robert Filliou, Hand Show, 1967, 30 × 24,2 × 4 cm, Holz­
                                                                                                                                                                                                             kasten mit herausziehbarem Deckel aus Plexiglas mit auf-
                                                                                                                                                                                                             gedruckter Anleitung zum Handlesen, Inhalt: 25 Offset­
                                                                                                                                                                                                             drucke nach Fotos von Scott Hyde der jeweils linken Hand
                                                                                                                                                                                                             von 25 Künstlern, Herausgeber: Saba Studio, Villingen
24                                                                                                                                              ARSPROTOTO 3 2018                                                                                                   25
sagen [...] Und das Restaurant Spoerri war gleich neben                                                                                                                                        fassender Weise die Ausstellungsgeschichte der Künstle-
der Kunsthalle, und die Leute sind auch dorthin ge-                                                                                                                                            rinnen und Künstler, sei es durch Kataloge, Plakate,
strömt.“ Erik und Dorothee Andersch waren maßgeb-                                                                                                                                              Korrespondenzen und Zeitungsdokumentationen. Dies
lich daran beteiligt, dass dieser Freundeskreis ab 1968                                                                                                                                        alles wurde im engen Kontakt mit den Künstlerinnen
für einige Jahre in der Stadt blieb, bevor er weiterzog                                                                                                                                        und Künstlern zusammengetragen, wovon zahlreiche
und in verschiedene Länder versprengt wurde. Das                                                                                                                                               den Sammlern gewidmete Objekte und Zeichnungen
hatte auch ganz pragmatische Gründe: „Düsseldorf ist                                                                                                                                           sowie auch ausführliche Korrespondenzen zeugen. Auf
ein guter Platz zum Schlafen“ ist ein von Robert Filliou                                                                                                                                       diese Weise ist über Jahrzehnte eine Sammlung zu
überliefertes Statement, das sich auf die große Loyalität                                                                                                                                      FLUXUS und seinem Umfeld entstanden, die in ihrer
der Freunde bezieht, die sich 1968 in bemerkenswerter                                                                                                                                          Gewichtung, Kohärenz und Dichte auf einzigartige
Solidarität zusammengeschlossen hatten, um den                                                                                                                                                 Weise die kreative Aktivität von FLUXUS und dessen
Lebensunterhalt des damals mittellosen Filliou und                                                                                                                                             intermediären Ansatz zwischen bildender Kunst, Mu-
seiner Familie zu sichern. Dazu zählten die Mäzenin                                                                                                                                            sik, Poesie und Aktion abbildet.“ Unter vielen Samm-
Gabriele Henkel und ihre Schwester Hete Hünermann,                                                                                                                                             lungsschwerpunkten (Beuys, Schmit, Spoerri, Thom-
Karl Gerstner, Daniel Spoerri, Dieter Roth, Dorothy                                                                                                                                            kins, Vautier, Vostell etc.) ragen als besondere heraus:
                                                            Robin Page, Survival Telescope, 1973, 36 × 46 ×
Iannone ebenso wie der Sammler Wolfgang Feelisch,                                                                                                                                              ein nahezu kompletter Bestand historischer Fluxus-­
                                                            32,5 cm, Holz, Leinwand, Teleskop und Joint
der Initiator des Vice-Versands („Zeitkunst im Haus-                                                                                                                                           Materialien, der vor allem auch in Prozessen des
halt“) in Remscheid. Erik Andersch arbeitete damals als                                                                                                                                        „Schenkens, Tauschens und gegenseitig Ergänzens“
Sonderpädagoge an einer Schule in Düsseldorf-Garath,                                                                                                                                           und im Austausch mit befreundeten Fluxus-Sammlern
beschäftigte sich schon professionell mit alternativen                                                                                                                                         wie Hanns Sohm oder Hermann Braun entstand. Dazu
Modellen des „Lehren und Lernens“ – so wie auch                                                                                                                                                besonders umfangreiche Objektgruppen von Robert
Beuys, Filliou und Dieter Roth. Gleichzeitig leitete er                                                                                                                                        Filliou und George Brecht, sämtliche Graphiken von
das Studentenheim „Regenbogen“, das ursprünglich                                                                                                                                               Dieter Roth sowie beeindruckende Werkkonvolute von
von dem libanesischen Dominikanerpater Sheik Malik                                                                                                                                             Dorothy Iannone und Takako Saito. Die autonomen
und der „afroasiatischen Arbeitsgemeinschaft“ mit dem                                                                                                                                          Arbeitsansätze beider Künstlerinnen blieben lange Zeit
Ziel gegründet worden war, ausländischen Studenten                                                                                                                                             überdeckt von denjenigen männlicher Kollegen. Sie
Zimmer zu vermieten, die ansonsten kaum Chancen                                                                                                                                                treten erst allmählich ins kunsthistorische Bewusstsein
auf dem Wohnungsmarkt hatten. Für Künstler wie                                                                         Actions/Agit-Pop/De-Collage/Happening/Events/Antiart/L’autrisme/        und somit zukünftig ins Zentrum der Forschung. Dem
Filliou, Brecht, Saito, Page und Paik wurden Anderschs                                                                 Art Total/ReFluxus – Festival der neuen Kunst, Programm & Doku-         paradoxen Umstand, dass – streng genommen – weder
                                                                                                                       mentations-Publikation, 29,7 × 21 cm, Herausgeber: Tomas Schmit
Wohnung und das Wohnheim zur zentralen Anlauf-                                                                         und Wolf Vostell, Köln, 1964                                            Roth noch Iannone (noch einige weitere Künstler der
stelle. Sie lebten hier oft über Monate. Das brachte den                                                                                                                                       Sammlung Andersch) zu Fluxus zählen, trägt Dorothy
Sammlern, die also auch ganz praktisch zur Existenz­                                                                                 Schachteln, die mehrere Sinne gleichzeitig ansprachen.    Iannone in ihrem schönen Text A FLUXUS ESSAY
sicherung beitrugen, die höchste Anerkennung und                                                                                     Das war Fluxus: Musik, Kunst, Objekte, Malerei, auch      AND AN AUDACIOUS ANNOUNCEMENT
Liebe vieler Künstler ein. Dazu Andersch: „Bei uns                                                                                   Graphik. Das war das, was mich am Anfang am meis-         kommentierend Rechnung.
konnte man immer wohnen. Die Künstler haben sich                                                                                     ten dabei beeindruckt hatte: Der Umgang der Künstler           Als Kunsthistorikerin faszinierten mich im Zusam-
alle wohl gefühlt. Und wenn wir etwas für sie tun                                                                                    miteinander – kein Futterneid – und auch die Art der      menhang mit der Sammlung Andersch stets folgende
konnten, haben wir das getan.“ Fotografierend hielt                                                                                  Kunst. Das war für mich ganz neu. Vorher ging man         Aspekte: Zum einen, wie hier die von George Maciunas
Erik Andersch die „Fête Permanente“ als kollaboratives                                                                               durch ein Museum, sah Bilder an der Wand, immer
Projekt fest: Sein umfangreiches Fotoarchiv macht                                                                                    nur ‚Rubens-Säle‘… Auf einmal sah man etwas, das
sichtbar, wie intensiv das gesamte Lebensumfeld der                                                                                  man in Schachteln tun konnte, oder das mit Musik zu
Familie nicht nur als eine äußerst lebendige Kommuni-                                                                                tun hatte – Partituren. ‚Notations‘, das Buch, das John
kationsplattform, sondern auch als Produktionsstätte                                                                                 Cage mit Alison Knowles herausgebracht hat, war eins
genutzt wurde. Über Jahrzehnte entstand so eine glei-                                                                                meiner ersten Lieblingsbücher. Das ist ja so ein tolles
chermaßen diverse wie homogene Sammlung, die mehr                                                                                    Buch, ein tolles Kunstbuch. Das andere ist die ‚Antho-
als andere als ein eigenes kreatives Werk anzusehen ist.                                                                             logy of Concrete Poetry‘ von Emmett Williams. Das
Hier materialisiert sich die „Création Permanente“ bis                                                                               waren wirklich meine ersten Lieblingsbücher. Natürlich
heute immer wieder aufs Neue.                                                                                                        kamen später andere hinzu.“
     Auf meine Frage, was Erik Andersch an Fluxus                                                                                         Friedemann Malsch, der die Sammlung 1992 in
besonders fasziniert habe, antwortet er: „Das waren                                                                                  einer großen Ausstellung im Bielefelder Kunstverein
mehrere Aspekte: Von einem Fluxus-Künstler habe ich                                                                                  vorstellte, skizziert die Bestände sehr anschaulich:
nie etwas Schlechtes über einen anderen gehört, auch                                                                                 „Neben herausragend wichtigen Einzelwerken umfasst
wenn sie vollkommen verschieden waren. Sie haben                                                                                     sie ebenso wichtige Auflagenobjekte, Editionen und                  An Anthology, Herausgeber: La Monte Young und
sich gegenseitig unterstützt. Das hat mich sehr beein-                                                                               Druckgraphik sowie andere Medien wie Schallplatten,                 Jackson MacLow, Design: George Maciunas, New
                                                                                                                                                                                                         York 1963, 19,7 × 22,7 cm, verschiedenfarbige
druckt. Und dann beeindruckte mich, dass auf einmal         Arman, Poubelle, 1964, 60 × 40 × 11 cm auf 72 × 52 cm,                   Postkarten, Flugblätter, Zeitschriften und Künstler­                Papiere, mit zahlreichen Abbildungen und colla-
die Multiples kamen. Die Multiples, die kleinen             Inhalt eines Papierkorbs in Plexiglaskasten, Edition MAT                 publikationen. Schließlich dokumentiert sie in um­                  gierten und perforierten Seiten, New York 1963

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