Gemeinsam durch die Ausnahmesituation - Gemeinde ...

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Attikon × Bertschikon × Buch × Gundetswil × Gündlikon × Kefikon   Mai 2020
Liebensberg × Menzengrüt × Stegen × Wiesendangen × Zünikon

 Gemeinsam durch die Ausnahmesituation
Ralf Stoob
                                                             Leiter Marktgebiet
                                                             Toggenburg-Wil-Wiesendangen

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FOKUS

 RENÉ BRÜGGER

Alt bekannt und doch auch neu
                   D    as könnte einen neuen Rekord geben ! Wenn an
                        der Frauenfelderstrasse gerade kein Auto kommt
                   und ich einfach rüberfetzen kann, müsste es klappen !
                                                                            zähle, wenn es Sie interessiert. Ich höckle nämlich oft
                                                                            im Café Meier zum Klatsch und Tratsch. In Wirklich-
                                                                            keit versuche ich, dem Dorflisi auf die Spur zu kom-
                   Ehrlich gesagt, weiss ich nicht mehr, bei welcher Zeit   men – aber bitte behalten Sie das für sich ! Schon bevor
                   mein Rekord letztlich stand, aber jedes Mal, wenn ich    ich eingezogen bin, wurde ich herzlich im Quartier
                   von Seuzach nach Wiesendangen geradelt bin, habe         empfangen. Das ist mit ein Grund, weshalb es mir in
                   ich mich so selbst angefeuert – damals in den Sechzi-    Wisi rundum wohl ist und gefällt. Zugegeben, mit mei-
                   gerjahren, als etwa 8-Jähriger.                          ner Intergration könnte es besser stehen, aber nach-
                                                                            dem ich den Comicladen in Winterthur nicht mehr
                   Durch meine Schwester, ihren                                                        habe, sollte ich da bald Fort-
                   Mann, der in Wiesendangen                                                                     schritte machen. Ei-
                   ein Elektrofachgeschäft be-                                                                  gentlich bin ich ja in
                   trieb, und ihren Kindern war                                                                 der Männerriege da-
                   ich schon früh mit Wasen-                                                                    bei, bisher war ich
                   wachs verbunden, und auch                                                                   aber nicht so fleissig.
                   später, als ich nicht mehr mit                                                              Als baldiger Rentner
                   dem Velo zu ihnen sprintete,                                                               wird sich auch das ver-
                   gab es immer wieder gute                                                                   bessern. Falls aller-
                   Gründe für einen Besuch im                                                                 dings meine neue Tä-
                   Dorf : die idyllische Badi, als                                                           tigkeit ( die ich quasi
                   Teenager attraktiv, aber                                                                 semiprofessionell aus-
                   auch die Fasnacht, die mich                                                              übe ) als Berater, Mas-
                   als treppenruntersausen-                                                                seur, Vorleser und Zu-
                   den Skifahrer oder Wahr-                                                                hörer auf grösseren
                   sager ertragen musste ...                                                              Zuspruch treffen sollte,
                   Später kam ich immer                                                                   könnte das schwieriger
                   wieder mit Wiesendangen                                                                werden ...
                   in Kontakt, sei es im Kon-
                   kurrenzkampf der Fuss-                                                               Eines meiner liebsten
                   baller ( ich war ja in Seu-                                                         Hobbys ist die Musik. Seit
                   zach im FC ) oder später                                                            vielen Jahren singe ich in
                   durch meine Tätigkeit                                                              einer lokalen Band : Purple
                   als Comiclädeler : Die                                                             Hannah. Früher nannten
                   Bibliothek war ein lang-                                                           wir uns Horrible Hannah,
                   jähriger, treuer Kunde. Mit dem begnadeten Künstler                               das hat aber manche Leute
                   Daniel Bosshart verbindet mich seit fast 30 Jahren       abgeschreckt – dabei spielen wir doch einfach klassi-
                   eine Freundschaft.                                       schen Rock und Blues.

                   U     nd nun lebe ich schon seit knapp zehn Jahren
                         hier. Nachdem ich aus Seuzach weggezogen und
                   lange im Thurgau war, kam ich auf sehr glückliche und
                                                                            M     anchem mag vielleicht mein unordentlicher
                                                                                  Garten ein Dorn im Auge sein. Der wird nun
                                                                            wohl auch mehr Pflege kriegen, seit ich nicht mehr
                   fast wundersame Weise an die Weidstrasse. Dies wäre      auswärts arbeite. Allerdings muss ich dazu sagen : Das
                   eine Geschichte, die ich Ihnen gerne persönlich er-      nennt sich heutzutage Biodiversität !

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                                             3
AUSGABENTHEMA
   THEMA

   Gemeinsam durch
   die Ausnahmesituation
   Intensive Wochen haben wir alle hinter uns. Das Corona-Virus hat unser Zusammen- und Berufsleben von
   einem auf den anderen Tag komplett verändert. Persönlichkeiten aus Politik, Gewerbe, Schule, sozialen Institu-
   tionen und Vereinen der Gemeinde Wiesendangen schildern, wie sie der Lockdown geprägt und bewegt hat.
   Die grosse Solidarität im Dorf hinterlässt schöne Spuren.

                  Urs Borer                                                   Versorgung der Bevölkerung immer gewährleistet
                  Gemeindepräsident                                           ist. Zum Glück war der Kanton Zürich betreffend Co-
                                                                              rona-Fallzahlen im Vergleich zu anderen wie Tessin
                  Schon im Januar ist das Thema Corona-Virus für mich         oder Genf weniger betroffen.
                  aktuell geworden, denn ich habe verfolgt, wie es in            Die Gemeindeverwaltung funktionierte weiter,
                  China losging. Damals bin ich bereits an Gemeinde-          teils wurde im Homeoffice, teils aber auch vor Ort im
                  schreiber Martin Schindler gelangt und wir haben            Büro gearbeitet. Wer der Risikogruppe angehört,
       Covid-19   erste Vorbereitungen für ein mögliches Notfallszena-        arbeitet weiterhin von daheim aus. Wir schlossen
                  rio getroffen. Als es dann erste Fälle in Italien gab und   jedoch die Schalter, damit die Leute nicht wegen
                  sich das Virus immer schneller ausbreitete, war mir         Kleinigkeiten vorbeikommen, die auch telefonisch
                  klar, dass wir es auch bekommen. Anfang März haben          geregelt werden können.
                  wir den Krisenstab und die Sicherheitskommission
                  der Gemeinde einberufen. Wir trafen erste Massnah-                      « S’Dorf hebed zäme.
                  men und waren gut vorbereitet, als der Bundesrat                          Das ist in einer Krise
                  am 16. März den Lockdown ausrief. Da damit zu rech-                       wie dieser wichtig. »
                  nen war, hatten wir zwei Tage zuvor noch eine Sit-
                  zung abgehalten. An dieser ging es primär um die            Zwei Gemeinderatssitzungen hielten wir per Telefon-
                  Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung von           konferenz ab. Am 20. April trafen wir uns persönlich
                  Wiesendangen. Wir sprachen mit Coop, Volg und der           im Sitzungszimmer, wo wir die Tische verlängerten,
                  Bäckerei Meier darüber, überprüften die Wasserver-          um die Abstandsregeln einzuhalten. Auch die jüngste
                  sorgung auf dem Gemeindegebiet und regelten in-             Sitzung vom 4. Mai führten wir so durch. Den Gemein-
                  terne Stellvertretungen für den Fall der Fälle.             deratsmitgliedern war es wichtig, sich zu sehen.
                     Nach dem Lockdown haben wir einen Brief an die              Die Bevölkerung der Gemeinde Wiesendangen
                  Bevölkerung verfasst und in alle Haushalte der Ge-          verhielt sich sehr diszipliniert. Die Abstandsregeln
                  meinde verschickt. Über die News-App der Gemeinde           werden weiterhin eingehalten. Die Bevölkerung
                  informierten wir die Leute laufend. Wir achteten dar-       zeigte sich dankbar, dass die Gemeinde ihre Dienst-
    Urs Borer     auf, gut vorbereitet zu sein, falls es noch schlimmer       leistungen aufrecht hielt. Wir haben einen Einkaufs-
im Homeoffice     gekommen wäre. Uns war vor allem wichtig, dass die          dienst für ältere Leute organisiert. Sehr viele Freiwil-
                                                                              lige – über 90 – meldeten sich. Die Nachfrage war viel
                                                                              kleiner, nur etwa 20 kamen zum Einsatz. Wir sind der
                                                                              Bevölkerung für ihre grosse Bereitschaft sehr dank-
                                                                              bar. Man kann sagen : « S’Dorf hebed zäme. » Das ist in
                                                                              einer Krise wie dieser wichtig.
                                                                                 Und die Krise ist noch nicht vorbei, sie wird uns
                                                                              noch lange beschäftigen. Damit es keine zweite Welle
                                                                              gibt, müssen wir die Hygienemassnahmen weiterhin
                                                                              einhalten. Es wird wohl noch länger dauern, bis wir
                                                                              wieder im Normalmodus sind. Ich hoffe, dass die
                                                                              Contact-Tracing-App bald allen zur Verfügung steht
                                                                              und die Testkapazitäten heraufgefahren werden.
                                                                              Doch solange kein Impfstoff vorhanden ist, wird es
                                                                              wohl gewisse Einschränkungen im Zusammenleben
                                                                              geben. Nun brauchen wir alle vor allem Geduld.

   4                                                                                                               De Wisidanger — Mai 2020
Martin Hübscher                                           Schädlinge. Damit müssen wir seit jeher umgehen. Ex-
Landwirt und Inhaber Obstbau in                           treme Schwankungen im Unternehmensergebnis gibt
Liebensberg, Kantonsrat ( SVP )                           es daher immer wieder. Das ist mit ein Grund, weshalb
                                                          viele Bauernfamilien mehrere Betriebszweige haben.
Unseren Bauernbetrieb mussten wir kurzfristig der
neuen Situation anpassen. Denn vom einen auf den                « Aus der Bevölkerung spürten
anderen Tag lief über den Horeka, den Zulieferer für              wir Solidarität, die von allen
Gastronomiebedarf, nichts mehr. Dafür stieg die Nach-             Seiten kam. »
frage von Privatkunden und im Hofladen enorm an.
Wir sind froh, konnten wir so unser Obst und andere       Als Kantonsrat waren die Online-Sitzungen eine mar-
Produkte verkaufen, sonst hätten wir ein grosses Ab-      kante Umstellung. Die Zeitersparnis schätzte ich sehr
satzproblem bekommen. So sind wir mit blauem Auge         und hoffe, dass wir auch künftig einen Teil unserer Sit-
davon gekommen. Aus der Bevölkerung spürten wir           zungen so abhalten. Doch es ist auch wichtig, dass wir
Solidarität, die von allen Seiten kam. Die Leute schät-   uns wieder im Kantonsratssaal treffen. Wir kommuni-
zen es sehr, Nahrungsmittel vor Ort kaufen zu können.     zieren ja nicht nur mit Ton und Mimik miteinander,
   Gewöhnungsbedürftig war, dass wir Ersatzteile für      sondern als Ganzes und das kommt in einer Videokon-
Maschinen anders beschaffen mussten. Was man              ferenz nicht rüber. Als Mitglied der Geschäftsleitung
sonst einfach abholen konnte, musste entweder tele-       des Kantonsrates war ich an wichtigen Beschlüssen
fonisch oder online bestellt werden, das bedeutete        beteiligt. Wir mussten den richtigen Weg zwischen Mit-
mehr Aufwand. Teilweise mussten wir gar Lösungen          tragen und Pflicht als Legislative finden, ohne dabei
ohne Ersatzteile finden. Nicht immer alles zu haben,      die Aufsicht über die Exekutive zu verlieren. Über alle
das kennen wir sonst nur vom Ausland her.                 Fraktionen hinweg waren wir uns einig, dass wir keine
   Wir Bauern sind uns gewohnt, nicht ständig alles un-   ungarischen Verhältnisse wollen. Wir haben im Kanton
ter Kontrolle zu haben und immer wieder mir neuen He-     Zürich aber einen guten Weg gefunden, um als Legisla-
rausforderungen der Natur konfrontiert zu sein. Seien     tive unseren wichtigsten Geschäften nachgehen zu
es Wetterereignisse wie Frost, Krankheiten oder neue      können.

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                             5
THEMA
AUSGABENTHEMA

                Marc Rommel
                Hausarzt ( Dr. med. ),
                Gemeinschaftspraxis Wiesendangen

                Als Arzt bin ich in erster Linie froh, dass wir in der Ge-
                meinde zu jeder Zeit eine sehr entspannte Situation
                hatten und weiterhin haben. Wir haben in unserer Pra-
                xis rund 100 Corona-Tests durchgeführt und lediglich
                vier davon wurden als positiv nachgewiesen. Zwei
                getestete Personen waren Auswärtige. Das Virus hat
                nur zwei Wiesendanger erwischt und die hatten kaum
                Symptome. Die Tests führten wir nach BAG-Vorgaben in
                separaten Räumlichkeiten durch, es ist daher gar nicht
                gefährlich, bei uns vorbeizukommen. Dennoch hatten
                wir in den letzten Wochen 70 Prozent weniger Patien-
                ten bei uns. Dieser markante Rückgang ist für uns nicht
                erfreulich, wir müssen ihn nun hinnehmen. Wir sehen
                es so, dass wir dadurch unseren Beitrag zum Schutz der
                Allgemeinheit leisten und das machen wir gerne.
                   Die Massnahmen des Bundesrates waren anfangs
                sehr sinnvoll, um eine schnelle Verbreitung des Virus
                zu vermeiden. Mit vertieftem Einblick in die Thematik
                und neuen Erkenntnissen, zu Covid-19 erachte ich es
                aber als genauso sinnvoll, dass nun wieder eine Öff-
                nung stattfindet.

                     « Die Wiesendanger Bevölkerung
                       hat sich gut an die Hygiene-
                       vorschriften gehalten. »

                Die Isolierung von alten Leuten hat zu deren Vereinsa-
                mung geführt, nun wird es Zeit, dass sie wieder raus
                können. Schwer Erkrankte oder Menschen mit weniger

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gutem Allgemeinzustand gilt es allerdings weiterhin zu     noch ein Thema, wobei mich erstaunte, dass lange
schützen. Gesunde Personen sind aus meiner Sicht           kaum jemand Kritik dazu äusserte.
nicht schwer gefährdet.                                       Das Virus hat uns mit einer Brutalität konfrontiert, die
   Erleichtert bin ich als zuständiger Arzt des Zentrums   ich radikale Sterblichkeit nenne. Unsere selbstgefällige,
Wiesental darüber, dass wir keine infizierte Person        komfortable Lebensart wurde von etwas Unsichtbarem
hatten. Das gilt sowohl für die Patienten als auch das     auf dem falschen Fuss erwischt. Das zeigt, wie schnell
Pflegepersonal. Da waren und sind wir in einer sehr        alles anders sein kann. Und viele Menschen klammern
komfortablen Situation. Beiden Seiten kann ich ein ho-     sich an die vermeintlich wertfreie Wissenschaft, Glaube
hes Lob aussprechen, sie haben sich immer vorbildlich      und Religion gehen dabei leider vergessen.
verhalten. Dasselbe gilt für die Wiesendanger Bevölke-        Unsere Kirche war offensichtlich überfordert mit der
rung, sie hat sich gut an die Hygienevorschriften gehal-   Situation. Der Zürcher Kirchenrat blieb stumm, statt
ten. Nichts von dem, was jeweils in der Presse stand,      den Menschen Ratschläge und Halt zu geben. Der Papst
haben wir hier erleben müssen. Für mich ist es erfreu-     gab an Ostern immerhin noch seinen Segen auf dem
lich, diese positive Entwicklung begleiten zu können.      leeren Petersplatz, was ein eindrückliches Bild war.
   Bezüglich Tests gehen wir weiterhin nach den BAG-
Vorgaben vor. Das heisst, dass wir derzeit nur jene                 « Es kann auch eine Chance
Personen testen, die Symptome aufweisen. Die soge-                    sein, wenn etwas nicht
nannten Antikörper-Tests, bei denen ersichtlich wird,                 stattfindet. »
ob jemand schon infiziert war und das Virus hatte, sind
nun durchführbar. Die Interpretation des Resultats         Die Isolation von alten und schwerkranken Menschen
eines möglich positiven Tests sollte jedoch nicht zu       finde ich gesellschaftlich das Schlimmste. Ihnen wird
einem falsch verstandenen Sicherheitsgefühl führen,        Nähe vorenthalten, die sehr wichtig wäre. Dabei gibt es
da wir weiterhin nicht wissen, ob eine Immunität, und      Senioren, die lieber ihre Angehörigen umarmen und
wenn ja, in welchem Zeitraum vorliegt.                     früher sterben würden. Bedenken dazu werden unter
                                                           Hygienebedenken unter den Tisch gewischt. Unser
Michael Baumann                                            Selbstbestimmungsrecht wurde ausgehebelt, damit
Pfarrer evang.-ref. Kirchgemeinde                          wir möglichst schnell wieder zum Konsum und zum
                                                           vorherigen Zustand zurückkehren. Aber ob der so
Mich bewegten verschiedene Aspekte : Am meisten fiel       schnell wieder kommt ?
mir auf, dass die Leute die Situation ganz unterschied-       Innerhalb der Kirchgemeinde Wiesendangen muss-
lich wahrgenommen haben. Es gab ältere Menschen,           ten wir viel umorganisieren und absagen. Gottes-
die wahnsinnig Angst hatten. Aber auch solche, die sehr    dienste, Taufen und Andachten konnten wir nicht mehr
gelassen mit der drohenden, unsichtbaren Gefahr um-        abhalten. Es herrschte Stillstand. Die Konfirmationen
gingen. Auch die Jungen waren hin- und hergerissen.        wurden verschoben, sie sollen nach den Sommerfe-
   Der Lockdown hat viele Irritationen ausgelöst. Wir      rien erfolgen. Das Konf-Lager fällt leider aus. Das alles
wurden plötzlich genötigt, uns damit zu befassen, was      war sehr einschneidend. Wir sind aber dankbar, dass
in unserem Leben wirklich wichtig ist. Wir mussten         nun wenigstens Beerdigungen im kleinen Kreis auch
überlegen : Was wollen wir und was nicht ? Viele durften   wieder in der Kirche möglich sind. Die Einschränkun-
nicht mehr arbeiten, ihr Alltag wurde auf den Kopf         gen nehmen langsam und stetig ab.
gestellt. Draussen wurden wir mit markanten Verän-            Sehr bewegt hat mich, als wir eine Andacht im Al-
derungen konfrontiert. Die Bodenmarkierungen vor           tersheim absagen mussten. Der Pflegedienstleiter und
der Post ähneln einer Landebahn am Flughafen Zürich,       die Bewohner meldeten sich dann per Skype bei mir.            Buntbemalte
beim Einkaufen sind Leute mit eigens gebastelten           Drei hochbetagte, über 90-Jährige, kamen problemlos           Steinschlange
Masken anzutreffen, die anderen aus dem Weg gehen.         mit Kopfhörer und Mikrophon zurecht. Das Bild wider-
Andere nahmen es locker und diskutierten schon über        legt das Vorurteil, dass alte Menschen die neue Tech-         Blick vom Kirch-
nächste Kreuzfahrten. In den Medien herrschte nur          nik nicht benutzen. Im Netz gab es aber auch Kurioses         turm auf das Dorf
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       wie Pfarrkollegen, die alleine in Kirchen Lieder sangen      werden die Corona-Krise nicht überleben. All die Milli-
       und auf Youtube stellten. Alles können wir halt nicht ins    arden-Kredite und Hilfsleistungen sind wichtig und gut,
       Internet verlegen, persönliche Kontakte haben eine           aber der fehlende Umsatz ist verbrannt. Es wird man-
       andere Qualität als virtuelle.                               chen Betrieben nicht reichen, in den nächsten Jahren
          Aber es kann auch eine Chance sein, wenn etwas            wieder auf die Beine zu kommen. Vielen Leuten ist gar
       nicht stattfindet. Man kommt aus dem Trott und kann          noch nicht bewusst, welche Folgen der Lockdown lang-
       über vieles nachdenken. Leider tendieren wir nun             fristig hat. Wir haben nun die Sofortmassnahmen ge-
       dazu, zu sagen : « Oh, jetzt ist alles vorbei – machen wir   spürt, doch was richtig weh tut, kommt in den nächsten
       weiter wie vorher. » Das finde ich heikel.                   Monaten und Jahren. Die Arbeitslosenzahlen werden
                                                                    weiter in die Höhe schnellen. Die aktuellen Zahlen sind
       Ruedi Meier                                                  erst der Anfang, quasi die Spitze des Eisbergs.
       Inhaber Bäckerei Meier,                                          Die Zukunftsaussichten sind auch für unser Ge-
       Präsident Gewerbeverein                                      schäft eher schwierig. Grossanlässe wie die Musikfest-
       und Präsident FC Wiesendangen                                wochen, die wir jeweils beliefern durften, wurden be-
                                                                    reits abgesagt und weitere werden bestimmt folgen.
       Als Dorfbeck war für mich der Umgang mit der neuen           Unternehmerisch herausfordernde Zeiten kommen
       Situation eine riesige Herausforderung. Wie bei vielen       auf uns zu. Doch ich werde alles daran setzen, um all
       anderen verlief es bei uns am Anfang sehr hektisch, zu-      meine Mitarbeitenden weiterhin beschäftigen zu kön-
       mal wir fast jeden zweiten Tag neue Informationen von        nen. Das bin ich ihnen als Chef schuldig und deshalb
       Bund und Kanton erhielten. Unser Laden durfte offen          übernehme ich Verantwortung. Ich hoffe, der eine
       bleiben, den Café-Bereich mussten wir absperren. Mit         oder andere neue Kunde wird weiterhin sein Brot beim
       30 bis 35 Prozent Umsatzeinbusse rechnete ich nicht,         Dorfbeck kaufen, statt auswärts.
       das ist ein finanzieller Schock.                                 Absolut lobenswert in dieser Krise ist das Verhalten
          Vor gut zwei Monaten hätte ich eine Tausendernote         unserer Gemeinde. Da darf ich als Präsident des Ge-
       hingelegt, dass ich nie Kurzarbeit beantragen muss –         werbevereins und auch persönlich dem Gemeinderat
       nun musste ich es trotzdem tun. Mitarbeitern, die Fa-        ein Kränzchen winden. Der Gemeindepräsident fragte
       milie haben, zahle ich aber weiterhin den vollen Lohn,       immer wieder nach und auch die Polizei schaute regel-
       ich komme für die Differenz auf. Ich muss den Kopf           mässig vorbei. Das vermittelte uns Sicherheit. Gemein-
       schütteln, wenn das Militär aufgeboten wird, um die          depräsident Urs Borer hat mich übrigens schon im
       Spitäler zu entlasten und diese dann Kurzarbeit ein-         Januar angefragt, ob ich genug Mehl an Lager habe,
       führen. Würde ich so wirtschaften, ginge ich sehr            falls Wiesendangen in Quarantäne gesetzt werden
       schnell Konkurs. Auch wie massiv sich das Bundesamt          müsste. Ehrlich gesagt, habe ich ihn damals noch be-
       für Wirtschaft bezüglich zu erwartender Kurzarbeit           lächelt und war etwas überrascht über solch eine An-
       verschätzt hat, ist für mich nicht nachvollziehbar.          frage. Im Nachhinein zeigte sich nun, wie weitsichtig er
          Für Gewerbetreibende war die Ungewissheit in den          war. Dank seiner Anfrage war das Mehllager jederzeit
       vergangenen Wochen das Schlimmste. Und nun stehen            immer gut gefüllt. So hätte ich das Dorf zwei, drei Mo-
       wir vor einem wirtschaftlichen Desaster. Einige KMU          nate mit Brot versorgen können.

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Als FC-Präsident kann ich hinter dem von den Verbän-       Beat Bachmann
den beschlossenen Saisonabbruch stehen. Unsere             Inhaber Gärtnerei Bachmann
zweite Mannschaft spielte in der 4. Liga zwar vorne mit,
doch das ist in der aktuellen Situation kaum mehr von      Wie beschreibe ich meine letzten Wochen ? ( Anmer-
Bedeutung. Die Zwangspause ist für alle Fussballbe-        kung : Beat Bachmann legt eine längere Denkpause ein
geisterten hart, doch wir werden sie zweifelsohne          und legt erst dann los. ) Die Ungewissheit plagte uns,
überleben – auch als Verein. Finanziell machen wir in      gerade am Anfang. Wir wussten nicht recht, was er-
dieser Saison vielleicht sogar noch einen kleinen Ge-      laubt ist und was nicht. Weil in der Gartenbranche alles     « Übung » vorzeitig
winn, da der Spielbetrieb ausfällt und bei uns sehr viel   kantonal geregelt worden ist. Erst als Bundesrat Berset      abgebrochen
ehrenamtlich gearbeitet wird. Etwas besorgt blicke ich     sagte, dass Selbstbedienung nicht mehr erlaubt ist,
allerdings in die nächste Saison. Da könnte uns doch       war es schweizweit klar. Kräuter, Sämereien, Setzlinge
der eine oder andere Betrag fehlen. Ob und in welcher      und Erde gehören zwar zur Grundversorgung, durften
Form wir das Grümpelturnier heuer durchführen kön-         wir aber nur noch auf Bestellung zum Abholen bereit-
nen, wird sich am 27. Mai zeigen, wenn der Bundesrat       stellen. Das war mühsam und aufwändig. Mehrere Male
über die Zukunft für Veranstaltungen unter 1000 Per-       mussten wir umstellen, um weiterhin verkaufen und so
sonen informiert. Wenn es möglich ist, das Grümpi in       die grosse Nachfrage stillen zu dürfen. Die Leute hatten
irgendeiner Form abzuhalten, dann will das OK diese        ja Zeit, sie durften und wollten in den Garten. Es war für
Möglichkeit nutzen. Sollte es doch ganz abgesagt wer-      uns schwierig und streng. Wir sind eine Dorfgärtnerei,
den müssen, versuchen wir wenigstens das Schüler-          ein Familienbetrieb und kein Gartencenter mit grosser
turnier zu verschieben und dann im kleineren Rahmen        Belegschaft oder einem zahlungskräftigen Finanzap-
durchzuführen.                                             parat im Hintergrund. Aber unser Betrieb ist mit einem
                                                           breiten Sortiment gut abgestützt und darf auf eine
           « Das Verhalten unserer                         treue Stammkundschaft zählen. Darum musste ich
               Gemeinde in dieser Krise                    nicht wie andere Gärtner um die Existenz bangen.
               ist absolut lobenswert.      »                 Zu jammern gibt es nichts, denn der Lockdown hat
                                                           uns alle getroffen und wir alle hatten Mehraufwände.
Wie sich die Corona-Krise auf das Sponsoring von Ver-      Wir mussten Tag für Tag nehmen, auf die nächste Wei-
einen auswirkt, wird sich zeigen. Unser Kassier ist aber   sung des Kantons oder aus Bern warten und uns dann
gerüstet und hat diverse Szenarien ausgearbeitet. Von      an diese anpassen.
einer Illiquidität ist der FC Wiesendangen jedenfalls
weit entfernt. Letztlich stehen in unserem Verein das              « Die Solidarität im Dorf war
Soziale und der Sport im Vordergrund. Die gemein-                    spürbar und ich glaube, sie
same Bewegung, der Zusammenhalt und das Über-                        hält weiterhin an. »
nehmen von Verantwortung füreinander sind das                                                                           Beat und Sylvia
Wichtigste – davon profitieren auch die Kinder am          Und die Weisungen waren sinnvoll, das zeigt die Ent-         Bachmann freuen
meisten für ihr Leben. In einer solchen Krise erkennt      wicklung der Fallzahlen. Ich glaube, das Vorgehen un-        sich über den
man, ob ein Verein harmoniert und die Mitglieder sich      seres Bundesrats war nicht falsch. In Bundesbern             Besuch bekannter
zurücknehmen, um als Ganzes erfolgreich zu sein. Bei       mussten in einer Ausnahmesituation enorm schwie-             Wiesendanger
uns war und ist das der Fall.                              rige Entscheide getroffen werden. Ich hätte nicht in der     Kundschaft.

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                                          9
AUSGABENTHEMA
THEMA

                Regeln. Verbote. Geschlossen.
                Alles wird in der Anfangszeit blitzschnell und auf
                allerlei Wegen mit unkonventionellen Mitteln be-
                kanntgemacht. Es bleibt keine Zeit für grafische Meis-
                terleistungen – Hauptsache die Anweisungen sind gut
                sichtbar für die Bevölkerung. Selbst gute Ideen wie
                Selbstbedienung bleiben plötzlich und unvermittelt
                auf der Strecke. Die Flexibilität der Geschäftsleute
                und die Geduld der Kundschaft waren gefragt.
                   Schön, wenn es sich wieder hin zum Guten wendet
                und Einkaufen vor Ort oder andere Besorgungen er-
                ledigen allen viel Freude bereitet.

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Haut der Verantwortlichen sein wollen. Sie haben sich        Iren Akeret
gut « gmetzget ». Im Nachhinein zu sagen, dies und das       Ladenleiterin Volg Wiesendangen
wäre schlauer gewesen, ist derzeit nicht angebracht.
    Die Corona-Krise wird unseren Betrieb prägen. Wir        Anstrengende, aber auch sehr spannende Wochen ha-
haben Veränderungen vorgenommen, die sinnvoll                ben wir hinter uns. Wir stellten eine markante Zunahme
sind und wir vielleicht sogar beibehalten. Jede Krise        an Kunden fest. Darunter waren auch solche, die wir
bringt Veränderungen mit sich und zeigt neue Möglich-        noch nie in unserem Laden gesehen haben. Es war inte-
keiten auf, die man vorher vor lauter Betriebsblindheit      ressant zu sehen, wie sich die Kunden wegen des Co-
nicht gesehen hat. Was sich bewähren wird, sehen wir         rona-Virus verhalten. Ältere Personen haben sich weniger
wohl erst nächstes Jahr.                                     an die Abstandsregeln gehalten als junge. Bei uns kauf-
    Wir hatten während des Lockdowns nie das Gefühl,         ten bis zur Lockerung des Lockdowns mehrheitlich Leute
dass wir hier oben vergessen gehen. Die Solidarität im       aus dem Dorf ein. Lange Warteschlagen gab es nie, die
Dorf war spürbar und ich glaube, sie hält weiterhin an.      Kunden schätzen es sehr, ihre Einkäufe in Ruhe tätigen
Riesig war die Solidarität innerhalb unserer Familie.        zu können. Nur vor den Oster-Festtagen stand ein Secu-
Meine Frau Sylvia und ich hätten all die Anpassungen         rity vor dem Eingang und achtete darauf, dass nicht zu
in der Gärtnerei nicht ohne die Hilfe unserer drei Söhne     viele Leute gleichzeitig in den Laden gingen. Die gelben
vollziehen können. Samuel ( 19 ), Jan ( 17 ) und Andrin      Linien am Boden für die Einhaltung des Abstands haben
( 15 ) haben sich wirklich sehr eingesetzt. Die beiden äl-   sich bewährt. Wir halten uns an die Vorschriften.
teren haben sogar extra Ferien bezogen, um uns zu
unterstützen. Dass sie von ihren Lehrbetrieben so                    « Freiwillige haben für ältere
kurzfristig frei bekommen haben, war auch alles an-                     oder gefährdete Menschen
dere als selbstverständlich. Auch meine Eltern haben                    Einkäufe getätigt und nach
dort wo sie durften mitangepackt. Ihnen und allen                       Hause gebracht.       »
anderen Helfern bin ich sehr dankbar – und ich hebe
dies hervor, da ich meinen Dank nicht nur in Form von        Manchmal ist es aber leider nicht zu verhindern, sich
Franken und Rappen an sie richten möchte.                    im Team oder den Kunden nahe zu kommen. Doch wir
                                                             alle geben unser Bestes und sind darauf eingestellt.
                                                             Wir waschen regelmässig die Hände und putzen den
                                                             Kassenbereich so oft es geht.
                                                                Mit der Gemeinde und dem Jugendtreff haben wir
                                                             super zusammengearbeitet. Freiwillige haben für ältere
                                                             oder gefährdete Menschen Einkäufe getätigt und nach
                                                             Hause gebracht. Es ist schön, dass wir unseren Teil zu
                                                             dieser Unterstützung beitragen konnten. Die Leute sind
                                                             sehr dankbar und zeigten Verständnis, wenn etwas mal
                                                             nicht vorhanden respektive lieferbar war. Ich würde es
                                                             schätzen, wenn es so bliebe und kleinere Läden auch in
                                                             Zukunft beim Einkauf berücksichtigt würden.

                                                             Simone Frischknecht
                                                             Ladenleiterin Landi Wiesendangen

                                                             Sehr stressig waren die letzten Wochen. Wir mussten
                                                             unser Sortiment beschränken, durften wir doch alles
                                                             für den Garten nicht verkaufen. Aufgrund der vielen
                                                             Vorschriften und Regeln, die immer wieder angepasst
                                                             wurden, dachten wir gar über eine Ladenschliessung
                                                             nach. Wir entschieden uns aber dagegen und boten un-
                                                             seren Kunden an, die nicht zum Direktverkauf freige-
                                                             gebenen Waren per E-Mail zu bestellen und stellten sie
                                                             dann zum Abholen bereit. Zu Beginn des Lockdowns
                                                             waren dies zehn Bestellungen pro Tag. Diese Möglichkeit
                                                             hat sich herumgesprochen, weshalb dann täglich bis zu
Fast alles abgesperrt oder abgedeckt. Was kann               80 Bestellungen eingingen. Diese zu bearbeiten und zu
die Kundschaft da noch kaufen im Landi-Laden ?               koordinieren war entsprechend aufwändig. Die Kun-

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                                11
THEMA
        AUSGABENTHEMA

                       den schätzten unsere Dienstleistung sehr und auch,
                       dass wir überhaupt geöffnet hatten.
                          In den ersten Lockdown-Tagen haben viele Kunden
                       die Sortimentsabgrenzung hinterfragt. Uns sind die
                       Antworten ausgegangen und manchmal reagierten wir
                       vielleicht etwas forsch auf die vielen Fragen. Dafür ent-
                       schuldigen wir uns. Wir standen unter enormem Druck
                       und waren deshalb etwas dünnhäutig. Auch wir konn-
                       ten nicht verstehen, weshalb keine Setzlinge, Blumen
                       oder Erde verkauft werden durften. Die Polizei tauchte
                       immer wieder auf und machte, teils auch in zivil, Kont-
                       rollen. Am Anfang waren die Beamten sehr scharf.

                             « Die Kunden schätzten unsere                         Voll im Einsatz für die Kunden
                                Dienstleistung sehr und auch,
                                dass wir überhaupt geöffnet                        Suad Mehmedi
                                hatten.    »                                       Wirt Restaurant und
                                                                                   Pizza-Kurier al Wisent
                       Nun sind wir froh, dass unsere Kunden wieder alles ein-
                       kaufen und wir die persönlichen Kontakte zu ihnen           Dank unserem Pizza-Kurier und der Möglichkeit, Speis
                       wieder pflegen können. Die haben wir sehr vermisst.         und Trank auch Take-away anbieten zu können, konn-
                       Natürlich müssen wir die Hygienemassnahmen und              ten wir weitermachen. Das Restaurant mussten wir vo-
                       Abstandsregeln einhalten. Wir haben den Laden so            rübergehend schliessen, nun ist es seit 11. Mai wieder
                       umgestellt und eingerichtet, dass die Kunden im Ein-        offen. Die Öffnungszeiten mussten wir aber anpassen.
                       wegprinzip an den Regalen vorbei gehen. Manchmal            Vorerst bleibt es am Morgen zum Znüni und am Nach-
 Es läuft wieder im    müssen wir ihnen noch den Weg weisen. Mir ist aufge-        mittag jeweils zu, da wir keine unnötigen Personal-
Landi-Laden ! Auch     fallen, dass inzwischen viele mit Masken in den Laden       kosten verursachen wollen.
    Simone Frisch-     kommen. Und leider geht das Abstandeinhalten zu
  knecht freut sich    schnell vergessen. Da haben viele schon nachgelassen           « Wir spüren eine überaus grosse
     auf ihre Kund-    oder vielleicht immer noch das Gefühl, dass das Virus             Solidarität von der Dorfbevölke-
             schaft.   sie nicht erwischt.                                               rung und sind ihr sehr dankbar.               »
                                                                                   Für meine Angestellten musste ich Kurzarbeit anmel-
                                                                                   den, konnte ich doch einige nur noch am Wochenende
                                                                                   zu den Stosszeiten unseres Lieferdienstes arbeiten
                                                                                   lassen. Manchmal haben wir personelle Engpässe,
                                                                                   dann biete ich jeweils kurzfristig jemanden zum Pizza-
                                                                                   Ausliefern auf.
                                                                                      Da ich Erfahrung mit Kurierdienst und Take-away
                                                                                   von meinem früheren Gastrobetrieb in Winterthur
                                                                                   habe, konnten wir uns auf den Ansturm vorbereiten.
                                                                                   Und dieser kam dann auch, vor allem am Wochenende
                                                                                   war die Nachfrage riesig und sie ist es weiterhin. Wir
                                                                                   spüren eine überaus grosse Solidarität von der Dorfbe-
                                                                                   völkerung und sind ihr sehr dankbar. Manchmal gerie-
                                                                                   ten wir an den Anschlag. Einmal fiel leider das Internet
                                                                                   aus, wodurch es zu einem Stau der Bestellungen kam.
                                                                                   Wir versuchten dann, alle Kunden über die Verzöge-
                                                                                   rung zu informieren und sie zeigten allesamt grosses
                                                                                   Verständnis.
                                                                                      Damit ich weiterhin im Dorf wirten kann, werde ich
                                                                                   alles unternehmen. Im Wissen, dass in den nächsten
                                                                                   Monaten wohl weniger Leute zum Essen ins Restaurant
                                                                                   kommen, werden wir unseren Auslieferdienst noch
                                                                                   leicht ausbauen. So werden wir der Nachfrage gerecht.

                                                                                                                        De Wisidanger — Mai 2020
Stefan & Sonja Thalmann                                      Die Sicherheitsvorschriften schränken unseren Be-
Inhaber Wirtschaft zum Lindenhof,                            trieb zwar recht ein. Um die Abstände zwischen den
Gundetswil                                                   Gästen zu gewährleisten, mussten wir Tische aus der
                                                             Gaststube räumen. Wir dürfen keine Zeitungen oder
Der Lockdown hat sich abgezeichnet, manche wollten           anderes auflegen, was die Gäste untereinander
das aber nicht wahrhaben. Als ich mich ein paar Tage         herumreichen könnten. Selbst in den WCs mussten
zuvor mit einem Gast darüber unterhielt, meinte der :        wir Absperrungen vornehmen. Für die Gäste steht
« Aber ihr müsst nicht schliessen, oder ? » Als würde es     beim Eingang Desinfektionsmittel bereit und wir sind
uns auf dem Land nicht auch erwischen.                       alle daran, vieles und vor allem die Hände häufig zu
   Wir haben dann unseren Betrieb ganz herunter              desinfizieren. Im Service verzichten wir vorläufig auf
gefahren und alles geputzt. Statt Nahrungsmittel ein-        Schutzmasken, in der Küche werden sie während den
fach zu entsorgen, konnten wir diese an Bekannte             Servicezeiten getragen. Bei uns arbeiten vier Personen
verkaufen. In den ersten Wochen herrschte eine grosse        in der Küche und die können die Abstandsregeln beim
Unsicherheit darüber, wie es weitergeht. Uns Gastrobe-       Kochen kaum einhalten. Doch nach Feierabend dürf-
trieben wurden immer wieder verschiedene und teils           ten sie sich theoretisch ja auch zusammen an einen
widersprüchliche Auskünfte erteilt. Der Gastroverband        Tisch setzen. Allein dieses Beispiel zeigt, zu welchen
ging zuerst von einer viel kürzeren Schliessungszeit,        Widersprüchen die Massnahmen führen. Wir müssen
von zwei bis drei Wochen aus. Erst allmählich stellte er     einen enormen Aufwand betreiben, um die Vorschrif-
fest, dass es eine langwierige Sache geben würde. Als        ten einzuhalten. Deshalb hoffen wir schon, dass es in
der Bundesrat dann erste Lockerungen aussprach, das          absehbarer Zeit weitere Lockerungen gibt.
Gastgewerbe aber nicht erwähnte und gemunkelt                   In den letzten zweieinhalb Monaten mussten wir
wurde, dass wir erst im Juli oder August wieder öffnen       einige Reservationen streichen, unter anderem weil
könnten, bewegte einen das schon sehr. Wiederum              die Konfirmationen ausfielen. Die Kirchgemeinden der
brauchte es einige Tage, bis wir etwas Klarheit hatten.      Region haben sie zwar verschoben, doch leider viele
Der Druck des Gastroverbands führte dazu, dass ein           auf den gleichen Sonntag im Spätsommer. An diesem
schnellerer Lockerungsfahrplan beschlossen wurde.            Tag hätten wir nun 17 Konfirmations-Essen bei uns,
Darüber sind wir froh.                                       was aber unmöglich geht. Hoffentlich findet sich da
   Da wir zuvor gut gewirtschaftet hatten, mussten wir       noch eine Lösung.
uns vorerst keine Sorgen um die Existenz des Betriebs           Während der ganzen Lockdown-Zeit tauschten wir
machen. Meine Frau und ich haben die plötzlich zur Ver-      uns mit einigen Gästen telefonisch aus. Wir haben viele
fügung stehende Zeit mit unseren drei kleinen Kindern        positive Reaktionen bekommen, die uns Mut machen
genossen. Wir erlebten viele schöne Stunden, die wir         und motivieren.
im normalen Alltag so nie gehabt hätten. Unser Betrieb
blieb zum Beispiel auch an Ostern und am Muttertag
zu, solche Tage können wir sonst nie mit der Familie
verbringen.
   Seit 11. Mai ist unsere Wirtschaft wieder geöffnet. Wir
starteten zuversichtlich, wenn auch in einem kleineren
Rahmen. Es ist klar, dass wir momentan nie die Umsatz-
zahlen wie vorher erreichen werden. Doch ich bin zuver-
sichtlich, dass wir von Tag zu Tag wieder mehr Gäste ha-
ben werden und so dann unsere Kosten decken können.

      « Wir haben viele positive
          Reaktionen bekommen, die uns
          Mut machen und motivieren.             »
Zwar dürfen nur vier Personen an einen Tisch sitzen,
doch immerhin – jetzt kann man sich endlich wieder
treffen und austauschen im Restaurant. Die Gäste
schätzen das und wir sind es ihnen auch ein stückweit
schuldig, wieder für sie da zu sein. Zum Jammern ist es
der falsche Zeitpunkt. Wir Wirte können ja nicht über
die Schliessung jammern und dann immer noch, wenn
wir wieder offen haben dürfen.

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                               13
AUSGABENTHEMA
        THEMA

                       Regula Herzog                                                gefreut. An Ostern lieferte ich Tulpen auf Bestellung und
                       Inhaberin Blumen Magnolia                                    Abholung aus. Gemeinderat Stefan Nigg hat mich auf
                                                                                    diese Idee gebracht und sogar auf der Webseite des
                       Zu Beginn des Lockdowns stand ich irgendwie neben            Gewerbevereins sowie per E-Mail darauf aufmerksam
                       den Schuhen, es war wie ein Schockzustand. Mein Laden        gemacht. Die Leute hatten das Bedürfnis, Blumen zu
                       war voll mit Blumen, es ist ja Frühling. In den ersten Ta-   kaufen. Nun konnte ich am Muttertag wieder normal auf
                       gen habe ich sie per Selbstbedienung angeboten. Viele        Kundenwünsche eingehen und musste nicht alles auf
                       Leute sind gekommen und haben Blumen gekauft. Doch           Bestellung ausliefern oder zum Abholen bereitstellen
                       dieser Verkauf war ja dann nicht mehr erlaubt. Die Zeit      wie an Ostern. Das war eine Erleichterung. Im Dorf ver-
                       nutzte ich für mich, räumte den Laden auf und packte         spürte ich eine sehr grosse Solidarität, oft wurde ich auf
                       Sachen an, für die im Normalbetrieb keine Zeit bleibt.       der Strasse angesprochen und ermuntert. Zum Glück
                       Finanziell musste ich mir keine Sorgen machen, meine         kann ich nach 15 Jahren auf einen grossen und treuen
                       Treuhänderin hat mich bei der Arbeitslosenkasse ange-        Kundenstamm zählen, dem ich sehr dankbar bin, wie er
                       meldet. Es ist beruhigend zu wissen, dass die Kasse          mich durch diese Wochen getragen hat.
      Nicht erlaubt,   einen Teil der Fixkosten deckt. Da ich nur eine Teilzeit-
Initiative gestoppt.   angestellte habe, sind die Lohnkosten überschaubar.          Andrina Gugger
                          Ein Online-Angebot zog ich zwar in Betracht, doch es      Sekundarlehrerin, zuständig
                       wäre für mich mit grossem Aufwand verbunden gewe-            für pädagogischen ICT-Support
                       sen und ich hätte eine gewisse Anzahl an Bestellungen
                       haben müssen. So habe ich die Zeit gezwungenermas-           Anspruchsvoll und streng war die Zeit. Ein Grossteil
                       sen als Auszeit genommen – und zwischendurch auch            von dem, was einen Lehrer im Sozialen ausmacht, fiel
                       genossen. Ich fokussierte mich auf das Positive,             weg. Dabei sind die sozialen Kontakte so wertvoll und
                       schätzte es beispielsweise, am Morgen bei Spaziergän-        wichtig. Die Neuorganisation des Unterrichtes fernab
                       gen die Natur zu spüren statt sehr früh aufzustehen und      der Schule brauchte viel Energie. Die Schule Wie-
                       an die Blumenbörse zu gehen.                                 sendangen war optimal ausgerüstet, daher konnten
                                                                                    wir extrem schnell reagieren. Bis hinab zur 4. Klasse
                                  « Oft wurde ich auf der                           konnten wir in kürzester Zeit alle Lernenden mit einem
                                    Strasse angesprochen                            Gerät ausstatten, damit die Lehrpersonen die älteren
                                    und ermuntert. »                                Kinder optimal in ihrem Lernprozess begleiten konn-
                                                                                    ten. Auch für jüngere Jahrgänge wurde mit Hilfe der
                       Ja, der März und April sind für uns Floristen sehr umsatz-   Post eine Lösung gefunden. So mussten nicht alle Auf-
                       starke und daher auch wichtige Monate. Doch letztlich        gaben am Bildschirm gelöst werden.
Dafür ist der Laden    erging es ja allen gleich. Als die Nachricht kam, dass wir      In den ersten Tagen nach der Schulschliessung
jetzt wieder offen.    unsere Läden wieder öffnen dürfen, habe ich mich sehr        stand ich ununterbrochen unter Strom. Einerseits
                                                                                    musste ich mich um meine Klasse kümmern und ande-
                                                                                    rerseits waren ich und meine Kollegin als pädagogische
                                                                                    IT-Supporterinnen permanent gefragt. Manchmal sass
                                                                                    ich stundenlang vor dem PC und wagte mich nicht ein-
                                                                                    mal auf die Toilette, um ja nichts zu verpassen. Mit der
                                                                                    Zeit funktionierte dann alles erstaunlich gut. Die Fünft-
                                                                                    und Sechstklässler waren schon mit Geräten ausge-
                                                                                    stattet, die allerdings nicht für daheim vorgesehen
                                                                                    waren und noch technisch angepasst werden mussten.
                                                                                    Ausserdem mussten wir Supporter und Lehrpersonen
                                                                                    die Primarschüler einzeln an das neue System heran-
                                                                                    führen, was zeitintensiv war. Nach einer Woche waren
                                                                                    aber sämtliche Schüler auf unserer Plattform unter-
                                                                                    wegs. Die Schüler haben das Beste aus der Situation
                                                                                    gemacht, sie sind flexibler als Erwachsene.
                                                                                       Alle haben einen Lernprozess durchgemacht. Die
                                                                                    einen oder anderen Schüler hatten das Gefühl, sie
                                                                                    könnten bis gegen Mittag schlafen und sich erst dann
                                                                                    um den Schulstoff kümmern. Es gab dann aber solche,
                                                                                    die selber feststellten, dass sie am Morgen lernfähiger
                                                                                    sind. Wir haben ihnen oft Aufträge erteilt, die sie bis 13

        14                                                                                                                De Wisidanger — Mai 2020
Uhr zu erfüllen hatten und den Nachmittag zum Nach-
bessern nutzen konnten. Je nach Situation wurden mit
Vereinzelten individuelle Abmachungen getroffen. Ins-
gesamt lernten die Schüler vor allem voraus zu schauen,
zu planen und sich selber zu organisieren. Sie mussten
ein Tagebuch führen, sodass wir Einblick in ihre Lern-
prozesse bekamen.

            « Eine grosse Mehrheit
                brachte viel Toleranz und
                Verständnis auf, was wir
                zu spüren bekamen.       »
Wir Lehrer mussten einen Tagesablauf finden, sodass
auch wir mal Feierabend hatten. Im Bereich der Medi-
enkompetenz haben viele innert drei, vier Wochen ge-
lernt, was ihnen sonst in einem ganzen Jahr vermittelt
wird. Die Situation hatte auch Einfluss auf die Unter-
richtsplanung. Im normalen Unterricht gehen wir oft an
eine Aufgabe heran und dann stellt sich in der Praxis
heraus, dass sie nicht wie angedacht umgesetzt werden       Schulhäuser, Kindergarten und Sportplatz – gähnende Leere.
kann. Das geht beim Online-Unterricht nicht. Wir muss-
ten uns noch intensiver überlegen, welche Aufgaben
wir mit welchen Hilfsmitteln den Schülern geben.
   Alles andere als einfach war die Situation auch für
die Eltern. Manche plagten existenzielle Ängste, andere
mussten im Homeoffice arbeiten und die Kinder waren
immer daheim. Wir Lehrer haben uns alle Mühe gege-
ben, um so gut wie möglich mit den Eltern in Kontakt zu
bleiben. Schliesslich hat die Schule mit ihren Regeln ein
Stück weit ins Familiensystem eingegriffen, für alle war
das komplett neu. Wir sind froh, dass die Eltern so gut
unterstützten, gleichzeitig aber auch ihre Sorgen depo-
nierten. Eine grosse Mehrheit brachte viel Toleranz und
Verständnis auf, was wir zu spüren bekamen.
   In den letzten Wochen wurde mir wieder einmal
bewusst, was mir am Unterrichten so Spass bereitet :
Es ist der Kontakt zu den Schülern – er fehlte mir sehr.
Gemeinsam mit der ganzen Klasse im Schulzimmer zu
lachen ist ganz anders, als nur zu zweit vor dem Bild-
schirm. Das Lebendige, Lässige ging dabei etwas
verloren. Deshalb ist meine Vorfreude gross, nach den
Vorsommerferien wieder im Schulzimmer unterrich-
ten zu können. In welcher Form auch immer. Wir
werden unser Bestes geben, um trotz den speziellen
Bedingungen und den Einschränkungen allen Schü-
lern einen gelungenen Abschluss des Schuljahres be-
reiten zu können.

                                                            Ferien ? Nein, Lockdown, alles heruntergefahren.

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                                 15
THEMA
AUSGABENTHEMA

                Musikalische Unterhaltung
                Konzert im Garten mit Tabea Anderfuhren und Aaron
                Till. Sie erfreuten die Zuhörenden mit alten Schweizer
                Liedern. Doch nicht nur... auch fetzige Country-Musik
                sorgte für eine tolle Stimmung im Wiesental.

                                                    De Wisidanger — Mai 2020
Michèle Häusler
Stellenleiterin Anlaufstelle für Altersfragen

Da ich im Bereich der Risikogruppen tätig bin, musste
ich schon vor dem eigentlichen Lockdown einschnei-
dende Entscheidungen treffen und zum Beispiel das
« Kafi Sockä » und den Mittagstisch bis auf Weiteres
schliessen. Dort geht es vor allem um die Pflege sozia-
ler Kontakte. Mindestabstände sind nicht gewünscht
und daher schwierig durchzusetzen.
   Seit dem Lockdown arbeite ich von zuhause aus und
kümmere mich per Telefon oder E-Mail um unsere ältere
Generation. Anfangs erreichten mich vor allem Ein-         Michèle Häusler,
kaufswünsche. Nach etwa drei Wochen bemerkte ich,          die Organisatorin,
dass Zeit zum Nachdenken vorhanden war. Es folgten         freut sich über den
Anliegen wie das Aufsetzen von Vorsorgeaufträgen, Ein-     gelungenen Anlass
richten von Notrufservices und der Wunsch nach Ände-       für die Bewohne-
rung der Wohnsituation. Da diverse Tagesangebote           rinnen und Bewoh-
ebenfalls nicht stattfinden, melden sich inzwischen        ner der Anlaufstel-
auch Angehörige mit dem Wunsch nach Entlastung und         le für Altersfragen.
Unterstützung. Zum Glück, denn so finden wir gemein-
sam Lösungswege.
   Viele betagte Menschen sind sich unsicher, was sie
in dieser Zeit dürfen und was nicht. Manche ziehen sich
daher sicherheitshalber komplett zurück, andere wa-
gen weiterhin wertvolle Spaziergänge an der frischen
Luft. Die Zeit ist für die meisten sehr belastend. Man
vermisst die Selbstständigkeit und den physischen
Kontakt zur Familie ; hin und wieder fehlt auch das
Verständnis für die « Jungen », welche quasi noch alles
dürfen. Mühe habe ich damit, unseren Senioren / innen
beim Einkauf zu begegnen. Helfende Hände wären zur
Stelle ; aber Hilfe anzunehmen will gelernt sein. Dieses
Phänomen begleitet mich ständig, daher verkneife ich
mir in solchen Situationen den Moralapostel.

           « Man spürte einen
               Zusammenhalt, wie er
               aktuell unbezahlbar ist.     »
Um der sozialen Vereinsamung entgegenzuwirken,
habe ich im Rahmen meiner Siedlungsarbeit für die
GAW und HGW ein Balkonkonzert im Wiesental orga-
nisiert. Es war für alle Seiten eine neue und zugleich
wunderschöne Erfahrung. Die Stimmung war für
kurze Zeit sorgenfrei, gelöst, froh und entspannt und
man spürte einen Zusammenhalt, wie er aktuell un-
bezahlbar ist.
   Vor allem, was die persönlichen Beratungsgesprä-
che betrifft, wird Normalität in der Anlaufstelle noch
lange Mangelware sein. Ausgestattet mit Schutzkon-
zept, Desinfektionsmittel und Plexiglasscheibe werde
ich versuchen, diesem Ziel so nahe wie möglich zu
kommen. Mit Verständnis, Vernunft und Flexibilität
werden wir es gemeinsam erreichen.

De Wisidanger — Mai 2020                                            17
AUSGABENTHEMA
THEMA

                                                                     Rosemarie Pirisinu
                                                                     Leiterin Kindertagesstätte KiWi

                                                                     Der Entscheid, dass die Schulen am 16. März schlies-
                                                                     sen, kam für uns recht überraschend. Wir haben zwar
                                                                     mit Massnahmen gerechnet, aber nicht damit, dass es
                                                                     so schnell zu einer Schulschliessung kommt. Wir ha-
                                                                     ben dann Kontakt mit der Schule und der Gemeinde
                                                                     aufgenommen, um abzuklären, was die ausbleibende
                                                                     Kinderbetreuung für uns bedeutet. Die Gemeinde gab
                                                                     uns vor, dass wir für die Notfallbetreuung zuständig
                                                                     sind. Daher passten wir unser Angebot an. Am Vormit-
                                                                     tag betreuten wir in der Tagesstätte jeweils einige Kin-
                                                                     der, die in der Schule gewesen wären.
                                                                        Obwohl der Vertrag mit den Eltern seine Gültigkeit
                                                                     behielt, brachten viele ihre Kleinkinder nicht mehr vor-
                                                                     bei. Wir hatten nur noch sieben Kinder in der Krippe
                                                                     und ebenso wenige im Hort. In der letzten April-Woche
                                                                     sind die Zahlen wieder angestiegen, wohl weil viele
                                                                     Eltern wieder zur Arbeit mussten. Anfang Mai waren 14
                                                                     Kids in der Krippe und nebenbei betreuten wir rund ein
                                                                     Dutzend Schüler.
                                                                        Der Lockdown war für uns organisatorisch eine gros-
                                                                     se Herausforderung. Wir mussten unseren Betrieb he-
                                                                     runterfahren, gleichzeitig neu ausrichten und eine E-
                                                                     Mail-Flut bewältigen. Vor allem die Personalplanung
                                                                     mit Berücksichtigung der Risikogruppe verlangte viel
                                                                     von uns allen ab. Wir bildeten ein Kernteam, das über
                                                                     die ganze Zeit gearbeitet hat. So waren immer die glei-
                                                                     chen Betreuer und Kinder zusammen.

                                                                           « Am meisten freut uns, dass
                                                                             unser Haus wieder mit
                                                                             Kinderstimmen gefüllt ist. »

                                                                     Unsere Mitarbeitenden mussten sehr flexibel sein,
                                                                     denn wir konnten nur von Tag zu Tag und nicht über
                                                                     eine ganze Woche planen.
                                                                        Wir sind froh, wenn nach den Vorsommerferien
                                                                     langsam die « Normalität » zurückkehrt, zumindest
                                                                     soweit als möglich. Personal, das zur Risikogruppe
                                                                     gehört, darf vorläufig noch nicht arbeiten. Zwei Meter
                                                                     Distanz zu den Kindern zu halten, das ist schlicht nicht
                                                                     möglich, dem sind wir uns bewusst. Umso wichtiger ist
                                                                     darum die Hygiene, auf die wir sehr achten. Wir halten
                                                                     uns an die Beschlüsse des BAG und Empfehlungen des
                                                                     Verbands Kinderbetreuung Schweiz, der für uns eine
                                                                     wichtige Informationsquelle ist. Die Kommunikation
                                                                     des Bundes war nicht immer optimal und sorgte für
                                                                     Unsicherheiten, da teils unterschiedliche Angaben
                                                                     zum Umgang mit Kindern vorlagen.
                                                                        In einer solchen Ausnahmesituation lernt man viel
                                                                     Neues dazu. So hätte ich beispielsweise nie gedacht,
Gehört weiterhin zum Alltag : die Spielsachen-Reinigung im Freien.   dass ich je mit Kurzarbeit konfrontiert werde und

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musste mich zuerst einlesen. Ohne die tatkräftige       Sibylle Huser
Unterstützung der Vorstandsmitglieder wäre eine so      Zweifache Mutter
schnelle Umsetzung der Vorgaben nicht machbar ge-
wesen. Es war zwar eine herausfordernde, aber auch      Die Kinder daheim zu unterrichten, war am Anfang
sehr spannende Zeit. Am meisten freut uns, dass unser   gewöhnungsbedürftig. Viel Neues kam hinzu. Unsere
Haus wieder mit Kinderstimmen gefüllt ist. Wochen-      Tochter Lynn besucht die 4. Klasse. Sie hatte kaum Er-
lang war es ungewohnt ruhig / er bei uns, nun bringen   fahrung mit dem iPad, das ab der vierten Primarstufe
die Kleinen wieder Leben in die KiWi.                   jedes Kind fürs Homeschooling erhalten hat. Wir muss-
                                                        ten ihr von Grund auf lernen, damit zu arbeiten. In der
                                                        ersten Woche tasteten wir uns gemeinsam heran. Der
                                                        Schulstoff war mehrheitlich Repetition, Lynn war mit
                                                        ihm jeweils rund einen halben Tag beschäftigt. In den
                                                        ersten zwei Wochen brauchte sie noch viel Betreuung,
                                                        bis sie lernte, selbstständig zu arbeiten. Ich sass quasi
                                                        permanent neben ihr.
                                                           Unser Sohn Manuel geht in den 2. Kindergarten. Die
                                                        Kinder sind gut eingedeckt worden mit Ideen, die sich
                                                        im Haushalt-Alltag umsetzen liessen, wie etwa mit           Auch die regulären
                                                        Mami oder Papi einen Kuchen zu backen. Jede Woche           Proben des Kinder-
                                                        erhielten die Kindergärtner einen Plan mit Vorschlä-        chors Notefäger
                                                        gen, auch Vorbereitungsaufgaben für den anstehen-           finden unter der
                                                        den Eintritt in die 1. Klasse waren darunter.               Leitung von Anne
                                                           Der Schule Wiesendangen können wir zur Bewälti-          Tangermann online
                                                        gung der letzten Wochen eine gute Note ausstellen.          statt.

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                                    19
AUSGABENTHEMA
THEMA

                                                        Am Anfang erwartete ich zwar etwas mehr, doch zuerst
                                                        mussten sich ja alle noch finden. Die Schulverantwort-
                                                        lichen und Lehrer haben das Beste aus der Situation ge-
                                                        macht. Auf der Homepage wurden wichtige Infos lau-
                                                        fend aktualisiert. Der Kontakt zu den Schülern war von
                                                        Lehrer zu Lehrer verschieden. Die einen tauschten sich
                                                        regelmässig aus, andere sporadisch. Geschätzt haben
                                                        wir die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Es standen
                                                        auch Schulpsychologen zur Verfügung, an die man sich
                                                        wenden konnte.
                                                           Wir haben das Glück, dass ich nur an einem Wochen-
                                                        tag Teilzeit in der Kita Wiesendangen arbeite. Andere
                                                        Eltern mussten ihre schulpflichtigen Kinder neben
                                                        Homeoffice betreuen oder gar eine Lösung finden, wenn
                                                        beide zur Arbeit mussten. Für viele von ihnen waren die
                                                        letzten zwei Monate sehr schwierig und belastend.

                                                               « Der Schule Wiesendangen
                                                                  können wir zur Bewältigung
                                                                  der letzten Wochen eine
                                                                  gute Note ausstellen.          »
                                                        Die vergangenen Wochen hatten für unsere Familie
                                                        durchaus auch positive Aspekte. Wir hatten plötzlich
                                                        mehr Zeit für Dinge, die wir sonst so nicht hätten unter-
                                                        nehmen können. So gingen wir beispielsweise jeden
                                                        Morgen eine Stunde spazieren. Wir haben auch Abfall
                                                        gesammelt oder einen ausgetrockneten Tümpel am
                                                        Waldrand mit Wasser gefüllt, damit die Kaulquappen
                                                        nicht verenden. Da machten dann auch die Nachbarn
                                                        mit, da sie ebenfalls Freude haben zu beobachten, wie
                                                        sich die kleinen Tierchen entwickeln. Lässig ist auch,
                                                        dass der Kinderchor Notefäger seine regulären Proben
                                                        jeden Mittwoch online abhält. Unsere Tochter freut
                                                        sich sehr über die Möglichkeit, wieder mit ihren Gspänli
                                                        zu singen.

                                                        Monika Müller
                                                        Leiterin Bibliothek

                                                        Ein ziemlicher Frust war der Lockdown für uns zuerst,
                                                        hatten wir doch unsere neue Bibliothek erst drei Wo-
                                                        chen zuvor eröffnet. Wir suchten aber nach Lösungen,
                                                        um trotz geschlossener Bibliothek für unsere Kunden
                                                        da zu sein. Kurzerhand stellten wir einen Abholservice
                                                        auf die Beine. Per E-Mail konnten Medien bestellt wer-
                                                        den, wir legten das Gewünschte dann bereit. Damit
                                                        sich die Leute vor der Bibliothek nicht in die Quere
                                                        kamen, führten wir einen 10-Minuten-Takt ein. Das
                                                        klappte wunderbar, so konnten wir Ansammlungen
                                                        vor Ort vermeiden.
                                                           Alles was uns zurückgebracht wurde, kam drei bis
                                                        fünf Tage in Quarantäne. Danach putzten wir die Ge-
Chindsgi und Schule : Die Ausbildung erfolgt zuhause.   genstände mit desinfizierendem Mittel und stellten sie

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erst dann wieder in die Bibliothek. Nebenbei nutzten      Arno Hausen
wir die Zeit zur Bestandespflege, was nach dem Umzug      Leiter Schwimmbad
sowieso nötig gewesen wäre.
                                                          Am 13. März kam ich aus den Ferien zurück und tags
       « Viele Kunden zeigten sich                        drauf hat der Krisenstab der Gemeinde beschlossen,
           sehr dankbar ob unserem                        das Hallenbad zu schliessen. In der Folgewoche wurde
           Einsatz. Die vielen Kompli-                    entschieden, dass die Hallenbad-Saison wegen dem
           mente haben uns motiviert.         »           nicht absehbaren Ende der Corona-Krise vorzeitig be-
                                                          endet wird.
Viele neue Medien wurden eingekauft, damit bei der           Die Eröffnung des Freibads hätte am 9. Mai statt-
Wiedereröffnung aktueller Lesestoff zur Verfügung         gefunden. Doch noch ist unklar, wann die Freibäder
steht. Zudem waren wir bis am 11. Mai mit den Vorbe-      wieder öffnen dürfen. Wir sind gespannt auf den
reitungen zur Einhaltung der Schutzmassnahmen be-         27. Mai, wenn der Bundesrat eventuell weiter Locke-
schäftigt, nun ist die Bibliothek wieder offen.           rungsmassnahmen bekannt gibt. Auf dieses Datum
   Viele Kunden zeigten sich sehr dankbar ob unserem      stimme ich derzeit meine Vorbereitungsarbeiten ab, da-
Einsatz. Die vielen Komplimente haben uns motiviert.      mit wir dann bereit sind, sollten wir die Badi am 8. Juni
Wir konnten sogar Neuanmeldungen entgegenneh-             öffnen können. Nach Absprache mit der Gemeinde tun
men. Unser Aufwand hat sich gelohnt, auch wenn es         wir dies aber nur, wenn die Sicherheitsmassnahmen
manchmal deprimierend war in der kundenfreien Bi-         nicht derart streng sind, dass der Betrieb keinen Sinn
bliothek zu arbeiten. Der Kontakt zu unseren Kunden       machen würde. Der Verband der Hallen- und Freibäder
ist uns wichtig, so konnten wir ihn weiter pflegen,       hat zusammen mit Swiss Olympic ein Sicherheitskon-
wenn auch nur telefonisch oder schriftlich. Es war zwar   zept ausgearbeitet. Dieses ist sehr strikt, um die Vorga-
eine Herausforderung, bis alles funktioniert hat, doch    ben des Bundes zu erfüllen.
wir haben alle etwas dazugelernt.
                                                                  « Wenn sich die Situation
                                                                     positiv entwickelt und
                                                                     wir öffnen dürfen, ist mit
                                                                     Hochbetrieb zu rechnen.            »
                                                          Darin ist beispielsweise festgehalten, dass pro Besucher
                                                          zehn Quadratmeter berechnet werden müssen. In un-
                                                          serem 25-m-Schwimmbecken dürften sich gleichzeitig
                                                          also maximal nur 28 Personen aufhalten. Das müssten
                                                          wir gewährleisten können, doch das ist kaum vorstell-
                                                          und noch weniger umsetzbar. Und schon gar nicht im
                                                          Planschbecken und im Nichtschwimmerbecken mit
                                                          der Wasserrutschbahn, wo sich jeweils die Kinder ver-
                                                          gnügen. Wir müssen also schauen, unter welchen Be-
                                                          dingungen wir die Badi eröffnen können.

Die Bücher für den Kunden sind deponiert – und bereiten sichtlich Freude. Später werden sie wieder zurückgebracht.

De Wisidanger — Mai 2020                                                                                              21
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