Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST

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Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST
HILF     DIR   SELBST
Journal der Schweriner Selbsthilfe
Ausgabe 4 | 17. Jahrgang | Dezember • Januar • Februar 2019/20

                                                                 Thema:
                                             Geschenkt
Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST
Editorial

    HILF     DIR SELBST                                                       Liebe Leserin,
    Journal der Schweriner Selbsthilfe
    Ausgabe 4 | 17. Jahrgang | Dezember • Januar • Februar 2019/20            lieber Leser,
                                                                              das Editorial ist geschenkt, wenn
                                                                              es eh´ keiner liest und für die, die
                                                                              es doch tun, kann es ein Geschenk
                                                                              sein… so könnten wir die Ambiva-
                                                                              lenz von „schenken und beschenkt
                                                                              werden“ weiter treiben und tatsäch-
                                                                              lich beschäftigen wir uns genau mit
                                                                     Thema:   dieser Frage in der Dezemberausga-

                                                 Geschenkt
                                                                              be 2019.                                                     Foto: Gudrun Schulze
                                                                                  In der Gastkolumne erzählt uns
                                                                              Jan Holze, wie die Ehrenamtsstiftung    wildfremden Menschen zu Geschenk
                                                                              dazu beiträgt, dass Menschen neuen      werden. Voraussetzung dafür sind
                                           Inhalt                             Mut schöpfen und sich engagieren.       schönes Wetter, gute Laune und ge-
                                                                              Das Geschenk ist dabei ihr eigenes      genseitige Offenheit und Respekt.
Editorial Sabine Klemm�������� 2                                             Engagement, das durch die Unter-        Das macht Mut!
Gastkolumne Jan Holze������� 3                                               stützung genau die Wirkung entfal-          Wir erfahren, wie wichtig Spenden
Umfrage Die schönsten Geschenke� 4                                           tet, die sie sich wünschen.             für den Wünsche-Wagen sind und wie
Studie Sich selbst beschenken���� 6                                              Schenken hat offensichtlich et-     beglückend es ist, Menschen ihren
Thema Kindergeburtstag������� 7                                              was mit Aufmerksamkeit zu tun, für      letzten Wunsch zu erfüllen. Es gibt
Thema Selbstgemachtes������� 8                                               sich selbst und für andere, frem-       Erfahrungsberichte aus den Selbst-
Erfahrung                                                                     de und nahe Menschen. Dazu le-          hilfegruppen „Die zweite Chance“,
Lebens-Geschenke����������� 9                                                sen wir von einer interessanten         „Borderline“ und über das Leben mit
Selbsthile                                                                    Studie über die Bedeutung des           der ganz seltenen Erkrankung „Zys-
Selbstverständlichkeiten?������ 10
                                                                              Sich-Selbst-Beschenkens.                tenniere“. Der Leiter der Carl-Fried-
Ehrenamt
Grüne Damen und Herren������ 11                                                  In unserer Umfrage erzählen         rich-Flemming-Klinik, Prof. Broocks,
Erfahrung                                                                     uns Verkäufer*innen, was für sie        erläutert die positive Wirkung des
Deutsche Einheit, ein Geschenk?�� 12                                         das schönste Geschenk ist. Natür-       Engagements in Selbsthilfegruppen
Selbsthilfe                                                                   lich muss es von Herzen kommen          für den Umgang mit psychischen
Eine zweite Chance���������� 13                                              und deshalb gibt es auch Anregun-       und Abhängigkeitserkrankungen.
Menschen��������������� 14                                                   gen, etwas selbst herzustellen – bloß       Das 30-jährige Jubiläum des Mau-
Beschenkt oder gesegnet?                                                      „nichts Gekauftes!“.                    erfalls haben Kerstin und Hartmut für
Menschen��������������� 15                                                       Scheinbar ist das größte Ge-        eine Korrespondenz genutzt und fra-
Miteinander und füreinander da sein
                                                                              schenk in unserer relativen Über-       gen: Ist die Deutsche Einheit ein Ge-
Selbsthilfe��������������� 16
Erzählcafé lädt Frauen ein                                                    flussgesellschaft: Zeit, die wir mit-   schenk? Silke Gajek beantwortet die-
Menschen��������������� 17                                                   einander verbringen. Zeit schenken      se Frage mit einem eindeutigen Nein
Ein Mann erfüllt Wünsche                                                      z. B. die Grünen Damen und Herren       und lädt zu einem Erzählcafé für
Selbsthilfe��������������� 18                                                oder Jugendliche, die Kinderfreizei-    Frauen ein. Auch eine Frauenbande
Leben mit einer Zystenniere                                                   ten betreuen. Ein Kind sagt uns: Das    kann Hilfe zur Selbsthilfe leisten.
KISS aktuell�������������� 19                                                größte Geschenk ist jemandem zu             Seit dem 21. November 2019 gibt
Drei Fragen an Prof. Broocks                                                  sagen, dass man ihn liebhat und ihm     es in Schwerin 82 Stolpersteine für
Service Neue Mitstreiterinnen��� 20                                          Gesundheit wünscht. Eine gute Idee      Opfer der NS-Diktatur. In der Stadtin-
Service Selbsthilfe-Infos������� 21                                          ist auch, ein Geschenk zu verschen-     formation und in der KISS ist die neue
Rätsel/Förderer������������ 22                                               ken und damit Bedürftigen zu helfen,    Stolperstein-Broschüre erhältlich.
So gesehen�������������� 23                                                  oder wie im Verein Ma´an miteinan-          Eine frohe Weihnachtszeit und ein
Wohl verschenkt ist nicht verloren
                                                                              der und füreinander da zu sein. Da-     gesundes neues Jahr wünscht Ihnen
Impressum��������������� 24
                                                                              ran schließt sich die Frage an, was
Die nächste Zeitschrift                                                       eigentlich selbstverständlich erwar-    Ihre Sabine Klemm
erscheint Anfang März 2020 zum
Thema „Aufgeräumt“.                                                           tet werden darf und was wirklich
                                                                              „geschenkt“ ist. Überraschend kann
                                                                              auch eine spontane Begegnung mit

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Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST
Gastkolumne

                        Selbsthilfe ist mehr als
                           nur Selbst-Hilfe
Als ich 2015 nach Gründung der Stif-       willigte er ein. Ich fuhr zu ihm. Er er-   und Kraft gewinnen. Und zum ande-
tung die Aufgabe des Geschäftsfüh-         zählte mir von seinem Lebensweg            ren die Auswirkungen auf den Enga-
rers der Ehrenamtsstiftung über-           und welche Richtung dieser mit sei-        gierten selbst; Herrn H. – ein Kerl wie
nahm, wusste ich noch nicht, was           ner Krankheit genommen hat. An-            ein Baum, den seine Krankheit fast
genau mich erwarten würde. Auf be-         fänglich war er orientierungslos und       umgehauen hätte. Sein Engagement
stehende Erfahrungen konnte ich            suchte Halt. Den fand er; in einer         gibt ihm Halt, neue Lebensenergie
nicht zurückgreifen. Aber mir war          Selbsthilfegruppe. Das war wie ein         und die Kraft zum Weitermachen.
klar, es wird spannend. Die Stiftung       Geschenk für ihn – endlich Leute, bei      Schon für gesunde Leute wiegt so ein
kann die gesamte Breite des Engage-        denen man sich aufgefangen fühlt.          Ehrenamt mitunter schwer auf den
ments in allen Facetten unterstützen       Mittlerweile leitet er die Gruppe und      Schultern. Ich finde es unheimlich be-
und fördern, da würde ich auf die un-      hat es sich zur Aufgabe gemacht, an-       eindruckend, was Herr H. trotzdem al-
terschiedlichsten Menschen treffen –       deren Menschen mit dem gleichen            les auf die Beine stellt. Kein Weg zu
sozial Engagierte, Tierliebhaber, Tech-    Schicksal diesen Halt zu geben; in Be-     weit, kein Projekt zu kompliziert. Ich
nikbegeisterte, Umwelt-Aktivisten,         ratungen, Gruppengesprächen und            durfte lediglich für die Finanzierung
Kulturenthusiasten, Dorfentwickler…        Ausflügen. Jetzt hatte er eine größe-      sorgen und konnte mich an seinen
Und alle haben eins gemeinsam: Sie         re Austausch-Veranstaltung vor, doch       Erlebnissen und Erfahrungen – mit
brennen für das, was sie tun. Ich bin      ohne die Mittel für u.a. Materialkos-      ihm –freuen. Seit einer Weile habe ich
unheimlich dankbar, in meiner Arbeit       ten ginge das nicht. Ich sagte ihm Un-     nichts mehr von ihm gehört. Ob er
so viele engagierte Leute zu treffen       terstützung zu, er bekam sie und ich       immer noch regelmäßig einmal in der
und sie mit der Stiftung direkt unter-     erhielt eine Einladung. Es wurde ein       Woche für seine Selbsthilfegruppe da
stützen zu können. Das hat man nicht       spannendes Forum mit vielen Men-           ist? Ich bin neugierig und ein wenig
in jedem Job.                              schen, die das gleiche Schicksal er-       besorgt, wie es ihm geht. Ich werde
    Einige dieser Begegnungen ha-          leiden mussten. Und doch war die           ihn mal wieder anrufen und fragen,
ben sich mir stark eingeprägt. Weni-       Stimmung so positiv und zugewandt.         was wir als nächstes zusammen ma-
ge Wochen, nachdem die Ehrenamts-          Die Gespräche miteinander gaben al-        chen können.
stiftung ihren Betrieb aufgenommen         len Kraft und Herrn H. Mut zum Wei-
hatte, meldete sich ein Mann per Te-       termachen. Wir vereinbarten weitere
lefon bei mir; die Stimme von Herrn        gemeinsame Projekte, kleinere Sa-
H. klang rau. Wie ich später erfuhr,       chen, die finanziell nicht aufwändig
war dies Folge seiner Krankheit. Er be-    waren, doch konnte damit so viel er-
richtete mir, was er schon alles auf die   reicht werden. In seinen Dankesmails
Beine gestellt hatte und wie schwer es     schrieb mir Herr H. später, dass er sich
Selbsthilfegruppen haben, Unterstüt-       durch die unkomplizierte Unterstüt-
zungsleistungen zu bekommen. Er            zung in seiner Arbeit bestätigt ge-
hatte wenig Hoffnung, dass ich oder        fühlt hat und wie wichtig das sei. Ich
besser die Ehrenamtsstiftung ihm           begriff, welche Kraft im Engagement
dabei helfen könnten, da er schon          liegen kann.
so viele Enttäuschungen erlebt hat-            Ein Geschenk für beide Seiten.
te. Erkennbar erwartete er eine wei-       Zum einen für die Menschen, für die
tere Absage. Da ich es mir zu eigen        sich Herr H. engagiert. Ohne ihn gäbe
gemacht habe, die Menschen mög-            es keinen Austausch unter Gleichge-
lichst persönlich kennenzulernen, um       sinnten, kein Auffangen, nicht die-
zu verstehen, was sie antreibt, fragte     se Form der menschlichen Wärme.            Jan Holze
ich ihn, ob ich vorbeikommen könn-         Mit dem Engagement eines Einzel-           Geschäftsführer der Ehrenamts­stiftung
te auf einen Kaffee. Hörbar erstaunt,      nen kann eine ganze Gruppe Mut             Mecklenburg-Vorpommern

                                                                                                                           3
Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST
Umfrage

          Ges c h e n k t                                          as  is t fü r wen ein gutes G
                                                                                                  e-
                                                  zeit“. D o ch  w                                 rüber
             ei h n ac h te n is t „Schenk-Hoch               h en  ei n e  F re u de machen? Wo
           W                                          Mensc                                             i
                  k ? W    o m it k ann man anderen                en  st el lt en w ir Geschäftsleuten
           sch en                                        se Fra  g
                     an   si ch se lb st am meisten? Die             re n   L äden anbieten.
           freut  m                                jeder A rt in  ih
                                   lbst Geschenke
            Schwerin, die se

          Lilly und Vanessa , Weltladen Schwerin
          Was gibt es hier für Geschenke?
          Von süßen Kleinigkeiten über Schmuck und Klangschalen bis zu Körben und an-
          derem ausgefallenem Handwerk ist vieles dabei. Unser Kaffee und Tee ist auch
          sehr beliebt im Laden.
          Welches Geschenk finden Sie persönlich gut, welches nicht?
          Natürlich jede persönliche Aufmerksamkeit. Unsere Favoriten sind jedoch die de-
          korativen Kokosnussschalen, die Sonnengläser und verschiedene Schokoladen.

          Axel Göttsch, Ein guter Tag – Literatur und Co, Schwerin
          Hier gibt es Bücher, Kalender und ausgesuchte Spiele.
          Ein Geschenk sollte vom Herzen kommen und zu dem Beschenkten passen. Das
          Buch ist für mich das schönste Geschenk.

          Susanna Neetz, Keramikwerkstatt „Loza Fina“, Schwerin
          Wir fertigen vorwiegend leichtes Gebrauchsgeschirr an, welches in Kleinserien
          von uns auf der Töpferscheibe gedreht wird. Zu unserer täglichen Arbeit gehören
          Servicebestellungen und andere Kundenwünsche. Besonders gern werden unse-
          re kleinen Vasen verschenkt.
          Vor Jahren wünschte ich mir mal heiß und innig eine bestimmte CD und bekam
          diese dann unverhofft zu Weihnachten geschenkt. Meine große Freude darüber
          ist mir jetzt spontan wieder in Erinnerung gekommen.         Foto: Kerstin Fischer

          Janet Buß, The Body Shop, Schwerin
          Wir haben eine Vielzahl toller Geschenkideen sowohl für Sie als auch für Ihn. Für
          jeden Anlass und jedes Budget ist hier das Richtige dabei. Und das zu 100 Prozent
          vegetarisch und ohne Tierversuche.
          Für mich persönlich sind „Rocket to the Stars“ besonders WERT-volle Geschen-
          ke.: Bei jedem Kauf eines Produkts von „Rocket to the Stars“ werden zwei Euro ge-
          spendet. Das Hilfsprojekt „Plan International“ setzt sich weltweit für die Rechte
          von Kindern ein.

                                 Volker Nothdurft, Goldschmiede VONO, Schwerin
                                 Uhren und Schmuck sind gerade zu Weihnachten Ge-
                                 schenke-Klassiker und werden gern zum Verschenken bei
                                uns gekauft.
                                Ich selbst freue mich am meisten über geschenkte Fa-
                                milienzeit, wie beispielsweise einen gemeinsamen
                                Musical-Besuch.

4
Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST
Umfrage

     Silvia Naffin, Kunst & Natur, Schwerin
     Von Honig, Kerzen, Filzschuhen über Keramik gibt es hundert
r    kleine schöne Dinge. Ich persönlich mag die Sprüche auf den
in   Metallschildern. „Die Leute lesen sich durchs Geschäft und er-
     freuen sich an den einzigartigen Sprüchen. Das finde ich sehr
     toll.“

     Martina Menzel, Tuscherei, Schwerin:
     In der Tuscherei können Keramikrohlinge ganz individuell und persönlich bemalt
     werden. Von der Tasse bis zum Seifenspender wird jedes Keramikstück durch die
     eigene Gestaltung zum einzigartigen Geschenk.
     Ich habe mal ein eigenes Lied geschenkt bekommen, das war etwas ganz Be-
     sonderes. Zeitgeschenke für gemeinsame Unternehmungen oder Erlebnisse fin-
     de ich auch immer ganz besonders.“

     Luise Gronostay, Kreativ Kaufhaus, Schwerin:
     Unser buntes Sortiment bietet viele Möglichkeiten für Geschenke.
     Zum Beispiel unsere witzigen Postkarten, handgemachten Taschen
     und Mützen sowie Schmuck. Verschenkt werden besonders gern Uni-
     kate. Am meisten freue ich mich über spontane, kleine Überraschungs-
     geschenke. Es muss nicht immer einen speziellen Anlass für Geschen-
     ke geben, finde ich.

     Weihnachtsmann, Hoher Norden:
     Ehrlich? Ich habe diese ganze Schenkerei so satt. Nicht nur weil ich mich
     mit meinen Kollegen wie Väterchen Frost, Santa Claus oder Papa Noel im-
     mer so abstrampeln muss, um alle Kinder zu beschenken. Nein, ich ärgere
     mich, dass wenige Kinder viel zu viel, die meisten aber wenig oder gar nichts be-
     kommen. Leider kann ich dagegen auch nicht viel ausrichten. Aber was sind die
     teuersten Autos, Puppenhäuser oder Smartphones gegen Liebe und Zeit? Bei-
     des kann ich leider nicht verschenken. Muss mich ja stets sputen.
     Deshalb wäre mein allerschönstes Geschenk, einmal mit einer netten Familie
     gemütlich Weihnachten zu feiern, mit Gänsebraten, Baum schmücken,
     Lieder singen – und vielleicht auch mal selbst ein klitzekleines Geschenk
     auszupacken.

     Ein Verschenke-Laden öffnet in der Friedrichstraße:
     Neben der bestehenden Textilbörse,        Treffpunkt für jedermensch dar, lädt
     Sozialkaufhaus und Kleiderkammer          zu Gesprächen ein und berührt unser
     können wir uns auf eine Neuheit in        Bewusstsein in puncto nachhaltiges
     Schwerin freuen! In der Friedrichstra-    Konsumverhalten. Unterstützer sind
     ße 9 öffnet demnächst ein Verschen-       bei den Freiwilligen der BUNDjugend
     ke-Laden seine Türen. Das Beste: Je-      MV herzlichst willkommen: Anpacken,
     der kann mitmachen. Im Unterschied        Spenden, Vorbeischauen, Namensvor-
     zu bestehenden Treffpunkten müssen        schlag machen. Seien Sie dabei, um
     hier keinerlei Bedürftigkeitsmerkmale     den Laden möglich zu machen!
     erfüllt werden. Alle möglichen Dinge
     können abgegeben oder zur Wieder-             Kontakt: Bundjugend MV
     verwertung mitgenommen werden.                info@bundjugend-mv.de
     Dieser Laden stellt einen zentralen           oder 03 85 / 52 13 39 – 16

                                                                                               5
Geschenkt Thema: HILF DIR SELBST
Studie

                                                                                                                       Foto: Kirsten Sievert
Sei ein Egoist: Mach anderen Geschenke
                                        Eine Studie zum richtigen Schenken

Weihnachten und Geburtstage,            Thomsen (2015) beschreiben Luxus           wiederum wird Bedeutung gestiftet,
dort klingelt es zu allererst bei mir   als das Geben von etwas wertvollem         im Sinne von Zugehörigkeit, Stimmig-
zum Thema „Geschenke“. Die über-        an entfernte Andere, Fremde. Dazu          keit, Signifikanz (in der Psychologie
müdete Karin jagt nach Feierabend       zählen sie eine breite Palette an Akti-    der Schlüssel zum Glück!).
durch Blume2000, Pralinenregale         vitäten, beispielsweise dem Bettler ein         - „Verteilen“ dient auch dem ge-
und Weinfächer, drapiert alles zu-      paar Euros zustecken, Blut oder Orga-      meinschaftlichen Aspekt, es verbindet
sammen, damit es halbwegs nach          ne spenden, ein Kind adoptieren oder       Menschen miteinander. Auf diesem
gedankenvoll erlesenen Schätzen         unterstützen, Geld spenden, sich eh-       Wege werden Gefühle der Solidarität
aussieht, unterschreibt dann auf        renamtlich engagieren, Couchsurfing        und der Verbundenheit generiert. Die
der Karte, auch für ihren Mann und      anbieten, Steuern bezahlen.                wahrgenommene Zugehörigkeit zur
die Kinder, letztendlich übergeben          Geschenke an Fremde sind nicht         Gemeinschaft steigt an und verändert
alle zusammen auf der dritten Ge-       reziprok, es wird also nichts im Gegen-    uns selbst sowie den anderen.
burtstagsrunde dieser Kalender-         zug vom Beschenkten erwartet. Die-              „Das reine Geschenk“ sollte freiwil-
woche das Paket an die Kollegin-        ses Konzept des Gebens nennt sich          lig, desinteressiert und spontan sein,
des Bruders-des Jungen, der mal         „Verteilen“. Daraus zu schlussfolgern,     keine Erwartungen oder Schulden
auf ihren Hund aufgepasst hat, mit      es handle sich um eine rein prosoziale,    beinhalten. IMMER ist allerdings eine
der Rechtfertigung vorab „Nur eine      selbstlose Tat, wäre falsch. Eine egois-   Art Selbstinteresse involviert – min-
kleine Aufmerksamkeit“.                 tische Komponente wohnt auch dem           destens im Sinne eines guten Gefühls
                                        „Verteilen“ inne. Verschiedene Prozes-     (Mauss & Derrida, 1954).
    Ganze Bücher und Abhandlun-         se laufen beim „Verteilen“ ab, von de-          Ich denke, es ist von Vorteil sich
gen beschäftigen sich mit der Psycho-   nen Sie als Geber profitieren und im       einzugestehen, dass Schenken nie-
logie des Schenkens. Warum schen-       Kern Ihrer Persönlichkeit beeinflusst      mals selbstlos ist. Bei mir reduziert es
ken wir eigentlich? Was sind gute und   werden.                                    den Stress, auch beim privaten Ver-
schlechte Geschenke? Welche sind die        - Menschen lernen sich selbst ken-     schenken. Mit freier Überlegung und
größten Fehler beim Geschenkkauf?       nen durch Beobachtung und Pla-             offenem Herzen gehe ich den Ge-
Zwei Forscher aus Spanien und Däne-     nung ihres Verhaltens. Veränderun-         schenkkauf an. Motivation durchfließt
mark untersuchten, wie das Beschen-     gen der eigenen Identität vollziehen       mich, wenn ich ein Ehrenamt ausführe
ken Fremder uns Selbst von Grund auf    sich. Schlussfolgerungen aus dem ei-       und keinerlei Ängste ranken sich dar-
verändern kann.                         genen Handeln können sein, ich bin         um, ob meine Hilfe nützlich ist und an-
    Die Besorgungen zu Feierlichkei-    „gut“, hilfreich, großzügig, umsichtig,    kommt. Vielleicht führt gerade das im
ten können in Stress versetzen, wenn    freundlich, kümmere mich.                  Endeffekt zu den besten Resultaten?
auch nicht zwangsläufig. Während            - Geschenke an Fremde versetzen             Erlauben Sie sich im Zuge des Fe-
eine andere Art des Schenkens Freu-     den Geber in positive Emotionen. Sie       stes der Nächstenliebe also auch
de, Sinnhaftigkeit und Verbindung mit   verstärken das generelle Wohlbefin-        Selbstliebe und Schenken sie sich
der Menschheit beschert. Llamas und     den und die Zufriedenheit. Dadurch         glücklich!                Loreen Christ

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Thema

Zu Großes für die Kleinen?
Zu Weihnachten schenken sich Fami-         dass keines benachteiligt wird. Glei-       nur die Hälfte erfüllt. Damit war man
lien alle gerne etwas. Jeder bekommt       cher Wert, gleicher Preis. Kein Kind        glücklich und hat Tage lang begeistert
von jedem ein Geschenk. Sollte man         soll neidisch auf das andere gucken.        unter dem Weihnachtsbaum gespielt.
zumindest meinen. Denn komischer-          Das eine Kind wächst schnell und be-            Heute werden die Kinder kaum
weise halten sich manche oft nicht an      kommt deswegen schon das zwei-              noch überrascht. Egal, was sie auf-
diese Regel, wenn es um die Kleins-        te Paar Schuhe in vier Monaten? Egal.       schreiben oder auf welches Spielzeug
ten in der Familie geht. Als Außenste-     Das andere Kind wächst zwar lang-           sie vor Weihnachten zeigen, es wird
hender bekommt man das Gefühl, der         samer, aber bekommt trotzdem wel-           ihnen mit sehr hoher Wahrscheinlich-
Weihnachtsgeschenkestapel der Kin-         che. Genauso schön, genauso teuer.          keit gekauft. Für das Kind mag es der
der wird von Jahr zu Jahr größer. Und      Hauptsache, es muss nicht mit Neid          Himmel auf Erden sein, aber ganz ehr-
nicht nur das. Alles was vorher wun-       und Tränen in den Augen auf das an-         lich, ist das nicht zu viel? Zu viele Wün-
derschön verpackt und mit kleinen          dere Kind schauen.                          sche, zu viele Geschenke?
Kärtchen versehen wurde, wird bin-             Waren das noch Zeiten, in denen             Ich finde es schade, dass Kinder so
nen Minuten aufgerissen und begut-         man sich über eine Barbie, ein Puz-         überschüttet werden. Ist das der Sinn
achtet. Sekunden später blinkt, hupt,      zle und einen Schokoweihnachts-             von Weihnachten? Eigentlich nicht.
kräht und muht es und jeder weiß,          mann gefreut hat. Man selber wusste         Zusammen mit der Familie Zeit zu ver-
jetzt ist endlich das neue Spielzeug-      nicht, welches von den Geschenken,          bringen, gemeinsam am Tisch zu sit-
auto oder der neueste Plastik-Bauern-      die vorher fleißig auf einen schön be-      zen und das traditionelle Weihnachts-
hof mit realen Geräuschen im Weih-         malten Wunschzettel in Schönschrift         essen zu genießen und vielleicht zwei,
nachtssack gewesen. Das Kind ist           geschrieben wurden, denn nun unter          drei Geschenke auszupacken, sollte
glücklich.                                 dem Weihnachtsbaum liegen würde.            doch für jeden genug sein. Das soll-
    Wenn es mehrere Kinder auf ein-        Das waren noch richtige Weihnachts-         te immer im Mittelpunkt stehen und
mal zu beschenken gibt, wird natür-        überraschungen. Es wurde von zehn           nicht der Haufen Geschenkpapier, der
lich genauestens darauf geachtet,          aufgeschriebenen Wünschen auch              den Weihnachtsbaum verdeckt.SU

Ein Geschenk verschenken                                                                         Joachim Ringelnatz
                                                                                                     Schenken
Meinen 30. Geburtstag habe ich groß        musste, konnten meine Eltern in der
gefeiert. Ich dachte mir, dass natürlich   Nähe bleiben, ohne riesige Summen                   Schenke groß oder klein,
jeder meiner Gäste nachfragt, was ich      für ein Hotel bezahlen zu müssen. Sie                Aber immer gediegen.
mir wünsche. Damit ich nicht völlig        lebten in diesen Häusern mit Eltern,                  Wenn die Bedachten
den Überblick verliere, habe ich vor-      mit denen sie sich austauschen konn-                   Die Gaben wiegen,
her schon darüber nachgedacht. Ich         ten, in einer Art WG. Solange, bis es                Sei Dein Gewissen rein.
bin zu dem Entschluss gekommen,            mir besser ging. Ich finde, diese Stif-
dass ich keine großen Wünsche habe.        tung macht eine tolle Arbeit, obwohl               Schenke herzlich und frei.
Gut, Geld kann man natürlich immer         man McDonalds natürlich nicht gut                       Schenke dabei,
gebrauchen, aber besonders krea-           finden muss.                                           Was in Dir wohnt
tiv ist das nicht. Deswegen habe ich           Zu meiner Geburtstagsfeier stellte             An Meinung, Geschmack
mir gedacht, ich wünsche mir etwas,        ich eine Box auf, in die jeder Geld rein-                 und Humor,
was anderen Menschen eine Freude           legen konnte, wenn er wollte und wie            So dass die eigene Freude zuvor
macht. Ich habe Spenden gesammelt.         viel er wollte. Es kamen 180 Euro zu-               Dich reichlich belohnt.
Für eine Stiftung, die auch schon mei-     sammen und die Verantwortlichen ha-
ner Familie geholfen hat. Die McDo-        ben sich sehr gefreut. Ich kann es Ih-            Schenke mit Geist ohne List.
nalds Kinderstiftung. Sie baut Häuser,     nen, liebe Leser, nur empfehlen.  SU                  Sei eingedenk,
in denen Familien von kranken Kin-                                                              Dass Dein Geschenk
dern kostenlos wohnen können. Als                                                                  Du selber bist.
ich selbst als jüngeres Kind über Wo-
chen im Herzzentrum Berlin bleiben                                                                        ❦

                                                                                                                               7
Thema

                Selbstgemachtes verschenken
    Es muss nicht immer das teuerste Geschenk sein, das zu Festen die größte Freude bereitet. Oft sind es die klei-
    nen, mit Liebe selbst gestalteten Präsente, die die Beschenkten glücklich machen. Anja Filips hat einige Ideen
                                                 zusammengetragen.

                                           Wandgarderobe
                                           Eine Palette ist sehr schwer. Man kann sie auch einfach
                                           mit Brettern nachbauen. Vorteil: Sie ist leichter
                                           und ideal für kleine Flächen. Vorn fix Far-
                                           be drauf und Haken aufschrauben. Mit
                                           verschiedenen Variationen kann man
                                           Akzente setzen. Eine kleinere Ver-
                                           sion kann man als Schlüsselbrett
                                           gestalten.

Licht aus einer Konservendose
Eine einfache Idee: Alte Keks- oder Konservendosen nicht
wegwerfen, sondern als Steh- oder Hängelicht umgestal-
ten in vielen Varianten. In die Dose wird ein aufgemaltes
Muster mit Hammer und Nagel eingestanzt. So entstehen
schöne Muster. Wer möchte, kann sie mit bunten Farben
anmalen.
                                                                 Selbst eingekocht
                                                                 Wie wäre es mit selbstgemachten Apfelvariationen? Ver-
                                                                 schiedene Geschmacksrichtungen können sehr anregend
                                                                 sein. Apfel einkochen mit Ingwer oder Zwiebeln. Passt
                                                                 auch sehr gut zu Fischgerichten. Ein Rumtopf, den man im
                                                                 Sommer aus saisonalen Früchten ansetzt, ist auch ein ganz
                                                                 besonderes Geschenk. Die Früchte reifen im Rum und wer-
                                                                 den bis zur Abfüllung gepflegt.

Schlüsselbrett
Bei einem Waldspaziergang an Weihnachten denken. Aus
robusten Ästen lässt sich leicht ein Schlüsselbrett basteln.
Eine Variation wäre mit bunten Farben. Ideal als Last Minu-
te Geschenk. Zur Stabilisierung muss es nicht unbedingt
ein Rahmen sein. Es sind auch zwei Leisten oben und un-
ten machbar.

8
Gespräch auf der Bank oder Geschenk auf der Bank
Elli und Billy bretzeln sich auch schon      gewissen Alter gibt es nur das Thema          selbstverständlich übernommen, ein
mal auf. So mit elegantem Hut und            Krankheiten? Elli hat keine Zukunfts-         Stück Familie und Zusammensein als
Sonnenbrille. Das macht Spaß, so durch       angst. Sie sagt, schon diese Gedanken         Fest gefeiert. Das Schönste ist das jetzt
die Straßen zu schlendern. Natürlich         allein würde sie nicht so lange leben         zu sehen. Und überhaupt, es gab damals
nur zu zweit, sonst könnte man noch          lassen. Verwundert schauen sie mich           wie heute Königsberger Klopse und
andere Absichten hineininterpretieren.       an, als ich ihnen von meinen Ängsten          heute noch werden die Klöße wie bei
Sie schmunzeln. Ich sehe die Beiden          vor dem Älterwerden berichte. Und Bil-        Oma gemacht. Es gibt eben Dinge, die
auf dieser Bank sitzen. Es ist ein herrli-   ly geht sogar ins Fitnessstudio, drei-        kann man nicht so schnell ändern oder
cher Sonnentag. Allein dieses Bild ist       mal die Woche. Wow, denke ich, so oft         austauschen wie ein neues Handy. Bald
ein Geschenk. So friedlich erzählen sie      schafft es wohl selten jemand. Irgend-        haben wir Urlaub, sagt Billy, dafür waren
miteinander, wie Teenager. Ist die Zeit      wie hat man doch immer etwas an-              sie auch schon ein schönes Kleid shop-
stehen geblieben? In Sekundenschnel-         deres zu tun. Nein, Billy sagt, die Re-       pen. „Wir machen uns gern schön zu-
le läuft ein Film vor meinen Augen ab,       gelmäßigkeit hat sie gern in ihr Leben        recht. Es ist ein Geschenk sich jeden Tag
die schüchternen Teenager, die jun-          eingebunden. Sich fit zu halten gibt ihr      zu sehen, miteinander zu reden und in
gen Frauen mit Kinderwagen und die           das Gefühl, dass sie eine Aufgabe hat.        der Stadt zu bummeln. All` die Dinge, die
Großmütter mit ihren Kindern und En-             Elli geht auch schon mal allein ins       man zu tun noch in der Lage ist.“ Irgend-
keln. Diese beiden Damen stehen für          Kaffee. Es macht ihr nichts aus, was an-      wie wird in mir der Wunsch geweckt, so
das heutige Golden Age. Sie begrü-           dere denken. Einfach nur den Moment           etwas auch einmal sagen zu können, mit
ßen mich herzlich, wollen sich in keine      genießen und zu wissen, ich kann noch         82 Jahren. Ich lebe gerade in diesem Mo-
Schublade stecken lassen. Voller Stolz       machen, was ICH will. Und Weihnach-           ment des Gespräches, hier und jetzt. Elly
berichten sie mir aus ihrem Leben.           ten ist es so schön, weil selbst die En-      und Billy auch, jeden Tag. Und dieses Ge-
Sie versprühen so viel Lebensfreude,         kel alles so machen wie die Oma. Im           fühl, das sie mir geben, ist für mich heute
die ansteckt. Warum heißt es, ab einem       Grunde werden die Rituale schon wie           ein Geschenk.                   Anja Filips

   Das wertvollste Geschenk
      Warum schenkt man anderen überhaupt was? Wenn man anderen etwas schenkt, freut
   er sich darüber. Natürlich vergnügt er sich damit und probiert es sofort. Wann kann man
   anderen etwas schenken? Meistens sind es Feiertage wie Weihnachten, Ostern und Niko-
   laus. Es gibt aber auch einen anderen Tag, natürlich den Geburtstag.      Was schenkt man
   seiner Familie? Kinder (5–10) wollen meistens Spielzeug wie Puppen oder Lego, Bauklötze
   oder Malbücher. Größere Kinder (10–14) wollen meistens Bücher zum Lesen oder ein Han-
   dy. Erwachsene freuen sich über ein Bild oder man sagt ihnen, dass man sie liebhat. Was
   ist das wertvollste Geschenk? Eigentlich könnte man denken, dass manche sagen: Geld
   oder wertvoller Schmuck. Nein. Das größte Geschenk ist jemandem zu sagen, dass man ihn
   liebhat und ihm Gesundheit wünscht.	                                       Finja, 11 Jahre

                                                                                                                                     9
Selbsthilfe

Geschenkt versus
selbstverständlich
Ich gebe „geschenkt“ in eine Internet-    ein Mensch bei einem ande-
suchmaschine ein und sogleich wer-        ren Menschen ein Bedürfnis,
den mir diverse Links von Kleinanzei-     einen Wunsch, erkennt und
gen angezeigt. Dort machen sich viele     dieses und diesen erfüllt, in
Leute die Mühe, ihre überflüssigen Sa-    der Lage ist, diesen erfüllen
chen trotz einigem Zeitaufwand zu fo-     zu können, ohne dass ihm
tografieren, zu beschreiben und gern      selbst wirklich etwas fehlt.
kostenlos an andere Menschen weiter-      Dabei muss es nicht immer,
zugeben. Auch ich habe das mit eige-      wie im Beispiel der Kleinan-
nen Dingen schon öfter gemacht oder       zeigen, um stofflich wertige
auch Freunde und Bekannte dazu            Dinge gehen.
animiert, wenn sie eigentlich gute,           Das ganz große benötig-
brauchbare Dinge, Möbel, was auch         te Geschenk ist oftmals ZEIT.
immer, in den Hausmüll geben, zum         Alle Menschen, die sich um
Recyclinghof fahren oder als Sperr-       ihre Familien, Freunde, Be-
müll anmelden wollten. Klar, die Ent-     kannte, Kinder, Tiere, Natur
sorgung geht schneller, ist auch mit      und viele und vieles mehr
keinerlei „Fremdkontakten“ verbun-        kümmern und diese Bezie-
den, aber diese Sachen werden dann        hungsarbeiten pflegen, so-
völlig unnötig vernichtet. Und das ist    wie Jeder und Jede die sich
doch echt ein großer Jammer, finde        ehrenamtlich engagieren, schenken           (ehrenamtliche) arbeitende In-Gang-
ich. Angefangen beim Umweltschutz         alle: wertvolle Zeit. Zeit für unsere Ge-   Setzer*innen bei Gruppenneugrün-
und aufgehört bei der persönlichen        sellschaft und Gemeinschaft. Zeit für       dungen, auch dieses Journal, diesen
Freude, jemandem, der diese eine Sa-      die Welt, die Umgebung, die Voraus-         Text, würden Sie jetzt nicht lesen ohne
che wirklich gern haben möchte oder       setzungen, die wir unterstützen wol-        das (ehrenamtlich) arbeitende Redak-
sogar dringend braucht zu schenken        len und die wir uns ein Stück weit mit      tionsteam. Aber das ist doch: selbst-
und die Freude im Gesicht des Be-         ERARBEITEN wollen, um unser aller Le-       verständlich! Denken sich bestimmt
schenkten zu sehen. Da kann ich mir       ben lebenswerter zu machen.                 einige Leser und Leserinnen. Nein. Das
oftmals noch so große Gedanken für            Leider - und ungerechter Weise,         ist es nicht.
Geburtstage oder Feste machen, die        wie ich persönlich finde, werden die-           Im krassen Gegensatz dazu stehen
Freuden, die ich bereits durch online     se „Geschenke“ so nicht oft gesehen         oftmals Auszeichnungen, die ganz be-
Inserate und die Abholer*innen erleb-     und gewürdigt. Denn es gibt noch ei-        sonders doll und kräftig ehrenamtlich
te, waren besonders einprägsam für        nen anderen Aspekt, der eng mit „ge-        arbeitenden Menschen „verliehen“ be-
mich. Und das nur, weil ich etwas nicht   schenkt“ verbunden ist und das ist          kommen. Diese Menschen arbeiten
mehr haben wollte! Ich sehe auch,         „selbstverständlich“. Selbstverständ-       manchmal im grenzwertigen Bereich
dass das Annehmen solcher Geschen-        lich müssen „WIR UNS“ um ganz vie-          bis hin zur Selbstaufgabe. Das, was
ke manchmal Schamüberwindung              les ehrenamtlich kümmern. („Selbst-         über jedes verträgliche Maß hinaus-
und Stärke braucht.                       verständlich“: Definition laut Duden:       geht, wird dann oftmals „ausgezeich-
    Echtes Schenken kommt vom Her-        was sich von selbst versteht (sodass je-    net“. Mit einer Urkunde, einer Medail-
zen und ist nicht an Bedingungen ge-      mand keine Begründung geben, kei-           le, einem Blumenstrauß, einem Buch
knüpft, sondern ist ein ehrliches Ge-     nen Grund nennen muss); ohne Frage;         und – ganz wichtig! -einem Hände-
ben des Schenkenden, der genauso          natürlich)                                  druck und einem schönen Foto.
viel Freude am Schenken hat, wie der          Zum Beispiel die Selbsthil-                 Das finde ich – mit Verlaub – ein-
Beschenkte am Empfang. Das wäre           fe in Schwerin, die „KISS“, würde es        fach nur schäbig. Und denke mir
wohl das Optimale als Definition. Oder    nicht geben ohne einen (ehrenamt-           – geschenkt!
vielleicht wäre noch optimaler, wenn      lich) arbeitenden Vorstand, ohne                                     Kerstin Fischer

10
Ehrenamt

                             „Wir nehmen uns Zeit“
                                     Grüne Damen und Herren besuchen kranke Menschen

Vor genau 50 Jahren gründete Bri-              Patienten die Sicherheit, offen spre-      Telefonkarte kümmert. Beim Besuchs-
gitte Schröder, angeregt durch den             chen zu können. Jemanden zu haben,         dienst stehen Gespräche im Vorder-
Volunteer Service in den USA, die              der einem nahe, aber nicht zu nahe         grund. Auf der Kinderstation wird den
erste Evangelische Krankenhaus-Hil-            steht, der Emotionen begreifen kann,       kleinen Patienten vorgelesen oder mit
fe (EKH) Deutschlands in Düsseldorf,           zu dem aber keine besondere emoti-         ihnen gespielt.“ In Alten- und Pflegehei-
die sie 27 Jahre führte. Heute gibt es         onale Bindung besteht - das ist für Pa-    men hingegen gäbe es aufgrund der
bundesweit ca. 8500 ehrenamtlich               tienten sehr häufig eine gute Basis für    längeren Begleitung eher eine persön-
Tätige in rund 600 Einrichtungen,              ein wohltuendes Gespräch.                  liche Bindung. Die Anforderungen sind
darunter etwa 600 Herren.                          Katrin Springer ist die Landesbeauf-   hoch, aber die Ehrenamtlichen wer-
                                               tragte für Mecklenburg-Vorpommern          den auf ihren Einsatz gut vorbereitet.
Seit 2004 engagieren sich die Grü-             und war neun Jahre als Mitglied des        Die Basisschulung bietet zunächst das
nen Damen und Herren auch in unter-            Bundesvorstandes der EHK aktiv. „Der-      Rüstzeug. Zudem werden sie zum The-
schiedlichen Bereichen der Helios Kli-         zeit gibt es in MV etwa 160 Grüne Da-      ma Kommunikation geschult, um auch
niken Schwerin. Mit den Jahren kamen           men und Herren, die in 15 Gruppen or-      in unangenehmen Gesprächsverläufen
das Augustenstift, ambulante Pflege-           ganisiert sind. Allein in Schwerin sind    professionell agieren zu können. Ein
dienste und die Klinik in Leezen dazu.         es ca. 60 Aktive.“ Sie, die gelernte OP-   weiterer Schwerpunkt der Ausbildung
Die Freiwilligen ergänzen die ärztlichen,      Schwester, ist seit 2006 dabei und wur-    ist das Thema Demenz. Wert legen die
pflegerischen und seelsorgerischen Be-         de bereits ein Jahr später mit der Ein-    Einsatzleiter auf Verbindlichkeit. Drei
mühungen um den ganzen Menschen.               satzleitung bei Helios betraut. Befragt    bis vier Stunden pro Woche sollen
Die Heilung oder die Annahme von               nach ihren persönlichen Beweggrün-         möglich sein. Regelmäßigen Austausch
Krankheit, Hilfsbedürftigkeit und einer        den, antwortet sie: „Ich bin mit dem Eh-   gibt es bei den monatlichen Gruppen-
eventuell neuen Lebenssituation brau-          renamt groß geworden, beide Eltern         treffen. So es Bedarf gibt, kann auch
chen über die gute professionelle Be-          haben sich seinerzeit engagiert. Und       Supervision angeboten werden. Das
ratung hinaus den persönlichen Bei-            so war es auch für mich immer wichtig,     sei wichtig in Sachen Selbstfürsorge, so
stand. Die Hilfe der Grünen Damen und          der Gesellschaft etwas zurückzugeben.      Katrin Springer. In vielen Gruppen gibt
Herren kann familiäre und persönliche          Als die Kinder aus dem Haus waren und      es darüber hinaus auch einen monat-
Bindungen nicht ersetzen, sie kann je-         ich nicht mehr für deren Schule und        lichen Stammtisch, bei dem teilweise
doch Stunden der Einsamkeit und des            Chor aktiv war, suchte ich mir ein neu-    auch eine Psychologin oder ein Kran-
„Sich-allein-gelassen-Fühlens“ über-           es Einsatzgebiet“. Fündig wurde sie bei    kenhausseelsorger der Helios-Kliniken
brücken. Ihre Schweigepflicht gibt dem         der Evangelischen Krankenhaus-Hilfe.       anwesend ist. Der Landesbeauftragten
                                               Ihr „Lohn“: die Dankbarkeit der zu Be-     für MV ist eines noch ganz wichtig: Die
                                               treuenden und das Glück, Teil ihrer Ge-    persönliche Wertschätzung. Alle Enga-
                                               schichte sein zu dürfen.                   gierten erhielten zum Geburtstag oder
                                                   Die Arbeit als grüne Dame oder grü-    Jubiläum bei der EHK Grüße, Urkunden
                                               ner Herr sei sehr anspruchsvoll, so Ka-    oder kleine Geschenke. Kirsten Sievert
                                               trin Springer. Unabdingbar sei eine
                                               große psychische Belastbarkeit, damit        Interessenten erreichen
                                               man die teilweise schweren Geschich-         Katrin Springer per E-Mail:
                                                                                            springer@ekh-deutschland.de oder
                                               ten nicht mit nach Hause nähme. Nur
                                                                                            Mobil unter 0172 392 28 86
                                               das gewähre ein gesundes Verhältnis
                                               zwischen Anteilnahme und Distanz,            Spendenkonto des EKH e.v.
                                               denn es sei wichtig, sich in den Gesprä-     IBAN: DE08 3506 0190 1560 0620 16
                                               chen selbst zurück zu nehmen. Dabei          BIC: GENODE D1 DKD
                                                                                            KD Bank – die Bank für Kirche und
                                               gäbe es verschiedene Einsatzgebiete:
                                                                                            Diakonie
                                               „Da ist der Lotsendienst, der die Pati-      (alle Spender erhalten eine
                                               enten nach der Aufnahme auf die Stati-       Zuwendungsbescheinigung)
Grüne Dame Katrin Springer  Foto: Kühnapfel   on begleitet und sich eventuell um eine

                                                                                                                               11
Erfahrung

 Wurde uns nichts oder zu viel geschenkt?
                                  Ein Briefwechsel zwischen Ost und West

Am 9. November jährte                                                                                für sehr komplex. Vielleicht
sich der Mauerfall zum 30.                                                                           so komplex, dass man es gar
Mal. Ein Jahr später folgte                                                                          nicht so richtig und umfas-
die deutsche Wiederver-                                                                              send in Worte fassen kann.
einigung. In den vergan-                                                                             Gestern Abend war mir da-
genen drei Jahrzehnten                                                                               nach – ich wollte etwas kur-
wurde niemandem etwas,                                                                               zes und Prägnantes in Worte
aber vielen sehr viel „ge-                                                                           fassen, weil mich dieser Tag
schenkt“. Ein Briefwechsel                                                                           und überhaupt dieser ganze
dazu von Hartmut Haker, Eine ganz normale Ost-West-Freundschaft verbindet Kerstin Fischer Prozess der Deutschen Einheit
1974 in Schwerin geboren und Hartmut Haker.                                     Foto: David Amiri   sehr bewegt. Ich weiß auch,
und nun in Ratzeburg le-                                                                             dass es viele Schicksale gibt,
bend, und Kerstin Fischer, 1975 in         konnten uns also ganz beruhigt freuen.         viele leben wahrscheinlich in großen
Kiel geboren und seit 15 Jahren in         In der Folgezeit bekamen wir in unserer        Nöten, für viele ist das Leben nicht leicht.
Schwerin lebend.                           Klassenstufe drei neue Mitschüler*innen        Da kann man sich schnell als Besserwis-
                                           aus den „neuen Bundesländern“. An-             ser erheben. Das will ich aber nicht. Ich
Liebe Kerstin!                             sonsten gab es keine Veränderungen in          finde es wichtig, dass es Menschen gibt,
Heute vor 29 Jahren hat sich unser Land    meinem Leben damals in Kiel.                   die etwas sagen, und unser Land und
wiedervereinigt – wenn ich die Bilder      Ich lebe seit November 2004 in Schwe-          diese Welt hoffentlich in eine gute Rich-
von damals sehe, ist es wie ein Wunder.    rin und das freiwillig und meistens recht      tung bringen.                    Hartmut
Manche sehen es heute nicht so. Ich bin    gern. Da ich kontaktfreudig bin und
in einer Familie aufgewachsen, in der      viele ganz verschiedene Menschen in            Lieber Hartmut,
es eine Selbstverständlichkeit war, dass   Schwerin mehr oder weniger kennen-             genauso sehe ich das auch. Es ist schwie-
sich Ost und West wiedervereinigen soll-   lernen konnte, weiß ich nur zu gut um          rig und „allumfänglich und gerecht“
ten. Ich finde, dass in unserem Land heu-  die verschiedensten Gemengelagen der           können wir es auch nicht in Worte fas-
te viel zu negativ darüber geredet wird.   Menschen. Ich habe das stets unkom-            sen, da es um 17 Millionen Menschen
Auch ich mit meiner Erkrankung kann        mentiert gelassen. Eine Bewertung ei-          geht. Ein jeder Mensch muss als Indivi-
von Glück reden, dass ich in einem sol-    ner Biografie, der individuellen Befind-       duum gelten und insofern kann es kei-
chen Land mit diesen medizinischen Er-     lichkeit oder was auch immer steht mir         nen „Abschlussbricht“, kein Urteil, keine
rungenschaften lebe!            Hartmut   nicht zu. Jede und jeder lebt sein Leben.      Leitlinien geben, da wir alle die Freiheit
                                           Damals wie heute. Nur dass die Men-            haben, uns unsere Gedanken zu al-
Hallo lieber Hartmut,                      schen hier einen extremen, für mich un-        lem Vergangenen, der Gegenwart und
vielen Dank, dass du mich an deinen        vorstellbaren Bruch erlebten, erleben          auch der Zukunft zu machen. Oder auch
Gedanken teilhaben lässt. Ich sehe das     mussten. Alles wurde komplett auf den          nicht. Das bedeutet auch Freiheit.
recht ähnlich. Gerade in dem Punkt der     Kopf gestellt und von heute auf morgen         Aber wir können und sollten zuhören.
Berichterstattung in den verschiedens-     war alles… anders. Nicht jede und nicht        Können reden. Einander Zeit, Anerken-
ten Medien. Allerdings muss „man“ sa-      jeder hatte die Kraft, sich neu zu erfin-      nung und Gehör schenken und versu-
gen, dass es auch nicht leicht ist – da es den und noch mal ganz von vorn anzu-           chen, nicht alles zu bewerten. Wenn
immerhin um 17 Millionen Einzelschick-     fangen. Auch ich bin dankbar, dass wir         wir dem Nächsten zugetan sind, empa-
sale dabei geht. Kein Westdeutscher        in so einem tollen Land und sozialen Ge-       thisch sind, oder es versuchen, ist etwas
kann sich vorstellen, was damals in der    sundheitswesen leben dürfen. Dazu bei-         Gutes geschehen. Der Mensch braucht
Wende- und Umbruchzeit so wirklich vor     getragen habe ich nichts.        Kerstin      den Menschen. Vielleicht brauchen wir
sich ging. Meine Familie und ich, damals                                                  mehr Menschen als Worte und mehr
14 Jahre alt, freuten uns unfassbar und    Liebe Kerstin,                                 Empathie als Fakten?
waren sehr glücklich über den Mauer-       vielen Dank für Deine Zeilen! Ich hal-                                   Kerstin Fischer
fall. Unser Alltag änderte sich nicht. Wir te die Probleme mit Ost und West auch

12
Selbsthilfe

              Organspender schenken Leben
                                    Zweite Chance durch Transplantation

In Vorbereitung auf eine Bandschei-         Patienten, die auf ein Herz war-
ben-OP im Sommer 2003 in Plau stell-        teten. Im Laufe der Monate
te der Anästhesist Unregelmäßigkeiten       wurden wir wie eine kleine Fa-
bei meinem Herzschlag fest. Nach-           milie. Wir haben viel Zeit mit-
dem ein Kardiologe eine Ultraschall-        einander verbracht, uns ge-
Untersuchung durchgeführt hat, wur-         genseitig Mut gemacht und
den eine Herzmuskelschwäche (25 – 30        aufgebaut, wenn mal jemand
Prozent Pumpleistung) sowie Chro-           „durchhing“.
nische Herzrhythmusstörungen und                Jeden ersten Montag im
Vorhofflimmern festgestellt. Nach di-       Monat kam jemand von der
versen Untersuchungen in der Herz-          Selbsthilfegruppe (IUP) und
klinik Karlsburg wurde ich erstmal auf      sprach mit uns. Der junge
Tabletten eingestellt. Meine Leistungs-     Mann hatte knapp zwei Jah-
fähigkeit war zwar zu dem Zeitraum          re vorher selbst auf der Stati-
schon eingeschränkt, aber ich konnte        on gelegen und auf ein Herz
ohne Probleme meiner Arbeit nachge-         gewartet. Mit seiner Erfah-
hen und sogar noch ein bisschen Sport       rung konnte er uns viele Fra-
treiben.                                    gen beantworten. Was muss
    2012 ist die Pumpleistung auf 20-       bei der Ernährung beachtet
25 Prozent gesunken. Außerdem wa-           werden? Wie schütze ich mich
                                                                                 Holger Niehs gründete die SHG Zweite Chance durch
ren die Herzrhythmusstörungen und           in der Öffentlichkeit usw. Am Transplantation.
das Vorhofflimmern so stark, dass ein       20. Dezember 2017 wurde
ICD (Defibrillator mit Herzschrittma-       festgestellt, dass meine Nieren versa-        Unterstützung konnte ich am 4. De-
cherfunktion) notwendig wurde. 2013         gen und es auch schon Probleme mit            zember interessierte Mitstreiter für
erhielt ich eine Absorptions-Therapie.      der Leber gibt. Die Pumpleistung war          die Selbsthilfegruppe „Zweite Chan-
Während der Therapie kam es dann            inzwischen auf 5 – 10 Prozent gesun-          ce durch Transplantation“ gewinnen.
zu einem Schlaganfall. Ab 2014 nahm         ken. Die Implantierung einer Herzun-          Bei uns sind alle Menschen willkom-
meine Leistungsfähigkeit so weit ab,        terstützungsmaschine (Kunstherz) war          men, die auf ein Organ wie Herz, Nie-
dass mich meine Kardiologin an das          für den nächsten Tag geplant. Gegen           re, Lunge oder Leber warten bzw. ein
Deutsche Herzzentrum nach Berlin            20.30 Uhr geschah dann das ersehnte           Organ bekommen haben. Natürlich
überwies. Durch die sehr gute Betreu-       Wunder. Für mich war ein Spenderherz          sind auch deren Angehörige gern ge-
ung dort konnte ich immer wieder „auf-      unterwegs. Am 21. Dezember gegen              sehen. Gesundheitsbedingt ist natür-
gepäppelt“ werden. Im Dezember 2015         3.30 Uhr wurde ich in den OP-Saal ge-         lich eine Fluktuation vorhanden. Daher
waren dann die Werte so schlecht, dass      schoben und bekam mein neues Herz.            freuen wir uns über jeden Betroffenen,
ich auf die Transplantationsliste gesetzt   Durch das Nierenversagen musste ich           der unsere Selbsthilfegruppe verstärkt.
wurde. Ab August 2016 war dann die          noch ein paar Wochen nach der Trans-          Der Erfahrungsaustausch in der Grup-
Leistung soweit runter, dass ich nicht      plantation an die Dialyse. Als die Nieren     pe ist selbst für Transplantierte, die
mehr arbeiten konnte. Ab Februar            wieder ihre Arbeit aufnahmen, konn-           vor einigen Jahren ihr Organ bekom-
2017 wurde meine EU-Rente bewilligt.        te ich Anfang Februar 2018 in die Reha        men haben, interessant. Wir vertreten
Mein Allgemeinzustand verschlech-           und Anfang März endlich wieder nach           bei öffentlichen Foren oder Podiums-
terte sich rapide. Ich konnte an man-       Hause und mein zweites Leben in vol-          diskussionen die Interessen der Men-
chen Tagen keine 100 Meter mehr am          len Zügen genießen.                           schen, die auf eine Organspende ange-
Stück laufen. Im September 2017 kam             Da ich noch häufig an die Warte-          wiesen sind.              Holger Niehs
ich auf die HU-Liste (Hochdringlich). Ab    zeit im Krankenhaus und an die Selbst-
dem Zeitpunkt wartete ich im Paulinen       hilfegruppe denken musste, habe ich                 Bitte Unterstützen auch Sie uns.
Krankenhaus in Berlin auf ein Herz. Wir     im Herbst 2018 Kontakt zur KISS auf-                Informieren Sie sich über den
                                                                                                Organspende Ausweis.
waren immer zwischen acht und zehn          genommen. Mit deren tatkräftiger

                                                                                                                              13
Menschen

 Einhundertzwanzig Stunden geschenkt
                               Jugendliche unterstützen Kinderkirchenfreizeit im Sommer

Matti ist 10 und schiebt zusammen           mitzuarbeiten.“ Matti ist verblüfft.       Dein Mut ausreicht, dann gib anderen
mit 39 anderen Kindern mühsam sein          120 Stunden kostbare Ferienstunden         davon ab! Wenn Deine Hoffnung groß
schweres Fahrrad durch den völlig           - geschenkt.                               genug ist, dann hoffe für andere mit!
versandeten Feldweg. Immer wieder                Am nächsten Vormittag geht es um      Schenke anderen Deine Zeit, Deine Fä-
bleibt das Vorderrad stecken. Die Son-      die Abrahamsgeschichte aus dem Al-         higkeiten, Dein Interesse! Verschenke
ne am mecklenburgischen Himmel              ten Testament. Gott verspricht Abra-       Dich selbst!
brennt heiß auf den Acker nieder und        ham, der mit seiner ganzen Sippe zu ei-         Unser Land braucht Schenker. Men-
bis zum nächsten Badesee sind es noch       nem fremden Land aufbricht: Ich will       schen, die nicht nur empfangen und
drei Kilometer. Verschwitzt und entkräf-    dich segnen und du sollst ein Segen        behalten, sondern die abgeben und
tet schmeißt er irgendwann sein Fahr-       sein. In Kleingruppen überlegen die        teilen. Menschen, deren Reichtum sich
rad an den Wegrand und flucht laut.         Kinder, womit wir in unserem Leben ge-     darauf gründet, dass sie Nächstenlie-
Das erste Mal ist Matti mit der Kirche      segnet sind und wodurch wir zum Se-        be und Annahme als Geschenk emp-
unterwegs, zur Kinderfreizeit in den        gen für andere Menschen werden kön-        finden. Menschen, die großzügig sind,
Sommerferien. Die meisten anderen           nen. Die Ergebnisse halten die Kinder      weil sie die Angst verloren haben, zu
Kinder kennt er schon, von den Pfad-        auf großen Plakaten fest und hängen        kurz zu kommen. Menschen, die nicht
findern und aus seiner Christenlehr-        sie im Haus auf. Auf einem Plakat ent-     nur danach fragen: „Was habe ich da-
egruppe. Eigentlich ist alles sehr cool,    decke ich, dass die Kinder den Satz um-    von? Was bringt es mir?“, sondern die
das Haus und auch das Programm. Nur         formuliert haben: Ich will dich beschen-   aus freien Stücken und aus vollem Her-
diese Fahrradtour nervt echt. Plötzlich     ken und du sollst ein Geschenk sein.       zen fragen: Was brauchst Du? Was kann
steht Johannes neben Matti und hebt         Drumherum in Worten und Bildern Vie-       ich für Dich tun?
sein Fahrrad auf. „Los komm, ich hel-       les, womit wir in unserem Leben be-             Du bist beschenkt und Du sollst ein
fe dir schieben!“, sagt Johannes. Mit ei-   schenkt, womit wir gesegnet sind. Da       Geschenk sein. Eines hat Matti jeden-
nem Mal geht es ganz leicht - und lus-      ist all das Schöne und Unbezahlbare zu     falls in diesem Sommer gespürt; er wur-
tig ist es auch.                            lesen und zu sehen, dass unser Leben       de nicht betreut, er wurde beschenkt.
     Matti wundert sich ein wenig über      reich und sinnvoll macht. Die Vielfalt                 Henrike Heydenreich- Ogilvie
diesen Johannes und die anderen fünf        der Dinge, durch die die Kinder sich ge-                         Gemeindepädagogin
Jugendlichen, die bei der Freizeit als      segnet und beschenkt fühlen, ist über-               der ev. Kirchengemeinde Pinnow
Teamer dabei sind. Alles Jugendliche        wältigend. Ebenso die Ideen, wie jedes
um die 16, die immer da sind: beim Ba-      Kind und jeder Erwachsene zu einem
den, beim Kochen, beim Singen, beim         Segen für andere Menschen werden
Fußballspielen und beim Zubettgehen         kann.
– immer. Sie sind echt nett und man              Doch nicht immer fühlt sich un-
kann richtig gut mit ihnen lachen und       ser Leben wie ein Segen an. Es gibt Le-
sie lesen sogar Gutenachtgeschichten        benssituationen, in denen wir uns ganz
vor. Das hat Matti noch nie erlebt mit      und gar nicht beschenkt fühlen, Zeiten,
Jugendlichen und er kann es nicht so        die absolut nicht gesegnet erscheinen.
ganz verstehen.                             Welch ein Geschenk kann es dann sein,
     Abends am Lagerfeuer will er es        wenn einer mir abgibt von seiner Hoff-
dann wissen: „Sag mal, Johannes, wie        nung, seinem Trost, seiner Kraft.
viel bekommst du eigentlich für die              Denn der Segen Gottes ist keine
ganze Sache hier? Ich mein, wie viel        Sackgasse, sondern er befähigt uns,
für die ganzen fünf Tage?“. Verwun-         selbst zu einem Segen für andere zu
dert lacht ihn der Teamer an: „Nichts.      werden. Das klingt geradezu nach einer
Das ist das schönste für mich in den Fe-    Aufforderung: Wenn Du genug Kraft
rien, als Teamer bei der Kinderfreizeit     hast, wende Dich anderen zu! Wenn          Henrike Heydenreich- Ogilvie

14
Menschen

                                           Miteinander leben,
                                           ­lernen und gestalten
                                           Schweriner Verein Ma‘an e.V.

Unser Verein „Miteinander – Ma’an          der Menschen waren gedeckt. Der Be-        Ein großes Geschenk – für mich und
e.V.“ beschäftigt sich mit den drei        griff „Flüchtlingshilfe“ war nicht mehr                 andere
Themenbereichen: Bildung, Kultur           so recht passend für den Alltag und die
und Sport. Wir sind offen für Men-         Integrations- und Inklusionsarbeit, die    Was mich persönlich am meisten be-
schen aller Nationalitäten und för-        die Flüchtlingshilfe Schwerin e.V. mehr    eindruckt an dem regelmäßigen Kon-
dern mit unseren Aktivitäten das           und mehr im Wandel der Zeit leiste-        takt und der Zusammenarbeit bei
friedliche Zusammenleben und das           te. 2016 wurde bereits „Miteinander –      uns im Verein, sind die Lebensfreu-
gegenseitige Verstehen in unserer          Ma’an e.V.“ von einigen in der Flücht-     de, die Begeisterungsfähigkeit sowie
Stadt.                                     lingshilfe Mitwirkenden gegründet, so      die Energie, die meine Freunde und
                                           dass sich die Flüchtlingshilfe Schwerin    Bekannten vielfach mitbringen. Mir
              Rückblick                    e.V. auflöste und ab 2019 in den Verein    machen unsere Treffen Spaß und ich
                                           „Miteinander – Ma’an“ integrierte. Sy-     schätze den inspirierenden Austausch
In den Jahren 2015 und 2016 such-          rer*innen hatten die Idee, den Verein      mit Menschen aus anderen Kulturräu-
ten viele Menschen aus anderen Län-        zu gründen. Sie wollten vielfach von       men sehr. Ich bemerke, wie sich mei-
dern, vorwiegend aus Syrien, bei uns       Anfang an helfen, sich einbringen und      ne Wahrnehmung und mein gedank-
in Schwerin Schutz. In Syrien war 2011     andere Geflüchtete unterstützen.           licher Horizont positiv verändert und
ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der vie-                                                erweitert haben im Laufe der Zeit.
le Syrer*innen zur Flucht zwang, wenn                     Projekte                    Unsere Mitgliedertreffen sind immer
sie überleben wollten. Sie flüchteten                                                 munter bunt. Es wird gelacht, gere-
teilweise innerhalb des Landes und         • Arabischunterricht immer sonntags        det, diskutiert. Zusammen entwickeln
trotzdem holte der Krieg sie immer         In der „Sonntags:Schule!“ lernen ca. 150   wir daraus neue Ideen für zukünftige
wieder ein. Die Nachbarländer nah-         Kinder aus Arabisch sprechenden Fami-      Projekte.
men geflüchtete Syrer*innen anfangs        lien im Alter zwischen 6 und 14 Jahren         Wir freuen uns über interessier-
auf, bis ihre jeweiligen Kapazitäten er-   zusätzlich zum Schulunterricht an den      te Menschen, die unseren Verein ken-
schöpft waren. Danach gab es nichts        Schweriner Schulen das Schreiben und       nenlernen wollen und laden Sie herz-
mehr. Dennoch schafften es viele Men-      Lesen von ihrer Arabischen Mutterspra-     lich zu einem Treffen bei uns ein.
schen, zum Teil zu Fuß und immer mit       che. Viele Familien wollen eines Tages                             Kerstin Fischer
einer teuflisch gefährlichen Überfahrt     nach Syrien zurückkehren. Eine Gene-
im Schlauchboot übers Mittelmeer und       ration, die dann nicht einmal die Lan-          www.miteinander-maan.org
wiederum anschließendem langen             dessprache lesen und schreiben könn-            kontakt@miteinander-maan.org
Fußmarsch, bis zu uns nach Schwerin.       te, wäre verloren. „Geflüchtete helfen
Da waren sie nun. Manche mit kurzen        Geflüchteten“ ist die Devise des Pro-
Hosen, Flipflops an den Füßen bei 5        jekts, da die ehrenamtlichen Lehrkräfte
Grad Außentemperatur und nichts da-        vorwiegend aus Syrien stammen.
bei, außer den wichtigsten Dokumen-
ten und der Freude, erstmals irgendwo      • Schwimmkurse für Kinder und Er-
angekommen und in Sicherheit zu sein.         wachsene aller Nationalitäten
Viele Schweriner*innen wollten hel-
fen und gründeten die Flüchtlingshilfe     • Nähkurse, Computerkurse
Schwerin e.V., auch um der (Stadt)Ver-
waltung ehrenamtlich unterstützend         • Miteinander gärtnern im Schreber-
zur Seite zu stehen.                          garten-Verein (Projekt beendet)
    Ende 2018 hatten alle Syrer*innen,
die ab 2015 in Schwerin eintrafen, eine    • Regelmäßige Beteiligung an Musik-
Wohnung, konnten Deutsch sprechen             und Kulturveranstaltungen mit in-
                                                                                      Miteinander in Frieden leben, das ist Anlie-
und hatten jahreszeittaugliche Schuhe         terkulturellem Charakter (Tanz der      gen des Vereins Ma’an
an den Füßen. Die Grundbedürfnisse            Kulturen, Lesen international                                  Foto: Claus Oellerking

                                                                                                                               15
Selbsthilfe

                                              war wahrlich kein Geschenk und noch         Angst zu haben scheinen, ihnen könn-
Wir kriegen                                   viel weniger das, was dann für uns Frau-    te ihr Wohlstand durch Geflüchtete
                                              en kam. Das, was der Herbst 89 für mich     abhandenkommen.
nichts geschenkt                              war, war Selbstermächtigung, Auf-               „Frauen, bildet Banden!“ ist so ein
                                              bruch und das Überwinden von Angst.         Spruch, den ich in letzter Zeit öfter höre
                                              Das gemeinsame Agieren, das Reden           und der in mir eine Aufregung auslöst,
Silke Gajek lädt in Schwerin Frauen           an den Tischen in der Küche, das ge-        die mich angespornt hat, ein Erzählca-
zum Erzählcafé                                meinsame Demonstrieren und Konzep-          fé hier in Schwerin mit anderen Frau-
                                              te entwickeln – das waren Momente, in       en ins Leben zu rufen. Ich möchte nicht
Die Veranstaltungen in Erinnerung             denen wir mündig wurden, aufbegehr-         weiter isoliert kämpfen für Frauenrech-
an den Herbst werden fast immer               ten, aufstanden, Momente, in denen          te, Geburtshilfe oder die Südbahn. Ich
aus männlicher Perspektive bespro-            wir kreativ und selbstbestimmt wa-          will, dass wir ins Gespräch kommen.
chen und reflektiert. Auch wird der           ren. Heute, 30 Jahre später frage ich       Und eventuell ergeben sich daraus Ak-
Mauerfall gerne als etwas stilisiert,         mich- und das übrigens immer inten-         tionen. Das, was mich treibt, ist die Tat-
was das Ziel der Friedlichen Revolu-          siver: Wo sind eigentlich die mutigen       sache, dass ich nicht zuschauen will,
tion war. Wer dabei war, weiß, dass           Frauen meiner Generation heute, was         wie unsere Ideale wieder einmal den
das mitnichten so war. Ich mag mir            denken sie und wie geht es ihnen? Was       Bach runtergehen. In der Seminarreihe
gar nicht vorstellen, wie die Lobhu-          sind ihre aktuellen Vorhaben, was ha-       „Kirche stärkt Demokratie“ habe ich an-
deleien 2020 aussehen, wenn die               ben sie die letzten 30 Jahre gemacht?       dere Frauen kennengelernt, denen es
Frauenperspektive meist ausge-                Und geht es ihnen eigentlich auch so        ähnlich geht. Sie werden das Erzählca-
blendet bleibt. Zunehmend ärgert              wie mir, dass sie nach Zusammenhalt         fé mit mir gestalten.
es mich, dass wir Frauen mit unseren          und Aufbegehren lechzen und etwas               Im tisch, Martinstraße 11, gibt es die
Vorstellungen, Idealen, Wünschen              der aktuellen Entwicklung dagegen-          Möglichkeit sich zu treffen und anzu-
oder auch Hoffnungen nicht vor-               setzen wollen? Wir leben in einer Zeit      fangen. Kaffee und Tee kann frau sich
kommen und wenn, dann sind es die             mit zunehmendem Rassismus, Rechts-          dort kaufen. Geplant sind monatliche.
Geschichten und Biografien, die all-          extremismus, Antifeminismus und und         Interessant wird dieses Format hoffent-
gemein bekannt und Erfolgsstorys              und. In einer Zeit, in der eine Partei in   lich nicht nur für die Frauen meiner Ge-
sind.                                         Thüringen Wahlen gewinnt, obwohl ihr        neration sein, sondern gerade auch für
                                              Spitzenkandidat Faschist genannt wer-       die Jüngeren. Also Frauen, macht euch
Die aktuelle Ausgabe ‚Hilf dir selbst!‘ be-   den darf. Wir leben in einer Zeit, in der   auf den Weg und bildet Banden – Frau-
schäftigt sich mit Geschenken. Ich kann       Menschen im Mittelmeer ersaufen und         en, wir kriegen nichts geschenkt.
nur sagen: Die Friedliche Revolution          gleichzeitig Menschen in Deutschland             Silke Gajek

                                              Durch die Bewilligung der Fördermit-        Gemeinsam haben wir an diesem Wo-
Inklusion gelebt                              tel von „Aktion Mensch“ sowie der Eh-       chenende Inklusion gelebt – anstatt
                                              renamtsstiftung M-V, konnten wir un-        darüber zu reden! Ein Gegenbesuch ist
                                              ser Projekt nun erfolgreich umsetzen.       in Planung und wir freuen uns schon
Reisebericht zum Projekt „Kunstin-                Am 4. Oktober um 7 Uhr starteten        jetzt darauf.         Birgit Behrendt
klusion“ des „freiraum26“ Schwerin            wir in einem Kleinbus mit 19 Plätzen
und der Hansestadt Brilon                     von Schwerin erwartungsvoll unse-
                                              re Fahrt nach Brilon ins Sauerland. Am
Die Idee zu diesem Projekt entstand           6.Oktober fand der Höhepunkt unse-
eher zufällig, als Frau Ortkemper-Wag-        rer Reise statt. Um 11 Uhr eröffnete der
ner vom „Sozialwerk St. Georg“ aus            Bürgermeister von Brilon, Christoph
Brilon bei einem Spaziergang durch            Bartsch, im Rathaus unsere Gemein-
Schwerin im Oktober 2018 im „frei-            schaftsausstellung. Seine Eröffnungs-
raum26“ landete, wo wir gerade eine           rede war sehr berührend und gab uns
neue Kunstausstellung eröffneten. Ein         Zuversicht auf eine Ausweitung der
langes Gespräch mit Frank Fuhrmann,           schon guten Beziehungen. Da im gan-
Kursleiter freies Malen im „freiraum26“,      zen Ort überall Ausstellungsplakate
weckte ihr Interesse an unserer Arbeit.       hingen, kamen sehr viele interessierte
Daraus wuchs die Idee, eine gemein-           Besucher*innen. Wir wurden so herz-
same Ausstellung im Rathaus von Bri-          lich begrüßt und aufgenommen, dass          Herzlich aufgenommen wurden die Schweriner
lon zu organisieren.                          wir diese Tage nie vergessen werden.        vom „freiraum26“ im sauerländischen Brilon.

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