Grundsatzprogramm & Beschlusslage - 30.-75. Landesschüler*innenkonferenz (LSK)

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Grundsatzprogramm & Beschlusslage - 30.-75. Landesschüler*innenkonferenz (LSK)
Grundsatzprogramm
   & Beschlusslage

             30.-75.
Landesschüler*innenkonferenz (LSK)
Inhalt                                                               Du bist keine Schublade: . ................................
                                                                     Pädagogik von und für Schüler*innen: ..................
                                                                                                                                       26
                                                                                                                                       26
                                                                     Einführung des Pflichtfaches „Wirtschaft und Recht“
                                                                     ab der 7. Klasse: ...........................................     27
                                                                     Förderung bilingualen Unterrichts: . ....................         27
Impressum................................ 4                          Philosophie ab der 5. Klasse: .............................       27
                                                                     Schulstruktur:...............................................     27
GRUNDSATZPROGRAMM................ 5                                  Lehrplan der Zukunft: .....................................       28
                                                                     Hausaufgaben abschaffen. Jetzt!: ......................           28
„Schule von morgen”.................. 5                              Einführung des Unterrichtsfachs Zukunftsstudien: ...              28
1.1 demokratisierung von schule.......................... 5          Kein Unterricht an Karnevalsfreitag: . ..................         28
1.2 schulparlament.......................................... 7       Wein – interdisziplinäre Thematik mit regionalem
1.3 eingliedriges schulsystem.............................. 7        Bezug: . ......................................................   29
1.4 selbstbestimmtes lernen................................ 8        Unterrichtsausfall 2: .......................................     29
1.5 noten/bewertungssysteme............................. 9           Von der Unterrichtsvollzugsanstalt zum Haus des
2.1 inklusion.................................................. 9    Lernens:......................................................    29
2.2 geschlechterverhältnisse............................ 10          Unterrichtsausfall 1: .......................................     31
2.3 sexualkunde............................................. 12      Schulbeginn: ................................................     31
2.4 anti-ra................................................... 13    Sportunterricht: ............................................     31
2.5 religions­unterricht................................... 15       Lehrplan/Sozialkunde:.....................................        31
2.6 wahlalter............................................... 15
2.7 schulautonomie / schulsponsoring................. 16             Thema: Religionsunterricht......... 32
3. politisches mandat...................................... 16       Religionsunterricht und religiöse Bezüge: .............. 32
4.gesamtschüler*­innen-vertretung..................... 17
5. hochschule............................................... 17      Thema: Ganztag....................... 32
6. umweltschutz............................................ 19       Ganztagsschulprogramm: ................................. 32
7. extremismusbegriff...................................... 20
8. denn wir sind die Schüler*innen!..................... 21          Thema: Inklusion...................... 33
                                                                     Einfache Sprache: ..........................................      33
BESCHLUSSLAGE....................... 22                              Realschulen+/Förderschulen mehr einbeziehen: . ....               33
                                                                     Einführung von Integrations- und
Thema: Demokratisierung........... 22                                Sprachförderungen ab dem Grundschulalter: .........               33
Wahlrecht für den Schulträgerausschuss ...............          22   Eine Schule für Alle – die Gemeinschaftsschule: ......            33
Uneingeschränkte SV‐Arbeit von Azubis: ...............          22   Mehr als nur Chancengleichheit: ........................          35
Kommunikationsgrundsatz: ...............................        22
Quorum: .....................................................   23   Thema: Gender........................ 36
Erziehung zu kritischem Denken:                                      Zimmereinteilung auf Schulfahrten: .................... 36
:„Grundsätze für die Schulerziehung“ ..................         23   Genderneutrale Toiletten an Schulen: .................. 36
                                                                     Genderneutrale Sprache: ................................. 36
Thema: Benotung..................... 24                              Gendern in selbst festgelegten Vorschriften der LSV: .36
Keinen Lesezwang an Schulen haben,
„Antolin“ aus den Schulen schaffen: . .................. 24          Thema: Kostenlose Bildung......... 37
Einheitliche Notenschlüssel: ............................. 24        Privatschulen: ..............................................     37
Neue Richtlinien für Benotungen: ....................... 24          Soziale Gerechtigkeit durch Bildung – Ein Appell
Mehr Transparenz beim Auswahlverfahren                               an die zukünftige Bundesregierung: ....................           37
für Austausche: ............................................. 24     ÖPNV-Netz verbessern: ....................................        38
Optimierung des Unterrichtes durch das                               Fahrtkostenerstattung: . ..................................       38
Doppelstundenprinzip: .................................... 24
Hausaufgaben: .............................................. 24      Thema: Anti-Diskriminierung....... 39
Rechtschreibung: ........................................... 24      Erinnerungskultur in Schulen: ............................        39
Bewertungssysteme 1: .................................... 24         Für eine pluralistische Gesellschaft:.....................        39
Bewertungssysteme 2: ........................................ 24     Geflüchtete und Schule: ..................................        40
                                                                     Sensibilisierung über Flüchtlinge an Schulen: .........           41
Thema: Unterricht.................... 25                             Politische und religiöse Gewalt: .........................        41
Unterrichtsbeginn zu einer rationalen Zeit: ...........         25   Unterstützung von Geflüchtetenhilfe:...................           41
Politische Bildung in der Landesverfassung ............         25   Einrichtung einer*s LSBTTIQ-Beauftragten an
Sprachlernen mit Perspektive: ...........................       25   Schulen: .....................................................    41
Sprachen lernen an Schulen:..............................       25   Gleiches Recht für alle!: ..................................      41
Aufzeichnung des Unterrichts für                                     Extremismusklausel: .......................................       41
Weiterbildungsmaßnahmen: ..............................         26   Frauenrolle in Schulbüchern und Lehrplänen: .........             41
Standardisierte Tests? Nicht mit uns!: ..................       26   Kopftuch: ....................................................    41

      2
Thema: SV/Engagement.............. 42                                  Thema: Gesundheit/Ernährung
Passives Wahlrecht in den Kreis- und Stadt-SVen: ....             42
Erweiterung des Landesvorstands: ......................           42
                                                                       und Sexuelle Aufklärung............. 52
                                                                       Privatsphäre: ............................................... 52
Corporate-Design der Kreis-/Stadt-SVen ...............            42
                                                                       Alkoholverbot für Schüler*innen: ....................... 52
Förderung von selbstverwalteten
                                                                       Hitzefrei: .................................................... 52
Schulsanitätsdiensten: ....................................       42
                                                                       Ritalin-Aufklärung: ......................................... 52
Aufbau eines regionalen SV-Berater*innen-
                                                                       Lehrplan/Drogen: .......................................... 52
Netzwerks in Rheinland-Pfalz: ...........................         42
                                                                       Gewalt: ...................................................... 52
Schulbefreiung im Ehrenamt: ............................          43
                                                                       Schulpsycholog*innen: ..................................... 52
§ 24 des Schulgesetzes Rheinland-Pfalz: ...............           43
                                                                       Gesunde Ernährung, gesundes
Ausstattung der SVen: .....................................       43
                                                                       Schulleben, aber richtig! .................................52
Bildungsstreik: ..............................................    43
                                                                       Senkung der Mehrwertsteuer für Schulessen: ......... 53
Keine Bestätigung für LSV-Tätigkeiten
                                                                       Mittagessen: ................................................ 53
ohne Entlastung: ...........................................      43
                                                                       Aufklärung über sexualisierte Gewalt: ................. 53
Schnelle Entscheidungen: . ...............................        44
                                                                       Kooperation zwischen dem Regenbogenparlament
LSV-Struktur: ................................................    44
                                                                       und der LSV RLP: ........................................... 53
LSV-Ehemaligenbeirat: ....................................        44
                                                                       Toleranzworkshop: ......................................... 53
Libli/Herausgeberin: ......................................       44
                                                                       Aids-Aufklärung an Schulen: .............................. 53
Libli/Amtszeit: .............................................     44
                                                                       Sexualkundeunterricht: ................................... 54
SV-Aufbau: ..................................................     44
                                                                       Homosexualität, Sexuelle Orientierung: ............... 54
Ombudsfrau*mann: ........................................         44

Thema: Oberstufe und Abitur....... 45                                  Thema: Bundesebene................ 54
                                                                       Kriterien für einen Wiedereintritt in die BSK:..........          54
Gewichtung der sonstigen Leistungen in der MSS
                                                                       Weiteres Vorgehen mit der BSK: .........................          55
in kurzen Halbjahren: .....................................       45
                                                                       Gestaltungsspielräume für Bundesdelegierte: .........             55
Entscheidungsfreiheit bei Laptopnutzung in
                                                                       Bildungsföderalismus: .....................................       55
Klausuren und Prüfungen: ................................         45
                                                                       Freie, länderübergreifende Schulwahl: .................           55
Schulabschluss: .............................................     45
Sportunterricht in der Oberstufe: ......................          45
Verpflichtender Sozialkundeunterricht für die
                                                                       Thema: Lehrer*innen................ 56
                                                                       Lehrer*innenevaluation: ..................................        56
Oberstufe: ...................................................    45
                                                                       Vertrauenslehrer*innen 3:.................................        56
Abschaffen der Abiklausuren: ............................         45
                                                                       Überprüfung der Lehrkräfte auf Sozialkompetenz,
Einrichtung von Oberstufen an Integrierten
                                                                       Fachkompetenz, Methodenkompetenz und
Gesamtschulen: ............................................       45
                                                                       Aktualität: . .................................................   56
MSS-Reform: ................................................      46
                                                                       Verbesserung der Arbeitsverhältnisse
Gegen Unterrichtung eines MSS-Kurses durch noch
                                                                       von Lehrer*innen:...........................................      57
nicht fertig ausgebildete Lehrkräfte: ...................         46
                                                                       Vertrauenslehrer*innen 2: ................................        57
Leistungskurskombination: ...............................         46
                                                                       Lehrer*innenbewertung: ..................................         57
Kunst: ........................................................   46
                                                                       Mehr Lehrkräfte: ...........................................      57
Gemeinschaftskunde: .....................................         46
                                                                       Lehrer*innenfort- und Aus­bildung: ......................         57
Schulzeitverkürzung: ......................................       46
                                                                       Lehrprobe: ..................................................     57
Zentralabitur: ..............................................     46
                                                                       Vertrauenslehrer*innen 1: ................................        57
MSS: ..........................................................   46
                                                                       Rückmeldung: ..............................................       57
Thema: Medien/Digitalisierung..... 47                                  Thema: Kontrolle...................... 58
Bildung im Wandel der Digitalisierung: .................          47
                                                                       Entschuldigungsverfahren in der Oberstufe ‐
Medienbildung: .............................................      49
Digitale Schulbücher: ......................................      49   Schüler*innen sind keine Buchhalter*innen: ..........             58
Änderung des Rundfunkstaatsvertrags:..................            50   ADD kontrollieren!:.........................................      58
Elektronische Vertretungspläne: .........................         50   Recht der Wahl des*der Schulleiter*in: .................          58
Handyverbote an Schule auflockern!: ..................            50   Hierarchien im BM: ........................................       58
Multimedia-Verbote: .......................................       50   Kultusministerkonferenz: .................................        58
Software: ....................................................    50
                                                                       Thema: Berufsorientierung......... 59
Thema:                                                                 Wegfall der räumlichen Begrenzung von Schüler*­
                                                                       innenpraktika – Änderung der zugehörigen VV:........              59
Umweltschutz & Nachhaltigkeit.... 51                                   Zwei Betriebspraktika auch an Gymnasien: ............             59
Umweltbewegungen: ......................................          51   Numerus Clausus ist nicht alles: .........................        59
Recycling-Plaketten und Umweltschutz an Schulen:..                51   Studiumsvorbereitung: ....................................        59
Nachhaltigkeit: .............................................     51
Qualitätsmanagement: ....................................         51   Thema: Wahlen........................ 60
                                                                       Europäisches Wahlrecht: .................................. 60

                                                                                                                                  3
Thema: Bundeswehr/Werbung;                                            Thema: Weitere Beschlüsse......... 62
                                                                      Kinderrechte ins Grundgesetz: ...........................       62
Überwachung der Schüler*innen.. 61                                    Bewerbungsanfragen an die LSV Rheinland-Pfalz: ....             62
Bundeswehr (Werbung): . .................................        61
                                                                      Aufenthalt im Schulgebäude: ............................        62
Bundeswehr: ................................................     61
                                                                      Beschlusslagen-Archiv: ....................................     62
Überwachung: ..............................................      61
                                                                      Wettbewerbe: ..............................................     62
Werbung an Schulen: ......................................       61
                                                                      Stärkere Zusammenarbeit mit dem
MNS+ („Modulares Netzwerk für Schulen“)
                                                                      Landeselternbeirat: . ......................................    62
des LMZ (Landesmedienzentrale) in Kombination
                                                                      Kooperation mit der Bildungsbande: ....................         62
mit VNC (Virtual Network Computing): .................           61
                                                                      Neuausrichtung der Kooperation mit JGA: .............           62
Schülerdatei: ...............................................    61
                                                                      Freie Wahl der Schulzeit ermöglichen!:.................         63
Strafen für Schulschwänzer*innen:.......................         61
                                                                      Schulsozialarbeiter*innen: ................................     63
Informationelle Selbst­bestimmung: .....................         61
                                                                      Schüler*innen wollen tanzen: ............................       63
Schuluniform: ...............................................    61
                                                                      Beschäftigung von Sozial­pädagog*innen: ...............         63
§ 1c SchuG: . ................................................   61
                                                                      Drogenpolitik: ..............................................   63
                                                                      Keine Rauchverbote: ......................................      63

                                                                      Verzeichnis der LSKen:...............64

                                                                      Impressum
                                                                      Grundsatzprogramm und Beschlusslage der
                                                                      Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz

                                                                      - wird fortlaufend aktualisiert;
                                                                      letzte Aktualisierung: Januar 2021 -

                                                                      herausgegeben von:

                                                                      LSV Rheinland-Pfalz
                                                                      Schießgartenstraße 11
                                                                      55116 Mainz
                                                                      06131 / 23 86 21
                                                                      info@lsvrlp.de
                                                                      www.lsvrlp.de

                                                                      Gestaltung und Redaktion:
                                                                      Charlet Flauaus, Alisa Siegrist, Dominik Rheinheimer

                                                                      Bildnachweise:
                                                                      Deckblatt: LSV RLP; S. 5: MMchen, photocase.de; S. 7:
                                                                      sör alex, photocase.com; S. 8: photocase.com; S. 9:
                                                                      Pixabay.com, Inklusion; S. 10: .marqs, photocase.de; S.
                                                                      12: LSV RLP; S. 13: Go volunteer; S. 15: wikipedia.de
                                                                      und kallejipp, photocase.com; S. 16: Pixabay.com; S. 17:
                                                                      LSV RLP und luxuz::., photocase.de; S. 19: mentaldisor-
                                                                      der, photocase.de; S. 20: wikipedia.de; S. 21: Pinnwand,
                                                                      photocase.de; S. 22: Rodtschenko; S. 23: LSV RLP; S. 24:
                                                                      LSV RLP; S. 25: Pixabay.com; S. 32: blende11.photo, fo-
                                                                      tolia.de; S. 33: LSV RLP; S. 36: LSV RLP; S. 37: Pixabay.
                                                                      com; S. 39: misterQM, photocase.de; S. 42: LSV RLP; S.
                                                                      45: Archiv; S. 46: Pixabay.com; S. 47: peshkova, fotolia.
                                                                      com; S. 51: manun, photocase.de; S. 52: misterQM, pho-
                                                                      tocase.de; S. 53: LSV RLP; S. 54: wikipedia.de; S. 56:
                                                                      Pixabay.com; S. 59: pixelputze, photocase.de; S. 60: LSV
                                                                      RLP; S. 61/62: Pixabay.com

     4
Grundsatzprogramm
„Schule von morgen”
1.1 demokratisierung von
schule

Die LSV Rheinland-Pfalz fordert
die volle Mitbestimmung der
Schüler*innen in allen die Schule
betreffenden Fragen, auf schuli-
scher, kommunaler, Landes- und
Bundesebene.

„Ziel der Schule ist es, die Schüle-
rinnen und Schüler im Geiste der
Demokratie zu erziehen und auf
das Leben in der Demokratie vor-
zubereiten.“ In dieser oder etwas
abgewandelter Form ist das Ziel
von Schule in mannigfaltigen kul-
tusministeriellen Schriften festge-
halten.

Gegen diesen Grundsatz ist wohl
grundsätzlich nichts einzuwenden.
Es ist aber fraglich, ob diesem
Grundsatz im momentan existie-
renden Schulsystem in angemesse-
ner Form Rechnung getragen wird.
Um dies zu entscheiden, muss man
zunächst überlegen, was für An-
forderungen eine demokratische
Gesellschaft an ihre einzelnen Mit-
glieder stellt, bzw. welche Anfor-
derungen die Menschen erfüllen
müssen, wenn eine Demokratie           logisch erscheint. Eine Demokra-      Bereich Schule betrachten, müs-
funktionieren und nicht nur auf        tie ist daher auf Menschen ange-      sen wir feststellen, dass die oben
dem Papier stehen soll. Der De-        wiesen, die die wichtigen Fragen      genannten Bedingungen für de-
mokratie (Herrschaft des Volkes)       rational entscheiden, vorher In-      mokratische Entscheidungen in
stehen andere Herrschaftsformen        formationen und unterschiedliche      politischen Fragen selten gege-
gegenüber, wie Timokratie (Herr-       Einschätzungen zu Rate ziehen         ben sind. Wir können sehen, dass
schaft der Reichen), Aristokratie      und dann selbst entscheiden, ohne     Wahlkämpfe mit nichts sagenden
(Herrschaft des Adels) oder Oligar-    sich z.B. von plakativen Sprüchen     Formeln und Fotos, mit Parolenge-
chie (Herrschaft der Wenigen, z.B.     oder drohenden Konsequenzen be-       schrei und Kampfrhetorik geführt
der Intellektuellen).                  eindrucken zu lassen – kurz: Eine     werden. In den Schulkonferenzen
Die Herrschaftsform der Demo-          Demokratie ist auf Menschen an-       ist ebenfalls zu beobachten, dass
kratie folgt aus der historisch        gewiesen, die mündig sind. Ist die-   das Wort einiger Lehrer*innen
gewachsenen Überzeugung, dass          se Voraussetzung gegeben, wer-        oder des*der Schulleiters*in mehr
grundsätzlich alle Menschen in         den in Diskussionen tatsächlich
gleichem Maße fähig sind, Ent-         die besseren Argumente Mehrhei-
                                       ten finden und nicht das bessere
                                                                             Schließlich muss es dann Ziel
scheidungen zu treffen, und kei-
ne kleine Gruppe – mit welchem         Aussehen des*der Redners*in bzw.      sein, Entscheidungen zu su-
                                       seine*ihre rhetorischen und ma-
Merkmal auch immer – eher im
                                       nipulativen Fähigkeiten. Es darf
                                                                             chen, die für alle tragbar sind
Stande ist, weise Entscheidungen
zu treffen. Das Vertrauen in den       grundsätzlich keine Rolle spielen,    und nicht einem oder wenigen
                                       wer etwas sagt, sondern nur was
Mehrheitsentscheid erklärt sich
aus der Überzeugung, dass sich         der*diejenige sagt. Wenn wir uns      nützen. (...) An die Stelle des
in politischen Diskussionen die        allerdings den Zustand der Demo-      Lernens gegeneinander wird ein
bessere Position durchsetzt, in-       kratie in der Bundesrepublik oder
dem sie schlüssig, einsichtig oder     auch nur in unserem bekannten         Lernen miteinander treten.

                                                                                Grundsatzprogramm             5
gilt als das anderer Kolleg*innen.      Macht und vielem anderen mehr         Statt Egoismus und Arroganz
           Und natürlich macht es auch einen       auswählen. Wer nämlich nie ge-        weckt die demokratische Schule
           Unterschied, ob die Querulantin         lernt hat, selbst zu entscheiden,     Fähigkeiten, wie mit anderen zu
           aus der 11. oder der ehemalige          hat natürlich auch Angst davor        arbeiten, auf andere Rücksicht zu
           Schülersprecher aus der 13. Klasse      oder fühlt sich zumindest unsicher.   nehmen und Mehrheiten zu akzep-
           etwas zu einem bestimmten The-          Schließlich muss die Entscheidung,    tieren. Inzwischen bilden diese
           ma sagt. Davon abgesehen wird           die eigenverantwortlich getroffen     Fähigkeiten auch die notwendige
           natürlich gemacht, was der*die          wurde, auch hinterher verantwor-      Voraussetzung, um ein menschen-
           Lehrer*in sagt, oder es gilt die Ver-   tet werden, und das kann unan-        würdiges Zusammenleben und
           fügung des*der Direktors*in – auch      genehm oder gar gefährlich sein.      Überleben auf dieser Welt zu ge-
           ohne jegliche Argumente – als un-       Dennoch ist es in der Demokratie      währleisten.
           antastbare Entscheidung.                notwendig, dass selbstverantwort-
                                                   lich entschieden wird. Eine Schule    Reformvorschläge, die uns einer
           Dies ist folgendermaßen zu er-          also, in der Menschen zur Mündig-     demokratischen Schule näher
           klären: Schule ist weitgehend au-       keit erzogen werden, darf Ent-        bringen, in der Solidarität und
           toritär organisiert, d.h. der, der      scheidungen nicht systematisch        Toleranz eine zentrale Rolle spie-
           die höhere Position innehat, ent-       abnehmen oder eigene Entschei-        len, sind zahlreich: Gesamtschule,
           scheidet, auch wenn die, die in         dungen sogar verbieten. Stattdes-     fächerübergreifender Unterricht,
           der Hierarchie unter ihm stehen,        sen müssen die Schüler*innen dazu     stufenübergreifender Unterricht,
           noch so gute Argumente anfüh-           angeregt und angeleitet werden,       Projektunterricht,     Abschaffung
           ren. Aufgrund seiner Position ist       über ihre Angelegenheiten selbst      der Noten.
           er noch nicht einmal gezwungen,         zu bestimmen und Angelegenhei-
           seine Entscheidungen zu begrün-         ten, die mehrere betreffen, demo-     Eine Schule, die die genannten
           den. Es mag Direktor*innen oder         kratisch zu beschließen. Deswegen     Prinzipien verwirklicht, kann auch
           Lehrer*innen geben, die sich trotz-     ist der erste Schritt im Sinne der    in ganz anderem Maße die freie
           dem um faire Auseinandersetzung         Erziehung zur Mündigkeit eine Be-     Entfaltung der Persönlichkeit ge-
           bemühen. Dadurch ist aber die           seitigung der schulischen Hierar-     währleisten. Freie Entfaltung be-
           Entscheidungsgewalt nicht abge-         chien, was eigentlich nichts wei-     deutet, dass der*die Schüler*in
           geben, und man ist weiterhin dem        ter bedeutet, als dem Grundsatz       entsprechend seinen*ihren Nei-
           Wohlwollen und der Kompromiss-          „one (wo)man – one vote“ in der       gungen und Fähigkeiten lernen
           bereitschaft der Übergeordneten         Schule Geltung zu verschaffen. Da-    kann und sich nicht an Lehrplänen,
           ausgeliefert, die beide jederzeit       raus folgt, Schüler*innen weitest     Karriereaussichten oder willkür-
           enden können – erneut ohne Anga-        gehende Mitbestimmung einzuräu-       lich definiertem gesellschaftlichen
           be von Gründen.                         men – über Unterrichtsformen und      Nutzen bzw. Erfordernissen orien-
           Reformvorschläge, die uns einer         -inhalte, sowie alle weiteren, die    tiert.
           demokratischen Schule näher             Schüler*innen betreffenden Fra-
           bringen, in der Solidarität und         gen.                                  Diese demokratische Schule ist
           Toleranz eine zentrale Rolle spie-      In einer solchen demokratischen       es, von der wir träumen, für die
           len, sind zahlreich: Gesamtschule,      Schule werden dann die augen-         wir eintreten, für die wir kämpfen
           fächerübergreifender Unterricht,        blicklich herrschenden Prinzipien,    wollen.
           stufenübergreifender Unterricht,        nämlich Leistung und Durchset-
           Projektunterricht,     Abschaffung      zung durch besseren Ellenbogen-
           der Noten.                              einsatz schnell an Bedeutung ver-
           Wenn nun Kinder in einer Schule         lieren. Schließlich muss es dann
           gebildet werden, in der Autori-         Ziel sein, Entscheidungen zu su-
           täten entscheiden, wie sollen sie       chen, die für alle tragbar sind und
           plötzlich nach der Schule selbst        nicht einem oder wenigen nützen.
           entscheiden? Stattdessen suchen         Auf Schule angewandt bedeutet
           sie nach neuen Autoritäten, de-         dies z.B. Inhalte zu bestimmen,
           nen sie die Entscheidungen, die         die Mehrheiten interessieren und
           sie selbst treffen müssten, einfach     Formen zu suchen, die der Mehr-
           übertragen. Diese Autoritäten           heit zusagen. An die Stelle des
           können sich die Menschen, wie           Lernens gegeneinander wird ein
           schon gesagt, aufgrund von Aus-         Lernen miteinander treten.
           sehen, Auftreten, Karriere, Geld,

Diese demokratische Schule ist
es, von der wir träumen, für die
wir eintreten, für die wir
kämpfen wollen.

          6 Grundsatzprogramm
die Schulleitung durchzusetzen.       lung des Kindes, obwohl sie sich
                                       Diese Tatsache ist höchst undemo-     hauptsächlich an den Deutsch-
                                       kratisch, da die Schüler*innen im     und Mathenoten orientieren und
                                       wichtigsten Gremium der Schule        dabei völlig außer Acht lassen,
                                       nicht stimmberechtigt sind, ob-       dass die intellektuelle Entwick-
                                       wohl sie den größten Teil der am      lung des Kindes noch lange nicht
                                       Schulleben Beteiligten stellen.       abgeschlossen ist. Oft ist es aber
                                                                             den Lehrer*innen gar nicht be-
                                       Innerhalb des Schulparlaments hat     wusst, dass sie damit nicht nur
                                       jedes Mitglied der Schulgemein-       über den schulischen Werdegang
1.2 schulparlament                     schaft eine Stimme. Dazu zäh-         eines*r Schüler*in entscheiden,
                                       len: Schüler*innen, pädagogisches     sondern ihren bzw. seinen Lebens-
Die LSV Rheinland-Pfalz fordert        Personal sowie jeder Mensch, der      weg entscheidend beeinflussen.
die Einrichtung eines Schulparla-      die Schule langfristig seinen Ar-     Mit dem Argument der besseren
ments. Dieses Schulparlament soll      beitsplatz nennt. Stimmen können      Fördermöglichkeiten in drei un-
basisdemokratisch-paritätisch be-      übertragen werden.                    terschiedlichen Schulformen, wird
setzt sein.                                                                  das Recht auf Chancengleichheit
Schüler*innen, die an einer rhein-     1.3 eingliedriges                     schon nach der 4. Klasse entschei-
land-pfälzischen Schule SV-Arbeit                                            dend eingeschränkt. Konkurrenz-
                                       schulsystem
betreiben, werden schnell mer-                                               denken wird gefördert und solida-
ken, dass das Gelingen bzw. das                                              risches Verhalten zurückgedrängt;
Misslingen ihrer Arbeit sehr stark     Die LSV Rheinland-Pfalz fordert       jeder versucht, einen Abstieg im
von der Schulleitung abhängig ist.     das eingliedrige Schulsystem, um      dreigliedrigen Schulsystem zu ver-
Gefällt die Arbeit der jeweiligen      Chancengleichheit und Gleichwer-      hindern. Jeder Mensch soll das
SV der Schulleitung, so werden die     tigkeit unter den Schüler*innen zu    gleiche Recht auf Bildung haben.
Schüler*innen keinerlei Probleme       gewährleisten und solidarisches       In der Gesamtschule kommt es zu
beim Umsetzen ihrer Ideen be-          Lernen möglich zu machen.             einer Vermischung von kulturellen
kommen, da die Schulleitung die        Das viergliedrige, bzw. in Rhein-     und sozialen Schichten, was den
mächtigste Instanz an der Schule       land-Pfalz mehr oder weniger          Schüler*innen ein weitgreifende-
ist. Selbiges Prinzip gilt auch für    dreigliedrige Schulsystem, wie        res Weltbild vermittelt, das auf
das Missfallen der SV-Arbeit bei       wir es in Deutschland vorfinden,      Erfahrung aufbaut und nicht nur
der Schulleitung. Plant die SV eine    ist grundsätzlich nicht mit einer     auf Theorie. Wenn die Vielfalt al-
Aktion, die der Schulleitung zuwi-     demokratischen Gesellschaft ver­      ler Menschen einer Gesellschaft
der ist, so verbietet sie selbige.     einbar. Es trägt massiv zur Spal-     allen zugute kommen oll, so brau-
                                       tung der Gesellschaft bei. Eine       chen wir auch eine Schule, in der
Einzige Möglichkeit, etwas gegen       Statistik des Statistischen Bun-      Vielfalt gelebt werden kann. Die
die Schulleitung durchzusetzen,        desamtes besagt, dass 68,4 % der      LSV Rheinland-Pfalz fordert das
wäre die Gesamtkonferenz. Diese        Schüler*innen auf den Hauptschu-      eingliedrige Schulsystem, um
ist offiziell das höchste beschluss-   len aus „Arbeiterfamilien“ stam-      Chancengleichheit und Gleichwer-
fassende Gremium der Schule.           men, jedoch 45 % der Beamten-         tigkeit unter den Schüler*innen zu
Die Schulleitung ist verpflichtet,     kinder ein Gymnasium besuchen.        gewährleisten und solidarisches
Beschlüsse der Gesamtkonferenz         Sicher kann man diese Statistiken     Lernen möglich zu machen.
umzusetzen. Das heißt konkret,         auf unterschiedliche Weise inter-
wenn die Schulleitung der SV eine      pretieren, deutlich sollte aber
Aktion verbietet, kann die SV          werden, dass der Schultyp einen       Die LSV Rheinland-Pfalz
                                       erheblichen Einfluss darauf hat, in
einen Antrag an die Gesamtkon-
                                       welchem sozialen Milieu man sich      fordert das eingliedrige
ferenz stellen. Die Gesamtkonfe-
renz stimmt über das Anliegen der      während der Schulzeit bewegt,         Schulsystem, um
                                       sich dies auch auf die Freizeit
SV ab und kann somit eine zuvor
                                       auswirkt und prägend ist für die      Chancengleichheit und
durch die Schulleitung getroffene
Entscheidung revidieren, bzw. be-      spätere Berufslaufbahn. Aufstiegs-    Gleichwertigkeit unter
                                       chancen werden durch das drei-
stätigen.
                                       gliedrige Schulsystem erheblich       den Schüler*innen zu
Das Problem liegt darin, dass in       erschwert.                            gewährleisten und solidarisches
der sogenannten Gesamtkonferenz
alle Lehrkräfte und eine sehr ge-      Empfehlungsschreiben, die in der      Lernen möglich zu machen.
ringe Anzahl Vertreter*innen der       4. Klasse, sowie, seit Einführung
Schüler*innenvertretung und des        der „Realschule plus“, in Rhein-      In der Gesamtschule können alle
Schulelternbeirats stimmberech-        land-Pfalz erneut und verbindlich     Abschlüsse   erworben   werden
tigt sind. Dadurch ergibt sich ein     nach der 6. Klasse auf kooperati-     und sie bietet die Möglichkeit,
Machtgefälle, das es der SV fast       ven „Realschulen plus“ gegeben        das Unterrichtslevel gemäß den
unmöglich macht, etwas gegen           werden, haben einen großen Ein-       Fähigkeiten des*der jeweiligen
                                       fluss auf die zukünftige Entwick-

                                                                                Grundsatzprogramm              7
Schülers*in in einem bestimm-         Interessen Rücksicht genommen.         für das spezielle Unterrichtsfach
ten Fach zu wählen, ohne dass         Lernen aus Spaß und Interesse          oder Themengebiet interessieren,
gleich ein Schulwechsel erwogen       wird dadurch zu einer Seltenheit.      würde mit dem Unterrichtsstoff
wird, wenn der*die Schüler*in         A. S. Neill, ein Reformpädagoge,       um vieles schneller vorankommen,
in einem Fach nicht gut ist. Da-      der als einer der ersten selbstbe-     da die Schüler*innen motiviert
durch, dass die Gesamtschule          stimmtes Lernen an seiner Schule       mitarbeiten und den Unterricht
eine größere Schüler*innenzahl        praktizierte, sagte einmal: „Es        nicht durch ihr Desinteresse brem-
umfasst, ist es einfacher die Fä-     liegt auf der Hand, dass eine Schu-    sen. Genauso könnten die uninter-
cherspannbreite zu erweitern und      le, die tatendurstige Kinder an den    essierten Schüler*­innen
die Schüler*innen können sich so      Schreibtisch zwingt und sie Dinge      sich in der Zeit mit einem Thema
ihren Interessen nach besser ent-     lernen lässt, die meistens nutzlos     beschäftigen, dass sie anspricht
falten. Die Unterrichtsmethoden       sind, eine schlechte Schule ist.       und dort umso mehr Wissen an-
sind vielfältiger, und man kann       Nur jene unschöpferischen Mitbür-      eignen. Studien belegen immer
sich in der Unterrichtsgestaltung     ger, deren Kinder unschöpferisch       wieder, dass Kinder, die freiwillig
nach der jeweiligen Lerngruppe        und fügsam bleiben sollen, damit       lernen, um vieles schneller begrei-
richten. So kann jede*r Schüler*in    sie in eine solche Gesellschaft pas-   fen und das Gelernte besser verin-
nach den eigenen Fähigkeiten, In-     sen, deren Erfolgsmaßstab Geld         nerlichen, als diejenigen, die zum
teressen, Stärken und Schwächen       heißt, können eine solche Schule       Lernen gezwungen wurden.
besser gefördert werden. Wenn         für richtig halten.”
die Vielfalt aller Menschen einer
Gesellschaft allen zugute kommen      Bildung ist in erster Linie Selbst-
soll, so brauchen wir auch eine       zweck. Die Schule muss jedem*r
Schule, in der Vielfalt gelebt wer-   Schüler*in die Möglichkeit geben,
den kann.                             sich nach ihren individuellen Be-
                                      dürfnissen und Fähigkeiten zu ent-
                                      falten. Bildung dient dazu, eigene
                                      Ideen zu entwickeln und sich in
                                      den Themengebieten weiterzubil-
                                      den, die einen wirklich interessie-
                                      ren und in der persönlichen Ent-
                                      wicklung weiterbringen. Da jeder
                                      Mensch verschiedene Interessen
                                      hat, besondere Talente mitbringt,
                                      verschiedene Schwächen und Stär-
                                      ken besitzt, ist es fatal für seine
                                      Charakterausbildung, wenn in
                                      der Schule allen Schüler*innen,
                                      ungeachtet ihrer Fähigkeiten,
                                      der gleiche Unterrichtsstoff auf-
1.4 selbstbestimmtes                  gezwängt wird. Dadurch werden
                                      viele Talente nicht gefördert und
lernen                                verkümmern, während der Schul-
Die LSV Rheinland Pfalz setzt sich    unterricht mit nur wenigen Aus-
für selbstbestimmtes Lernen ein,      nahmen sich auf eine bestimmte
anstelle des momentan praktizier-     Art des theoretischen Denkens
ten zwanghaften Lernens.              konzentriert.

In unserem staatlichen Bil-           Auch die Art und Weise, wie
dungssystem ist der Unterricht        Schüler*innen erfolgreich lernen,
darauf ausgerichtet, mit den          ist sehr verschieden. In der Schule
Schüler*innen vorgegebenen Lehr-      sollte auf die verschiedenen Lern-
stoff in einem bestimmten Zeit­       typen mit unterschiedlichen, den
raum durchzunehmen und ihn            Schüler*innen angepassten Lehr-
dann abzuprüfen. Im Vordergrund       methoden eingegangen werden,
steht nicht das Lernen an sich,       sowie auf das Lerntempo, denn je-
sondern das Erhalten eines be-        der Mensch begreift unterschied-
stimmten Schulabschlusse.             lich schnell. Die Schule sollte ein
Schüler*innen haben keinerlei Ein-    weit gefächertes Unterrichtsan-
fluss auf das, was sie lernen, und    gebot haben und sich auch an den
schon gar nicht darauf, wie sie es    Interessen der Schüler*innen ori-
                                      entieren. Unterricht, der nur von
                                                                             Bildung ist in erster
lernen, ebenso wenig werden auf
ihre individuellen Begabungen und     denjenigen besucht wird, die sich      Linie Selbstzweck.

8 Grundsatzprogramm
erreicht, dass alle den Stoff ver-
                                      standen haben und in der Lage
                                      sind ihn anzuwenden. Es ist daher
                                      nicht erstaunlich, dass Gruppenar-
                                      beit und solidarisches Lernen und
                                      Arbeiten in der Schule so selten
                                      gefördert werden. Gruppenarbeit
                                      und solidarisches Miteinander
                                      erschweren die individuelle Be-
                                      notung. Da nicht der Inhalt des
1.5 noten/                            geprüften Wissens von Bedeutung
bewertungssysteme                     ist, sondern nur die Note, die am
                                      Ende einer Überprüfung steht, be-
Die LSV Rheinland-Pfalz lehnt No-     stimmt das auch die Art und Weise
                                      des Lernens. Es wird nur für das     2.1 inklusion
ten grundsätzlich ab.
                                      Kurzzeitgedächtnis gelernt. Sinn-
                                      volles Lernen, dass ein Problem      Inklusive Schulen sind Vorausset-
Noten sind untrennbar mit jedem
                                      in seiner Gesamtheit erfasst und     zungen für eine gesunde Gesell-
modernen Bildungssystem verbun-
                                      Lösungsansätze erkennbar macht,      schaft ohne Parallelgesellschaf-
den. Sie gelten als objektives Mit-
                                      wird nicht gefördert. Es werden      ten.
tel zur Messung von Leistung, mit
ihnen soll es möglich sein, indivi-   weder die individuelle Lernleis-
                                      tung, also der Fortschritt, den      Was bedeutet Inklusion?
duelles vergleichbar zu machen.
Alle Untersuchungen über die          ein*e Schüler*in innerhalb eines
                                      Schuljahres macht, noch die un-      Unter dem Begriff Inklusion ver-
Objektivität von Noten sprechen
                                      gleichen Voraussetzungen, denen      steht die UN-Behindertenrechts-
jedoch eine deutlich andere Spra-
                                      Schüler*innen ausgesetzt sind be-    konvention die Einbindung aller
che. Noten, das ist offensichtlich,
                                      rücksichtigt.                        körperlich- und geistig beeinträch-
sind vor allem willkürlich und sa-
                                                                           tigten Menschen in alle gesell-
gen nur vordergründig etwas über
                                                                           schaftlichen Institutionen – Schu-
die tatsächlich erbrachte Leistung
                                                                           len aller Art selbstverständlich mit
aus. Die Trennlinie zwischen ob-
                                                                           inbegriffen –, ohne jegliche Art
jektiver Bewertung und persön-
                                                                           von Barrieren. Dennoch betrifft
licher Meinung ist sehr schwer zu
                                                                           Inklusion nicht nur beeinträchtigte
ziehen, daher fließen oft Sympa-
                                                                           Menschen, sondern alle Menschen
thien und Antipathien mit in die
                                                                           denen aus verschiedenen Grün-
Bewertung ein.
                                                                           den, wie zum Beispiel Herkunft
                                                                           oder Aussehen, die Teilhabe am
Noten sind ein sehr starkes Mittel,
                                                                           gesamtgesellschaftlichen Zusam-
um Druck auf die Schüler*innen
                                                                           menleben durch Fremdeinwirkun-
auszuüben, da Noten über die so-
                                                                           gen verwehrt ist.
ziale Stellung entscheiden, über
gesellschaftlichen Auf- oder Ab-
                                                                           Die LSV ist schlussfolgernd der Auf-
stieg. Noch schlimmer, sie greifen
                                                                           fassung, dass die Bildung benach-
direkt auf das Selbstwertgefühl
                                                                           teiligter Schüler*innen als gemein-
der Schüler*innen zu. Viele su-
                                                                           same Aufgabe für grundsätzlich
chen die Verantwortung für ihre
                                                                           alle Schulen verstärkt anzustreben
schlechten Noten ausschließlich
                                                                           ist.
bei sich selbst: sie sind zu dumm,
zu faul, oder zu unbegabt, dass
                                                                           Die soziale Inklusion benachteilig-
man vielleicht schlicht keine Lust
                                                                           ter Menschen jeder Art lässt sich
hat (bewusst oder unbewusst),
                                                                           nur erreichen, wenn die instituti-
sich jeden Tag selbst Gewalt anzu-
                                                                           onalisierte Trennung der Lern- und
tun, zählt nicht.
                                                                           Lebenswege von beispielsweise
                                                                           körperlich- und/oder geistig be-
Noten werden im Vergleich gege-
                                                                           einträchtigter und nicht beein-
ben, nur so machen sie Sinn, erst
                                                                           trächtigten Menschen überwunden
wenn Schüler*innen durch sie in
                                                                           wird. Der Institution Schule kommt
einem Verhältnis zu anderen ein-
                                                                           dabei eine große Bedeutung zu.
zuordnen sind, erlangen Noten
                                                                           Schule kann zeigen, dass gemein-
Aussagekraft. Wenn alle eine 1
                                                                           sames Leben und Lernen möglich
haben, ist sie für den einzelnen
                                                                           ist und eine menschliche Bereiche-
wertlos. Ziel ist also nicht, dass
                                                                           rung für alle bedeutet.
eine Lerngruppe den Idealzustand

                                                                               Grundsatzprogramm                  9
Schüler*innen mit Handicaps un-                                              wenn die Angebote identisch wä-
 terschiedlicher Art können von                                               ren, könnte bei unterschiedlicher
 ihren Mitschülerinnen und Mit-                                               Sozialisierung von Mädchen und
 schülern, welche hiervon nicht                                               Jungen eine unterschiedliche
 betroffen sind, lernen. Oft fehlt                                            Diskussionsstruktur aufkommen,
 ihnen in nicht inklusiven Schu-                                              sodass letztlich unterschiedliche
 len die Motivation zum Erlernen                                              Inhalte vermittelt werden. Auf-
 von neuen Dingen. Auch werden                                                grund dieser Gefahr darf es nie
 Menschen mit Beeinträchtigungen                                              wieder einen nach Geschlechtern
 selbständiger, wenn sie mit an-                                              getrennten Unterricht geben.
 deren Menschen in heterogenen
 Gruppen zusammen lernen und le-
 ben. Im Vordergrund stehen dabei                                             Zudem zwingt der nach Geschlech-
 der Erwerb sozialer Kompetenzen,                                             tern getrennte Unterricht alle
 wie die Fähigkeit vorurteilsfrei mit                                         Menschen, sich fest einer Grup-
 seinen*ihren Mitmenschen umzu-         2.2 geschlechter-                     pe (Mann oder Frau) zuzuordnen.
 gehen und diese als ernstzuneh-        verhältnisse                          Selbst wenn es sich bei den Men-
 mende Persönlichkeiten zu erken-                                             schen, die sich nicht zuordnen,
 nen. Die Schüler*innen lernen sich     Die LSV lehnt eine Wiedereinfüh-      um eine kleine Gruppe handelt,
 solidarisch zu ihren Mitmenschen       rung des nach Geschlechtern ge-       wird dieser Minderheit Unrecht
 zu verhalten. Inklusive Schulen        trennten Unterrichts klar ab. Die     getan. Zudem gibt es einen grö-
 sind Voraussetzungen für eine ge-      LSV hält die Koedukation für einen    ßeren Teil Mädchen/Jungen, die
 sunde Gesellschaft ohne Parallel-      richtigen und wichtigen Schritt       zu einem gewissen Zeitpunkt ihrer
 gesellschaften.                        zur Gleichberechtigung der Ge-        Entwicklung besonders in ihrem
                                        schlechter. Die in Rheinland-Pfalz    Lernverhalten nicht einfach nach
 Gemeinsamer       Unterricht    von    noch bestehende Möglichkeit zur       biologischem Geschlecht zuzuord-
 Schüler*innen mit und ohne Beein-      Trennung in Schüler*innen im          nen sind.
 trächtigung, sollte grundsätzliches    Sportunterricht hält die LSV für
 Unterrichtsprinzip werden. Im Mit-     falsch. Die Defizite in der Um-       Gerade im Sportunterricht darf
 telpunkt soll die optimale Förde-      setzung müssen durch eine um-         die Trennung nicht länger mög-
 rung aller Schüler*innen stehen.       fassende Auseinandersetzung mit       lich sein. Ein getrennter Sportun-
 Um eine angemessene Förderung          unten genannten Problemfeldern,       terricht führt automatisch dazu,
 von Schüler*innen mit erhöhtem         sowie mit den Vorstellungen zur       dass unterschiedliche Aktivitäten
 Förderbedarf zu gewährleisten,         Geschlechterdifferenz und Ge-         durchgeführt und erlernt werden.
 müssen ausreichend personel-           schlechtsidentitäten      behoben     Im Bezug auf sportliche Aktivitäten
 le und sachliche Ressourcen zur        werden.                               wird den Mädchen tendenziell Ele-
 Verfügung stehen. Es müssen die                                              ganz und Biegsamkeit attestierst
 baulichen und personellen Mög-         Die LSV fordert die institutionelle   und von ihnen gefordert, den Jun-
 lichkeiten gegeben sein, dass jede     Festschreibung von regelmäßigen       gen Kraft und Kondition. Dies wird
 Schülerin, jeder Schüler, gleich ob    Lehrer*innenkonferenzen, die das      im getrennten Sportunterricht
 sie*er ein Handicap hat oder nicht,    Thema Geschlechterverhältnisse        manifestiert und im Umgang der
 wählen kann, welche Schule er*sie      in der Schule behandeln, sowie die    Jugendlichen untereinander somit
 besuchen möchte.                       obligatorische Auseinandersetzung     übernommen. Dies führt langfris-
                                        mit Geschlechterverhältnissen in      tig dazu, dass Mädchen sowie Jun-
                                        der Lehrer*innenaus- und fortbil-     gen in eine feste Rolle gezwungen
                                        dung.                                 werden, die automatisch die Be-
                                                                              nachteiligung und Unterdrückung
                                        Unbedingt für Koedukation             der Frau stützt.

                                        Die flächendeckende Einführung        Probleme der Koedukation
                                        der Koedukation in den sechziger
                                        Jahren war der entscheidende          So alt wie die Einführung der Ko-
                                        Schritt hin zu gleichem Bildungs-     edukation ist auch ihre Kritik,
                                        angebot und damit Chancengleich-      Mädchen sowie Jungen erfahren
                                        heit von Jungen und Mädchen. Die      im Schulsystem aufgrund ihres
                                        Bedeutung dieser Errungenschaft       Geschlechts Benachteiligung, die
                                        darf nicht unterschätzt werden:       Mädchen im naturwissenschaftli-
                                        Vorher war es möglich und üb-         chen Bereich, die Jungen in Spra-
                                        lich, den Mädchen/Jungen durch        chen und musischen Fächern.
                                        andere und reduzierte schulische
                                        Angebote eine gesellschaftliche       Um diese These zu bewerten,
                                        Rolle zwingend zuzuweisen. Auch       muss man sich für ein Deutungs-

10 Grundsatzprogramm
muster der schulischen Geschlech-     2. Interaktionsstrukturen             wider. So sind z.B. 80% der Lehr-
terdifferenz entscheiden. Die         in der Klasse                         kräfte an Grundschulen Frauen,
konservative Sichtweise begreift                                            doch nur 25% der Grundschulen
„Geschlecht“ als biologische Kate-    Die von Jungen oft vermutete          werden von Frauen geleitet. Es
gorie, der bestimmte geschlechts-     Bevorzugung der Mädchen steht         unterrichten 36% Frauen in der Sek
spezifische Verhaltensmuster zu-      im krassen Gegensatz zur Unter-       II, wobei es nur 13,6% Schulleite-
geordnet sind. Unter einer solchen    richtsrealität. Anhand von Stu-       rinnen an Gymnasien gibt.
Sichtweise ist es Ziel der Pädago-    dien konnte aufgezeigt werden,
gik, diese naturgegebenen „Gat-       dass selbst Lehrerinnen, die über-    „Die Tatsache, dass die gehobenen
tungsmerkmale“ durch Bildung zu       zeugt waren, ihre Aufmerksamkeit      Positionen in einem so geringen
vervollkommnen.                       gleich zu verteilen, häufiger Jun-    Maße durch Frauen besetzt sind,
                                      gen als Mädchen aufriefen. In ei-     trägt dazu bei, dass Schülerinnen
Die Landesschüler*innen­ver­tret­     nem Modellversuch, in dem durch       Macht mit Männlichkeit verbinden
ung hingegen geht von einem pro-      das Führen von Strichlisten gleiche   und ihnen weibliche Vorbilder feh-
gressiven Deutungsmuster aus,         Aufmerksamkeit garantiert wurde,      len.“ (Ingeborg Schüßler, 1997).
nämlich dem, dass die bestehende      beschwerten sich die Jungen in
Geschlechterdifferenz eine sozi-      einer anschließenden Befragung
alisationsbedingte ist, die es zu     über ihre Benachteiligung.            Die Landesschüler*innen­ver­tret­
überwinden gilt, um Frauen wie        Auch fällt auf, dass Jungen Mäd-
Männern eine selbstbestimmte          chen häufiger ins Wort fallen als     ung hingegen geht von einem
Identitätsbildung zu ermöglichen.     umgekehrt. Beiträge von Mäd-          progressiven Deutungsmuster
Um jedoch das bestehende hier-        chen, vor allem in naturwissen-
archische Geschlechterverhältnis      schaftlichen Fächern, werden von      aus, nämlich dem, dass die be-
nicht unsichtbar zu machen, muss      Jungen oft lächerlich gemacht.        stehende Geschlechterdifferenz
in bestimmten fällen noch von
der Geschlechterdifferenz ausge-      3. Schulbücher /                      eine sozialisationsbedingte ist,
gangen werden, um Mädchen und
Frauen gezielt zu fördern, bevor
                                      Unterrichtsmaterialien
                                                                            die es zu überwinden gilt, um
die Kategorie „Geschlecht“ de-        Schulbücher spiegeln auch heute       Frauen wie Männern eine selbst-
konstruiert werden kann.              noch die geschlechtsspezifische
                                      Arbeitsteilung und geschlechts-
                                                                            bestimmte Identitätsbildung zu
Durch ihre Sozialisierung und die     rollenstereotypes Verhalten in        ermöglichen.
Internalisierung der von ihnen er-    Texten und Abbildungen wieder.
warteten Verhaltensweisen, ent-       Besonders in Geschichtsbüchern
wickeln Jungen und Mädchen ge-        kommen Frauen so gut wie nicht        Diese geschlechtsspezifische Ar-
rade in der Schule rollentypisches    vor. Doch es haben sich in den        beitsteilung findet sich wiederum
Verhalten. Diese häufig unbewuss-     letzten Jahren die neu konzipier-     auch unter Schülerinnen wieder.
te Erziehung zu geschlechtskon-       ten Schulbücher zu Gunsten einer      Mädchen erfüllen in den meisten
formem Verhalten wird als heimli-     stärker gleichberechtigten Dar-       Fällen die Funktion, das soziale
cher Lehrplan bezeichnet und wird     stellungsweise verändert. In den      Klassengefüge zu stärken. Weib-
in der Schule durch vier Faktoren     Schulbuchgutachten wird dabei         lichkeit wird mit der Fähigkeit
bedingt:                              u.a. berücksichtigt, inwieweit bei-   zu Erhaltung der Sozialstruktur
                                      den Geschlechtern ausreichende        in Verbindung gebracht, während
1. Geschlechtsspezifische             Identifikationsmöglichkeiten an-      Konkurrenzdenken eher mit Männ-
Erziehung durch Lehrkräfte            geboten werden und welche Rol-        lichkeit konnotiert wird.
                                      lenbilder von Mann und Frau durch
Empirische Studien zeigen, dass       die Darstellungsweise konstruiert     „Arme Jungs – arme Mädchen“ -
Lehrerinnen     geschlechtsspezifi-   werden. In der Novellierung des       Die Debatte um Benachteiligung
sches Verhalten unbewusst er-         hessischen Schulgesetzes wurde
warten und durch ihr Handeln          so 1997 erstmals festgeschrieben,     Schon lange heißt es, dass die Mäd-
reproduzieren: Jungen wird mehr       dass „die Gleichberechtigung von      chen gerade in den Naturwissen-
Aufmerksamkeit        entgegenge-     Mann und Frau auch über die Aner-     schaften benachteiligt werden und
bracht als Mädchen; Sie werden        kennung der Leistungen von Frau-      gefördert werden müssten. Ein-
häufiger aufgerufen und häufiger      en in Politik, Kultur und Gesell-     richtungen zur Förderung der Mäd-
wegen störendem Verhalten er-         schaft“ vermittelt werden sollte.     chen wie den „Girls Day“ sieht die
mahnt. Gutes Benehmen gilt bei                                              Landesschüler*innenvertretung
Mädchen eher als selbstverständ-      4. Identifikationsmöglichkeiten       dabei als problematisch an. Ob-
lich. Inhaltliche Kompetenz wird                                            wohl es sinnvoll ist, Mädchen und
bei Mädchen eher auf Fleiß, bei       Wie die meisten gesellschaftli-       Frauen gezielt zu fördern, führt
Jungen dagegen auf Begabung zu-       chen Bereiche spiegelt auch die       eine solche „Grenzüberschrei-
rückgeführt.                          innerschulische Hierarchie das be-    tung“ nicht zwingend zu einer
                                      stehende Geschlechterverhältnis       Neutralisation, sondern kann die

                                                                                Grundsatzprogramm                 11
Grenzziehung verstärken. Durch         trägt die Benachteiligung der Jun-
 bewusste Förderung wird sugge-         gen in der koedukativen Schule
 riert, dass Frauen und Mädchen,        lediglich zu einer Festigung der
 die sich beispielsweise für Natur-     dominierenden Rolle des Mannes
 wissenschaften interessieren, eine     in der Gesellschaft bei.
 Ausnahme darstellen und somit in
 der Minderheit sind. Einer solchen     Umgang mit Problemen
 Kategorisierung kann eine Nega-
 tivzuschreibung (wie, in diesem        Der Umgang mit diesen Problemen
 Beispiel, weniger Attraktivität        darf nicht durch Ignorieren oder
 u.ä.) folgen und sie stellt somit      Trennung, sondern muss durch
 immer auch eine Gefahr für die         Bewusstmachung geprägt sein.          2.3 sexualkunde
 Mädchen und Frauen dar.                Nur durch eine bewusste Thema-
                                        tisierung durch die Lehrer*innen      Die LSV RLP fordert die ständige
 In der neueren Debatte um Ge-          und durch ein Aufbrechen von Rol-     Evaluation und Weiterentwicklung
 schlechterverhältnisse     in  der     lenstereotypen kann eine Dekons-      der Sexualkunderichtlinien und
 Schule spielt die Benachteiligung      truktion stattfinden.                 damit auch des Sexualkundeunter-
 und benötigte Förderung der Jun-                                             richts. Die Sexualkunderichtlinien
 gen eine große Rolle. Tatsächlich      Viel zu oft werden Probleme im        sollen nach dem Vorbild der Se-
 ist festzustellen, dass im aktuel-     Unterricht nicht über die Kate-       xualkunderichtlinien in Hamburg
 len System weniger Jungen qua-         gorie „Geschlecht“ analysiert.        geändert werden und insbesonde-
 lifiziertere Bildungsgänge wählen      Hier zeigt sich eine verzerrte        re darin folgende 4 wesentliche
 und weniger männliche Absolven-        Wahrnehmung der Lehrenden. Es         Aspekte der Sexualität berück-
 ten ihre Hochschulreife erhalten.      werden andere Strukturierungs-        sichtigen: den Geschlechtsaspekt,
 Die Mädchen, so die Theorie, seien     prinzipien herangezogen, wie z.B.     den Persönlichkeitsbildungs- oder
 nicht länger die Benachteiligten,      Leistungsheterogenität, wobei im      Identitätsaspekt, den Kommuni-
 das Schulsystem sei mädchen-           übrigen Leistung in diesem Zusam-     kationsaspekt und den Lustaspekt.
 freundlich. Diese Erkenntnis, die      menhang nicht kritisch reflektiert
 aktuell als neu gehandelt wird,        wird, oder auch kulturelle Unter-     Sexualkundeunterricht, wie er in
 gilt seit Einführung der koedukati-    schiede, die als Deutungsmuster       der Schule stattfindet, befasst sich
 ven Schulen.                           für soziales Gefälle herangezogen     nur mit einem Bruchteil des Sexu-
                                        werden. Hierbei wird die Relevanz     allebens der Schüler*innen. Die
 Diese Theorie ist vor allem kritisch   der Kategorie “Geschlecht“ unbe-      reformierten     Sexualkundericht-
 zu betrachten, da sie die späteren     wusst unterschätzt, denn sie ist      linien aus dem Jahr 2009, klären
 Entwicklungen der Mädchen und          in der jugendlichen Sozialisation     zwar über Aspekte der Fortpflan-
 Jungen ausblendet. Es bleibt nach      eine der bedeutendsten.               zung und des Lebensumfeldes der
 wie vor bestehen, dass Frauen den                                            Jugendlichen auf, vernachlässigen
 geringeren Teil der Student*innen      Die Landesschüler*innenvertret­       aber Lustaspekte, ebenso wie die
 an Hochschulen ausmachen, weni-        ung fordert, dass es weiterhin        Findung der sexuellen Identität.
 ger qualifiziertere Berufe ergrei-     Förderungseinrichtungen       gibt.   Dabei wird ein eher zurück halten-
 fen und seltener Karriere machen.      Diese dürfen allerdings nicht nur     des, vorsichtiges Bild der Sexuali-
 Dies ist nicht nur auf unterschied-    geschlechtsspezifisch    ausgelegt    tät vermittelt. Sexualkunde sollte
 liche Lebensentwürfe zurückzu-         sein, sondern müssen eine indi-       aber vorrangig den natürlichen
 führen.                                viduelle Förderung des*der ein-       Umgang mit Sexualität fördern
 In der Bevorzugung der Mädchen         zelnen zum Ziel haben. Die För-       und eine Möglichkeit für jede*n
 fördert die Schule ein Verhalten,      derungsprozesse müssen darum          bieten, sich frei von jeglichen
 welches nur innerhalb des Systems      im Unterricht reflektiert werden      Wertvorstellungen über seine Be-
 Schule vorteilhaft ist. Während        und die Gründe für geschlecht-        dürfnisse klar zu werden. Sexuel-
 den Mädchen objektiv durch Noten       stypische Bildungsgänge müssen        le Bedürfnisse sind eng verwoben
 und Lob Überlegenheit suggeriert       aufgedeckt werden. Nur so kann        mit anderen Lebensäußerungen
 wird, attestieren die Lehrer*innen     dauerhaft erreicht werden, dass       der Menschen. Der Umgang ei-
 in Interpretationen des Verhaltens     Jungen wie Mädchen sich in der        nes Menschen mit seiner Sexu-
 den Mädchen „Autoritätsgläubig-        Schule individuell entwickeln kön-    alität hat sehr weitgreifendere
 keit, Angst vor Strafe, Schüch-        nen und sich selbst sowie andere      Auswirkungen, es beeinflusst sein
 ternheit, Verletzlichkeit“ (Zinne-     nicht länger über das Geschlecht      körperliches Wohlbefinden und
 cker, 1995). Die Eigenschaften         definieren.                           das seelische Gleichgewicht, und
 und Handlungsmuster, die also in                                             spielt deshalb eine große Rolle in
 der Schule gefördert werden, wie                                             der Kommunikationsfähigkeit mit
 Reproduzieren, nicht Widerspre-                                              anderen Menschen. Dies ist unter
 chen, Rücksicht nehmen, usw.                                                 anderem einer der Gründe, warum
 gereichen im späteren beruflichen                                            Sexualerziehung nicht alleine der
 Leben nicht zum Vorteil. Somit                                               Familie überlassen werden kann.

12 Grundsatzprogramm
Hier bietet die Institution Schu-                                            biologische Ungleichheiten gelegt
le besondere Möglichkeiten, die                                              [...], sondern auf kulturelle Diffe-
Vielschichtigkeit der Sexualität zu                                          renzen, die ihrerseits verabsolu-
beleuchten und auf die Vielfältig-                                           tiert werden.
keit der verschiedenen Sexualitä-
ten und sexuellen Orientierungen                                             Die Wahrnehmung von
einzugehen, was für Jugendliche
in ihrer Entwicklung sehr wichtig                                            Unterschieden, die in sich
sein kann.                                                                   die Möglichkeit zur rassistischen
In einer pluralistischen, demo-                                              Verfestigung bergen, lassen
kratischen Gesellschaft, in der
eine freie Entfaltung möglich sein
                                                                             Rassismus wurzeln, wenn
muss, kann die Sexualpädagogik                                               die Differenzen zu einem
dabei nicht eine standardisierte,
vorab festgelegte Wertevermitt-
                                                                             hierarchischen Weltbild werden.
lung zum Ziel haben. Vielmehr
muss sie sich daran orientieren,
                                      2.4 anti-ra                            „Der Rassismus ist die verallge-
dass junge Menschen selbstbe-                                                meinerte und verabsolutierte
                                      Die Landesschüler*innenvertret­
stimmt und verantwortungsvoll                                                Wertung tatsächlicher oder fikti-
                                      ung RLP befindet, dass Rassis-
mit ihrer Sexualität umgehen                                                 ver Unterschiede zum Nutzen des
                                      mus und rechte Einstellungen in
können und die für sie akzepta-                                              Anklägers und zum Schaden seines
                                      Deutschland als ernsthaftes Prob-
blen Werte eigenständig setzen.                                              Opfers, mit der seine Privilegien
                                      lem erkannt und öffentlich disku-
Dazu muss eine möglichst neutrale                                            oder seine Aggressionen gerecht-
                                      tiert werden muss.
Auseinandersetzung mit den un-                                               fertigt werden sollen.“ (Memmi
terschiedlichsten Wertvorstellun-                                            1992, S. 164). Ein so begriffener
                                      Dazu darf der zu diskutierende
gen stattfinden, die nicht nur die                                           Rassismus führt zur Verstärkung
                                      Rassismus nicht zu eng als Vorurteil
Grundlage einer Entscheidungs-                                               des Ausschlusses oder der Aus-
                                      oder Legitimation eines Vorteils,
freiheit schafft, sondern auch klar                                          grenzung durch die Wertung der
                                      noch zu weit als eine Ablehnung
macht, dass die Selbstbestimmung                                             Unterschiede, die die Unterle-
                                      alles Anderen erfasst werden, son-
des oder der anderen die Grenze                                              genheit des Opfers und die Über-
                                      dern er muss als gesellschaftlich
der eigenen Selbstentfaltung ak-                                             legenheit des Rassisten beweisen
                                      vermittelte Erfahrung begriffen
zeptiert werden muss.                                                        sollen. Die Charakterisierung des
                                      werden. Biologistische Erklärungs-
                                                                             Opfers dient dabei zur Rechtfer-
                                      muster sind dabei Teil des Rassis-
Da Sexualität auch für jeden                                                 tigung für die Unterdrückung und
                                      mus, ebenso wie kulturalistische.
Menschen ein sehr persönliches                                               Aggression. Das Argument von der
                                      Die Wahrnehmung von Unterschie-
Thema darstellt, bedarf deren                                                biologischen Überlegenheit der ei-
                                      den, die in sich die Möglichkeit zur
Behandlung auch in der Schule                                                genen Rasse wird mittlerweile oft
                                      rassistischen Verfestigung bergen,
einer besonderen Sensibilität, um                                            zugunsten der Betonung kulturel-
                                      lassen Rassismus wurzeln, wenn
die Intimsphäre jedes und jeder                                              ler Unterschiede und kultureller
                                      die Differenzen zu einem hierar-
einzelnen nicht zu verletzen. Das                                            Besonderheiten aufgegeben, wo-
                                      chischen Weltbild werden.
Konfliktpotential, das Sexualität                                            mit sich in der Gesellschaft eine
mit sich trägt, muss dabei berück-                                           starke Verschiebung vom biologi-
                                      Es kann sich dabei um tatsächliche
sichtigt werden. Konflikte gehören                                           schen zum kulturellen Rassismus
                                      oder fiktive Unterschiede handeln
lebenslang zu Lern- und Reife-                                               ergibt. Gerade dort liegt in der
                                      und gerade die Wertungen dieser
prozessen, auch im Umgang mit                                                tagespolitischen Diskussion die
                                      Unterschiede, die oft folgende
Sexualität. Die Schule kann keine                                            Problematik, da die Behauptung
                                      Verallgemeinerung und Verabso-
Probleme lösen, kann allerdings                                              der Existenz unterschiedlicher
                                      lutierung der Unterschiede und
unbegründete Ängste nehmen und                                               Rassen, die in eine Wertehierar-
                                      damit die Legitimierung einer
eine positive Grundeinstellung zur                                           chie zu bringen seien, kaum mehr
                                      Aggression oder eines Privilegs
Sexualität fördern.                                                          ernsthaft propagiert wird und der
                                      führen, sind Rassismen, die als
                                                                             Hauptakzent also nicht mehr auf
                                      ernsthaftes Problem erkannt und
                                                                             biologische Ungleichheiten gelegt
                                      öffentlich auch so dargestellt und
                                                                             wird, sondern auf kulturelle Dif-
                                      behandelt werden müssen. Die im-
                                                                             ferenzen, die ihrerseits verabso-
                                      mer wieder vorübergehend starke
                                                                             lutiert werden. Die Art und Wei-
                                      Präsenz von Debatten über Rassis-
                                                                             se, wie sich Rassismus alltäglich
                                      mus und rechte Einstellungen in
                                                                             manifestiert, modifiziert sich in
                                      den Medien und die oberflächliche
                                                                             Richtung eher symbolischer, indi-
                                      Behandlung in Politik und Gesell-
                                                                             rekter Ausdrucksformen und die
                                      schaft wird dem Umfang der Prob-
                                                                             direkten Formen weichen eher
                                      lematik nicht gerecht. Der Haupt-
                                                                             Unterschwelligem,      Implizitem,
                                      akzent [wird] also nicht mehr auf

                                                                                 Grundsatzprogramm              13
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