Grundsatzprogramm & Beschlusslage - 30.-75. Landesschüler*innenkonferenz (LSK)
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Inhalt Du bist keine Schublade: . ................................ Pädagogik von und für Schüler*innen: .................. 26 26 Einführung des Pflichtfaches „Wirtschaft und Recht“ ab der 7. Klasse: ........................................... 27 Förderung bilingualen Unterrichts: . .................... 27 Impressum................................ 4 Philosophie ab der 5. Klasse: ............................. 27 Schulstruktur:............................................... 27 GRUNDSATZPROGRAMM................ 5 Lehrplan der Zukunft: ..................................... 28 Hausaufgaben abschaffen. Jetzt!: ...................... 28 „Schule von morgen”.................. 5 Einführung des Unterrichtsfachs Zukunftsstudien: ... 28 1.1 demokratisierung von schule.......................... 5 Kein Unterricht an Karnevalsfreitag: . .................. 28 1.2 schulparlament.......................................... 7 Wein – interdisziplinäre Thematik mit regionalem 1.3 eingliedriges schulsystem.............................. 7 Bezug: . ...................................................... 29 1.4 selbstbestimmtes lernen................................ 8 Unterrichtsausfall 2: ....................................... 29 1.5 noten/bewertungssysteme............................. 9 Von der Unterrichtsvollzugsanstalt zum Haus des 2.1 inklusion.................................................. 9 Lernens:...................................................... 29 2.2 geschlechterverhältnisse............................ 10 Unterrichtsausfall 1: ....................................... 31 2.3 sexualkunde............................................. 12 Schulbeginn: ................................................ 31 2.4 anti-ra................................................... 13 Sportunterricht: ............................................ 31 2.5 religionsunterricht................................... 15 Lehrplan/Sozialkunde:..................................... 31 2.6 wahlalter............................................... 15 2.7 schulautonomie / schulsponsoring................. 16 Thema: Religionsunterricht......... 32 3. politisches mandat...................................... 16 Religionsunterricht und religiöse Bezüge: .............. 32 4.gesamtschüler*innen-vertretung..................... 17 5. hochschule............................................... 17 Thema: Ganztag....................... 32 6. umweltschutz............................................ 19 Ganztagsschulprogramm: ................................. 32 7. extremismusbegriff...................................... 20 8. denn wir sind die Schüler*innen!..................... 21 Thema: Inklusion...................... 33 Einfache Sprache: .......................................... 33 BESCHLUSSLAGE....................... 22 Realschulen+/Förderschulen mehr einbeziehen: . .... 33 Einführung von Integrations- und Thema: Demokratisierung........... 22 Sprachförderungen ab dem Grundschulalter: ......... 33 Wahlrecht für den Schulträgerausschuss ............... 22 Eine Schule für Alle – die Gemeinschaftsschule: ...... 33 Uneingeschränkte SV‐Arbeit von Azubis: ............... 22 Mehr als nur Chancengleichheit: ........................ 35 Kommunikationsgrundsatz: ............................... 22 Quorum: ..................................................... 23 Thema: Gender........................ 36 Erziehung zu kritischem Denken: Zimmereinteilung auf Schulfahrten: .................... 36 :„Grundsätze für die Schulerziehung“ .................. 23 Genderneutrale Toiletten an Schulen: .................. 36 Genderneutrale Sprache: ................................. 36 Thema: Benotung..................... 24 Gendern in selbst festgelegten Vorschriften der LSV: .36 Keinen Lesezwang an Schulen haben, „Antolin“ aus den Schulen schaffen: . .................. 24 Thema: Kostenlose Bildung......... 37 Einheitliche Notenschlüssel: ............................. 24 Privatschulen: .............................................. 37 Neue Richtlinien für Benotungen: ....................... 24 Soziale Gerechtigkeit durch Bildung – Ein Appell Mehr Transparenz beim Auswahlverfahren an die zukünftige Bundesregierung: .................... 37 für Austausche: ............................................. 24 ÖPNV-Netz verbessern: .................................... 38 Optimierung des Unterrichtes durch das Fahrtkostenerstattung: . .................................. 38 Doppelstundenprinzip: .................................... 24 Hausaufgaben: .............................................. 24 Thema: Anti-Diskriminierung....... 39 Rechtschreibung: ........................................... 24 Erinnerungskultur in Schulen: ............................ 39 Bewertungssysteme 1: .................................... 24 Für eine pluralistische Gesellschaft:..................... 39 Bewertungssysteme 2: ........................................ 24 Geflüchtete und Schule: .................................. 40 Sensibilisierung über Flüchtlinge an Schulen: ......... 41 Thema: Unterricht.................... 25 Politische und religiöse Gewalt: ......................... 41 Unterrichtsbeginn zu einer rationalen Zeit: ........... 25 Unterstützung von Geflüchtetenhilfe:................... 41 Politische Bildung in der Landesverfassung ............ 25 Einrichtung einer*s LSBTTIQ-Beauftragten an Sprachlernen mit Perspektive: ........................... 25 Schulen: ..................................................... 41 Sprachen lernen an Schulen:.............................. 25 Gleiches Recht für alle!: .................................. 41 Aufzeichnung des Unterrichts für Extremismusklausel: ....................................... 41 Weiterbildungsmaßnahmen: .............................. 26 Frauenrolle in Schulbüchern und Lehrplänen: ......... 41 Standardisierte Tests? Nicht mit uns!: .................. 26 Kopftuch: .................................................... 41 2
Thema: SV/Engagement.............. 42 Thema: Gesundheit/Ernährung Passives Wahlrecht in den Kreis- und Stadt-SVen: .... 42 Erweiterung des Landesvorstands: ...................... 42 und Sexuelle Aufklärung............. 52 Privatsphäre: ............................................... 52 Corporate-Design der Kreis-/Stadt-SVen ............... 42 Alkoholverbot für Schüler*innen: ....................... 52 Förderung von selbstverwalteten Hitzefrei: .................................................... 52 Schulsanitätsdiensten: .................................... 42 Ritalin-Aufklärung: ......................................... 52 Aufbau eines regionalen SV-Berater*innen- Lehrplan/Drogen: .......................................... 52 Netzwerks in Rheinland-Pfalz: ........................... 42 Gewalt: ...................................................... 52 Schulbefreiung im Ehrenamt: ............................ 43 Schulpsycholog*innen: ..................................... 52 § 24 des Schulgesetzes Rheinland-Pfalz: ............... 43 Gesunde Ernährung, gesundes Ausstattung der SVen: ..................................... 43 Schulleben, aber richtig! .................................52 Bildungsstreik: .............................................. 43 Senkung der Mehrwertsteuer für Schulessen: ......... 53 Keine Bestätigung für LSV-Tätigkeiten Mittagessen: ................................................ 53 ohne Entlastung: ........................................... 43 Aufklärung über sexualisierte Gewalt: ................. 53 Schnelle Entscheidungen: . ............................... 44 Kooperation zwischen dem Regenbogenparlament LSV-Struktur: ................................................ 44 und der LSV RLP: ........................................... 53 LSV-Ehemaligenbeirat: .................................... 44 Toleranzworkshop: ......................................... 53 Libli/Herausgeberin: ...................................... 44 Aids-Aufklärung an Schulen: .............................. 53 Libli/Amtszeit: ............................................. 44 Sexualkundeunterricht: ................................... 54 SV-Aufbau: .................................................. 44 Homosexualität, Sexuelle Orientierung: ............... 54 Ombudsfrau*mann: ........................................ 44 Thema: Oberstufe und Abitur....... 45 Thema: Bundesebene................ 54 Kriterien für einen Wiedereintritt in die BSK:.......... 54 Gewichtung der sonstigen Leistungen in der MSS Weiteres Vorgehen mit der BSK: ......................... 55 in kurzen Halbjahren: ..................................... 45 Gestaltungsspielräume für Bundesdelegierte: ......... 55 Entscheidungsfreiheit bei Laptopnutzung in Bildungsföderalismus: ..................................... 55 Klausuren und Prüfungen: ................................ 45 Freie, länderübergreifende Schulwahl: ................. 55 Schulabschluss: ............................................. 45 Sportunterricht in der Oberstufe: ...................... 45 Verpflichtender Sozialkundeunterricht für die Thema: Lehrer*innen................ 56 Lehrer*innenevaluation: .................................. 56 Oberstufe: ................................................... 45 Vertrauenslehrer*innen 3:................................. 56 Abschaffen der Abiklausuren: ............................ 45 Überprüfung der Lehrkräfte auf Sozialkompetenz, Einrichtung von Oberstufen an Integrierten Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Gesamtschulen: ............................................ 45 Aktualität: . ................................................. 56 MSS-Reform: ................................................ 46 Verbesserung der Arbeitsverhältnisse Gegen Unterrichtung eines MSS-Kurses durch noch von Lehrer*innen:........................................... 57 nicht fertig ausgebildete Lehrkräfte: ................... 46 Vertrauenslehrer*innen 2: ................................ 57 Leistungskurskombination: ............................... 46 Lehrer*innenbewertung: .................................. 57 Kunst: ........................................................ 46 Mehr Lehrkräfte: ........................................... 57 Gemeinschaftskunde: ..................................... 46 Lehrer*innenfort- und Ausbildung: ...................... 57 Schulzeitverkürzung: ...................................... 46 Lehrprobe: .................................................. 57 Zentralabitur: .............................................. 46 Vertrauenslehrer*innen 1: ................................ 57 MSS: .......................................................... 46 Rückmeldung: .............................................. 57 Thema: Medien/Digitalisierung..... 47 Thema: Kontrolle...................... 58 Bildung im Wandel der Digitalisierung: ................. 47 Entschuldigungsverfahren in der Oberstufe ‐ Medienbildung: ............................................. 49 Digitale Schulbücher: ...................................... 49 Schüler*innen sind keine Buchhalter*innen: .......... 58 Änderung des Rundfunkstaatsvertrags:.................. 50 ADD kontrollieren!:......................................... 58 Elektronische Vertretungspläne: ......................... 50 Recht der Wahl des*der Schulleiter*in: ................. 58 Handyverbote an Schule auflockern!: .................. 50 Hierarchien im BM: ........................................ 58 Multimedia-Verbote: ....................................... 50 Kultusministerkonferenz: ................................. 58 Software: .................................................... 50 Thema: Berufsorientierung......... 59 Thema: Wegfall der räumlichen Begrenzung von Schüler* innenpraktika – Änderung der zugehörigen VV:........ 59 Umweltschutz & Nachhaltigkeit.... 51 Zwei Betriebspraktika auch an Gymnasien: ............ 59 Umweltbewegungen: ...................................... 51 Numerus Clausus ist nicht alles: ......................... 59 Recycling-Plaketten und Umweltschutz an Schulen:.. 51 Studiumsvorbereitung: .................................... 59 Nachhaltigkeit: ............................................. 51 Qualitätsmanagement: .................................... 51 Thema: Wahlen........................ 60 Europäisches Wahlrecht: .................................. 60 3
Thema: Bundeswehr/Werbung; Thema: Weitere Beschlüsse......... 62 Kinderrechte ins Grundgesetz: ........................... 62 Überwachung der Schüler*innen.. 61 Bewerbungsanfragen an die LSV Rheinland-Pfalz: .... 62 Bundeswehr (Werbung): . ................................. 61 Aufenthalt im Schulgebäude: ............................ 62 Bundeswehr: ................................................ 61 Beschlusslagen-Archiv: .................................... 62 Überwachung: .............................................. 61 Wettbewerbe: .............................................. 62 Werbung an Schulen: ...................................... 61 Stärkere Zusammenarbeit mit dem MNS+ („Modulares Netzwerk für Schulen“) Landeselternbeirat: . ...................................... 62 des LMZ (Landesmedienzentrale) in Kombination Kooperation mit der Bildungsbande: .................... 62 mit VNC (Virtual Network Computing): ................. 61 Neuausrichtung der Kooperation mit JGA: ............. 62 Schülerdatei: ............................................... 61 Freie Wahl der Schulzeit ermöglichen!:................. 63 Strafen für Schulschwänzer*innen:....................... 61 Schulsozialarbeiter*innen: ................................ 63 Informationelle Selbstbestimmung: ..................... 61 Schüler*innen wollen tanzen: ............................ 63 Schuluniform: ............................................... 61 Beschäftigung von Sozialpädagog*innen: ............... 63 § 1c SchuG: . ................................................ 61 Drogenpolitik: .............................................. 63 Keine Rauchverbote: ...................................... 63 Verzeichnis der LSKen:...............64 Impressum Grundsatzprogramm und Beschlusslage der Landesschüler*innenvertretung Rheinland-Pfalz - wird fortlaufend aktualisiert; letzte Aktualisierung: Januar 2021 - herausgegeben von: LSV Rheinland-Pfalz Schießgartenstraße 11 55116 Mainz 06131 / 23 86 21 info@lsvrlp.de www.lsvrlp.de Gestaltung und Redaktion: Charlet Flauaus, Alisa Siegrist, Dominik Rheinheimer Bildnachweise: Deckblatt: LSV RLP; S. 5: MMchen, photocase.de; S. 7: sör alex, photocase.com; S. 8: photocase.com; S. 9: Pixabay.com, Inklusion; S. 10: .marqs, photocase.de; S. 12: LSV RLP; S. 13: Go volunteer; S. 15: wikipedia.de und kallejipp, photocase.com; S. 16: Pixabay.com; S. 17: LSV RLP und luxuz::., photocase.de; S. 19: mentaldisor- der, photocase.de; S. 20: wikipedia.de; S. 21: Pinnwand, photocase.de; S. 22: Rodtschenko; S. 23: LSV RLP; S. 24: LSV RLP; S. 25: Pixabay.com; S. 32: blende11.photo, fo- tolia.de; S. 33: LSV RLP; S. 36: LSV RLP; S. 37: Pixabay. com; S. 39: misterQM, photocase.de; S. 42: LSV RLP; S. 45: Archiv; S. 46: Pixabay.com; S. 47: peshkova, fotolia. com; S. 51: manun, photocase.de; S. 52: misterQM, pho- tocase.de; S. 53: LSV RLP; S. 54: wikipedia.de; S. 56: Pixabay.com; S. 59: pixelputze, photocase.de; S. 60: LSV RLP; S. 61/62: Pixabay.com 4
Grundsatzprogramm „Schule von morgen” 1.1 demokratisierung von schule Die LSV Rheinland-Pfalz fordert die volle Mitbestimmung der Schüler*innen in allen die Schule betreffenden Fragen, auf schuli- scher, kommunaler, Landes- und Bundesebene. „Ziel der Schule ist es, die Schüle- rinnen und Schüler im Geiste der Demokratie zu erziehen und auf das Leben in der Demokratie vor- zubereiten.“ In dieser oder etwas abgewandelter Form ist das Ziel von Schule in mannigfaltigen kul- tusministeriellen Schriften festge- halten. Gegen diesen Grundsatz ist wohl grundsätzlich nichts einzuwenden. Es ist aber fraglich, ob diesem Grundsatz im momentan existie- renden Schulsystem in angemesse- ner Form Rechnung getragen wird. Um dies zu entscheiden, muss man zunächst überlegen, was für An- forderungen eine demokratische Gesellschaft an ihre einzelnen Mit- glieder stellt, bzw. welche Anfor- derungen die Menschen erfüllen müssen, wenn eine Demokratie logisch erscheint. Eine Demokra- Bereich Schule betrachten, müs- funktionieren und nicht nur auf tie ist daher auf Menschen ange- sen wir feststellen, dass die oben dem Papier stehen soll. Der De- wiesen, die die wichtigen Fragen genannten Bedingungen für de- mokratie (Herrschaft des Volkes) rational entscheiden, vorher In- mokratische Entscheidungen in stehen andere Herrschaftsformen formationen und unterschiedliche politischen Fragen selten gege- gegenüber, wie Timokratie (Herr- Einschätzungen zu Rate ziehen ben sind. Wir können sehen, dass schaft der Reichen), Aristokratie und dann selbst entscheiden, ohne Wahlkämpfe mit nichts sagenden (Herrschaft des Adels) oder Oligar- sich z.B. von plakativen Sprüchen Formeln und Fotos, mit Parolenge- chie (Herrschaft der Wenigen, z.B. oder drohenden Konsequenzen be- schrei und Kampfrhetorik geführt der Intellektuellen). eindrucken zu lassen – kurz: Eine werden. In den Schulkonferenzen Die Herrschaftsform der Demo- Demokratie ist auf Menschen an- ist ebenfalls zu beobachten, dass kratie folgt aus der historisch gewiesen, die mündig sind. Ist die- das Wort einiger Lehrer*innen gewachsenen Überzeugung, dass se Voraussetzung gegeben, wer- oder des*der Schulleiters*in mehr grundsätzlich alle Menschen in den in Diskussionen tatsächlich gleichem Maße fähig sind, Ent- die besseren Argumente Mehrhei- ten finden und nicht das bessere Schließlich muss es dann Ziel scheidungen zu treffen, und kei- ne kleine Gruppe – mit welchem Aussehen des*der Redners*in bzw. sein, Entscheidungen zu su- seine*ihre rhetorischen und ma- Merkmal auch immer – eher im nipulativen Fähigkeiten. Es darf chen, die für alle tragbar sind Stande ist, weise Entscheidungen zu treffen. Das Vertrauen in den grundsätzlich keine Rolle spielen, und nicht einem oder wenigen wer etwas sagt, sondern nur was Mehrheitsentscheid erklärt sich aus der Überzeugung, dass sich der*diejenige sagt. Wenn wir uns nützen. (...) An die Stelle des in politischen Diskussionen die allerdings den Zustand der Demo- Lernens gegeneinander wird ein bessere Position durchsetzt, in- kratie in der Bundesrepublik oder dem sie schlüssig, einsichtig oder auch nur in unserem bekannten Lernen miteinander treten. Grundsatzprogramm 5
gilt als das anderer Kolleg*innen. Macht und vielem anderen mehr Statt Egoismus und Arroganz Und natürlich macht es auch einen auswählen. Wer nämlich nie ge- weckt die demokratische Schule Unterschied, ob die Querulantin lernt hat, selbst zu entscheiden, Fähigkeiten, wie mit anderen zu aus der 11. oder der ehemalige hat natürlich auch Angst davor arbeiten, auf andere Rücksicht zu Schülersprecher aus der 13. Klasse oder fühlt sich zumindest unsicher. nehmen und Mehrheiten zu akzep- etwas zu einem bestimmten The- Schließlich muss die Entscheidung, tieren. Inzwischen bilden diese ma sagt. Davon abgesehen wird die eigenverantwortlich getroffen Fähigkeiten auch die notwendige natürlich gemacht, was der*die wurde, auch hinterher verantwor- Voraussetzung, um ein menschen- Lehrer*in sagt, oder es gilt die Ver- tet werden, und das kann unan- würdiges Zusammenleben und fügung des*der Direktors*in – auch genehm oder gar gefährlich sein. Überleben auf dieser Welt zu ge- ohne jegliche Argumente – als un- Dennoch ist es in der Demokratie währleisten. antastbare Entscheidung. notwendig, dass selbstverantwort- lich entschieden wird. Eine Schule Reformvorschläge, die uns einer Dies ist folgendermaßen zu er- also, in der Menschen zur Mündig- demokratischen Schule näher klären: Schule ist weitgehend au- keit erzogen werden, darf Ent- bringen, in der Solidarität und toritär organisiert, d.h. der, der scheidungen nicht systematisch Toleranz eine zentrale Rolle spie- die höhere Position innehat, ent- abnehmen oder eigene Entschei- len, sind zahlreich: Gesamtschule, scheidet, auch wenn die, die in dungen sogar verbieten. Stattdes- fächerübergreifender Unterricht, der Hierarchie unter ihm stehen, sen müssen die Schüler*innen dazu stufenübergreifender Unterricht, noch so gute Argumente anfüh- angeregt und angeleitet werden, Projektunterricht, Abschaffung ren. Aufgrund seiner Position ist über ihre Angelegenheiten selbst der Noten. er noch nicht einmal gezwungen, zu bestimmen und Angelegenhei- seine Entscheidungen zu begrün- ten, die mehrere betreffen, demo- Eine Schule, die die genannten den. Es mag Direktor*innen oder kratisch zu beschließen. Deswegen Prinzipien verwirklicht, kann auch Lehrer*innen geben, die sich trotz- ist der erste Schritt im Sinne der in ganz anderem Maße die freie dem um faire Auseinandersetzung Erziehung zur Mündigkeit eine Be- Entfaltung der Persönlichkeit ge- bemühen. Dadurch ist aber die seitigung der schulischen Hierar- währleisten. Freie Entfaltung be- Entscheidungsgewalt nicht abge- chien, was eigentlich nichts wei- deutet, dass der*die Schüler*in geben, und man ist weiterhin dem ter bedeutet, als dem Grundsatz entsprechend seinen*ihren Nei- Wohlwollen und der Kompromiss- „one (wo)man – one vote“ in der gungen und Fähigkeiten lernen bereitschaft der Übergeordneten Schule Geltung zu verschaffen. Da- kann und sich nicht an Lehrplänen, ausgeliefert, die beide jederzeit raus folgt, Schüler*innen weitest Karriereaussichten oder willkür- enden können – erneut ohne Anga- gehende Mitbestimmung einzuräu- lich definiertem gesellschaftlichen be von Gründen. men – über Unterrichtsformen und Nutzen bzw. Erfordernissen orien- Reformvorschläge, die uns einer -inhalte, sowie alle weiteren, die tiert. demokratischen Schule näher Schüler*innen betreffenden Fra- bringen, in der Solidarität und gen. Diese demokratische Schule ist Toleranz eine zentrale Rolle spie- In einer solchen demokratischen es, von der wir träumen, für die len, sind zahlreich: Gesamtschule, Schule werden dann die augen- wir eintreten, für die wir kämpfen fächerübergreifender Unterricht, blicklich herrschenden Prinzipien, wollen. stufenübergreifender Unterricht, nämlich Leistung und Durchset- Projektunterricht, Abschaffung zung durch besseren Ellenbogen- der Noten. einsatz schnell an Bedeutung ver- Wenn nun Kinder in einer Schule lieren. Schließlich muss es dann gebildet werden, in der Autori- Ziel sein, Entscheidungen zu su- täten entscheiden, wie sollen sie chen, die für alle tragbar sind und plötzlich nach der Schule selbst nicht einem oder wenigen nützen. entscheiden? Stattdessen suchen Auf Schule angewandt bedeutet sie nach neuen Autoritäten, de- dies z.B. Inhalte zu bestimmen, nen sie die Entscheidungen, die die Mehrheiten interessieren und sie selbst treffen müssten, einfach Formen zu suchen, die der Mehr- übertragen. Diese Autoritäten heit zusagen. An die Stelle des können sich die Menschen, wie Lernens gegeneinander wird ein schon gesagt, aufgrund von Aus- Lernen miteinander treten. sehen, Auftreten, Karriere, Geld, Diese demokratische Schule ist es, von der wir träumen, für die wir eintreten, für die wir kämpfen wollen. 6 Grundsatzprogramm
die Schulleitung durchzusetzen. lung des Kindes, obwohl sie sich Diese Tatsache ist höchst undemo- hauptsächlich an den Deutsch- kratisch, da die Schüler*innen im und Mathenoten orientieren und wichtigsten Gremium der Schule dabei völlig außer Acht lassen, nicht stimmberechtigt sind, ob- dass die intellektuelle Entwick- wohl sie den größten Teil der am lung des Kindes noch lange nicht Schulleben Beteiligten stellen. abgeschlossen ist. Oft ist es aber den Lehrer*innen gar nicht be- Innerhalb des Schulparlaments hat wusst, dass sie damit nicht nur jedes Mitglied der Schulgemein- über den schulischen Werdegang 1.2 schulparlament schaft eine Stimme. Dazu zäh- eines*r Schüler*in entscheiden, len: Schüler*innen, pädagogisches sondern ihren bzw. seinen Lebens- Die LSV Rheinland-Pfalz fordert Personal sowie jeder Mensch, der weg entscheidend beeinflussen. die Einrichtung eines Schulparla- die Schule langfristig seinen Ar- Mit dem Argument der besseren ments. Dieses Schulparlament soll beitsplatz nennt. Stimmen können Fördermöglichkeiten in drei un- basisdemokratisch-paritätisch be- übertragen werden. terschiedlichen Schulformen, wird setzt sein. das Recht auf Chancengleichheit Schüler*innen, die an einer rhein- 1.3 eingliedriges schon nach der 4. Klasse entschei- land-pfälzischen Schule SV-Arbeit dend eingeschränkt. Konkurrenz- schulsystem betreiben, werden schnell mer- denken wird gefördert und solida- ken, dass das Gelingen bzw. das risches Verhalten zurückgedrängt; Misslingen ihrer Arbeit sehr stark Die LSV Rheinland-Pfalz fordert jeder versucht, einen Abstieg im von der Schulleitung abhängig ist. das eingliedrige Schulsystem, um dreigliedrigen Schulsystem zu ver- Gefällt die Arbeit der jeweiligen Chancengleichheit und Gleichwer- hindern. Jeder Mensch soll das SV der Schulleitung, so werden die tigkeit unter den Schüler*innen zu gleiche Recht auf Bildung haben. Schüler*innen keinerlei Probleme gewährleisten und solidarisches In der Gesamtschule kommt es zu beim Umsetzen ihrer Ideen be- Lernen möglich zu machen. einer Vermischung von kulturellen kommen, da die Schulleitung die Das viergliedrige, bzw. in Rhein- und sozialen Schichten, was den mächtigste Instanz an der Schule land-Pfalz mehr oder weniger Schüler*innen ein weitgreifende- ist. Selbiges Prinzip gilt auch für dreigliedrige Schulsystem, wie res Weltbild vermittelt, das auf das Missfallen der SV-Arbeit bei wir es in Deutschland vorfinden, Erfahrung aufbaut und nicht nur der Schulleitung. Plant die SV eine ist grundsätzlich nicht mit einer auf Theorie. Wenn die Vielfalt al- Aktion, die der Schulleitung zuwi- demokratischen Gesellschaft ver ler Menschen einer Gesellschaft der ist, so verbietet sie selbige. einbar. Es trägt massiv zur Spal- allen zugute kommen oll, so brau- tung der Gesellschaft bei. Eine chen wir auch eine Schule, in der Einzige Möglichkeit, etwas gegen Statistik des Statistischen Bun- Vielfalt gelebt werden kann. Die die Schulleitung durchzusetzen, desamtes besagt, dass 68,4 % der LSV Rheinland-Pfalz fordert das wäre die Gesamtkonferenz. Diese Schüler*innen auf den Hauptschu- eingliedrige Schulsystem, um ist offiziell das höchste beschluss- len aus „Arbeiterfamilien“ stam- Chancengleichheit und Gleichwer- fassende Gremium der Schule. men, jedoch 45 % der Beamten- tigkeit unter den Schüler*innen zu Die Schulleitung ist verpflichtet, kinder ein Gymnasium besuchen. gewährleisten und solidarisches Beschlüsse der Gesamtkonferenz Sicher kann man diese Statistiken Lernen möglich zu machen. umzusetzen. Das heißt konkret, auf unterschiedliche Weise inter- wenn die Schulleitung der SV eine pretieren, deutlich sollte aber Aktion verbietet, kann die SV werden, dass der Schultyp einen Die LSV Rheinland-Pfalz erheblichen Einfluss darauf hat, in einen Antrag an die Gesamtkon- welchem sozialen Milieu man sich fordert das eingliedrige ferenz stellen. Die Gesamtkonfe- renz stimmt über das Anliegen der während der Schulzeit bewegt, Schulsystem, um sich dies auch auf die Freizeit SV ab und kann somit eine zuvor auswirkt und prägend ist für die Chancengleichheit und durch die Schulleitung getroffene Entscheidung revidieren, bzw. be- spätere Berufslaufbahn. Aufstiegs- Gleichwertigkeit unter chancen werden durch das drei- stätigen. gliedrige Schulsystem erheblich den Schüler*innen zu Das Problem liegt darin, dass in erschwert. gewährleisten und solidarisches der sogenannten Gesamtkonferenz alle Lehrkräfte und eine sehr ge- Empfehlungsschreiben, die in der Lernen möglich zu machen. ringe Anzahl Vertreter*innen der 4. Klasse, sowie, seit Einführung Schüler*innenvertretung und des der „Realschule plus“, in Rhein- In der Gesamtschule können alle Schulelternbeirats stimmberech- land-Pfalz erneut und verbindlich Abschlüsse erworben werden tigt sind. Dadurch ergibt sich ein nach der 6. Klasse auf kooperati- und sie bietet die Möglichkeit, Machtgefälle, das es der SV fast ven „Realschulen plus“ gegeben das Unterrichtslevel gemäß den unmöglich macht, etwas gegen werden, haben einen großen Ein- Fähigkeiten des*der jeweiligen fluss auf die zukünftige Entwick- Grundsatzprogramm 7
Schülers*in in einem bestimm- Interessen Rücksicht genommen. für das spezielle Unterrichtsfach ten Fach zu wählen, ohne dass Lernen aus Spaß und Interesse oder Themengebiet interessieren, gleich ein Schulwechsel erwogen wird dadurch zu einer Seltenheit. würde mit dem Unterrichtsstoff wird, wenn der*die Schüler*in A. S. Neill, ein Reformpädagoge, um vieles schneller vorankommen, in einem Fach nicht gut ist. Da- der als einer der ersten selbstbe- da die Schüler*innen motiviert durch, dass die Gesamtschule stimmtes Lernen an seiner Schule mitarbeiten und den Unterricht eine größere Schüler*innenzahl praktizierte, sagte einmal: „Es nicht durch ihr Desinteresse brem- umfasst, ist es einfacher die Fä- liegt auf der Hand, dass eine Schu- sen. Genauso könnten die uninter- cherspannbreite zu erweitern und le, die tatendurstige Kinder an den essierten Schüler*innen die Schüler*innen können sich so Schreibtisch zwingt und sie Dinge sich in der Zeit mit einem Thema ihren Interessen nach besser ent- lernen lässt, die meistens nutzlos beschäftigen, dass sie anspricht falten. Die Unterrichtsmethoden sind, eine schlechte Schule ist. und dort umso mehr Wissen an- sind vielfältiger, und man kann Nur jene unschöpferischen Mitbür- eignen. Studien belegen immer sich in der Unterrichtsgestaltung ger, deren Kinder unschöpferisch wieder, dass Kinder, die freiwillig nach der jeweiligen Lerngruppe und fügsam bleiben sollen, damit lernen, um vieles schneller begrei- richten. So kann jede*r Schüler*in sie in eine solche Gesellschaft pas- fen und das Gelernte besser verin- nach den eigenen Fähigkeiten, In- sen, deren Erfolgsmaßstab Geld nerlichen, als diejenigen, die zum teressen, Stärken und Schwächen heißt, können eine solche Schule Lernen gezwungen wurden. besser gefördert werden. Wenn für richtig halten.” die Vielfalt aller Menschen einer Gesellschaft allen zugute kommen Bildung ist in erster Linie Selbst- soll, so brauchen wir auch eine zweck. Die Schule muss jedem*r Schule, in der Vielfalt gelebt wer- Schüler*in die Möglichkeit geben, den kann. sich nach ihren individuellen Be- dürfnissen und Fähigkeiten zu ent- falten. Bildung dient dazu, eigene Ideen zu entwickeln und sich in den Themengebieten weiterzubil- den, die einen wirklich interessie- ren und in der persönlichen Ent- wicklung weiterbringen. Da jeder Mensch verschiedene Interessen hat, besondere Talente mitbringt, verschiedene Schwächen und Stär- ken besitzt, ist es fatal für seine Charakterausbildung, wenn in der Schule allen Schüler*innen, ungeachtet ihrer Fähigkeiten, der gleiche Unterrichtsstoff auf- 1.4 selbstbestimmtes gezwängt wird. Dadurch werden viele Talente nicht gefördert und lernen verkümmern, während der Schul- Die LSV Rheinland Pfalz setzt sich unterricht mit nur wenigen Aus- für selbstbestimmtes Lernen ein, nahmen sich auf eine bestimmte anstelle des momentan praktizier- Art des theoretischen Denkens ten zwanghaften Lernens. konzentriert. In unserem staatlichen Bil- Auch die Art und Weise, wie dungssystem ist der Unterricht Schüler*innen erfolgreich lernen, darauf ausgerichtet, mit den ist sehr verschieden. In der Schule Schüler*innen vorgegebenen Lehr- sollte auf die verschiedenen Lern- stoff in einem bestimmten Zeit typen mit unterschiedlichen, den raum durchzunehmen und ihn Schüler*innen angepassten Lehr- dann abzuprüfen. Im Vordergrund methoden eingegangen werden, steht nicht das Lernen an sich, sowie auf das Lerntempo, denn je- sondern das Erhalten eines be- der Mensch begreift unterschied- stimmten Schulabschlusse. lich schnell. Die Schule sollte ein Schüler*innen haben keinerlei Ein- weit gefächertes Unterrichtsan- fluss auf das, was sie lernen, und gebot haben und sich auch an den schon gar nicht darauf, wie sie es Interessen der Schüler*innen ori- entieren. Unterricht, der nur von Bildung ist in erster lernen, ebenso wenig werden auf ihre individuellen Begabungen und denjenigen besucht wird, die sich Linie Selbstzweck. 8 Grundsatzprogramm
erreicht, dass alle den Stoff ver- standen haben und in der Lage sind ihn anzuwenden. Es ist daher nicht erstaunlich, dass Gruppenar- beit und solidarisches Lernen und Arbeiten in der Schule so selten gefördert werden. Gruppenarbeit und solidarisches Miteinander erschweren die individuelle Be- notung. Da nicht der Inhalt des 1.5 noten/ geprüften Wissens von Bedeutung bewertungssysteme ist, sondern nur die Note, die am Ende einer Überprüfung steht, be- Die LSV Rheinland-Pfalz lehnt No- stimmt das auch die Art und Weise des Lernens. Es wird nur für das 2.1 inklusion ten grundsätzlich ab. Kurzzeitgedächtnis gelernt. Sinn- volles Lernen, dass ein Problem Inklusive Schulen sind Vorausset- Noten sind untrennbar mit jedem in seiner Gesamtheit erfasst und zungen für eine gesunde Gesell- modernen Bildungssystem verbun- Lösungsansätze erkennbar macht, schaft ohne Parallelgesellschaf- den. Sie gelten als objektives Mit- wird nicht gefördert. Es werden ten. tel zur Messung von Leistung, mit ihnen soll es möglich sein, indivi- weder die individuelle Lernleis- tung, also der Fortschritt, den Was bedeutet Inklusion? duelles vergleichbar zu machen. Alle Untersuchungen über die ein*e Schüler*in innerhalb eines Schuljahres macht, noch die un- Unter dem Begriff Inklusion ver- Objektivität von Noten sprechen gleichen Voraussetzungen, denen steht die UN-Behindertenrechts- jedoch eine deutlich andere Spra- Schüler*innen ausgesetzt sind be- konvention die Einbindung aller che. Noten, das ist offensichtlich, rücksichtigt. körperlich- und geistig beeinträch- sind vor allem willkürlich und sa- tigten Menschen in alle gesell- gen nur vordergründig etwas über schaftlichen Institutionen – Schu- die tatsächlich erbrachte Leistung len aller Art selbstverständlich mit aus. Die Trennlinie zwischen ob- inbegriffen –, ohne jegliche Art jektiver Bewertung und persön- von Barrieren. Dennoch betrifft licher Meinung ist sehr schwer zu Inklusion nicht nur beeinträchtigte ziehen, daher fließen oft Sympa- Menschen, sondern alle Menschen thien und Antipathien mit in die denen aus verschiedenen Grün- Bewertung ein. den, wie zum Beispiel Herkunft oder Aussehen, die Teilhabe am Noten sind ein sehr starkes Mittel, gesamtgesellschaftlichen Zusam- um Druck auf die Schüler*innen menleben durch Fremdeinwirkun- auszuüben, da Noten über die so- gen verwehrt ist. ziale Stellung entscheiden, über gesellschaftlichen Auf- oder Ab- Die LSV ist schlussfolgernd der Auf- stieg. Noch schlimmer, sie greifen fassung, dass die Bildung benach- direkt auf das Selbstwertgefühl teiligter Schüler*innen als gemein- der Schüler*innen zu. Viele su- same Aufgabe für grundsätzlich chen die Verantwortung für ihre alle Schulen verstärkt anzustreben schlechten Noten ausschließlich ist. bei sich selbst: sie sind zu dumm, zu faul, oder zu unbegabt, dass Die soziale Inklusion benachteilig- man vielleicht schlicht keine Lust ter Menschen jeder Art lässt sich hat (bewusst oder unbewusst), nur erreichen, wenn die instituti- sich jeden Tag selbst Gewalt anzu- onalisierte Trennung der Lern- und tun, zählt nicht. Lebenswege von beispielsweise körperlich- und/oder geistig be- Noten werden im Vergleich gege- einträchtigter und nicht beein- ben, nur so machen sie Sinn, erst trächtigten Menschen überwunden wenn Schüler*innen durch sie in wird. Der Institution Schule kommt einem Verhältnis zu anderen ein- dabei eine große Bedeutung zu. zuordnen sind, erlangen Noten Schule kann zeigen, dass gemein- Aussagekraft. Wenn alle eine 1 sames Leben und Lernen möglich haben, ist sie für den einzelnen ist und eine menschliche Bereiche- wertlos. Ziel ist also nicht, dass rung für alle bedeutet. eine Lerngruppe den Idealzustand Grundsatzprogramm 9
Schüler*innen mit Handicaps un- wenn die Angebote identisch wä- terschiedlicher Art können von ren, könnte bei unterschiedlicher ihren Mitschülerinnen und Mit- Sozialisierung von Mädchen und schülern, welche hiervon nicht Jungen eine unterschiedliche betroffen sind, lernen. Oft fehlt Diskussionsstruktur aufkommen, ihnen in nicht inklusiven Schu- sodass letztlich unterschiedliche len die Motivation zum Erlernen Inhalte vermittelt werden. Auf- von neuen Dingen. Auch werden grund dieser Gefahr darf es nie Menschen mit Beeinträchtigungen wieder einen nach Geschlechtern selbständiger, wenn sie mit an- getrennten Unterricht geben. deren Menschen in heterogenen Gruppen zusammen lernen und le- ben. Im Vordergrund stehen dabei Zudem zwingt der nach Geschlech- der Erwerb sozialer Kompetenzen, tern getrennte Unterricht alle wie die Fähigkeit vorurteilsfrei mit Menschen, sich fest einer Grup- seinen*ihren Mitmenschen umzu- 2.2 geschlechter- pe (Mann oder Frau) zuzuordnen. gehen und diese als ernstzuneh- verhältnisse Selbst wenn es sich bei den Men- mende Persönlichkeiten zu erken- schen, die sich nicht zuordnen, nen. Die Schüler*innen lernen sich Die LSV lehnt eine Wiedereinfüh- um eine kleine Gruppe handelt, solidarisch zu ihren Mitmenschen rung des nach Geschlechtern ge- wird dieser Minderheit Unrecht zu verhalten. Inklusive Schulen trennten Unterrichts klar ab. Die getan. Zudem gibt es einen grö- sind Voraussetzungen für eine ge- LSV hält die Koedukation für einen ßeren Teil Mädchen/Jungen, die sunde Gesellschaft ohne Parallel- richtigen und wichtigen Schritt zu einem gewissen Zeitpunkt ihrer gesellschaften. zur Gleichberechtigung der Ge- Entwicklung besonders in ihrem schlechter. Die in Rheinland-Pfalz Lernverhalten nicht einfach nach Gemeinsamer Unterricht von noch bestehende Möglichkeit zur biologischem Geschlecht zuzuord- Schüler*innen mit und ohne Beein- Trennung in Schüler*innen im nen sind. trächtigung, sollte grundsätzliches Sportunterricht hält die LSV für Unterrichtsprinzip werden. Im Mit- falsch. Die Defizite in der Um- Gerade im Sportunterricht darf telpunkt soll die optimale Förde- setzung müssen durch eine um- die Trennung nicht länger mög- rung aller Schüler*innen stehen. fassende Auseinandersetzung mit lich sein. Ein getrennter Sportun- Um eine angemessene Förderung unten genannten Problemfeldern, terricht führt automatisch dazu, von Schüler*innen mit erhöhtem sowie mit den Vorstellungen zur dass unterschiedliche Aktivitäten Förderbedarf zu gewährleisten, Geschlechterdifferenz und Ge- durchgeführt und erlernt werden. müssen ausreichend personel- schlechtsidentitäten behoben Im Bezug auf sportliche Aktivitäten le und sachliche Ressourcen zur werden. wird den Mädchen tendenziell Ele- Verfügung stehen. Es müssen die ganz und Biegsamkeit attestierst baulichen und personellen Mög- Die LSV fordert die institutionelle und von ihnen gefordert, den Jun- lichkeiten gegeben sein, dass jede Festschreibung von regelmäßigen gen Kraft und Kondition. Dies wird Schülerin, jeder Schüler, gleich ob Lehrer*innenkonferenzen, die das im getrennten Sportunterricht sie*er ein Handicap hat oder nicht, Thema Geschlechterverhältnisse manifestiert und im Umgang der wählen kann, welche Schule er*sie in der Schule behandeln, sowie die Jugendlichen untereinander somit besuchen möchte. obligatorische Auseinandersetzung übernommen. Dies führt langfris- mit Geschlechterverhältnissen in tig dazu, dass Mädchen sowie Jun- der Lehrer*innenaus- und fortbil- gen in eine feste Rolle gezwungen dung. werden, die automatisch die Be- nachteiligung und Unterdrückung Unbedingt für Koedukation der Frau stützt. Die flächendeckende Einführung Probleme der Koedukation der Koedukation in den sechziger Jahren war der entscheidende So alt wie die Einführung der Ko- Schritt hin zu gleichem Bildungs- edukation ist auch ihre Kritik, angebot und damit Chancengleich- Mädchen sowie Jungen erfahren heit von Jungen und Mädchen. Die im Schulsystem aufgrund ihres Bedeutung dieser Errungenschaft Geschlechts Benachteiligung, die darf nicht unterschätzt werden: Mädchen im naturwissenschaftli- Vorher war es möglich und üb- chen Bereich, die Jungen in Spra- lich, den Mädchen/Jungen durch chen und musischen Fächern. andere und reduzierte schulische Angebote eine gesellschaftliche Um diese These zu bewerten, Rolle zwingend zuzuweisen. Auch muss man sich für ein Deutungs- 10 Grundsatzprogramm
muster der schulischen Geschlech- 2. Interaktionsstrukturen wider. So sind z.B. 80% der Lehr- terdifferenz entscheiden. Die in der Klasse kräfte an Grundschulen Frauen, konservative Sichtweise begreift doch nur 25% der Grundschulen „Geschlecht“ als biologische Kate- Die von Jungen oft vermutete werden von Frauen geleitet. Es gorie, der bestimmte geschlechts- Bevorzugung der Mädchen steht unterrichten 36% Frauen in der Sek spezifische Verhaltensmuster zu- im krassen Gegensatz zur Unter- II, wobei es nur 13,6% Schulleite- geordnet sind. Unter einer solchen richtsrealität. Anhand von Stu- rinnen an Gymnasien gibt. Sichtweise ist es Ziel der Pädago- dien konnte aufgezeigt werden, gik, diese naturgegebenen „Gat- dass selbst Lehrerinnen, die über- „Die Tatsache, dass die gehobenen tungsmerkmale“ durch Bildung zu zeugt waren, ihre Aufmerksamkeit Positionen in einem so geringen vervollkommnen. gleich zu verteilen, häufiger Jun- Maße durch Frauen besetzt sind, gen als Mädchen aufriefen. In ei- trägt dazu bei, dass Schülerinnen Die Landesschüler*innenvertret nem Modellversuch, in dem durch Macht mit Männlichkeit verbinden ung hingegen geht von einem pro- das Führen von Strichlisten gleiche und ihnen weibliche Vorbilder feh- gressiven Deutungsmuster aus, Aufmerksamkeit garantiert wurde, len.“ (Ingeborg Schüßler, 1997). nämlich dem, dass die bestehende beschwerten sich die Jungen in Geschlechterdifferenz eine sozi- einer anschließenden Befragung alisationsbedingte ist, die es zu über ihre Benachteiligung. Die Landesschüler*innenvertret überwinden gilt, um Frauen wie Auch fällt auf, dass Jungen Mäd- Männern eine selbstbestimmte chen häufiger ins Wort fallen als ung hingegen geht von einem Identitätsbildung zu ermöglichen. umgekehrt. Beiträge von Mäd- progressiven Deutungsmuster Um jedoch das bestehende hier- chen, vor allem in naturwissen- archische Geschlechterverhältnis schaftlichen Fächern, werden von aus, nämlich dem, dass die be- nicht unsichtbar zu machen, muss Jungen oft lächerlich gemacht. stehende Geschlechterdifferenz in bestimmten fällen noch von der Geschlechterdifferenz ausge- 3. Schulbücher / eine sozialisationsbedingte ist, gangen werden, um Mädchen und Frauen gezielt zu fördern, bevor Unterrichtsmaterialien die es zu überwinden gilt, um die Kategorie „Geschlecht“ de- Schulbücher spiegeln auch heute Frauen wie Männern eine selbst- konstruiert werden kann. noch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und geschlechts- bestimmte Identitätsbildung zu Durch ihre Sozialisierung und die rollenstereotypes Verhalten in ermöglichen. Internalisierung der von ihnen er- Texten und Abbildungen wieder. warteten Verhaltensweisen, ent- Besonders in Geschichtsbüchern wickeln Jungen und Mädchen ge- kommen Frauen so gut wie nicht Diese geschlechtsspezifische Ar- rade in der Schule rollentypisches vor. Doch es haben sich in den beitsteilung findet sich wiederum Verhalten. Diese häufig unbewuss- letzten Jahren die neu konzipier- auch unter Schülerinnen wieder. te Erziehung zu geschlechtskon- ten Schulbücher zu Gunsten einer Mädchen erfüllen in den meisten formem Verhalten wird als heimli- stärker gleichberechtigten Dar- Fällen die Funktion, das soziale cher Lehrplan bezeichnet und wird stellungsweise verändert. In den Klassengefüge zu stärken. Weib- in der Schule durch vier Faktoren Schulbuchgutachten wird dabei lichkeit wird mit der Fähigkeit bedingt: u.a. berücksichtigt, inwieweit bei- zu Erhaltung der Sozialstruktur den Geschlechtern ausreichende in Verbindung gebracht, während 1. Geschlechtsspezifische Identifikationsmöglichkeiten an- Konkurrenzdenken eher mit Männ- Erziehung durch Lehrkräfte geboten werden und welche Rol- lichkeit konnotiert wird. lenbilder von Mann und Frau durch Empirische Studien zeigen, dass die Darstellungsweise konstruiert „Arme Jungs – arme Mädchen“ - Lehrerinnen geschlechtsspezifi- werden. In der Novellierung des Die Debatte um Benachteiligung sches Verhalten unbewusst er- hessischen Schulgesetzes wurde warten und durch ihr Handeln so 1997 erstmals festgeschrieben, Schon lange heißt es, dass die Mäd- reproduzieren: Jungen wird mehr dass „die Gleichberechtigung von chen gerade in den Naturwissen- Aufmerksamkeit entgegenge- Mann und Frau auch über die Aner- schaften benachteiligt werden und bracht als Mädchen; Sie werden kennung der Leistungen von Frau- gefördert werden müssten. Ein- häufiger aufgerufen und häufiger en in Politik, Kultur und Gesell- richtungen zur Förderung der Mäd- wegen störendem Verhalten er- schaft“ vermittelt werden sollte. chen wie den „Girls Day“ sieht die mahnt. Gutes Benehmen gilt bei Landesschüler*innenvertretung Mädchen eher als selbstverständ- 4. Identifikationsmöglichkeiten dabei als problematisch an. Ob- lich. Inhaltliche Kompetenz wird wohl es sinnvoll ist, Mädchen und bei Mädchen eher auf Fleiß, bei Wie die meisten gesellschaftli- Frauen gezielt zu fördern, führt Jungen dagegen auf Begabung zu- chen Bereiche spiegelt auch die eine solche „Grenzüberschrei- rückgeführt. innerschulische Hierarchie das be- tung“ nicht zwingend zu einer stehende Geschlechterverhältnis Neutralisation, sondern kann die Grundsatzprogramm 11
Grenzziehung verstärken. Durch trägt die Benachteiligung der Jun- bewusste Förderung wird sugge- gen in der koedukativen Schule riert, dass Frauen und Mädchen, lediglich zu einer Festigung der die sich beispielsweise für Natur- dominierenden Rolle des Mannes wissenschaften interessieren, eine in der Gesellschaft bei. Ausnahme darstellen und somit in der Minderheit sind. Einer solchen Umgang mit Problemen Kategorisierung kann eine Nega- tivzuschreibung (wie, in diesem Der Umgang mit diesen Problemen Beispiel, weniger Attraktivität darf nicht durch Ignorieren oder u.ä.) folgen und sie stellt somit Trennung, sondern muss durch immer auch eine Gefahr für die Bewusstmachung geprägt sein. 2.3 sexualkunde Mädchen und Frauen dar. Nur durch eine bewusste Thema- tisierung durch die Lehrer*innen Die LSV RLP fordert die ständige In der neueren Debatte um Ge- und durch ein Aufbrechen von Rol- Evaluation und Weiterentwicklung schlechterverhältnisse in der lenstereotypen kann eine Dekons- der Sexualkunderichtlinien und Schule spielt die Benachteiligung truktion stattfinden. damit auch des Sexualkundeunter- und benötigte Förderung der Jun- richts. Die Sexualkunderichtlinien gen eine große Rolle. Tatsächlich Viel zu oft werden Probleme im sollen nach dem Vorbild der Se- ist festzustellen, dass im aktuel- Unterricht nicht über die Kate- xualkunderichtlinien in Hamburg len System weniger Jungen qua- gorie „Geschlecht“ analysiert. geändert werden und insbesonde- lifiziertere Bildungsgänge wählen Hier zeigt sich eine verzerrte re darin folgende 4 wesentliche und weniger männliche Absolven- Wahrnehmung der Lehrenden. Es Aspekte der Sexualität berück- ten ihre Hochschulreife erhalten. werden andere Strukturierungs- sichtigen: den Geschlechtsaspekt, Die Mädchen, so die Theorie, seien prinzipien herangezogen, wie z.B. den Persönlichkeitsbildungs- oder nicht länger die Benachteiligten, Leistungsheterogenität, wobei im Identitätsaspekt, den Kommuni- das Schulsystem sei mädchen- übrigen Leistung in diesem Zusam- kationsaspekt und den Lustaspekt. freundlich. Diese Erkenntnis, die menhang nicht kritisch reflektiert aktuell als neu gehandelt wird, wird, oder auch kulturelle Unter- Sexualkundeunterricht, wie er in gilt seit Einführung der koedukati- schiede, die als Deutungsmuster der Schule stattfindet, befasst sich ven Schulen. für soziales Gefälle herangezogen nur mit einem Bruchteil des Sexu- werden. Hierbei wird die Relevanz allebens der Schüler*innen. Die Diese Theorie ist vor allem kritisch der Kategorie “Geschlecht“ unbe- reformierten Sexualkundericht- zu betrachten, da sie die späteren wusst unterschätzt, denn sie ist linien aus dem Jahr 2009, klären Entwicklungen der Mädchen und in der jugendlichen Sozialisation zwar über Aspekte der Fortpflan- Jungen ausblendet. Es bleibt nach eine der bedeutendsten. zung und des Lebensumfeldes der wie vor bestehen, dass Frauen den Jugendlichen auf, vernachlässigen geringeren Teil der Student*innen Die Landesschüler*innenvertret aber Lustaspekte, ebenso wie die an Hochschulen ausmachen, weni- ung fordert, dass es weiterhin Findung der sexuellen Identität. ger qualifiziertere Berufe ergrei- Förderungseinrichtungen gibt. Dabei wird ein eher zurück halten- fen und seltener Karriere machen. Diese dürfen allerdings nicht nur des, vorsichtiges Bild der Sexuali- Dies ist nicht nur auf unterschied- geschlechtsspezifisch ausgelegt tät vermittelt. Sexualkunde sollte liche Lebensentwürfe zurückzu- sein, sondern müssen eine indi- aber vorrangig den natürlichen führen. viduelle Förderung des*der ein- Umgang mit Sexualität fördern In der Bevorzugung der Mädchen zelnen zum Ziel haben. Die För- und eine Möglichkeit für jede*n fördert die Schule ein Verhalten, derungsprozesse müssen darum bieten, sich frei von jeglichen welches nur innerhalb des Systems im Unterricht reflektiert werden Wertvorstellungen über seine Be- Schule vorteilhaft ist. Während und die Gründe für geschlecht- dürfnisse klar zu werden. Sexuel- den Mädchen objektiv durch Noten stypische Bildungsgänge müssen le Bedürfnisse sind eng verwoben und Lob Überlegenheit suggeriert aufgedeckt werden. Nur so kann mit anderen Lebensäußerungen wird, attestieren die Lehrer*innen dauerhaft erreicht werden, dass der Menschen. Der Umgang ei- in Interpretationen des Verhaltens Jungen wie Mädchen sich in der nes Menschen mit seiner Sexu- den Mädchen „Autoritätsgläubig- Schule individuell entwickeln kön- alität hat sehr weitgreifendere keit, Angst vor Strafe, Schüch- nen und sich selbst sowie andere Auswirkungen, es beeinflusst sein ternheit, Verletzlichkeit“ (Zinne- nicht länger über das Geschlecht körperliches Wohlbefinden und cker, 1995). Die Eigenschaften definieren. das seelische Gleichgewicht, und und Handlungsmuster, die also in spielt deshalb eine große Rolle in der Schule gefördert werden, wie der Kommunikationsfähigkeit mit Reproduzieren, nicht Widerspre- anderen Menschen. Dies ist unter chen, Rücksicht nehmen, usw. anderem einer der Gründe, warum gereichen im späteren beruflichen Sexualerziehung nicht alleine der Leben nicht zum Vorteil. Somit Familie überlassen werden kann. 12 Grundsatzprogramm
Hier bietet die Institution Schu- biologische Ungleichheiten gelegt le besondere Möglichkeiten, die [...], sondern auf kulturelle Diffe- Vielschichtigkeit der Sexualität zu renzen, die ihrerseits verabsolu- beleuchten und auf die Vielfältig- tiert werden. keit der verschiedenen Sexualitä- ten und sexuellen Orientierungen Die Wahrnehmung von einzugehen, was für Jugendliche in ihrer Entwicklung sehr wichtig Unterschieden, die in sich sein kann. die Möglichkeit zur rassistischen In einer pluralistischen, demo- Verfestigung bergen, lassen kratischen Gesellschaft, in der eine freie Entfaltung möglich sein Rassismus wurzeln, wenn muss, kann die Sexualpädagogik die Differenzen zu einem dabei nicht eine standardisierte, vorab festgelegte Wertevermitt- hierarchischen Weltbild werden. lung zum Ziel haben. Vielmehr muss sie sich daran orientieren, 2.4 anti-ra „Der Rassismus ist die verallge- dass junge Menschen selbstbe- meinerte und verabsolutierte Die Landesschüler*innenvertret stimmt und verantwortungsvoll Wertung tatsächlicher oder fikti- ung RLP befindet, dass Rassis- mit ihrer Sexualität umgehen ver Unterschiede zum Nutzen des mus und rechte Einstellungen in können und die für sie akzepta- Anklägers und zum Schaden seines Deutschland als ernsthaftes Prob- blen Werte eigenständig setzen. Opfers, mit der seine Privilegien lem erkannt und öffentlich disku- Dazu muss eine möglichst neutrale oder seine Aggressionen gerecht- tiert werden muss. Auseinandersetzung mit den un- fertigt werden sollen.“ (Memmi terschiedlichsten Wertvorstellun- 1992, S. 164). Ein so begriffener Dazu darf der zu diskutierende gen stattfinden, die nicht nur die Rassismus führt zur Verstärkung Rassismus nicht zu eng als Vorurteil Grundlage einer Entscheidungs- des Ausschlusses oder der Aus- oder Legitimation eines Vorteils, freiheit schafft, sondern auch klar grenzung durch die Wertung der noch zu weit als eine Ablehnung macht, dass die Selbstbestimmung Unterschiede, die die Unterle- alles Anderen erfasst werden, son- des oder der anderen die Grenze genheit des Opfers und die Über- dern er muss als gesellschaftlich der eigenen Selbstentfaltung ak- legenheit des Rassisten beweisen vermittelte Erfahrung begriffen zeptiert werden muss. sollen. Die Charakterisierung des werden. Biologistische Erklärungs- Opfers dient dabei zur Rechtfer- muster sind dabei Teil des Rassis- Da Sexualität auch für jeden tigung für die Unterdrückung und mus, ebenso wie kulturalistische. Menschen ein sehr persönliches Aggression. Das Argument von der Die Wahrnehmung von Unterschie- Thema darstellt, bedarf deren biologischen Überlegenheit der ei- den, die in sich die Möglichkeit zur Behandlung auch in der Schule genen Rasse wird mittlerweile oft rassistischen Verfestigung bergen, einer besonderen Sensibilität, um zugunsten der Betonung kulturel- lassen Rassismus wurzeln, wenn die Intimsphäre jedes und jeder ler Unterschiede und kultureller die Differenzen zu einem hierar- einzelnen nicht zu verletzen. Das Besonderheiten aufgegeben, wo- chischen Weltbild werden. Konfliktpotential, das Sexualität mit sich in der Gesellschaft eine mit sich trägt, muss dabei berück- starke Verschiebung vom biologi- Es kann sich dabei um tatsächliche sichtigt werden. Konflikte gehören schen zum kulturellen Rassismus oder fiktive Unterschiede handeln lebenslang zu Lern- und Reife- ergibt. Gerade dort liegt in der und gerade die Wertungen dieser prozessen, auch im Umgang mit tagespolitischen Diskussion die Unterschiede, die oft folgende Sexualität. Die Schule kann keine Problematik, da die Behauptung Verallgemeinerung und Verabso- Probleme lösen, kann allerdings der Existenz unterschiedlicher lutierung der Unterschiede und unbegründete Ängste nehmen und Rassen, die in eine Wertehierar- damit die Legitimierung einer eine positive Grundeinstellung zur chie zu bringen seien, kaum mehr Aggression oder eines Privilegs Sexualität fördern. ernsthaft propagiert wird und der führen, sind Rassismen, die als Hauptakzent also nicht mehr auf ernsthaftes Problem erkannt und biologische Ungleichheiten gelegt öffentlich auch so dargestellt und wird, sondern auf kulturelle Dif- behandelt werden müssen. Die im- ferenzen, die ihrerseits verabso- mer wieder vorübergehend starke lutiert werden. Die Art und Wei- Präsenz von Debatten über Rassis- se, wie sich Rassismus alltäglich mus und rechte Einstellungen in manifestiert, modifiziert sich in den Medien und die oberflächliche Richtung eher symbolischer, indi- Behandlung in Politik und Gesell- rekter Ausdrucksformen und die schaft wird dem Umfang der Prob- direkten Formen weichen eher lematik nicht gerecht. Der Haupt- Unterschwelligem, Implizitem, akzent [wird] also nicht mehr auf Grundsatzprogramm 13
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