GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 72. Jahr Heft 7/8 Juli/Aug. 2019 zum Inhaltsverzeichnis GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen HLZ - SCHWERPUNKTTHEMEN: Digitalpakt | Inklusion
HLZ 7–8/2019 2 Zeitschrift der GEW Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 I M P R E S S U M Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen Zimmerweg 12 60325 Frankfurt/Main Telefon (0 69) 971 2930 Fax (0 69) 97 12 93 93 Maike Wiedwald und Birgit Koch (Bildmitte) sind die Landesvorsitzenden der GEW Hessen. E-Mail: info@gew-hessen.de Tanja Kamp (links) und Tobias Cepok (rechts) sind in der Landesgeschäftsstelle der GEW Homepage: www.gew-hessen.de für die Bereiche Hochschule und Jugendbildung zuständig. Verantwortlicher Redakteur: Harald Freiling Klingenberger Str. 13 GEW vor Ort – GEW on tour 60599 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 636269 E-Mail: freiling.hlz@t-online.de Mitarbeit: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch- schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke Kolleginnen und Kollegen, die sich vor • Deshalb ladet uns in Eure Kitas, (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka- Ort in Kitas, Schulen und Hochschulen Schulen oder Hochschulen ein, in eine rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik engagieren, können sich auf die Unter- Personalversammlung oder einfach nur und Gewerkschaften) stützung durch die ehrenamtlich arbei- auf eine Tasse Kaffee mit interessierten Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † tenden Kolleginnen und Kollegen der Kolleginnen und Kollegen. Schickt eine Schwerpunktthemen: Harald Freiling GEW verlassen: in den Kreis- und Be- Mail an info@gew-hessen.de mit den Illustrationen: zirksverbänden, im Landesvorstand, in Themen, die für Euch wichtig sind, und Thomas Plaßmann (S. 11, 33), Dieter Tonn (S. 21), Ruth der Landesrechtsstelle und in den Ge- Euren Kontaktdaten. Wir rufen oder Ullenboom (S. 4) samt- und Hauptpersonalräten. schreiben zurück. Versprochen! Fotos, soweit nicht angegeben: Wir wollen in der nächsten Zeit Joyce Abrahams (Titel, S. 13), GEW (S. 3, 6-9, 26, Birgit Koch und Maike Wiedwald 25, 35-37) noch stärker mit Kolleginnen und Kol- Vorsitzende der GEW Hessen legen vor Ort ins Gespräch kommen, Verlag: um mehr über die Belastungen und die Tony Schwarz und Karola Stötzel Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 Erwartungen an die GEW zu erfahren. stellvertretende GEW-Vorsitzende 61348 Bad Homburg Anzeigenverwaltung: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Sommerferien in der Landesgeschäftsstelle der GEW Peter Vollrath-Kühne Postfach 19 44 61289 Bad Homburg Die Landesgeschäftsstelle der GEW Hes- nicht besetzt. In fristgebundenen oder Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 sen ist in der Mitte der hessischen Som- dringenden Fällen wenden Sie sich als E-Mail: mlverlag@wsth.de merferien vom 15. bis 26. Juli 2019 ge- GEW-Mitglied bitte direkt an die Büros Erfüllungsort und Gerichtsstand: schlossen. In dieser Zeit können auch der DGB Rechtsschutz GmbH. Die Adres- Bad Homburg keine E-Mails bearbeitet werden. Auch sen der Büros finden Sie unter www.gew- die Landesrechtsstelle ist in dieser Zeit hessen.de/recht/dgb-rechtsschutz-gmbh. Bezugspreis: Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag Aus dem Inhalt Rubriken Schwerpunkt: Sonderpädagogik enthalten. 4 Spot(t)light 18 Briefe zur HLZ 6/2019 Zuschriften: 5 Briefe 19 Inklusion ist mehr als inklusiver Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder 6 Meldungen Unterricht: Ein Kommentar wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 31 Hochschulen: Gute Arbeit 20 Ausbildung: Lehramt Förderschulen vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen 34 Recht: Beihilfe | Aufsichtspflicht 22 Lehramt Gymnasien und Inklusion nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion 35 Filme: Ein Lied für Argyris 24 Kooperation: Allgemeine Schulen übereinstimmen. 36 Jubilarinnen und Jubilare und Beratungs- und Förderzentren Redaktionsschluss: 37 Nachrufe | Personen Einzelbeiträge Jeweils am 5. des Vormonats 40 Aus dem lea-Fortbildungsprogramm 7 Fachtagung Bildungsfinanzierung Schwerpunkt: Digitalisierung 26 lea-Tagung: 70 Jahre Grundgesetz Nachdruck: Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- 10 Digitalpläne der Landesregierung 27 Aus für Berufseinstiegsbegleitung? gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- 12 Positionen der GEW: Beschluss des 28 Lehrkräftemangel: Was tun? genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion und des Verlages. GEW-Landesvorstands 29 Politische Bildung 14 Schulen brauchen IT-Support 30 Hochschule: Academics for Peace Druck: Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH 16 e-Portfolio Medienkompetenz 32 Bildungsexpansion: Nicht für alle! Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 7–8/2019 zum Inhaltsverzeichnis KOMMENTAR GEW vor Ort „Bildung braucht bessere Bedingungen“: Diese Kam- Auch die Deputate für Schulleitungen und Lehr- pagne der GEW Hessen, die wir vor der letzten Land- kräfte reichen bei weitem nicht aus, die vielen neuen tagswahl gestartet haben, ist weiter der Leitfaden Aufgaben zu bewältigen. Der Kultusminister verweist für unsere Aktivitäten. Nach einem soliden Tarifab- gerne auf den Zuschlag zur Grundunterrichtsversor- schluss im Frühjahr 2019 hat die Landesregierung gung in Höhe von 4 bzw. 5 Prozent. Ein Wunderheil- einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der mittel für alle schulischen Probleme? Sicher nicht. das Tarifergebnis zeit- und systemgleich auf die Be- Trotzdem lohnt es sich, genauer hinzuschauen, wie amtinnen und Beamten überträgt. Das ist ein Erfolg Deputate berechnet und verteilt werden und wie der der vielen Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren Zuschlag zur Grundunterrichtsversorgung verwendet gegen Besoldungsdiktate demonstrieren und streiken werden kann. Die GEW stellt deshalb zu Beginn des und sich auch nicht durch Disziplinarmaßnahmen neuen Schuljahres allen Personalräten und GEW- abschrecken lassen. Aktiv werden lohnt sich! Allen Vertrauensleuten eine umfassende Handreichung zu dafür ein herzliches Dankeschön! diesen Themen zur Verfügung. Wir fordern die Kol- Die GEW Hessen hat vor den Landtagswahlen die leginnen und Kollegen auf, ihre Rechte wahrzuneh- Forderung nach einem Sofortprogramm in Höhe von men und in den Gesamt- und Schulkonferenzen über 500 Millionen Euro pro Jahr erhoben, um die Ar- die Verteilung dieser Stunden und Deputate zu dis- beitsbedingungen der Beschäftigten und die Bedin- kutieren und zu entscheiden. gungen für Kinder und junge Menschen in Kitas, Lasst uns gemeinsam für bessere Arbeitsbedingun- Schulen und Hochschulen zu verbessern. Auch die gen streiten, unsere Rechte engagiert wahrnehmen schwarz-grüne Landesregierung hat in ihrem Regie- und in Schule und Gesellschaft vertreten. Geld ist in rungsprogramm Verbesserungen angekündigt. Dass unserem reichen Land genug da! Die Steuereinnah- das Thema Bildung in der öffentlichen Darstellung men sind unverändert hoch und durch eine sozial ge- der Landesregierung einen solchen Raum einnimmt, rechte Steuerreform wäre es möglich, die öffentlichen ist auch ein Ergebnis der Aktivitäten von Kollegin- Aufgaben dauerhaft zu finanzieren. nen, Kollegen, Eltern, Schülerinnen und Schülern. Im kommenden Schuljahr möchten wir als Vor- Aber lassen wir uns nicht täuschen: Für die meis sitzende der GEW Hessen mit euch direkt VOR ORT ten Versprechungen fehlt der Zeitpunkt der Umset- über die notwendigen Schritte zur Verbesserung der zung. Alle Ankündigungen stehen – mit Ausnahme Arbeitsbedingungen ins Gespräch kommen. Wir freu- des Ganztags – unter Finanzierungsvorbehalt. Wir en uns über eure Einladung in Kitas, Schulen und müssen den gesellschaftlichen Diskurs über eine gute Hochschulen, in Personalversammlungen oder offene Bildung in Kitas, Schulen und Hochschulen und eine Gesprächsrunden mit Kolleginnen und Kollegen, El- auskömmliche Finanzierung weiterhin führen! tern und Schülerinnen und Schülern. Bis dahin wün- In Überlastungsanzeigen, in Briefen und Reso- schen wir euch eine angenehme Sommerzeit und ei- lutionen kritisieren Kolleginnen und Kollegen die nen guten Start ins neue Schuljahr! Bedingungen, unter denen sie arbeiten. Sie benen- nen zu hohe Unterrichtsverpflichtungen, Klassen- Birgit Koch und Maike Wiedwald und Kursgrößen, die Zunahme von Besprechungen, Landesvorsitzende der GEW Hessen Elterngesprächen und Sitzungen als Ursachen ihrer Überlastung. Sie fordern im Bereich der inklusiven Beschulung, die einmal mehr ein Schwerpunkt dieser HLZ ist, eine angemessene personelle Ausstattung. Sie berichten über „ausufernde Bürokratisierung“, gestiegenen Dokumentations- und Verwaltungsauf- wand und zusätzliche administrative, organisatori- sche und außerschulische Aufgaben, für die sie we- nig oder gar keine Entlastung bekommen.
SPOT(T)LIGHT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 7–8/2019 4 Der Zierfries Ein kleiner Gang durchs pädagogische Panoptikum (Folge 1) Im Lehrerkollegium ist es wie in ei- Quereinsteiger: eine Führung durchs fällt das Wort „Zierfries“ – leise geflüs- ner großen Geschwisterschar. Jeder hat Kollegium. Die „Planstellen“ sind we- tert oder halblaut gemurmelt – in jeder seine Rolle und spielt sie mehr oder der geschlechtsspezifisch noch hete- Kunststunde. So lässt sich die sonst so weniger gut. Schubladendenken und ronormativ besetzt. Manchmal gibt es besonnene Lehrerin in Sekunden von Typisierungen sind im Alltag unge- auch Mischtypen, das hängt ganz vom Null auf Hundert bringen. Hochrot ge- mein hilfreich! Deshalb sortieren wir Aszendenten ab. Vielleicht sind Sie be- rät sie aus der Fassung: „Wer war das? Menschen gern nach ihren Sternzei- treten, sich selber zu erkennen. Viel- Wer hat hier Zierfries gesagt?“ Selbst chen, kulturellen und politischen Vor- leicht freuen Sie sich aber auch, ande- der No-Brainer der Klasse begreift ir- lieben, Ess- und (Bei)Schlafgewohn- re zu entdecken. Vielleicht ist noch eine gendwann, dass er das Unterrichtsge- heiten oder nach ihren Nationalitäten, „Planstelle“ für Sie frei. schehen jederzeit in die Hand nehmen Auch im Schulalltag ist es sehr nützlich Manche Kollegen gehen gelassen kann. Er muss nur voller Unschuld fra- zu wissen, welchen Typ Lehrer man vor durchs Leben und reagieren amüsiert gen: „Frau König, was war noch mal oder neben sich hat. Gleich kann man bis stoisch auf die Provokationen der ein Zierfries?“ die Person viel besser einschätzen, ihr lieben Kleinen. Andere hingegen sprin- Denselben Effekt kann man erzie- aus dem Weg gehen oder sie ins Herz gen bereitwillig, ja, fast entzückt über len, wenn man der Deutschlehrerin das schließen. jedes Stöckchen, das die Schüler ihnen Stöckchen „Kopftuch“ hinwirft. Es folgt Als kleine Hilfe für unsere Refe- hinhalten. eine leidenschaftliche Tirade über Frau- rendare, Honorarkräfte und die vielen Die Kunstlehrerin ist wegen ihrer enunterdrückung, ein Exkurs, der sich Kompetenz und ihrer netten Art recht durch scheinheiliges Fragen noch end- beliebt. Sie wirft ein Dia an die Wand los verlängern lässt. Den Blutdruck des (ja, stimmt, diese Geschichte stammt Englischlehrers kann man wunderbar in aus der pädagogischen Antike. Es die Höhe treiben, indem man ihn nach gab noch keine digitalen Kameras RB Leipzig fragt. Er lässt sich mit ge- und schon gar keine Beamer und schwollenem Kamm endlos über Fuß- Smartboards). Ein Schüler soll den ballsöldner aus. griechischen Tempel beschreiben. Und was ist Ihr Zierfries? Finden Er lässt sich über Säulen und Ka- Sie es gemeinsam mit Ihrem Verhal- pitelle aus und kommt dann zur tenstherapeuten heraus. Behalten Sie künstlerischen Gestaltung des Ihre Reizthemen und Schwächen für Frieses. Dort tollen nackte Män- sich, wenn Sie trotz innerer Weißglut ner herum, einige ringen, ande- nicht souverän oder humorvoll reagie- re betrachten ihre Achillesfer- ren können. Kluge Schüler nutzen es se. „Also auf dem Zierfries sehe geschickt aus, wenn sie so einen „Zier- ich…“, beginnt der Junge. fries“ wittern und die Lehrkraft in Rage „Das ist kein Zierfries, es bringen können. Vertreibt so ein Leh- heißt einfach Fries“, korrigiert rer-Wutanfall doch etliche Minuten, die Kunstlehrerin sachlich- wenn nicht gar ganze Stunden, die man freundlich. Der Schüler setzt sonst mit stringentem Unterricht und noch mal an: „Also, man sieht Hausaufgabenkontrolle gefüllt bekäme. lauter unbekleidete Männer Hochrot geifernde Lehrer haben außer- auf diesem, äh, Zierfries.“ dem was unheimlich Komisches. Die Lehrerin wird nervös: Vielleicht verzichten Sie auch da- „Das heißt Fries.“ Auch der rauf, Ihre Leidenschaften und Hobbys nächste Schüler tappt wie- allzu begeistert im Unterricht auszu- der daneben und erwähnt breiten. Sonst geht es Ihnen wie diesem den „Zierfries“ im oberen Lehrer im Film der 50er Jahre, der seine Teil des Tempels. Absicht kostbaren Jazzplatten mit in eine Cha- oder Versehen? Wer weiß oten-Klasse nimmt. Die Platten überle- das schon bei Lutz-Werner. ben die Stunde leider nicht. Jetzt flippt die Lehrerin aus: „Wie oft Gabriele Frydrych soll ich es euch noch sagen? Das heißt Fries! Fries!!! Nicht Zierfries!“ Als Fortsetzung folgt (gendergerecht) „Der Die Schüler horchen auf. Welch‘ Zyniker“. Lesen Sie weiter in der HLZ wunderbare Waffe wird ihnen da ge- 9-10/2019. Einstweilen wünschen wir rade in die Hand gegeben? Ab sofort schöne Sommertage.
5 HLZ 7–8/2019 zum Inhaltsverzeichnis Betr.: HLZ 6/2019 S.36-41). Wenn 30 Schülerinnen und Digitale Medien Schüler in einer Klasse mit ihren Lap- Kein Einsatz in der Grundschule tops oder Smartphones untereinander, mit der Lehrkraft oder Schul-Cloud ver- Ich bin ein wenig irritiert von folgen- bunden sind, ist eine pathologisch hohe der Aussage von Mario Michel, der Strahlungsenergie im Klassenraum zu als Schulleiter einer Grundschule dem erwarten. Hier soll nicht die Digitalisie- Vorstand der Landesgruppe Hessen im rung abgelehnt werden. Vielmehr geht Grundschulverband angehört, in der es um die Vermeidung der Mobilfunk- gemeinsamen Pressekonferenz von strahlung durch geeignete Kabelverbin- GEW, Eltern und Schülervertretungen. dungen zwischen den Geräten. Er wies zurecht darauf hin, dass digi- tale Medien „die Lehrkräfte und deren Hans-Ulrich Hill, Wiesbaden Beziehung zu den Kindern nicht erset- zen können, ebenso wenig Stift, Papier Betr.: HLZ 5/2019 und die Entwicklung der Feinmoto- Ethikunterricht HLZ 11/1989: Grund zur Freude rik“. Beim richtigen Einsatz böten di- Im Fahrwasser der Metaphysik „Grund zur Freude“: So überschrieb gitale Medien in Kombination mit tra- Das Ersatzfach „Ethik“ schwimmt im HLZ-Redakteur Rainer Schärer vor 30 ditionellen Medien jedoch vielfältige Fahrwasser des gottbezogenen meta- Jahren seinen Kommentar in der HLZ Möglichkeiten, denn ihre Nutzung öff- physischen Staatsreligionsunterrichtes, 11/12-1989 über die Entscheidung der ne „den Kindern neue Interessenberei- der im Adenauer-Staat in Artikel 7 des DDR-Regierung, „ihren Bürgerinnen che und Entfaltungsmöglichkeiten aus Grundgesetzes konzipiert wurde und und Bürgern endlich Reisefreiheit zu ihrer Lebenswirklichkeit“. Dem Kollegen noch heute verbindlich ist. Es kann so- gewähren“. Der Lehrer aus Kassel er- scheinen die pädagogischen und wis- mit nur Ersatzreligion sein, nicht aber lebte gerade in Nordhessen „die spon- senschaftlichen Befunde nicht bekannt ein Fach, das wissenschaftlich begrün- tane Freude bei den Begegnungen auf zu sein. Richtiger Einsatz digitaler Me- det, politisch indifferent und religiös der Straße“ und forderte, „die Oppositi- dien in der Grundschule heißt für mich wertneutral wäre, und ist schon des- onsbewegung in der DDR zu unterstüt- schlicht und einfach: „Kein Einsatz!“ halb für Atheisten und Freidenker eine zen“. Dabei dürfe man aber auch nicht Stephan Schimmelpfennig, Kassel die Notwendigkeit vernachlässigen, „in nicht zu tolerierende Zumutung. Da sei- ne Propagierung und Durchsetzung im der BRD unseren Kampf für die sozia- Betr.: HLZ 6/2019 Jahre 1982 (...) im Widerspruch zur Ver- le und materielle Absicherung bürgerli- Ausbau von WLAN-Netzen fassung steht, die keine Pflichtalterna- cher Freiheitsrechte zu verstärken“. Gefahren sind erwiesen tive zu dem „ordentlichen“ Lehrfach Erstmals und einmalig erschien die (Staats-)Religion kennt, muss es wie- HLZ mit einem doppelten Umschlag, Als ehemaliger Lehrer und Diplombio der Ausdruck der „Begeisterung“ die- loge mit der Fachrichtung Toxikolo- der aus der Schule verschwinden. (...) Nach Abschaffung des verbindli- ser Tage war. In den folgenden Mona- gie habe ich mit Besorgnis die Presse- ten engagierten sich auch viele Mitglie- meldungen zum Digitalpakt Schulen in chen Ersatzunterrichtes mag der nun wieder allein schwimmende bekennt- der der GEW Hessen für den Aufbau Hessen zur Kenntnis genommen. Die demokratischer Gewerkschaften im Os- schädlichen Wirkungen von hochfre- nisorientierte Unterricht Unterricht für Katholiken, Protestanten und Moham- ten und für die Stärkung der Rechte der quenter elektromagnetischer Strahlung Beschäftigten in Ost und West. gerade bei Kindern und heranwach- medaner, soweit diese ihren Glauben überhaupt kenntlich machen und be- • Kolleginnen und Kollegen, die ihre Er- senden Jugendlichen, bei denen die innerungen mit anderen teilen wollen, Entwicklung von Gehirn und Nerven- kennen wollen, bleiben, muss es sich aber gefallen lassen, dass auch An- können uns gern ihre Texte für die HLZ system beeinträchtigt wird, sind wis- 11/2019 schicken. Einsendungen bitte bis senschaftlich erwiesen. Es ist deshalb gehörige anderer Glaubensgemein- zum 1. Oktober an: freiling.hlz@t-online. unverantwortlich, dass hessische Bil- schaften ihren Platz neben den mitt- de (maximal 5.000 Zeichen) dungsverbände, darunter die GEW, die lerweile drei deutschen Staatskirchen Landesschülervertretung, der Landes- einnehmen wollen, beispielsweise Ju- elternbeirat, Elternbund und Grund- den, Jehovas Zeugen, Neuapostoliker, schulverband, in einem Positionspa- Freikirchler, Anglikaner, Orthodoxe, pier mehr Geld für den Ausbau von Buddhisten usw. (...) Clara Zetkin er- WLAN-Netzen an Schulen fordern. Es klärte auf einer Frauenkonferenz der erstaunt, dass mit keinem Wort mög- SPD bereits 1904 in Bremen: „Hinaus liche gesundheitliche Risiken erwähnt mit der Religion aus der Schule. Sie hat werden, wie sie Prof. Gertraud Teu- in der Schule nichts zu suchen. (…) Der chert-Noodt und andere im Zusammen- Religionsunterricht (…) dient nicht der hang mit dem geplanten Ausbau des Pflege religiösen Empfindens, sondern Mobilfunknetzes 5G thematisieren (G. dem mechanischen Einbläuen von Dog- Teuchert-Noodt: Wohin führt uns die menformeln, die im schreiendsten Wi- digitale Revolution? Erkenntnisse aus derspruch zu den Ergebnissen der Wis- der Evolutions- und Hirnforschung. In: senschaft und zur Wirklichkeit stehen.“ Umwelt, Medizin, Gesellschaft 4/2018, Horst May, Korbach
MELDUNGEN zum Inhaltsverzeichnis HLZ 7–8/2019 6 Tariferhöhung und Beamtenbesoldung 2019 Mit dem Tarifabschluss 2019 zum TV- Hessen Ende März haben das Land Hes- sen und die Gewerkschaften des öf- fentlichen Dienstes eine rückwirkende Entgelterhöhung zum 1. März 2019 um 3,0 % (bzw. um 4,5 % in der Stufe 1 in allen Entgeltgruppen), mindestens um 100 Euro monatlich (Gesamtvolumen: 3,2 %) vereinbart. Die Redaktion der neuen Tarifverträge wird erst nach den GEW Mittelhessen wählt neuen Bezirksvorstand Sommerferien abgeschlossen werden können. Nach Auskunft des Innenmi- Bei der Delegiertenversammlung des Beschlüsse sind auf der Homepage des nisteriums wird aber die Entgelterhö- GEW-Bezirksverbands Mittelhessen Bezirksverbandes www.gew-mittelhes- hung rückwirkend zum 1. März 2019 führte das Referat von Dr. Matthias sen.de nachzulesen. mit den Juli-Bezügen zur Auszahlung Burchhardt (Uni Köln) über die Folgen In den nun aus acht Personen be- gebracht. Bis zur Unterzeichnung der der Digitalisierung in der Schule zu ei- stehenden geschäftsführenden Bezirks- redaktionellen Tarifverträge erfolgt die ner lebhaften Debatte. Neben der Aus- vorstand wurden gewählt (Foto von Auszahlung der Entgelterhöhung mit und Fortbildung im digitalen Bereich links): Ralf Domevscek, Evelyn Schulte- dem Hinweis „unter Vorbehalt“ in der ging es in den Diskussionen und Be- Holle, Hans Braun, Volrad Döhner und Bezügeabrechnung. Die Mitgliedsbei- schlüssen auch um die Unterstützung Sigrid Krause. Auf dem Foto fehlen träge der GEW werden ab August ent- von „Fridays for future“, Mentorentä- Anna Held, Nina Heidt-Sommer und sprechend angepasst. tigkeit und inklusiven Unterricht. Alle Ingrid Hoin-Radkowski. Das Gesetzgebungsverfahren zu ei- ner zeitgleichen und „systemkonfor- men“ Anhebung der Besoldung für die Beamtinnen und Beamten sowie der Wiesbaden: Neues Bündnis Gesamtschule gegründet Versorgungsbezüge in Höhe des Ge- samtvolumens von 3,2 % soll nach „Jeder Euro, der in ein Gymnasium Gymnasien“, sondern sehe „viele Inte- Angaben der Landesregierung nach fließt, muss ebenso in eine Gesamt- ressensgemeinsamkeiten“. Der „schlei- Möglichkeit noch vor der Sommerpau- schule gehen.“ Das ist die zentrale For- chende Einstieg in ein zweigliedriges se abgeschlossen sein. Soweit das ge- derung des neu gegründeten „Bünd- Schulsystem ohne die notwendigen lingt, wäre eine rückwirkende Auszah- nisses Gesamtschulen“ aus Eltern, Strukturdebatten“ komme einem Ver- lung der Besoldungserhöhung im Juli Schülerinnen, Schülern und Lehrkräf- zicht auf politischen Gestaltungswil- oder August möglich. Die GEW-Mit- ten in Wiesbaden, in dem sich auch die len gleich. gliedsbeiträge der Beamtinnen und Be- GEW engagiert. Deshalb fordert das Bündnis kla- amten sowie der Versorgungsempfän- Letzter Anstoß war die Debatte um re Aussagen und „deutlichere Signale, gerinnen und Versorgungsempfänger zwei neue Gymnasialbauten in unmit- in welche Richtung die Stadt für ihre werden nach der Auszahlung ebenfalls telbarer Nähe zu Gesamtschulen. Die- Schullandschaft in Wiesbaden denkt entsprechend angehoben. se Politik „nach Anmeldezahlen“ rich- und politisch steuert“. te sich gegen die Gesamtschulen. Dabei • Infos: GEW Wiesbaden, René Schepp- stelle sich das Bündnis „nicht gegen die ler, r.scheppler@gew-wiesbaden.de Landeselternbeirat gegen Kooperation mit DITIB Pädagogen for Future: Berufseinstiegsbegleitung Aufruf unterschreiben in Hessen vor dem Aus? Der Landeselternbeirat (LEB) setzt sich dafür ein, in den hessischen Schulen Im Kontext der Jugendbewegung „Fri- Auch in Hessens Nachbarland Thürin- „bekenntnisorientierten Religionsun- days for Future“ entstanden weitere gen stand die Berufseinstiegsbeglei- terricht für alle Religionsgemeinschaf- Gruppierungen, die den Ball der Schü- tung für benachteiligte Jugendliche ten anzubieten“. Dabei müsse jedoch lerinnen und Schüler aufnehmen und an Hauptschulen und Förderschulen jede „Einflussnahme durch ausländi- ihre Solidarität zum Ausdrucken brin- nach dem Auslaufen der Fördermit- sche Staaten auf Kinder im Schulunter- gen wollen. Dazu gehören neben den tel aus dem Europäischen Sozialfonds richt zu jedem Zeitpunkt ausgeschlos- „Parents for Future“ und den „Scien- vor dem Aus. Die Proteste der Schulen sen sein“. In der Auseinandersetzung tists for Future“ jetzt auch die „Pädago- und Gespräche mit der Bundesagentur um die Rolle der DITIB als Kooperati- gen for Future“. Den Gründungsaufruf, für Arbeit führten jedoch dazu, dass onspartner für den islamischen Religi- die Namen der Erstunterzeichnerinnen das Land einspringt und die Finanzie- onsunterricht fordert der LEB jetzt die und Erstunterzeichner und die Möglich- rung im Rahmen des Landeshaushalts Regierung auf, die Zusammenarbeit mit keit, den Aufruf zu unterschreiben, fin- sicherstellt. Über den Stand in Hessen der DITIB „sofort zu beenden“, deren det man im Internet unter https://pae- berichtet Christoph Baumann in dieser Unabhängigkeit von der türkischen Re- dagogenforfuture.org. HLZ auf Seite 27. gierung in Zweifel gezogen wird.
7 HLZ 7–8/2019 zum Inhaltsverzeichnis BILDUNGSFINANZIERUNG Bildung braucht bessere Bedingungen Bildungsfinanzierung unter dem Diktat der Schuldenbremse Nicht ohne Stolz registrierte die stell- Impulsgeber: Professor Achim Truger siv belasteten. Die negativen Folgen vertretende Landesvorsitzende der GEW Ende Mai gelang es dem DGB Hessen- der Schuldenbremse würden dann spür- Karola Stötzel bei der Begrüßung zu Thüringen, Achim Truger für eine Dis- bar, wenn die Konjunktur einbricht und der finanz- und bildungspolitischen kussion im Frankfurter Presseclub zu wenn die Konsequenzen unzureichen- Fachtagung, dass die HLZ inzwischen gewinnen. Am Tag darauf war er für der Investitionen in Bildung und Infra- auch ein Mitglied des „Sachverständi- einen Vortrag zur Lage der öffentli- struktur nicht mehr zu übersehen sind. genrats zur Begutachtung der gesamt- chen Haushalte bei einer finanz- und Als „Keynesianer“ und Kritiker der wirtschaftlichen Entwicklung“ (besser bildungspolitischen Tagung der GEW zunehmenden Ungleichverteilung in bekannt als der „Rat der Wirtschafts- Hessen zu Gast. Deutschland vertritt Truger mit seinem weisen“) zu ihren regelmäßigen Auto- Im Rahmen seiner Ausführungen Plädoyer für eine antizyklische Finanz- ren zählen kann. Trotz heftiger Angriffe forderte der anerkannte Finanzwirt- politik und eine gerechte Steuerpolitik aus dem Arbeitgeberlager war Profes- schaftler die rund 80 anwesenden Kol- weiterhin eine Minderheitenposition im sor Dr. Achim Truger von der Bun- leginnen und Kollegen aus Kitas, Schu- Mainstream der Volkswirtschaftslehre. desregierung als Nachfolger von Peter len und Hochschulen dazu auf, sich Trotzdem nehme die Kritik an der Po- Bofinger berufen worden. Nach seiner stärker um Haushaltsfragen zu küm- litik der „Schuldenbremse“ auch un- Tätigkeit im gewerkschaftsnahen In- mern und über die gesellschaftlichen ter wirtschaftsliberalen Ökonominnen stitut für Makroökonomie und Kon- Ziele und Bedarfe zu sprechen, für die und Ökonomen und im Arbeitgeberla- junkturforschung (IMK) in Düsseldorf öffentliche Haushalte aufgestellt wer- ger zu: Auch dort wird sie zunehmend wurde er 2012 Professor für Makroöko- den. Ein Haushalt sei nicht dann per se als „Investitionsbremse“ und als Ver- nomie an der Hochschule für Wirtschaft „ein guter Haushalt“, wenn er ausgegli- stoß gegen die „Goldene Regel für öf- und Recht in Berlin und 2018 Professor chen ist, sondern entscheidend sei die fentliche Investitionen“ wahrgenom- für Sozioökonomie an der Universität Frage, „wie wir leben wollen“. Für eine men, wonach Investitionen in Bildung Duisburg-Essen. Er ist Autor vieler Ex- solche Diskussion dürfe es keine Tabus und öffentliche Infrastruktur zu einer pertisen für die Hans-Böckler-Stiftung, geben, auf keinen Fall dürfe sie mit höheren Produktivität führen und aus die Friedrich-Ebert-Stiftung und den dem Hinweis auf die „Schuldenbrem- Gründen der Generationengerechtig- DGB, in Hessen zumeist in Kooperation se“ frühzeitig abgewürgt werden. Dass keit auch mit Krediten finanziert wer- mit Kai Eicker-Wolf, dem finanzpoliti- die Orientierung an der „Schwarzen den können. schen Referenten von DGB und GEW. Null“ in den letzten Jahren ohne mas- Zur Ermutigung empfahl Truger den Auch ihre gemeinsamen Aufsätze in sive Einsparungen und Restriktionen Gewerkschaften, „positive Beispiele“ der HLZ thematisieren vorrangig Fra- möglich war, ist für Truger ausschließ- in die Debatte einzubringen, die durch gen der Finanz- und Haushaltspolitik, lich auf die dauerhaft gute Konjunk- politisches, solidarisches Handeln zu der Bildungsfinanzierung und der Ein- tur, die relativ gute Beschäftigungssi- Veränderungen geführt haben: „Men- kommens- und Vermögensentwicklung. tuation und den Verzicht auf massive schen haben etwas gefordert, es muss- Steuersenkungen zurückzuführen, die te von der Politik umgesetzt werden, Achim Truger: „Die ‚Konsolidierung‘ vor allem in der Zeit der rot-grünen und es hat funktioniert.“ Pragmatisch der öffentlichen Haushalte hat mit der Agendapolitik die Einnahmenseite mas- sollten die Gewerkschaften, „zweiglei- ‚Schuldenbremse‘ nicht viel zu tun.“ Frankfurt, 22. September 2018
FACHTAGUNG zum Inhaltsverzeichnis HLZ 7–8/2019 8 sig“ fahren und auf der einen Seite die überfüllte Seminarräume an der Hoch- mer ich frage, wann die zusätzliche För- Grundsatzdebatte über die „Schulden- schule, über die Anschaffung von Com- derschullehrkraft für jede Grundschule bremse“ weiter führen und auf der an- putern, für die es weder Support noch kommt, wann die zusätzliche Deutsch- deren Seite bei den konkreten Anfor- Nutzungskonzepte und Fortbildung stunde kommt, wann die Kriterien für derungen an die Haushalte auch die gibt, und vieles mehr. den ‚Pakt für den Ganztag‘ vorliegen, immanenten Spielräume aufzeigen. So Für eine abschließende Podiumsdis- kriege ich dieselbe Antwort: ‚Irgend- hatte auch die GEW ihre Forderung kussion hatte die GEW Hessen die Vor- wann in dieser Legislaturperiode. Und nach einem 500-Millionen-Euro-So- sitzenden der Landtagsfraktionen ein- die dauert bekanntlich bis 2023.“ fortprogramm für gute Bildung durch- geladen: Unter der Leitung von Ludger aus unter Berücksichtigung der gege- Fittkau vom Deutschlandradio disku- Die Botschaft hör ich wohl… benen haushaltspolitischen Spielräume tierten Mathias Wagner (Die Grünen), Auch bei der Inklusion sieht Wagner die „durchgerechnet“. Einbezogen waren René Rock (FDP) und Thorsten Schäfer- Koalition auf einem guten Weg: „Wir unter anderem die zu erwartenden zu- Gümbel (SPD) sowie in Vertretung von haben erkannt, dass überall ein biss- sätzlichen Einnahmen des Landes aus Michael Boddenberg (CDU) und Janine chen nicht ausreicht.“ Deshalb sollten dem Steueraufkommen des Landes und Wissler (Die Linke) die Bundestagsab- Förderschullehrkräfte möglichst nur an aus der Neuordnung der Finanzbezie- geordnete Bettina Wiesmann und der einer Schule eingesetzt werden: „Eine hungen zwischen Bund und Ländern, stellvertretende Fraktionsvorsitzende flächendeckende Inklusion zu den Be- die Rücklagen für dann doch nicht er- Jan Schalauske mit der GEW-Vorsit- dingungen des Gemeinsamen Unter- folgte Steuersenkungen nach der Bun- zenden Maike Wiedwald und mit den richts wird Ihnen niemand an diesem destagswahl 2017 und die auch von der anwesenden Kolleginnen und Kollegen Tisch versprechen.“ Die guten Erfah- „Schuldenbremse“ nicht zwingend vor- aus Kitas, Schulen und Hochschulen. rungen im Gemeinsamen Unterricht geschriebene Tilgung von Altschulden, Die GEW-Forderung nach einem wollte auch Bettina Wiesmann nicht die in Zeiten extrem niedriger Zinsen 500-Millionen-Euro-Sofortprogramm bestreiten, aber davon hätten nur we- auch ökonomisch keinen Sinn macht. hielt Mathias Wagner für gut begrün- nige profitiert. In den Verhandlungen det, allerdings habe die schwarz-grü- mit dem grünen Koalitionspartner habe Im Gespräch mit den Fraktionen ne Koalition noch etwas darauf gelegt: die CDU auf dem Erhalt der Förder- Die Aufforderung Trugers, ohne Tabus „Unsere Zusagen belaufen sich auf ins- schulen bestanden. Keinen Handlungs- über gesellschaftliche Bedarfe zu reden, gesamt 730 Millionen, die wir zusätz- bedarf sieht Wiesmann in den Fragen nahmen die Kolleginnen und Kollegen lich für bessere Bildung in Kitas, Schu- der Bildungsgerechtigkeit: Das vielfach in zwei Arbeitsgruppen beim Wort: Sie len und Hochschulen bereitstellen – und gegliederte Schulwesen habe sich be- berichteten über die Arbeit in Kitas, in das in jedem Jahr.“ Maike Wiedwald währt und es biete jedem Kind und je- denen es keine Zeit für den notwendi- (GEW) wollte das so nicht stehen lassen: dem Jugendlichen einen individuellen gen Austausch zwischen den Beschäf- „Tatsächlich stehen alle Bildungsausga- Bildungsweg mit vielfachen Anschluss- tigten gibt, über inklusiven Unterricht, ben mit Ausnahme des Ganztags unter optionen. Widerspruch aus dem Publi- der diesen Namen nicht verdient, über Finanzierungsvorbehalt. Und wann im- kum erntete ihre Kritik an den Steuer- Jan Schalauske (Linke): „Die Schuldenbremse bremst die Investitionen in die Zukunft. Deshalb waren wir 2011 gemeinsam mit den Gewerkschaften dagegen.“ Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): „Ja, wir waren im Dissens mit den Gewerkschaften. Aber in der Hessischen Verfassung wurde auch die Verantwortung für die Einnahmenseite verankert.“ Maike Wiedwald (GEW): „Der Koalitionsvertrag enthält viele Absichtserklärungen. Was sie kosten und wann sie kommen, bleibt offen.“ von links: Jan Schalauske (Die Linke), Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Maike Wiedwald (GEW)
9 HLZ 7–8/2019 zum Inhaltsverzeichnis BILDUNGSFINANZIERUNG plänen der Gewerkschaften: Schließlich Landesregierung nicht nur auf die Aus- im Übrigen auch für die Sachhaushal- müsse man auch auf die „Leistungs- gaben, sondern auch auf die Einnahmen te, die zum großen Teil auf Grund ge- träger“ achten. Auf einem guten Weg erstrecke. Ansonsten habe er im Hin- schrumpfter Kommunalverwaltungen sieht Wiesmann auch die Umsetzung blick auf die Forderungen der Gewerk- gar nicht mehr in reale Investitionen des Digitalpakts des Bundes und der schaften angesichts des Zustands des umgesetzt werden können. Länder. Den lobte auch der scheiden- Bildungssystems „mit Demut zur Kennt- de SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten nis nehmen müssen, dass sich die hessi- Die Realitäten zur Kenntnis nehmen Schäfer-Gümbel: „Gut, dass das unsin- schen Wählerinnen und Wähler mehr- Den Widerspruch zwischen Ankündi- nige Kooperationsverbot gefallen ist. heitlich für ein ‚Weiter So‘ der alten gungen und Realität brachte eine För- Wir wären gern noch weiter gegangen.“ und neuen Koalition entschieden ha- derschullehrerin aus Hanau am Ende René Rock (FDP) forderte, nicht nur ben“. Jan Schalauske konterte mit dem der Debatte engagiert auf den Punkt: über die Höhe der Ausgaben zu spre- Hinweis, dass sich genau an der Einnah- „Ich höre hier ganz viel, was alles für chen, sondern auch über Prioritäten, und menseite weder in Hessen noch in Ber- die Bildung gemacht wird. Und dann griff dabei die Forderungen im Sofort- lin etwas geändert habe: Die Wieder- gehe ich morgen wieder in meine programm der GEW auf. Die im Wahl- einführung der Vermögensteuer würde Grundschule und sehe etwas ganz an- kampf vor der Landtagswahl 2018 plat- nach einer Expertise von Kai Eicker- deres: Mangel an allen Ecken und En- zierte Entscheidung der schwarz-grünen Wolf (DGB/GEW) auch in einer extrem den, eine Stunde für jedes Kind mit Regierung, 310 Millionen Euro für die moderaten Version bereits zwei Milliar- Förderbedarf, das nenne ich zynisch.“ Beitragsfreiheit von Kitas bereitzustel- den Euro in den Landeshaushalt spülen, Mathias Wagner und Bettina Wiesmann len, bringe „keine zusätzliche Minute die unter anderem für bessere Bildung als Vertreter der Regierungsparteien für Kinder“. Sie ändere nichts an fehlen- verwendet werden könnten. Mit der nahmen die Einladung in die Schule an. den Zeiten für Vor- und Nachbereitung CDU-Politikerin Wiesmann wusste er Maike Wiedwald erinnerte in ihrem und nichts am Personalschlüssel und sei sich nur in dem Punkt einig, dass nicht Schlusswort daran, dass die GEW seit deshalb „kein Beitrag zu mehr Qualität“. nur der Bildungsbereich besser ausge- Jahren auf den drohenden Lehrkräfte- stattet werden müsse: „Hier fällt mir mangel hinweist, aber oft nicht gehört Die Schuldenbremse in der Verfassung natürlich gleich die Sozialpolitik ein.“ wurde: „Vertrauen Sie doch einfach, Kritik an der „Schuldenbremse“ artiku- Anders als René Rock misstraut wenn wir etwas sagen! Wir wollen, dass lierten nur Jan Schalauske (Linke) und Schäfer-Gümbel nicht nur den „Ankün- Bildung in die Mitte der Gesellschaft – sehr viel zurückhaltender – Thorsten digungen im Koalitionsvertrag“, son- gegeben wird und deshalb haben wir Schäfer-Gümbel, der den Dissens mit dern auch den „Zahlen im Haushalt“: heute Sie als Fraktionsvorsitzende ein- den Gewerkschaften bei der Volksab- „Stellen im Haushalt sagen gar nichts geladen. Bleiben Sie mit uns im Ge- stimmung von 2011 nicht verschwieg. darüber aus, in welchem Umfang dann spräch, nehmen Sie uns ernst und tun Es sei der SPD damals aber gelungen, auch tatsächlich zusätzliche Pädago- Sie etwas gegen die Missstände in der in Artikel 141 festzuschreiben, dass sich ginnen und Pädagogen in der Kita oder Bildungspolitik!“ die Verantwortung von Landtag und in der Schulklasse stehen.“ Das gelte Harald Freiling Bettina Wiesmann (CDU): „Wir hören Ihnen genau zu und wir schätzen Ihre Arbeit. Aber es gibt neben der Bildung auch noch andere wichtige Bereiche.“ Mathias Wagner (Grüne): „Es kann nie genug Geld sein. Deshalb würde ich lieber mit euch darüber reden, wo wir Prioritäten setzen.“ René Rock (FDP): „Wenn die Regierung mehr Geld einnimmt, dann glauben Sie doch nicht, dass etwas davon bei Ihnen ankommt.“ von links: Ludger Fittkau (Deutschlandradio), René Rock (FDP), Mathias Wagner (Die Grünen), Bettina Wiesmann (CDU)
SCHWERPUNKTTHEMA: DIGITALPAKT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 7–8/2019 10 „Digitale Schule Hessen“ GEW hält das Programm für „unterdimensioniert und viel zu vage“ Am 3. Juni hat Ministerpräsident Volker Bouffier die Presse in gebracht werden konnte. Dazu hatten sich Bundestag und Bun- die Staatskanzlei eingeladen. Dort stellte er gemeinsam mit Kul- desrat auf eine Änderung des Grundgesetzes geeinigt, um das tusminister Alexander Lorz, Digitalministerin Kristina Sinemus dort verankerte „Kooperationsverbot“ aufzuweichen. Die GEW und Finanzminister Thomas Schäfer das Programm „Digitale Hessen beurteilte die nun von der Landesregierung vorgestell- Schule Hessen“ vor. Damit möchte die Landesregierung den Di- ten Umsetzungspläne in einer ersten Pressemitteilung als „un- gitalpakt umsetzen, der nach einem sich über zwei Jahre erstre- terdimensioniert und viel zu vage“. Roman George nimmt für ckenden bundespolitischen Tauziehen Anfang 2019 auf den Weg die GEW Hessen eine erste Bewertung vor. Wie viel Geld ist zu erwarten? Wie soll die Eigenbeteiligung von auf rund 260 Euro pro Schülerin oder „Gemeinsam stocken die Schulträger und 25 Prozent aufgebracht werden? Schüler, für weiterführende Schulen auf das Land die Digitalpakt-Bundesmittel „Unseren Schulen steht ein Investitions- 400 Euro. Berücksichtigt werden bei in Höhe von 372 Millionen Euro über die volumen von fast einer halben Milliarde dieser Schätzung unter anderem die Laufzeit von fünf Jahren auf eine Sum- Euro zur Verfügung – auch, weil wir zu- Kosten für digitale Präsentationsmedi- me von knapp 500 Millionen Euro auf. sätzlich Landesgeld investieren.“ (Tho- en, für digitale Endgeräte, für Software, Damit erhöht Hessen die mit dem Bund mas Schäfer) für einen Breitband-Anschluss und für vereinbarte Eigenbeteiligung von zehn auf Die Kommunen als Schulträger sollen einen technischen Support. (2) Diese 25 Prozent.“ (1) 12,5 Prozent zuschießen, das Land wei- Beträge beziehen sich allerdings auf die Die genannten 372 Millionen Euro ent- tere 12,5 Prozent. Das Land selbst geht jährlichen Kosten! Gemessen an dieser sprechen dem Anteil Hessens an den somit mit seinen eigenen Mitteln nur Schätzung decken die im Rahmen von fünf Milliarden Euro, die der Bund über geringfügig über die Eigenbeteiligung „Digitale Schule Hessen“ bereitgestell- die gesamte Laufzeit von fünf Jahren von 10 Prozent hinaus, stattdessen wer- ten Mittel nicht einmal die Hälfte des bereitstellt. Diese Summe wird, wie bei den einmal mehr die Kommunen in die Gesamtbedarfs. solchen Programmen üblich, nach dem Pflicht genommen. Die finanzielle Si- so genannten Königsteiner Schlüssel tuation der hessischen Kommunen ist Wie sollen die Lehrerinnen und Lehrer auf die einzelnen Bundesländer aufge- sehr heterogen. Es ist zu befürchten, fortgebildet werden? teilt. Diesem Verteilungsschlüssel zufol- dass die Bereitstellung des Eigenanteils „Mit dem Programm ‚Digitale Schule Hes- ge entfallen auf Hessen 7,4 Prozent des für finanziell schlecht gestellte Kom- sen‘ werden die Fortbildungsangebote für Gesamtbetrags, das sind 372 Millionen munen eine hohe Hürde darstellen wird. Lehrerinnen und Lehrer massiv verstärkt Euro. Die Vereinbarung zwischen Bund Es bleibt somit zu hoffen, dass ihre und die Schulen bei der Erstellung und und Ländern sieht zudem zwingend vor, Schulen nicht leer ausgehen werden. Weiterentwicklung von Medienbildungs- dass die Bundesmittel um 10 Prozent konzepten beraten und unterstützt.“ aufgestockt werden. Mit der angekün- Reichen die Mittel aus, um die Medienbildung ist zwar bereits eines digten Eigenbeteiligung von 25 Prozent Schulen angemessen auszustatten? von sechs Schwerpunktthemen der Hes- geht Hessen somit tatsächlich über den „Wie schon bei unseren Kommunalinves- sischen Lehrkräfteakademie, die Ange- vorgeschriebenen Anteil hinaus. Ins- titionsprogrammen ,KIP‘ und ,KIP macht bote konzentrieren sich aber bislang gesamt soll ein Fördervolumen von bis Schule!‘ setzen wir Hessen noch einen auf Themen wie Systemadministration zu 496 Millionen Euro erreicht werden. drauf und ergänzen aus eigener Kraft. oder Datenschutz. Aus Sicht der GEW Wir machen das aus der tiefen Überzeu- sind insbesondere längerfristige Fort- gung, dass das Geld in die Digitalisierung bildungen erforderlich, die aufzeigen, DGB: Klamme Kommunen in Not der Schulen und damit in unsere Zukunft wie digitale Medien im jeweiligen Fach- gut investiert ist. Für jede Schülerin und unterricht gewinnbringend eingesetzt Auch der DGB Hessen-Thüringen hält jeden Schüler stehen damit 540 Euro zur die finanzielle Dimension des Pro- werden können. Damit die Lehrkräfte Verfügung.“ (Thomas Schäfer) solche Angebote wahrnehmen können, gramms für „nicht ausreichend, um Aus der Gesamtsumme ermittelt der Fi- die Schulen entsprechend der päda- benötigen sie nicht zuletzt die entspre- nanzminister einen Betrag von durch- chenden Zeitressourcen. Das Fortbil- gogischen Anforderungen auszustat- schnittlich 540 Euro, der pro Schüle- ten.“ Die Verpflichtung der kommuna- dungsbudget der Schulen ist mit nur 40 rin und Schüler über die fünfjährige Euro pro Lehrerin oder Lehrer im Jahr len Schulträger, sich mit 12,5 Prozent Laufzeit zur Verfügung steht. Zweifels- an den Kosten zu beteiligen, werde „die massiv unterfinanziert. Die Rahmenbe- ohne können die Schulen dieses Geld dingungen für die Fortbildung müssen vielen finanziell klammen Kommunen gut gebrauchen, allerdings reicht es bei als Schulträger vor große Schwierigkei- sich also deutlich verbessern. weitem nicht aus, um die Schulen an- ten stellen“, sagte der stellvertretende gemessen entsprechend der pädagogi- Vorsitzende Sandro Witt. Auch für die Welche Schulen werden gefördert? schen Anforderungen auszustatten. „Von unserem Programm werden alle digitale Weiterbildung der Lehrkräf- Wissenschaftlerinnen und Wissen- te und für den technischen IT-Support hessischen Schulen profitieren: Von der schaftler der Universität Bremen schät- Grundschule bis zur gymnasialen Ober- müsse das Land mehr Geld einplanen. zen die Kosten für die Grundschulen stufe. Wegen der großen Bedeutung der
11 HLZ 7–8/2019 zum Inhaltsverzeichnis LANDESPOLITIK Pflegeberufe haben wir entschieden, dass auch die Pflegeschulen in das Programm einbezogen werden. Und ein besonderes Augenmerk legen wir auf die Digitalisie- rung an den Beruflichen Schulen.“ (Ale- xander Lorz) Es ist zu begrüßen, dass grundsätz- lich alle Schulen Mittel erhalten kön- nen, denn in allen Schulformen kön- nen digitale Medien sinnvoll eingesetzt werden – wenn auch auf sehr unter- schiedliche Art und Weise und in un- terschiedlichem Umfang. Es ist aller- dings zu befürchten, dass Schulen, die noch kein ausgereiftes Medienbildungs- konzept entwickelt haben – das ist etwa die Hälfte –, bei der Verteilung der Mit- tel ins Hintertreffen geraten können. Bei einem knappen Drittel der Schu- len ist noch kein Breitband-Anschluss vorhanden und auch noch nicht in Pla- nung. Bei diesen Schulen ist also eine zentrale technische Grundvorausset- zung für die Anwendung vieler digita- ler Medien nicht gegeben. Was wird darüber hinaus angekündigt? versität Bremen gehen davon aus, dass digitalen Methoden den Unterricht zu „Weitere Unterstützung soll die Einrich- pro 400 Endgeräte eine IT-Fachkraft bereichern, ihn aber nicht zu bestim- tung einer ‚Servicestelle für verantwor- in Vollzeit benötigt wird. Auch wenn men, so kann ihm die GEW – zumin- tungsvolle Mediennutzung‘ bieten. Sie soll eine 1:1-Ausstattung mit Endgeräten dest in dieser Frage – uneingeschränkt ein Anlaufpunkt sein für Fragen und Be- nicht erforderlich und auch nicht an zustimmen. ratung rund um die Stärkung der Medi- allen Schulformen wünschenswert ist enkompetenz.“ – und die Mittel wie aufgezeigt dafür Wann geht es los? Diese und weitere Ankündigungen blei- auch bei weitem nicht ausreichen –, „Noch in diesem Jahr sollen Förderanträ- ben allesamt eher vage, so die Ankün- kann „Digitale Schule Hessen“ nur mit ge gestellt werden können.“ digung eines Konzepts zur Ausbildung dem benötigten IT-Support gelingen. Das Programm wurde Mitte Juni als „digitaler Schülerlotsen“ und von „Me- Auch weitere bestehende Hemmschu- Gesetz von CDU und GRÜNEN in den dienscouts“. Die bereits im Vorjahr an- he wie fehlende dienstliche E-Mail-Ac- Hessischen Landtag eingebracht. Erst gekündigte Cloud-basierte Lernplatt- counts und nicht vorhandene Lehrer- auf der Grundlage des konkreten Ge- form wird erneut erwähnt, aber nicht arbeitsplätze werden mit keinem Wort setzentwurfs lassen sich viele zum Zeit- weiter konkretisiert. Darüber hinaus thematisiert. punkt der Drucklegung der HLZ noch wird die Einrichtung eines „Praxis- offene Fragen beantworten. Wenn das beirats Digitalisierung“ angekündigt, Wird jetzt die gesamte Schulbildung erklärte Ziel ist, dass Förderanträge um Schulpraktikerinnen und -prakti- digitalisiert? noch 2019 gestellt werden können, so ker einzubinden. „Wir ergreifen die Chancen der Digita- ist zu vermuten, dass Gelder erst ab lisierung, ohne auf Bücher und bewähr- 2020 real bei den Schulen ankommen Was fehlt? te Lernmethoden zu verzichten.“ (Volker werden. Eine gravierende Leerstelle betrifft die Bouffier) Roman George, Referent für Bildungs- Frage der Systemadministration, also Weder der Ministerpräsident noch der fragen der GEW Hessen die Einrichtung sowie die regelmäßi- Kultusminister huldigen der weit ver- ge Wartung von Hard- und Software breiteten Digitalisierungseuphorie. Vor (HLZ S.14-15). Diese zentrale Aufgabe allem Kreise der IT-Wirtschaft verspre- (1) Alle Zitate sind der Pressemitteilung wird heute in vielen Fällen von Lehre- chen der Öffentlichkeit wahre Wun- „Landesregierung stellt Programm ‚Digita- rinnen und Lehrern „on top“ erledigt. der, wenn die Schulen endlich digitali- le Schule Hessen‘ vor – Ministerpräsident Wie in jedem größeren Unternehmen siert werden. Die GEW hingegen betont Volker Bouffier: ‚Schülerinnen und Schüler ist hierfür jedoch dauerhaft entspre- den „Primat der Pädagogik“, dem zu- müssen fit für die digitale Welt sein – wir chend ausgebildetes Fachpersonal er- folge der Einsatz digitaler Medien kein sorgen dafür‘“ vom 3.6.2019 entnommen forderlich. Die Lehrkräfte müssen sich Selbstzweck ist. Sie sollen analoge Me- (https://staatskanzlei.hessen.de > Presse > Pressemitteilungen > 3.6.2019). auf der Grundlage einer funktionieren- thoden, unmittelbare Kommunikation (2) Andreas Breiter, Anja Zeising, Björn den digitalen Infrastruktur auf die An- und sinnliches Erfahren nicht ersetzen, Eric Stolpmann: IT-Ausstattung an Schu- wendung im Unterricht konzentrieren sondern vielmehr sinnvoll ergänzen. len: Kommunen brauchen Unterstützung für können. Die zitierten Wissenschaftle- Wenn nun Alexander Lorz feststellt, es milliardenschwere Daueraufgabe, Gütersloh rinnen und Wissenschaftler der Uni- gehe darum, mit neuen Lernformen und 2017 (Kurzlink: https://bit.ly/2zpvgSz)
SCHWERPUNKTTHEMA: DIGITALPAKT zum Inhaltsverzeichnis HLZ 7–8/2019 12 Digitalisierung und Schule Beschluss des Landesvorstands der GEW Hessen (März 2019) Mit großem Gefolge kamen die neue hessische Digitalministe- schen Verhandlungen sein muss, gehören Transparenz, Mit- rin Kristina Sinemus und Hessens Kultusminister Professor Dr. bestimmung und Datenschutz in den Bildungseinrichtungen Alexander Lorz Mitte Mai an die Adolf-Reichwein-Schule nach zum Bildungsauftrag. Limburg, um den Startknopf für den ersten Glasfaseranschluss einer Schule im Landkreis Limburg-Weilburg zu drücken. Sol- Gemeinwohlorientierte Digitalpolitik che symbolischen Aktivitäten dürfen jedoch nicht darüber hin- wegtäuschen, dass im Bereich der Digitalisierung von Schulen Die GEW setzt auf eine gemeinwohlorientierte „Digitalpolitik“. und Unterricht noch harte Bretter zu bohren sind. Auf Vorlage Dazu gehören die informationelle und die informationstechnische der Arbeitsgruppe Digitalisierung fasste der GEW-Landesvor- Grundbildung für Lernende und Lehrende gleichermaßen, ein kon- stand Ende März einen Grundsatzbeschluss über die Positionen sequenter Datenschutz und eine zeitgemäße digitale Ausstattung. des GEW-Landesverbands. Auch die Ergebnisse aus Gesprächen Die Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe Digitalisierung und die mit dem Landeselternbeirat (LEB) und der Landesschülervertre- Gespräche mit Eltern und Schülerinnen und Schülern offenbarten tung (LSV) und die Anregungen auf der Fachtagung in Gießen- bei Konzepten, Hard- und Software eine digitales Durcheinander, Kleinlinden (HLZ 4/2019) flossen in den Beschluss ein, den die das auch die durch die Technik weitgehend überholten Vorschriften HLZ in seinen Kernpunkten zusammenfasst. zum Datenschutz zu Makulatur werden lässt. Zu einem wirkungs- vollen Datenschutz gehöre auch die Bereitschaft der Lehrkräfte, Digitaler Kapitalismus öfter einmal „Nein!“ zu sagen, „wenn wieder neue Aufgaben, die eigentlich in die Schulverwaltung gehören, an uns delegiert wer- Die GEW betrachtet sehr genau und kritisch die Aktivitäten der den sollen“. Die Forderungen der GEW zur digitalen Ausstattung „Internet-Big-Five“ (Amazon, Apple, Facebook, Google, Mi- der Schulen orientieren sich deshalb nicht an der Frage „Was ha- crosoft) und anderer Konzerne und regionaler Unternehmen, die ben wir und was kriegen wir?“, sondern an den „bestmöglichen ihre Hände nach dem Bildungssystem ausstrecken, ihre Hard- Bedingungen, „um zu besten Lernergebnissen zu kommen“. Die ware absetzen und „Datenschätze unvorstellbaren Werts“ heben HLZ dokumentiert die Forderungen der GEW Hessen an die Lan- wollen. Die GEW will dem Interesse profitorientierter Unterneh- desregierung und die Schulträger im vollen Wortlaut. men, das digitale Konzept von der Hard- und Softwareausstat- tung bis zur Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer zu domi- Forderungen zur Hard- und Softwareausstattung nieren und zu steuern, entgegentreten. • Es muss eine Bestandsaufnahme erstellt werden, um ei- Im Interesse einer starken solidarischen Demokratie kommen nen Überblick zu erhalten, wie die Schulen ausgestattet sind. wir nicht um die Forderung nach einer rein staatlichen di- Nach einer sich daraus ergebenden Bedarfsanalyse sollte die gitalen Infrastruktur herum. Nur mit einer Infrastruktur im Landesregierung ein Konzept für die Mediengrundausstat- Besitz der Bürgerinnen und Bürger können ein hinreichen- tung einer Schule entwickeln. der Datenschutz sowie Transparenz und Mitbestimmung rund • Jede Schule sollte einen Anspruch auf die Finanzierung um digitale Bildung gewahrt beziehungsweise erst erstritten einer Mediengrundausstattung haben und darüber entschei- werden. Um den jungen Menschen das Selbstbewusstsein mit den können, wie diese in der Schule eingerichtet wird. Die auf den Lebensweg zu geben, dass jeder Algorithmus, der Medienzentren sollen als unabhängige Beratungseinrichtun- Einfluss auf ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen gen ausgebaut werden. Rechte nimmt, offengelegt und Gegenstand von demokrati- • Die Finanzierung der Mediengrundausstattung ist eine Daueraufgabe. Schulträger müssen entsprechende Finanz- mittel für Ersatzbeschaffungen und Verschleiß bereithalten. Workshop: Wie werden Teams gesteuert? • Die nicht-kommerzielle Fortbildung für Lehrkräfte in öf- fentlicher Verantwortung muss ausgebaut werden. Nicht Die Arbeitsgruppe „Gegen die Ökonomisierung des Bildungs- wesens“ in der GEW Hessen bietet im Kontext ihrer Veranstal- akzeptabel sind dagegen Angebote, die auf private Stiftun- tungsreihen einen „Praxisworkshop Teamarbeit“ an. Er fin- gen und Organisationen, Schulbuchverlage oder IT-Konzer- det am Montag, dem 4. November 2019, von 15 bis 18 Uhr in ne setzen. der Geschäftsstelle des GEW-Bezirksverbands Frankfurt statt • Ein Konzept, das die Schülerinnen und Schüler bezie- (Bleichstr. 38a). Referent ist Stephan Siemens, Experte für Ar- hungsweise ihre Eltern zur Anschaffung privater Unter- beitspsychologie und Burnout-Prävention. richtsmedien zwingt, wird von der GEW abgelehnt. Chan- Auch Schulleitungen nutzen Konzepte der Arbeits- und cengleichheit bedeutet für die GEW im digitalen Zeitalter Organisationspsychologie, um Teams indirekt zu steuern. Das „Hard- und Softwaregleichheit“, das heißt die notwendigen führt dazu, dass sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig un- Geräte und Medien sind den Schülerinnen und Schülern im ter Druck setzen bis hin zum Ausschluss von Teammitgliedern Rahmen der Lernmittelfreiheit von der Schule kostenfrei zur durch Mobbing. Die Teamanalyse der indirekten Steuerung ist Verfügung zu stellen. eine bewährte Methode, diese Mechanismen zu verstehen. Im • Die Zugänge ins pädagogische Netz einer Schule müssen Workshop wollen wir die Teamanalyse vorstellen und kennen- personalisiert und kontrolliert sein, denn Schulen sind Orte, lernen und so neue gewerkschaftliche Solidarität ermöglichen. an denen Schülerinnen und Schüler geschützt lernen und sich • Formlose Anmeldung: thomas.sachs@gew-frankfurt.de entwickeln sollen. Ein frei verfügbarer, unkontrollierter Inter-
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