GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen

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GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
Zeitschrift der        Hessen
                             für Erziehung, Bildung, Forschung

                           72. Jahr   Heft 7/8   Juli/Aug. 2019
                                                   zum Inhaltsverzeichnis

                          GEW vor Ort:
                          Wir kommen zu Euch in
                          Kitas, Schulen und Hochschulen

HLZ - SCHWERPUNKTTHEMEN:
Digitalpakt | Inklusion
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
HLZ 7–8/2019        2

                                                                                                                           Zeitschrift der GEW Hessen
                                                                                                                           für Erziehung, Bildung, Forschung
                                                                                                                           ISSN 0935-0489

                                                                                                          I    M       P      R     E      S     S     U       M
                                                                                                          Herausgeber:
                                                                                                          Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                                          Landesverband Hessen
                                                                                                          Zimmerweg 12
                                                                                                          60325 Frankfurt/Main
                                                                                                          Telefon (0 69) 971 2930
                                                                                                          Fax (0 69) 97 12 93 93
                 Maike Wiedwald und Birgit Koch (Bildmitte) sind die Landesvorsitzenden der GEW Hessen.   E-Mail: info@gew-hessen.de
                 Tanja Kamp (links) und Tobias Cepok (rechts) sind in der Landesgeschäftsstelle der GEW   Homepage: www.gew-hessen.de
                 für die Bereiche Hochschule und Jugendbildung zuständig.                                 Verantwortlicher Redakteur:
                                                                                                          Harald Freiling
                                                                                                          Klingenberger Str. 13

                      GEW vor Ort – GEW on tour                                                           60599 Frankfurt am Main
                                                                                                          Telefon (0 69) 636269
                                                                                                          E-Mail: freiling.hlz@t-online.de
                                                                                                          Mitarbeit:
                  Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen                                    Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch-
                                                                                                          schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung),
                                                                                                          Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung),
                                                                                                          Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke
                 Kolleginnen und Kollegen, die sich vor      • Deshalb ladet uns in Eure Kitas,           (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka-
                 Ort in Kitas, Schulen und Hochschulen       Schulen oder Hochschulen ein, in eine        rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik
                 engagieren, können sich auf die Unter-      Personalversammlung oder einfach nur         und Gewerkschaften)
                 stützung durch die ehrenamtlich arbei-      auf eine Tasse Kaffee mit interessierten     Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert †
                 tenden Kolleginnen und Kollegen der         Kolleginnen und Kollegen. Schickt eine       Schwerpunktthemen: Harald Freiling
                 GEW verlassen: in den Kreis- und Be-        Mail an info@gew-hessen.de mit den
                                                                                                          Illustrationen:
                 zirksverbänden, im Landesvorstand, in       Themen, die für Euch wichtig sind, und       Thomas Plaßmann (S. 11, 33), Dieter Tonn (S. 21), Ruth
                 der Landesrechtsstelle und in den Ge-       Euren Kontaktdaten. Wir rufen oder           Ullenboom (S. 4)
                 samt- und Hauptpersonalräten.               schreiben zurück. Versprochen!               Fotos, soweit nicht angegeben:
                     Wir wollen in der nächsten Zeit                                                      Joyce Abrahams (Titel, S. 13), GEW (S. 3, 6-9, 26,
                                                             Birgit Koch und Maike Wiedwald               25, 35-37)
                 noch stärker mit Kolleginnen und Kol-
                                                             Vorsitzende der GEW Hessen
                 legen vor Ort ins Gespräch kommen,                                                       Verlag:
                 um mehr über die Belastungen und die        Tony Schwarz und Karola Stötzel              Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                                                                                                          Niederstedter Weg 5
                 Erwartungen an die GEW zu erfahren.         stellvertretende GEW-Vorsitzende             61348 Bad Homburg
                                                                                                          Anzeigenverwaltung:
                                                                                                          Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH
                  Sommerferien in der Landesgeschäftsstelle der GEW                                       Peter Vollrath-Kühne
                                                                                                          Postfach 19 44
                                                                                                          61289 Bad Homburg
                 Die Landesgeschäftsstelle der GEW Hes-      nicht besetzt. In fristgebundenen oder       Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21
                 sen ist in der Mitte der hessischen Som-    dringenden Fällen wenden Sie sich als        E-Mail: mlverlag@wsth.de
                 merferien vom 15. bis 26. Juli 2019 ge-     GEW-Mitglied bitte direkt an die Büros
                                                                                                          Erfüllungsort und Gerichtsstand:
                 schlossen. In dieser Zeit können auch       der DGB Rechtsschutz GmbH. Die Adres-        Bad Homburg
                 keine E-Mails bearbeitet werden. Auch       sen der Büros finden Sie unter www.gew-
                 die Landesrechtsstelle ist in dieser Zeit   hessen.de/recht/dgb-rechtsschutz-gmbh.       Bezugspreis:
                                                                                                          Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein-
                                                                                                          schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten
                                                                                                          sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag
Aus dem Inhalt

                 Rubriken                                      Schwerpunkt: Sonderpädagogik               enthalten.
                  4   Spot(t)light                            18 Briefe zur HLZ 6/2019                    Zuschriften:
                  5   Briefe                                  19 Inklusion ist mehr als inklusiver        Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder
                  6   Meldungen                                  Unterricht: Ein Kommentar                wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver-
                                                                                                          öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen
                 31   Hochschulen: Gute Arbeit                20 Ausbildung: Lehramt Förderschulen        vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen
                 34   Recht: Beihilfe | Aufsichtspflicht      22 Lehramt Gymnasien und Inklusion          nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion
                 35   Filme: Ein Lied für Argyris             24 Kooperation: Allgemeine Schulen          übereinstimmen.
                 36   Jubilarinnen und Jubilare                  und Beratungs- und Förderzentren
                                                                                                          Redaktionsschluss:
                 37   Nachrufe | Personen
                                                               Einzelbeiträge                             Jeweils am 5. des Vormonats
                 40   Aus dem lea-Fortbildungsprogramm
                                                               7   Fachtagung Bildungsfinanzierung
                 Schwerpunkt: Digitalisierung                 26   lea-Tagung: 70 Jahre Grundgesetz       Nachdruck:
                                                                                                          Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti-
                 10 Digitalpläne der Landesregierung          27   Aus für Berufseinstiegsbegleitung?     gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei-
                 12 Positionen der GEW: Beschluss des         28   Lehrkräftemangel: Was tun?             genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher
                                                                                                          Genehmigung der Redaktion und des Verlages.
                    GEW-Landesvorstands                       29   Politische Bildung
                 14 Schulen brauchen IT-Support               30   Hochschule: Academics for Peace        Druck:
                                                                                                          Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH
                 16 e-Portfolio Medienkompetenz               32   Bildungsexpansion: Nicht für alle!     Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
3     HLZ 7–8/2019   zum Inhaltsverzeichnis                                                              KOMMENTAR

                                                  GEW vor Ort
    „Bildung braucht bessere Bedingungen“: Diese Kam-         Auch die Deputate für Schulleitungen und Lehr-
    pagne der GEW Hessen, die wir vor der letzten Land-    kräfte reichen bei weitem nicht aus, die vielen neuen
    tagswahl gestartet haben, ist weiter der Leitfaden     Aufgaben zu bewältigen. Der Kultusminister verweist
    für unsere Aktivitäten. Nach einem soliden Tarifab-    gerne auf den Zuschlag zur Grundunterrichtsversor-
    schluss im Frühjahr 2019 hat die Landesregierung       gung in Höhe von 4 bzw. 5 Prozent. Ein Wunderheil-
    einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht, der    mittel für alle schulischen Probleme? Sicher nicht.
    das Tarifergebnis zeit- und systemgleich auf die Be-   Trotzdem lohnt es sich, genauer hinzuschauen, wie
    amtinnen und Beamten überträgt. Das ist ein Erfolg     Deputate berechnet und verteilt werden und wie der
    der vielen Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren   Zuschlag zur Grundunterrichtsversorgung verwendet
    gegen Besoldungsdiktate demonstrieren und streiken     werden kann. Die GEW stellt deshalb zu Beginn des
    und sich auch nicht durch Disziplinarmaßnahmen         neuen Schuljahres allen Personalräten und GEW-
    abschrecken lassen. Aktiv werden lohnt sich! Allen     Vertrauensleuten eine umfassende Handreichung zu
    dafür ein herzliches Dankeschön!                       diesen Themen zur Verfügung. Wir fordern die Kol-
       Die GEW Hessen hat vor den Landtagswahlen die       leginnen und Kollegen auf, ihre Rechte wahrzuneh-
    Forderung nach einem Sofortprogramm in Höhe von        men und in den Gesamt- und Schulkonferenzen über
    500 Millionen Euro pro Jahr erhoben, um die Ar-        die Verteilung dieser Stunden und Deputate zu dis-
    beitsbedingungen der Beschäftigten und die Bedin-      kutieren und zu entscheiden.
    gungen für Kinder und junge Menschen in Kitas,            Lasst uns gemeinsam für bessere Arbeitsbedingun-
    Schulen und Hochschulen zu verbessern. Auch die        gen streiten, unsere Rechte engagiert wahrnehmen
    schwarz-grüne Landesregierung hat in ihrem Regie-      und in Schule und Gesellschaft vertreten. Geld ist in
    rungsprogramm Verbesserungen angekündigt. Dass         unserem reichen Land genug da! Die Steuereinnah-
    das Thema Bildung in der öffentlichen Darstellung      men sind unverändert hoch und durch eine sozial ge-
    der Landesregierung einen solchen Raum einnimmt,       rechte Steuerreform wäre es möglich, die öffentlichen
    ist auch ein Ergebnis der Aktivitäten von Kollegin-    Aufgaben dauerhaft zu finanzieren.
    nen, Kollegen, Eltern, Schülerinnen und Schülern.         Im kommenden Schuljahr möchten wir als Vor-
       Aber lassen wir uns nicht täuschen: Für die meis­   sitzende der GEW Hessen mit euch direkt VOR ORT
    ten Versprechungen fehlt der Zeitpunkt der Umset-      über die notwendigen Schritte zur Verbesserung der
    zung. Alle Ankündigungen stehen – mit Ausnahme         Arbeitsbedingungen ins Gespräch kommen. Wir freu-
    des Ganztags – unter Finanzierungsvorbehalt. Wir       en uns über eure Einladung in Kitas, Schulen und
    müssen den gesellschaftlichen Diskurs über eine gute   Hochschulen, in Personalversammlungen oder offene
    Bildung in Kitas, Schulen und Hochschulen und eine     Gesprächsrunden mit Kolleginnen und Kollegen, El-
    auskömmliche Finanzierung weiterhin führen!            tern und Schülerinnen und Schülern. Bis dahin wün-
       In Überlastungsanzeigen, in Briefen und Reso-       schen wir euch eine angenehme Sommerzeit und ei-
    lutionen kritisieren Kolleginnen und Kollegen die      nen guten Start ins neue Schuljahr!
    Bedingungen, unter denen sie arbeiten. Sie benen-
    nen zu hohe Unterrichtsverpflichtungen, Klassen-                        Birgit Koch und Maike Wiedwald
    und Kursgrößen, die Zunahme von Besprechungen,                         Landesvorsitzende der GEW Hessen
    Elterngesprächen und Sitzungen als Ursachen ihrer
    Überlastung. Sie fordern im Bereich der inklusiven
    Beschulung, die einmal mehr ein Schwerpunkt dieser
    HLZ ist, eine angemessene personelle Ausstattung.
    Sie berichten über „ausufernde Bürokratisierung“,
    gestiegenen Dokumentations- und Verwaltungsauf-
    wand und zusätzliche administrative, organisatori-
    sche und außerschulische Aufgaben, für die sie we-
    nig oder gar keine Entlastung bekommen.
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
SPOT(T)LIGHT                                                                               zum Inhaltsverzeichnis        HLZ 7–8/2019       4

                                                                                Der Zierfries
Ein kleiner Gang durchs pädagogische Panoptikum (Folge 1)
      Im Lehrerkollegium ist es wie in ei-       Quereinsteiger: eine Führung durchs           fällt das Wort „Zierfries“ – leise geflüs-
      ner großen Geschwisterschar. Jeder hat     Kollegium. Die „Planstellen“ sind we-         tert oder halblaut gemurmelt – in jeder
      seine Rolle und spielt sie mehr oder       der geschlechtsspezifisch noch hete-          Kunststunde. So lässt sich die sonst so
      weniger gut. Schubladendenken und          ronormativ besetzt. Manchmal gibt es          besonnene Lehrerin in Sekunden von
      Typi­sierungen sind im Alltag unge-        auch Mischtypen, das hängt ganz vom           Null auf Hundert bringen. Hochrot ge-
      mein hilfreich! Deshalb sortieren wir      Aszendenten ab. Vielleicht sind Sie be-       rät sie aus der Fassung: „Wer war das?
      Menschen gern nach ihren Sternzei-         treten, sich selber zu erkennen. Viel-        Wer hat hier Zierfries gesagt?“ Selbst
      chen, kulturellen und politischen Vor-     leicht freuen Sie sich aber auch, ande-       der No-Brainer der Klasse begreift ir-
      lieben, Ess- und (Bei)Schlafgewohn-        re zu entdecken. Vielleicht ist noch eine     gendwann, dass er das Unterrichtsge-
      heiten oder nach ihren Nationalitäten,     „Planstelle“ für Sie frei.                    schehen jederzeit in die Hand nehmen
      Auch im Schulalltag ist es sehr nützlich       Manche Kollegen gehen gelassen            kann. Er muss nur voller Unschuld fra-
      zu wissen, welchen Typ Lehrer man vor      durchs Leben und reagieren amüsiert           gen: „Frau König, was war noch mal
      oder neben sich hat. Gleich kann man       bis stoisch auf die Provokationen der         ein Zierfries?“
      die Person viel besser einschätzen, ihr    lieben Kleinen. Andere hingegen sprin-            Denselben Effekt kann man erzie-
      aus dem Weg gehen oder sie ins Herz        gen bereitwillig, ja, fast entzückt über      len, wenn man der Deutschlehrerin das
      schließen.                                 jedes Stöckchen, das die Schüler ihnen        Stöckchen „Kopftuch“ hinwirft. Es folgt
          Als kleine Hilfe für unsere Refe-      hinhalten.                                    eine leidenschaftliche Tirade über Frau-
      rendare, Honorarkräfte und die vielen          Die Kunstlehrerin ist wegen ihrer         enunterdrückung, ein Exkurs, der sich
                                                    Kompetenz und ihrer netten Art recht       durch scheinheiliges Fragen noch end-
                                                    beliebt. Sie wirft ein Dia an die Wand     los verlängern lässt. Den Blutdruck des
                                                     (ja, stimmt, diese Geschichte stammt      Englischlehrers kann man wunderbar in
                                                     aus der pädagogischen Antike. Es          die Höhe treiben, indem man ihn nach
                                                      gab noch keine digitalen Kameras         RB Leipzig fragt. Er lässt sich mit ge-
                                                       und schon gar keine Beamer und          schwollenem Kamm endlos über Fuß-
                                                       Smartboards). Ein Schüler soll den      ballsöldner aus.
                                                       griechischen Tempel beschreiben.            Und was ist Ihr Zierfries? Finden
                                                        Er lässt sich über Säulen und Ka-      Sie es gemeinsam mit Ihrem Verhal-
                                                        pitelle aus und kommt dann zur         tenstherapeuten heraus. Behalten Sie
                                                         künstlerischen Gestaltung des         Ihre Reizthemen und Schwächen für
                                                         Frieses. Dort tollen nackte Män-      sich, wenn Sie trotz innerer Weißglut
                                                         ner herum, einige ringen, ande-       nicht souverän oder humorvoll reagie-
                                                          re betrachten ihre Achillesfer-      ren können. Kluge Schüler nutzen es
                                                          se. „Also auf dem Zierfries sehe     geschickt aus, wenn sie so einen „Zier-
                                                           ich…“, beginnt der Junge.           fries“ wittern und die Lehrkraft in Rage
                                                                „Das ist kein Zierfries, es    bringen können. Vertreibt so ein Leh-
                                                            heißt einfach Fries“, korrigiert   rer-Wutanfall doch etliche Minuten,
                                                            die Kunstlehrerin sachlich-        wenn nicht gar ganze Stunden, die man
                                                             freundlich. Der Schüler setzt     sonst mit stringentem Unterricht und
                                                              noch mal an: „Also, man sieht    Hausaufgabenkontrolle gefüllt bekäme.
                                                              lauter unbekleidete Männer       Hochrot geifernde Lehrer haben außer-
                                                              auf diesem, äh, Zierfries.“      dem was unheimlich Komisches.
                                                               Die Lehrerin wird nervös:           Vielleicht verzichten Sie auch da-
                                                               „Das heißt Fries.“ Auch der     rauf, Ihre Leidenschaften und Hobbys
                                                               nächste Schüler tappt wie-      allzu begeistert im Unterricht auszu-
                                                                der daneben und erwähnt        breiten. Sonst geht es Ihnen wie diesem
                                                                den „Zierfries“ im oberen      Lehrer im Film der 50er Jahre, der seine
                                                                 Teil des Tempels. Absicht     kostbaren Jazzplatten mit in eine Cha-
                                                                 oder Versehen? Wer weiß       oten-Klasse nimmt. Die Platten überle-
                                                                 das schon bei Lutz-Werner.    ben die Stunde leider nicht.
                                                    Jetzt flippt die Lehrerin aus: „Wie oft                         Gabriele Frydrych
                                                 soll ich es euch noch sagen? Das heißt
                                                 Fries! Fries!!! Nicht Zierfries!“             Als Fortsetzung folgt (gendergerecht) „Der
                                                     Die Schüler horchen auf. Welch‘           Zyniker“. Lesen Sie weiter in der HLZ
                                                 wunderbare Waffe wird ihnen da ge-            9-10/2019. Einstweilen wünschen wir
                                                 rade in die Hand gegeben? Ab sofort           schöne Sommertage.
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
5     HLZ 7–8/2019     zum Inhaltsverzeichnis

    Betr.: HLZ 6/2019                          S.36-41). Wenn 30 Schülerinnen und
    Digitale Medien                            Schüler in einer Klasse mit ihren Lap-
    Kein Einsatz in der Grundschule            tops oder Smartphones untereinander,
                                               mit der Lehrkraft oder Schul-Cloud ver-
    Ich bin ein wenig irritiert von folgen-    bunden sind, ist eine pathologisch hohe
    der Aussage von Mario Michel, der          Strahlungsenergie im Klassenraum zu
    als Schulleiter einer Grundschule dem      erwarten. Hier soll nicht die Digitalisie-
    Vorstand der Landesgruppe Hessen im        rung abgelehnt werden. Vielmehr geht
    Grundschulverband angehört, in der         es um die Vermeidung der Mobilfunk-
    gemeinsamen Pressekonferenz von            strahlung durch geeignete Kabelverbin-
    GEW, Eltern und Schülervertretungen.       dungen zwischen den Geräten.
    Er wies zurecht darauf hin, dass digi-
    tale Medien „die Lehrkräfte und deren      Hans-Ulrich Hill, Wiesbaden
    Beziehung zu den Kindern nicht erset-
    zen können, ebenso wenig Stift, Papier      Betr.: HLZ 5/2019
    und die Entwicklung der Feinmoto-           Ethikunterricht                             HLZ 11/1989: Grund zur Freude
    rik“. Beim richtigen Einsatz böten di-
                                                Im Fahrwasser der Metaphysik                „Grund zur Freude“: So überschrieb
    gitale Medien in Kombination mit tra-
                                               Das Ersatzfach „Ethik“ schwimmt im           HLZ-Redakteur Rainer Schärer vor 30
    ditionellen Medien jedoch vielfältige
                                               Fahrwasser des gottbezogenen meta-           Jahren seinen Kommentar in der HLZ
    Möglichkeiten, denn ihre Nutzung öff-
                                               physischen Staatsreligionsunterrichtes,      11/12-1989 über die Entscheidung der
    ne „den Kindern neue Interessenberei-
                                               der im Adenauer-Staat in Artikel 7 des       DDR-Regierung, „ihren Bürgerinnen
    che und Entfaltungsmöglichkeiten aus
                                               Grundgesetzes konzipiert wurde und           und Bürgern endlich Reisefreiheit zu
    ihrer Lebenswirklichkeit“. Dem Kollegen
                                               noch heute verbindlich ist. Es kann so-      gewähren“. Der Lehrer aus Kassel er-
    scheinen die pädagogischen und wis-
                                               mit nur Ersatzreligion sein, nicht aber      lebte gerade in Nordhessen „die spon-
    senschaftlichen Befunde nicht bekannt
                                               ein Fach, das wissenschaftlich begrün-       tane Freude bei den Begegnungen auf
    zu sein. Richtiger Einsatz digitaler Me-
                                               det, politisch indifferent und religiös      der Straße“ und forderte, „die Oppositi-
    dien in der Grundschule heißt für mich
                                               wertneutral wäre, und ist schon des-         onsbewegung in der DDR zu unterstüt-
    schlicht und einfach: „Kein Einsatz!“
                                               halb für Atheisten und Freidenker eine       zen“. Dabei dürfe man aber auch nicht
    Stephan Schimmelpfennig, Kassel                                                         die Notwendigkeit vernachlässigen, „in
                                               nicht zu tolerierende Zumutung. Da sei-
                                               ne Propagierung und Durchsetzung im          der BRD unseren Kampf für die sozia-
    Betr.: HLZ 6/2019                          Jahre 1982 (...) im Widerspruch zur Ver-     le und materielle Absicherung bürgerli-
    Ausbau von WLAN-Netzen                     fassung steht, die keine Pflichtalterna-     cher Freiheitsrechte zu verstärken“.
    Gefahren sind erwiesen                     tive zu dem „ordentlichen“ Lehrfach              Erstmals und einmalig erschien die
                                               (Staats-)Religion kennt, muss es wie-        HLZ mit einem doppelten Umschlag,
    Als ehemaliger Lehrer und Diplombio­                                                    der Ausdruck der „Begeisterung“ die-
    loge mit der Fachrichtung Toxikolo-        der aus der Schule verschwinden. (...)
                                                  Nach Abschaffung des verbindli-           ser Tage war. In den folgenden Mona-
    gie habe ich mit Besorgnis die Presse-                                                  ten engagierten sich auch viele Mitglie-
    meldungen zum Digitalpakt Schulen in       chen Ersatzunterrichtes mag der nun
                                               wieder allein schwimmende bekennt-           der der GEW Hessen für den Aufbau
    Hessen zur Kenntnis genommen. Die                                                       demokratischer Gewerkschaften im Os-
    schädlichen Wirkungen von hochfre-         nisorientierte Unterricht Unterricht für
                                               Katholiken, Protestanten und Moham-          ten und für die Stärkung der Rechte der
    quenter elektromagnetischer Strahlung                                                   Beschäftigten in Ost und West.
    gerade bei Kindern und heranwach-          medaner, soweit diese ihren Glauben
                                               überhaupt kenntlich machen und be-           • Kolleginnen und Kollegen, die ihre Er-
    senden Jugendlichen, bei denen die                                                      innerungen mit anderen teilen wollen,
    Entwicklung von Gehirn und Nerven-         kennen wollen, bleiben, muss es sich
                                               aber gefallen lassen, dass auch An-          können uns gern ihre Texte für die HLZ
    system beeinträchtigt wird, sind wis-                                                   11/2019 schicken. Einsendungen bitte bis
    senschaftlich erwiesen. Es ist deshalb     gehörige anderer Glaubensgemein-
                                                                                            zum 1. Oktober an: freiling.hlz@t-online.
    unverantwortlich, dass hessische Bil-      schaften ihren Platz neben den mitt-
                                                                                            de (maximal 5.000 Zeichen)
    dungsverbände, darunter die GEW, die       lerweile drei deutschen Staatskirchen
    Landesschülervertretung, der Landes-       einnehmen wollen, beispielsweise Ju-
    elternbeirat, Elternbund und Grund-        den, Jehovas Zeugen, Neuapostoliker,
    schulverband, in einem Positionspa-        Freikirchler, Anglikaner, Orthodoxe,
    pier mehr Geld für den Ausbau von          Buddhisten usw. (...) Clara Zetkin er-
    WLAN-Netzen an Schulen fordern. Es         klärte auf einer Frauenkonferenz der
    erstaunt, dass mit keinem Wort mög-        SPD bereits 1904 in Bremen: „Hinaus
    liche gesundheitliche Risiken erwähnt      mit der Religion aus der Schule. Sie hat
    werden, wie sie Prof. Gertraud Teu-        in der Schule nichts zu suchen. (…) Der
    chert-Noodt und andere im Zusammen-        Religionsunterricht (…) dient nicht der
    hang mit dem geplanten Ausbau des          Pflege religiösen Empfindens, sondern
    Mobilfunknetzes 5G thematisieren (G.       dem mechanischen Einbläuen von Dog-
    Teuchert-Noodt: Wohin führt uns die        menformeln, die im schreiendsten Wi-
    digitale Revolution? Erkenntnisse aus      derspruch zu den Ergebnissen der Wis-
    der Evolutions- und Hirnforschung. In:     senschaft und zur Wirklichkeit stehen.“
    Umwelt, Medizin, Gesellschaft 4/2018,      Horst May, Korbach
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
MELDUNGEN                                                                              zum Inhaltsverzeichnis        HLZ 7–8/2019      6

                                                                                                  Tariferhöhung und
                                                                                                  Beamtenbesoldung 2019
                                                                                            Mit dem Tarifabschluss 2019 zum TV-
                                                                                            Hessen Ende März haben das Land Hes-
                                                                                            sen und die Gewerkschaften des öf-
                                                                                            fentlichen Dienstes eine rückwirkende
                                                                                            Entgelterhöhung zum 1. März 2019 um
                                                                                            3,0 % (bzw. um 4,5 % in der Stufe 1 in
                                                                                            allen Entgeltgruppen), mindestens um
                                                                                            100 Euro monatlich (Gesamtvolumen:
                                                                                            3,2 %) vereinbart. Die Redaktion der
                                                                                            neuen Tarifverträge wird erst nach den
           GEW Mittelhessen wählt neuen Bezirksvorstand                                     Sommerferien abgeschlossen werden
                                                                                            können. Nach Auskunft des Innenmi-
     Bei der Delegiertenversammlung des          Beschlüsse sind auf der Homepage des       nisteriums wird aber die Entgelterhö-
     GEW-Bezirksverbands Mittelhessen            Bezirksverbandes www.gew-mittelhes-        hung rückwirkend zum 1. März 2019
     führte das Referat von Dr. Matthias         sen.de nachzulesen.                        mit den Juli-Bezügen zur Auszahlung
     Burchhardt (Uni Köln) über die Folgen           In den nun aus acht Personen be-       gebracht. Bis zur Unterzeichnung der
     der Digitalisierung in der Schule zu ei-    stehenden geschäftsführenden Bezirks-      redaktionellen Tarifverträge erfolgt die
     ner lebhaften Debatte. Neben der Aus-       vorstand wurden gewählt (Foto von          Auszahlung der Entgelterhöhung mit
     und Fortbildung im digitalen Bereich        links): Ralf Domevscek, Evelyn Schulte-­   dem Hinweis „unter Vorbehalt“ in der
     ging es in den Diskussionen und Be-         Holle, Hans Braun, Volrad Döhner und       Bezügeabrechnung. Die Mitgliedsbei-
     schlüssen auch um die Unterstützung         ­Sigrid Krause. Auf dem Foto fehlen        träge der GEW werden ab August ent-
     von „Fridays for future“, Mentorentä-        Anna Held, Nina Heidt-Sommer und          sprechend angepasst.
     tigkeit und inklusiven Unterricht. Alle      Ingrid Hoin-Radkowski.                        Das Gesetzgebungsverfahren zu ei-
                                                                                            ner zeitgleichen und „systemkonfor-
                                                                                            men“ Anhebung der Besoldung für die
                                                                                            Beamtinnen und Beamten sowie der
           Wiesbaden: Neues Bündnis Gesamtschule gegründet                                  Versorgungsbezüge in Höhe des Ge-
                                                                                            samtvolumens von 3,2 % soll nach
     „Jeder Euro, der in ein Gymnasium           Gymnasien“, sondern sehe „viele Inte-      Angaben der Landesregierung nach
     fließt, muss ebenso in eine Gesamt-         ressensgemeinsamkeiten“. Der „schlei-      Möglichkeit noch vor der Sommerpau-
     schule gehen.“ Das ist die zentrale For-    chende Einstieg in ein zweigliedriges      se abgeschlossen sein. Soweit das ge-
     derung des neu gegründeten „Bünd-           Schulsystem ohne die notwendigen           lingt, wäre eine rückwirkende Auszah-
     nisses Gesamtschulen“ aus Eltern,           Strukturdebatten“ komme einem Ver-         lung der Besoldungserhöhung im Juli
     Schülerinnen, Schülern und Lehrkräf-        zicht auf politischen Gestaltungswil-      oder August möglich. Die GEW-Mit-
     ten in Wiesbaden, in dem sich auch die      len gleich.                                gliedsbeiträge der Beamtinnen und Be-
     GEW engagiert.                                 Deshalb fordert das Bündnis kla-        amten sowie der Versorgungsempfän-
         Letzter Anstoß war die Debatte um       re Aussagen und „deutlichere Signale,      gerinnen und Versorgungsempfänger
     zwei neue Gymnasialbauten in unmit-         in welche Richtung die Stadt für ihre      werden nach der Auszahlung ebenfalls
     telbarer Nähe zu Gesamtschulen. Die-        Schullandschaft in Wiesbaden denkt         entsprechend angehoben.
     se Politik „nach Anmeldezahlen“ rich-       und politisch steuert“.
     te sich gegen die Gesamtschulen. Dabei      • Infos: GEW Wiesbaden, René Schepp-
     stelle sich das Bündnis „nicht gegen die    ler, r.scheppler@gew-wiesbaden.de
                                                                                                  Landeselternbeirat gegen
                                                                                                  Kooperation mit DITIB
           Pädagogen for Future:                       Berufseinstiegsbegleitung
           Aufruf unterschreiben                       in Hessen vor dem Aus?               Der Landeselternbeirat (LEB) setzt sich
                                                                                            dafür ein, in den hessischen Schulen
     Im Kontext der Jugendbewegung „Fri-         Auch in Hessens Nachbarland Thürin-        „bekenntnisorientierten Religionsun-
     days for Future“ entstanden weitere         gen stand die Berufseinstiegsbeglei-       terricht für alle Religionsgemeinschaf-
     Gruppierungen, die den Ball der Schü-       tung für benachteiligte Jugendliche        ten anzubieten“. Dabei müsse jedoch
     lerinnen und Schüler aufnehmen und          an Hauptschulen und Förderschulen          jede „Einflussnahme durch ausländi-
     ihre Solidarität zum Ausdrucken brin-       nach dem Auslaufen der Fördermit-          sche Staaten auf Kinder im Schulunter-
     gen wollen. Dazu gehören neben den          tel aus dem Europäischen Sozialfonds       richt zu jedem Zeitpunkt ausgeschlos-
     „Parents for Future“ und den „Scien-        vor dem Aus. Die Proteste der Schulen      sen sein“. In der Auseinandersetzung
     tists for Future“ jetzt auch die „Pädago-   und Gespräche mit der Bundesagentur        um die Rolle der DITIB als Kooperati-
     gen for Future“. Den Gründungsaufruf,       für Arbeit führten jedoch dazu, dass       onspartner für den islamischen Religi-
     die Namen der Erstunterzeichnerinnen        das Land einspringt und die Finanzie-      onsunterricht fordert der LEB jetzt die
     und Erstunterzeichner und die Möglich-      rung im Rahmen des Landeshaushalts         Regierung auf, die Zusammenarbeit mit
     keit, den Aufruf zu unterschreiben, fin-    sicherstellt. Über den Stand in Hessen     der DITIB „sofort zu beenden“, deren
     det man im Internet unter https://pae-      berichtet Christoph Baumann in dieser      Unabhängigkeit von der türkischen Re-
     dagogenforfuture.org.                       HLZ auf Seite 27.                          gierung in Zweifel gezogen wird.
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
7     HLZ 7–8/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                      BILDUNGSFINANZIERUNG

         Bildung braucht bessere Bedingungen
                  Bildungsfinanzierung unter dem Diktat der Schuldenbremse
    Nicht ohne Stolz registrierte die stell-   Impulsgeber: Professor Achim Truger       siv belasteten. Die negativen Folgen
    vertretende Landesvorsitzende der GEW      Ende Mai gelang es dem DGB Hessen-        der Schuldenbremse würden dann spür-
    Karola Stötzel bei der Begrüßung zu        Thüringen, Achim Truger für eine Dis-     bar, wenn die Konjunktur einbricht und
    der finanz- und bildungspolitischen        kussion im Frankfurter Presseclub zu      wenn die Konsequenzen unzureichen-
    Fachtagung, dass die HLZ inzwischen        gewinnen. Am Tag darauf war er für        der Investitionen in Bildung und Infra-
    auch ein Mitglied des „Sachverständi-      einen Vortrag zur Lage der öffentli-      struktur nicht mehr zu übersehen sind.
    genrats zur Begutachtung der gesamt-       chen Haushalte bei einer finanz- und          Als „Keynesianer“ und Kritiker der
    wirtschaftlichen Entwicklung“ (besser      bildungspolitischen Tagung der GEW        zunehmenden Ungleichverteilung in
    bekannt als der „Rat der Wirtschafts-      Hessen zu Gast.                           Deutschland vertritt Truger mit seinem
    weisen“) zu ihren regelmäßigen Auto-           Im Rahmen seiner Ausführungen         Plädoyer für eine antizyklische Finanz-
    ren zählen kann. Trotz heftiger Angriffe   forderte der anerkannte Finanzwirt-       politik und eine gerechte Steuerpolitik
    aus dem Arbeitgeberlager war Profes-       schaftler die rund 80 anwesenden Kol-     weiterhin eine Minderheitenposition im
    sor Dr. Achim Truger von der Bun-          leginnen und Kollegen aus Kitas, Schu-    Mainstream der Volkswirtschaftslehre.
    desregierung als Nachfolger von Peter      len und Hochschulen dazu auf, sich        Trotzdem nehme die Kritik an der Po-
    Bofinger berufen worden. Nach seiner       stärker um Haushaltsfragen zu küm-        litik der „Schuldenbremse“ auch un-
    Tätigkeit im gewerkschaftsnahen In-        mern und über die gesellschaftlichen      ter wirtschaftsliberalen Ökonominnen
    stitut für Makroökonomie und Kon-          Ziele und Bedarfe zu sprechen, für die    und Ökonomen und im Arbeitgeberla-
    junkturforschung (IMK) in Düsseldorf       öffentliche Haushalte aufgestellt wer-    ger zu: Auch dort wird sie zunehmend
    wurde er 2012 Professor für Makroöko-      den. Ein Haushalt sei nicht dann per se   als „Investitionsbremse“ und als Ver-
    nomie an der Hochschule für Wirtschaft     „ein guter Haushalt“, wenn er ausgegli-   stoß gegen die „Goldene Regel für öf-
    und Recht in Berlin und 2018 Professor     chen ist, sondern entscheidend sei die    fentliche Investitionen“ wahrgenom-
    für Sozioökonomie an der Universität       Frage, „wie wir leben wollen“. Für eine   men, wonach Investitionen in Bildung
    Duisburg-Essen. Er ist Autor vieler Ex-    solche Diskussion dürfe es keine Tabus    und öffentliche Infrastruktur zu einer
    pertisen für die Hans-Böckler-Stiftung,    geben, auf keinen Fall dürfe sie mit      höheren Produktivität führen und aus
    die Friedrich-Ebert-Stiftung und den       dem Hinweis auf die „Schuldenbrem-        Gründen der Generationengerechtig-
    DGB, in Hessen zumeist in Kooperation      se“ frühzeitig abgewürgt werden. Dass     keit auch mit Krediten finanziert wer-
    mit Kai Eicker-Wolf, dem finanzpoliti-     die Orientierung an der „Schwarzen        den können.
    schen Referenten von DGB und GEW.          Null“ in den letzten Jahren ohne mas-         Zur Ermutigung empfahl Truger den
    Auch ihre gemeinsamen Aufsätze in          sive Einsparungen und Restriktionen       Gewerkschaften, „positive Beispiele“
    der HLZ thematisieren vorrangig Fra-       möglich war, ist für Truger ausschließ-   in die Debatte einzubringen, die durch
    gen der Finanz- und Haushaltspolitik,      lich auf die dauerhaft gute Konjunk-      poli­tisches, solidarisches Handeln zu
    der Bildungsfinanzierung und der Ein-      tur, die relativ gute Beschäftigungssi-   Veränderungen geführt haben: „Men-
    kommens- und Vermögensentwicklung.         tuation und den Verzicht auf massive      schen haben etwas gefordert, es muss-
                                               Steuersenkungen zurückzuführen, die       te von der Politik umgesetzt werden,
    Achim Truger: „Die ‚Konsolidierung‘        vor allem in der Zeit der rot-grünen      und es hat funktioniert.“ Pragmatisch
    der öffentlichen Haushalte hat mit der     Agenda­politik die Einnahmenseite mas-    sollten die Gewerkschaften, „zweiglei-
    ‚Schuldenbremse‘ nicht viel zu tun.“

                                                                                                   Frankfurt, 22. September 2018
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
FACHTAGUNG                                                                                  zum Inhaltsverzeichnis        HLZ 7–8/2019      8

     sig“ fahren und auf der einen Seite die     überfüllte Seminarräume an der Hoch-            mer ich frage, wann die zusätzliche För-
     Grundsatzdebatte über die „Schulden-        schule, über die Anschaffung von Com-           derschullehrkraft für jede Grundschule
     bremse“ weiter führen und auf der an-       putern, für die es weder Support noch           kommt, wann die zusätzliche Deutsch-
     deren Seite bei den konkreten Anfor-        Nutzungskonzepte und Fortbildung                stunde kommt, wann die Kriterien für
     derungen an die Haushalte auch die          gibt, und vieles mehr.                          den ‚Pakt für den Ganztag‘ vorliegen,
     immanenten Spielräume aufzeigen. So             Für eine abschließende Podiumsdis-          kriege ich dieselbe Antwort: ‚Irgend-
     hatte auch die GEW ihre Forderung           kussion hatte die GEW Hessen die Vor-           wann in dieser Legislaturperiode. Und
     nach einem 500-Millionen-Euro-So-           sitzenden der Landtagsfraktionen ein-           die dauert bekanntlich bis 2023.“
     fortprogramm für gute Bildung durch-        geladen: Unter der Leitung von Ludger
     aus unter Berücksichtigung der gege-        Fittkau vom Deutschlandradio disku-             Die Botschaft hör ich wohl…
     benen haushaltspolitischen Spielräume       tierten Mathias Wagner (Die Grünen),            Auch bei der Inklusion sieht Wagner die
     „durchgerechnet“. Einbezogen waren          René Rock (FDP) und Thorsten Schäfer-           Koalition auf einem guten Weg: „Wir
     unter anderem die zu erwartenden zu-        Gümbel (SPD) sowie in Vertretung von            haben erkannt, dass überall ein biss-
     sätzlichen Einnahmen des Landes aus         Michael Boddenberg (CDU) und Janine             chen nicht ausreicht.“ Deshalb sollten
     dem Steueraufkommen des Landes und          Wissler (Die Linke) die Bundestagsab-           Förderschullehrkräfte möglichst nur an
     aus der Neuordnung der Finanzbezie-         geordnete Bettina Wiesmann und der              einer Schule eingesetzt werden: „Eine
     hungen zwischen Bund und Ländern,           stellvertretende Fraktionsvorsitzende           flächendeckende Inklusion zu den Be-
     die Rücklagen für dann doch nicht er-       Jan Schalauske mit der GEW-Vorsit-              dingungen des Gemeinsamen Unter-
     folgte Steuersenkungen nach der Bun-        zenden Maike Wiedwald und mit den               richts wird Ihnen niemand an diesem
     destagswahl 2017 und die auch von der       anwesenden Kolleginnen und Kollegen             Tisch versprechen.“ Die guten Erfah-
     „Schuldenbremse“ nicht zwingend vor-        aus Kitas, Schulen und Hochschulen.             rungen im Gemeinsamen Unterricht
     geschriebene Tilgung von Altschulden,           Die GEW-Forderung nach einem                wollte auch Bettina Wiesmann nicht
     die in Zeiten extrem niedriger Zinsen       500-Millionen-Euro-Sofortprogramm               bestreiten, aber davon hätten nur we-
     auch ökonomisch keinen Sinn macht.          hielt Mathias Wagner für gut begrün-            nige profitiert. In den Verhandlungen
                                                 det, allerdings habe die schwarz-grü-           mit dem grünen Koalitionspartner habe
     Im Gespräch mit den Fraktionen              ne Koalition noch etwas darauf gelegt:          die CDU auf dem Erhalt der Förder-
     Die Aufforderung Trugers, ohne Tabus        „Unsere Zusagen belaufen sich auf ins-          schulen bestanden. Keinen Handlungs-
     über gesellschaftliche Bedarfe zu reden,    gesamt 730 Millionen, die wir zusätz-           bedarf sieht Wiesmann in den Fragen
     nahmen die Kolleginnen und Kollegen         lich für bessere Bildung in Kitas, Schu-        der Bildungsgerechtigkeit: Das vielfach
     in zwei Arbeitsgruppen beim Wort: Sie       len und Hochschulen bereitstellen – und         gegliederte Schulwesen habe sich be-
     berichteten über die Arbeit in Kitas, in    das in jedem Jahr.“ Maike Wiedwald              währt und es biete jedem Kind und je-
     denen es keine Zeit für den notwendi-       (GEW) wollte das so nicht stehen lassen:        dem Jugendlichen einen individuellen
     gen Austausch zwischen den Beschäf-         „Tatsächlich stehen alle Bildungsausga-         Bildungsweg mit vielfachen Anschluss-
     tigten gibt, über inklusiven Unterricht,    ben mit Ausnahme des Ganztags unter             optionen. Widerspruch aus dem Publi-
     der diesen Namen nicht verdient, über       Finanzierungsvorbehalt. Und wann im-            kum erntete ihre Kritik an den Steuer-

     Jan Schalauske (Linke): „Die Schuldenbremse bremst die Investitionen in die Zukunft.
     Deshalb waren wir 2011 gemeinsam mit den Gewerkschaften dagegen.“

                           Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): „Ja, wir waren im Dissens mit den Gewerkschaften. Aber in
                           der Hessischen Verfassung wurde auch die Verantwortung für die Einnahmenseite verankert.“

                                                  Maike Wiedwald (GEW): „Der Koalitionsvertrag enthält viele Absichtserklärungen.
                                                  Was sie kosten und wann sie kommen, bleibt offen.“

     von links: Jan Schalauske (Die Linke), Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Maike Wiedwald (GEW)
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
9      HLZ 7–8/2019        zum Inhaltsverzeichnis                                                         BILDUNGSFINANZIERUNG

    plänen der Gewerkschaften: Schließlich         Landesregierung nicht nur auf die Aus-      im Übrigen auch für die Sachhaushal-
    müsse man auch auf die „Leistungs-             gaben, sondern auch auf die Einnahmen       te, die zum großen Teil auf Grund ge-
    träger“ achten. Auf einem guten Weg            erstrecke. Ansonsten habe er im Hin-        schrumpfter Kommunalverwaltungen
    sieht Wiesmann auch die Umsetzung              blick auf die Forderungen der Gewerk-       gar nicht mehr in reale Investitionen
    des Digitalpakts des Bundes und der            schaften angesichts des Zustands des        umgesetzt werden können.
    Länder. Den lobte auch der scheiden-           Bildungssystems „mit Demut zur Kennt-
    de SPD-Fraktionsvorsitzende Thorsten           nis nehmen müssen, dass sich die hessi-     Die Realitäten zur Kenntnis nehmen
    Schäfer-Gümbel: „Gut, dass das unsin-          schen Wählerinnen und Wähler mehr-          Den Widerspruch zwischen Ankündi-
    nige Kooperationsverbot gefallen ist.          heitlich für ein ‚Weiter So‘ der alten      gungen und Realität brachte eine För-
    Wir wären gern noch weiter gegangen.“          und neuen Koalition entschieden ha-         derschullehrerin aus Hanau am Ende
        René Rock (FDP) forderte, nicht nur        ben“. Jan Schalauske konterte mit dem       der Debatte engagiert auf den Punkt:
    über die Höhe der Ausgaben zu spre-            Hinweis, dass sich genau an der Einnah-     „Ich höre hier ganz viel, was alles für
    chen, sondern auch über Prioritäten, und       menseite weder in Hessen noch in Ber-       die Bildung gemacht wird. Und dann
    griff dabei die Forderungen im Sofort-         lin etwas geändert habe: Die Wieder-        gehe ich morgen wieder in meine
    programm der GEW auf. Die im Wahl-             einführung der Vermögensteuer würde         Grundschule und sehe etwas ganz an-
    kampf vor der Landtagswahl 2018 plat-          nach einer Expertise von Kai Eicker-        deres: Mangel an allen Ecken und En-
    zierte Entscheidung der schwarz-grünen         Wolf (DGB/GEW) auch in einer extrem         den, eine Stunde für jedes Kind mit
    Regierung, 310 Millionen Euro für die          moderaten Version bereits zwei Milliar-     Förderbedarf, das nenne ich zynisch.“
    Beitragsfreiheit von Kitas bereitzustel-       den Euro in den Landeshaushalt spülen,      Mathias Wagner und Bettina Wiesmann
    len, bringe „keine zusätzliche Minute          die unter anderem für bessere Bildung       als Vertreter der Regierungsparteien
    für Kinder“. Sie ändere nichts an fehlen-      verwendet werden könnten. Mit der           nahmen die Einladung in die Schule an.
    den Zeiten für Vor- und Nachbereitung          CDU-Politikerin Wiesmann wusste er             Maike Wiedwald erinnerte in ihrem
    und nichts am Personalschlüssel und sei        sich nur in dem Punkt einig, dass nicht     Schlusswort daran, dass die GEW seit
    deshalb „kein Beitrag zu mehr Qualität“.       nur der Bildungsbereich besser ausge-       Jahren auf den drohenden Lehrkräfte-
                                                   stattet werden müsse: „Hier fällt mir       mangel hinweist, aber oft nicht gehört
    Die Schuldenbremse in der Verfassung           natürlich gleich die Sozialpolitik ein.“    wurde: „Vertrauen Sie doch einfach,
    Kritik an der „Schuldenbremse“ artiku-             Anders als René Rock misstraut          wenn wir etwas sagen! Wir wollen, dass
    lierten nur Jan Schalauske (Linke) und         Schäfer-Gümbel nicht nur den „Ankün-        Bildung in die Mitte der Gesellschaft
    – sehr viel zurückhaltender – Thorsten         digungen im Koalitionsvertrag“, son-        gegeben wird und deshalb haben wir
    Schäfer-Gümbel, der den Dissens mit            dern auch den „Zahlen im Haushalt“:         heute Sie als Fraktionsvorsitzende ein-
    den Gewerkschaften bei der Volksab-            „Stellen im Haushalt sagen gar nichts       geladen. Bleiben Sie mit uns im Ge-
    stimmung von 2011 nicht verschwieg.            darüber aus, in welchem Umfang dann         spräch, nehmen Sie uns ernst und tun
    Es sei der SPD damals aber gelungen,           auch tatsächlich zusätzliche Pädago-        Sie etwas gegen die Missstände in der
    in Artikel 141 festzuschreiben, dass sich      ginnen und Pädagogen in der Kita oder       Bildungspolitik!“
    die Verantwortung von Landtag und              in der Schulklasse stehen.“ Das gelte                              Harald Freiling

                                                    Bettina Wiesmann (CDU): „Wir hören Ihnen genau zu und wir schätzen Ihre Arbeit.
                                                    Aber es gibt neben der Bildung auch noch andere wichtige Bereiche.“

                             Mathias Wagner (Grüne): „Es kann nie genug Geld sein. Deshalb würde ich lieber
                             mit euch darüber reden, wo wir Prioritäten setzen.“

    René Rock (FDP): „Wenn die Regierung mehr Geld einnimmt, dann glauben Sie doch
    nicht, dass etwas davon bei Ihnen ankommt.“

                      von links: Ludger Fittkau (Deutschlandradio), René Rock (FDP), Mathias Wagner (Die Grünen), Bettina Wiesmann (CDU)
GEW vor Ort: Wir kommen zu Euch in Kitas, Schulen und Hochschulen
SCHWERPUNKTTHEMA: DIGITALPAKT                                                             zum Inhaltsverzeichnis        HLZ 7–8/2019      10

              „Digitale Schule Hessen“
             GEW hält das Programm für „unterdimensioniert und viel zu vage“
     Am 3. Juni hat Ministerpräsident Volker Bouffier die Presse in     gebracht werden konnte. Dazu hatten sich Bundestag und Bun-
     die Staatskanzlei eingeladen. Dort stellte er gemeinsam mit Kul-   desrat auf eine Änderung des Grundgesetzes geeinigt, um das
     tusminister Alexander Lorz, Digitalministerin Kristina Sinemus     dort verankerte „Kooperationsverbot“ aufzuweichen. Die GEW
     und Finanzminister Thomas Schäfer das Programm „Digitale           Hessen beurteilte die nun von der Landesregierung vorgestell-
     Schule Hessen“ vor. Damit möchte die Landesregierung den Di-       ten Umsetzungspläne in einer ersten Pressemitteilung als „un-
     gitalpakt umsetzen, der nach einem sich über zwei Jahre erstre-    terdimensioniert und viel zu vage“. Roman George nimmt für
     ckenden bundespolitischen Tauziehen Anfang 2019 auf den Weg        die GEW Hessen eine erste Bewertung vor.

     Wie viel Geld ist zu erwarten?              Wie soll die Eigenbeteiligung von            auf rund 260 Euro pro Schülerin oder
     „Gemeinsam stocken die Schulträger und      25 Prozent aufgebracht werden?               Schüler, für weiterführende Schulen auf
     das Land die Digitalpakt-Bundesmittel       „Unseren Schulen steht ein Investitions-     400 Euro. Berücksichtigt werden bei
     in Höhe von 372 Millionen Euro über die     volumen von fast einer halben Milliarde      dieser Schätzung unter anderem die
     Laufzeit von fünf Jahren auf eine Sum-      Euro zur Verfügung – auch, weil wir zu-      Kosten für digitale Präsentationsmedi-
     me von knapp 500 Millionen Euro auf.        sätzlich Landesgeld investieren.“ (Tho-      en, für digitale Endgeräte, für Software,
     Damit erhöht Hessen die mit dem Bund        mas Schäfer)                                 für einen Breitband-Anschluss und für
     vereinbarte Eigenbeteiligung von zehn auf   Die Kommunen als Schulträger sollen          einen technischen Support. (2) Diese
     25 Prozent.“ (1)                            12,5 Prozent zuschießen, das Land wei-       Beträge beziehen sich allerdings auf die
     Die genannten 372 Millionen Euro ent-       tere 12,5 Prozent. Das Land selbst geht      jährlichen Kosten! Gemessen an dieser
     sprechen dem Anteil Hessens an den          somit mit seinen eigenen Mitteln nur         Schätzung decken die im Rahmen von
     fünf Milliarden Euro, die der Bund über     geringfügig über die Eigenbeteiligung        „Digitale Schule Hessen“ bereitgestell-
     die gesamte Laufzeit von fünf Jahren        von 10 Prozent hinaus, stattdessen wer-      ten Mittel nicht einmal die Hälfte des
     bereitstellt. Diese Summe wird, wie bei     den einmal mehr die Kommunen in die          Gesamtbedarfs.
     solchen Programmen üblich, nach dem         Pflicht genommen. Die finanzielle Si-
     so genannten Königsteiner Schlüssel         tuation der hessischen Kommunen ist          Wie sollen die Lehrerinnen und Lehrer
     auf die einzelnen Bundesländer aufge-       sehr heterogen. Es ist zu befürchten,        fortgebildet werden?
     teilt. Diesem Verteilungsschlüssel zufol-   dass die Bereitstellung des Eigenanteils     „Mit dem Programm ‚Digitale Schule Hes-
     ge entfallen auf Hessen 7,4 Prozent des     für finanziell schlecht gestellte Kom-       sen‘ werden die Fortbildungsangebote für
     Gesamtbetrags, das sind 372 Millionen       munen eine hohe Hürde darstellen wird.       Lehrerinnen und Lehrer massiv verstärkt
     Euro. Die Vereinbarung zwischen Bund        Es bleibt somit zu hoffen, dass ihre         und die Schulen bei der Erstellung und
     und Ländern sieht zudem zwingend vor,       Schulen nicht leer ausgehen werden.          Weiterentwicklung von Medienbildungs-
     dass die Bundesmittel um 10 Prozent                                                      konzepten beraten und unterstützt.“
     aufgestockt werden. Mit der angekün-        Reichen die Mittel aus, um die               Medienbildung ist zwar bereits eines
     digten Eigenbeteiligung von 25 Prozent      Schulen angemessen auszustatten?             von sechs Schwerpunktthemen der Hes-
     geht Hessen somit tatsächlich über den      „Wie schon bei unseren Kommunalinves-        sischen Lehrkräfteakademie, die Ange-
     vorgeschriebenen Anteil hinaus. Ins-        titionsprogrammen ,KIP‘ und ,KIP macht       bote konzentrieren sich aber bislang
     gesamt soll ein Fördervolumen von bis       Schule!‘ setzen wir Hessen noch einen        auf Themen wie Systemadministration
     zu 496 Millionen Euro erreicht werden.      drauf und ergänzen aus eigener Kraft.        oder Datenschutz. Aus Sicht der GEW
                                                 Wir machen das aus der tiefen Überzeu-       sind insbesondere längerfristige Fort-
                                                 gung, dass das Geld in die Digitalisierung   bildungen erforderlich, die aufzeigen,
     DGB: Klamme Kommunen in Not                 der Schulen und damit in unsere Zukunft      wie digitale Medien im jeweiligen Fach-
                                                 gut investiert ist. Für jede Schülerin und   unterricht gewinnbringend eingesetzt
     Auch der DGB Hessen-Thüringen hält          jeden Schüler stehen damit 540 Euro zur
     die finanzielle Dimension des Pro-                                                       werden können. Damit die Lehrkräfte
                                                 Verfügung.“ (Thomas Schäfer)                 solche Angebote wahrnehmen können,
     gramms für „nicht ausreichend, um           Aus der Gesamtsumme ermittelt der Fi-
     die Schulen entsprechend der päda-                                                       benötigen sie nicht zuletzt die entspre-
                                                 nanzminister einen Betrag von durch-         chenden Zeitressourcen. Das Fortbil-
     gogischen Anforderungen auszustat-          schnittlich 540 Euro, der pro Schüle-
     ten.“ Die Verpflichtung der kommuna-                                                     dungsbudget der Schulen ist mit nur 40
                                                 rin und Schüler über die fünfjährige         Euro pro Lehrerin oder Lehrer im Jahr
     len Schulträger, sich mit 12,5 Prozent      Laufzeit zur Verfügung steht. Zweifels-
     an den Kosten zu beteiligen, werde „die                                                  massiv unterfinanziert. Die Rahmenbe-
                                                 ohne können die Schulen dieses Geld          dingungen für die Fortbildung müssen
     vielen finanziell klammen Kommunen          gut gebrauchen, allerdings reicht es bei
     als Schulträger vor große Schwierigkei-                                                  sich also deutlich verbessern.
                                                 weitem nicht aus, um die Schulen an-
     ten stellen“, sagte der stellvertretende    gemessen entsprechend der pädagogi-
     Vorsitzende Sandro Witt. Auch für die                                                    Welche Schulen werden gefördert?
                                                 schen Anforderungen auszustatten.            „Von unserem Programm werden alle
     digitale Weiterbildung der Lehrkräf-           Wissenschaftlerinnen und Wissen-
     te und für den technischen IT-Support                                                    hessischen Schulen profitieren: Von der
                                                 schaftler der Universität Bremen schät-      Grundschule bis zur gymnasialen Ober-
     müsse das Land mehr Geld einplanen.         zen die Kosten für die Grundschulen          stufe. Wegen der großen Bedeutung der
11      HLZ 7–8/2019     zum Inhaltsverzeichnis                                                                       LANDESPOLITIK

     Pflegeberufe haben wir entschieden, dass
     auch die Pflegeschulen in das Programm
     einbezogen werden. Und ein besonderes
     Augenmerk legen wir auf die Digitalisie-
     rung an den Beruflichen Schulen.“ (Ale-
     xander Lorz)
     Es ist zu begrüßen, dass grundsätz-
     lich alle Schulen Mittel erhalten kön-
     nen, denn in allen Schulformen kön-
     nen digitale Medien sinnvoll eingesetzt
     werden – wenn auch auf sehr unter-
     schiedliche Art und Weise und in un-
     terschiedlichem Umfang. Es ist aller-
     dings zu befürchten, dass Schulen, die
     noch kein ausgereiftes Medienbildungs-
     konzept entwickelt haben – das ist etwa
     die Hälfte –, bei der Verteilung der Mit-
     tel ins Hintertreffen geraten können.
     Bei einem knappen Drittel der Schu-
     len ist noch kein Breitband-Anschluss
     vorhanden und auch noch nicht in Pla-
     nung. Bei diesen Schulen ist also eine
     zentrale technische Grundvorausset-
     zung für die Anwendung vieler digita-
     ler Medien nicht gegeben.

     Was wird darüber hinaus angekündigt?         versität Bremen gehen davon aus, dass     digitalen Methoden den Unterricht zu
     „Weitere Unterstützung soll die Einrich-     pro 400 Endgeräte eine IT-Fachkraft       bereichern, ihn aber nicht zu bestim-
     tung einer ‚Servicestelle für verantwor-     in Vollzeit benötigt wird. Auch wenn      men, so kann ihm die GEW – zumin-
     tungsvolle Mediennutzung‘ bieten. Sie soll   eine 1:1-Ausstattung mit Endgeräten       dest in dieser Frage – uneingeschränkt
     ein Anlaufpunkt sein für Fragen und Be-      nicht erforderlich und auch nicht an      zustimmen.
     ratung rund um die Stärkung der Medi-        allen Schulformen wünschenswert ist
     enkompetenz.“                                – und die Mittel wie aufgezeigt dafür     Wann geht es los?
     Diese und weitere Ankündigungen blei-        auch bei weitem nicht ausreichen –,       „Noch in diesem Jahr sollen Förderanträ-
     ben allesamt eher vage, so die Ankün-        kann „Digitale Schule Hessen“ nur mit     ge gestellt werden können.“
     digung eines Konzepts zur Ausbildung         dem benötigten IT-Support gelingen.       Das Programm wurde Mitte Juni als
     „digitaler Schülerlotsen“ und von „Me-       Auch weitere bestehende Hemmschu-         Gesetz von CDU und GRÜNEN in den
     dienscouts“. Die bereits im Vorjahr an-      he wie fehlende dienstliche E-Mail-Ac-    Hessischen Landtag eingebracht. Erst
     gekündigte Cloud-basierte Lernplatt-         counts und nicht vorhandene Lehrer-       auf der Grundlage des konkreten Ge-
     form wird erneut erwähnt, aber nicht         arbeitsplätze werden mit keinem Wort      setzentwurfs lassen sich viele zum Zeit-
     weiter konkretisiert. Darüber hinaus         thematisiert.                             punkt der Drucklegung der HLZ noch
     wird die Einrichtung eines „Praxis-                                                    offene Fragen beantworten. Wenn das
     beirats Digitalisierung“ angekündigt,        Wird jetzt die gesamte Schulbildung       erklärte Ziel ist, dass Förderanträge
     um Schulpraktikerinnen und -prakti-          digitalisiert?                            noch 2019 gestellt werden können, so
     ker einzubinden.                             „Wir ergreifen die Chancen der Digita-    ist zu vermuten, dass Gelder erst ab
                                                  lisierung, ohne auf Bücher und bewähr-    2020 real bei den Schulen ankommen
     Was fehlt?                                   te Lernmethoden zu verzichten.“ (Volker   werden.
     Eine gravierende Leerstelle betrifft die     Bouffier)
                                                                                            Roman George, Referent für Bildungs-
     Frage der Systemadministration, also         Weder der Ministerpräsident noch der      fragen der GEW Hessen
     die Einrichtung sowie die regelmäßi-         Kultusminister huldigen der weit ver-
     ge Wartung von Hard- und Software            breiteten Digitalisierungseuphorie. Vor
     (HLZ S.14-15). Diese zentrale Aufgabe        allem Kreise der IT-Wirtschaft verspre-   (1) Alle Zitate sind der Pressemitteilung
     wird heute in vielen Fällen von Lehre-       chen der Öffentlichkeit wahre Wun-        „Landesregierung stellt Programm ‚Digita-
     rinnen und Lehrern „on top“ erledigt.        der, wenn die Schulen endlich digitali-   le Schule Hessen‘ vor – Ministerpräsident
     Wie in jedem größeren Unternehmen            siert werden. Die GEW hingegen betont     Volker Bouffier: ‚Schülerinnen und Schüler
     ist hierfür jedoch dauerhaft entspre-        den „Primat der Pädagogik“, dem zu-       müssen fit für die digitale Welt sein – wir
     chend ausgebildetes Fachpersonal er-         folge der Einsatz digitaler Medien kein   sorgen dafür‘“ vom 3.6.2019 entnommen
     forderlich. Die Lehrkräfte müssen sich       Selbstzweck ist. Sie sollen analoge Me-   (https://staatskanzlei.hessen.de > Presse >
                                                                                            Pressemitteilungen > 3.6.2019).
     auf der Grundlage einer funktionieren-       thoden, unmittelbare Kommunikation
                                                                                            (2) Andreas Breiter, Anja Zeising, Björn
     den digitalen Infrastruktur auf die An-      und sinnliches Erfahren nicht ersetzen,   Eric Stolpmann: IT-Ausstattung an Schu-
     wendung im Unterricht konzentrieren          sondern vielmehr sinnvoll ergänzen.       len: Kommunen brauchen Unterstützung für
     können. Die zitierten Wissenschaftle-        Wenn nun Alexander Lorz feststellt, es    milliardenschwere Daueraufgabe, Gütersloh
     rinnen und Wissenschaftler der Uni-          gehe darum, mit neuen Lernformen und      2017 (Kurzlink: https://bit.ly/2zpvgSz)
SCHWERPUNKTTHEMA: DIGITALPAKT                                                            zum Inhaltsverzeichnis         HLZ 7–8/2019       12

          Digitalisierung und Schule
                 Beschluss des Landesvorstands der GEW Hessen (März 2019)
     Mit großem Gefolge kamen die neue hessische Digitalministe-       schen Verhandlungen sein muss, gehören Transparenz, Mit-
     rin Kristina Sinemus und Hessens Kultusminister Professor Dr.     bestimmung und Datenschutz in den Bildungseinrichtungen
     Alexander Lorz Mitte Mai an die Adolf-Reichwein-Schule nach       zum Bildungsauftrag.
     Limburg, um den Startknopf für den ersten Glasfaseranschluss
     einer Schule im Landkreis Limburg-Weilburg zu drücken. Sol-                Gemeinwohlorientierte Digitalpolitik
     che symbolischen Aktivitäten dürfen jedoch nicht darüber hin-
     wegtäuschen, dass im Bereich der Digitalisierung von Schulen      Die GEW setzt auf eine gemeinwohlorientierte „Digitalpolitik“.
     und Unterricht noch harte Bretter zu bohren sind. Auf Vorlage     Dazu gehören die informationelle und die informationstechnische
     der Arbeitsgruppe Digitalisierung fasste der GEW-Landesvor-       Grundbildung für Lernende und Lehrende gleichermaßen, ein kon-
     stand Ende März einen Grundsatzbeschluss über die Positionen      sequenter Datenschutz und eine zeitgemäße digitale Ausstattung.
     des GEW-Landesverbands. Auch die Ergebnisse aus Gesprächen        Die Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe Digitalisierung und die
     mit dem Landeselternbeirat (LEB) und der Landesschülervertre-     Gespräche mit Eltern und Schülerinnen und Schülern offenbarten
     tung (LSV) und die Anregungen auf der Fachtagung in Gießen-       bei Konzepten, Hard- und Software eine digitales Durcheinander,
     Kleinlinden (HLZ 4/2019) flossen in den Beschluss ein, den die    das auch die durch die Technik weitgehend überholten Vorschriften
     HLZ in seinen Kernpunkten zusammenfasst.                          zum Datenschutz zu Makulatur werden lässt. Zu einem wirkungs-
                                                                       vollen Datenschutz gehöre auch die Bereitschaft der Lehrkräfte,
                      Digitaler Kapitalismus                           öfter einmal „Nein!“ zu sagen, „wenn wieder neue Aufgaben, die
                                                                       eigentlich in die Schulverwaltung gehören, an uns delegiert wer-
     Die GEW betrachtet sehr genau und kritisch die Aktivitäten der    den sollen“. Die Forderungen der GEW zur digitalen Ausstattung
     „Internet-Big-Five“ (Amazon, Apple, Facebook, Google, Mi-         der Schulen orientieren sich deshalb nicht an der Frage „Was ha-
     crosoft) und anderer Konzerne und regionaler Unternehmen, die     ben wir und was kriegen wir?“, sondern an den „bestmöglichen
     ihre Hände nach dem Bildungssystem ausstrecken, ihre Hard-        Bedingungen, „um zu besten Lernergebnissen zu kommen“. Die
     ware absetzen und „Datenschätze unvorstellbaren Werts“ heben      HLZ dokumentiert die Forderungen der GEW Hessen an die Lan-
     wollen. Die GEW will dem Interesse profitorientierter Unterneh-   desregierung und die Schulträger im vollen Wortlaut.
     men, das digitale Konzept von der Hard- und Softwareausstat-
     tung bis zur Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer zu domi-       Forderungen zur Hard- und Softwareausstattung
     nieren und zu steuern, entgegentreten.
                                                                       • Es muss eine Bestandsaufnahme erstellt werden, um ei-
     Im Interesse einer starken solidarischen Demokratie kommen        nen Überblick zu erhalten, wie die Schulen ausgestattet sind.
     wir nicht um die Forderung nach einer rein staatlichen di-        Nach einer sich daraus ergebenden Bedarfsanalyse sollte die
     gitalen Infrastruktur herum. Nur mit einer Infrastruktur im       Landesregierung ein Konzept für die Mediengrundausstat-
     Besitz der Bürgerinnen und Bürger können ein hinreichen-          tung einer Schule entwickeln.
     der Datenschutz sowie Transparenz und Mitbestimmung rund          • Jede Schule sollte einen Anspruch auf die Finanzierung
     um digitale Bildung gewahrt beziehungsweise erst erstritten       einer Mediengrundausstattung haben und darüber entschei-
     werden. Um den jungen Menschen das Selbstbewusstsein mit          den können, wie diese in der Schule eingerichtet wird. Die
     auf den Lebensweg zu geben, dass jeder Algorithmus, der           Medienzentren sollen als unabhängige Beratungseinrichtun-
     Einfluss auf ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen      gen ausgebaut werden.
     Rechte nimmt, offengelegt und Gegenstand von demokrati-           • Die Finanzierung der Mediengrundausstattung ist eine
                                                                       Daueraufgabe. Schulträger müssen entsprechende Finanz-
                                                                       mittel für Ersatzbeschaffungen und Verschleiß bereithalten.
           Workshop: Wie werden Teams gesteuert?                       • Die nicht-kommerzielle Fortbildung für Lehrkräfte in öf-
                                                                       fentlicher Verantwortung muss ausgebaut werden. Nicht
     Die Arbeitsgruppe „Gegen die Ökonomisierung des Bildungs-
     wesens“ in der GEW Hessen bietet im Kontext ihrer Veranstal-      akzeptabel sind dagegen Angebote, die auf private Stiftun-
     tungsreihen einen „Praxisworkshop Teamarbeit“ an. Er fin-         gen und Organisationen, Schulbuchverlage oder IT-Konzer-
     det am Montag, dem 4. November 2019, von 15 bis 18 Uhr in         ne setzen.
     der Geschäftsstelle des GEW-Bezirksverbands Frankfurt statt       • Ein Konzept, das die Schülerinnen und Schüler bezie-
     (Bleichstr. 38a). Referent ist Stephan Siemens, Experte für Ar-   hungsweise ihre Eltern zur Anschaffung privater Unter-
     beitspsychologie und Burnout-Prävention.                          richtsmedien zwingt, wird von der GEW abgelehnt. Chan-
         Auch Schulleitungen nutzen Konzepte der Arbeits- und          cengleichheit bedeutet für die GEW im digitalen Zeitalter
     Organisationspsychologie, um Teams indirekt zu steuern. Das       „Hard- und Softwaregleichheit“, das heißt die notwendigen
     führt dazu, dass sich Kolleginnen und Kollegen gegenseitig un-    Geräte und Medien sind den Schülerinnen und Schülern im
     ter Druck setzen bis hin zum Ausschluss von Teammitgliedern       Rahmen der Lernmittelfreiheit von der Schule kostenfrei zur
     durch Mobbing. Die Teamanalyse der indirekten Steuerung ist       Verfügung zu stellen.
     eine bewährte Methode, diese Mechanismen zu verstehen. Im         • Die Zugänge ins pädagogische Netz einer Schule müssen
     Workshop wollen wir die Teamanalyse vorstellen und kennen-        personalisiert und kontrolliert sein, denn Schulen sind Orte,
     lernen und so neue gewerkschaftliche Solidarität ermöglichen.     an denen Schülerinnen und Schüler geschützt lernen und sich
     • Formlose Anmeldung: thomas.sachs@gew-frankfurt.de               entwickeln sollen. Ein frei verfügbarer, unkontrollierter Inter-
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