Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de

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Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Hearing4all
                                       Die Zukunft des Hörens

                                                                1
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Ich finde es herausragend, dass der Exzellenzcluster die Belange                      1 Schallleitungsschwerhörigkeit/Mittelohr-
                          der Betroffenen verstehen möchte und uns über die aktuellen Ergebnisse                      schwerhörigkeit – Lässt sich grundsätzlich
                          und Zukunftsvisionen informiert. Wir glauben fest daran, dass der Cluster                   operativ behandeln. Je nach genauer Ursache                                                                                                          3
                           durch kontinuierliche Forschungstätigkeit sein Ziel „Hören für alle“ zum                   kann diese vom Trommelfellschnitt bis zum                                                                                            2
                                           Wohle aller Betroffenen erreichen wird.“                                   Einsatz passiver Prothesen reichen.                                                                                    1
                               Dr. Harald Seidler, Präsident Deutscher Schwerhörigenbund e.V.
                                                                                                                    2   Innenohrschwerhörigkeit – Lässt sich mit
                                                                                                                        Hörsystemen ausgleichen. Je nach Schwere-

                                                                                                                                                                                                                                                                                    Bild: Medical Art Inc /Shutterstock.com
                                                                                                                        grad mit konventionellen Hörsystemen, teil-
                                                                                                                        oder vollimplantierbaren Hörsystemen, oder
                                                                                                                        Cochlea Imlantaten.

    Die Zukunft des Hörens                                                                                          3   Gehörlosigkeit – Ist der Hörnerv nicht intakt,
                                                                                                                        kommt unter Umständen ein zentalauditori-
                                                                                                                        sches Implantat wie das Hirnstammimplantat
    Der Exzellenzcluster Hearing4all                                                                                    (ABI) oder Mittelhirnimplantat (AMI) in Frage.

    M       it mehr als 15 Millionen Betroffenen ist
            Schwerhörigkeit in Deutschland eine
            Volkskrankheit. Den größten Anteil ma-
    chen Lärmschwerhörigkeit und Schwerhörigkeit
    im Alter aus. Aufgrund des demographischen
                                                            sondere das Hören bei Störgeräuschen und das
                                                            Richtungshören sind für alle Betroffenen eine gro-
                                                            ße Herausforderung. Durch den technologischen
                                                            Fortschritt und die Änderung des Nutzerverhaltens
                                                            sowie gesteigerten individuellen Ansprüchen ist die
                                                                                                                        bigen akustischen Szenarien – zu beheben und die
                                                                                                                        Grundlage für individuell angepasste Hörsysteme
                                                                                                                        von übermorgen zu schaffen, werden im Exzel-
                                                                                                                        lenzcluster innovative Signalverarbeitungsalgo-
                                                                                                                        rithmen und Stimulationsmethoden (akustisch,
                                                                                                                                                                                                       Projektarbeit im Exzellenzcluster weiter zusam-
                                                                                                                                                                                                       mengewachsen. Strukturen, wie die dauerhafte
                                                                                                                                                                                                       Einrichtung neuer Professuren oder eine „Joint Re-
                                                                                                                                                                                                       search Academy“ zur Nachwuchsförderung in die-
                                                                                                                                                                                                       sem Bereich, konnten aufgebaut werden. Dank der
    Wandels steigt die Anzahl der Betroffenen stetig.       Nachfrage nach einer individualisierten Hörprä-             mechanisch, neuronal und optisch) entwickelt, die                              Clusterförderung verfügen die Standorte über neue
                                                            sentation stark angestiegen. Allerdings bleibt der          den Informationsverlust des geschädigten Gehörs                                Großgeräte und Labore (wie z.B. ein 3D-Virtual Re-
    Gut hören und verstehen ist von außerordentlich         tatsächliche Nutzen der neuen Technologien für              ausgleichen. Modelle, die die Hörleistung von Pa-                              ality Lab), die nun entscheidend zur Erforschung
    großer Bedeutung. Unser aktivstes Sinnesorgan –         viele (potenzielle) Nutzer noch stark limitiert, weil       tienten mit verschiedenen Hörhilfen vorhersagen,                               der relevanten Fragestellungen beitragen.
2   das Gehör – ist entscheidend für Kommunikation,         die Techniken weder optimal an den einzelnen Nut-           optimieren die Auswahl der Versorgung. Neue An-                                                                                                                                                       3
    Orientierung und Sicherheit. Dennoch wird das Ge-       zer noch an die jeweilige akustisch herausfordern-          passkonzepte sowie die Anpassung der Funktio-                                  Der translationale Gedanke ist dem Exzellenzclus-
    hör häufig als Sinn zweiter Klasse betrachtet. Erst     de Umgebungssituation angepasst sind.                       nalität des Hörsystems durch den Träger erhöhen                                ter immanent. Die untersuchten Fragestellungen
    wenn sich das Gehör verschlechtert, wird bemerkt,                                                                   den individuellen Nutzen der Versorgung.                                       haben ihren Ursprung in ungelösten klinischen
    welch tragende Rolle das Hören in der alltäglichen      Der Exzellenzcluster Hearing4all hat sich zum Ziel                                                                                         und praktischen Problemen. Die enge und pro-
    Kommunikation spielt. Menschen mit unversorg-           gesetzt, eine Verbesserung des Hörens für alle Ar-          3. Um das „Hören für alle“ Wirklichkeit werden zu                              duktive Kooperation mit der Industrie wurde in den
    tem Hörverlust fühlen sich oft isoliert und leiden      ten und Grade von Schwerhörigkeit zu erreichen.             lassen, muss auch der Teil der Bevölkerung be-                                 vergangenen fünf Jahren weiter ausgebaut. Diese
    häufiger an Depressionen und Schlaflosigkeit. Ne-       Hier gilt es zunächst einmal, Hören und Hörstörun-          rücksichtigt werden, der einen altersbezogenen                                 enge Kooperation wird auch in den jährlichen in-
    ben dem nicht zu beziffernden Verlust an Lebens-        gen besser zu verstehen. Dabei reicht es nicht aus,         fortschreitenden Hörverlust hat, der aber noch                                 ternationalen Hearing4all-Symposien deutlich, zu
    qualität entsteht auch ein volkswirtschaftlichen        sich nur mit dem Ohr zu befassen. Das Ohr ist nur           nicht diagnostiziert ist („subklinische“ Bevölke-                              denen neben hochkarätigen WissenschaftlerInnen
    Schaden z.B. durch Arbeitsunfähigkeit oder Früh-        die erste Station einer sehr komplexen Hörbahn,             rung). Indem Technologie, die ursprünglich im                                  aus aller Welt auch Vertreter aus der Industrie re-
    pensionierung bei den Betroffenen.                      die über den Hörnerv und verschiedene auditori-             Bereich technischer Hörhilfen entwickelt wurde,                                gelmäßig beitragen.
                                                            sche Zentren im Gehirn bis in den Kortex reicht,            in konventionelle Unterhaltungselektronik (Mobil-
    Hörstörung: Die unterschätzte Herausforderung           also den Bereich der bewussten Wahrnehmung.                 telefone, Videokonferenzsysteme, Fernsehgeräte)                                In dieser Broschüre stellen wir Ihnen exemplarisch
    Hörstörungen können in allen Bereichen des Ge-          Um eine optimale Versorgung für alle zu gewähr-             eingebaut wird, erarbeitet der Exzellenzcluster Lö-                            zwölf der über 100 Einzel-Projekte vor, die die Hör-
    hörs und Gehirns auftreten und jeder Hörverlust ist     leisten, arbeiten die Forscher des Exzellenzcluster         sungen, die einen derartigen Hörverlust frühzeitig                             forschung und damit auch die kommunikative Si-
    individuell. Je nach Art und Ausmaß des Hörver-         an Lösungen für die folgenden drei grundlegenden            auffangen. Dadurch wird dem subklinischen Teil                                 tuation von uns allen entscheidend vorangebracht
    lustes gibt es verschiedene Möglichkeiten diesen        Probleme:                                                   der Bevölkerung ein gewisses Maß an Behandlung                                 haben.
    zu kompensieren. Bei mittelgradigem Hörverlust                                                                      zuteil, bevor die peripheren Hörstörungen zu Fol-
    kommen in der Regel Hörgeräte zum Einsatz. Bei          1. Konventionelle Diagnosemethoden können oft               geschäden bei der zentralen Hörverarbeitung füh-                               Weiter denken – Hearing4all 2.0
    hochgradiger Schwerhörigkeit und völliger Taub-         nicht die genaue Ursache und Pathophysiologie               ren können.                                                                    Erfolgreiche Konzepte weiter zu denken, erarbei-
    heit sind Hörimplantate, insbesondere Cochlea-Im-       des Hörverlusts eines Patienten bestimmen. Der                                                                                             tete Strukturen zu nutzen und Zukunftskonzepte
    plantate, eine mögliche Lösung. Für Menschen,           Exzellenzcluster entwickelt eine theoretisch fun-           Zukunft hören – es geht voran                                                  zu entwickeln – das macht für uns erfolgreiche
    die keinen funktionierenden Hörnerv mehr haben          dierte Diagnostik, der ein vereinheitlichtes funkti-        Das Ziel des interdisziplinären Exzellenzclusters                              Forschung aus. Im aktuell laufenden Exzellenz-
    (z.B. nach Tumorentfernung), können Hirnstam-           onales auditorisches Modell zugrunde liegt, um so           „Hearing4all“ ist das Hören für alle. Das bedeutet                             cluster haben wir wichtige Bausteine für bessere
    mimplantate und seit neuestem auch Mittelhir-           zu einem besseren Verständnis des individuellen             vor allem bessere Kommunikation für jeden ein-                                 Diagnostik, Hörsysteme und assistive Technologien
    nimplantate eingesetzt werden. Nur mit einer wis-       Gehörs zu gelangen. Auf Basis von Experimenten              zelnen. Durch eine Verbesserung der individuellen                              entwickelt, darauf aufbauend wollen wir speziell
    senschaftlich fundierten Diagnostik kann unter der      an Mensch und Tier, sowohl mit invasiven als auch           Hördiagnostik und der entsprechend angepassten                                 auf die Bedürfnisse von Betroffenen zugeschnitte-
    Vielfalt technischer Hilfsmittel die Auswahl für eine   mit nicht-invasiven Methoden, werden neue Diag-             Versorgung mit persönlichen Hörhilfen haben die                                ne Lösungen für alle Formen der Schwerhörigkeit
    optimale Versorgung getroffen werden.                   nosemethoden entwickelt, um die individuelle Be-            WissenschaftlerInnen in den vergangenen 5 Jah-                                 umsetzen. So kommen wir von einem empirischen,
                                                            handlung der Betroffenen zu verbessern.                     ren große Erfolge erzielt. Die schon seit 2006 in                              subjektiven Ansatz zu einer modernen, datenge-
    Obwohl seit fast einem Jahrhundert an techni-                                                                       der Audiologie Initiative Niedersachen (AIN) und                               trieben Wissenschaft und Präzisionsmedizin mit
    schen Lösungen für Schwerhörige gearbeitet wird,        2. Um die Defizite der heutigen Hörhilfen – insbe-          im Auditory Valley verbundenen Universitäten und                               einem hohen Standard. Damit rückt das Ziel „Hö-
    sind viele Probleme noch nicht behoben. Insbe-          sondere die Störgeräuschunterdrückung in belie-             Forschungsinstitutionen sind durch die intensive                               ren für alle“ noch ein Stück näher.

                                                                                                                        Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.
Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Abbildung1: CAFPAS – eine compu-
    Das Hören verstehen                                                                                          tergestützte Methode, die Ärzten bei
                                                                                                                 Diagnostik und Behandlung helfend
                                                                                                                 zur Seite stehen soll.
    Modelle für die Hörsysteme von übermorgen

    W
               issenschaftliche Modelle sind ein unver-   ten in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dr. Birger      Aber wie genau kann eine Diagnostik von Einzel-       Um langfristig zu einer „audiologischen Präzisi-
               zichtbares Mittel zur Gewinnung neuer      Kollmeier ein Modell zur binauralen Signalverar-       komponenten des Hörverlusts erfolgen? Dazu            ons-Medizin“ mit exakter, individualisierter Diag-
               Erkenntnisse. Ihre Hauptfunktion ist die   beitung, d. h. wie das vom linken und rechten Ohr      werden im Exzellenzcluster neue klinisch-dia-         nostik und der Kombination auch unvollständiger
    Erklärung und Voraussage von Phänomenen. Das          ankommende Hörsignal im Kopf miteinander ver-          gnostische Verfahren wie z. B. der Oldenburger        audiologischer Daten von verschiedenen Kliniken
    mittel- bis langfristige Ziel des Exzellenzclusters   rechnet wird, um Störschall zu unterdrücken und        Satztest im Störschall oder die binaurale (beid-      in einem „Big Data“-Konzept zu gelangen, verfolgt
    Hearing4all ist es, Modell-Entwicklungen in „in-      Nutzschall gezielt zu verstärken und damit eine        seitige) Lautheitsskalierung mit einer Reihe          die Doktorandin Mareike Buhl (AG Kollmeier und
    telligente“, Situations-angepasste und individuell    bessere Sprachverständlichkeit im Störschall zu        weiterer klinisch-audiologischer Messverfahren        Lücke) das neue Konzept der „Common Audiolo-
    anpassbare Hörlösungen zu integrieren, die nach       erzielen. Dieses „effektive“ Modell eignet sich        kombiniert und statistisch, aber auch durch klini-    gical Functional Parameters“ (CAFPAS), bei denen
    dem Prinzip des „Model in the Loop“ in der jewei-     besonders gut für die spätere Integration in ein       sche Diagnostik-Modelle ausgewertet und inter-        mit wenigen aussagekräftigen Zwischenvariablen
4   ligen Hör-Situation bereits den nächsten notwen-      „intelligentes“ Hörgerät oder Hörimplantat, um         pretiert.                                             eine universelle, kompakte Repräsentation der        5
    digen Schritt des Hörgeräts vorausberechnen,          damit die bisher noch nicht zufriedenstellend ge-                                                            audiologischen Befunde aus verschiedensten Da-
    den der Nutzer im nächsten Moment brauchen            löste Problematik des „Cocktail-Party-Effekts“         Die Doktorandinnen Meike Thaden und Anja Gie-         tenbasen erreicht wird. Sie soll als Grundlage der
    wird. Für solche „Übermorgen-Hörsysteme“ sind         bei Hörsystemträgern zu verbessern.                    seler identifizieren beispielsweise in einer großen   gezielten Hördiagnostik und Empfehlung und Er-
    die im Exzellencluster entwickelten und validier-                                                            klinischen Stichprobe von Patienten mit einer         folgsvorhersage einer bestimmten Behandlungs-
    ten Hörmodelle mit zugehöriger Hördiagnostik          Im „Framework for Auditory Discrimination Expe-        Vielzahl audiologischer Befunddaten diejenigen        methode (z. B. Versorgung mit einem Hörgerät)
    die absolute, unabdingbare Voraussetzung.             riments“ (FADE-Modell), das von Juniorprofessor        Hauptkomponenten, mit denen sich die Patienten        dienen. Abbildung 1 zeigt schematisch das Modell
                                                          Marc René Schädler maßgeblich entwickelt wur-          am meisten unterscheiden. Sie sollen als wich-        einer kompakten Darstellung aus den verfügba-
    Das Modell von Dr. Go Ashida beschäftigt sich         de und Elemente aus der Psychoakustik, Sprach-         tigste Bestandteile einer zukünftigen zielgenau-      ren Daten der möglichen audiologischen Tests,
    mit der Frage, welche zellulären Eigenschaf-          perzeptions-Forschung und der automatischen            eren Hördiagnostik möglichst effizient erfasst        die sich einfach verstehen lässt und trotzdem ge-
    ten und Mechanismen dafür verantwortlich              Spracherkennung mit maschinellem Lernen ver-           werden.                                               eignet ist, um daraus Befunde und Diagnosen ab-
    sind, dass unser Gehirn eine so hohe räum-            bindet, werden eine ganze Reihe von Hörfunkti-                                                               zuleiten. Diese computergestützte Methode soll
    liche Auflösung für unterschiedliche Schall-          onen mit demselben Modellansatz und auf der            Mit einem ähnlichen Ansatz ist es der Arbeits-        Ärzten bei Diagnostik und Behandlung helfend
    einfallsrichtungen erreichen kann. Die möglichst      Basis von sehr wenigen, allgemein gültigen Hör-        gruppe von Prof. Dr. Andreas Büchner in einem         zur Seite stehen. In einer weiteren Anwendung
    genaue Beschreibung neuronaler Repräsentatio-         prinzipien mit erstaunlich hoher Genauigkeit be-       Projekt von Dr. Sabine Haumann sogar möglich,         kann der Weg auch umgekehrt gegangen werden
    nen akustischer Signale ist für die Codierung und     schrieben. So kann die Innenohrschwerhörigkeit         den Erfolg einer Cochlea-Implant-Operation und        und zeigen, welche audiologischen Test am bes-
    individuelle Anpassung implantierbarer Hörsys-        beim individuellen Patienten in mehrere Kom-           anschließender Rehabilitationsmaßnahme bei            ten für die Differenzierung bestimmter Diagnosen
    teme wie z. B. Cochlea-Implantaten wichtig. In        ponenten aufgetrennt werden, die jeweils einen         Erwachsenen anhand weniger, audiologisch ex-          geeignet sind.
    der Arebistgruppe von Jun.-Prof. Dr. Waldo No-        spezifischen Einfluss auf das Hörvermögen ha-          akt erfasster Messdaten, wie z.B. dem Hörvermö-
    gueira werden die optimalen Stimulationsmuster        ben und unterschiedlicher Rehabilitations-Stra-        gen im Störschall vor der Operation, aber auch        Ansprechpartner
    für Cochlea-Implantate mit direkter elektrischer      tegien bedürfen. Mit dem Modell FADE steht der         dem sozioökonomische Hintergrund des Patien-          Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier
    Stimulation des Hörnervs entwickelt, die einen        Exzellencluster an der Schwelle zum klinischen         ten, vorherzusagen.                                   Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
    möglichst naturgetreuen Höreindruck bei den           Einsatz eines universellen und präzisen Vorher-                                                              birger.kollmeier@uni-oldenburg.de
    CI-Nutzern hervorrufen sollen.                        sagesystems für die klinische Hördiagnostik.
                                                                                                                   Zentrale Publikationen
    Weniger auf die genaue neuronale Codierung,
    dafür mehr auf die exakte Beschreibung der                                                                     Schädler, M. R., Warzybok, A., Ewert, S. D., and Kollmeier, B. (2016). A simulation framework for
    menschlichen Wahrnehmung zielen dagegen „ef-                                                                   auditory discrimination experiments: Revealing the importance of across-frequency processing in
    fektive“ Modelle der Hörsignalverarbeitung ab, bei                                                             speech perception. The Journal of the Acoustical Society of America, 139(5):2708–2722.
    denen die Schallverarbeitung im Gehör durch eine
    Reihe von physiologischen, psychoakustischen                                                                   Birger Kollmeier, Thomas Lenarz, Anna Warzybok, Marc R. Schädler, Sabine Haumann, Thomas
    und audiologischen Verarbeitungsprozessen des                                                                  Brand & Jörg Lücke (2016): Auditory profile and common audiological functional parameters
    Menschen beschrieben wird. Dr. Thomas Brand                                                                    (CAFPAs): From diagnostics to machine-learning-based evidence, Proc. ARO, San Diego
    und der Doktorand Christopher Hauth entwickel-        Experimente sind wichtig, um das Hören zu verstehen.
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Abbildung 2: Beidseitige Aktivierung
    Von Menschen und (Renn)Mäusen                                                                                  des Colliculus inferior (Kerngebiet in
                                                                                                                   der zentralen Hörbahn) bei Wüs-
                                                                                                                   tenrennmäusen durch akustische
    PET-Bildgebung als diagnostisches Tool                                                                         Stimulation (Spalte a). Rechtes Bild
                                                                                                                   (b): Wüstenrennmaus im psychoakus-
                                                                                                                   tischen Verhaltensexperiment setzt

    D
                                                                                                                   sich in Position und wartet auf das
           ie Positronenemissionstomographie (PET)         gern ein radioaktiv markiertes Zuckermolekül            Signal.
           ist ein modernes bildgebendes Verfahren         (18F-Fluordeoxyglukose) sowie mit kurzlebigem
           in der Medizin, mit dem durch Reize ausge-      Sauerstoff (15O) markiertes Wasser eingesetzt.
                                                                                                                  GABAergen Systems (GABA = Gammaaminobut-            forschung. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe
    löste Hirnaktivität im Menschen sichtbar gemacht       Die PET-Methode kommt insbesondere bei Pati-
                                                                                                                  tersäure), im Alter oder bei plastischen Verän-     von Prof. Georg Klump (Universität Oldenburg)
    werden kann. Mit minimalen Substanzmengen an           enten mit Hörimplantaten zum Einsatz, da diese
                                                                                                                  derungen der Verarbeitung nach Einsetzen eines      wird die Veränderung der Hörverarbeitung bei al-
    radioaktiven Biomarkern lässt sich die Aktivität       wegen besonderer Risiken durch das Magnetfeld
                                                                                                                  Hörimplantats von besonderer Bedeutung.             tersbedingtem Hörverlust durch Vergleich junger
    von Nervengewebe oder die Signalübertragung            nicht mit der ohne radioaktive Strahlung aus-
                                                                                                                                                                      und alter Tiere mittels PET und in Verhaltensex-
    durch Botenstoffe im Gehirn darzustellen. Die in       kommenden funktionalen Kernspintomographie
                                                                                                                  Ziel der Arbeitsgruppe von Prof. Georg Berding      perimenten untersucht. Die PET-Messungen in
    der PET verwendeten Biomarker beinhalten einen         (fMRT) untersucht werden können.
                                                                                                                  (Medizinische Hochschule Hannover) ist es, das      der präklinischen molekularen Bildgebung der
6   Positronen-Strahler, dessen Verteilung im Gehirn                                                                                                                                                                       7
                                                                                                                  Verständnis zur Pathophysiologie von Hörstö-        Medizinischen Hochschule Hannover zeigen klare
    mittels Emissionstomographie erfasst werden              Durch die Entwicklung neuer Detektormateria-
                                                                                                                  rungen und der Wiederherstellung des Hörver-        Aktivierungsmuster im Mittelhirn (Colliculus infe-
    kann. In der klinischen Hörforschung werden              lien und Messelektronik konnte die Messemp-
                                                                                                                  mögens durch Implantate zu verbessern. Hierfür      rior). Damit lassen sich die Prozesse der Hörver-
                                                                                    findlichkeit der PET in den
                                                                                                                  werden vor und nach Implantation bei Patienten      arbeitung im zentralen Nervensystem darstellen
                                                                                    letzten 20 Jahren etwa um
                                                                                                                  objektive Messungen zur Aktivierung in Regionen     (Abbildung 2). Wie beim Menschen kann auch im
                                                                                    einen Faktor 10 gesteigert
                                                                                                                  des Hörsystems und funktional verbundenen Hir-      Tier die Wahrnehmung in psychoakustischen Ex-
                                                                                    werden. Ein weiterer tech-
                                                                                                                  narealen mittels PET durchgeführt. Eine Studie      perimenten untersucht werden (z.B. Tolnai et al.
                                                                                    nischer Durchbruch konnte
                                                                                                                  von Patienten mit unterschiedlichen Hörimplan-      2017) und durch Kombination mit den PET-Mes-
                                                                                    im Hinblick auf eine Minia-
                                                                                                                  tat-Typen (Cochlea-, Hirnstamm- bzw. Mittel-        sungen z.B. der Bezug zwischen der sich mit dem
                                                                                    turisierung der Detektoren
                                                                                                                  hirn-Implantat) zeigte einen Zusammenhang des       Alter verändernden Wahrnehmungsleistung und
                                                                                    und deren räumliches Auf-
                                                                                                                  mit dem Implantat erzielten Sprachverständnis-      den zugrunde liegenden Aktivierungsmustern im
                                                                                    lösungsvermögen erzielt
                                                                                                                  ses und der Aktivierung im oberen Schläfenlap-      Gehirn hergestellt werden.
                                                                                    werden. Bei einer Auflö-
                                                                                                                  pen (Abbildung 1, Berding et al. 2015).
                                                                                    sung im Millimeterbereich
                                                                                                                                                                      Ansprechpartner
                                                                                    eröffnen diese Geräte nun
                                                                                                                  PET-Messungen zur Aktivierung des Hörsystems        Prof. Dr. med. Georg Berding
                                                                                    erstmals die Möglichkeit,
                                                                                                                  sowie der Ausprägung GABAerger Signalver-           Medizinische Hochschule Hannover
                                                                                    nicht nur beim Menschen
                                                                                                                  arbeitung sind auch bei kleinen Nagetieren wie      berding.georg@mh-hannover.de
                                                                                    sondern auch bei Model-
                                                                                                                  Ratte und Wüstenrennmaus möglich. Letztere
                                                                                    lorganismen der Hörfor-
                                                                                                                  überlappt im Frequenzbereich des empfindlichen      Prof. Dr. Georg Klump
                                                                                    schung, wie z.B. Wüsten-
                                                                                                                  Hörens mit dem Menschen und ist daher ein gut       Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
                                                                                    rennmäusen, gezielt die
                                                                                                                  geeignetes Tiermodell für die translationale Hör-   georg.klump@uni-oldenburg.de
                                                                                    Aktivität in einzelnen Re-
                                                                                    gionen des Hörsystems
                                                                                    zu messen. Auch können
                                                                                                                   Zentrale Publikationen
                                                                                    molekulare       Strukturen
                                                                                    und Botenstoffe für die Si-
                                                                                                                   Berding G, Wilke F, Rode T, Haense C, Joseph G, Meyer GJ, Mamach M, Lenarz M, Geworski L,
                                                                                    gnalübertragung zwischen
                                                                                                                   Bengel FM, Lenarz T, Lim HH. Positron Emission Tomography Imaging Reveals Auditory and Fron-
                                                                                    Nervenzellen mittels PET
                                                                                                                   tal Cortical Regions Involved with Speech Perception and Loudness Adaptation. PLoS One. 2015
                                                                                    quantitativ regional ge-
                                                                                                                   Jun 5;10(6):e0128743. doi: 10.1371/journal.pone.0128743.
                                                                                    messen werden. Für die
                                                                                    Hörforschung sind z.B.
                                                                                                                   Tolnai S, Beutelmann R, Klump GM. Exploring Binaural Hearing in Gerbils (Meriones unguicula-
                                                                                    Veränderungen hemmend
                                                                                                                   tus) Using Virtual Headphones. PLoS One. 2017 Apr 10; 12(4): e0175142.
    Abbildung 1: Beidseitige Aktivierung der Hörregion im Schläfenlappen durch Sti- wirkender Signalübertra-       doi: 10.1371/journal.pone.0175142
    mulation mit Sprache über ein auditorisches Mittelhirnimplantat.                gungssysteme, wie z.B. des
Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Doppelt hält besser
    EAS Masking
                                                                                                                    Abbildung 2: Wahrnehmungsschwellwerte bei elektrischer und akkustischer Maskierung

    D
                                                                                                                    Die Ergebnisse zeigen, dass es eine Asymmetrie zwischen elektrischer und akustischer Maskierung gibt. Dies
          as Cochlea-Implantat (CI) ist eine implan-        bisherigen Ergebnisse die Erwartungen aber nur          könnte ein Hinweis auf den Ursprung des fundamentalen psychoakustischen Phänomens der Maskierung sein,
          tierbare Innenohrprothese, die es hoch-           teilweise. Einige Patienten verlassen sich aus-         sowohl für CI-Träger als auch für das normalhörende System.
          gradig Schwerhörenden oder Ertaubten              schließlich auf die elektrische Stimulation des CIs
                                                                                                                    untersucht. Einerseits wird analysiert, ob es zu       Stimulation und akustischer Maskierung. In Ab-
    ermöglicht, Klänge zu hören und Sprache zu ver-         und nutzen die zusätzliche akustische Stimulati-
                                                                                                                    einer Anhebung der akustischen Hörschwellen            bildung 2 rechts erkennt man, dass der Maskie-
    stehen. Von einem hinter dem Ohr getragenen             on nicht. Auch die Eingewöhnungsphase bis zum
                                                                                                                    kommt, wenn gleichzeitig elektrische Reize prä-        rungseffekt des akustischen Signals über das
    Sprachprozessor werden akustische Signale auf-          Erlangen des maximalen Sprachverständnisses
                                                                                                                    sentiert werden (elektrische Maskierung). Umge-        gesamte gemessene Frequenzspektrum von ca.
    genommen, digitalisiert, verarbeitet und drahtlos       scheint bei einer EAS Versorgung schwieriger
                                                                                                                    kehrt wird die Auswirkung akustischer Reize auf        6 Oktaven nahezu konstant bleibt. Allerdings fällt
    an das Implantat übertragen. Das CI übernimmt           zu sein als bei einer reinen CI Versorgung. Man
                                                                                                                    die elektrische Stimulation untersucht (akusti-        die Anhebung der Schwelle geringer aus als bei
    dann die Funktion des Innenohrs, indem es den           geht davon aus, dass die elektrischen Reize zeit-
                                                                                                                    sche Maskierung). Die Lage der einzelnen Elek-         akustischer Stimulation und elektrischer Maskie-
8   Hörnerv direkt elektrisch stimuliert.                   versetzt aber auch örtlich diffus die natürlichen,                                                                                                                   9
                                                                                                                    trodenkontakte in der Cochlea lässt sich in einer      rung.
                                                            akustischen Reize überlagern (maskieren).
                                                                                                                    Digitalen Volumentomographie erkennen. Mittels
    Viele Menschen, die ein CI benötigen, leiden un-
                                                                                                                    der Greenwood-Gleichung lässt sich daraus die          Bisher wurde Maskierung bei simultan präsen-
    ter einem hochgradigen Hörverlust im Hochton-           Ziel des Projektes ist es, dieses Phänomen bes-
                                                                                                                    wahrgenommene Tonhöhe für jeden Elektroden-            tierten Reizen untersucht. Für eine umfangreiche
    bereich, verfügen im Tieftonbereich aber noch           ser zu verstehen, um in Zukunft Stimulationsal-
                                                                                                                    kontakt ermitteln. Bei der elektrischen Maskie-        Charakterisierung sind weitere Untersuchungen
    über ausreichendes Restgehör. Für diese Pati-           gorithmen zu entwickeln, mit denen elektrische
                                                                                                                    rung werden nun akustische Töne mit bekannter          notwendig, wie z.B. die Präsentation nicht-simul-
    enten eignet sich eine relativ neue Strategie der       und akustische Stimulation deutlich gewinnbrin-
                                                                                                                    Frequenz einzeln präsentiert. Für jeden akusti-        taner Reize und der Einfluss der Maskierung auf
    Implantatversorgung, die Kombination aus elek-          gender miteinander kombiniert werden können.
                                                                                                                    schen Ton werden dann Tonwahrnehmungen auf             das Sprachverstehen bei EAS-Versorgung. Die
    trischer Stimulation über das Cochlea-Implantat         Um dies zu erreichen, ist die genaue Charakte-
                                                                                                                    elektrischem Weg über einzelne Elektrodenkon-          gewonnenen Erkenntnisse sind vielversprechend
    und akustischer Stimulation des Resthörvermö-           risierung von Maskierungseffekten notwendig.
                                                                                                                    take erzeugt und die erforderliche Mindestlaut-        für verschiedene Bereiche der Hörforschung, an-
    gens über ein Hörgerät (elektrisch-akustische           Hierfür werden an der Medizinische Hochschule
                                                                                                                    stärke (Hörschwelle) für den akustisch erzeugten       gefangen vom fundamentalen Verständnis akus-
    Stimulation, EAS). Es ist zu erwarten, dass die-        Hannover Messverfahren entwickelt und Studien
                                                                                                                    Ton bestimmt.                                          tischer Maskierung des Hörsystems bis hin zu
    se Patientengruppe gerade in schwierigen Hör-           durchgeführt: In psychoakustischen Experimen-
                                                                                                                                                                           klinisch relevanten Anwendungen wie die Verbes-
    situationen von der parallelen Stimulation des          ten wird die Wahrnehmung bei simultaner Sti-
                                                                                                                    Man würde erwarten, dass die Schwelle für die          serung der Klangqualität von EAS-Systemen und
    Resthörvermögens profitiert. Leider erfüllen die        mulation von akustischen und elektrischen Reize
                                                                                                                    Wahrnehmung der akustischen Stimulation umso           die Entwicklung neuer Sprachverarbeitungsstra-
                                                                                                                    höher liegt, je näher der elektrisch erzeugte Ton      tegien, mit denen elektrische und akustische Sti-
                                                                                                                    an der Frequenz des akustischen liegt. In Abbil-       mulation deutlich gewinnbringender miteinander
                                                                                                                    dung 2 links erkennt man, dass dies tatsächlich        kombiniert werden können.
                                                                                                                    der Fall ist und dass die Hörschwelle für das
                                                                                                                    akustisch erzeugte Signal über 1 bis 2 Oktaven-        Ansprechpartner
                                                                                                                    unterschiede zum elektrisch erzeugten maskie-          Jun. Prof. Dr.-Ing. Waldo Nogueira
                                                                                                                    renden Signals auf praktisch Null abnimmt.             Medizinische Hochschule Hannover
                                                                                                                    Interessant ist nun das Pendant bei elektrischer       nogueiravazquez.waldo@mh-hannover.de

                                                                                                                      Zentrale Publikationen

                                                                                                                      B. Krüger, A. Büchner, W. Nogueira (2017), Simultaneous Masking between Electric and Acoustic
                                                                                                                      Stimulation in Cochlear Implant Users with Low Frequency Hearing, Hearing Research, https://
                                                                                                                      doi.org/10.1016/j.heares.2017.06.014

                                                                                                                      M. Imsiecke, B. Krüger, A. Büchner, T. Lenarz, W. Nogueira, Electric-acoustic forward masking in
                                                                                                                      Cochlear Implant users with ipsilateral residual hearing, Hearing Research, (Submitted October
    Abbildung 1: A): Skizze einer EAS-Implantatversorgung. B) typisches Audiogramm eines Patienten, der für diese     2017)
    Strategie in Frage kommt. Hochgradige Schwerhörigkeit im Hochtonbereich und Restgehör im Tieftonbereich.
Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Abbildung 1:
                                                                                                                                                             Lautheitsbewertung von natürli-

     „Das ist mir zu laut!                                                                                                                                   chen Signalen durch eine Gruppe
                                                                                                                                                             Normalhörender (N = 11, grün)
                                                                                                                                                             und eine Gruppe schwerhörender
     Neues Anpasskonzept für Hörgeräte                                                                                                                       Probanden (N = 18, blau).

     H
            eutige Hörgeräte sind Hochleistungscom-         Im Rahmen eines Forschungsprojekts im Exzel-                                                     manche Schwerhörenden werden die Signale als        dige Lautheitssummation werden momentan im
            puter auf kleinstem Raum. Die integrierten      lenzcluster Hearing4all wurde gezeigt, dass eine                                                 leiser wahrgenommen, wohingegen für andere          Bereich der Hörgeräteanpassung in der Praxis
            Signalverarbeitungsalgorithmen reduzie-         Hauptursache darin liegt, dass viele Hörgeräte-                                                  Schwerhörende das Signal als lauter und da-         nicht erfasst und können auch nicht aus beste-
     ren Hintergrundgeräusche, erkennen, in welcher         träger mit zu hohen Verstärkungswerten versorgt                                                  mit als „zu laut“ bewertet wurde. Diese erhöhte     henden diagnostischen Messungen wie dem Au-
     akustischen Situation man sich befindet und ver-       werden, was auf einer etablierten, aber – wie sich                                               Lautheitswahrnehmung ist auf eine erhöhte bi-       diogramm abgeleitet werden. Deshalb wird das
     stärken die Sprache des Gesprächspartners, um          herausstellt – nicht ganz korrekten Modellvor-                                                   naurale Lautheitssummation für breitbandige         trueLOUDNESS-Anpasskonzept im Rahmen von
     den Hörverlust entsprechend zu kompensieren.           stellung zur Lautheitswahrnehmung beruht. Es                                                     Signale zurückzuführen, die nur sichtbar wird,      Forschungsprojekten weiterentwickelt, mit dem
     Zur individuellen Anpassung der Verstärkungs-          wurde nachgewiesen, dass Sinustöne, die sich als                                                 wenn man beide Ohren gleichzeitig vermisst. Hier    Ziel, das Anpassverfahren so weiter zu entwi-
     werte in einem Hörgerät werden Berechnungsvor-         Standardsignale zur Messung der Hörschwelle                                                      muss man individuell bestimmen, ob das Hörge-       ckeln, dass es als Medizinprodukt für Akustiker
10   schriften genutzt, die die Hörschwelle des Patien-     durchgesetzt haben, nicht geeignet sind, um das                                                  rät die Signale noch verstärken sollte oder aber    zur Verfügung steht. Damit werden die Möglich-      11
     ten als Eingabewert verwenden. Die Hörschwelle         Lautheitsempfinden für breitbandige Signale wie                                                  sogar abschwächen müsste, damit ein normales        keiten geschaffen, dass jeder Schwerhörender
     entspricht dem Pegel, bei dem Töne gerade eben         Sprache vorherzusagen. Insbesondere beim Hö-                                                     Lautheitsempfinden wieder hergestellt wird. Ba-     die Chance hat, sich mit den neusten Anpassme-
     noch wahrgenommen werden. Die Anpasskon-               ren mit beiden Ohren werden große Unterschie-                                                    sierend auf binauralen breitbandigen Lautheits-     thoden aus der Forschung versorgen zu lassen.
     zepte haben das Ziel, den Hörverlust zu kompen-        de zwischen Patienten mit sehr ähnlichen Hör-                                                    messungen, die diese natürlichen Signale bes-       Das Ziel ist, dass schon zu Beginn der Versorgung
     sieren und die Sprachverständlichkeit zu verbes-       schwellen gemessen.                                                                              ser abbilden, wurde ein neues lautheitsbasiertes    das Hörgerät mit der trueLOUDNESS-Anpassung
     sern. Hörgeräteträger erfahren nachweislich eine                                                                                                        Anpasskonzept „trueLOUDNESS“ entwickelt, das        auf deutlich besser individuell abgestimmten
     verbesserte Kommunikation. Aber trotz stetiger         In Abbbildung 1 sind unversorgte Lautheitsmes-                                                   diese individuelle Unterschiede berücksichtigt      Verstärkungswerten eingestellt wird, als es bis-
     Weiterentwicklung der Anpasskonzepte wird das          sungen von Normalhörenden und Schwerhö-                                                          und die individuell „richtigen“ Verstärkungswerte   her mit Hörschwellen-basierten Anpasskonzep-
     Empfinden von lauten Signalen mit Hörgeräten           renden gezeigt. Für Signale mit einem geringen                                                   anwendet. Patienten, deren simulierte Hörgerä-      ten möglich ist. Das entwickelte Anpassverfahren
     immer noch schlechter bewertet im Vergleich zur        Pegel sieht man, dass die Signale von Schwer-                                                    te mit trueLOUDNESS angepasst wurden, zeigen        verbessert nicht nur die Hörgeräte-Anpassung
     Situation ohne Hörgerät: Etwa 20% der Hörgerä-         hörenden als leiser wahrgenommen werden als                                                      nach der Versorgung wieder ein natürliches Laut-    bei den ca. 22% lautheitsempfindlichen Hörge-
     teträger sind unzufrieden mit dem Hörkomfort bei       von Normalhörenden. Bei Signalen mit einem                                                       heitsempfinden. Dabei unterscheiden sich die er-    räteträgern, sondern empfiehlt auch deutlich
     lauten Signalen („Das ist mir zu laut!“).              hohen Pegel ist das Bild nicht einheitlich. Für                                                  mittelten Verstärkungswerte von trueLOUDNESS        höhere Verstärkungswerte als konventionelle
                                                                                                                                                             sehr deutlich von den etablierten Anpasskon-        Anpassungen für die Hörgeräteträger mit einem
                                                                                                                                                             zepten. Bei einigen Probanden war eine negative     unempfindlichen Gehör (ca. 17%).
                                                                                                                                                             Verstärkung notwendig, um ein natürliches Laut-
                                                                                                                                                             heitsempfinden zu erreichen. Andere Probanden
                                                                                                                                                             zeigten Verstärkungswerte deutlich oberhalb der
                                                                                                                                                             etablierten Anpasskonzepte, damit ein natürli-
                                                                                                                                                             ches Lautheitsempfinden erreicht wurde.             Ansprechpartner
                                                                                                                                                                                                                 Dr. Dirk Oetting
                                                                                                                                                             Diese für die Anpassung von Hörgeräten wichti-      HörTech gGmbH
                                                                                                                                                             gen Informationen über die binaurale breitban-      d.oetting@hoertech.de
                                                                                                                 © shutterstock.com / TunedIn by Westend61

                                                                                                                                                              Zentrale Publikationen

                                                                                                                                                              Oetting, D., Hohmann V., Appell, J.-E., Kollmeier B., Ewert S. D. (2016) Restoring loudness percep-
                                                                                                                                                              tion in hearing-impaired listeners, (submitted to Ear and Hearing)

                                                                                                                                                              Oetting, D., Hohmann V., Appell, J.-E., Kollmeier B., Ewert S. D. (2016) Spectral and binaural loud-
                                                                                                                                                              ness summation in hearing-impaired listeners. Hearing Research 335, 179-192.
     Beim Hören mit zwei Ohren sind die Lautheits-Unterschiede größer als erwartet.
Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Das geht unter die Haut
                                                                                                                      Darstellung eines geschlossenen Regelkreises. Links
     Epidurale Ableitungen zur Feinansteuerung des CI                                                                 im Bild die Aufzeichnung der Signale, der sich in die-
                                                                                                                      ser Projektstufe besonders gewidmet wird.

     A
            ktuell hat ein Cochlea-Implantat (CI)-Trä-         nicht wegdrehen, oder er möchte einer leise            Noch bequemer und praktischer für den Pati-              Vergleich wird parallel mit dem klinischen Stan-
            ger nur wenige Möglichkeiten, sein CI im           sprechenden Person zuhören, während der au-            enten ist es, wenn die Messelektroden unter der          dardaufbau gemessen. Dies geschieht über Kle-
            Alltag an die aktuelle Hörsituation an-            tomatische Erkennungsalgorithmus des CI eine           Haut oder sogar unter dem Knochen angebracht             beelektroden, die auf der Stirn und hinter den Oh-
     zupassen. Er kann letztlich – je nach Hersteller          laut sprechende Person auswählt.                       sind. In diesem Fall muss der Patient nichts hin-        ren auf die Haut geklebt werden. Nach mehreren
     – mit oder ohne Fernbedienung verschiedene                                                                       ter seinem Ohr tragen. Auch kann dabei eine we-          Tagen können die Messelektroden ohne erneute
     Einstellungen wie z.B. Lautstärke und Mikrofon-           Forscher des Exzellenzclusters Hearing4all ha-         sentlich bessere Signalqualität erwartet werden          Narkose entfernt werden, da die Form der Elek-
     empfindlichkeit ändern oder bestimmte Vorver-             ben sich nun zum Ziel gesetzt, eine Technologie zu     als bei einer Messung auf der Haut. Diese Varian-        troden komplett glatt ist. Für den Patienten fühlt
     arbeitungsalgorithmen auswählen, z.B. für Mu-             entwickeln, mit denen die Implantate oder Hörge-       te bietet sich insbesondere im Falle von CIs an, da      sich das in etwa so an wie das Ziehen eines Drai-
     sik oder Sprache. Dies ist jedoch für kurzfristige        räte per Gedankenkraft des Nutzers schnell auf         hier sowieso ein operativer Eingriff vorgenommen         nageschlauches nach einer Blinddarmoperation.
12   Anpassungen sehr unpraktisch, beispielsweise              die jeweilige Situation eingestellt werden können.     wird, so dass in derselben Operation auch direkt         Bis jetzt wurde die Studie mit neun Patienten        13
     für Gruppenunterhaltungen, wo der CI-Träger zu-           Hierfür soll über ein Brain-Computer-Interface         die Messelektroden implantiert werden können.            durchgeführt. Im Vergleich zum klinischen Stan-
     nächst einer bestimmten Person zuhören möch-              (BCI) ein auditorischer Regelkreis realisiert wer-     Gegebenfalls können diese Messelektroden di-             dardaufbau zeigte sich bei allen neun Patienten
     te, dann aber einer anderen Person. Das normale           den: durch Messungen der elektrischen Aktivität        rekt in das CI integriert werden. In einem ersten        auf den epiduralen Messelektroden eine deutlich
     Gehör kann hier den gewünschten Sprecher aus-             des Gehirns soll z.B. erfasst werden, welchem          Schritt muss jedoch untersucht werden, ob der            bessere Signalqualität mit weniger Störungen.
     wählen und verstärken sowie alle anderen (in dem          Gesprächspartner der Hörgeräte- oder CI-Trä-           Ansatz so gut funktioniert wie erhofft.                  Die erwarteten Reizantworten fielen bei allen
     Moment unerwünschten) Sprecher ausblenden.                ger zuhören möchte, um daraufhin das CI auto-                                                                   Patienten klarer aus und konnten auch bei nied-
                                                               matisch einzustellen. Die Arbeitsgruppe um Prof.       Das Projekt ist die weltweit erste Machbarkeits-         rigeren Stimulationsintensitäten nachgewiesen
     Es gibt bereits heute in den CIs automatische An-         Debener im Exzellenzcluster verwendet hierzu           studie, bei der neben dem CI drei einzelne Mess-         werden.
     passungen, z.B. wird mit Richtmikrofonen derje-           ein unauffälliges C-förmiges Multisensorarray,         lektroden unter dem Knochen auf der Hirnhaut
     nige Sprecher verstärkt, in dessen Richtung der           welches hinter dem Ohr aufgeklebt wird und zur         („epidural“) aufgelegt werden. Die exakten Po-           Im nächsten Schritt sollen unter Anwendung un-
     CI-Träger seinen Kopf dreht. Allerdings haben             Ansteuerung von Hörgeräten verwendet werden            sitionen der drei Elektroden werden am Tag vor           terschiedlicher akustischer Reize die optimalen
     auch diese Systeme im Alltag noch Schwächen.              soll.                                                  der Operation anhand der Bildgebung (Magnetre-           Positionen für die zu implantierenden Elektro-
     Beispielsweise darf der CI-Träger seinen Kopf                                                                    sonanztomographie, MRT) festgelegt und in der            den herausgefunden werden. In Zukunft sollen
                                                                                                                      Operation navigationsgestützt aufgesucht. Die            Messelektroden direkt an das CI angeschlossen
                                                                                                                      drei Kabel werden dann durch die Haut hinaus-            werden mit dem Ziel, einen voll integrierten ge-
                                                                                                                      geführt.                                                 schlossenen auditorischen Regelkreis zu erhal-
                                                                                                                                                                               ten.
                                                                                                                      In den Tagen nach der Operation werden Studi-
                                                                                                                      enmessungen durchgeführt, in denen das CI mit            Ansprechpartner
                                                                                                                      akustischen Reizen stimuliert wird und über die          Dr. Sabine Haumann,
                                                                                                                      epiduralen Messelektroden die entsprechende              Medizinische Hochschule Hannover
                                                                                                                      elektrische Hirnaktivität gemessen wird. Zum             haumann.sabine@mh-hannover.de

                                                                                                                        Zentrale Publikationen

                                                                                                                        S. Haumann, G. Bauernfeind, M.G. Bleichner, M.J. Teschner, S. Debener, T. Lenarz (2016): Epidural
                                                                                                                        Recordings of Auditory Evoked Potentials in Cochlear Implant Users – First Experiences. Journal
                                                                                                                        of Otology & Rhinology 5(5), DOI: 10.4172/2324-8785.1000292.

                                                                                                                        S. Haumann, G. Bauernfeind, M. Bleichner, M. Teschner, S. Debener, T. Lenarz (2016). Track U.
     Intraoperative Ansicht: Hier wurde ein CI auf einer rechten Seite eingesetzt. Im Bild sind die drei Messelekt-     Epidural Recordings of Auditory Evoked Potentials in Cochlear Implant Users – First Cases. Jour-
     rodenkabel für die Messpositionen „Cranial anterior“, „Cranial medial“ und „Cranial posterior“ zu sehen. Die       nal of Biomedical Engineering 61(s240), DOI: 10.1515/bmt-2016-5019
     eigentlichen Messkontakte liegen bereits unter dem Knochen.
Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Kampf dem Nachhall                                                                                          Wahrnehmungsexperimente zeigten, dass die entwickel-
                                                                                                                 ten Algorithmen sowohl die Sprachverständlichkeit ver-
     Binaurale Geräuschunterdrückung und Enthallung für Hörgeräte                                                bessern als auch den räumlichen Höreindruck erhalten.

     B
            ei vielen Anwendungen für sprachliche           gnalverarbeitung, da alle Mikrofonsignale beider     rithmen zu integrieren, wodurch die Leistung für         werb „REVERB challenge“ bezüglich der Gesamt-
            Kommunikation, wie z.B. in Hörgeräten,          Hörgeräte genutzt werden können, als auch im         komplexe und hoch zeitvariante akustische Sze-           sprachqualität die besten Bewertungen – ein
            sprachgesteuerten Systemen und in der           Hinblick auf die räumliche Wahrnehmung, da es        nen weiter verbessert wird. Weiterhin erforschen         Ergebnis, mit dem wir äußerst zufrieden waren.
     Freisprechtelefonie, befinden sich die Mikrofo-        dem auditorischen System ermöglicht, binaurale       Prof. Doclo und sein Team die Einbindung exter-          Weiterhin entwickelten wir für die Sprachenthal-
     ne typischerweise in einem großen Abstand zum          Information auszunutzen. „Obwohl viele beste-        ner Mikrofone, die z.B. auf einem Tisch liegen           lung mit mehreren Mikrofonen einen Lösungsan-
     Sprecher. Deshalb enthalten die aufgezeichneten        hende Algorithmen zur binauralen Sprachverbes-       und zusätzlich zu den Mikrofonen des Hörgeräts           satz, der auf mehrkanaliger linearer Prädiktion
     Mikrofonsignale nicht nur die gewünschte Spra-         serung Störgeräusche und Nachhall ziemlich gut       benutzt werden. Die ersten Ergebnisse bezüglich          beruht und die Spärlichkeit von Sprachsignalen in
     che, sondern auch Umgebungsgeräusche und               unterdrücken können, erhalten sie oftmals nicht      der Störgeräuschreduzierung sowie der Erhal-             der Zeit-Frequenzebene ausnutzt. Anhand dieses
     Nachhall. Störgeräusche und Nachhall haben             die binauralen Merkmale aller Schallquellen ei-      tung der binauralen Merkmale sind vielverspre-           Ansatzes können wir die Nachhallkomponenten
14   eine verminderte Sprachqualität und Sprach-            ner akustischen Szene,“ erläutert Doclo. Dies ist    chend.                                                   schätzen und von den halligen Mikrofonsignalen       15
     verständlichkeit zur Folge, nicht nur für hör-         eindeutig unerwünscht, da der Höreindruck der                                                                 subtrahieren, was zu beeindruckenden Ergebnis-
     geschädigte, sondern auch für normalhörende            akustischen Szene dann verzerrt wiedergegeben        Neben Störgeräuschen ist Nachhall ein weite-             sen führt.“
     Menschen. Auch bei der automatischen Sprach-           wird, was in einigen Situationen (z.B. im Verkehr)   rer wichtiger Faktor, der die Sprachqualität bei
     erkennung beeinträchtigen Störgeräusche und            sogar gefährlich sein kann. Kürzlich ist es den      sprachlicher Kommunikation aus einiger Ent-              Seit letztem Jahr können diese Algorithmen in ei-
     Nachhall die Leistungsfähigkeit.                       Forschern gelungen, Algorithmen zur binauralen       fernung beeinflusst. Er wird durch akustische            nem neuen Akustiklabor mit variabler Nachhall-
                                                            Geräuschunterdrückung zu entwickeln, die so-         Reflektionen, z.B. von den Wänden eines Raums,           zeit im NESSY-Gebäude in Oldenburg getestet
     Prof. Dr. Simon Doclo und sein Team entwickelten       wohl die binauralen Merkmale des Zielsprechers       verursacht. Das Ziel von Algorithmen zur Ent-            werden. Mit rotierbaren Panelen mit absorbieren-
     im Rahmen des Exzellenzclusters verschiedene           als auch die binauralen Merkmale der Restgeräu-      hallung ist es, das Sprachsignal „blind“ aus den         dem Material auf der einen Seite und reflektie-
     Algorithmen zur Sprachverbesserung, um diese           sche erhalten. Die Parameter dieser Algorithmen      halligen Mikrofonaufnahmen zu schätzen. „Da              rendem Material auf der anderen Seite kann die
     Probleme zu lösen. Speziell im Bereich der bin-        wurden auf der Basis von psychoakustischen Kri-      offensichtlich weder das reine Sprachsignal noch         Nachhallzeit innerhalb von wenigen Minuten von
     auralen Geräuschunterdrückung und Enthallung           terien optimiert und Wahrnehmungsexperimen-          der Nachhall in der Praxis bekannt sind, galt die        0,2 s auf 1,2 s geändert werden. „Es gibt nur we-
     bei Hörgeräten wurden in den letzten Jahren            te zeigten, dass die entwickelten Algorithmen        Enthallung bis vor ein paar Jahren als ein sehr          nige Labore weltweit, in denen die Nachhallzeit in
     wichtige Erfolge erzielt.                              sowohl die Sprachverständlichkeit verbessern         schwieriges Problem der akustischen Signalver-           einer so großen Spanne so schnell verändert wer-
                                                            als auch den räumlichen Höreindruck erhalten.        arbeitung,“, so Doclo. „In den letzten Jahren gab        den kann,“ erklärt Doclo. „Aus diesem Grund ist
     Das Tragen von Hörgeräten in beiden Ohren bietet       Aktuelle Forschung hat das Ziel, die rechnerge-      es einige wichtige Fortschritte, nicht nur in un-        dieses Labor für die Weiterentwicklung und Va-
     einen wichtigen Vorteil, sowohl hinsichtlich der Si-   stützte akustische Szenenanalyse in diese Algo-      serer Arbeitsgruppe, sondern auch bei anderen            lidierung unserer Algorithmen äußerst wichtig.“
                                                                                                                 Forschungsgruppen weltweit. Zur Sprachenthal-
                                                                                                                 lung mit einem einzigen Mikrofon entwickelten
                                                                                                                 wir zusammen mit der Fraunhofer Projektgrup-             Ansprechpartner
                                                                                                                 pe für Hör-, Sprach- und Audiotechnologie einen          Prof. Dr. Simon Doclo
                                                                                                                 spektral-temporalen Filteralgorithmus. Dieser            Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
                                                                                                                 Algorithmus erhielt im internationalen Wettbe-           simon.doclo@uni-oldenburg.de

                                                                                                                   Zentrale Publikationen

                                                                                                                   D. Marquardt, V. Hohmann, S. Doclo, Interaural Coherence Preservation in Multi-channel Wiener
                                                                                                                   Filtering Based Noise Reduction for Binaural Hearing Aids, IEEE/ACM Trans. Audio, Speech and
                                                                                                                   Language Processing, vol. 23, no. 12, pp. 2162-2176, Dec. 2015.

                                                                                                                   A. Jukic, T. van Waterschoot, T. Gerkmann, S. Doclo, A general framework for incorporating time-fre-
                                                                                                                   quency domain sparsity in multi-channel speech dereverberation, Journal of the Audio Engineering
                                                                                                                   Society, vol. 65, no. 1/2, Jan./Feb. 2017, pp. 17-30.
     Akustisches Labors mit variabler Nachhallzeit
Hearing4all Die Zukunft des Hörens - www.hearing4all.de
Klein aber „oho“
     Der KAVUAKA Hörgeräte-Prozessor                                                                                      Der Chip hat eine Fläche von ungefähr 3.5 mm2.

     D
             urch kontinuierliche Forschung und neue                                                           leistung des Prozessors zu optimieren. Es konnte      teriebetrieb getestet werden. Die Entwicklungs-
             technologische Entwicklungen werden                                                               gezeigt werden, dass KAVUAKA effizienter rech-        plattform bietet eine Bluetooth-Schnittstelle zur
             die Signalprozessoren digitaler Hörgerä-                                                          net als vergleichbare Hörgeräte-Prozessoren. Da       drahtlosen Kommunikation mit dem Hörgerät
     tesysteme immer leistungsfähiger und energie-                                                             ein Hörgeräteprozessor durch unterschiedliche         über Smartphone oder Tablet. Auf diese Weise
     effizienter. Dadurch wird der Einsatz neuartiger                                                          Priorisierung der Optimierungsziele in Form von       können beispielsweise die Algorithmen gesteu-
     und rechenintensiver Algorithmen für effektivere                                                          Rechenleistung, Verlustleistung und Chipfläche        ert werden. Es gibt des Weiteren die Möglichkeit,
     Signalverarbeitung möglich. Das Hörgerät der                                                              unterschiedlich optimiert werden kann, ist in die-    den aktuellen Stromverbrauch des Prozessors im
     Zukunft soll intelligenter werden, beispielweise                                                          sem Projekt ein System-on-Chip (SoC) entworfen        laufenden Betrieb zu ermitteln.
     relevante sprechende Personen in komplexen                                                                worden. Das entwickelte System-on-Chip ist als
16   akustischen Umgebungen erkennen und heraus-                                                               Blockschaltbild in Abbildung 1 gezeigt.               In der letzten Phase des Projekts wird das SoC      17
     filtern, um die individuelle Hörfähigkeit des Hör-                                                                                                              mit den vier KAVAUKA Prozessoren als Chip ge-
     geräteträgers weiter zu verbessern. Damit ein                                                             Das SoC besteht aus vier unterschiedlich opti-        fertigt. Die verwendete Chip-Technologie ist für
     solches Hörgerätesystem unter den limitieren-        Abbildung 2: Rapid Prototyping System Test des KA-   mierten Versionen des KAVUAKA-Prozessors.             eine niedrige Verlustleistung ausgelegt und hat
                                                          VUAKA SoC mit dem Lokalisierungsalgorithmus aus
     den Faktoren wie der geringen Batterielaufzeit                                                            Diese können separat oder gleichzeitig aktiviert      eine Strukturgröße von 40 nm. Der Chip hat eine
                                                          dem Cluster unter realen Bedingung.
     und den einschränkenden kleinen Bauformen die                                                             werden, um die Rechenleistung zu erhöhen oder         Fläche von ungefähr 3.5 mm2. Die Leistungsauf-
     geforderte Rechenleistung bereitstellt, wurde im     erfolgte durch das Einfügen komplexer angepass-      die Verlustleistung zu minimieren. Um Fehler in       nahme wird wenige tausendstel Watt betragen.
     Exzellenzcluster Hearing4all erforscht, wie die      ter Instruktionen in den Basisinstruktionssatz.      der Architektur zu vermeiden, ist der SoC unter       Die in diesem Projekt durchgeführte Forschung
     Prozessorarchitektur eines Hörgerätesystems          Nennenswerte Erweiterungen sind eine Multipli-       realen Bedingungen mit Algorithmen aus dem            und deren Ergebnisse rund um das Thema Hör-
     anhand der Algorithmen konzipiert und optimiert      kations-Additions-Einheit, die sowohl mit reellen    Cluster getestet worden, indem der SoC mit            geräteprozessor können dann mit dem Chip, als
     werden kann.                                         als auch mit komplexen Zahlen rechnen kann,          Dummy-Hörgeräten verbunden wurde und typi-            fertiges Produkt, gezeigt werden.
                                                          Architekturen für Verlustleistungsoptimierungen      sche Hörsituationen nachgestellt worden sind
     Der in diesem Projekt entwickelte Hörgerä-           bei Registerzugriffen und ein Audio-Interface für    (Abbildung 2).
     te-Prozessor KAVUAKA ist ein sogenannter appli-      eine geringe Latenz. Während der Entwicklungs-                                                             Ansprechpartner
     kationsspezifischer Instruktionssatz-Prozessor       phase von KAVUAKA sind viele Entwurfsraumun-         Der gesamte SoC wurde in diesem Fall mit Hil-         Prof. Dr.-Ing. Holger Blume
     (ASIP). Die generische Basisprozessorarchitektur     tersuchungen mit Hilfe von Simulationen durch-       fe eines Rapid Prototyping Systems emuliert und       Leibniz Universität Hannover
     wurde anhand der im Cluster entwickelten Algo-       geführt worden, um anhand der verschiedenen          mit einer eigenständig dafür entwickelten Hörge-      blume@ims.uni-hannover.de
     rithmen angepasst und optimiert. Die Anpassung       Algorithmen die Rechenleistung und die Verlust-      räte-Entwicklungsplatform gekoppelt, um sämt-
                                                                                                               liche Funktionalität zu testen. Zur Fertigstellung    Jun.-Prof. Dr.-Ing. Guillermo Payá Vayá
                                                                                                               des SoC als Chip kann dieser mit der Entwick-         Leibniz Universität Hannover
                                                                                                               lungsplattform und Dummy-Hörgeräten im Bat-           guipava@ims.uni-hannover.de

                                                                                                                Zentrale Publikationen

                                                                                                                Gerlach, L.; Marquardt, D.; Payá Vayá, G.; Liu, S.; Weißbrich, M.; Doclo, S.; Blume, H. (2017): Analy-
                                                                                                                zing the Trade-Off between Power Consumption and Beamforming Algorithm Performance using a
                                                                                                                Hearing Aid ASIP, 2017 International Conference on Embedded Computer Systems: Architectures,
                                                                                                                Modeling, and Simulation (SAMOS XVII), IEEE

                                                                                                                Seifert, C.; Thiemann, J.; Gerlach, L.; Volkmar, T.; Payá-Vayá, G.; Blume, H.; van de Par, S. (2017):
                                                                                                                Real-Time Implementation of a GMM-Based Binaural Localization Algorithm on a VLIW-SIMD
                                                                                                                Processor, International Conference on Multimedia and Expo (ICME) 2017, IEEE DOI: 10.1109/
     Abbildung 1: Der KAVUAKA System-on-Chip (SoC) bestehend aus vier einzelnen KAVUAKA Prozessoren.            ICME.2017.8019478
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                                                                                                                 Selbstkrümmender Versuchsschaft einer CI-Elektrode im 1:1-Modell der menschlichen Cochlea. Unmittelbar
     Hydrogelelektrode – ein neuer Ansatz zur Realisierung                                                       nach dem Einsetzen/der Insertion (links) und nach 7 Tagen (rechts). Man sieht, dass sicht die Elektrode deutlich
                                                                                                                 besser anschmiegt.
     einer atraumatischen Elektrode

     C
            ochlea-Implantate vermögen Menschen mit         Wand der Scala Tympani des Innenohrs. Dadurch        ren Rands positioniert ist. Beim Einführen in die         Kontakt mit einem CI-Elektrodenhersteller ge-
            hochgradiger innenohrbedingter Schwer-          ist die Entfernung der Elektroden zum Hörnerven      Scala Tympani quillt das Hydrogel durch die dort          sucht haben. Gemeinsam mit Advanced Bionics
            hörigkeit, durch eine elektrische Stimu-        größer, als wenn sich die Elektrode an die Innen-    vorhandene Perilymphflüssigkeit auf und indu-             haben wir unseren Aktuationsmechanismus in
     lation im Innenohr ein künstliches Hören zu er-        seite der Scala Tympani anschmiegen würde.           ziert den sogenannten intrinsischen bimorphen             einen konventionellen Fertigungsprozess einbin-
     möglichen. So kann nach entsprechender Ein-            Ferner besteht die Gefahr, dass der Elekroden-       Biegeeffekt. Man kann sich das ähnlich vorstel-           den können. Gemeinsam ließ sich der Nachweis
     gewöhnung und gezieltem Training häufig ein            träger an bestimmten Stellen empfindliche bio-       len wie bei einem Bimetallstreifen, bei dem durch         dafür erbringen, dass sich herkömmliche CI mit
     akzeptables Sprachverstehen erreicht werden.           logische Strukturen verletzt und damit ein häufig    Erwärmung eine Krümmung hervorgerufen wird,               Platinplättchen und -drähten in die geforderte
                                                            noch vorhandenes Restgehör abhanden kommt.           was in elektrischen Geräten häufig als wärmege-           Krümmung bewegen lassen.
     Obwohl das menschliche Gehör über mehr als             Weiterentwicklungen von Implantaten durch die        steuerter Schalter zum Einsatz kommt.
18   3500 unterschiedliche Frequenzkanäle verfügt,          Hersteller widmen sich insbesondere dem me-                                                                    Natürlich sind solche Translationsphasen der             19
     ist die Frequenzauflösung bei der Stimulation          chanischen Verhalten bei der Einführung in die       Da ein eigenständiges Hydrogelkompartiment in             biomedizinischen Geräteentwicklung immer mit
     über ein Cochlea-Implantat bescheiden. Selbst          Cochlea, und versuchen, den Elektrodenschaft so      Bezug auf die Haltbarkeit als zu gering eingestuft        zusätzlichen Fragestellungen verbunden. Mit der
     wenn Implantate bis zu 22 stimulierende Elekt-         zu konstruieren, dass das Risiko einer Verletzung    wurde – es sollte über die gesamte Lebenssdauer           kürzlich erfolgten Berufung der Gruppe an das
     roden enthalten, ist die Anzahl gleichzeitg aktiver    geringer wird (sog. atraumatische Elektrode).        des Patienten seine Funktion bewahren – wurde             Hannoversche Fraunhofer-Institut ITEM arbeiten
     Kanäle auf maximal 8 limitiert. Die Begrenzung         Moderne Elektrodenschäfte verfügen deshalb           ein Verfahren entwickelt, mit dem es gelingt, bei         die Forscher nun gemeinsam an den Aspekten der
     der Wahrnehmung unterschiedlicher Tonhöhen             über eine gewisse Vorbiegung und werden über         der Fertigung des Silikonmantels das Hydrogel in          Biokompatibilität, die sich aus der Vermischung
     liegt also nicht in der zu geringen Anzahl elek-       ein Führungsstilett eingeführt. Dabei schmiegt       den äußeren Teil des Mantels einzumischen. Auf            verschiedener Materialien ergeben, an der Lang-
     trischer Kontakte begründet. Vielmehr wird die         sich der Elektrodenschaft aber nur partiell an ei-   diese Weise kann das Hydrogel fest im Silikon ver-        zeitstabilität, der letzten fehlenden Krümmung
     Frequenzauflösung durch die Überlagerung der           nigen Punkten an den Modiolus an. Ein Elektro-       ankert werden, so dass es sich nicht mit der Zeit         der Elektrodenspitze und – für die Zukunft – an
     elektrischen Felder der einzelnen Elektroden-          denschaft, der sich über die gesamte Länge an        ablöst. Dabei bestand aber das grundsätzliche             der Möglichkeit einer automatisierten Fertigung
     kotakte beschränkt. Dabei spielt die Entfernung        den Modiolus anschmiegt, konnte bisher bei kei-      Problem, dass sich ein hydrophobes Material wie           selbstkrümmender CI-Schäfte auf Grundlage von
     der Elektrodenkontakte zu den zu stimulierenden        ner Elektrode realisiert werden.                     Silikon nicht mit einem hydrophilen Material wie          individuellen anatomischen Patientendaten.
     Spiralganglien des Hörnerven, der entlang der                                                               Hydrogel vermischen lässt. Das Problem konn-
     zentralen Schneckenachse (Modiolus) verläuft,          Unser Ansatz besteht nun darin, das Quellverhal-     te dadurch gelöst werden, dass das Hydrogel in
     eine große Rolle.                                      ten eines Hydrogels, das in Kontakt mit Wasser       Form eines trockenen Pulvers in das Silikon-Pre-          Ansprechpartner
                                                            steht, gezielt zu nutzen, um eine krümmende          polymer eingebracht wird. Durch fortschrittliche          Prof. Dr. Theodor Doll
     Auch wenn sie gezielt auf geringe Steifigkeit hin      Bewegung des Elektrodenschafts zu bewirken.          Mahltechniken konnten wir Mikroteilchenfrakti-            Medizinische Hochschule Hannover
     optimiert wurden, so widersetzen sich herkömm-         Hierbei ist es uns gelungen, ein Hydrogel-Kom-       onen von Hydrogelpulvern erreichen, mit denen             Doll.theodor@mh-hannover.de
     liche CI-Elektrodenschäfte bei der Implantation        partiment in einen CI-Schaft auf Silikonbasis ein-   sich sowohl die Wasseraufnahme als auch die
     der Biegung und schmiegen sich an die äußere           zubringen, und zwar so, dass es nahe des äuße-       Homogenität der Krümmung kontrollieren ließen.            Dipl.-Ing. Jan Stieghorst
                                                                                                                 Das Verhalten unserer Hydrogelelektrodenschäf-            Medizinische Hochschule Hannover
                                                                                                                 te ist dermaßen vielversprechend, dass wir den            stieghorst.jan@mh-hannover.de

                                                                                                                   Zentrale Publikationen

                                                                                                                   Stieghorst J, Doll T.: Dispersed Hydrogel Actuator for Modiolar Hugging Cochlear Implant Electro-
                                                                                                                   de Arrays. IEEE Trans Biomed Eng. 2016 Nov;63(11):2294-2300. Epub 2016 Feb 3.

                                                                                                                   Stieghorst J, Tegtmeier K, Aliuos P, Zernetsch H, Glasmacher B, Doll T: Self-bending hydrogel
                                                                                                                   actuation for electrode shafts in cochlear implants. PHYSICAL STATUS SOLIDI A- APPLICATION
     Mit Advanced Bionics neuentwickelte CI-Elektrode mit Hydrogel-Aktor für modioläres Anschmiegen. (Bild mit     AND MATERIAL SCIENCE. Volume 211, Issue 6, June 2014, Pages 1455–1461
     freundlicher Genehmigung der Advanced Bionics GmbH, Hannover)                                                 :
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