Helfen. Zukunft geben! - Fördern - Brost-Stiftung
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Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Vorwort Immer wieder Anfang kennen, brachliegende Ressourcen zu aktivieren und die „Region“ als attraktiven Lebensraum zu fördern. Frei nach Bertolt Brecht machen Zehn Jahre Brost-Stiftung. Das rechtfertigt ein Jahrbuch, nicht nur die wir uns von ihr ein Bild und wollen, dass sie ihm ähnlicher wird. Dokumentation einer Etappe. Es ist auch Gelegenheit und Ort einer Selbstbefragung. Was sind und zu welchem Ende gibt es Stiftungen? Im letzten Jahr war die Pandemie ein scharfer Gegner. Ein Winzling Sie sind wichtiges Element der Bürgergesellschaft. aus wenigen Eiweißmolekülen versetzte dieses Land – und die ganze Welt – in einen Dauerstress. Ohne die geringsten moralischen Skrupel Geschützt und gestützt durch Verfassung, Gesetze und staatliche Insti- tötete er Millionen Menschen, warf Unzählige aus der Bahn, richte- tutionen agieren sie in den Zwischenräumen der Gesellschaft. Sie ent- te flächendeckenden Flurschaden in Wirtschaft und Kultur an. Alle decken Defizite und nicht genutzte Möglichkeiten. Sie warten nicht Kräfte waren gefordert, viele waren überfordert, die besondere Natur auf Steuerung durch Politiker und deren Anleitung. Die Präambel des Angreifers zu entziffern und geeignete Abwehrstrategien zu entwi- ihrer Satzung bekennt sich vielleicht zum großen Ganzen, ihre Projekte ckeln. In schonungsloser Klarheit zeigten sich Stärken und Defizite. entdecken und bearbeiten jedoch das Konkrete, Spezielle und Akute. Man könnte beklagen, was alles durch Corona ver- oder behindert Wenn sie sich ernst nehmen und treu bleiben, sind sie nicht statischer wurde. Wir freuen uns, wie vieles trotzdem zustande kam. So konnten Besitz, sondern dynamisches Werkzeug. Sie sind nahe an den Graswur- wir größte Not lindern helfen („Wir im Revier“) und kreative Wege im zeln, können rasch und flexibel handeln, angstfrei experimentieren Pandemiemanagement nutzen (3-D-Brillen / Musik am Nachmittag und sich mit Gleichgesinnten verbünden. Sie dürfen sich aber keiner draußen vor den Heimen / Lernhilfe beim Homeschooling im Haus politischen Partei oder Gruppierungen verpflichten. Auch deshalb ist Eintracht). Auch das Projekt „Ruhrgebiet besser machen“ konnten ihnen von der Allgemeinheit, die unser Gemeinwesen finanziert, Steu- wir gegen Corona umsetzen bis hin zu konkreten Maßnahmen wie erfreiheit geschenkt worden. Ihre Entscheidungswege sind kurz, der bü- den interkulturellen Stadtspaziergang, neue Graffitigestaltung und rokratische Aufwand gering. Lange bevor sich die Mühlen staatlicher Baumscheibenpatenschaften in den Partnerstädten. Zusammen mit Behörden knirschend in Gang setzen und oft nicht wissen, woher der dem Initiativkreis Ruhr und dem Verkehrsministerium entstanden Wind weht, backen Stiftungen schon das Brot. Impulse für die Mobilität der Zukunft in einer menschenfreundlichen Urbanität. Im demokratischen Staat sind sie nicht Zutat, nicht das von einer gnä- digen Obrigkeit genehmigte Petersiliensträußchen auf der Schlachtplat- Das Buchprojekt „Die Ruhr und ihr Gebiet“ wurde ein großer Erfolg. te, sondern das beim Wort genommene System. „Die Bürgergesellschaft In zwei Bänden öffnete sich hier ein – für Augen, Verstand und Herz – ist mächtiger Kustode der bürgerlichen Freiheiten und Rechte. Es ist die begehbarer Raum, wo sich Vergangenheit und Gegenwart, Natur und Zivilgesellschaft, die immer wieder neue Räume bürgerlicher Freiheit Kultur, Arbeit und Freizeit die Hände geben. – Schließlich hatte auch erschließt, erobert, einnimmt oder vergrößert, Räume, die immer neu der junge Brost-Ruhr Preis einen viel beachteten Start. Mit Innen- in Bewegung sind. Sie bewahrt die Grundrechte, indem sie immer wie- minister Herbert Reul und dem vormaligen WDR-Intendanten Fritz der das Verhältnis des Einzelnen zu seinem Staat herausfordert und Pleitgen wurden Persönlichkeiten geehrt, die dem Revier markante oftmals neu justiert. Die Zivilgesellschaft geht bei gesellschaftlichen Konturen gegeben haben. Dem Statut gemäß kam das Preisgeld ge- Lange bevor sich die Mühlen staatlicher Behörden Entwicklungen voran, sie ist der Impulsgeber des Wandels, sie gestaltet meinnützigen Initiativen zugute. Der großartige Metropolenschreiber knirschend in Gang setzen und oft nicht wissen, woher den Prozess.“ (Michael Göring) Dr. Wolfram Eilenberger konnte noch vielen Menschen ohne Maske der Wind weht, backen Stiftungen schon das Brot.“ begegnen und vieles erleben. Er lässt uns an seinen Eindrücken teilha- Prof. Bodo Hombach Wie wichtig diese Struktur des demokratischen Staates ist, zeigt sich ben. Sein Nachfolger Ariel Magnus ist durch das Virus eingeengt, nicht auch daran, dass sie autokratischen Systemen immer ein Dorn im Auge isoliert, aber doch gefesselt worden. Auf seine Reflexionen aus schwie- ist. Nach der Machtübernahme steht sie ganz oben auf der Abschusslis- riger Zeit dürfen wir uns besonders freuen. te. Sie wird diffamiert, behindert, bedroht und zuletzt verboten. Ich habe hier keinen Vollständigkeitsanspruch. Stiftungen unterscheiden sich von lockeren und flüchtigen Formen der Mit Freude und Genugtuung dürfen wir auf dieses erste Jahrzehnt zu- Bürgerbeteiligung. Wie diese sind sie dynamischer Faktor, haben aber rückblicken. Aus tastenden Versuchen wurden gezielte Maßstäbe und durch ihren gesetzlichen Rahmen, ihre Satzung und eine geregelte Ent- geübte Verfahren. So wie hier das Lebenswerk der Anneliese Brost über scheidungsfindung eine höhere Konsistenz und Nachhaltigkeit, sogar ihren Tod hinaus weiter besteht, so ist auch die Bilanz der zehn Jahre einen Ewigkeitsanspruch. Damit verstetigen sie Positionen und Ent- „work in progress“. Der Rückblick ist Ausblick. Prof. Bodo Hombach wicklungen über den aktuellen Anlass hinaus. – Natürlich dürfen sie keine Ziele unterstützen oder gar selbst verfolgen, die der verfassungs- „Immer wieder Anfang“. Das wäre ein gutes Motto. Allen ein großes Seit 2020 ist Prof. Bodo Hombach mäßigen Grundordnung widersprechen. Freiheit und Verantwortung Dankeschön, die das erdacht, geplant, organisiert und realisiert haben. sind untrennbar verbunden. Besonderer Dank meinen Vorstandskollegen Herrn Dr. Sacher und Vorstandsvorsitzender der Herrn Dr. Berger und auch dem sehr hilfreichen Kuratorium unter Brost-Stiftung. Zuvor war er Das hier nun vorgelegte Jahrbuch der Brost-Stiftung spiegelt etwas dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr. Engels. Er ist dem Vorstand wichtiger seit Gründung der Stiftung Theorie, aber viel Praxis von zahlreichen Projekten. Aus wechselndem Ratgeber und Stütze. Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Stellvertreter des damaligen Blickwinkel hatten sie alle das Ziel, „das Ruhrgebiet besser zu machen“ tern, allen hilfreichen Händen und Köpfen und denen, die es wenigs- Vorsitzenden Prof. Dr. Wolfgang (wie ein besonders gelungenes Projekt heißt) oder die guten Seiten des tens geschehen ließen. Heit. Als enger Vertrauter von Reviers sichtbarer zu machen. Die wunderbaren Fotos von Till Brön- ner, die nun als Botschaft und Botschafter des Reviers zur erfolgrei- Herzlich von der Ruhr Anneliese Brost war er von der chen Wanderung angetreten sind, sind ein Beispiel dafür. In einer Zeit mit freundlichen Grüßen Stifterin selbst in den Vorstand tiefgreifenden Wandels muss es uns darum gehen, die Zeichen zu er- Bodo Hombach berufen worden 2 3
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Inhalt Inhalt Erfolgsgeschichte und Selbstbefragung 2–3 Strategien für die Zukunft 58 – 59 Vorstandsvorsitzender Prof. Bodo Hombach blickt auf 10 Jahre Dr. Boris Berger über die Herausforderungen einer Finanzplanung erfolgreicher Stiftungsarbeit – und weit darüber hinaus in Niedrigzinszeiten. Und wie die Brost-Stiftung Arbeitsplätze der Zukunft gestaltet Partner für Mobilität und Klimaschutz 6–9 Unterstützt vom Initiativkreis Ruhr und dem Verkehrsministerium NRW Solidarität gegen Corona und Flutwelle 60 – 63 sucht die Brost-Stiftung nach Lösungen für modernen Cityverkehr Mit zwei Hilfsaktionen zeigen die Menschen der Region, unterstützt von Großspendern, dass man den Nachbarn nicht alleine lässt Wie Armut krank macht 10 – 11 Eine Studie belegt, dass Menschen aus prekären Verhältnissen im Gesundheitswesen vernachlässigt werden. Vor allem im Ruhrgebiet Unterstützer und Verbündete 64 – 67 Herbert Reul und Fritz Pleitgen sind die ersten Preisträger des „Brost-Ruhr Preises“. Sie haben sich auf vielfältige Weise Selbstbestimmt bis zum letzten Atemzug 12 – 13 um die Region verdient gemacht Die Uniklinik Essen will schwer krebskranken Patienten helfen, im Alter noch ein menschenwürdiges Leben zu führen Erfolg hat drei Buchstaben: TUN! 68 – 75 Die Übersicht aller Stiftungsprojekte Lernen für ein besseres Leben 14 – 15 Im Haus Eintracht gibt der Orden der Amigonianer den Kindern nicht nur Nachhilfe, sondern auch so etwas wie ein Zuhause Wenn Mozart das Herz wärmt 76 – 77 „Musik am Nachmittag“ bietet Senioren eine willkommene Abwechslung im Heimalltag. Besonders in Coronazeiten 10 Jahre – 13 Leuchttürme 16 – 51 Von rund 150 Projekten haben in der 10-jährigen Stiftungsarbeit einige Strahlkraft weit über das Ruhrgebiet hinaus entwickelt Geschichte(n) im Fluss 78 – 83 Zwei fulminante Bände befassen sich mit Heimat und Leben an „Das Ruhrgebiet im Herzen, die Welt im Blick“ 52 – 53 der Ruhr. Ein- und Ausblicke zwischen Quelle und New York Im Interview erläutert Vorstandsmitglied Dr. Thomas Sacher das weitreichende Vermächtnis von Stifterin Anneliese Brost Pandemie und Flüchtlingsströme 84 – 85 Covid 19 hat die Rolle der Wissenschaft in der politischen Debatte Fördern, helfen, Zukunft geben! 54 – 57 verändert. Virologe Prof. Dr. Hendrik Streeck über Krisenmanagement Der Finanzbericht der Brost-Stiftung und weltweite Coronafolgen 4 5
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Mobilität im Ruhrgebiet Starke Partner machen mobil Gemeinsam mit dem Initiativkreis Ruhr und dem Verkehrsministerium NRW arbeitet die Brost-Stiftung an Lösungen für moderne Mobilität im Revier Das gemeinsame Ziel steht: Die Lebens- pandemie gibt dem Onlinehandel einen nur Analyse und innovative Lösungen, nem Stadtviertel Innovationen nicht nur qualität der Menschen im Ruhrgebiet zusätzlichen kräftigen Schub“, so Buch. sondern auch eine Übersicht über Förder- auf den Feldern Mobilität und Wohnen, nachhaltig verbessern. Und den Weg „Doch das hat Folgen – besonders in den möglichkeiten. sondern auch in der Digitalisierung sowie dorthin wollen der Initiativkreis Ruhr dicht besiedelten Städten des Ruhrgebiets. bei Bildung und Kultur bündeln. Buch: und die Brost-Stiftung ein ganzes Stück Die Paketzustellung verschärft die bereits Buch: „Intelligente Lösungen sind gefragt. „Ich bin sicher, dass uns die Expertise der gemeinsam gehen! angespannte Verkehrslage weiter.“ Hier liefert der Leitfaden der Brost-Stif- Brost-Stiftung in der Citylogistik wert- tung zur Citylogistik in Kommunen ganz volle Impulse geben kann, und ich freue Wertvolle Impulse zur Lösung des Pro- konkrete Hilfestellung für die Verantwort- mich auf den weiteren Austausch.“ blems liefert ein Projekt der Brost-Stiftung lichen in den Städten.“ Prof. Bodo Hom- G erade haben die neuen Initiativkreis- Moderatoren Rolf Buch und Dr. An- dreas Maurer ihre Pläne zur Zukunft der zum innerstädtischen Verkehr, aus dem ein Handlungsleitfaden mit dem Titel „Citylogistik in Kommunen“ hervorge- bach, Vorstand der Brost-Stiftung ergänzt: „Der vorliegende Leitfaden empfiehlt sich als Handlungsgrundlage für Kommunen, Im Rahmen der Ruhr-Konferenz will auch die Landesregierung die Mobilität im Revier nachhaltig verbessern, durch Region beschrieben, in deren Mittelpunkt gangen ist. die intelligent agieren und nicht mehr nur bessere Vernetzung aller Verkehrsträger der Themenkomplex „Infrastruktur und hektisch reagieren wollen.“ sollen die Menschen besser, sicherer und Mobilität“ steht. „Einkaufen im Internet Agieren statt hektisch reagieren sauberer unterwegs sein. Verkehrsminis- ist bequem, und die Läden haben dort Als Beispiel zur Gestaltung einer Infra- ter Hendrik Wüst (CDU) erläutert im In- Vonovia-Chef Rolf Buch durchgehend geöffnet – 24 Stunden am Auf über 30 Seiten finden Verantwort- struktur der Zukunft in der Region will terview die zentralen Herausforderungen Prof. Bodo Hombach, ist neuer Moderator des Initiativkreis Ruhr Tag, sieben Tage die Woche. Die Corona- liche aus Politik und Verwaltung nicht der Initiativkreis Ruhr beispielhaft in ei- einer zukunftsfesten Verkehrsplanung. Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung 6 7
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Mobilität im Ruhrgebiet „Mobilität bedeutet Intelligente Ideen gegen Klimaschutz“ den Verkehrsinfarkt Um dieses Ziel zu erreichen, hat das NRW-Ministerium für Verkehr u. a. Neuer Leitfaden zur „Citylogistik im Ruhrgebiet“ zeigt Kommunen das Bündnis #vorankommen NRW ins Leben gerufen. Es bringt Akteure Handlungsempfehlungen und nd Fördertöpfe auf aus Politik, öffentlicher Hand, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbänden und Verkehrsbranche zusammen. Die Bündnispartner sollen die Bedeutung einer funktionierenden, zukunftsorientierten Mobilität stärker im Bewusst- sein der Gesellschaft verankern, durch frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung mehr Akzeptanz für Infrastrukturprojekte schaffen. Als das Projekt begann, waren die Probleme bereits groß und die Zahlenn gewaltig. Durchschnittlich mehr als vier Millionen Pakete lieferte 20188 allein die Deutsche Post/DHL täglich an deutsche Haushalte. Nötig ist st dazu ein Heer von Fahrzeugen, die den ohnehin angespannten Innen- n- Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland, NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst it- stadtverkehr an den Rand des Infarktes bringen. Mit Erscheinen des Leit- Deutschlands verkehrlich dichtester Ballungsraum und seit jeher fadens „Citylogistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträglicheche ein zentrales Drehkreuz für den Austausch von Waren und schaffen den Anreiz, das eigene Auto in der Garage zu lassen. Das au: Auslieferung im Ruhrgebiet“ erreichen die Belastungen jetzt Rekordniveau: Dienstleistungen in Europa. Ergebnis: Der Verkehr fließt besser, Mobilität wird sauberer, die 1,8 Milliarden Pakete brachte die Post 2020 an unsere Haustüren! Lebensqualität steigt. Straßen und Schienenwege in NRW haben jedoch längst die Be- lastungsgrenze erreicht und in Teilen schon überschritten. Um den dringend notwendigen Erhalt, den Ausbau und die Moderni- sierung der Infrastruktur möglichst zügig und effizient umsetzen Zu den Herausforderungen der Coronapandemie gehört ein rasanter Anstieg beim Onlineshopping. Wie kann man dies künftig managen? D ie Wachstumsraten im Onlinehandel belegen Aktualität und Dringlichkeit des Brost-Projektes „Mobilität im Ruhr- Herne zeigt sich ähnlich krea- tiv, konzeptionell wie in derr Na- mensgebung: Die Stadt hat at das zu können, müssen u. a. Möglichkeiten zur Beschleunigung und Wüst: „Wir müssen das Grundbedürfnis der Menschen auf ver- gebiet“, das Stiftungsvorstand Prof. Bodo Projekt „HeLM’19 – Hernee letzte Vereinfachung von Planungs- und Bauprozessen gefunden werden. lässliche Versorgung mit den alltäglichen Dingen des Lebens Hombach so zusammenfasst: „Zwei Jahre Meile 2019” entwickelt und d dabei und den Wunsch nach einem lebenswerten Umfeld in Einklang lang sondierten Fachleute die Verhältnisse, u. a. mit einem lokalen Hersteller ersteller Welche positiven Veränderungen dürfen die Menschen bringen. Das gelingt mit intelligenten Logistiklösungen. So stellen in Kooperation mit dem Ministerium für für elektrobetriebene Lieferfahr- ferfahr- im Rahmen der Initiativen aus der Ruhr-Konferenz für wir den Warenverkehr in unseren Städten sicher – und reduzie- Verkehr des Landes NRW und im Nahkon- zeuge kooperiert. den Verkehr in der Metropolregion Ruhrgebiet erwarten? ren gleichzeitig den Schwerverkehr auf unseren Straßen. Verkehr takt mit den betroffenen Menschen dieser Verkehrsminister Hendrik Wüst: „Mit der Ruhr-Konferenz setzt raus aus den Städten, Lebens- und Aufenthaltsqualität rein! Dazu Region. Ein realistisches Bild der Proble- Mit u. a. Mikrodepot-Konzepten onzepten die nordrhein-westfälische Landesregierung ein beeindruckendes nutzen wir die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung von me und Ursachen, aber auch interessanter zur nachhaltigen Warenverteilung verteilung Zeichen des Aufbruchs. Mit 450 Millionen Euro für ein Systemup- Daten und Güterströmen. Warenlager vor der Stadt, Mikrodepots Lösungsansätze sollte Bürger*innen auf- auf der letzten Meile wollen n die Ver- grade von Straßen- und U-Bahnsystemen machen wir Mobilität in der City und innovative, emissionsfreie Fahrzeuge für die Aus- klären und Entscheidungsträger aufmun- antwortlichen im dichtbesiedelten besiedelten besser. Mit der massiven Förderung des ÖPNV und innovativen lieferung auf der letzten Meile. Das spart Ressourcen und Weg- tern.“ Wie diese aussehen können, zeigt der Oberhausen die städtische he Logistik Verkehrskonzepten schaffen wir die Voraussetzungen für eine strecken, schafft Platz und saubere Luft in der Stadt.“ neu erschienene, rund 30 Seiten starke Leit- schadstoffärmer und stadtverträgli- dtverträgli- dynamische, wirtschaftliche Entwicklung im Revier. Es geht um faden für Kommunen. cher organisieren. effiziente Vernetzung aller Verkehrsträger. So machen wir Mobili- Sie haben das Projekt „Citylogistik in Kommunen“, tät besser, sicherer und sauberer.“ das sich mit dieser Thematik beschäftigt, vom Start weg Bottrops Zukunft heißt „LOUISE“ 60.000 Laster verstopfen begleitet. Wie bewerten Sie das Ergebnis? NRW-Hauptstadt denz steigend, wie der Trend zum Online- Was heißt das konkret? Wüst: „Wenn es um zukunftsweisende Projekte geht, ist die Brost- Fachleute analysieren die Ausgangssituati- shopping im Corona-Lockdown. Bei der Wüst: „Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt und digital – sowohl Stiftung eine kompetente und verlässliche Partnerin. Die enge on, stellen Handlungsfelder dar und liefern „Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt und Rückkehr zur Normalität kehrt auch das der Waren- und Güterverkehr als auch die Personenbeförderung. Vernetzung von zentralen Akteuren in der Metropole Ruhr und schließlich Empfehlungen nebst Checkliste digital – sowohl der Waren- und Güterver- Problem der Schadstoffbelastung zurück. Nur so können sich Mobilitätsangebote der Zukunft noch stärker eine interaktive Kommunikation ermöglichen eine neue Form der und Fördermöglichkeiten. So sollen kom- kehr als auch die Personenbeförderung“, als bisher an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren. An Mo- Zusammenarbeit. Der jetzt verfügbare Handlungsleitfaden kann munale Verwaltungen im Ruhrgebiet in erklärt NRW-Verkehrsminister Hendrik Es braucht also langen Atem: Mindestens 46 bilstationen werden unterschiedliche Verkehrsträger miteinander dabei unterstützen, Chancen für den städtischen Güterverkehr in die Lage versetzt werden, vielversprechende Wüst (CDU), der das Projekt fachlich be- Citylogistik-Projekte zählte das Fraunhofer- vernetzt. Hier können die Menschen an einem guten Ort vom ei- Kommunen zu nutzen, Impulse für neue Kooperationen zu geben Ansatzpunkte zu identifizieren und pas- gleitete. „Es gilt unterschiedliche Verkehrs- Institut in den vergangenen 21 Jahren in genen Fahrrad in Bus und Bahn wechseln, auf Car-Sharing-Autos und helfen, die Metropole Ruhr noch lebenswerter zu machen. sende Lösungskonzepte für die logistischen träger, vom emissionsarmen Lkw über Deutschland. Übrig geblieben ist davon nur umsteigen oder für die letzte Meile ein Leihfahrrad oder E-Roller Herausforderungen vor der Haustür zu E-Scooter bis zum Lastenfahrrad, zu kom- eine Handvoll. Die abschließende Handrei- mieten. Mobilstationen und intelligent vernetzte Angebote, die Wo sehen Sie Ihre zentralen Herausforderungen entwickeln. Die Umsetzung erfolgt direkt binieren. Warenlager vor der Stadt sowie chung aus dem Projekt „Mobilität im Ruhr- digital geplant und bezahlt werden, machen Mobilität besser und bei der Gestaltung des Verkehrs von morgen? durch Initiativen aus den Partnerkommu- Mikrodepots in der City können die Aus- gebiet“ soll dagegen nachhaltig wirken. Wüst: „Über allem stehen die Mobilitätsbedürfnisse der Men- nen Herne, Bottrop und Oberhausen. lieferung auf der letzten Meile unterstützen. Prof. Hombach: „Der vorliegende Leitfaden schen und der Anspruch, besser, sicherer und sauberer unterwegs Das spart Ressourcen und Wegstrecken, ist ein Leitfaden für Kommunen, die intelli- Mobilität ist ein Motor für Wohlstand und wirtschaftliche zu sein. Die Mobilität der Zukunft leistet einen Beitrag zum Kli- Mithilfe einer digitalen Plattform will schafft Platz und saubere Luft in der Stadt.“ gent agieren und nicht Entwicklung. Entsprechend wichtig ist die zukunftsorientierte maschutz und steigert die Lebensqualität in unseren Städten und Bottrop private Haushalte, lokale Wirtschaft mehr nur hektisch Entwicklung von Verkehrskonzepten und -infrastruktur der suburbanen Räumen. und Logistik untereinander vernetzen und Der Weg dahin ist weit: Allein in der Innen- reagieren wollen.“ Metropole Ruhr. Und zwar so, dass alle Verkehrsträger und einen neuen Logistikdienst aufbauen. In stadt Düsseldorfs, so Wüst, besteht zu übli- -teilnehmer berücksichtigt werden“. Deswegen fördern wir jeden Verkehrsträger mit seinen jeweiligen dem „LOUISE“ genannten Projekt arbeitet chen Zeiten ein Drittel des Straßenverkehrs Den vollständigen NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst Stärken und stellen Rekordsummen für bessere Mobilität bereit: die Stadt unter anderem mit einem ortsan- aus Lieferfahrten für den Onlinehandel – Leitfaden finden auf Schiene und Straße, auf Wasser- und Radwegen. sässigen Logistikunternehmen zusammen. mit 60.000 Lkw und Sprintern pro Tag. Ten- Sie hier: 8 9
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Gesundheit & Soziales Auch wenn sich der Arzt bemüht, verstehen viele Patienten nicht wirklich, was ihnen fehlt oder wie sie sich im Sinne der Gesundheit besser verhalten sollen Nagel: „Zunächst sollten wir strukturelle gung wird eine Vertrauensbasis geschaffen Patienten wissen nicht, Veränderungen angehen. Ein Gespräch werden, die für eine erfolgreiche Behand- welche Leistungen ihnen mit einem behinderten Patienten dauert lung essenziell ist. zur Verfügung stehen.“ naturgemäß länger, also muss der Arzt hierfür Abrechnungsmöglichkeiten be- Ein weiterer Ansatzpunkt ist eine verstärk- kommen. Finanzielle Anreize funktionieren te Prävention oder die Ausweitung des bekanntlich am besten. Darüber hinaus Angebots von sogenannten „Gesundheits- brauchen wir in Aus- und Fortbildung der lotsen“. Diese Fachleute sollten stadtteilbe- Stellen die häufig geforderten Zuzahlun- Ärzte den Schwerpunkt Sozial- und Kultur- zogen überall dort eingesetzt werden, wo gen für ärztliche Leistungen eine zu hohe sensibilität. Wie spreche ich als Arzt mit sich Fragen der Gesundheitsversorgung Hürde für eine angemessene Behandlung einem Menschen, wie drücke ich mich in auftun, d. h. nicht nur in medizinischen von Patienten mit niedrigem Sozialstatus einer leichten, verständlichen Sprache aus?“ Institutionen, sondern zum Beispiel auch dar? in allen Sozialeinrichtungen. Sie können Welche weiteren Handlungsnotwendig- in einer auf die Zielgruppe angepassten Nagel: „Die spannende Erkenntnis lautet keiten bzgl. der Gesundheitsversorgung Art und Weise helfen, den richtigen Arzt hier: Zuzahlungen werden vor allem von ergeben sich darüber hinaus im Ruhrge- zu finden, Termine zu vereinbaren oder Menschen, die es sich leisten können, als biet? Nachfragen zur Facharztbehandlung zu dominantes Problem empfunden! Zudem formulieren. könnten Patienten mit einem niedrigeren Nagel: „Grundsätzlich ist eine zielgrup- sozialen Status möglicherweise erst gar penspezifische Ausrichtung von Maßnah- In der Gesamtschau müssen wir bestimm- Gesundheitslotsen für nicht mit solchen Angeboten konfrontiert men essenziell für eine Verbesserung der te Denkschemen aufbrechen, wenn es gilt, werden, weil sie so eingeschätzt werden, Situation. Unsere Studienergebnisse geben ein 50- bis 70-fach erhöhtes Risiko zu er- als könnten sie sich z. B. IGEL-Leistungen beispielsweise Hinweise auf einen beson- kranken in bestimmten sozialen Gruppen sowieso nicht leisten. Auch ein geringeres deren Handlungsbedarf im Bereich der zu verringern. Dazu sollten wir differen- die Menschen im Revier Bewusstsein darüber, welche Leistungen ihnen zur Verfügung stehen, könnte bei diesen Patienten ausschlaggebend sein. Arzt-Patienten-Kommunikation. Ursache hierfür ist die für die Patienten weniger verständliche Fachsprache der Ärzte, zieren zwischen der Eigenverantwortung der Menschen und der Verantwortung der Gesellschaft. So muss auf vulnerable Wer arm ist, wird deutlich öfter krank. Aus der Erkenntnis seiner Studie Will man vermeiden, dass Menschen aber auch ein zu geringes Verständnis der Gruppen in der Gesundheitsversorgung leitet Prof. Dr. Eckhard Nagel tiefgreifende Handlungsempfehlungen ab aus vulnerablen Gruppen durch eine Sprach- und Lebenssituation vulnerabler noch mehr Rücksicht genommen und schlechte zahnmedizinische oder ortho- Gruppen. zielgerichtete Hilfestellungen angeboten pädische Versorgung zunehmend stig- werden. matisiert werden, braucht es hier einen Welche Krankheiten lassen sich bei Kurierfahrer. Sie tragen also ein deutlich Fachärzte zeigt sich das Problem, einen Paradigmenwechsel.“ Sozial Schwache haben ein Wenn bestimmte Gruppen in der Bevölke- vulnerablen Gruppen (Jugendliche und höheres Infektionsrisiko. Ähnlich kom- Termin in einer akzeptablen Wartezeit zu 50- bis 70-fach erhöhtes rung ein systematisch höheres Risiko ha- Ältere) mit niedrigem Sozialstatus ver- plex verhält es sich mit dem Krankheits- erhalten. Eine Besonderheit ist, dass über Sie haben u. a. im Franz-Sales-Haus in Krankheitsrisiko.“ ben zu erkranken oder früher zu sterben, mehrt feststellen? und Sterberisiko der von uns untersuchten alle Versorgungsbereiche hinweg sich Pa- Essen Menschen mit Behinderung befragt. muss man die Versorgung entsprechend Gruppen. Es gibt eine geringer ausgepräg- tienten nicht von den Ärzten verstanden Diese sprechen von „Ignorieren der Pati- anpassen, ähnlich wie wir es bei der Pan- Prof. Dr. Eckhard Nagel: „An dieser Stelle te Gesundheitskompetenz, Vorsorgeunter- fühlen. Diese sind z. B. auf das Gefühl, entenwünsche auf Seiten der Leistungs- Hier braucht es Schulungen für Ärztin- demiebekämpfung gesehen haben. Wir müssen wir das Alter berücksichtigen. Bei suchungen werden nicht wahrgenommen nicht ernst genommen zu werden, aber erbringer, mangelnder Aufklärung sowie nen und Pflegekräfte, welche insbesonde- müssen uns in der Krankenversorgung Kindern und Jugendlichen sind Überge- oder der Kinderarzt seltener kontaktiert. auch auf mangelnde Aufklärung oder feh- fehlender Empathie im Umgang“. Was re den Umgang und die Kommunikation vom Gleichheitsgrundsatz zugunsten wicht, Asthma und Allergien, insbeson- Ein niedrigerer Bildungsgrad erschwert lende Empathie der Leistungserbringer muss sich auf Seiten der Ärzte oder der mit Personen mit niedrigem Sozialstatus einer Alters- und Sozialpriorisierung ver- dere Heuschnupfen, besonders stark im offensichtlich den Zugang zur ärztlichen zurückzuführen. Gesundheitseinrichtungen ändern? fokussieren. Durch eine bessere Verständi- abschieden.“ Ruhrgebiet ausgeprägt. Hingegen finden Versorgung. Die vorhandenen Barrieren wir bei älteren Menschen mit niedrigem werden aber auch von Seiten der Anbie- Vorangegangene Forschungsarbeiten wei- Sozialstatus vor allem Bluthochdruck, ter aufgebaut.“ sen ja bereits auf ein grundsätzliches Pro- So lief die Studie Adipositas oder Lungenerkrankungen blem in der Arzt-Patient-Kommunikation wie COPD. Hier ist der soziale Gradient Sowohl jüngere als auch ältere Menschen hin. Viele Patienten wissen beim Verlas- besonders hoch.“ beklagen vielfach unerfüllte Behand- sen der Praxis nicht, was genau der Arzt Woran liegt das? lungswünsche. Können Ihre Studiener- gebnisse erklären, warum dies so ist? ihnen gerade mitgeteilt hat. Bei den von uns untersuchten älteren und jüngeren Menschen mit niedrigem Sozialstatus D ie Wissenschaftler sind auf unterschiedlichen Ebenen vor- gegangen. Zum einen wurde die Krankheitslast und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen der Kinder- und Bundesausschusses) analysiert und Experten aus dem Gesund- heitsbereich zur aktuellen Versorgung befragt. Nagel: „Die möglichen Ursachen sind viel- Nagel: „Unsere Studie liefert Hinweise auf könnten diese Verständnisschwierigkeiten Jugendlichen sowie älteren Menschen untersucht. Hierzu wurden Prof. Bodo Hombach: „Alles hängt mit allem zusammen. fältig. Wir beobachten ja aktuell in der ein hohes Vorkommen unerfüllter Be- beispielsweise in Bildung, sozialer Prä- Befragungsdaten des Robert Koch-Instituts ausgewertet und nach Wir sehen in der ganzen Welt: Wenn etwas zu viel wird, zu schnell Coronapandemie auch eine Häufung von handlungswünsche bei dieser Personen- gung, Migrationshintergrund oder einer Sozialstatus differenziert (KiGGS Welle 2 2014-17 & GEDA geht und Ressourcen knapp sind, werden regelmäßig soziale Inte- Ansteckungen und schweren Verläufen in gruppe: Fast zwei Drittel der Befragten geringeren Gesundheitskompetenz be- 2014 / 2015-EHIS). grationsfähigkeit und -bereitschaft in bestehende Systeme über- sozialen Brennpunkten. Inzwischen wissen geben an, dass ihre Wünsche nach gesund- gründet sein. stresst. wir, dass dies nicht allein z. B. mit beengtem heitlichen Leistungen unerfüllt bleiben. Außerdem konnten diese Personengruppen zu ihren unerfüllten Wohnraum zu erklären ist, sondern dass Dabei spielen insbesondere die fachärztli- Ergebnis sind Enttäuschungs- und Frus- Behandlungswünschen interviewt werden. Begleitend wurden Die Integrationsoffenheit der Gesellschaft erodiert zusätzlich. Am Menschen hier auch in „gefährlicheren“ che, hausärztliche und zahnmedizinische trationserfahrungen gegenüber dem Ge- Gutachten zur gesundheitlichen Versorgungssituation im Ruhr- Anfang der Verbesserung steht die nüchterne Beschreibung der Berufen arbeiten, als Kassierer etwa oder Versorgung eine Rolle. Im Bereich der sundheitssystem.“ gebiet (z. B. das IGES-Gutachten im Auftrag des Gemeinsamen Realität. Damit ist den Autoren ein wichtiger Anstoß gelungen.“ 10 11
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Gesundheit & Soziales troffenheit berührt. Vor 26 Jahren habe ich meine Mutter verloren. Am Ende war nicht mehr zu unterscheiden, ob sie am Krebs oder an den Folgen der Krebsbe- handlung gestorben ist. Diese Zusammen- hänge zu erforschen ist eine Aufgabe, die vielen Menschen helfen wird.“ Mit dem integrativen Behandlungsansatz wird die Lebenserwartung der erkrank- ten Menschen nicht verlängert. „Aber wir wollen belastbare Daten gewinnen, die über das medizinische Bauchgefühl hinausgehen“, erläutert Prof. Rassaf. „So Im Alter ist es häufig die Kombination mehrerer können wir hoffentlich erreichen, dass den Krankheitsbilder, die Menschen zu Pflegefällen Menschen nicht nur die Schmerzen ge- macht. Hier setzt die Studie der Uniklinik Essen an nommen werden, sondern wir ihnen auch ein Stück Lebensqualität und Würde erhal- Gemeinsam mit Prof. Bodo Hombach (Mitte) übergab Hendrik Wüst ten können.“ den symbolischen Förderscheck an Prof. Tienush Rassaf Menschenwürde bis zum Begleitung im Kampf gegen Krebs letzten Atemzug Bei den Evang. Kliniken Essen-Mitte kümmert sich die Initiative MENSCHENMÖGLICHES auch um Angehörige von Krebspatienten Brost-Stiftung fördert Forschungsstudie der Uniklinik Essen mit 600.000 Euro. Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben für schwer krebskranke Menschen D ie Diagnose Krebs trifft nicht nur den Patienten. Auch der Alltag von Lebenspartnern und Familienmitgliedern stationären Aufenthalts an den KEM oder unmittelbar danach begleiten. Je nach Be- darf unterstützt ein Therapeut oder eine verändert sich meist von heute auf morgen. Therapeutin die Betroffenen einzeln oder I n einer Studie will der Kardiologe Prof. Tienush Rassaf (47) am Uni- klinikum Essen erforschen, wie schwer menten die Herz-Kreislauffunktion unter- stützen und stabilisieren, damit die oft be- reits palliativ behandelten Menschen sich Die Angst und Sorge um einen naheste- henden Menschen stürzt Angehörige oft in eine tiefe Krise. führt Eltern-, Partner- und Familienge- spräche. Ziel ist es, die Lebenssituation im Umfeld des Patienten zu stabilisieren und Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas du Bois, Direktor an den Kliniken Essen-Mitte krebskranke Menschen so lange wie mög- weiterhin selbst anziehen, essen oder zur dabei zu helfen, Belastungssymptome der lich ein selbstbestimmtes Leben führen Toilette gehen können. Genau dort setzt der Verein MENSCHEN- Angehörigen zu minimieren. heitswesens und kann dadurch schnell können. MÖGLICHES e. V. an: Er „ermöglicht“ und effektiv helfen. Prof. Dr. Dr. h.c. Rassaf: „Es gibt zunehmend mehr Er- Begleitung und Hilfe für Patienten und Sherille Veira, Geschäftsführerin MEN- Andreas du Bois ist Direktor der Klinik Dazu sollen deren Herz-Kreislauffunktio- kenntnisse über die Abhängigkeiten von deren Angehörige – vollständig finanziert SCHENMÖGLICHES e. V., weiß, wie für Gynäkologie und gynäkologische nen stabilisiert und unterstützt werden. Krebs- und Herzleiden. Trotz erfolgreicher durch Spenden. Durch die Förderung der wichtig solche Hilfen sind: Die Belastung Onkologie an den Kliniken Essen-Mitte. „Wir wissen aus unserer täglichen Arbeit, Krebstherapie sterben rund 30 Prozent Kardiologe Prof. Dr. Tienush Rassaf Brost-Stiftung konnte in diesem Jahr ein der Familienmitglider werde von den Be- Er unterstützt den Vorstand von MEN- dass durch Krebstherapien diese Funktio- der Patienten später an einer Herz-Kreis- weiteres solches Beratungsangebot an den troffenen selbst häufig nicht thematisiert, SCHENMÖGLICHES und gibt dem Verein nen nachhaltig geschädigt werden“, erklärt lauferkrankung!“ Er berichtet von einer KEM | Evang. Kliniken Essen-Mitte star- um den Patienten nicht zusätzlich zu be- Impulse im Hinblick auf seine innovative Prof. Rassaf. „Als Folge sind die Patien- 39-jährigen Patientin, die überraschend ten. Nutzen können es Angehörige, die lasten. Partner stellten eigene Bedürf- Weiterentwicklung: „Bisher fokussieren wir ten irgendwann nicht mehr in der Lage, schwere Herzprobleme bekam, zum Über- Die Studie fokussiert sich auf Menschen einen Krebspatienten während eines nisse zurück und überschreiten so uns in der Medizin fast ausschließlich auf die einfachste Alltagsbelastungen zu meistern. leben mehrere Bypässe und einen Schritt- über 60, die in überwiegender Mehrzahl Grenzen der eigenen Belastbarkeit, erklärt Patienten. Mit MENSCHENMÖGLICHES Weil Herz und Lunge zu schwach sind.“ macher brauchte. Im Verlauf der Diagnose im Ruhrgebiet zuhause sind. Hier ist ein sie den Hintergrund der Initiative. „Ich wollen wir einen weiteren Fokus auf die Be- Hier setzt die Studie in der bundesweit kam heraus, dass sie vor 20 Jahren eine ag- großer Anteil der älteren Bevölkerung von freue mich deshalb sehr darüber, dass gleitung von Angehörigen legen und damit größten Abteilung für onkologische Kar- gressive Bestrahlung gegen einen Krebstu- diesem Krankheitsbild betroffen. Deshalb MENSCHENMÖGLICHES mit diesem helfen, die Gesamtsituation der Familie bzw. mor erhalten hatte. „Kinder unterstützt die Brost-Stiftung das Projekt, ergänzenden Angebot die Möglichkeit be- des Netzwerks helfen zu stabilisieren.“ unter 14 Jahren, die mit Hendrik Wüst (45) übergab als Kuratori- kommt, sowohl den Angehörigen als auch Als meine Mutter starb, war nicht mehr zu unter- Chemo oder Bestrahlung umsmitglied den Förderbescheid. Für den den erwachsenen Kindern eine Begleitung Das aktuelle, von der Brost-Stiftung unter- scheiden, ob sie am Krebs oder an den Folgen der behandelt wurden, haben NRW-Verkehrsminister eine sehr persön- anzubieten, die individuell auf die Sorgen stützte Projekt setzt die Arbeit im Umfeld Krebsbehandlung gestorben ist. Diese Zusammen- ein sehr großes Risiko, liche Aufgabe, seine Mutter starb im Alter und Nöten eingeht.“ der Patienten*Innen fort, die MENSCHEN- hänge zu erforschen, ist eine Aufgabe, die vielen mit 35 einen Herzinfarkt von 53 Jahren an der beschriebenen Dia- MÖGLICHES bereits mit der Einrichtung Menschen helfen wird.“ oder Schlaganfall zu be- gnose in Folge einer Krebserkrankung. Das Besondere an MENSCHENMÖGLI- „Schwere Last von kleinen Schultern neh- Hendrik Wüst, Kuratorium Brost-Stiftung kommen.“ In Deutschland CHES: Der Verein wurde 2011 von enga- men“ etabliert hat. Diese richtet sich an sterben rund 40 Prozent an Wüst: „Als ich im Kuratorium der Brost- gierten Bürgern gegründet. Er vernetzt Familien mit minderjährigen Kindern oder diologie an. Prof. Rassaf und seine Kollegen Herz-Kreislauferkrankungen, 25 Prozent Stiftung auf das Projekt aufmerksam bürgerschaftliches Engagement mit den Jugendlichen, bei denen ein Elternteil von wollen mit fallgenau dosierten Medika- an Krebs. wurde, hat mich das aus persönlicher Be- professionellen Strukturen des Gesund- einer Krebsdiagnose betroffen ist. 12 13
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Lernen im Haus Eintracht Wir sind eng mit den Schulen im Quartier vernetzt, unterhalten Schülertreffs, wo die Kinder üben und sich verpflegen können. Und schlichten auch schon mal Streit auf dem Schulhof.“ Pater Ralf Winterberg (Vorstand) lassen“ wurden Flyer mit Nothilfe-Telefonnummern verteilt. Im Problemstadtteil Schalke sind die Auswirkungen des pandemie- bedingten Lockdowns weit über Schule hinaus spürbar. Die Frustrationsgrenzen nehmen ab, Menschen verlieren ihre Jobs, staatliche Förderung verzögert sich. Hier bietet das „Haus Ein- tracht“ Beratung telefonisch wie online an, kontaktscheue Fami- lien werden unter Einhaltung der Hygienevorschriften an der Haustür besucht, Streetworker helfen beim Umgang mit Krisen- situationen. Sozialer Fronteinsatz dort, wo der Staat nicht mehr hinreicht. Dazu gehören virtuelle Sportangebote ebenso wie die regelmäßig vorgelesene Gutenachtgeschichte auf Deutsch oder Türkisch. Winterberg: „Wir finanzieren uns bisher privat. Die Stadtgesell- schaft schätzt unser Engagement, es geht in Gesprächen aber aktuell darum, auch städtische Fördermittel zu mobilisieren. Würde uns zum Beispiel die Brost-Stiftung nicht unterstützen, könnten wir dort, wo der Staat ausfällt, die Hilfe nicht mehr leisten.“ DGute Freunde in schlechten Zeiten Das sind die Amigonianer: Miteinander kochen, miteinander essen, Gemeinschaft erleben. So unterstützen die Der Orden besteht weltweit aus etwa 400 Brüdern. Ungefähr die Hälfte Mit dem Projekt „Lernen im Haus Eintracht“ fördert die Brost-Stiftung das Engagement der Amigonianer. Amigonianer Kinder nicht nur in Pandemiezeiten davon sind zum Priester geweiht, wobei Brüder und Patres weitgehend Starthilfe in ein besseres Leben gleichberechtigt sind. Die Amigonianer sind aufgeteilt in vier Ordensprovinzen, denen jeweils ein Provinzial vorsteht. Oberste Instanz ist der Generalobere, der sei- „Wir verstehen uns als Partner der Schulen, haken auch schon nen Sitz in Rom hat. Die Mitbrüder in Deutschland gehören zur spani- Der Name ist nicht leicht zu merken, die Kinder und Jugendli- „Die Quartiersarbeit gehört zu unseren Schwerpunkten“, so einmal kritisch nach, wie denn die zum Homeschooling verteilten schen Provinz, zu der außerdem noch die Brüder an der Elfenbeinküste chen des „Haus Eintracht“ werden ihn dennoch lebenslang im Winterberg. „Wir leisten Integrations- und Friedensarbeit im Arbeitsblätter ausgewertet wurden.“ und in Benin zählen. In Deutschland gibt es zwei Niederlassungen: in Herzen tragen. „Amigonianer – unser Name ist ein Zungen- Stadtteil. Die Bewohner dürfen sich nicht abgehängt fühlen, Luisa Magritz (Projektleiterin) Gelsenkirchen und Gladbeck. In Gelsenkirchen liegt der Schwerpunkt brecher“, so stellt sich der Orden selber vor. Er geht auf Luis sollen lernen, sich gegenseitig zu vertrauen. Damit wollen auf stadtteilorientierter Kinder-, Jugend- und Familienarbeit. Amigó zurück, der als junger Kapuzinerbruder 1889 den wir auch verhindern, dass sie extremen Parteien in die Hände Orden gründete. Sein Nachname ist, frei übersetzt, Pro- fallen.“ Eine halbjährlich aktualisierte, mehrseitige Bildungsdoku- gramm: Er war ein Freund. Ein Freund der Jugend. Für viele mentation hält die vorhandenen Defizite und Ressourcen fest. Menschen in Gelsenkirchen-Schalke sind die Amigonianer Mit einem individuellen Hilfeplan werden positive Entwick- die einzigen verlässlichen Freunde … Aktuell gilt es aber erstmal zu verhindern, dass die Kinder ange- lungen erkämpft und Erfolgserlebnisse vermittelt. sichts fehlenden regelmäßigen Schulunterrichts schon frühzei- S eit 2012 finden in der umgestalteten Ex-Kneipe „Haus Ein- tracht“ junge Menschen Zuwendung, denen „der Lebensweg nicht leicht von der Hand geht“. Etwa 200 Jugendliche, überwie- tig ihre Lebensperspektiven verlieren. Die Brost-Stiftung fördert eine coronagerechte Hausaufgabenbetreuung sowie Bildungs- förderung für Grundschüler und Schüler der Klassen 5 - 7. In Magritz: „Neu in Deutschland angekommene Kinder sitzen mit anderen in einer Klasse, haben aber oft einen ganz ande- ren Lernstand. Sie einfach weiter zu versetzen, birgt die große gend mit arabischem oder osteuropäischem Migrationshinter- Kleingruppen, gut belüfteten Räumen, mit Hygienekonzept, Gefahr eines Scheiterns.“ Deshalb macht sie Eltern mit dem grund, zählt die spendenfinanzierte Einrichtung zu den Stamm- dreimal wöchentlich in 1:1-Betreuung. „Den Kindern fehlt bei Bildungssystem vertraut, motiviert Klassenlehrer und weist auf kunden, rund 70 von ihnen sind täglich vor Ort. Sie freuen sich geschlossenen Schulen der regelmäßige Tagesablauf, sie haben Möglichkeiten wie einen Förderschulantrag hin, wo die Kinder auf das gemeinsame Mittagessen, werden bei den Hausaufgaben zu Hause oft kein Sprachvorbild in Deutsch. Lerninhalte können angemessener lernen können. unterstützt und können die vielfältigen Freizeitangebote nutzen. aufgrund des eigenen Bildungsstandes, Arbeit und weiterer Ver- Sieben Mitarbeiter im Team von Pater Ralf Winterberg küm- pflichtungen nicht aufgearbeitet und vertieft werden“, beschreibt Die Amigonianer legen großen Wert auf das Wohl der Kinder mern sich vor allem jetzt in schwierigen Coronazeiten um die Luisa Magritz, die Bildungsverantwortliche, die Nachteile und dass von allen Beteiligten die Integrität der Kinder gewahrt Kinder – und deren Familien. „ihrer“ Kinder. wird. Im Rahmen der landesweiten Aktion „Kein Kind alleine 14 15
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 13 Leuchtturm-Projekte 10 Jahre im Spiegel der Presse Leuchtturm-Projekte In 10 Jahren Stiftungsarbeit wurden mit mehr als 33 Millionen Euro rund 150 Projekte 13 unterstützt. Viele davon entwickelten überregionale Strahlkraft. Im Sinne der Stifterin Anneliese Brost, die zeitlebens über den Tellerrand des Ruhrgebiets hinaus blickte 16 17
Anneliese Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 13 Leuchtturm-Projekte 1 Brost Musikforum Die Bochumer Symphoniker Die Musikschule Die Bochumer Symphoniker sind als beständiger Akteur im Ruhrgebiet be- Die Musikschule ist, gemessen an der Schülerzahl (ca. 11.000), eine heimatet und oft Gast in der Welt. Sie wurden mehrfach preisgekrönt für der größten in Deutschland und ein wichtiger Partner der Bochumer ihre ungewöhnlichen Programme und sind bekannt für ihre Offenheit und Symphoniker. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen etwa 90 Ensembles, vom Experimentierfreudigkeit, ihre außergewöhnliche Nähe zum Publikum und Jugendsinfonieorchester bis hin zur Rockband. Ihre Auftritte sind ein den Abbau von Schwellenängsten. wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in Bochum. Mit einem Konzertabend der Bochumer Symphoniker wurde das Musikforum 2016 feierlich eröffnet Mit ihren Projekten erreichen die Musiker Menschen unterschiedlichster Her- Das Musikzentrum ist insbesondere für die großen Musiziergemein- kunft. In enger Zusammenarbeit mit den Schulen arbeiten sie beispielsweise schaften der Musikschule wie Jugendsinfonieorchester, Blasorchester, Ein Festplatz für häufig mit Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten sozialen Schichten Big Bands und Zupforchester Mittelpunkt und wichtiger Probenort. zusammen, die vorher nie oder selten in Berührung mit klassischer Musik gekommen sind. Ohren und Augen Die Brost-Stiftung schloss 2016 die Finanzierungslücke beim Bau des Konzertsaals in Bochum. An der Marienkirche entsteht das „Anneliese Brost Musikforum Ruhr“ N icht Konkurrenz, Kooperation ist die Stärke des Ruhrge- biets: Es war ein bis dato einmaliges Zusammenspiel von Bürgern, Wirtschaft, Förderverein und Stiftungen, das den Bau Prof. Heit hielt in seiner Rede fest: „Wir stehen vor einem Mu- sikzentrum, das wenige Wünsche offenlässt, und damit Musik- schaffenden jedwedes Anspruches und ihren geneigten Zuhörern des Anneliese Brost Musikforums Ruhr ermöglichte. Am 7. Ok- gleichermaßen ein architektonisch wie technisch perfektes, vor al- tober 2016 erfolgte in Anwesenheit von Prof. Dr. Wolfgang Heit, lem aber auch intimes Zuhause gibt.“ In der Geschichte der Brost- damals Vorsitzender des Vorstandes der Brost-Stiftung, Bochums Stiftung ist es bis heute eines der bedeutendsten Förderprojekte. Stadtdirektor Michael Townsend, dem Generalmusikdirektor der Und eines, das wie kaum ein zweites das Selbstverständnis der Nach der feierlichen Enthüllung: Stelldichein unter dem neuen Namenszug Architekturpreis Bochumer Symphoniker, Steven Sloane, und vielen weiteren Gäs- Stiftung verkörpert, durch Kooperation das Miteinander und die für ein herausragendes Konzept ten die feierliche Enthüllung des Namensschilds „Anneliese Brost anpackende Selbsthilfe im Ruhrgebiet zu stützen. stadt unterstützten das Projekt. Selbst Herbert Grönemeyer mach- Musikforum Ruhr“. te mit und spielte ein Benefizkonzert im Ruhrstadion „Der Wandel der ehemaligen St. Marienkirche vom Sakral- zum Die gemeinsame Begeisterung, das bürgerschaftliche Engagement Konzertgebäude hat dem ehemaligen Gotteshaus nichts von seiner Wür- und gute Argumente überzeugten die Bochumer Politik, die Be- „Dies ist ein feiner, schöner Raum, in dem man das Gefühl hat, de genommen.“ Mit dieser Begründung verlieh der Landesverband des Deutschlands neuester und billigster Konzertsaal zirks- und die Landesregierung und schließlich sogar die zustän- von allen Seiten umarmt zu werden“, sagte Generalmusikdirek- Bundes Deutscher Architekten (BDA) dem Anneliese Brost Musikforum (38 Millionen). Im Oktober eröffnet. Mit einer echten dige Vergabestelle für Fördermittel der Europäischen Union, so tor Sloane nach der ersten Orchesterprobe. „Wir werden den Ruhr 2018 den Architekturpreis NRW. Kirche als Foyer. Knuffelig, großzügig, praktisch, gut. dass am Ende knapp 19 Millionen Euro öffentliche Förderung in Saal im Laufe der Zeit noch besser kennen lernen – und um- 1.600 Plätze, klare, schnörkellose Akustik. Alles am rich- das Projekt flossen. gekehrt.“ Ausgezeichnet wurde damit das herausragende Konzept des Stuttgarter tigen Platz, super durchdacht. Ein Bürgerzentrum. Planungsbüros Bez + Kock. Die Architekten hatten den doppelten Heimat der innovativen Bochumer Symphoniker.“ Doch erst das finanzielle Engagement der Brost-Stiftung in Höhe Seitdem füllen die Bochumer und Menschen aus der ganzen Re- Haupteingang im Chor der Kirche platziert, ihr Schiff dient als Foyer, die Mit dieser Begründung platzierte „Welt“-Autor Manuel von rund drei Millionen Euro ermöglichte den Baubeginn. Es war gion das Haus mit Leben: Die Bochumer Symphoniker arbeiten, Garderobe befindet sich unter der Empore der früheren Orgel. Und von Brug das Anneliese Brost Musikforum auf Platz 2 seiner die höchste von der Stiftung jemals ausgezahlte Fördersumme, proben und geben hier Konzerte, das Jugendsinfonieorchester hat den vier Glocken, die aus statischen Gründen aus dem Turm genommen Hitliste der 20 schönsten Konzertsäle der Welt weitere knapp 22.000 Kleinspenden aus der Region sowie Spen- hier ebenso seine Heimat gefunden wie die über 80 Ensembles der wurden, schlägt die größte (mit dem Ton b wie Bochum) als Pausen- densammelaktionen und Straßenmusik in der Bochumer Innen- Musikschule Bochum oder die Bochumer Chöre. gong. 18 19
Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 Brost-Stiftung Jahrbuch 2020/2021 13 Leuchtturm-Projekte 2 Public Art Ruhr Die Plastik „Schwelle“ von Raimund Kummer war eines der ersten Kunstwerke, das 2014 Lichtmaschine erstrahlte in neuem Glanz wieder neue Aufmerksamkeit bekam. Es wurde gereinigt, saniert und Sieben Meter hoch ist die „Lichtmaschine“ des Kre- vom wuchernden Grün befreit felder Kinetik-Künstlers Adolf Luther. Sie wurde 1970 in Gelsenkirchen enthüllt. Wie alle im Rahmen des Projekts „Public Art Ruhr“ in die Jahre gekommenen Kunstwerke im Ruhrgebiet wurde auch sie gereinigt. Spuren von Vandalismus wurden beseitigt und vor allem: Die Lichtmaschine erhielt einen neuen Motor. Anlässlich der Neuenthüllung zeichnete Prof. Dr. Wolfgang Heit, damaliger Vorsitzender der Brost- Stiftung, ein Bild des Künstlers, der 1990 verstarb: „Luther gehörte zusammen mit der Zero-Gruppe in Düsseldorf zur europäischen Avantgarde. Die be- diente sich aktueller Materialien der Industrie- und Warenkultur. Mit seriellen Formen widersprach sie der üblichen Unikatspose. Und sie attackierte das Geläufige nicht mit Tabubruch, sondern mit subtiler Lichtinstallation „Consol Gelb“ von Günter Dohr „Lichtmaschine“ von Adolf Luther Umgehung.“ Gemeinsam mit der Stiftung für Kunst und Kultur e. V. und der Ruhr Tourismus GmbH konnten insgesamt zehn Kunstwerke nach der Restaurierung erneut der Öffentlichkeit übergeben werden. Die Neuenthüllung der „Lichtmaschine“ beendete das Förderprojekt „Public Art Ruhr“ nach fünf Jahren Laufzeit. Hundert Kunstwerke – hundert Geschichten Wiederentdeckt und neu enthüllt! Der Bildband „Public Art Ruhr“ ist nicht nur ein umfassendes Kompendi- Die Initiative „Public Art Ruhr“ holte Kunst aus dem Dornröschenschlaf um der öffentlich zugäng- lichen Kunst im Ruhrge- „Nashorn-Tempel“ von Johannes Brus biet. Das Buch macht auch M it Graffitis beschmiert, von Unkraut überwuchert, be- schmutzt, zerstört und vergessen – viele Kunstwerke im öffentlichen Raum waren Jahrzehnte nach ihrer Installation längst bestand. Initiator und Sprecher dieser Projektgruppe war Prof. Walter Smerling, Direktor des MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst in Duisburg. Ziel der Initiative war es, wesentli- deutlich, wie die Künstlerr mit ihren Werken auf un-- terschiedliche Situationen in aus dem Fokus der Öffentlichkeit geraten. Das Projekt „Public Art che bestehende Kunstwerke im Umfeld der RuhrKunstMuseen zu den jeweiligen Städten und nd Ruhr“ rückte die vergessenen Schätze der Metropole Ruhr 2013 erfassen und erneut ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, der Be- Landschaften eingegangen en bis 2017 wieder ins Blickfeld. Es war das erste kulturelle Förder- wohner und Besucher der Metropole Ruhr, zu rücken. sind. Die Kunst im öffentli-li- projekt der Brost-Stiftung und der Beginn eines kontinuierlichen chen Raum prägt das Gesicht cht und intensiven Engagements der Stiftung im Bereich Kunst und Zunächst haben die Direktorinnen und Direktoren der Ruhr- en der Region, sie wirft Fragen Kultur. In zwei Etappen – zunächst durch einen Bildband mit KunstMuseen eine umfassende Bestandsaufnahme der Kunst im auf, bringt Menschen zusam-m- aufwändigen Dokumentationen der Kunstobjekte (2013) – später öffentlichen Raum gemacht: Welche bedeutenden Kunstwerke men und stiftet Dialog – all durch Neuenthüllungen (2014 bis 2017) kümmerte sich eine Pro- gibt es im Ruhrgebiet? Wie können Arbeiten vor dem Verfall be- dies sind Voraussetzungen en jektgruppe aus Kunstexperten um die Werke. Viele davon waren wahrt werden? Wo besteht Restaurierungsbedarf? Wie gut ist die U-Bahnhaltestelle König-Heinrich-Platz (Genzken/Richter) für eine lebendige, sich ent- nt- in schlechtem Zustand oder wurden nicht (mehr) entsprechend Erreichbarkeit für Besucher? wickelnde Kulturlandschaft. ft. wahrgenommen. Der Bildband „Public Art Ruhr h – Die Di Metropole M l RRuhr h undd di die KKunst iim öff öffent- Das Ergebnis dieser „Inventur“ wurde im Bildband „Public Art lichen Raum“ ist im Wienand Verlag erschienen. Vor diesem Hintergrund riefen die RuhrKunstMuseen 2012 die Ruhr – die Metropole Ruhr und die Kunst im öffentlichen Raum“ Der Wert liegt im Erkennen des Vorhandenen.“ ISBN 978-3-86832-134-0 Projektgruppe für Kunst im öffentlichen Raum ins Leben, die zusammengefasst und veröffentlicht. 100 Abbildungen und 100 Prof. Walter Smerling, Direktor des MKM Duisburg aus den Direktorinnen und Direktoren der beteiligten Museen Texte zeigen und beschreiben 100 Kunstwerke. „Public Art Ruhr“ zeigt die Kunstwerke, die in den letzten 60 Jahren installiert wur- den, die sich auf den Straßen und Plätzen der Region befinden In der zweiten Phase des Projekts wurden ab 2014 zehn ausge- Es geht darum freizulegen, Schäden der Zeit und des Mutwilligen und für jeden frei zugänglich sind. Mit der Veröffentlichung des wählte Kunstwerke umfassend gereinigt, instandgesetzt und an- zu beseitigen. Es gilt, den Kunstschatz im öffentlichen Raum für Bildbands ging es jedoch nicht darum, die allseits bekannten schließend neu enthüllt. Darunter die Duisburger U-Bahn-Stati- die nächsten Generationen zu sichern. Das kostet Investition und Highlights aufzulisten, sondern damit zu beginnen, ein Gesamt- on „König-Heinrich-Platz“, die 1988 vom damaligen Künstlerpaar Zuwendung. Es bringt lohnenden Ertrag.“ bild der öffentlich zugänglichen Kunstwerke im Ruhrgebiet zu er- Isa Genzken und Gerhard Richter gestaltet worden war, sowie die Die Köpfe Prof. Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung arbeiten und dieses gemeinsam auch über die Grenzen der Region sechs Meter hohe Plastik „Schwelle“ des Bildhauers Raimund hinter hinaus bekannt zu machen. Kummer im Emscherpark in Essen. „Public Art Ruhr“ 20 21
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