Intervalle Arbeitskreis Musik in der Jugend 2016
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Inhaltsverzeichnis Editorial 1 11. Internationale Jugendkammerchor-Begegnung Usedom 2 AMJ-Mitgliedschöre im Porträt: Konzertchor des Otto-Hahn-Gymnasiums Göttingen 16 Berichte aus der Kursarbeit Nur wer selbst brennt, kann andere entzünden Tipps und Tricks für die Kinderchorarbeit 19 Kinder.SINGEN.Lieder Fachtagung für MultiplikatorInnen in Wolfenbüttel 20 Die Stimme im pädagogischen Alltag Das 14. Leipziger Symposium zur Kinder- und Jugendstimme 23 Interview mit Prof. Dr. Michael Fuchs, Gründer und Leiter der Leipziger Symposien zur Kinder- und Jugendstimme 26 Kurzer Moment der Vollkommenheit Jazzchor-Workshop mit Felicia Friedrich auf dem Scheersberg 29 Perfektes Training für angehende OrchesterdirigentInnen Orchesterdirigieren in Freiburg 32 Circle & Pattern Circlesinging-Kurs mit Frank Ebeling 34 Großes Wiedersehen 21. Jazz-It auf dem Bückeberg 36 AMJ-Mitgliedschöre im Porträt: MDR Kinderchor 38 Thema: Singen mit geflüchteten Menschen 40 Ausgezeichneter Erfolg Der Christophorus-Jugendkammerchor Versmold in Wien 48 Dona nobis pacem Der Weltjugendchor zu Gast in Wolfenbüttel 50 Keine Angst! Rezension zu „Chormusik und Migrationsgesellschaft“ 52 AMJ-Mitgliedschöre im Porträt: vox nova 55 Informationen und Neuigkeiten 58
Editorial Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen tun, solche gesell- und Freunde des AMJ, schaftlichen Grup- sehr geehrte Damen und Herren, pen einzubezie- hen, die bislang schon wieder ein Jahr vorbei, man glaubt es nicht in befriedi- nicht. Als ich das Vorwort zu den Intervallen gendem Umfang im letzten Jahr schrieb, war gerade die große erreicht werden – Fluchtbewegung nach Europa und Deutsch- durchaus über die land das beherrschende Thema. Dann ging die Geflüchteten hin- Zahl der in Deutschland ankommenden Flüch- aus. Das ist, wenn tenden zurück. Trotzdem bewegt uns das The- man sich nur erst ma noch. Muss es auch. Selbst wenn sie nichts mal darauf ein- lieber täten, als in ihre Heimat zurückzukehren, lässt, einfacher, als sind die Geflüchteten vorläufig erst mal da. man meint. Das war eines der überraschenden Sie sind meist noch am Anfang ihres Weges, Untersuchungsergebnisse unseres Projektes in Deutschland anzukommen. Sie wollen und „Chormusikkultur und Migrationsgesellschaft“. sollen für ihren Lebensunterhalt selbst auf- Das ist inzwischen abgeschlossen, die Pro- kommen. Sie brauchen die Voraussetzungen, jektpublikation erschienen. In den Intervallen um sich in Wirtschaft und Arbeit zu integrieren, lesen Sie eine Rezension dazu. Im Jahrespro- vor allem Sprachkenntnisse. Sie werden ler- gramm finden sich erste Kurse, die das Thema nen, wie Europa und Deutschland sozial, poli- aufgreifen. Dazu lesen Sie u. a. ein Interview mit tisch und kulturell „funktionieren“ und dass es unserem Vorstandsmitglied Joachim Geibel. gut tut, nicht nur in Sicherheit, sondern auch Ungeachtet der Wichtigkeit dieser Vorgänge in individueller Freiheit zu leben. Und wir ler- hat der AMJ natürlich sein praktisches Geschäft nen: In jeder Hinsicht wird unser Gemeinwe- nicht vernachlässigt. Wieder wurde ein sen noch farbiger, als wir es bislang gewohnt umfangreiches Kursprogramm realisiert. Auf waren. Manche tun sich schwer damit. Usedom wurde, zum 11. Mal, die Internationa- Der Schriftsteller Wilhelm Raabe hat einmal le Jugendkammerchor-Begegnung erfolgreich geschrieben: „Man erlebt nicht das, was man durchgeführt. Ein Fachtag zum Singen mit erlebt, sondern wie man es erlebt.“ Das können Kindern hat stattgefunden und wieder einmal wir auch im politischen und kulturellen Leben natürlich das große Symposium zur Kinder- sehen: Die Einen, Gott sei Dank die Minder- und Jugendstimme in Leipzig. Über dies und heit, fürchten sich, schotten sich ab und rufen Vieles mehr aus dem AMJ-Geschehen können nach Verboten gegenüber allem, was sie nicht Sie, wie gewohnt, Berichte lesen. kennen. Die Anderen, Gott sei Dank die große Ich bedanke mich für Ihr Interesse an der Arbeit Mehrheit, begegnen den Herausforderungen des AMJ, wünsche Ihnen ein gutes restliches mit Selbstbewusstsein, Mitgefühl und Tatkraft. Jahr 2016 sowie ein hervorragendes Jahr 2017. Die unglaublich Vielen, die sich im Verlaufe des Da kann übrigens der AMJ sein 70-jähriges letzten Jahres für die Geflüchteten freiwillig Bestehen feiern. Seien Sie herzlichst gegrüßt. gemeinnützig engagiert haben, machen mich stolz auf unser Land. Auch viele Einzelpersonen, Ensembles und Ihr Verbände in der Amateurmusik haben sich mit ihren Mitteln dem Thema Integration geöff- net, von Willkommenskonzerten bis zu aufsu- chender Arbeit, auch im AMJ. Das ist gut. Das braucht aber auch einen langen Atem. Wir Dr. Karl Ermert haben es mit einem langfristigen Prozess zu Bundesvorsitzender 1
USEDOM 2016 Zum 11. Mal trafen sich vom 12. bis 21. August dieses Jahres auf Einladung des AMJ Jugendchöre aus ganz Europa auf der wunderschönen Ostsee-Insel Usedom, um gemeinsam und füreinander zu musizieren. Sechs Chöre aus vier Ländern, rund 200 hoch motivierte TeilnehmerInnen, dazu drei großartige Atelierleiter, über 1.500 BesucherInnen in sieben öffentlichen Konzerten – das ist die reine Statistik. Zu allem anderen wollen wir in dieser Ausgabe der Intervalle Bilder sprechen lassen, zahlreiche bleibende Eindrücke, die unser Fotograf Jonathan Loyche während des Festivals eingefangen hat. 3
USEDOM 2016 Atelier-Repertoire A Pentatonic Alleluia Ross Whitney Wana Baraka arr. Shawn L. Kirchner Seal Lullaby Eric Whitacre Las Amarillas arr. Stephen Hatfield Music Down In My Soul arr. Moses Hogan Mädchenchor Zhuravachka (Weißrussland) Leitung: Olga Belko Jugendchor des Runge-Gymnasiums Wolgast (Deutschland), Leitung: Fred Winter
USEDOM 2016 Atelier-Repertoire Locus iste Anton Bruckner Watane Mark Sirett Blackbird arr. Daryl Runswick Ubi Caritas Ola Gjeilo Viva la Vida arr. Jens Johansen Jugendchor Giovani Cantori di Torino (Italien) Leitung: Carlo Pavese Konzertchor des Otto-Hahn-Gymnasiums Göttingen (Deutschland), Leitung: Michael Krause
USEDOM 2016 Atelier-Repertoire Media Vita arr. Michael McGlynn Zai Itxoiten Javier Busto Niška banja arr. Nick Page Bonse Aba arr. Victor C. Johnson Goza mi Calipso Albert Hernández Mädchenchor Canzone (Estland) Leitung: Ulrika Grauberg Jugendchor Haager Spatzen (Deutschland) Leitung: Zsuzsanna Kàrolyi-Philippzig
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USEDOM 2016 Ich habe mich gleich beim ersten Mal verliebt! Usedom, „Strandgut“ in Trassenheide. In einem Ort gerechnet, und ich habe mich gleich beim Nebenraum der Jugendherberge sind die letzten ersten Mal total verliebt. Da Usedom eine Insel Akkorde eines jazzigen Stücks zu hören, danach ist, habe ich damals ein Programm zum Thema strömen die Mitglieder des italienischen Jugend- Wasser erarbeitet. Ich habe alle Chöre meines chores „Giovani Cantori di Torino“ auf den Innen- Ateliers – ein Chor aus Ungarn, einer aus Tsche- hof, um vor dem abendlichen Konzert noch ihre chien und der Wolgaster Chor – gebeten, ein Freizeit zu genießen, gefolgt von Carlo Pavese, Volkslied zu diesem Thema auszusuchen. Diese dem Chorleiter des Chores, und Stan Engebretson, Stücke haben wir alle gemeinsam geprobt und der gerade die Probe mit dem Chor unterstützt dann eine Improvisation darüber gemacht, hat. Beide sind in gewisser Weise „Veteranen“ der die mit Monteverdis „Ecco mormorar l’onde“ Jugendkammerchor-Begegnung. Stan ist bereits endete. Beim Abschlusskonzert in Wolgast sind zum dritten Mal als Atelierleiter auf der Insel, Carlo dann die SängerInnen wie Wasser aus allen sogar schon zum fünften Mal dabei, zwei Mal als Ecken singend in die Kirche geströmt. Das war Atelierleiter und drei Mal mit einem seiner Chöre. ein besonderer Moment und ein sehr speziel- Zeit für ein Gespräch über Erinnerungen, Traditio- les Festival für mich. nen und die Frage, warum sie immer wieder gerne nach Usedom zurückkommen. Stan: Ich war 2006 das erste Mal als Atelierlei- ter dabei, und gleich von Anfang an fand ich Ihr seid beide zum wiederholten Male die Gemütlichkeit hier großartig, das Zusam- beim Festival dabei. Was macht für euch menkommen verschiedener Länder, den Aus- die Besonderheit der Jugendkammerchor- tausch zwischen den ChorleiterInnen, auch Begegnung aus? Und erinnert ihr euch über Repertoirefragen. Und gerade für die noch an das erste Mal hier? Jugendlichen ist das ein tolles Erlebnis, sie wachsen so stark durch ihre Teilnahme hier. Carlo: Ich erinnere mich sehr gut an mein ers- Wenn man mit seinem Chor mal die bekannte tes Mal Usedom. Das war 2002, und ich hatte Umgebung verlässt, bekommt man zum einen zuvor noch kein solches Festival als Atelierleiter die Aufmerksamkeit der SängerInnen, und erlebt, zumindest kein so langes. Ich war also wenn man dann hierher kommt, hat man so sehr aufgeregt und sehr, sehr gut vorbereitet! vielfältige Möglichkeiten, gemeinsam Musik zu (lacht) Aber ich hatte nicht mit so einem tollen lernen und zu erleben. 12
USEDOM 2016 Gibt es besondere Momente, an die ihr damals noch in Karlshagen untergebracht und euch erinnert? Was sind die Höhepunkte irgendwann während des Festivals stellten wir des Festivals für euch? fest, dass der große Spaß aber hier in Trassen- heide stattfand. Wir haben uns also Fahrräder Stan: Ich war ja drei Mal in der gleichen Rolle hier, ausgeliehen und sind jeden Abend hergefah- als Atelierleiter. Jeder Chor hat seine eigene Per- ren, und dann mitten in der Nacht zurück nach sönlichkeit, und es ist toll zu sehen, wie sich das Karlshagen – singend! Das ist eine wunderbare im Festivalverlauf langsam mischt und wie am Erinnerung. Oder den zugleich traurigen wie Ende alles zusammenfindet und jeder alles gibt, schönen Moment 2010, als wir am Ende des Fes- um die bestmögliche Performance zu bringen. tivals nach Hause fahren mussten. Wir hatten Das ist eine enorme Stimmung. Ein Höhepunkt? damals einen brasilianischen Sänger dabei, und Das ist für mich immer das Abschlusskonzert. der hat sich dann, als wir kurz vor dem Gehen Ich will nicht sagen „Hosanna, Hosanna“ – aber waren, ein Mikrofon geschnappt und ein brasi- es könnte sein (lacht). Ich liebe diese Erfahrung, lianisches Lullaby gesungen. Als wir dann mit die Jugendlichen dabei zu beobachten, wie sie dem Bus losfuhren, mitten in der Nacht, haben Spaß an der Musik haben. Und natürlich ist die alle unsere alten und neuen Freunde auf der „Naschkatze“ in Krummin immer ein Muss! Straße gestanden und gewunken. Diese Erinne- rungen sind alle sehr besonders, weil sie etwas Carlo: Das Abschlusskonzert ist natürlich ein über die menschliche Seite sagen, die aber ohne wunderbarer Moment, das stimmt. Ich habe die Musik nicht existieren würde. darüber hinaus viele kleine Bilder im Kopf. Etwas wirklich Besonderes hier ist ja, dass man viele Im Rückblick auf euer erstes Festival hier: Tage mit relativ wenigen Chören zusammen- Gibt es Veränderungen, die euch aufgefal- lebt, sodass sich zahlreiche Möglichkeiten bie- len sind? Haben sich musikalisch und ten, sich gegenseitig kennenzulernen, mitein- organisatorisch neue Dinge ergeben? ander zu singen und vieles mehr… man wird wie eine kleine Familie. Ich erinnere mich zum Carlo: Ich mag Innovation, aber ich würde Beispiel auch an das erste Mal, als ich mit einem sagen, dass dieses Festival sehr ähnlich ist Chor hier war (2006, Anm. d. Red.). Wir waren wie schon 2002. Und ich mag auch oder gera- Stan Engebretson beim Abschlusskonzert der Carlo Pavese 2008 mit seinen Atelierleiter-Kolleginnen 7. Internationalen Jugendkammerchor-Begegnung 2006 Thekla Jonathal (li.) und Sanna Valvanne 13
USEDOM 2016 de das sehr. Man kommt her und alles läuft in zulernen. Und es gibt auch ein größeres Interes- ähnlicher Art und Weise: nette Menschen, wun- se an Aufführungspraxis und Performance. Wir derbare Orte, ein tolles Team. Eine Sache, die sind einfach neugieriger als Chorleiter. allerdings einen Unterschied ausmacht, ist der Mittwoch, wenn die „common pieces“ geprobt Carlo: Ich möchte noch eine andere Sache werden und die AtelierleiterInnen in die ande- ergänzen, wo sich etwas verändert hat. Bei ren Ateliers kommen. Das ist eine große Ver- anderen Festivals ist es ja oft so, dass die Stü- besserung. Das bietet die Möglichkeit, auch die cke der Ateliers im Vorfeld vorbereitet werden Arbeit der anderen AtelierleiterInnen kennenzu- sollen. Wir alle wissen aber, dass normalerwei- lernen, und die gemeinsame Probe aller Teilneh- se nicht immer jeder Chor wirklich vorbereitet merInnen am Abend ist einfach schön. kommt, und wir akzeptieren das stillschwei- gend. Als ich das erste Mal hier war, gab es, Stan: Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, glaube ich, noch die Idee, den Chören die Stü- dass ich kein Festival kenne, das so gut organi- cke vorher zuzusenden. Und ich erinnere mich, siert ist. Ich schätze auch einfach sehr, dass alles dass der Vorbereitungsstand … nun, sehr so ausgewogen ist. Nach einer anstrengenden unterschiedlich war. Damit ist am Ende natür- Atelierprobe am Morgen gibt es am Nachmittag lich immer irgendwer nicht ganz glücklich, weil Freizeit und die Möglichkeit, bei gutem Wetter die Proben für den einen Chor zu langsam sind an den Strand zu gehen. Die Begegnungskon- und für den anderen zu schnell. Die Tatsache, zerte am Abend sind wunderbar, und auch sonst dass jetzt alle bei Null starten, finde ich daher die Möglichkeit, mit allen zusammenzukommen sehr gut und realistisch. Und da das Festival so und sich auszutauschen. Wie ich vorhin schon lang ist, bleibt als AtelierleiterIn auch genug sagte, trifft es das Wort „Gemütlichkeit“ wahr- Zeit, um ganz von Anfang an zu starten. scheinlich am Besten. Was die Musik, auch in den Ateliers, betrifft: Es gibt definitiv mehr Viel- Stan: Und der andere Aspekt ist der, dass der/die falt. Aber ich denke, das liegt schon allein daran, jeweilige ChorleiterIn die Zeit dafür nutzen kann, dass sich in der Welt so viel geändert hat. Vor 15 das individuelle Programm des Chores vorzube- Jahren gab es fast keinen Austausch von Noten reiten. Das bietet die Möglichkeit, sich auf dieses über das Internet. Man hatte nicht in diesem Programm zu fokussieren und sie haben nicht Maße die Möglichkeit, alles bei Youtube nach- das Gefühl, dass ihnen Zeit weggenommen wird. zuschauen und so Musik aus aller Welt kennen- Ich denke, dass das eine kluge Sache ist. 14
USEDOM 2016 Wie geht es euch mit dem aktuellen Festival? der Qualität der Arbeit ist, die sie hier machen. Seid ihr zufrieden mit euren Ateliers? Natürlich sind sie morgens müde, und es ist nicht einfach, um 9.30 Uhr im Atelier zu proben – aber Stan: Absolut! Es gibt eine unglaubliche Vielfalt sie wollen da sein! Sie wissen oder spüren, dass in den einzelnen Konzerten. Es ist großartig, die sie etwas lernen, von Dominique, vom ande- verschiedenen nationalen Stile zu sehen, auch ren Chor in ihrem Atelier. Und sie lernen, auf die die neuen Ideen mit Improvisation oder Per- anderen zu hören, und das sehr gut! Das ist nicht formance. Ich habe noch nicht die Möglichkeit selbstverständlich. In Turin singen wir immer mal gehabt, alles zu sehen, was meine Kollegen vor- wieder mit anderen Chören, und dann ist oft bereitet haben, aber in meinem Atelier bin ich eine gewisse Unruhe, sie reden ein bisschen und sehr glücklich mit dem Level der SängerInnen man muss schauen, wie sie sich benehmen. Hier und vor allem dem Einsatz. Für mich ist das ein sind sie viel mehr fokussiert und verstehen und absolut beispielhaftes Festival. Als ich gefragt nehmen in sich auf, was die anderen anbieten. wurde, ob ich wieder als Atelierleiter dabei sein wolle, hab ich keine Sekunde gezögert und nur Stan: Sie waren fantastisch vorhin, als wir den gesagt „Please, yes, I want to come“. kleinen Jazz-Workshop gemacht haben. Sie haben es gleich auf den Punkt hinbekommen. Carlo: Da kann ich nur zustimmen. Es ist eines der besten Festivals, wenn nicht das beste Fes- Carlo: Oh ja, und das ist noch eine andere tival, das ich kenne. Ich versuche, alle zwei Jahre wunderbare Sache, die hier passieren kann, hierher zu kommen, und eigentlich können nur und die dieses Festival von anderen unter- andere Termine oder Verpflichtungen dagegen scheidet. Man kann einfach sagen „Let’s work sprechen, sonst gibt es keine Diskussion. Meine a little bit“ und die Gelegenheit nutzen, dass SängerInnen – mit diesem Chor bin ich das ers- Stan mehr über diese Musik weiß als wir und te Mal hier – lernen hier so viel, und sie beneh- uns helfen kann. Denn der Chor ist in einer Art men sich sogar besser, als ich das erwartet hät- „Lernmodus“, das ist einfacher als im Alltag. te … (schmunzelt) Und ich denke, dass es wegen Dort ist alles ein bisschen Routine, sie sind bei vielleicht 60 bis 70 Prozent – aber hier sind sie Carlo und Stan 2010 nach einem kleinen Überraschungskonzert auf einen Schlag zu 120 Prozent aufmerksam gemeinsam in der „Naschkatze“ in Krummin und aufnahmefähig. 15
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt Konzertchor des Otto-Hahn- den Schwerpunkt im Musikzweig des Otto- Hahn-Gymnasiums (OHG) auf die Musikpraxis Gymnasiums Göttingen und die Arbeit in jahrgangsübergreifenden Von Michael Krause Ensembles gelegt. Eine Entscheidung mit weit reichenden Konsequenzen, bis heute. Wie man einen Vogel malt Bisweilen kommt der Vogel bald / aber er kann ebenso gut viele Jahre brauchen / bis er Male zuerst einen Käfig / mit einer offenen sich dazu entschließt. / Verlier nicht den Mut / Tür / dann male / irgend etwas Hübsches / warte, wenn’s sein muss jahrelang. / Denn der irgend etwas Einfaches / irgend etwas Schönes / rasche oder langsame Anflug des Vogels / hat irgend etwas Nützliches / was nur den Vogel nichts zu tun / mit dem Gelingen des Bildes. angeht. / Dann lehne die Leinwand an einen Baum / in einem Garten / in einem Wäldchen / Singen ist ein menschliches Grundbedürfnis. verbirg dich hinter dem Baum / ohne zu spre- Unsere SchülerInnen wollen singen, wollen chen / ohne dich zu rühren… auch singen lernen, haben ihre Klangidea- le, zeigen sich aber beglückend interessiert 1995 gründen an einer Schule ohne Chortra- an für sie neuen und „alten“ Musikstilen. Die dition (aber mit dem zarten Pflänzchen eines Kunst in Europa hat alte Wurzeln – auch Gre- frisch gegründeten Musikzweigs) 26 SängerIn- gorianik und Renaissance können faszinieren, nen, vornehmlich junge Damen, einen Schul- ebenso die Musik des 21. Jahrhunderts. Der chor. Sie führen zum Schattenspiel des Kunst- Chor wächst, schneller als geahnt, für manchen kurses Orffs Weihnachtsgeschichte auf. Schnell beobachtenden Pädagogen an der Schule vergrößert sich der kleine Chor, Männerstim- wirkt die singbegeisterte Eigendynamik sogar men aus dem Oberstufenkurs stoßen dazu. beängstigend. Der Chor muss geteilt werden, Ende des Schuljahres sind es bereits 40 Sänge- das Stundendeputat erhöht. Der Konzertchor rInnen. Die Schulorganisation und der Mangel des OHG Göttingen wird gegründet. Bei ersten an MusiklehrerInnen geben wenig Spielraum öffentlichkeitswirksamen Auftritten außerhalb für eine sinnvolle Stundenplanung. Aus diesem der Schule zeigt sich, dass am OHG ein beacht- Problem haben wir eine Tugend gemacht und liches Sängerpotential heranwächst. Der Kon- 16
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt dass Kinder und Jugendliche mit Begeisterung musizieren/singen, wenn wir ihnen die dazu nötigen Räume beschneiden. Eine Beobach- tung, die alle PädagogInnen in Zeiten verkürz- ter Schulzeit (G8), voll gestopfter Lehrpläne und persönlicher Tagespläne, die durch die Ganztagsschule in ein Korsett aus Terminen gezwängt werden, bestätigen können. zertchor fährt zum EUROTREFF Wolfenbüttel, beherbergt Gäste aus Mazedonien und konzer- 2. Raum und Zeit: Auch wenn es in den Medi- tiert mit dem Göttinger Sinfonie-Orchester… en regelmäßig suggeriert wird, dürfen wir in Zurzeit singen am OHG in drei Chorgruppen unserer Event-Gesellschaft nicht erwarten, (Unterstufenchor, Schulchor und Konzertchor) dass Singen „einfach“ ist. Die Singstimme ist und dem Praxisunterricht Chorsingen der 5. und ein Instrument, das einem ständigen Wachs- 6. Klassen ca. 200 Schüler und Schülerinnen. tumsprozess unterliegt. Sie will regelmäßig gepflegt werden und benötigt wie alle Instru- Wenn der Vogel kommt / falls er kommt / so mente Jahre der Übung, um sich zu entfalten. sei ganz still / warte bis der Vogel in den Käfig Eine Schul-AG, die alle Halbjahre neu in Kon- schlüpft / und wenn er hineingeschlüpft ist / kurrenz zu anderen Angeboten und Zwängen schließe mit dem Pinsel leise die Tür. des Stundenplanes gerät und um Lehrerstun- den bangen muss, ist so gesehen keine aus- Im Konzertchor finden ca. 45 Jugendliche der reichende Basis für einen funktionstüchtigen Jahrgansstufen 8 bis 12 zusammen, die etwas Chor. Gerade deshalb müssen wir unserer mehr Zeit in die Probenarbeit investieren wol- Schulleitung danken, die der Chormusik am len. Sie finden dort: OHG trotz aller schulpolitischen Unwägbarkei- ten 20 Jahre Kontinuität ermöglicht hat. 1. Einen Ort: Einen Käfig im positiven Sinn. Je jünger, ungeübter und unerfahrener die Sän- 3. Motivation: Die SchülerInnen sind zum Glück gerInnen sind, desto wesentlicher ist der opti- nicht alle kleine Pavarottis oder Bartolis. Nicht male Rahmen. Wir können nicht erwarten, allein Begabung ist die entscheidende Vor- 17
AMJ-Mitgliedschöre im Porträt aussetzung, sondern der Wille durchzuhalten, wenn es noch nicht so schön klingt. Zur Probe gehen, auch wenn man mal keinen „Bock“ hat, Werke ertragen, die einem nicht liegen, priva- te Termine zurückstellen: Singen kann, wer die Proben durchhält! Man kann die Stimme nicht per App herunterladen und abspielen. Die Ein- satzfreude der SängerInnen und ihrer Eltern für Konzerte, Probenwochenenden, Fahrdiens- Produktionen in der Sparkassen-Arena oder die te und familiäre Organisationen geht über ein Konzertreisen zum EUROTREFF 1997 und 2001 selbstverständliches Maß weit hinaus. sowie zur Internationalen Jugendkammerchor- Begegnung Usedom 2000 und 2016. In diesem Dann tilge nacheinander die Gitterstäbe aus / Herbst führten wir gemeinsam mit dem Göttin- wobei du keine einzige Feder des Vogels ger Knabenchor und dem Philharmonic Volks- berühren darfst / Sodann male den Baum / wagen Orchestra in einem Friedenskonzert „The und wähle den schönsten seiner Äste / für den Armed Man – A Mass for Peace“ von Karl Jenkins Vogel. / Male auch das grüne Laub und den in der St. Johanniskirche in Göttingen auf. frischen Wind / den Sonnenstaub / und das Gesumm der Grastiere in der Sommerglut. Seit zwei Jahren treffen sich ehemalige Sän- gerInnen des Konzertchores zu Pfingsten in Die Konzerte sind das Salz in der Suppe. Etli- einem Kammerchorprojekt und halten so Kon- che Schulkonzerte, Weihnachtsmusiken und takt zu ihrer „alten“ Schule. Nicht wenige haben Gottesdienst-Auftritte prägen unser Konzert- nach dem Abitur eine Berufslaufbahn als Musi- leben. Regelmäßig gestalten die SängerIn- kerIn oder MusikpädagogIn eingeschlagen. nen Konzertprogramme auch inhaltlich selb- ständig und treten in kleinen Ensembles auf. Und dann warte / ob der Vogel sich entschließt Darüber hinaus gibt es Höhepunkte, die allen zu singen. / Wenn der Vogel nicht singt / so ist Beteiligten in Erinnerung bleiben werden, es ein schlechtes Zeichen / ein Zeichen dass wie die Konzerte mit dem Göttinger Sinfonie- das Bild schlecht ist. / Aber wenn er singt / orchester (u.a. Carmina burana, Die Jahres- ist es ein gutes Zeichen / ein Zeichen dass du zeiten), „Pop meets classic“, das AMJ-Projekt das Bild mit deinem Namen zeichnen darfst. / „Komponistinnen und Komponisten schrei- Dann zupfst du ganz sacht eine Feder aus dem ben für Kinder- und Jugendchöre“, oratorische Vogelgefieder / und schreibst in eine Ecke des Aufführungen gemeinsam mit dem Göttinger Bildes deinen Namen nieder. Knabenchor (u.a. Fauré-Requiem, John Rut- ter: Mass of the Children, Händel: Der Messias, Jacques Prévert (1900–1977) Bach: Weihnachtsoratorium I-III), fünf Musical- deutsch: K. Kusenberg 18
Aus der Kursarbeit Nur wer selbst brennt, den geduldig beantwortet, der Ablauf (inklusi- ve des geselligen Beisammenseins) aber nie kann andere entzünden aus den Augen verloren. Dieser Einstieg ist bei- AMJ-Kurs „Tipps und Tricks spielhaft für das ganze Wochenende. für die Kinderchorarbeit“ Natürlich werden auch viele Lieder gesungen: in Vöhl, 06. bis 08. November 2015 kurze, längere, laute, leise, SingBach, SingRo- mantik, einstimmig, mehrstimmig. Die Anre- Von Christine Eichner gungen – theoretisch wie praktisch – sind mannigfaltig, egal ob es sich um Literatur oder Es ist Freitagabend, das Seminar fängt gleich kindgerechtes Verpacken von Stimmbildung an. Alles ist bereits vorbereitet, die Stühle ste- und Einsingen handelt, um Liedvermittlung hen schon im Kreis, diverse Literatur ist zur durch die Verbindung von Stimme, Körper und Ansicht ausgebreitet. Gleich wird es begin- Bewegung (Gesten), positive Bestärkung und nen, mit einer gewissen Routine formuliere ich Motivation (Nie negativ! Immer Bilder suchen, mir in Gedanken ein paar Sätze: Wer bin ich, die die Kinder dort abholen, wo sie sind!) oder wo komme ich her, was mache ich und was den Rat, niemals die Leichtigkeit und Einfach- erhoffe (erwarte) ich von diesem Seminar. Mal heit aus den Augen zu verlieren. Ihre gelebte sehen, ob wir uns einen Ball oder so zuwerfen Botschaft an uns: „Nur wer selbst brennt, kann oder der Reihe nach drankommen. andere entzünden!“ Dabei immer offen und Aber es kommt anders. wach bleiben für die Belange der Kinder, denn: Friedhilde (Friedhi) Trüün erscheint und fesselt sie haben immer recht! sofort mit Ausstrahlung und Präsenz. Nach- Friedhi stellte jeder von uns am Anfang (bild- dem sie sich vorgestellt hat und wir uns alle lich gesprochen) drei Wäschekörbe hin: Der aufs Du verständigt haben, gibt es eine etwas erste für Sachen, die eher nicht meins sind. andere Kennenlernrunde. Wir stellen uns nach Der zweite, wo Sachen hineinkommen, die ich Tätigkeitsbereichen (Schule, Kindergarten, Kir- ausprobieren möchte. Und der dritte mit Anre- che, …), nach Wohnorten, Geburtsorten, nach gungen, Ideen, die ich sofort anwenden wer- den Anfangsbuchstaben unserer Vornamen de. Das Blitzlicht zum Abschluss zeigte: Nur auf. Sofort wird das Eis gebrochen, werden der erste Wäschekorb ist bei uns allen fast leer Gemeinsamkeiten entdeckt und viel gelacht. geblieben. Danke Friedhi! Ganz nebenbei lernt Friedhi unsere Namen. Danach setzen wir uns auf unsere Stühle und Friedhi erklärt und reflektiert das gerade Getä- 2017 kann man Friedhilde Trüün mit dem Kurs tigte. Sofort gibt es den Literatur-/Skriptver- „Kinder, ihr singt so klasse!“ weis dazu und den Bezug zur Kinderchorarbeit vom 06. – 08.10.2017 in Kloster Frenswegen in (wann, in welcher Situation und in welcher Nordhorn erleben. Altersklasse am besten einsetzbar). Fragen wer- 19
Aus der Kursarbeit Kinder.SINGEN.Lieder Fachtagung für MultiplikatorInnen in Wolfenbüttel, 02. bis 03. April 2016 forderungen beim Musizieren mit Kinder- und Von Franka Weber Jugendgruppen mit oder auch ohne Inklusi- onsbedarf diskutiert. Eine Gruppe Erwachsener sitzt im Stuhlkreis, Die erste Fachtagung des AMJ, durchgeführt singt ein Lied und lauscht dabei der Stille. Die in Kooperation mit der Bundesakademie für Melodie ist nur im Kopf zu hören, der Ausdruck Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, richtet sich ist physisch – mithilfe von Gebärden. Andäch- speziell an MultiplikatorInnen aus KiTa, Grund- tig, vielleicht auch etwas unbeholfen, werden schule und Kinderchor und ist aus einer einfa- die gerade erst erlernten Gesten ausgeführt. chen Einsicht entstanden: Im frühkindlichen Unsicher darüber, was als nächstes kommt, und vorschulischen Alter werden die Grund- schielen einige immer wieder zum Kursleiter, lagen für spätere musikalische Aktivitäten Unmada Manfred Kindel. Dieser gebärdet so gelegt. Damit diese Grundlagen erfolgreich lebhaft, und gleichzeitig so still, dass man das gelegt werden können, bedarf es ausreichend Gefühl hat, sich in einen Gehörlosen hineinver- qualitativ hochwertiger Angebote für Kinder. setzen zu können. Daher bietet diese Fachtagung sowohl Aus- Während des zweistündigen Workshops Inklu- tauschmöglichkeiten über die musikalische sion bei der Fachtagung „Kinder.SINGEN.Lieder“ Arbeit mit Kindern, als auch Workshops, in lernen die TeilnehmerInnen Lieder mit Gebär- denen den TeilnehmerInnen Impulse für die den aus der Deutschen Gebärdensprache, ver- praktische Arbeit vermittelt werden. bunden mit Tänzen und Spielen. Aber es wird Die Tagung beginnt mit einer Einführung ins nicht nur getanzt und gesungen, sondern auch Thema durch Prof. Robert Göstl. Dieser zeigt über Gestaltungsmöglichkeiten und Heraus- am Beispiel eines Videos von seiner Tochter, 20
Aus der Kursarbeit welche Begeisterung Kinder für das Singen entwickeln können und fordert spontan das Publikum auf, jenes eben von seiner Tochter vorgetragene Lied anzustimmen. Indem er den TeilnehmerInnen so in Erinnerung ruft, welche Freude Singen bringt, ist die Motivation in allen geschürt, sich dafür einzusetzen, dass mög- werden viele Fragen gestellt: Wie motiviere lichst viele Kinder ebenfalls diese Erfahrung ich Kinder zum Singen? Wie wähle ich pas- machen können. sendes Repertoire? Wie vermittele ich Lieder In den nächsten Stunden rotieren die Teilneh- aus anderen Kulturen, wenn ich mich selber in merInnen im World Café an Thementischen zu der Kultur nicht auskenne? Wo bekomme ich Integration, Inklusion und Singleitung. Neben Unterstützung für größere Projekte? Es entste- dem Austausch über bisherige Erfahrungen hen Diskussionen, einige Fragen können direkt beantwortet werden, andere noch nicht. Am Ende des ersten Tages werden die wich- tigsten Erkenntnisse und Stichworte im Ple- num zusammengetragen. Abgerundet wird der Abend durch ein offenes Singen, das von Markus Brünger geleitet wird, AMJ-Vorstands- mitglied und zugleich Initiator und Ideengeber der Tagung. Am nächsten Tag ist nach einem kurzen Einsin- gen die Zeit gekommen, dass die TeilnehmerIn- nen der Tagung von den professionellen Kurslei- terInnen lernen können. Zeitgleich mit dem Kurs 21
Aus der Kursarbeit zu Inklusion finden zwei weitere Workshops statt. Bei Robert Göstl lernen die TeilnehmerIn- nen Handwerkszeug: Einsätze geben, dirigie- ren, Details korrigieren und die Probe im Fluss halten. Jeder ist mal dran, sich vor der Gruppe und unter den Augen des Profis auszuprobie- ren. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf Feingefühl. Schon sehr kleine Gesten und Veränderungen der Mimik können viel bewirken – häufig auch wichtig es ist, ein Lied in den richtigen Kontext mehr als ihre großen Gegenstücke. Die Rolle der einzubetten, und zum Beispiel nicht grobe Ver- Chorleitung gegenüber dem Chor, sowie der allgemeinerungen über das Leben in Afrika Umgang mit Lob und Kritik, auch gegenüber zu verbreiten, sondern sich intensiv, auch in der Chorleitung, werden besprochen. Kooperation mit Menschen einer bestimmten Im Workshop Integration begeben sich die Herkunft, mit einem Land oder einer Kultur TeilnehmerInnen mit Josephine Kronfli und auseinanderzusetzen und so Kindern einen Pit Budde auf eine Reise um die ganze Welt. unverfälschten Einblick zu geben. Die Lieder in fremden Sprachen und mit teils Am Ende der zwei Tage hört man als Rückmel- ungewohnten Rhythmen und Melodien sind dung von den TeilnehmerInnen, dass sie in zunächst etwas schwer zu erlernen. Da aber den jeweiligen Bereichen viel Neues gelernt Teile der Texte von den LiedermacherInnen ins haben, was auch unmittelbar relevant für ihre Deutsche übersetzt wurden, wird eine Brücke alltägliche Arbeit ist. Es bleibt aber eine deut- geschlagen, die das Kennenlernen einfacher liche Nachfrage nach zusätzlicher Förderung, macht. Dazu kommen Tänze und Rhythmus- Unterstützung und weiteren Fortbildungen in spiele, wodurch ein lebendiges Spiel mit der allen drei Gebieten Integration, Inklusion und Musik und eine Auseinandersetzung mit der Singleitung. Darüber hinaus hieß es aber auch eigenen und den fremden Kulturen entste- immer wieder: Wir würden gerne noch mehr hen. Hierbei betonen die KursleiterInnen, wie Praktisches lernen, z.B. noch mehr Kinderlieder. 22
Aus der Kursarbeit Die Stimme im Nachfolgend soll von den Vorträgen berichtet werden, die für die SängerInnen, Gesangspäd- pädagogischen Alltag agogInnen, ChorleiterInnen und Schulmusike- Das 14. Leipziger Symposium rInnen eine besondere Relevanz hatten. zur Kinder- und Jugendstimme, Im Eröffnungsvortrag skizzierte Prof. Dr. Ulrich 26. bis 28. Februar 2016 Mahlert (Berlin) Perspektiven des Musikler- nens und -lehrens und ging insbesondere Von Prof. Dr. Michael Fuchs darauf ein, dass gerade dort, wo das Singen Bestandteil des Unterrichts oder auch einer Im Fokus des diesjährigen Symposiums mit Therapiesituation ist, das gemeinsame Erle- rund 500 TeilnehmerInnen stand die Stim- ben von Glück beim Musizieren Kräfte entfal- me der PädagogInnen: ihre Ausbildung, ihre ten kann, die die pädagogischen Bemühungen Gesunderhaltung, die Behandlungsmöglich und die stimmlichen Ausdrucksmöglichkei- keiten bei berufsbedingten Dysphonien und ten sehr unterstützen. In einem Vortrag über Dysodien sowie die Wirkungen der Stimme Stimmauffälligkeiten vor und nach Aufnahme auf die Kinder und Jugendlichen und ihr Lern- der Berufstätigkeit als LehrerIn erläuterte Dr. verhalten sowie die zahlreichen Wechsel Sigrun Lemke (Leipzig) die Bedeutung einer wirkungen, die mit der Stimme in der Unter- umfassenden Ausbildung der Stimme von richtssituation entstehen. Wie auch in den angehenden PädagogInnen. So fanden sich Jahren zuvor zeichnete sich das Symposi- bereits bei den Lehramtsstudierenden bei fast um wieder durch das intensive Diskutie- 40 Prozent stimmliche und sprecherische Auf- ren zwischen den Fachgebieten der Musik- fälligkeiten, die einer ärztlichen Abklärung und pädagogik und Medizin und durch eine von zum Teil einer logopädischen Übungsbehand- gegenseitiger Wertschätzung getragene, freu- lung bedurften. dig-aufgeschlossene Atmosphäre aus, zu der Dass stimmliche Auffälligkeiten bei Pädago- nicht zuletzt das Ambiente der Hochschule gInnen eine unmittelbare Konsequenz auf beitrug. die Leistungen von Kindern haben, schilderte 23
Aus der Kursarbeit Dr. Susanne Voigt-Zimmermann (Magdeburg) tes und der auditiven Steuerung beim Singen in ihrem Vortrag. Die eingeschränkte Steige- und Sprechen. Den Hauptvortrag des Symposi- rungs-, Modulations- und Gestaltungsfähigkeit ums hielt Prof. Robert Göstl (Köln) zur Singstim- einer erkrankten Stimme wirkt sich unmittel- me. Unter dem Titel „Sing doch, was Du willst“ bar auf das Sprachverstehen (insbesondere schilderte er auf der Basis einer jahrelangen bei schwierigen akustischen Unterrichtsbedin- Erfahrung als Musikpädagoge und Sänger vor- gungen) und damit auch auf die Aufmerksam- der-, hinter- und tiefgründige Aspekte der Vor- keit- und Konzentrationsfähigkeit der Kinder bildwirkung von Sing-Stimmen. Der Vortrag aus. Außerdem gibt es einen direkten Zusam- fasste in einer beeindruckenden Weise zusam- menhang zwischen einer erkrankten Stimme men, in welch vielschichtiger Art PädagogIn- und schlechteren schulischen Leistungen der nen und TherapeutInnen mit ihren Stimmen unterrichteten Kinder. Prof. Michael Fuchs stell- auf ihr Gegenüber wirken. te im Namen einer Leipziger Forschergruppe Dr. Vera Oelze (Halle) forderte auch für Mitar- Ergebnisse einer Studie dar, die deutlich macht, beiterInnen in Kindertagestätten eine medizi- dass unabhängig von weiteren Ursachen für nische Betreuung, da sich der Lärm in Kinder- Stimmerkrankungen das Risiko für eine berufs- tagesstätten nicht nur auf die Stimme sondern bedingte Dysphonie um das 1,6fache steigt, auch auf das Hören negativ auswirken kann. wenn eine entsprechende Ausbildung im Lehr- Prof. Dr. Malte Kob (Detmold) ergänzte diesen amtsstudium fehlt. Vortrag mit akustischen Grundlagen über die Frau Dr. Daniela Sammler (Leipzig) stellte neu- Möglichkeit der Optimierung der Raumakus- ronale Grundlagen des motorischen Lernens tik für den künstlerischen, pädagogischen und mit Fokus auf die Stimme und die Relevanz für diagnostischen Stimmgebrauch. Die Raum- die Gesangsausbildung vor. Anhand aktuel- akustik hat einen erheblichen Einfluss auf die ler internationaler Forschungsergebnisse ver- Belastung der PädagogInnenstimme. Daher anschaulichte sie neue Erkenntnisse über die sollten alle geplanten Renovierungsarbeiten Zusammenarbeit verschiedener Regionen des oder Neubauten an Unterrichts- und Thera- Gehirns bei der Steuerung des Stimmappara- pieräumen immer auch genutzt werden, um 24
Aus der Kursarbeit die Akustik zu prüfen und gegebenenfalls zu Handelns im Unterricht und in der Therapiesi- optimieren. tuation vor. Juan Garcia (Halle/Saale) widme- Dr. Michael Kroll (Leipzig und Stadtroda) wies te sich den Möglichkeiten der Arbeit mit der in seinem Vortrag darauf hin, dass PädagogIn- jungen Erwachsenen-Singstimme im Gen- nen über ihren persönlichen Einsatz wirken re Pop und Jazz und stellte insbesondere das und sich dabei auch als Instrument nutzen. Warm-Up (Einsingen) in drei Phasen in den Kroll stellte die Frage, in welchem Maße es Mittelpunkt. Schließlich gestaltete Evemarie gelingt, achtsam zu sein und stellte Möglich- Haupt (München) einen Workshop über inte- keiten vor, diese Achtsamkeit zu schulen. Prof. grative Stimmtherapie und -pädagogik unter Dr. Claudia Spahn (Freiburg) beschrieb Risiko- Einbeziehung komplementärer Verfahren, wie gruppen, die sich bereits im Lehramtsstudium Qi-Gong. Die Referentin konnte dem Publikum finden lassen, die unter Belastungssituationen eindrucksvoll neue Optionen für die Anwen- zu einer Störung der psychischen Gesundheit dung in der Unterrichts- und Therapiesituation neigen. darstellen. Parallel zu den Vorträgen fanden vier Work- Auch dieser sehr erfolgreiche Jahrgang des shops statt, die durch die viermalige Wiederho- Symposiums basierte auf der intensiven, lung von allen TeilnehmerInnen wahrgenom- fruchtbaren und mittlerweile schon als freund men werden konnten. Johanna Seiler (Berlin) schaftlich zu bezeichnenden Zusammenarbeit stellte anhand zahlreicher praktischer Beispiele zwischen der Hochschule für Musik und Thea- mit dem Publikum Vokalimprovisation im päd- ter Leipzig, dem Universitätsklinikum Leipzig agogischen und therapeutischen Kontext dar. und dem Arbeitskreis Musik in der Jugend. Dabei kann Improvisieren als didaktisches und therapeutisches Element fungieren. Micaëla Grohé (Berlin) widmete sich der Kommunika- Das 15. Leipziger Symposium zur Kinder- und tion in (pädagogischen) Konfliktsituationen. Jugendstimme findet vom 24. – 26.02.2017 statt. Dabei stellte sie anhand konkreter Gesprächs- Thema: „Beziehungssystem Stimme“. situationen Möglichkeiten des professionellen 25
Aus der Kursarbeit „Wir sehen uns als einen Schrittmacher im Bereich der Kinder- und Jugendstimme“ Anlässlich des 15. Leipziger Symposiums zur Kinder- und Jugendstimme hat unsere General- sekretärin, Marleen Mützlaff, mit dem Leiter des Symposiums, Prof. Dr. Michael Fuchs, gesprochen – über die Anfänge und die Zukunft. Marleen Mützlaff: Es gibt nächstes Jahr ein Jubiläum im Symposium: Es findet zum 15. Mal statt. Wie hat eigentlich alles angefangen? Prof. Dr. Michael Fuchs: Der Anfang war ein erster Kontakt zum Arbeitskreis Musik in der punkt und wir haben damals sehr schnell die Jugend um das Jahr 2000 herum. Helmut Ste- Idee entwickelt, genau dieses Symposium die- ger und Rolf Pasdzierny suchten den Kon- sem Thema zu widmen. takt – wahrscheinlich über die Wahrnehmung Im Jahr 2002 wurden wir auf dem 13. Phoniatrie- unserer Abteilung, da wir uns mit der Kinder- Symposium, dem letzten seiner Art, aktiv: Es und Jugendstimme beschäftigen. Sehr genau wurde ein Workshop „Kinder- und Jugendstim- kann ich mich an ein wunderbares Treffen und me“ zum Thema Chorische Stimmbildung ange- ein langes Gespräch im „Bachstübl“ erinnern, boten. Genauer gesagt war es ein Kongress für einem Café auf dem Thomaskirchhof, auf dem Ärzte, der auch schon aus Vorträgen und rich- wir gemeinsam überlegten, wie eine Zusam- tigen Workshops bestand und an die Leipziger menarbeit aussehen könnte. Musikhochschule angegliedert war. Aufgrund Dazu muss man wissen, dass seit den 1960er der weitreichend positiven Resonanz beschlos- Jahren in Leipzig ein Symposium, es nannte sen wir, weiterzumachen. Die Idee war, das Sym- sich seinerzeit Phoniatrie-Symposium, alle drei posium zweijährig durchzuführen. Daher fand Jahre veranstaltet wurde. Es hatte vorrangig das zweite Symposium 2004 statt, mit dem Titel: die Aufgabe, die Stimmärzte (Phoniater) beid- „Der Klang der Kinder- und Jugendstimme“ seits der damaligen deutsch-deutschen Grenze (unter der Schirmherrschaft des damaligen Bun- für einen wissenschaftlichen Austausch zusam- despräsidenten Johannes Rau). Dieses Sympo- men zu bringen. Nach der Wiedervereinigung sium war bereits losgelöst und fand nicht mehr Deutschlands war diese Aufgabe erloschen, im Rahmen des Phoniatrie-Symposiums statt, das Leipziger Symposium lief Gefahr, unterzu- sondern wir hatten ein eigenes Symposium zur gehen in einer fast unüberschaubaren Vielfalt Kinder- und Jugendstimme kreiert, was von an entsprechenden Kongressen, Symposien vornherein Wert auf die Multidisziplinarität leg- und Weiterbildungen. Wir waren damals sehr te. Weil das so gut lief und die Nachfrage so groß daran interessiert, dem Symposium einen war, sind wir bei der Durchführung zum jährli- Inhalt zu geben, für den sich Leipzig in beson- chen Rhythmus übergangen, den wir seitdem derer Weise auszeichnet, und das ist unsere beibehalten haben und der dazu führt, dass wir klinische und wissenschaftliche Beschäftigung im Jahr 2017 unser 15-jähriges Jubiläum des mit der Kinder- und Jugendstimme – mit dem Symposiums feiern können. besonderen Schwerpunkt der Arbeit mit sin- Im Rahmen des 1. Workshops haben Medizine- genden Kindern und Jugendlichen. Insofern rInnen und MusikpädagogInnen teilgenommen. kamen die Beiden genau zum richtigen Zeit- Dies war die Grundidee des Ganzen – nämlich, 26
Aus der Kursarbeit künstlerischen Beiträgen. Über die Jahre haben wir uns immer weiter entwickelt und perfektio- niert, haben immer auch kleinere Veränderun- gen vorgenommen und das Ganze als einen lernenden Prozess verstanden. Die Grundidee – einen Wechsel aus Vortrag und Praxis zu haben – hat sich dabei sehr bewährt. Weiterhin ist das rotierende System der Work- shops zu nennen – dass also vier Workshops vier Mal parallel angeboten werden. Dies ermög- licht es allen TeilnehmerInnen, jeden Workshop zu erleben. Wir empfinden das als sehr glück- liche Lösung für die TeilnehmerInnen, die so wirklich alles mitbekommen können. Ich kenne viele andere Kongresse, bei denen Workshops so parallel angeboten werden, dass man sich dass eine etablierte Veranstaltung genutzt wer- einen unter vielen aussuchen muss. Zuweilen den sollte, an der an diesem Fachgebiet interes- beschleicht einen dann das Gefühl, dass man sierte ÄrztInnen und auch LogopädInnen (aller- etwas verpasst, oder dass man den falschen dings in geringerer Zahl, als es heute der Fall Workshop ausgewählt hat… Einmal hatten wir ist) teilnehmen. Und wir hatten uns überlegt, auch versucht, Kleinworkshops mit begrenzter MusikpädagogInnen einzuladen, MusiklehrerIn- TeilnehmerInnenzahl anzubieten, die parallel nen, MusikleiterInnen, MusikschullehrerInnen zu den anderen Workshops liefen – dies hatte bis zu ChorleiterInnen und StimmbildnerInnen. keine positive Resonanz gebracht und wurde Dies hat seitdem sehr gut funktioniert; das Podi- deshalb nicht wiederholt, da nicht zuletzt auch um wurde immer interdisziplinärer. Nun neh- die Stimmung der Veranstaltung nicht beein- men auch die PsychologInnen teil, die gesam- trächtigt werden sollte. ten StimmtherapeutInnen, KinderärztInnen Eine Besonderheit des Symposiums ist, dass und sogar ZahnärztInnen. Das Spektrum wurde wir als Konzeptionsteam inhaltlich einen star- erweitert. Der interdisziplinäre Grundgedanke ken „roten Faden“ haben; wir wissen, warum bestand von Anfang an; es war von Anfang an wir die Vorträge in einer bestimmten Reihen- eine Zusammenarbeit zwischen AMJ und uns, folge positionieren und wie sich die Work- gemeinsam mit dem Partner Hochschule für shops dabei einfügen. Insofern macht es Sinn, Musik und Theater Leipzig. Inhaltliches Input dass jeder alles erlebt und nicht eine gewisse kam von Anfang bis heute besonders vom AMJ Beliebigkeit auftritt mit einem breiten Ange- – ebenso die Position Teamzusammensetzung. bot, aus dem sich jeder etwas aussuchen kann. Wir möchten jede TeilnehmerIn von Anfang bis Gibt es besondere Entwicklungen in der zum Ende didaktisch begleiten. Struktur des Symposiums – wenn Du den Ausgangspunkt betrachtest, vom ersten Kannst Du Dir, als Visionär des Symposiums, Leipziger Symposium zur Kinder- und vorstellen, wo Du das Symposium in gut 5 Jah- Jugendstimme bis heute? ren im Jahr 2022 siehst, also die 20. Ausgabe? An unserer Grundstruktur, die wir von Anfang Ich glaube, dass es Sinn macht, an den bewähr- hatten, an der wir festgehalten haben und ten Konzepten grundsätzlich festzuhalten. die sich bewährt hat, hat sich nicht viel geän- Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, neue dert: nämlich der Wechsel zwischen Vorträgen, didaktische Formen auszuprobieren, die Tech- Rundtischdiskussionen, Präsentationen und nik mehr mit einzubeziehen, z.B. bei Work- Workshops – umrahmt von musikalischen und shops oder Vorträgen mithilfe elektronischer 27
Aus der Kursarbeit Kontext. Dazu gehört die zunehmende Vernet- zung mit anderen Veranstaltungen, wie zum Beispiel zu dem Osnabrücker Symposium von Prof. Mohr. Es gibt seit jeher weniger dieser interdisziplinären Veranstaltungen für die Kin- der- und Jugendstimme als für die Erwachse- nenstimme. Aber wir sehen auch andere Veranstaltungen, wie die Internationalen Stuttgarter Stimmtage, das A-cappella-Festival in Leipzig, mit denen wir uns gern vernetzen, mit denen wir uns aus- tauschen, Inhalte importieren und exportieren und auf diese Weise unser Netzwerk gestalten. Abstimmungssysteme noch mehr mit dem Dies ist eine Vision, die ich über 2022 hin- Publikum zu interagieren. Wir haben auch eine aus habe, da hier die Aspekte der klinischen sehr große Offenheit gegenüber den neu- Betreuung und Forschung hinzukommen und en Medien. Wir sind auf Facebook vertreten wir darüber berichten, welche Ergebnisse die und haben einen eigenen YouTube-Channel, Wissenschaft erbringt und welche für die Rou- was besonders stark dazu beiträgt, uns in der tine der Arbeit mit Kinder- und Jugendstim- Wahrnehmung gerade der TeilnehmerInnen men geeignet und bedeutsam sind. Ein gro- zu verankern, die uns über die sonst im medi- ßes Stück dieser Vision ist schon Wirklichkeit zinischen Bereich etablierten Verteilungswege geworden – aber all dies gilt es noch weiter zu nicht erreichen. Die Akzeptanz und die Reso- vernetzen und zu beleben. nanz auf YouTube bzw. Facebook zeigen, dass ein großer Bedarf besteht und eine starke Nut- Dies ist ein schöner Abschlussgedanke. zung stattfindet, was anhand der Abrufzahlen Vielen Dank für das Interview. deutlich wird. Dadurch tragen wir zur Verbrei- tung und zur Nachhaltigkeit bei. Die vollständige Fassung des Interviews, das wir Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu aus Platzgründen für die Intervalle etwas kürzen erwähnen, dass der erste Schritt, den wir dies- mussten, finden Sie auf unserer Internetseite unter bezüglich gegangen sind, die Etablierung www.amj-musik.de/interviewmichaelfuchs der Schriftenreihe war, die nicht von Anfang bestanden hatte. Das erste Buch bezog sich auf Prof. Dr. Michael Fuchs das Symposium 2006, zum Thema Singen und Lernen. Ab dem vierten Symposium haben wir Leiter der Sektion Phoniatrie und Audiologie jährlich die Schriftenreihe Kinder- und Jugend- und des Cochlea-Implantat-Zentrums am Uni- stimme über den Logos-Verlag/Berlin heraus- versitätsklinikum Leipzig. Facharzt für HNO-Heil- gegeben. kunde und Facharzt für Phoniatrie und Pädau- Natürlich besteht auch ein gewisser Wettbe- diologie. Sächsischer Landesarzt für Menschen werb oder gar eine Konkurrenz mit anderen mit Hör-, Sprach-, Sprech- und Stimmbehinde- Anbietern, aber eigentlich steht das für uns rungen. Spezialisierte Betreuung von SängerIn- nicht zu sehr im Vordergrund. Wir möchten uns nen und MusikerInnen mit Hör- und Stimmstö- in Leipzig auf unser Alleinstellungsmerkmal rungen, spezialisierte Betreuung der Kinder- und konzentrieren (wie oben näher erläutert) und Jugendstimme. Gründer und Leiter der Leipziger wir verstehen uns eher nicht nur als ein Teil, Symposien zur Kinder- und Jugendstimme, sondern als ein sehr aktiver und sehr zentra- Herausgeber der Schriftenreihe „Kinder- und ler Schrittmacher auf dem Gebiet Kinder- und Jugendstimme“. Präsident des Förderkreises Jugendstimme – national und im europäischen Thomanerchor Leipzig. 28
Aus der Kursarbeit es auch, der Strand sechs Kilometer entfernt, Kurzer Moment Mönche waren nicht dabei, aber jede Menge der Vollkommenheit andere Menschen mit interessanten Berufen und Leben, zusammen ein wahres Generati- AMJ-Jazzchor-Workshop mit Felicia Friedrich onenprojekt: der jüngste Teilnehmer elf Jahre auf dem Scheersberg, 24. bis 31. Juli 2016 alt, die ältesten Mitte 70. Zur Freude über das Von Ulrike Friebel Wiedersehen mit bekannten Gesichtern kam wie immer die Möglichkeit, neue Sängerinnen Der Jazzchor-Workshop mit Felicia Friedrich und Sänger kennen zu lernen, denn bei allem lässt mich immer wieder an die Mandalas aus Streben nach Vollkommenheit gab es auch buntem Sand denken, die von buddhistischen diesmal genug Zeit für Gespräche und Aus Mönchen hergestellt werden. Sie arbeiten dar- flüge. an, als ob es nichts anderes auf der Welt gäbe, „Im Zentrum des Workshops steht eine Stimm- streben nach Vollkommenheit, heiter und bildung nach den Grundprinzipien des Funkti- gelassen, und wenn das Kunstwerk fertig ist, onalen Stimmtrainings. In dieser Stimmarbeit gibt es einen kurzen Moment tiefer Freude und sollen die SängerInnen mit Hilfe unterschied- Bewunderung, dann wird alles wieder zusam- lichster Übungen mit ihrem „Instrument Stim- mengefegt. me“ vertrauter werden. Ziel dieser Stimmar- Der diesjährige Jazz- (und Gospel-) Chor- beit ist eine differenzierte Wahrnehmung des Workshop fand vom 24. Juli bis zum 31. Juli Stimmklangs und des Körpers beim Singen, im Jugendhof Scheersberg an der Ostsee, gut so dass ein müheloser und ökonomischer 20 km südlich von Flensburg, statt. Sand gab Umgang mit der Stimme möglich wird.“ Was 29
Aus der Kursarbeit dienen vor allem dazu, dem Kehl- kopf zu einem entspannten Sich- Hängen-Lassen zu verhelfen, denn (so meine laienhafte Kurz- version wesentlich differenzierte- auf der Website so wissenschaftlich daher- rer Erklärungen): Wenn der Kehlkopf tief steht, kommt, wird in der Praxis zum nicht nur ima- kann der Ton hoch werden. ginären Werkzeugkasten mit Bildern, Vorstel- Nach vielleicht 20 Minuten klingt es schon so lungen, Bewegungen und Gegenständen aller schön, dass wir gar nicht mehr aufhören wol- Art. Wir laufen durch den Raum und ziehen uns len, aber jetzt kommen die Chorstücke dran. dabei Ahs, Uhs und Ohs in unterschiedlichen Stefan Zimmermann, seit einigen Jahren der Tonhöhen aus den Ohren, steigern die Vibra- umsichtige Mitorganisator des jährlich statt- tionsfähigkeit unserer Lippen durch Kamm- findenden Workshops, hat dafür gesorgt, dass blasen, schicken die Töne in die Nasenrachen- uns neben anderen wichtigen Informationen räume unserer NachbarInnen oder in eine auch die Noten, meist auch Hörproben auf imaginäre Domkuppel über uns, kontrollieren CDs, rechtzeitig vor dem Kurs erreichen, sodass mit dem Spiegel die Stellung der Mundwinkel, immerhin ein Teil der TeilnehmerInnen gut vor- und lassen weitere Töne in Spiralen auf- oder bereitet ist. Dieses Mal sind es drei Stücke. „My absteigen. Gummibänder, Federn und Kopien favorite things“ ist ein nicht mehr ganz junger von Wasserstrudeln erleichtern uns Vorstellun- Musical-Song (1959), in dem mit etwas trälle- gen und Bewegungen, helfen Resonanzräume riger Melodie die Lieblingsdinge aufgezählt im ganzen Körper ausfindig zu machen, und werden, die dem Textschreiber selbst bei Hun- 30
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