Aus der arbeIt der Kammer - Psychotherapeutenkammer des Saarlandes

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der Psychother apeutenk ammer des Sa arl andes

                                                                             November 2017                 67
Aus der arbeit der Kammer
       Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl________________________________________________ 3
       Fachtagung „Trauma und Identität“_________________________________________________________ 5
       Expertenhearing Prävention________________________________________________________________ 9
       Soldatinnen und Soldaten in der psychotherapeutischen Praxis______________________________ 11
       Interview „Die Männer belügen nicht die anderen, sondern sich selbst“______________________ 13
       Broschüre Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung ___________________________________ 14
       Interview Telefonseelsorge „Wir sind kein Callcenter“________________________________________ 15
       Frauen in die Berufspolitik ________________________________________________________________ 18

Mitteilungen der Kammer
       Weiterbildung in Systemischer Therapie und Gesprächspsychotherapie_______________________ 21
       Preisanpassung für Beilagen im Forum____________________________________________________ 22
       An- und Abmeldungen zu Veranstaltungen der PKS_________________________________________ 23
       Aktuelle Broschüren zur Befugniserweiterung der Psychotherapierichtlinien__________________ 23
       Veranstaltungsankündigung: Soziotherapie_________________________________________________ 24

Informationen Für Mitglieder
       Telematik________________________________________________________________________________ 24
       Psychotherapiehonorare – Enttäuschendes Urteil des Bundessozialgerichts___________________ 25
       Möglichkeiten und Grenzen der Verbesserung der (ambulanten)
       neuropsychologischen Versorgung_________________________________________________________ 26
       „Drachenlord“ und „Drachengame“_______________________________________________________ 31
       Was ist mit den „neuen Befugnissen“?_____________________________________________________ 34
       Terminservicestelle TSS___________________________________________________________________ 35

Mitglieder
       Wir gratulieren unseren Mitgliedern_______________________________________________________ 36
       Kleinanzeigen____________________________________________________________________________ 37

Rechtliches
       Fortbildung zur Berufsordnung____________________________________________________________ 37

Pia
       12. PiA-Politik-Treffen und 17. Bundeskonferenz PiA in Berlin_________________________________ 38

Bptk
       Demografiefaktor ohne Überprüfung unbefristet weiter gültig_______________________________ 39
       Kinderschutzhotline von Fachleuten für Fachleute: 0800 19 210 00____________________________ 40

Veranstaltungskalender________________________________________________________________________ 41
2         Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
          Nr. 67, November 2017

Editorial
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur Drucklegung der 67. Ausgabe             Wir berichten über die Einladung der     Rubrik „Fachthemen“ zusammenge-
des FORUM war noch nicht klar, ob           Kammer zum Expertenhearing zum           führt in eine neue Rubrik „Information
die Koalitionäre es schaffen, eine Re-      Thema Prävention, in welchem mit         für Mitglieder“. Dort finden Sie nun
gierungsbildung     hinzubekommen.          saarländischen Akteurinnen und Ak-       Beiträge, die in der Regel für mehrere
Ebenso wenig war es abzusehen,              teuren aus unterschiedlichen Institu-    Mitgliedergruppen von Interesse sind:
wenn es denn dazu käme, ob die              tionen diskutiert wurde, wie sich die    So sind etwa die Beiträge zu den neu-
Parteien in ihrem Koalitionspapier          Situation nach Abschluss der Landes-     en Befugnissen oder zur Terminser-
die Reform des Psychotherapeuten-           rahmenvereinbarung Prävention im         vicestelle für niedergelassene und an-
gesetzes wieder aufnehmen. Bis zu-          Februar diesen Jahres im Saarland        gestellte PP und KJP von Bedeutung.
letzt haben die Landeskammern und           darstellt und welchen konkreten Bei-     Auch der Artikel zur neuropsychologi-
die BPtK darum gerungen, dies zu er-        trag unsere Profession hier leisten      schen Versorgung betrifft Mitglieder,
reichen. Wir haben Landes- und Bun-         kann. In einem ersten Zwischenbe-        die selbstständig und nichtselbstän-
despolitiker mehrfach kontaktiert,          richt informiert sie Vizepräsidentin     dig tätig sind, ob als KJP oder PP.
Gespräche und Diskussionen geführt          Inge Neiser als Frauenbeauftragte im
und damit alles in der Macht der Pro-       Vorstand über den Stand der strate-      Ich wünsche Ihnen in dieser letzten
fession stehende getan, die Notwen-         gischen Überlegungen der Bund-Län-       Ausgabe des FORUM 2017 angeneh-
digkeit zur „Reform jetzt“ deutlich zu      der-Arbeitsgemeinschaft “Frauen in       me Festtage, einen guten Jahres-
machen. Gleichwohl werden wir ab-           der Berufspolitik“, wie eine Erhöhung    wechsel und ein gesundes und er-
warten müssen, ob sich unsere Be-           des Frauenanteils in den Gremien der     folgreiches Jahr 2018 für Sie alle und
mühungen gelohnt haben.                     Kammern erreicht werden könnte.          unseren ganzen Berufsstand.

Der Kammervorstand hatte bereits im         Zwei Interviews zu sehr unterschied-
August eine Podiumsdiskussion mit           lichen Themen haben wir aufge-
den saarländischen Spitzenkandida-          nommen: Einmal das Interview von
tinnen und -kandidaten der Parteien         Susanne Münnich-Hessel mit Herrn
zur Bundestagswahl 2017 veranstal-          Markus Müller, Leiter der Selbsthilfe-
tet. Unter dem Titel „Wie gelingt eine      gruppe „Schwule Väter und Ehemän-        Ihr
bessere Versorgung psychisch kran-          ner im Saarland“, welches unter der      Bernhard Morsch
ker Menschen und eine angemesse-            Überschrift steht „Die Männer belü-      Präsident
ne Gestaltung des psychotherapeu-           gen nicht die anderen, sondern sich
tischen Berufes“ wurden neben den           selbst“. Zum anderen das Interview
wichtigen Versorgungsfragen und den         mit Kammermitglied Heidrun Moh-
Fragen einer angemessenen Hono-             ren-Dörrenbächer, langjährige Mit-
rierung psychotherapeutischer Leis-         arbeiterin bei der TelefonSeelsorge im
tungen auch die Reform der Psycho-          Saarland, welches Vorstandsmitglied
therapeuten Aus- und Weiterbildung          Irmgard Jochum geführt hat.
diskutiert. Lesen Sie dazu den Bericht
gleich am Anfang des FORUM.                 Das Thema Cybermobbing erfasst im-
                                            mer mehr Kinder und Jugendliche.
Es folgen Tagungsberichte zu Koope-         Lesen Sie im Beitrag „Drachenlord
rationsveranstaltungen: Die Fortbil-        und Drachengame“ über den Tatort
dung mit der Kinder- und Jugendpsy-         Internet und die Zunahme und den
chiatrie der Saarlandheilstätten GmbH       Umgang mit Cybermobbingopfern in
(SHG) zu Trauma und Identität sowie         der psychotherapeutischen Sprech-
die gemeinsame Fortbildung der PKS          stunde.
mit den Landespsychotherapeuten-
kammern Nordrhein-Westfalen und             Zuletzt noch ein Hinweis des Redak-
Rheinland-Pfalz mit der Bundeswehr          tionsteams: Da viele Themen Ange-
in Köln zum Thema der speziellen An-        stellte, Niedergelassene, PP und KJP
forderungen bei der psychotherapeu-         gemeinsam betreffen, haben wir die
tischen Behandlung von Soldatinnen          ursprünglich unter diesen Bezeich-
und Soldaten.                               nungen getrennten Rubriken und die
Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                                                                                                          Nr. 67, November 2017              3
                                     Aus der arbeit der Kammer

   Podiumsdiskussion vor der Bundestagswahl

Unter dem Motto „Themen zur Bun-
destagswahl 2017“ hatte die Psycho-
therapeutenkammer des Saarlandes
am Mittwoch dem 30.08.2017 die
saarländischen Spitzenkandidatin-
nen und -kandidaten der Parteien
zur Bundestagswahl 2017 ins „kino-
achteinhalb“ im Nauwieserviertel zu
einer Podiumsdiskussion eingela-
den. Nadine Schön (CDU), Esra Lim-
bacher (SPD), Thomas Lutze (DIE LIN-
KE), Kirsten Cortez (FDP) und Markus
Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
diskutierten mit den zahlreichen
Gästen, wie eine bessere Versor-
gung psychisch kranker Menschen in
                                         (v.l.n.r.) Irmgard Jochum, Bernhard Morsch, Kirsten Cortez, Esra Limbacher, Nadine Schön, Thomas Lutze,
Deutschland gelingen kann, und wie       Markus Tressel
dabei die berufliche Situation der
Psychotherapeutinnen und Psycho-         peuten entsprechend ihres Kompe-                      Politik für psychisch kranke Men-
therapeuten und deren Einbindung         tenzprofils als eigenständige Heil-                   schen – Positionspapier der PKS
in die Versorgung angemessen ge-         berufe Behandlungsverantwortung
staltet werden kann.                     und selbstverständlich auch Lei-                      Die geladenen Spitzenkandidatinnen
                                         tungsfunktionen besetzen können.                      und -kandidaten der Parteien hatten
Bereits in seiner Begrüßung mach-        Wertschätzung drücke sich auch in                     mit der Einladung das Papier der
te Bernhard Morsch deutlich, dass        der Höhe der Vergütung bzw. Hono-                     Psychotherapeutenkammer         „Poli-
die    gesundheitliche Versorgung        rierung der Behandlungsleistungen                     tik für psychisch kranke Menschen
von Menschen, die psychisch er-          aus, beides sei dringend reform-                      2017– 2021“ erhalten. In dem Grund-
krankt sind, in Deutschland weiterhin    bedürftig: So würden angestellte                      satzpapier macht die Kammer ins-
schlechter ist, als die Versorgung so-   Psychotherapeutinnen und -thera-                      besondere Vorschläge für die kom-
matischer Erkrankungen. Besonders        peuten trotz ihrer hohen fachlichen                   mende Wahlperiode des Deutschen
prekär sei die Versorgungslage für       Qualifikation (Facharztstandard) im                   Bundestages im Hinblick auf die
spezielle Patientengruppen wie z.B.      Vergleich zu anderen akademischen                     Weiterentwicklung der ambulanten
psychisch erkrankte Menschen mit         Heilberufen tariflich benachteiligt.                  und stationären Behandlung, der
geistiger Behinderung oder für er-       Ihre Vergütung liege sogar unter der                  Prävention und Gesundheitsförde-
krankte Flüchtlinge. Die noch immer      eines Assistenzarztes, der im Kran-                   rung sowie der Rehabilitation und
unbefriedigende       Versorgungslage    kenhaus erst seine fachärztliche Wei-                 Inklusion. Das Positionspapier zeigt
drücke sich sowohl in gesellschaft-      terbildung beginnt. Auch niederge-                    auf der anderen Seite auf, dass ein
lich fortbestehender Stigmatisierung     lassene Psychotherapeutinnen und                      gewachsenes Aufgaben- und Anfor-
psychischer Krankheit und der un-        -therapeuten (ärztliche gleicherma-                   derungsprofil an Psychotherapeu-
zureichenden Behandlungsangebo-          ßen wie PP und KJP) erzielten nicht                   tinnen und -therapeuten von einer
te, als auch in der eingeschränkten      einmal die Hälfte des durchschnittli-                 reformierten Aus- und Weiterbildung
Wertschätzung des psychotherapeu-        chen Fachgruppeneinkommens der                        flankiert werden und die Reform des
tischen Berufs aus.                      somatisch tätigen KollegInnen.                        Psychotherapeutengesetzes in der
                                                                                               kommenden Legislatur abgeschlos-
Gerade in der stationären psycho-                                                              sen werden muss. Das gesamte
therapeutischen Versorgung beste-                                                              Papier steht für Sie auf unserer Web-
he erheblicher Nachholbedarf, dass                                                             site zum Download bereit.
Psychotherapeutinnen und -thera-
4         Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
          Nr. 67, November 2017

Grundsatzfragen zur Versorgung              überlassen dürfe. Damit begründe-
                                            te er auch die Forderung von Bünd-
Mit der Einladung zur Podiumsdis-           nis90/Die Grünen, nach der Einrich-
kussion hatten die Politikerinnen und       tung einer Expertenkommission zur
Politiker auch einige Fragen erhalten,      Bedarfsplanung.
zu denen Statements abgegeben
werden konnten:                             Auch Nadine Schön von der CDU sah
– Wie sehen Sie die Versorgungs-           im Saarland keine Überversorgung
   situation für psychisch Kranke im        nach der heutigen Bedarfsplanung,
   Saarland und in Deutschland?             im Gegenteil fülle die Kostenerstat-
– Wie schätzen Sie den Stand der           tung hier eine bestehende Unter-
   psychotherapeutischen       Versor-      versorgungs-Lücke. Sie nehme je-
   gung der vielen nach Deutschland         doch den G-BA eher als Treiber und
   vor Gewalt und Folter Geflüchteten       Innovator wahr, der seine Aufgaben       Statements, dass eine Entscheidung
   ein?                                     durchaus erfüllen könne.                 privat versus staatlich keine gute Lö-
– Wie bewerten Sie die Rolle der                                                    sung sei, es müsse gute Vorgaben
   beiden Heilberufe Psychologische         Kirsten Cortez von den Freien Demo-      seitens des Staates geben, dann sei
   Psychotherapeutinnen und -thera-         kraten, studierte Sozialwissenschaft-    eine Zusammenarbeit mit privaten
   peuten und Kinder- und Jugend-           lerin und Ernährungspsychologin,         Trägern durchaus sinnvoll. Auf der
   lichenpsychotherapeutinnen und           die seit vielen Jahren im Saarland       anderen Seite des Spektrums stan-
   -therapeuten fast 20 Jahre nach          als selbständiger Ernährungscoach        den Aussagen, dass die Politik natür-
   Verabschiedung des Psychothera-          tätig ist, hatte von den Podiums-        lich gegensteuern und der sog. „Ge-
   peutengesetzes?                          teilnehmerinnen und -teilnehmern         sundheitswirtschaft“ grenzen setzen
– Wie bewerten Sie die gesellschaft-       noch den engsten beruflichen Be-         müsse.
   liche Entwicklung im Hinblick auf        zug zum Thema Gesundheit. Sie
   die Akzeptanz psychischer Erkran-        wünschte sich eine Veränderung           Aus dem Publikum wurde die Diskri-
   kungen?                                  in der Versorgungssituation und in       minierung von Menschen mit psychi-
Da keine der Spitzenkandidatinnen           der Ausbildung. Sie wolle sich ak-       schen Erkrankungen im Bereich der
und -kandidaten sich als ausgewie-          tiv dafür einsetzen, dass die Reform     Privaten Versicherungen heftig kriti-
sene Gesundheitsexpertinnen und             in der nächsten Legislaturperiode        siert: Es sei nicht hinnehmbar, dass
-experten outeten, stand die Diskus-        schnellstmöglich angepackt werde,        psychische Erkrankungen weiterhin
sion eher im Zeichen „Wir Politiker         das gelte auch für die Problematik       bei den meisten Versicherern Aus-
informieren uns bei Euch Experten“.         bei der psychotherapeutischen Be-        schlussgründe für den Abschluss von
Über alle Parteien hinweg schlossen         handlung von Flüchtlingen, die sie       z.B. Berufsunfähigkeitsversicherun-
sich die Teilnehmerinnen und Teil-          insbesondere wegen der fehlenden         gen seien; auch hier müsse die Politik
nehmer des Podiums der Einschät-            Sprachmittlung als völlig unzurei-       endlich etwas tun, das Problem sei
zung an, dass die Versorgung unzu-          chend bezeichnete.                       seit Jahren benannt und bekannt.
reichend sei. Auch die Forderung der
Kammer, nach einer wirklich bedarfs-                                                 Weiteres Diskussionsthema war das
gerechten Planung der Anzahl der            Diskussionsverlauf                       Bundesteilhabegesetz, dessen Um-
Behandlungsplätze wurde geteilt.                                                     setzung in der Praxis sehr problema-
Thomas Lutze, Die Linke, ließ keinen        Von Gästen der Veranstaltung wur-        tisch gesehen wurde.
Zweifel daran aufkommen, dass es            de unter anderem das Thema Öko-
eine gesellschaftliche Grundsatzent-        nomisierung im Gesundheitswesen          Ein Vertreter der Psychiatrie-Erfah-
scheidung sei: Das Problem lasse            problematisiert: Es wurde die Frage      renen bemängelte, dass die gute
sich nicht mit Kennziffern lösen, es        gestellt, weshalb die Politik die Ver-   Reform der Psychiatrie im Saarland
gehe nichts daran vorbei, hier mehr         antwortung an den Markt abgebe:          beim Thema Inklusion von psychisch
Geld in die Hand zu nehmen.                 Sie lasse es zu, dass Großkonzerne,      Kranken in den Arbeitsmarkt geschei-
                                            denen es weniger um eine qualitativ      tert sei: Psychisch Kranke würden
Markus Tressel, Bündnis90/Die Grü-          gute Versorgung als mehr um quanti-      zunehmend, statt sie auf dem ersten
nen, kritisierte, dass Bedarfsplanung       tative hohe Gewinn gehe, in erhebli-     Arbeitsmarkt an vernünftige Arbeits-
über Kosten geregelt werde und              chem Umfang vor allem die Gesund-        plätze zu vermitteln, in Behinder-
nicht über den tatsächlichen Bedarf.        heitsversorgung in der Akut- und         tenwerkstätten untergebracht. Hier
Er forderte, dass die Politik das Heft      Reha-Behandlung übernehmen. Eine         müsse man doch mehr Anreize für
selbst in die Hand nehmen müsse             klare Antwort gab es zu dieser Frage     Betriebe schaffen, psychisch Kranke
und nicht allein dem Gemeinsamen            seitens des Podiums nicht, eher all-     zu integrieren und sowohl Attraktivi-
Bundesausschuss (G-BA) die Ver-             gemeine Aussagen, die sich in der        tät als auch eine auskömmliche Fi-
antwortung für die Bedarfsplanung           Spannbreite bewegten zwischen            nanzierung sicherstellen, statt neue
Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                                                                                                             Nr. 67, November 2017               5
Ghettos zu schaffen. Seitens einiger      auf die veränderten Herausforderun-                     Grünen, vom Juni 2017, in der 3.500
Podiumsteilnehmerinnen und -teil-         gen in Form einer neu gestalteten                       PiA befragt wurden, hat diese Not-
nehmer wurde diese Sicht sehr unter-      Aus- und Weiterbildung vorbereitet                      situation der PiA erneut eindrücklich
stützt: Inklusion gehe nicht über Inte-   werden. Es sei nicht weiter hinnehm-                    bestätigt. In einem Positionspapier
gration in Behindertenwerkstätten.        bar, dass Psychologische Psychothe-                     werden Forderungen an die Bundes-
                                          rapeutinnen und -therapeuten und                        regierung gemacht, die Ausbildungs-
                                          Kinder- und Jugendlichenpsychothe-                      reform nicht weiter zu verschleppen
Ausblick zum Ende der Diskus-
                                          rapeutinnen und -therapeuten anders                     und die Missstände und gleichzeitige
sion                                      als z.B. Ärzte, ihre Aus- und Weiter-                   Ungleichbehandlung zur Aus- und
Alle anwesenden Politikerinnen und        bildung komplett selbst finanzieren                     Weiterbildung in anderen Heilberu-
Politiker bekräftigten die Notwendig-     müssten und insbesondere im Rah-                        fen endlich zu beseitigen. Die Unter-
keit der Reform der Aus- und Weiter-      men der achtzehn Monate dauernden                       suchungsergebnisse und das Posi-
bildung von Psychotherapeutinnen          praktischen Tätigkeit in der Klinik mit                 tionspapier sind auf unserer Website
und -therapeuten und sicherten ihre       einer durchschnittlichen Vergütung                      unter Aktuelles eingestellt (http://
Unterstützung der Reform zu, die in       von fünfhundert Euro im Monat in fi-                    www.bptk.de/aktuell/einzelseite/arti-
der auslaufenden Legislatur noch          nanzielle Notlagen gerieten.                            kel/befragung-be.html)
nicht umgesetzt wurde. In Anbetracht
der Versorgungslücken müsse der           Die jüngste Umfrage der Abgeordne-                          Der Vorstand
psychotherapeutische       Nachwuchs      ten Klein-Schmeink, Bündnis90/Die

   Trauma und Identität – Suizidalität, Amok und Social
   Exclusion – Dazugehören als Basisbedürfnis
   Eine gemeinsame Fachtagung der PKS und der SHG-Kliniken

Die PKS und die Kliniken für Kin-
der- und Jugendpsychiatrie, Psy-
chotherapie und Psychosomatik der
Saarland-Heilstätten GmbH (SHG)
luden gemeinsam zu der Fachtagung
„Trauma und Identität“ ins Saarbrü-
cker Schloss ein. Rund 250 Mitarbei-
terInnen vorwiegend aus ärztlichen,
psychologischen oder sozialpäda-
gogischen Berufsgruppen waren
aus dem Saarland und umliegen-
den Bundesländern der Einladung
zu dieser Tagung am 04.10.2017 mit
den Themen „Suizidalität, Amok und
Social Exclusion – Dazugehören als
Basisbedürfnis“ gefolgt.

Anlass für die Tagung ist die zuneh-      v.l.n.r.: Dr. Martin Huppert, Andrea Dixius, Alfons Vogtel, Eva Möhler, Bernhard Morsch, Susanne Münnich-
mend brisante emotionale Situation        Hessel, Klaus Schmeck, Susanne Schlüter-Müller, Alexander Jatzko (Foto: Harald Kiefer, SHG)
vieler Jugendlicher mit und ohne Mi-
grationshintergrund. Dabei lag der        emotionalen Belastungen ausge-                          Schmeck, Dr. med. Alexander Jatzko,
Fokus auf dem Einfluss von Identität      setzt sind. Namhafte ReferentInnen                      Dr. med. Susanne Schlüter-Müller und
und Trauma auf extreme Verhaltens-        aus Deutschland und der Schweiz                         Dr. med. Friederike Vogel stellten ihre
weisen bei Jugendlichen, die großen       wie Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Klaus                   Untersuchungen und klinischen An-
6               Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                Nr. 67, November 2017

sätze hinsichtlich Identität undTrauma            Den spannenden Einführungsvor-
vor und wurden ergänzt durch praxis-              trag zu Wirkungsweisen von Trauma-
nahe Anwendungsbeispiele von Prof.                ta auf die Entwicklung des Gehirns
Dr. med. Eva Möhler aus der Arbeit                hielt Dr. Alexander Jatzko, Chefarzt
mit unbegleiteten minderjährigen                  der Klinik für Psychosomatik am
Flüchtlingen (UMF). In deren Rahmen               Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern.
wurde das mittlerweile europaweit                 Einleitend schilderte er mit anschau-
im Einsatz befindliche Programm                   lichen Beispielen wie die mensch-
„Stress-Traumsymptoms-Arousal-                    liche Wahrnehmung und das Erin-
Regulation-Treatment“ (START) von                 nerungsvermögen funktioniert. Er
Dipl. Psych. Andrea Dixius entwickelt,            erläuterte welche hirnphysiologi-
worauf diese Tagung ebenfalls ein                 schen Auswirkungen eine Trauma-
Schlaglicht warf. Moderiert wurde die             tisierung hat, insbesondere welche
Veranstaltung von Vorstandsmitglied               Netzwerkstörungen im Gehirn durch                 Prof. Dr. Klaus Schmeck
Dipl. Psych. Susanne Münnich-Hes-                 traumatische Erlebnisse ausgelöst
sel, die gemeinsam mit Prof. Dr. Eva              werden. Besonders Traumatisierun-                 Ordinarius für Kinder- und Jugend-
Möhler und Dipl. Psych. Andrea Dixi-              gen in der frühen Kindheit behindern              psychiatrie an den Universitären Psy-
us (beide SHG) die Tagung vorbereitet             das Wachstum des sogenannten Hip-                 chiatrischen Kliniken (UPK) zu Basel.
hatte.                                            pocampus, einem Teil des Gehirns,                 Seine Arbeitsschwerpunkte liegen
                                                  dem bei der Einspeicherung neuer                  im Bereich Persönlichkeitsentwick-
                                                  Gedächtnisinhalte eine besondere                  lung. Er schilderte den Teilnehme-
                                                  Bedeutung zukommt. Außerdem                       rInnen anschaulich die Entwicklung
                                                  zeigte er anhand von Bildern Hirn-                der Identität neben der Autonomie-
                                                  volumenveränderungen bei Kindern                  entwicklung als die zentrale Aufgabe
                                                  mit Traumatisierungen sowie mit                   der Adoleszenz. Die therapeutische
                                                  funktionellen Störungen oder mit                  Arbeit müsse der Tatsache gerecht
                                                  multiplen Persönlichkeiten. Begleitet             werden, dass sich in den vergange-
                                                  wurden die interessanten Ausfüh-                  nen Jahren die Zahl der jugendlichen
                                                  rungen zur Hirnpyhsiologie durch                  Migranten aus kollektiven Gesell-
                                                  zahlreiche Beispiele aus seiner prak-             schaftsformen, die andere Identitäts-
                                                  tischen Arbeit mit traumatisierten                formen und -normen mitbringen,
                                                  Menschen. So wurde deutlich, was                  vergrößert hat. Diese Jugendlichen
                                                  Traumatherapie hirnphysiologisch                  zeigten insbesondere im Bereich des
Alfons Vogtel
                                                  bedeutet. Dr. Jatzko vermittelte den              Kontinuitätsaspekts Auffälligkeiten
Alfons Vogtel, Geschäftsführer der                Tagungsteilnehmern        eindrücklich            in Form einer angstvollen Antizipa-
SHG-Kliniken, und Kammerpräsi-                    die Wirkungsweise von traumathe-                  tion der Zukunft (self across time).
dent Dipl. Psych. Bernhard Morsch                 rapeutischen Verfahren wie EMDR                   Die therapeutische Arbeit speziell mit
begrüßten die TeilnehmerInnen. Bei-               und der kognitiven Traumakonfron-                 den Flüchtlingen/Migranten aus die-
de brachten in ihren Grußworten die               tationstherapie.                                  sen kollektiven Kulturen (wie z.B. Af-
Freude über die gelungene Koopera-                                                                  ghanistan, Afrika) müsse seiner Auf-
tion zum Ausdruck und wünschten                                                                     fassung nach auf die Schwierigkeit
eine interessante Fachtagung.                                                                       der Betroffenen abzielen, eine eth-
                                                                                                    nische Identität in einer Gesellschaft
                                                                                                    zu entwickeln, die unterschiedlich zu
                                                                                                    ihrer Herkunftskultur ist. Für die be-
                                                                                                    handelnden PsychotherapeutInnen
                                                                                                    sind kultursensible Hilfen und kul-
                                                                                                    turelles Verständnis entscheidend,
                                                                                                    um insbesondere mit der Gefahr von
                                                                                                    Falschdiagnosen,      Schwierigkeiten
                                                                                                    des Perspektivenwechsels und spe-
                                                                                                    zieller Gegenübertragung angemes-
                                                                                                    sen umgehen zu können.
                                                  Dr. Alexander Jatzko (Foto: Harald Kiefer, SHG)

                                                  Danach folgte der Vortrag “Identi-                Prof. Dr. Eva Möhler, Chefärztin der
                                                  tätsentwicklung bei minderjährigen                Klinik für Kinder- und Jugendpsych-
                                                  Flüchtlingen“‘ durch Prof. Dr. Klaus              iatrie, Psychotherapie und Psycho-
Dipl. Psych. Bernhard Morsch                      Schmeck, Arzt und Psychologe und                  somatik der SHG Idar-Oberstein und
Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                                                                                               Nr. 67, November 2017   7
                                        Modellprojekt der SHG ein, welches       der SHG Kliniken Idar-Oberstein,
                                        gemeinsam mit der Landesregie-           Kleinblittersdorf und Schönbach die
                                        rung umgesetzt als deutschlandweit       besondere Situation psychisch stark
                                        einmaliges Projekt bewertet werden       belasteter Kinder und Jugendlicher
                                        könne. In diesem Clearing-Modell,        und besonders auch Jugendlicher
                                        das mittlerweile europaweites Inter-     mit Migrationshintergrund dar, mit
                                        esse gefunden habe, gehe man nicht       den Erfordernissen von adaptierten
                                        nur auf die äußeren Bedürfnisse wie      und neuen Wegen in der psychothe-
                                        Kleidung, Nahrung usw. sondern           rapeutischen Versorgung. Dabei be-
                                        auch auf die inneren Bedürfnisse         schrieb sie den Teilnehmerinnen das
                                        dieser vulnerablen Jugendlichen wie      Kurzzeitbehandlungskonzept START
                                        Schutz, Akzeptanz und Gemeinschaft       (Stress-Traumsymptoms-Arousal-
                                        ein.                                     Regulation-Treatment), welches von
Prof. Dr. Eva Möhler
                                                                                 ihr in Zusammenarbeit mit Prof. Dr.
                                                                                 Möhler auf dem Hintergrund der
Kleinblittersdorf, schloss in ihrem     Mit Ihrem Vortrag schloss der Vor-       praktischen Arbeit mit minderjähri-
Vortrag “Partizipative Erstaufnahme-    mittag. Das leibliche Wohl kam bei       gen Flüchtlingen und akut belasteten
kontexte zum Schutz der Identität“      der Fachtagung in der Mittagspause       Jugendlichen in klinischen und Clea-
an die Ausführungen Prof. Schmecks      nicht zu kurz.                           ringkontexten entwickelt wurde. In
an und brachte den TeilnehmerInnen                                               diesem Programm werden Interven-
die Situation der geflüchteten Ju-                                               tionen aus der Dialektisch-Behavio-
gendlichen in den Aufnahmeeinrich-                                               ralen Therapie und Traumatherapie
tungen nahe.                                                                     kombiniert und adaptiert.
Die Identität eines jungen Menschen
könne durch Fluchtkontexte ent-                                                  START ziele primär auf die rasche
scheidend beeinflusst werden. Als                                                psychische Stabilisierung durch
unbegleiteter minderjähriger Flücht-                                             Stress- und Emotionsregulation.
ling fehle die Geborgenheit des Ge-                                              Aber auch die Stärkung von Resi-
wohnten. Ein Entwurzelungsgefühl                                                 lienzfaktoren,     Selbstwirksamkeit
ebenso wie die Ungewissheit des                                                  und die Prävention spielen in der
Schicksals und Ohnmachtsempfin-                                                  kulturintegrativen Intervention eine
den durch wenig Partizipation könne                                              zentrale Rolle, auch im Hinblick auf
unter Umständen ungünstigen Ein-                                                 die Identitätsentwicklung in der
fluss auf das Selbstkonzept nehmen                                               Adoleszenz. Dabei stellte sie thera-
wenn der Jugendliche sich als je-                                                peutische Interventionen und erste
mand erlebe, der nirgendwo hinge-                                                Studienergebnisse vor. START wird
hört, sich auf nichts verlassen kann                                             auf nationalen und internationalen
und auch eventuell nichts zu verlie-                                             Kongressen vorgestellt und erhielt
ren hat. Radikalisierung oder andere                                             auf dem Netzwerktreffen des Dach-
Formen der Selbstschädigung könn-                                                verbandes DBT e.V. 2017 den Innova-
ten die Folge sein. Deshalb beton-                                               tionspreis. Nähere Informationen zu
te Prof. Dr. Möhler, dass es bei der                                             START www.startyourway.de
Ankunft unbegleiteter minderjähri-
ger Flüchtlinge in Deutschland von
großer Bedeutung sei, bereits in den
ersten Clearing-Prozessen präventiv
die kindlichen Basisbedürfnisse ins-
besondere nach Zugehörigkeit, Par-
tizipation, Sicherheit und Bildung zu
fokussieren. Zur Sicherheit gehörten
nicht nur äußere sondern auch inne-
re Sicherheit, die nach traumatischen
Erfahrungen massiv gestört sein
könne. Dies könne sich in emotiona-
ler Labilität, Alpträumen und ande-     Der Nachmittag der Tagung stand
ren PTSD-Symptomen manifestie-          unter dem Zeichen der Hilfsange-
ren, die einer raschen Stabilisierung   bote. Zunächst stellte Dipl. Psych.
bedürften. Danach ging sie auf das      Andrea Dixius, leitende Psychologin      Dipl. Psych. Andrea Dixius
8             Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
              Nr. 67, November 2017

Dr. Friederike Vogel

Dr. Friederike Vogel, Fachärztin für            Zusammenarbeit mit qualifizierter        den Vorträgen ihre individuellen Fra-
Psychiatrie und Psychotherapie,                 vertrauensvoller Sprach- und Kultur-     gen und Anliegen vorzubringen. Das
Oberärztin an den Psychiatrischen               mittlung unabdingbar.                    Interesse an der Tagung war sehr
Kliniken Eltville und niedergelassen                                                     groß und zeigt, wie groß der Bedarf
als ärztliche Psychotherapeutin in              In sehr umfangreichem Maße wür-          an spezifischen und kultursensiblen
Privatpraxis, stellte aus ihrer Arbeit          den in ihrer Einrichtung unbegleitete    Hilfen ist. Die Bewältigung einfacher
mit aggressiven Jugendlichen sche-              minderjährige Flüchtlinge betreut.       Identitätskrisen gehört in der Adoles-
matherapeutische        Behandlungs-            Darüber hinaus supervidiere sie re-      zenz zwar zu den normalen Entwick-
möglichkeiten vor. Als zertifizierte            gelmäßig alle Jugendhilfeeinrichtun-     lungsaufgaben. Labilisierende und
Schematherapeutin der Internationa-             gen in Frankfurt, die UMF betreuen,      einschneidende Lebenserfahrungen
len Schematherapie Gesellschaft und             um die pädagogische Arbeit mit kul-      wie Beziehungsabbrüche, Migra-
Co-Leiterin des Instituts für Psycho-           tursensiblem Wissen und transkultu-      tionserfahrungen,       Entwurzelung,
therapie im Mainz (ipsti-mainz) gab             rellen psychiatrischen Aspekten zu       Vernachlässigung im Kindesalter,
sie zunächst eine Einführung in die             unterstützen. Diese kultursensiblen      Misshandlung und andere Traumata
Schematherapie und das sogenann-                Hilfen, die seit 2001 von der WHO        können aber zur Identitätsdiffusion
te Modusmodell. Aufgrund von Lern-              gefordert, nur sehr schleppend um-       führen. Identitätsdiffusion gilt als
und Interaktionserfahrungen bilde-              gesetzt würden, erforderten eine         Prädiktor für gravierende Störungen
ten sich entsprechende Schemata, die            vertiefte Auseinandersetzung mit         in der Persönlichkeitsentwicklung,
in verschiedenen Modi zusammen-                 fremdem Krankheitserleben und            die mit dysfunktionalen bis hin zu ex-
gefasst würden. Dr. Vogel beschrieb             fremden Krankheitsmodellen. Über         tremen Verhaltensweisen einherge-
dabei die verschiedenen Formen                  diese unterschiedlichen Krankheits-      hen kann. Auch Zuschreibungen und
von Ärger und Wut im schemathe-                 modelle (z.B. „Der böse Blick“, „Der     Projektionen wie Tätereigenschaften
rapeutischen Persönlichkeitsmodell              Neid der Nachbarn“, „Der verrutschte     prägen die Identität und somit auch
und wie durch angemessenen Um-                  Bauchnabel“ etc.) konnte sie den Teil-   das Verhalten von Jugendlichen
gang mit den unterschiedlichen Wut              nehmerInnen anschaulich berichten.       unter Umständen langfristig. Für
und Ärgermodi Jugendliche befähigt                                                       diese zentralen Aspekte ein erhöh-
werden könnten, ihre dysfunktiona-              Die TeilnehmerInnen erhielten am         tes Bewusstsein zu schaffen, war ein
len Bewältigungsmodi zu verändern,              Ende noch einmal Gelegenheit zu          wichtiges gemeinsames Anliegen
ihre Bedürfnisse zu akzeptieren, an-                                                     von PKS und SHG für diese Tagung.
gemessen zu versorgen und ihre ab-
wertenden und emotional überfor-                                                         Leider konnten nicht mehr alle An-
dernden Schemata zu verändern.                                                           meldungen berücksichtigt werden,
                                                                                         ein Workshop in Form einer Konden-
Dr. Susanne Schlüter-Müller, nie-                                                        sation der beschriebenen Themen
dergelassene Kinder- und Jugend-                                                         soll Ende des Jahres in der KJPP für
lichenpsychiaterin und -Psychothe-                                                       diejenigen angeboten werden, deren
rapeutin in Frankfurt, schilderte in                                                     Anmeldung nicht mehr berücksich-
ihrem Vortrag ihre kulturspezifische                                                     tigt wurde.
Arbeit mit Flüchtlingskindern in ihrer
sozialpsychiatrischen     Ambulanz.                                                        Prof. Dr. Eva Möhler
Schwerpunkt dieser Arbeit seien vor-                                                        Dipl. Psych. Andrea Dixius
wiegend geflüchtete minderjährige                                                           Dipl. Psych. Susanne
aus Afghanistan. Dabei sei eine gute            Dr. Susanne Schlüter-Müller                 Münnich-Hessel
Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                                                                                                  Nr. 67, November 2017   9
   Expertenhearing Prävention in der PKS

„Koordinieren Sie noch oder
helfen Sie schon?“

Nicht immer vergehen drei Stunden
so schnell und nicht immer sind sie
so gehaltvoll, wenn ExpertInnen zu
einem Thema wie z.B. Prävention an
einem Tisch sitzen. Am 16. Oktober
allerdings war beides der Fall, als
Kammervorstand und der saarländi-
sche Ausschuss „Psychotherapie in
Institutionen“ VertreterInnen unter-
schiedlicher Institutionen und mög-
liche Kooperationspartner in Sachen
Prävention zum Expertenhearing
eingeladen hatten.                        therapeutischen Sprechstunde, wie         le könnten dabei eine wegweisende
Neben VertreterInnen von Vorstand         sie mit dem GKV-Versorgungsstär-          Rolle spielen, wie das Health-Belief-
und PTI-Ausschuss waren Ärztekam-         kungsgesetz eingeführt wird.“             Modell (Becker & Rosenstock, 1987),
mer, Selbsthilfe, Gesundheitsämter,       Der Ausschuss PTI Saar hatte die-         die Selbstwirksamkeits-Theorie von
Krankenkassen, Agentur für Arbeit         ses Defizit und seine mögliche Fort-      Bandura (1997) oder das Verhaltens-
und das zuständige Ministerium            schreibung in der Saarländischen          änderungsmodell von Prochaska &
sowie PUGIS e.V., der Nachfolgeor-        Präventionslandschaft – nicht zuletzt     Di Clemente (1983), das die Rückfall-
gansiation der LAGS (Landesarbeits-       auch in der Landesrahmenvereinba-         und Rezidivprophylaxe in den Mittel-
gemeinschaft für Gesundheitsförde-        rung zum Präventionsgesetz – zum          punkt stellt und damit die Nachhal-
rung im Saarland) mit am Tisch.           Anlass genommen, das Thema auf            tigkeit und langfristige Wirksamkeit
Bernhard Morsch erläuterte einlei-        die Agenda zu setzen. Saarländische       von Präventionsmaßnahmen för-
tend den langwierigen Prozess, der        AkteurInnen wurden kontaktiert und        dern könnte. Gut etablierte psycholo-
schließlich 2015 zur Verabschiedung       eingeladen sich auszutauschen, zu         gische Ansätze der Ressourcen- und
des Präventionsgesetzes auf Bun-          vernetzen, vor allem aber mit uns zu      Schutzfaktorenstärkung sind darüber
desebene geführt hat. Seit Februar        hören und zu diskutieren, welchen         hinaus nahezu unverzichtbar. Dies
2017 liegt nun auch die Landesrah-        konkreten Beitrag unsere Profession       gilt sowohl in der Verhaltenspräven-
menvereinbarung des Saarlandes            hier leisten kann.                        tion wie z.B. bei Lebenskompetenz-
dazu vor.                                                                           programmen, die die Steigerung
Erstaunlicherweise wird die klinische                                               von Selbstwertgefühl und Problem-
und empirische Expertise der Psy-         Einführungsvortrag von Dr. phil.          lösekompetenzen zum Ziel haben als
chologie und Psychotherapie im Prä-       Petra Schuhler zur psychologi-            auch, wenn es um gesundheitsför-
ventionsgesetz nicht berücksichtigt,      schen Prävention                          derliche Organisationsentwickung in
ebenso wie PsychotherapeutInnen                                                     Betrieben und Schulen geht.
nicht als Akteure in der Prävention       Der einleitende Vortrag von Dr. Pe-       Psychotherapie und Prävention ha-
genannt werden. „Obwohl psychi-           tra Schuhler orientierte über die         ben vor diesem Hintergund große
sche Erkrankungen zu den Volks-           neue Ausrichtung des Präventions-         historische, theoretische und me-
krankheiten des 21. Jahrhunderts          gesetzes, über psychologische Prä-        thodische Gemeinsamkeiten, zum
gehören, sollen Psychotherapeuten         ventionsmodelle und die besonde-          Beispiel ist das grundlegende psy-
weder Gesundheitsuntersuchungen           re psychotherapeutische Expertise,        chotherapeutische      bio-psycho-so-
durchführen noch Präventionsemp-          wenn es um Prävention geht: Im            ziale Arbeitsmodell auch in den
fehlungen ausstellen“, kritisiert Diet-   Mittelpunkt präventiver Maßnahmen         modernen präventiven Ansätzen ge-
rich Munz, Präsident der Bundespsy-       sollte eine dichtere Vernetzung der       fordert und die psychologische Psy-
chotherapeutenkammer bereits im           Versorgungssegmente Prävention,           chotherapie als Fach darf durchaus
Juni 2015 anlässlich der Verabschie-      Therapie, Rehabilitation und Pflege       als Expertin für Einstellungs- und
dung des Präventionsgesetzes durch        stehen, wobei Gesundheitsförde-           Verhaltensänderung, sowie Ressour-
den Deutschen Bundestag. „Hier            rung und Prävention (Becker, 1997)        cenaktivierung gelten.
wird ein großes Potenzial verschenkt,     als integraler Bestandteil der Ge-        Als entscheidend hemmender Faktor
denn Prävention gehört zu den es-         samtversorgung aufzunehmen wäre.          präventiver Maßnahmen wirkt sich
senziellen Leistungen einer psycho-       Psychologische Präventionsmodel-          allgemein ein niedriger sozio-öko-
10           Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
             Nr. 67, November 2017

                                                                                     Gesundheit, Frauen und Familie kriti-
                                                                                     sierte die fehlende Struktur zur Um-
                                                                                     setzung im Präventionsgesetz. So er-
                                                                                     mögliche das Gesetz, dass allein der
                                                                                     Steuerungskreis aus GKV-Vertreter-
                                                                                     Innen über den Präventionsetat von
                                                                                     immerhin ca. 1,2 Mio. € jährlich im
                                                                                     Saarland verfügen könne.
                                                                                     Dass es viele erfolgversprechende
                                                                                     Ideen aus dem Bereich der Präven-
                                                                                     tion gibt, deren Realisierung aller-
                                                                                     dings außerhalb des Wettbewerbs-
                                                                                     feldes der Einzelkassen anzusiedeln
                                                                                     wäre, wurde an mehreren Stellen
nomischer Status aus: Arme Men-            an mit der Fragestellung „Frühe           deutlich. Ein Beispiel dafür ist die
schen mit wenig Bildung werden             Hilfen und was dann?“ und entwi-          zahnärztliche Prophylaxe, die bun-
durch Präventionsprogramme nur             ckelte eine kommunale Gesamtprä-          desweit in Schulen seit über 30 Jah-
unzulänglich erreicht. Deshalb ist         ventionsstrategie. Sie setzt in den       ren fest etabliert ist.
die Stoßrichtung des neuen Präven-         Lebenswelten Kita und Schule an
tionsgesetzes genau richtig, nämlich       mit dem Schwerpunkt gesundheit-           Im Februar 2018 soll eine Landes-
Prävention in den Lebenswelten zu          liche Chancengleichheit und berück-       präventionskonferenz      stattfinden,
betreiben, dort, wo Menschen leben         sichtigt explizit sozial benachteiligte   so Dr. Lamberty. PUGIS e.V. plant
und arbeiten. Auf dieser Basis wurde       Stadtteile. Auf die Nachhaltigkeit der    ein Projekt für Arbeitslose in Koope-
die Perspektive einer suchtpräventi-       einzelnen Angebote wird dabei be-         ration mit dem Jobcenter St. Wen-
ven Vorgehensweise in der Arbeits-         sonderen Wert gelegt. So entwickelte      del zur Verzahnung von Arbeits- und
welt beschrieben, in der die Grenzen       sich aus einer Maßnahme zur Schul-        Gesundheitsförderung. Beides sind
zwischen Prävention, Psychothera-          entwicklung die Einführung einer          gute Gelegenheiten vom Koordi-
pie, Arbeitsschutz und Rehabilitation      regelmäßigen Unterrichtsstunde zur        nieren zum Helfen überzugehen.
überwunden werden.                         Resilienz im Rahmen der Leitbildent-      Die Psychotherapeutenkammer des
                                           wicklung „Gestärkt durchs Leben ge-       Saarlandes wird nun allerdings auch
                                           hen“ mit den drei Säulen Bewegung,        zu der Landespräventionskonferenz
Vortrag von Dipl. Psych. Ullrich           Ernährung, Resilienz.                     eingeladen, wie am Ende des Exper-
Böttinger, Präventionsnetzwerk             Nähere Informationen zu diesem            tenhearings zu vernehmen war.
Ortenaukreis                               Projekt findet man unter http://www.
                                           pno-ortenau.de                            Literatur:
                                                                                     Becker, P. (1997) Präventions- und Gesundheitsförde-
Der anschließende Vortrag von Dipl.
                                                                                     rung. In: R. Schwarzer (Hrsg.) Gesundheitspsycho-
Psych. Ullrich Böttinger, PP und                                                     logie. Göttingen: Hogrefe, S, 517-534
Leiter des Amtes für Soziale und           Und im Saarland?                          Becker, M. & Rosenstock, I. (1987) Comparing social
                                                                                     learning theory and the health belief model. In:
Psycholigische Dienste sowie Vor-                                                    Ward, W.B. (Ed.) Advances in Health Education and
standsbeauftragter für Frühe Hilfen        Zu Recht wurde an dieser Stelle kriti-    Promotion. Vol.2 Greenwich, CT: JAI, pp. 245-249
und Prävention der LPK Baden-Wür-          siert, dass im Saarland selbst die Ein-   Bandura, A. (1997) Self-efficacy: The exercise of
                                                                                     control. New York. Freeman
temberg, stellte ein von der BzgA fi-      führung einer 3. Sportstunde in der       Prochaska, J. & DiClemente, C. (1998) The transtheo-
nanziertes Best-Practice-Modell des        Schule ein unüberwindbares Hinder-        retical model of behaviour change. In: Shumaker, S.
                                                                                     & Schron, E. (Eds.) The handbook of health behaviour
Präventionsnetzwerkes Ortenaukreis         nis zu sein scheint.                      change. New York: Springer, pp. 59-84
vor. Darin geht es um die Förderung        Die Gründung des Präventionsnetz-
der körperlichen und seelischen Ge-        werkes „Das Saarland lebt gesund“,
sundheit und der sozialen Teilhabe         dem auch die PKS vor gut zwei Jah-
für Kinder und ihre Familien im Alter      ren beigetreten ist, blieb bisher wei-
von 3 bis 10 Jahren. Das Interesse         testgehend folgenlos. Vergleichbare
daran war sehr groß, denn Vergleich-       Aktivitäten auf Landes- oder Land-
bares gibt es bislang nirgendwo.           kreisebene sind kaum erkennbar. „Ko-
Frühe Hilfen, die ein umfangreiches        ordinieren Sie noch oder helfen Sie
Angebot während der Schwanger-             schon?“ so der ironische Kommentar
schaft und bis zur Vollendung des          eines Teilnehmers zu diesem Beispiel
3. Lebensjahres anbieten, sind auch        eines Netzwerks ohne Inhalte.                Irmgard                  Dr. Petra
im Saarland bereits seit 2007 gut          Dr. Lamberty, zuständiger Abtei-               Jochum                    Schuhler
etabliert in allen Landkreisen. Daran      lungsleiter für Gesundheit im Saar-
knüpfte man 2009 im Ortenaukreis           ländischen Ministerium für Soziales,
Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                                                                                             Nr. 67, November 2017   11
   Soldatinnen und Soldaten
   in der psychotherapeutischen Praxis

Informationen über die Vereinba-
rung der Vergütung psychothera-
peutischer Leistungen zwischen der
Bundespsychotherapeutenkammer
und dem Bundesministerium für Ver-
teidigung sowie ein Überblick über
die Fortbildungsveranstaltung am
11. Okto­ber 2017 in Köln

Ebenso wie gesetzlich Krankenver-
sicherte finden Soldatinnen und Sol-
daten häufig keine Psychotherapeu-
tinnen und Psychotherapeuten mit
Kassenzulassung oder müssen un-
zumutbare Wartezeiten in Kauf neh-
men, bis sie in Behandlung kommen.
Um ihre psychotherapeutische Ver-
sorgung zu verbessern, vereinbarten
die Bundespsychotherapeutenkam-
mer und das Bundesverteidigungs-
ministerium im September 2013,           der GÖÄ vergütet. Bislang galt der
dass Soldatinnen und Soldaten sich       2,0-fache Satz. Diese Anpassung der        Mit der Veranstaltung „Soldatinnen
auch in psychotherapeutischen Pri-       Vergütung konnte in Verhandlungen          und Soldaten in der Bundeswehr –
vatpraxen behandeln lassen können.       zwischen der BPtK und dem BMVg             Dienst, Einsatz und Belastungen“
Bestandteil dieser Vereinbarung ist      für die Behandlung von Soldatinnen         der Landespsychotherapeutenkam-
auch, dass Bundeswehr und Psycho-        und Soldaten durch Psychotherapeu-         mern von Rheinland-Pfalz, Saarland
therapeutenkammern gemeinsame            tinnen und Psychotherapeuten ohne          und Nordrhein-Westfalen in Koope-
Fortbildungen durchführen.               Kassenzulassung erreicht werden.           ration mit der Bundeswehr am 11.
                                                                                    Oktober 2017 in Köln-Wahn, hat sich
Demnach können sich Soldatinnen          Download Vereinbarung:                     die PKS zum zweiten Mal an einer
und Soldaten neben Vertragspsycho-       http://www.bptk.de/uploads/me-             solchen Fortbildungsveranstaltung
therapeuten, für die ausschließlich     dia/2013-09-16_Hintergrundinforma-         beteiligt. Über 250 Psychotherapeu-
die Vereinbarung mit der KBV maß-        tion_Vertrag_Soldaten_aktualisiert.        tinnen und Psychotherapeuten nah-
geblich ist, mit einer entsprechenden    pdf                                        men an der Fortbildung in der Luft-
Überweisung auch unmittelbar an                                                    waffenkaserne in Köln-Wahn teil. Sie
einen Psychotherapeuten ohne Kas-                                                   erhielten einen Einblick in den sol-
senzulassung wenden.                     Gemeinsame Fortbildungsver-                datischen Alltag, therapierelevante
Die Vereinbarung trägt zu einer bes-    anstaltungen von Bundeswehr                bundeswehrspezifische Themen und
seren Versorgung von Soldatinnen         und Landespsychotherapeuten-               spezielle Symptom- und Belastungs-
und Soldaten bei und eröffnet gleich-   kammern                                    lagen von Soldaten-Patienten. Auch
zeitig Psychotherapeutinnen und                                                     die Schnittstellen zur ambulanten
Psychotherapeuten ohne Kassenzu-         Die Vereinbarung sieht weiterhin           psychotherapeutischen Versorgung
lassung ein Betätigungsfeld. Mit der    gemeinsame Fortbildungsveranstal-          wurden deutlich.
Anpassung des Gebührensatzes ist        tungen von Bundeswehr und Lan-
sichergestellt, dass Psychotherapeu-     despsychotherapeutenkammern, die
                                                                                    Besonderheiten des Soldaten-
tinnen und Psychotherapeuten ohne        sich dazu bereit erklärt haben, vor.
Kassenzulassung zumindest eine mit       Diese sollen dazu dienen, die Sen-         berufs
der gesetzlichen Krankenversiche-        sibilisierung niedergelassener Psy-        In seinem Referat erläuterte Oberst-
rung vergleichbare Vergütung erhal-     chotherapeutinnen und Psychothe-           arzt Dr. Michael Alvarez-Brückmann,
ten. Seit dem 1. März werden diese       rapeuten für Besonderheiten bei der       Leiter des Sanitätsversorgungszen-
Leistungen im Rahmen der Verein-         Behandlung von Soldatinnen und             trums Köln-Wahn die Organisation
barung mit dem 2,2-fachen Satz           Soldaten zu verstärken.                    der Bundeswehr und informier-
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              Nr. 67, November 2017

te über Besonderheiten des Sol-             Einsätzen Ängste, Depressionen und       Humanmedizin, Individualmedizin
datenberufes. Er skizzierte das Auf-        Posttraumatische Belastungsstörun-       im Kommando Sanitätsdienst der
trags- und Aufgabenspektrum der             gen die häufigsten psychischen Pro-      Bundeswehr informierte über die
Bundeswehr und die Erwartungen              bleme bei Soldatinnen und Soldaten.      steigende Inanspruchnahme des
an Soldatinnen und Soldaten, die            Es suchen jedoch nur 55 Prozent der      psychosozialen Versorgungssystems
Herausforderungen, denen sich Sol-          Betroffenen psychosoziale Hilfe und      der Bundeswehr, dass von Soldatin-
datinnen und Soldaten in einer mo-          wiederum nur 10-12 Prozent von ih-       nen und Soldaten aber auch ihren
dernen Bundeswehr stellen müssen,           nen erhalten eine fachgerechte Be-       Angehörigen und Hinterbliebenen
beispielsweise bei Auslandseinsät-          handlung.                                genutzt werde. Er begrüßte daher
zen, der Wiedereingliederung in den         Am praktischen Beispiel einer PTBS       die Intention solcher Fortbildungs-
Alltag oder hinsichtlich der geforder-      eines jungen Soldaten nach einem         veranstaltungen zur Verbesserung
ten räumlichen und zeitlichen Flexi-        Auslandseinsatz erläutere die Re-        der Informationen über die Beson-
bilität im Dienst.                          ferentin die therapeutischen Inter-      derheiten der Bundeswehr und die
                                            ventionen im stationären Bereich         für Soldatinnen und Soldaten spezi-
                                            des Bundeswehrkrankenhauses und          fischen Belastungsfaktoren.
Psychosoziale Angebote der                  erfolgversprechende Weiterbehand-        Bei anstehenden Themen wie Wie-
Bundeswehr                                  lungsmöglichkeiten im ambulanten         dereingliederung, Teilhabe, die Ein-
                                            Therapiesetting.                         bindung von Familienangehörigen
Um diesen Anforderungen gerecht zu                                                   in den Therapieprozess sowie bei der
werden, hält die Bundeswehr ein brei-                                                gesamten psychosozialen Versor-
tes Spektrum psychosozialer Angebo-         Spezifische Belastungsfaktoren           gung sei ein Zusammenwirken von
te vor zur Betreuung von Soldatinnen        bei Auslandseinsätzen                    wehrdienstlichen und zivilen Einrich-
und Soldaten, ihren Angehörigen,                                                     tungen unabdingbar.
zivilen Mitarbeitern, Hinterbliebenen       Oberregierungsrat Alexander Varn,
von Gefallenen und ehemaligen Bun-          Truppenpsychologe im Kommando            Weitere Informationen erhalten Sie
deswehrangehörigen.                         Sanitätseinsatzunterstützung in Wei-     unter folgenden Downloads:
Das „psychosoziale Netzwerk und             ßenfels, berichtete über aktuelle Ein-   – Dr. Michael Alvarez-Brückmann:
das Interdisziplinäre Patientenzent-        satzgebiete, Belastungen während            Organisation der Bundeswehr /
rierte Rehabilitationsteam der Bun-         eines Einsatzes und das Aufgaben-           Besonderheiten des Soldatenbe-
deswehr“ erläuterte Regierungsdi-           profil der Truppenpsychologen.              rufes [PDF-Dokument, 1.6 MB]
rektorin Christiane Reitz, Leitende         Hierbei nannte er als kritische Fakto-   – Christiane Reitz: Psychosoziale
Truppenpsychologin des Luftwaffen-          ren vor Ort insbesondere physische          Unterstützung in der Bundeswehr
truppenkommandos Köln-Wahn. Sie             Belastungen durch extreme Tem-              [PDF-Dokument, 1.1 MB]
betonte den Stellenwert niedrig-            peraturen, Lärm oder ungewohnte          – Heilbehandlung für die Bundes-
schwelliger Ansätze und präventiver         Nahrung sowie psychische Belas-             wehr / Beantragung, Verlänge-
Maßnahmen sowie die Zusammen-               tungen beispielsweise durch das             rung, Abrechnung [PDF-Doku-
arbeit mit fachärztlichen KollegInnen       Erleben von Angst, Gewalt und Tod,          ment, 3.1 MB]
und PsychotherapeutInnen. Hierzu            die Trennung von Vertrautem, einge-      – Behandlung von Soldaten in
bestehen im psychosozialen Netz-            schränkte Kommunikationsmöglich-            Privatpraxen - Informationen für
werk Hilfestrukturen und Angebote,          keiten und mangelnde Privatsphäre.          Psychotherapeuten [PDF-Doku-
an die Psychotherapeutinnen und             Sein Aufgabenfeld in den einsatzvor-        ment, 1.6 MB]
Psychotherapeuten andocken kön-             bereitenden Maßnahmen bestehe vor
                                                                                     Quelle: Psychotherapeutenkammer NRW
nen.                                        allem in der Vermittlung von Stress-
                                            managementtechniken und der Vor-
                                            bereitung auf zu erwartende Stresso-        Inge Neiser
Therapieansätze und Behand-                 ren vor Ort. Als eine weitere zentrale
lungskonzepte                               Aufgabe der Truppenpsychologen er-
                                            läuterte er die Führungsberatung für
Einen praktischen Einblick in die           Vorgesetzte, die Einzelfallberatungen
Symptom- und Belastungslagen                für Soldatinnen und Soldaten sowie
von Soldaten-Patienten und mögli-           die psychologische Kriseninterven-
chen Schnittstellen zur ambulanten          tion nach einem Einsatz.
psychotherapeutischen Versorgung
vermittelte Regierungsdirektorin Dr.
Christina Alliger-Horn, Leitende Psy-       Steigende Inanspruchnahme
chologin im Bundeswehrkranken-
haus Berlin. Ihren Angaben zufolge          Oberstarzt Dr. Matthias Baßler, Lei-
sind unabhängig von geleisteten             ter der Unterabteilung Wehrmedizin,
Forum der Psychotherapeutenkammer des Saarlandes
                                                                                               Nr. 67, November 2017   13
   „Die Männer belügen nicht die anderen,
   sondern sich selbst“
   Ein Interview mit Markus Müller, Leiter der Selbsthilfegruppe
   „Schwule Väter und Ehemänner im Saarland“

S. Münnich-Hessel: Herr Müller, wie
kamen sie auf die Idee, eine Grup-
pe für schwule/bisexuelle Väter und
Ehemänner zu gründen?
M. Müller: Vor über 23 Jahren habe
ich mich von meiner damaligen Frau
getrennt. Mein Sohn war gerade erst
ein Jahr alt. Die Situation hat mich in
der Folgezeit oft überfordert und vor
sehr große Herausforderungen ge-
stellt. Ich hatte das starke Gefühl, mit
der Situation besser fertig zu werden,
wenn ich mich mit anderen schwulen
Vätern oder Ehemännern austausche.
Ich habe mich dann 6 Jahre später an
den LSVD (Lesben- und Schwulen-
verband Deutschland) im Saarland
gewendet und so kam es, dass ich           Manche sind immer noch verheira-           figsten um die Themen Schuldgefüh-
mit einem Vater gemeinsam im Mai           tet, wenn sie zu uns kommen und            le, Trennung und Neuanfang und na-
2001 die Gruppe gegründet habe. Mit        leben ihre Sexualität nur heimlich.        türlich Coming-out. Viele Väter haben
anderen Betroffenen zu reden, war          Andere gehen damit sehr offen um.          ein schlechtes Gewissen und starke
eine große Befreiung für mich! Umso        Und es gibt auch Väter und Ehemän-         Schuldgefühle gegenüber ihren An-
wichtiger ist es mir heute, meine Er-      ner, die trotz Outing weiter in ihrer      gehörigen. Es ist ja oft nicht so, dass
fahrung an andere weiterzugeben.           Familie bleiben.                           man die Frau, mit der man Kinder
                                                                                      großgezogen hat, nicht mehr mag.
Worum geht es in ihrer Gruppe?             Wie ist die Gruppe zusammenge-             Häufig entsteht zusätzlich eine große
Viele Männer entdecken erst als Ehe-       setzt?                                     Belastung, je nachdem wie die jewei-
männer oder Familienväter, dass sie        Wir haben etwa 15 Mitglieder, die          ligen Ehefrauen mit der Tatsache des
schwul oder bisexuell sind. Diese          alle eine Beziehung zu einer Frau          Schwul Seins des Ehemannes um-
neue Situation bringt oft Ängste und       hatten oder Co-Väter sind. Wir tref-       gehen. Es ist oft ein großer Schock
viele Fragen mit sich, mit denen man       fen uns in der Regel jeden 2. Diens-       für sie. Verständlicherweise ist auch
sich oft allein gelassen fühlt. Das Ge-    tag im Monat um 19.30 Uhr im LSVD-         die Frau mit der Situation überfor-
fühl des „Nicht allein seins“ ist für      Check­ point in der Mainzer Straße         dert, ebenso wie später die Kinder,
viele in unserer Gruppe das Wich-          44 in Saarbrücken. Aktuell nehmen          vor allem wenn sie schon älter sind.
tigste! Wir pflegen einen offenen          etwa acht bis zehn Teilnehmer regel-       Es gibt leider immer wieder Fälle, in
Erfahrungsaustausch. Die schwulen          mäßig an unserem Erfahrungsaus-            denen die Frauen starken Druck aus-
oder bisexuellen Männer in unserer         tausch teil. Das Alter reicht von 34       üben, auch auf die Kinder.
Gruppe haben auf ganz unterschied-         bis 65 Jahren. Einige kommen aus
liche Weise ihr persönliches Coming-       einem zusätzlich religiösen und/oder       Wodurch ist Ihrer Meinung nach eine
out erlebt oder befinden sich noch         konservativen Kontext, was es Ihnen        Selbsthilfegruppe hilfreich?
mitten im Prozess. Prinzipiell ist zu      noch schwerer macht zuzulassen,            Ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass
unterscheiden zwischen einem in-           dass sie homosexuell sind. Die Kon-        wir uns auf Augenhöhe begegnen.
neren Coming-out, das heißt es sich        taktaufnahme erfolgt meistens über         Hier in der Selbsthilfegruppe können
selbst gegenüber einzugestehen,            das Internet.                              die Männer Halt und Unterstützung
homosexuell zu sein und einem äu-                                                     bekommen. Auf Wunsch bieten wir
ßeren Coming-out, nämlich dies             Welche Probleme werden in der              neben der Gruppe auch Einzeltermi-
auch öffentlich zu machen und zu le-       Gruppe thematisiert?                       ne an.
ben. Oft ist das ein längerer Prozess.     Zusammengefasst geht es am häu-            Wir begleiten die Männer u. a. bei
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              Nr. 67, November 2017

ihrem Coming-out, ihrer Trennung            Das ist sicher nicht einfach.
und dem Neuanfang. Da immer                 Es tauchen viele Fragen auf. Wie er-
schon erfahrenere Teilnehmer in der         klärt ein Vater seinen Kindern oder
Gruppe sind, können diese durch             der Frau dass er homosexuell ist?
das Reflektieren der eigenen Situa-         Verheimlichen oder nicht? Häufig
tion den Neulingen ihre Ängste neh-         werfen auch die Ehefrauen vor, dass
men. Der Aspekt der Prophylaxe vor          sie sich belogen fühlen und betro-
psychischen Erkrankungen, ist auch          gen. Jedoch wollen die Männer sie
                                                                                                      und Ehemänner Saarland
nicht zu unterschätzen. Viele Betrof-       nicht belügen. Männer belügen nicht
                                                                                     Viele Männer entdecken erst als Ehemann oder Familienvater, dass sie
fene leiden unter psychischen Prob-         die anderen, sondern vorrangig sich      schwul oder bisexuell sind. Diese neue Situation bringt oft Ängste und
                                                                                        vielen Fragen mit sich, da sich vertraute Lebenszusammenhänge
lemen und brauchen zusätzlich (pha-         selbst.                                                       plötzlich verändern können.
                                                                                     Wir sind eine Gruppe schwuler bzw. bisexueller Väter und Ehemänner,
senweise) therapeutische Hilfe.                                                      die auf ganz unterschiedliche Weise ihr persönliches Coming out erlebt
                                                                                            haben oder sich noch mitten in diesem Prozess befinden.
                                            Gibt es noch weitere Angebote?                            Du bist bei uns herzlich willkommen!
                                                                                              In angenehmer und offener Atmosphäre kannst du hier
Der Neuanfang ist wohl nicht immer          In der Akademie Waldschlösschen in                   deine Themen besprechen und anderen zuhören.
                                                                                             Auf Wunsch sind natürlich auch Einzelkontakte möglich.
nur positiv. Da tauchen sicher Hin-         Rheinhausen bei Göttingen (www.              Jeden 2. Dienstag im Monat, 19.30 Uhr
dernisse auf. Es sind ja dann nicht         waldschloesschen.org) werden zwei                      in ungeraden Monaten im LSVD Checkpoint,
                                                                                           in geraden Monaten finden Aktivitäten auch außerhalb statt.

alle Probleme plötzlich gelöst.             Mal im Jahr Treffen angeboten unter                           LSVD Checkpoint, Mainzer Str. 44, 66121 Saarbrücken
                                                                                                          Tel.: 06 81 - 39 88 33
Ganz im Gegenteil! Der Anfang               dem passenden Titel „Zwischen den        Landesverband Saar   Kontakt SVS: SVSaar@gmx.de • svsaar.wordpress.com

in einer „neuen Welt“ ist sehr oft          Welten“. Diese Treffen werden immer
schwierig. Es ist schon eine sehr gro-      von einer anderen der deutschland-
ße Herausforderung, den Umgang              weiten Regionalgruppen ausgerich-      geheiratet hat. Das Interview führte
mit Frau und Kind(ern) hinzubekom-          tet. Der Austausch dort ist sehr in-   Susanne Münnich-Hessel
men, gleichzeitig eine Beziehung            tensiv und auch für mich heute noch
zu einem Mann zu leben oder auf             sehr bereichernd.                      Kontakt:
Partnersuche zu gehen. Zumal das                                                   Schwule Väter und Ehemänner im
erwähnte schlechte Gewissen sehr            Herr Müller, vielen Dank für das       Saarland
oft im Weg steht. Gerade am Anfang          Interview!                             LSVD Checkpoint
stellt sich die Frage, wie die Verbin-                                             Mainzer Str.44
dung zum „alten Leben“ überhaupt            Herr Müller ist Gründer und Leiter     66121 Saarbrücken
noch gelebt werden kann und wie             der Selbsthilfegruppe, 45 Jahre alt,   Tel:0681/39 88 33
man mit dessen Verlust umgeht.              lebt seit 18 Jahren mit seinem Mann    Mail: SVSaar(at)gmx.de
                                            zusammen, den er vor über 4 Jahren     svsaar.wordpress.com

   Broschüre „Schülerinnen und Schüler
   mit Fluchterfahrung“ unter Mitarbeit der PKS erschienen

Geflüchtete Kinder, die im Saarland         Pädagoginnen und Pädagogen sind        ren die didaktische Planung. Noch
ankommen, sind von ihrem ersten             damit vertraut, genau hinzusehen       gravierender ist für Lehrkräfte die
Ankunftstag an schulpflichtig. Dies         und Schülerinnen und Schüler in        Vorstellung bzw. das Wissen, dass
bedeutet für die Integration und die        ihrer Persönlichkeit ganzheitlich zu   einige der Kinder und Jugendlichen
Bildungsteilhabe der Kinder eine            erfassen.                              möglicherweise traumatisiert sind.
große Chance. Schule als „sicherer
Ort“ ist für sie ein wichtiger stabili-     Aber Lehrerinnen und Lehrer stehen     Erstellt durch die Schulpsychologi-
sierender Faktor und gleichzeitig ein       angesichts der geflüchteten Kinder     schen Dienste der Landkreise des
Ort, an dem es Personen gibt, denen         im Unterricht auch vor Herausforde-    Saarlandes, der Landeshauptstadt
sie vertrauen können, die ihnen zu-         rungen. Fehlende Sprachkenntnisse,     Saarbrücken und des Regionalver-
hören und die bei Schwierigkeiten           unbekannte Vorbildung und unkla-       bandes Saarbrücken in Kooperation
Lösungen finden.                            re Lernvoraussetzungen erschwe-        mit der Psychotherapeutenkammer
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