Investors' Outlook Spiele und Brot in dieser Reihenfolge - Juli /August 2021 - Vontobel Asset Management

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Investors' Outlook Spiele und Brot in dieser Reihenfolge - Juli /August 2021 - Vontobel Asset Management
Investors’
Outlook
Spiele und Brot …
in dieser Reihenfolge

      Juli /August 2021
Investors' Outlook Spiele und Brot in dieser Reihenfolge - Juli /August 2021 - Vontobel Asset Management
2   Inhalt                                                 Impressum

                            4

                                                           Herausgeber

                                                      10
                                                           Bank Vontobel AG
                                                           Gotthardstrasse 43
                                                           8022 Zürich

                                                           Redaktion
                                                           Martin Gelnar

                                                           Autoren*
                                                           Almasa Cormehic
                                                           Portfoliomanager,
                                                           Vontobel
                                                           Dr. Reto Cueni
                                                           Chief Economist,
                                                           Vontobel
                                                           Stefan Eppenberger
                                                           Equity & Commodity Strategist,
                                                           Vontobel
                                                           Frank Häusler

     3                                                     Chief Investment Strategist,
                                                           Vontobel

     Editorial                                             Michaela Huber
                                                           Economist,
                                                           Vontobel
                                                           Mario Montagnani
                                                           Senior Investment Strategist,
     4                                                     Vontobel
                                                           Sandrine Perret
     Anlagestrategie                                       Senior Economist,
                                                           Fixed Income Strategist,
                                                           Vontobel
     Normalere Zeiten halten Aktien im Spiel –             Dr. Sven Schubert
     aber nicht straucheln                                 Head of Strategy Currencies,
                                                           Vontobel
                                                           Dan Scott

     6                                                     Chief Investment Officer,
                                                           Head of Investments & Thematics,

     Makro-Highlights                                      Vontobel
                                                           Elena Tedesco
                                                           Portfoliomanager,
     Zur Halbzeit kehren wir mit einem optimistischeren    Vontobel
     Szenarienmix aufs Spielfeld zurück
                                                           Erscheinungsweise
                                                           Zehnmal pro Jahr

     10
                                                           (nächste Ausgabe September 2021)

                                                           Konzept
     Viewpoint                                             MetaDesign AG

                                                           Gestaltung & Realisation
     Smart Farming, nachhaltige Lebensmittelproduktion –
                                                           Vontobel
     bessere Erträge für Felder und Portfolios
                                                           Bilder
                                                           Gettyimages,
     14                                                    Vontobel

     Anlageklassen im Fokus                                Redaktionsschluss
                                                           28. Juni 2021

                                                           Bemerkungen

     18
                                                           * Siehe Seite 19 «Rechtliche Hinweise»:
                                                              Analystenbestätigung

     Prognosen
Investors' Outlook Spiele und Brot in dieser Reihenfolge - Juli /August 2021 - Vontobel Asset Management
Editorial           3

Spiele und Brot …
in dieser Reihenfolge

Sehr geehrte Leserinnen und Leser                                                   —
                                                                                    Dan Scott
Die Pandemie hat unser Leben auf den Kopf gestellt,                                 Chief Investment Officer,
                                                                                    Head of Impact & Thematics,
beschert uns nun aber einen Sommer mit einem einzig-                                Vontobel
artigen Sportprogramm. Die für 2020 geplante Fussball-
Europameisterschaft wurde pandemiebedingt um ein
Jahr verschoben und fügt sich ein zwischen die Eisho-
ckey-Weltmeisterschaft, die Anfang Juni (ja, Juni) von
Kanada in der lettischen Hauptstadt Riga gewonnen
wurde, der Copa América in Brasilien, der US-amerikani-
schen Baseball-Saison, den Tennis-Grand-Slam-Turnieren
in Paris und London, der Tour de France und den Olympi-      Abkühlung in China bedingt Veränderungen im Portfolio
schen Spielen in Tokio. Bevor Sie nun in die wohlverdien-    Spitzenwachstum bedeutet nicht gleich Spitzenmärkte.
ten Sommerferien starten, lassen Sie uns einen kurzen,       Wir sind nach wie vor von Aktien überzeugt, haben
aber fokussierten Blick auf Spiele und Brot werfen – in      jedoch unser Portfolio geringfügig umgeschichtet, um es
dieser Reihenfolge.                                          etwas defensiver auszurichten. Unser Engagement in
                                                             Schwellenländeraktien wurde auf neutral herabgesetzt,
Omne trium perfectum – aller guten Dinge sind drei           die Erlöse schichteten wir in Unternehmensanleihen mit
Was die Spiele anbelangt, so lieferte die italienische       geringem Ausfallrisiko um.
Squadra Azzurra in der Gruppenphase der Fussball-EM
eine tadellose Leistung und gewann bei den Heimspielen       Grund hierfür ist, dass die Schwellenländeraktien in den
in Rom alle drei Partien. «Omne trium perfectum», hätten     vergangenen Wochen deutlich an Attraktivität eingebüsst
die alten Römer gesagt, «aller guten Dinge sind drei».       haben. Der Wachstumsmotor China verliert derzeit rapide
Dies gilt auch für die aktuelle Geschäfts- und Finanzwelt:   an Schwung. So war die Industrieproduktion des Landes
Die Weltwirtschaft erholt sich kräftig, die Konjunktur-      im Mai den dritten Monat in Folge rückläufig. Des Weite-
massnahmen der Zentralbanken sorgen für Impulse, und         ren fielen die von den Unternehmen der Region veröffent-
nach über einem Jahrzehnt Tiefschlaf regt sich auch die      lichten Gewinne für das erste Quartal zumeist enttäu-
Inflation wieder.                                            schend aus.

Doch alles hat einmal ein Ende – die Fernseh-Fussballma-     Wir haben auch unsere Rohstoffpositionen reduziert.
rathons ebenso wie die wirtschaftliche Erholung. Frühin-     Beflügelt von der schnellen Erholung nach der Pandemie
dikatoren, darunter unser interner Indikator für die Kon-    und der massiven Nachfrage in China sind die Preise in
junkturdynamik, deuten darauf hin, dass die weltweiten       die Höhe geschnellt. Höchste Zeit also, einen Teil der seit
Wachstumsraten ihren Zenit erreicht haben. Die Unter-        Jahresbeginn erzielten Gewinne mitzunehmen. Einige
stützungsmassnahmen der Regierungen und Zentralban-          Rohstoffe, etwa Soja, Mais und Weizen, sind bereits von
ken werden ab dem Ende des Sommers langsam an Wirk-          ihren Höchstständen gepurzelt, ebenso Kupfer, das die
samkeit verlieren. Auch die Inflationserwartungen haben      Nachfrage aus der Industrie gut nachbildet. Wie üblich ist
einen Höchststand erreicht und dürften sich – angesichts     Gold eine hervorragende Absicherung gegen Risiken aller
der vorübergehenden Natur des aktuellen Teuerungs-           Art – von geopolitischen Spannungen bis hin zu staatli-
schubs – gegen Ende des Jahres wieder abschwächen.           chen Einschränkungen im Zuge der Pandemiebekämp-
                                                             fung.
Die derzeitige «Multi-Peak»-Situation bedeutet, dass wir
uns als Anleger auf sinkende, aber weiterhin positive Ren-   Unabhängig davon, wie laufende oder anstehende sport-
diten einstellen müssen. Die Unsicherheit könnte zuneh-      liche Grossveranstaltungen ausgehen, wünschen wir
men und damit die Märkte anfälliger für kurzfristige Vola-   Ihnen einen erholsamen Sommer ganz ohne Viren, Hitz-
tilität machen.                                              schläge oder Kämpfe um die Fernbedienung.

                                                                 Webcast
                                                             Um unseren Webcast zu den neuesten Markt-
                                                             entwicklungen zu sehen, klicken Sie bitte auf
                                                             folgenden Link: vonto.be/macro-de-jul-aug21
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4   Anlagestrategie

     —                              —
     Frank Häusler                  Mario Montagnani
     Chief Investment Strategist,   Senior Investment Strategist,
     Vontobel                       Vontobel

     Normalere Zeiten halten Aktien
     im Spiel – aber nicht straucheln
     In den USA und bis zu einem gewissen Grad auch in              Die entspannende Wirkung der massiven geldpolitischen
     China haben Wachstum, geldpolitische Unterstützung             Massnahmen verpufft langsam. Deshalb könnte es im
     und Inflation Hochsaison. In Europa hingegen herrscht          weiteren Verlauf des Jahres zu unerwarteten Entwicklun-
     das Fussballfieber. Ob im berstend vollen Stadion der          gen kommen. Zwar dürfte der Inflationsanstieg in den
     ungarischen Hauptstadt Budapest (siehe Foto), wo von           meisten Fällen nur vorübergehend sein, doch sollten die
     Social Distancing keine Rede sein kann, oder im heimi-         USA oder Europa plötzlich einen normaleren geldpoliti-
     schen Biergarten vor der Grossleinwand – die Zuschauer-        schen Kurs einschlagen, könnte sich die Stimmung trü-
     massen bei der Europameisterschaft verhalten sich, als         ben. Dies halten wir jedoch für wenig wahrscheinlich. Die
     sei die Pandemie vorbei. Dies deutet darauf hin, dass die      Zentralbanken werden den Geldhahn in gemässigtem
     Verbraucher wieder ihr Portemonnaie zücken und mög-            Tempo zudrehen.
     licherweise Veränderungen in ihren Portfolios ins Auge
     fassen.                                                        Neben unserem leicht reduzierten Engagement in Emer-
                                                                    ging-Markets-Aktien haben wir angesichts der Konjunk-
     Wir halten an unserer Übergewichtung in Aktien fest,           turabkühlung in China und der überkauften Situation
     möchten aber das Risiko etwas reduzieren. Die Wirt-            auch Rohstoffe auf neutral herabgesetzt. Die Erlöse aus
     schaftswachstumsraten haben ihren Zenit erreicht.              dieser Transaktion haben wir grösstenteils in Cash umge-
     Gewöhnlich sind damit kurzfristig mehr Unsicherheit und        schichtet, was eine Übergewichtung zur Folge hatte.
     Volatilität verbunden. Zur Minderung des Risikos haben         Wenn angemessen, werden wir unseren Barmittelbestand
     wir deshalb unser Engagement in Schwellenländeraktien          durch kurzfristige risikoarme Anlagen wieder reduzieren.
     reduziert. Bei Bedarf können wir unsere Risikobereit-          Details finden Sie in der Übersicht auf Seite 5 und in den
     schaft rasch wieder anpassen, indem wir beispielsweise         Schwerpunkten zu den einzelnen Anlageklassen auf den
     Kursrückschläge als Kaufgelegenheiten nutzen.                  Seiten 14 bis 17.
Investors' Outlook Spiele und Brot in dieser Reihenfolge - Juli /August 2021 - Vontobel Asset Management
5

                                 UNTERGEWICHTET     NEUTRAL      ÜBERGEWICHTET
                                 stark     leicht                leicht   stark

1                                                                                 Unser Barmittelbestand geht von neutral zu einer
                                                                                  geringfügigen Übergewichtung über. Dabei handelt
Liquidität                                                                        es sich um einen Nebeneffekt der Herabsetzung von
                                                                                  Rohstoffen von übergewichtet auf neutral. Wir gehen
                                                                                  allerdings nicht davon aus, dass die Übergewichtung
                                                                                  lange Bestand haben wird.

2                                                                                 Wir bleiben bei unserer insgesamt negativen Ein-
                                                                                  schätzung von Anleihen, da der Zinssatz zehnjähri-
Anleihen                                                                          ger US-Treasuries in den nächsten zwölf Monaten all-
                                                                                  mählich auf etwa 2% steigen dürfte. Indessen
                                                                                  beenden wir unsere grösste relative Untergewich-
                                                                                  tung innerhalb dieser Anlageklasse, indem wir Erlöse
                                                                                  aus einer Aktientransaktion in IG-Unternehmensan-
                                                                                  leihen umschichten. Bei IG-Anleihen besteht dadurch
                                                                                  nun nur noch eine «einfache» Untergewichtung. Bei
                                                                                  Staatsanleihen verkürzen wir die Duration (d. h. die
                                                                                  Sensitivität gegenüber Zinsänderungen) und schich-
                                                                                  ten hierfür von länger laufenden Anleihen in kürzer
                                                                                  laufende um. Unsere insgesamt neutrale Einstellung
                                                                                  zu dem Segment behalten wir jedoch bei. Wir bekräf-
                                                                                  tigen unsere neutrale Einschätzung von Hochzinsan-
                                                                                  leihen und unsere positive Einschätzung von Anlei-
                                                                                  hen aus Schwellenländern.

3                                                                                 Wir halten an unserer Übergewichtung von Aktien
                                                                                  fest, reduzieren jedoch das Risiko ein wenig. Gründe
Aktien                                                                            sind das Allzeithoch im Juni und das begrenzte
                                                                                  Potenzial für einen weiteren Anstieg der Aktienbe-
                                                                                  wertungen oder Unternehmensgewinne. Zur Verrin-
                                                                                  gerung des Risikos reduzieren wir die Gewichtung
                                                                                  von EM-Aktien auf neutral. Gründe hierfür sind
                                                                                  Anzeichen für eine Konjunkturabkühlung in China
                                                                                  und einige enttäuschende Gewinnzahlen von EM-
                                                                                  Unternehmen. Insgesamt sind wir zuversichtlich,
                                                                                  dass Aktien den Risiken eines Rendite- und Inflati-
                                                                                  onsanstiegs standhalten können. Aktien aus der
                                                                                  Schweiz, den USA und Japan schätzen wir nach wie
                                                                                  vor positiv ein. Unsere neutrale Einstellung gegen-
                                                                                  über europäischen Aktien beruht auf ihrer weniger
                                                                                  überzeugenden Sektorzusammensetzung und auf
                                                                                  unserer Einschätzung, dass ein Grossteil der Wieder-
                                                                                  eröffnungen – der sogenannte Reopening Trade –
                                                                                  nun eingepreist ist.

4                                                                                 Unsere Einschätzung von Gold und unsere leichte
                                                                                  Übergewichtung bleiben unverändert. Das Edelmetall
Gold                                                                              profitierte zuletzt von den rückläufigen US-Realren-
                                                                                  diten und dem schwächeren US-Dollar. Trotz eines
                                                                                  erwarteten moderaten Anstiegs der Realrenditen,
                                                                                  der sich in der Regel negativ auf Gold auswirkt, hal-
                                                                                  ten wir eine leichte Übergewichtung nach wie vor für
                                                                                  angemessen. Gold kann Portfolios gegen Inflation
                                                                                  oder unerwartete Ereignisse wie geopolitische Span-
                                                                                  nungen absichern.

5                                                                                 Nachdem wir Anfang des Jahres eine Übergewich-
                                                                                  tung in Rohstoffen eingegangen waren, haben wir
Rohstoffe                                                                         beschlossen, Gewinne mitzunehmen und die Anlage-
                                                                                  klasse auf neutral herabzusetzen. Die Wirkung von
                                                                                  bisher unterstützenden Faktoren wie die zyklische
                                                                                  Erholung der Wirtschaft und die massive Nachfrage
                                                                                  aus China ist nun entweder eingepreist oder lässt
                                                                                  nach. Die Preise nähern sich Allzeithochs und
                                                                                  machen die Anlageklasse anfälliger für temporäre
                                                                                  Rückschläge. Darüber hinaus halten wir den Inflati-
                                                                                  onsanstieg für ein vorübergehendes Phänomen,
                                                                                  wodurch Rohstoffe an Attraktivität einbüssen.

6                                                                                 Wir bekräftigen unsere negative Einschätzung von
                                                                                  Hedgefonds und unsere neutrale Haltung zu anderen
Alternative                                                                       alternativen Anlagen wie Versicherungsverbriefungen.
                                                                                  Daher nehmen wir gegenüber alternativen Anlagen
Strategien                                                                        insgesamt eine unverändert neutrale Haltung ein.

Veränderung zum Vormonat:   gleich       erhöht     verringert
6   Makro-Highlights

     Zur Halbzeit kehren wir mit einem
     optimistischeren Szenarienmix
     aufs Spielfeld zurück
     Nicht nur die Fussball-EM, auch die Wirtschaft hat ordentlich Fahrt aufgenommen.
     Nach der Halbzeit kehren wir mit neuer Zuversicht aufs Spielfeld zurück und ver-
     lagern unser Basisszenario für 2021 vom «Boarding» näher zum «Take-Off». Dennoch
     gehen wir davon aus, dass das weltweite Wirtschaftswachstum im Sommer seinen
     Höhepunkt erreicht. Inflation sowie geld- und fiskalpolitische Massnahmen dürften
     indes in der zweiten Jahreshälfte an einen Wendepunkt kommen.

     —                          —                          —                           —
     Reto Cueni, PhD            Michaela Huber             Sandrine Perret             Sven Schubert, PhD
     Chief Economist,           Economist,                 Senior Economist,           Head of Strategy Currencies,
     Vontobel                   Vontobel                   Fixed Income Strategist,    Vontobel
                                                           Vontobel

     Vor allem wirtschaftliche Schwergewichte wie die USA         einhergeht. Den stärksten Aufwärtsdruck auf die
     und China dürften unsere Schätzungen vom vergange-           Gesamtinflation übten bisher immer noch Basiseffekte2,
     nen November übertreffen, als wir erstmals unsere Sze-       saisonbedingte Muster und einige Schwierigkeiten bei
     narien für 2021 veröffentlichten, während Europa wohl        der Steigerung der Produktionskapazität ansonsten gut
     hinter den Erwartungen zurückbleibt. Unser neues Basis-      geschmierter Konjunkturmotoren aus. Die Volkswirt-
     szenario «Take-Off» beinhaltet eine globale Wachstums-       schaften werden die Anpassungen nach der Krise, wenn
     prognose1 von fast 6 % in diesem Jahr gegenüber knapp        die Unterstützungsmassnahmen der Regierungen und
     über 5 % im bisherigen Szenario «Boarding». Entspre-         Zentralbanken auslaufen, unseres Erachtens früher oder
     chend hat sich die Eintrittswahrscheinlichkeit unserer       später verdauen müssen. Die daraus resultierende Flaute
     drei Szenarien verändert (siehe Seite 7).                    am Arbeitsmarkt dürfte das Lohnwachstum begrenzen.
                                                                  Auch das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage in
     Die Veränderung ist hauptsächlich auf vier Faktoren          den Volkswirtschaften dürfte sich wieder stärker normali-
     zurückzuführen: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der        sieren, was den Inflationsdruck für 2022 abschwächen
     Lockdowns waren geringer als während der ersten Welle        sollte.
     Anfang 2020. Zudem führten erfolgreiche Impfkampag-
     nen in einigen Ländern früher zu wirtschaftlicher Erho-      Mehr Sorgen als Pandemie- oder Lockdown-Risiken
     lung. Auch die Emerging Markets, insbesondere in Asien,      bereiten uns derzeit geopolitische Spannungen und
     wurden ihrer Rolle als Motor des weltweiten Wirtschafts-     starke Zweitrundeneffekte3. Das liegt daran, dass die Zahl
     wachstums wie erhofft gerecht. Nicht zuletzt beförderten     der Covid-Neuinfektionen zurückgeht und die Impfstoffe
     auch die höheren, rasch getätigten Staatsausgaben in         in den Ländern, in denen sie verfügbar sind, bisher die
     den USA und anderen Ländern mehrere Wachstumsraten           gewünschte Wirkung erzielten. Ein weiteres viel diskutier-
     über unsere Erwartungen vom November hinaus.                 tes Risiko ist eine Überhitzung der Wirtschaft. Sie könnte
                                                                  entweder einen für die Zentralbanken nur schwer zu kon-
     Die Wirtschaft entwickelt sich so gut, dass die USA und      trollierenden Inflationsschub oder eine vorzeitige Straf-
     einige andere Volkswirtschaften Anzeichen einer poten-       fung ihrer ultralockeren Geldpolitik zur Folge haben. Wir
     ziellen Überhitzung zeigen, die mit steigender Inflation     denken jedoch immer noch, dass sich die Inflation als
7

Unsere Konjunkturszenarien für 2021 zur Jahresmitte:
«Take-Off» nun am wahrscheinlichsten

                    –   Global: Zügige Lockerung der Covid-19-Beschränkungen, fiskalische Unterstützung und Impffortschritte
                        wecken «Lebensgeister» bis Ende Q2
                    –   USA: Unwesentliche Lockdown-Effekte, höhere Staatsausgaben, Belebung des Geschäftsklimas durch
                        erfolgreiche Impfkampagnen
  Take-Off
                    –   Eurozone: Rasche Einführung des Wiederaufbaufonds, Lockerung der Lockdowns, rasche Handelseinigung
 20% → 50%*
                        EU-USA / GB
                    –   China: Spannungen mit USA und Nachbarn entschärft, kaum Forderungsausfälle, boomende Exportmärkte
                    –   Zentralbanken: weiter wirtschaftliche Unterstützung, aber keine Aussagen über «volle Unterstützung» in Q3

                    –   Global: Lockdowns gelockert, starke Erholung in Q2 mit Abschwächung in H2, Impfstoffe und fiskalische
                        Unterstützung erfolgreich
                    –   USA: Verbesserung des zuvor schwachen Wachstums in Q2 und H2, nur lokale Pandemie-Beschränkungen
  Boarding          –   Eurozone: Wachstumserholung nach schwachem Q1, Einführung des EU-Wiederaufbaufonds, reibungsloser
 60% → 40%*             Brexit-Prozess
                    –   China: Erholung hält trotz schwachem Q1 in der EWU / den USA an, Normalisierung chin. Anreizmassnahmen
                    –   Zentralbanken: weiter wirtschaftliche Unterstützung, Aussagen über «weitere Unterstützung» bis Q4 2021

                    –   Global: Neue «globale» Lockdowns, auch in Asien, keine fiskalische Unterstützung, starke Zweitrundeneffekte
                    –   USA: Nach strengen Lockdowns in Q1 Behinderung der Erholung durch starke Zweitrundeneffekte in 2021
                    –   Eurozone: Zweitrundeneffekte durch Lockdowns, Verzögerung des Wiederaufbaufonds, Handelsdesaster
  Grounded              GB / EU
 20% → 10%*         –   China: Spannungen mit USA im südchin. Meer oder an der Grenze Indiens, steigende Forderungsausfälle
                        im Inland
                    –   Zentralbanken: Erneut «Whatever it takes»-Modus und Bilanzausweitung (wie 2020)

Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel (* Prozentwerte geben die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit an)

            vorübergehend erweisen wird. Zudem haben die Zentral-                    von 5.2 % auf aktuell 4.7 % gesenkt. Auch die über Erwar-
            banken aus früheren Kommunikationspannen gelernt und                     ten grosszügigen Konjunkturmassnahmen der europäi-
            sollten fähig sein, einen schrittweisen Übergang zu einer                schen Länder entfalteten nicht die gleiche Wirkung wie
            weniger grosszügigen Geldpolitik reibungslos zu bewälti-                 etwa in den USA, weil weite Teile des Dienstleistungssek-
            gen.                                                                     tors bis vor Kurzem noch geschlossen waren. Zusammen
                                                                                     mit der verzögerten Auszahlung des sogenannten EU-
            Europa: Nachzügler in Sachen Wachstum                                    Wiederaufbaufonds werden deshalb die Auswirkungen
            Letzten November gingen wir für das Ende des ersten                      der fiskalischen Impulse erst ab der zweiten Jahreshälfte
            Quartals von einer Aufhebung der Lockdowns in den                        spürbar werden.
            meisten Volkswirtschaften der Eurozone aus. Die Verlän-
            gerung staatlich angeordneter Massnahmen bis Mai und                     Wenn auch verspätet, dürfte sich die wirtschaftliche
            darüber hinaus in grossen Ländern wie Deutschland oder                   Erholung in Europa im Sommer einstellen. Die Wachs-
            Frankreich verhinderte jedoch eine frühzeitige Wiederer-                 tumsrate wird trotz eines Höhepunkts im dritten Quartal
            öffnung der Wirtschaft (siehe Grafik 3). Die Lockdown-                   wohl Ende des Jahres wieder das BIP-Niveau vor der Pan-
            Folgen schadeten der Wirtschaft zwar weniger als im                      demie erreichen (siehe Grafik 1 Seite 8). Verschiedene
            letzten Jahr, doch die verzögerte Wiedereröffnung ver-                   Basiseffekte, saisonbedingte Muster und eine steigende
            setzte der für den Beginn des zweiten Quartals erwarte-                  Nachfrage dürften die Preise in die Höhe treiben, bis die
            ten starken Erholung einen Dämpfer. In den letzten sechs                 Inflationsrate Ende des Jahres über 2.5 % steigt und
            Monaten haben wir unsere Wachstumsprognose für 2021                      Anfang 2022 voraussichtlich unter das aktuelle Inflations-

            1
              	Unser weltweites Universum umfasst die USA, die Eurozone, Japan, Grossbritannien, die Schweiz und die vier grössten Emerging Markets
                China, Indien, Brasilien und Russland.
            2
              	Ein bedeutender Basiseffekt ging in diesem Jahr von den Energiepreisen aus. Diese brachen im März 2020 massiv ein, blieben im weiteren
                Jahresverlauf gering und dämpften die Inflation. Deshalb ging der Preisvergleich zum Vorjahr diesen März von einer sehr niedrigen Basis
                (März 2020) aus, wodurch sich die Inflation im Jahr 2021 mechanisch erhöht.
            3
              	Hierbei handelt es sich um Effekte wie Entlassungen oder Unternehmensschliessungen, die auf «Erstrundeneffekte» der staatlich ange-
                ordneten Lockdowns folgen.
8

    ziel der EZB von «knapp unter 2 %» sinkt (siehe Grafik 2).    Grafik 1: US- und chinesisches BIP bereits über Vor-
    Die EZB hat deutlich gemacht, dass sie die Inflation als      Corona-Niveau, Europa könnte Ende 2021 folgen
    vorübergehend ansieht, was unserer Ansicht nach den           Index der BIP-Prognosen basierend auf unserem aktuellen Basis-
    Weg für anhaltende massive Wertpapierkäufe bis min-           szenario

    destens Ende des dritten Quartals ebnen wird. Um diesen       115
    Zeitpunkt herum könnte die Zentralbank dann im Rahmen         110
    ihrer neuen Strategieüberprüfung ähnlich wie die US           105
    Federal Reserve vor einigen Monaten ein neues «durch-         100
    schnittliches symmetrisches Inflationsziel» von etwa 2 % 4        95
    festlegen. Gleichzeitig wird sie möglicherweise eine Dros-        90
    selung der Wertpapierkäufe ankündigen. Gegen Ende                 85
    des Jahres wird die EZB voraussichtlich die Einstellung           80
    des Pandemie-​Notfallankaufprogramms (PEPP) in der                     Q4 19   Q1 20     Q2 20     Q3 20    Q4 20    Q1 21        Q2 21    Q3 21   Q4 21

    ersten Hälfte des Jahres 2022 bekannt geben und ihr
                                                                              Eurozone
    «reguläres» Anleihenkaufprogramm ausweiten, um                            China
    potenzielle negative Effekte zu dämpfen.                                  USA
                                                                              Index (4Q 2019=100)

    USA: auf der Erfolgsspur                                      Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel
    Seit unserer Einschätzung im vergangenen November hat
    die US-Wirtschaft eine bewundernswerte Entschlossen-
    heit bewiesen, den «Take-Off»-Status zu erreichen, wes-
    halb wir unsere BIP-Prognose für 2021 von knapp unter         Grafik 2: US-Inflation hat den Zenit überschritten – Preise
    4 % auf 6.3 % angehoben haben. Wie erklärt sich dieses        in der Eurozone steigen, bevor sie 2022 wieder fallen
    Ergebnis, das die Konsenserwartungen übertrifft und die       In % (ggü. Vorjahresmonat, im Jahresvergleich)
    beste Entwicklung seit 1984 darstellt? Erstens kamen die           5
    Impfkampagnen in den USA schneller als erwartet in                 4
    Gang, sodass die Wiedereröffnung der Wirtschaft schon              3
    im ersten Quartal und damit deutlich vor anderen Indust-           2
    rieländern erfolgen konnte. Zweitens fiel die fiskalpoliti-        1
    sche Unterstützung dank der knappen Mehrheit der                   0
    Demokraten von Joe Biden im US-Kongress nach deren                −1
    Überraschungssieg bei einer Stichwahl im Bundesstaat                   Q1 20   Q2 20    Q3 20    Q4 20   Q1 21   Q2 21    Q3 21    Q4 21   Q1 22   Q2 22

    Georgia im vergangenen Januar deutlich grosszügiger
                                                                              Eurozone
    aus als erwartet. Die beiden zusätzlichen vom Kongress                    China
    verabschiedeten fiskalischen Hilfspakete im Wert von ins-                 USA
    gesamt 2.8 Billionen US-Dollar führten dazu, dass die         Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel
    Gesamtausgaben 13 % des BIP erreichten – fast doppelt
    so viel wie der vor dem Amtsantritt Bidens geschätzte
    Prozentsatz.
                                                                  Grafik 3: Volkswirtschaften in Europa noch im
    Die Kehrseite der spektakulären Wachstumsraten ist ein        Lockdown-Modus, aber Wiedereröffnung ist im Gange
    Anstieg der Inflationserwartungen. Die US-Verbraucher-        Oxford Stringency Index der Pandemie-Reaktionen von Regierungen*
    preisinflation lag im Mai 5 % höher als im Vorjahresmonat.    120
    Sektoren, die rasch wieder öffneten, verzeichneten hohe       100
    Preisanstiege. So trugen etwa Transport und Gebraucht-            80
    wagen zur höheren Kerninflation bei. Unter Ökonomen               60
    tobt eine hitzige Debatte darüber, wie viel von dieser            40
    «Engpassinflation» sich im System festsetzen oder später          20
    in diesem Jahr wieder abflauen wird. Obwohl wir von                0
    Letzterem ausgehen, dürfte die US-Inflation bis 2022                   01.20    03.20    05.20     07.20    09.20    11.20        01.21    03.21   05.21

    hoch bleiben (siehe Grafik 2). Die US Federal Reserve
                                                                              USA
    spricht ebenfalls von einem «temporären Effekt» und ver-                  «Grosse Drei» der Eurozone (DE, IT, FR)
    weist auf die Flaute am Arbeitsmarkt (siehe Grafik 4). Da                 GB
    für die zweite Jahreshälfte eine Belebung der Einstellun-                 Japan
                                                                              Indien
    gen erwartet wird, schafft die US-Zentralbank behutsam
    die Grundlagen für eine restriktivere Geldpolitik, ein-       * Je höher die Zahl, desto grösser die Restriktion (gleitender Zweiwochendurchschnitt)

    schliesslich möglicher Zinsanhebungen im Jahr 2023. Im        Quelle: Oxford University, Refinitiv Datastream, Vontobel

    vierten Quartal könnte sie nach unseren Erwartungen das
    Ende ihrer Wertpapierkäufe ankündigen. Auf jeden Fall
    werden die Marktteilnehmer Sitzung für Sitzung wie
    gebannt an den Lippen von Fed-Chef Jerome Powell hän-         	Dies bedeutet, dass das Inflationsziel von 2 % durchschnittlich
                                                                  4

                                                                    erreicht werden sollte. Phasen mit einer geringeren Inflation
    gen.                                                            dürften durch Phasen mit einer über dem Ziel liegenden
                                                                    Inflation ausgeglichen werden.
9

Japan: nach wie vor auf der Ersatzbank                       Grafik 4: Bessere US-Beschäftigungszahlen, aber noch
Das wiederholte Ausrufen von Notstandmassnahmen und          eine Weile unter Vor-Corona-Niveau
eine schleppend anlaufende Impfkampagne haben dazu           In Millionen
geführt, dass die Bilanz Japans bei der Pandemiebe-          155
kämpfung durchwachsen ausfällt (siehe Grafik 5), was die     150
                                                                                           Zu schliessende Beschäftigungslücke von 7.6 Millionen

Aussichten für die Konjunktur ebenso verschlechtert wie      145
für die Olympischen Spiele in Tokio. Die Verbraucher-        140
preise sind wieder in den deflationären Bereich gefallen.    135
Wir gehen nun davon aus, dass die Konjunkturerholung         130
nach rascheren Impffortschritten und zaghaften Lebens-       125
zeichen an der Verbraucherpreisfront wieder an Fahrt                99         01         03          05          07          09         11         13          15         17         19

gewinnen wird – nicht, dass das viel am ewigen Kampf
                                                                         US-Beschäftigungszahlen (ohne Landwirtschaft)
des Landes gegen Deflationstrends ändern würde. In die-
ser Situation bleibt der Bank of Japan kaum mehr übrig,      Quelle: Refinitiv Datastream, US Bureau of Labor Statistics, Vontobel
als ihren äusserst expansiven Kurs beizubehalten. Damit
ist sie eine der wenigen Zentralbanken, bei der Diskussio-
nen über eine Verringerung der Liquiditätszufuhr aktuell
noch keine Rolle spielen.                                    Grafik 5: Japan bleibt bei Impfkampagnen hinter
                                                             anderen Industrieländern zurück
Schwellenländer: das Überraschungsteam                       In % der Bevölkerung mit Impfung (Daten per 25. Juni)*
Nachdem viele Emerging Markets fast das ganze Jahr            70
2020 gelitten hatten, erholten sie sich im laufenden Jahr     60
bisher recht gut. Deshalb haben wir die Wachstumsrate         50
für 2021 in der ersten Jahreshälfte von 6.5 % auf 6.8 %       40
angehoben (siehe Grafik 6). Die zweite und dritte Pande-      30
miewelle traf die Volkswirtschaften weniger stark als         20
erwartet. Die Lockdowns fielen relativ moderat aus, und       10
viele Unternehmen bewiesen genug Flexibilität, um sich          0
an die Krise anzupassen. Auch die negativen Effekte von                   Kanada Frankreich
                                                                                          Deutschland Italien                            Japan             GB              USA

Unternehmensausfällen oder notleidenden Bankkrediten
                                                                         Erste Dosis
hielten sich in Grenzen. Schliesslich wurden die Schwel-                 Zweite Dosis
lenländer auch indirekt durch die massiven Konjunktur-
programme im «Westen» unterstützt. Diese Massnahmen          * Daten zu zweiten Dosen in Japan nicht verfügbar

trieben zwar zunächst die US-Renditen in die Höhe und        Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel

trugen Anfang des Jahres zu einer vorübergehenden
Schwäche von EM-Anlagen bei, steigerten aber auch die
Nachfrage nach in den Emerging Markets hergestellten         Grafik 6: Über Erwarten rasche Erholung in den
Waren.                                                       Schwellenländern
                                                             In %
Auch die Inflation überraschte positiv, aber hauptsächlich      8
ausserhalb von Asien. Den grössten Teil des aktuellen           7
                                                                                                                                                                     6.8

Inflationsdrucks halten wir nach wie vor für ein vorüber-       6        5.4
gehendes Phänomen, das auf die steigenden Rohstoff-             5
                                                                                    5.0                                5.0         4.8                                          4.7
                                                                                               4.2         4.2
preise zurückzuführen ist. In Asien, der «Werkbank der          4
                                                                                                                                              3.8

Welt», war dies weniger von Bedeutung. So trifft bei-           3
spielsweise China Massnahmen, um den Anstieg der                2
Inputpreise dämpfen, indem das Land einen zusätzlichen          1
Ausbau der Kohleförderung zulässt. In Nordasien sorgen          0
Angebotsstörungen für Inflationsrisiken, insbesondere in       −1
der Halbleiterbranche. Die Engpässe in der Chip-Produk-       −2
                                                                                                                                                         −1.3

tion werden sich voraussichtlich bis zum Jahresende fort-                2013       2014       2015        2016        2017    2018       2019       2020        2021       2022

setzen. Angesichts ihrer Bedeutung für viele Produkte
                                                                         Reales BIP-Wachstum in den Emerging Markets
des täglichen Bedarfs besteht ein reales Risiko, dass teu-               Vontobel-Prognose
rere Technologieprodukte die Inflation in die Höhe treiben
könnten.                                                     Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel
10 Viewpoint
11

Smart Farming, nachhaltige
Lebensmittelproduktion –
bessere Erträge für Felder
und Portfolios

«Der Milchpreis ist gestiegen» – so lautet einer der ersten Sätze
von Margaret Thatcher, gespielt von Meryl Streep, im preis-
gekrönten Film «The Iron Lady» der Regisseurin Phyllida Lloyd
aus dem Jahr 2011. Dieser simple Satz fängt die Mentalität
der ehemaligen britischen Premierministerin – geprägt durch
ihre bescheidene Herkunft und die politischen Kämpfe um
den Preis der Milch, der seinerzeit staatlich kontrolliert wurde –
perfekt ein. Die Szene im Film mag im ersten Moment lustig
erscheinen, doch in der Realität sind steigende Lebensmittel-
preise alles andere als ein Grund zur Freude. Nicht umsonst
begannen Ereignisse wie die Französische Revolution 1789
oder der arabische Frühling 2010 mit einem Anstieg der Preise
für Nahrungsmittel.

—                    —
Almasa Cormehic      Elena Tedesco
Portfolio Manager,   Portfolio Manager,
Vontobel             Vontobel
12

     Die Preise für Lebensmittel, insbesondere bei pflanzli-           Nach Schätzungen von BIS Research wird der globale
     chem Öl, Zucker und Getreide, sind laut der Food and              Markt für Smart Farming im Jahr 2022 ein Volumen von
     Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen in          rund 23 Milliarden US-Dollar erreichen, bei einer atembe-
     jüngster Zeit so stark gestiegen wie seit zehn Jahren             raubenden durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate
     nicht mehr.1 Das sind schlechte Nachrichten für Verbrau-          (CAGR) von 19.3 % seit 2017 (siehe Grafik 1). Die am
     cher und Regierungen. Der klassische Weg, dieses Prob-            schnellsten wachsenden Segmente des Sektors sind
     lem durch Preiskontrollen für landwirtschaftliche Pro-            Überwachung und Management von Viehbeständen
     dukte in den Griff zu bekommen, stellt keine langfristige         sowie Indoor Farming (siehe Grafik 2).
     Lösung dar. Nachhaltiger lassen sich steigende Preise
     und Lebensmittelknappheit eventuell durch Smart Far-              Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion neu
     ming bekämpfen. Unter diesem Begriff versteht man                 gedacht
     umweltfreundliche und datengestützte Anbaumethoden                Die Landwirtschaft war schon immer Innovationstreiber,
     wie Precision Agriculture (datengestützte Überwachung             und das nicht nur hinsichtlich der Produktionstechnik. Zur
     von Feldern zur frühzeitigen Erkennung von Anomalien              effektiveren Steuerung der Ernteerträge und Gewinne der
     wie Krankheiten und zum gezielten Einsatz von Dünge-              amerikanischen Landwirte wurde beispielsweise der
     mitteln oder Pestiziden), Vertical Farming (Pflanzen, die in      Handel mit Terminkontrakten an der Chicago Board of
     Regalen angebaut werden) oder Aquakulturen (z. B.                 Trade5 – der späteren Chicago Mercantile Exchange –
     Fischfarmen). Aber damit nicht genug: Die Unternehmen             eingeführt. Die fortschreitende Digitalisierung der Land-
     hinter dieser Entwicklung könnten nicht nur die Lebens-           wirtschaft eröffnet Landwirten und Unternehmen neue
     mittelversorgung in ärmeren Ländern verbessern, son-              Möglichkeiten zur Profilierung.
     dern auch Portfolios einen Wachstumsschub versetzen.
                                                                       Die folgenden fünf Bereiche sind von entscheidender
     Höhere Erträge ohne Verlust der Artenvielfalt                     Bedeutung für die Zukunft der Lebensmittelproduktion.
     In der Theorie gibt es ausreichend Nahrung, um alle Men-
     schen auf der Welt zu ernähren. Dennoch wird davon aus-           Digitale Landwirtschaft
     gegangen, dass die Produktion um 70 % steigen müsste,             Von der Platine zur Pflugschar – Landwirte setzen zuneh-
     um den zusätzlichen Bedarf zu decken, da die Weltbevöl-           mend auf spezifische Daten, Sensoren und Robotik zur
     kerung nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN)               Steigerung ihrer Erträge. Der Einsatz von Satellitentech-
     bis 2050 auf 9.7 Milliarden Menschen anwachsen wird. 2            nik in den weiten Ebenen des Mittleren Westens der USA
     Gleichzeitig stehen die Landwirte vor alten und neuen             ist mittlerweile Standard. Big Data eröffnet neue Möglich-
     Herausforderungen: die begrenzte Verfügbarkeit von                keiten für die Einzelkornsaat sowie präzisere Düngungs-
     Ackerland, der steigende Bedarf an Frischwasser, sin-             und Bewässerungsmethoden.
     kende Ernteerträge und der Verlust der Artenvielfalt. Ext-
     reme Wetterbedingungen infolge des Klimawandels ver-              Kulturpflanzenforschung, Pflanzen- und
     schlimmern die Situation noch. Ähnlich wie bei den                Tierwissenschaften
     internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der globa-              Die Landwirtschaft und die Tierhaltung entwickeln sich
     len Erwärmung existieren auch Initiativen, um den Land-           ständig weiter. Lässt sich die Widerstandsfähigkeit von
     wirtschaftsbetrieb nachhaltiger zu gestalten. Schwer-             (Nutz-)Pflanzen und Vieh gegenüber Krankheiten oder
     punkte sind hierbei eine Abkehr von Monokulturen und              dem Klimawandel steigern, so profitiert davon auch der
     Pestiziden sowie eine Reduzierung des Einsatzes von               Mensch. Genforschung kann dazu beitragen, spezifische
     Antibiotika bei Tieren. 3 Ein Beispiel hierfür ist die «Farm to   Stärken und Schwächen zu ermitteln. Im Anschluss wird
     Fork»-Strategie der Europäischen Union, die Ziele wie die         die (Nutz-)Pflanze oder das Tier so gezüchtet, dass sie
     Erhöhung des Anteils der ökologischen Landwirtschaft              ihre genetische Vielfalt erhalten oder ihre genetische
     von derzeit 8 % auf 25 % bis 2030 beinhaltet.4                    Qualität verbessern.

     Grafik 1: Globaler Smart-Farming-Markt wächst jährlich            Grafik 2: Livestock Monitoring und Indoor Farming
     um fast 20 %                                                      unter den am schnellsten wachsenden Segmenten
     In Milliarden US-Dollar                                           Globale Smart-Farming-Segmente (CAGR 2017–2022)

      30                                                                30
      25                                           23.14 %              25
             Durchschnittliche jährliche                                              19.5 %        19.4 %          19.3 %        19.1 %      18.6 %
      20     Wachstumsrate (CAGR): 19.3 %
                                                                        20
      15                                                                15
                                    9.58 %
      10                                                                10
       5                                                                 5
       0                                                                 0
                                     2017       Prognosen 2022                     Livestock       Indoor         Präzisions-   Aquakultur   Sonstige
                                                                                 Monitoring und    Farming         ackerbau
                                                                                  Management
     Quelle: BIS Research, Statista, Vontobel

                                                                       Quelle: BIS Research, Statista, Vontobel
13

                                                                        halb der Lieferkette verloren oder werden verschwendet,
                                                                        so die FAO.6 Ausserdem werden viele Lebensmittel, die
                                                                        noch zum Verzehr geeignet, aber ästhetisch unanspre-
                                                                        chend sind, weggeworfen oder landen aufgrund schlech-
                                                                        ter Lagerhaltung im Abfall. Solche Probleme können z. B.
                                                                        durch Abfallverfolgungssysteme gelöst werden.

                                                                        Die Smart-Farming-Industrie hat bereits eine Reihe von
                                                                        innovativen Unternehmen hervorgebracht. Im Rahmen
                                                                        unseres kürzlich lancierten Global Impact Equities Fund
                                                                        halten wir ein in Irland ansässiges Unternehmen, das
                                                                        Lebensmittelzutaten und Aromaprodukte für die Lebens-
                                                                        mittel- und Getränkeindustrie herstellt. Es hat sich darauf
                                                                        spezialisiert, künstliche Inhaltsstoffe durch natürliche zu
                                                                        ersetzen und bietet eine breite Palette an pflanzlichen, all-
                                                                        ergenfreien und biologischen Produkten an.

                                                                        Für den ebenfalls vor Kurzem aufgelegten 3-Alpha Mega-
                                                                        trends Fund können wir Beispiele wie einen Hersteller von
                                                                        Landmaschinen nennen, der für sein Logo mit dem sprin-
                                                                        genden Hirsch bekannt ist. Ausserdem bietet das Unter-
                                                                        nehmen vernetzte Geräte und Softwareanwendungen,
Landwirtschaft in kontrollierter Umgebung                               mit denen Landwirte ihre Produktivität und Nachhaltigkeit
Die Pflanzen werden in Innenräumen angebaut, wo Ein-                    steigern können. Etwas weniger bekannt ist vielleicht ein
flussfaktoren wie Wasser, Licht, Temperatur, Feuchtigkeit,              Agrarchemie-Unternehmen, das 2019 von DowDuPont
CO2 und Nährstoffkonzentration kontrolliert werden kön-                 ausgegliedert wurde. Es konzentriert sich im Rahmen sei-
nen. Ein Beispiel hierfür ist die vertikale Landwirtschaft,             ner Forschungstätigkeit unter anderem auf die Identifizie-
welche die Lebensmittelproduktion in der Nähe von oder                  rung vorteilhafter Pflanzengene, welche die Resistenz
in Städten ermöglicht.                                                  gegen bestimmte Krankheiten oder Klimaverhältnisse
                                                                        begünstigen und so einen geringeren Einsatz von Chemi-
Gesundheit von Tier und Mensch                                          kalien ermöglichen. Weitere Beispiele sind ein in den Nie-
Gesunde Nutztiere bedeuten gesündere Verbraucher.                       derlanden ansässiger Hersteller von Tier- und Humaner-
Dafür braucht es Lösungen, die Krankheiten verhindern,                  nährung und Inhaltsstoffen für pflanzliche Lebensmittel.
die Behandlung kranker Tiere verbessern und den Aus-
bruch von Krankheiten unter Kontrolle behalten. Für Men-                Schmackhafte Option für Anleger
schen, die weniger oder gar kein Fleisch essen, können                  Smart Farming bietet also genügend Gesprächsstoff am
Lebensmittel aus pflanzlichen Proteinen eine Alternative                Küchentisch – egal ob, Sie vorhaben, sich vegan zu
darstellen. Deren Geschmack lässt sich mit Zusatzstoffen                ernähren, auf antibiotikafreies Fleisch verzichten möchten
verbessern. Ernährungsbewusste Verbraucher können                       oder planen, Ihr Portfolio nachhaltiger zu gestalten. Über-
Daten angeben und so individuelle Empfehlungen erhalten.                legen Sie sich genau, was auf Ihrem Teller landet – oder in
                                                                        Ihrem Depot. Unabhängig davon, ob Ihre Zutaten von
Optimierte Lieferketten für Lebensmittel                                einem Feld, aus einem Bioreaktor oder der Angebotspa-
Schätzungsweise 30 % der weltweit für den menschli-                     lette eines Portfoliomanagers stammen, dürfte für Sie das
chen Bedarf produzierten Lebensmittel gehen aufgrund                    Richtige dabei sein, um Ihren Magen – und hoffentlich
ineffizienter Produktion und logistischer Probleme inner-               auch Ihre Renditeerwartungen – zufriedenzustellen.

1
  	«Global food prices rise at rapid pace in May», FAO, 3. Juni 2021
    http://www.fao.org/news/story/en/item/1403339/icode/
2
  	«Bei langsamerem Wachstum wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 voraussichtlich 9.7 Milliarden Menschen umfassen und könnte um
    das Jahr 2100 einen Höchststand von fast 11 Milliarden erreichen», Department of Economic and Social Affairs, Vereinte Nationen,
    17. Juni 2019
    https://www.un.org/development/desa/en/news/population/world-population-prospects-2019.html#:~:text=The%20world%27s
    %20population%20is%20expected,United%20Nations%20report%20launched%20today
3
  	Laut WHO ist der unsachgemässe Einsatz von Antibiotika bei Tieren eine der Hauptursachen für die zunehmende antimikrobielle Resistenz,
    die mit arzneimittelresistenten Infektionen beim Menschen in Verbindung gebracht wird.
    https://www.who.int/news/item/07-11-2017-stop-using-antibiotics-in-healthy-animals-to-prevent-the-spread-of-antibiotic-resistance
4
  	«European Union's Farm to Fork Strategy – for a fair, healthy and environmentally-friendly food system», Agroecology Knowledge Hub der FAO
    http://www.fao.org/agroecology/database/detail/en/c/1277002/
    Siehe auch:«From Farm to Fork – controlling the safety of the agri food chain», enthalten in einem Bericht der Europäischen Kommission zur
    Lebensmittelsicherheit
5
  	https://ec.europa.eu/food/index_en
6
  	«Global initiative on food loss and waste reduction», FAO 2015
    http://www.fao.org/3/i4068e/i4068e.pdf
    Siehe auch den verwandten Artikel «Food loss and waste in the food supply chain» der FAO-Mitarbeiter Maryam Rezaei und Bin Liu,
    Nutfruit, Juli 2017
    http://www.fao.org/documents/card/en/c/30245942-5cdb-42b6-bb1a-98243f108446/
14 Anleihen

    Ein volatiler Sommer steht bevor,
    aber keine Turbulenzen wie 2013
                                        —                                                   mit fallenden Märkten, führen? Wir glauben nicht. Zum
                                        Sandrine Perret                                     einen wurden Zinsanhebungen für 2023 schon lange vor
                                        Senior Economist,                                   der Juni-Sitzung der Fed eingepreist, sodass die Ent-
                                        Fixed Income Strategist,
                                        Vontobel                                            scheide der Zentralbank die Markterwartungen eher
                                                                                            bestätigen, als ihnen zu widersprechen. Zum anderen ist
                                                                                            die voraussichtliche Zinsentwicklung eine Sache, die
                                                                                            Erwartungen bezüglich Liquiditätsspritzen sind aber eine
                                                                                            andere. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Fed
                                                                                            Anfang 2022 beginnen wird, ihr umfangreiches Wertpa-
                                                                                            pierkaufprogramm zu drosseln, wobei es auf einen Monat
    Nachdem die US Federal Reserve den Ausstieg aus ihrer                                   mehr oder weniger nicht ankommt. Wichtig ist, dass die
    äusserst expansiven Politik angedeutet hat, zeichnet                                    Märkte darauf vertrauen können, dass die Zentralbank bei
    sich Volatilität am Horizont ab. Aus unserer Sicht sind                                 ihrem Ausstieg langsam vorgeht. Die Entscheidung über
    die Finanzmärkte jedoch besser gewappnet als                                            Anleihekäufe wird noch einige Zeit auf sich warten las-
    während des Abschwungs im Jahr 2013, als die                                            sen. Deshalb besteht bei lang laufenden Staatsanleihen
    Ankündigung eines solch fundamentalen Schritts zu                                       noch weiteres Aufwärtspotenzial. Wir haben unsere Posi-
    einer heftigen Marktreaktion führte, die als «Taper                                     tion in US-Treasuries daher ein wenig reduziert, Wertpa-
    Tantrum» bekannt wurde. Wir stufen Investment-Grade-                                    piere mit längeren Laufzeiten veräussert und die Erlöse in
    Unternehmensanleihen auf eine weniger negative                                          Titel mit kürzeren Laufzeiten investiert. Die Renditen
    Einschätzung hoch und schichten einen Teil unseres                                      zwei- und fünfjähriger US-Treasuries stiegen nach der
    Engagements in länger laufenden Staatsanleihen in Titel                                 Fed-Sitzung deutlich und boten Anlegern einen guten
    mit kürzeren Laufzeiten um.                                                             taktischen Einstiegspunkt (siehe Grafik 2).

    Im Juni schlug die US Federal Reserve einen restriktive-                                Neben unserer Entscheidung, die Duration (und so die
    ren Ton an. So prognostizierten die Mitglieder des Fed-                                 Sensitivität des Portfolios gegenüber Zinsänderungen) zu
    Ausschusses zwei Zinsanhebungen im Jahr 2023 und                                        reduzieren, haben wir unseren kleinen Bestand an Invest-
    wichen damit klar von ihrer Prognose vom März ab, die                                   ment-Grade-Unternehmensanleihen ausgebaut. Unsere
    keine Zinsschritte vorsah. Dies löste eine Hausse bei                                   Position in diesem Teilsegment änderte sich dadurch zu
    langfristigen Staatsanleihen aus, durch welche die Ren-                                 einer leichten Untergewichtung. Wegen der gesunkenen
    dite der 30-jährigen Treasuries kurzfristig unter 2% fiel.                              Renditen schien diese Haltung angemessen. Angesichts
    Das kurze Ende der Kurve bewegte sich in die entgegen-                                  der Underperformance von IG-Unternehmensanleihen in
    gesetzte Richtung (siehe Grafik 1).                                                     der ersten Jahreshälfte und der Aussichten auf weitere
                                                                                            Marktturbulenzen halten wir es nun für klug, unsere Allo-
    Könnte die von der Fed verursachte Volatilität zu einer                                 kation der Benchmark anzunähern.
    Neuauflage des «Taper Tantrums» von 2013, einer Phase

    Grafik 1: US-Renditekurve nach Juni-Sitzung der US                                      Grafik 2: Mehr Aufwärtspotenzial für Renditen lang
    Federal Reserve wieder flacher                                                          laufender Titel in der zweiten Jahreshälfte
    In %                                                                             In %   In %

     3.0                                                                               0      4.0
                     Steilere Kurve                                                                                                            Bekanntgabe            Senatswahlen
     2.5                                                                                     3.5                                             der Ergebnisse           in Georgia
                                                                                       2                                      des Pfizer/BioNTech-Impfstoffs
     2.0                                                                                      3.0
     1.5                                                                               4     2.5
      1.0                                                                                     2.0
     0.5                                                                               6      1.5
                                                             Flachere Kurve
        0                                                                                     1.0
                                                                                       8
    –0.5                                                                                      0.5
                                      Invertierte Kurve
    –1.0                                                                              10        0
            1990      1995       2000         2005        2010     2015       2020                                  2019                2020                   2021

               US-Renditekurve (10-jährige minus 2-jährige Treasuries)                                 2-jährige Treasuries
               US-Renditekurve (30-jährige minus 5-jährige Treasuries)                                 5-jährige Treasuries
               Fed Funds Target Rate (invertiert, rechte Skala)                                        10-jährige Treasuries
               Rezession                                                                               30-jährige Treasuries

    Quelle: Refinitiv Datastream, US Federal Reserve, Vontobel                              Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel
Aktien 15

Abschied von der Übergewichtung
der Schwellenländer
                                   —                                              Optimales Umfeld verlagert sich auf die Industrieländer
                                   Stefan Eppenberger                             Durch die systematischen Impfkampagnen in den Indust-
                                   Equity & Commodity Strategist,                 rieländern verbessert sich der Ausblick für Bevölkerung
                                   Vontobel
                                                                                  und Anleger. Auch bei den Konjunkturprogrammen ist die
                                                                                  Verlagerung erkennbar. In China haben die Impulse ihren
                                                                                  Zenit überschritten, während in den USA in diesem Früh-
                                                                                  jahr neue Massnahmen auf den Weg gebracht wurden. In
                                                                                  der Regel entwickeln sich EM-Aktien schwächer als ihre
                                                                                  Pendants aus Industrieländern, wenn die chinesischen
                                                                                  Behörden eher zurückhaltend agieren (siehe Grafik 1).
Wie Läufer, die schnell aus den Startblöcken kommen,
aber dann zurückfallen, werden die Emerging Markets                               Gewinnprognosen spiegeln Stimmungsumschwung
(EM) nun von den Industrieländern überholt. Die Covid-                            wider
19-Krise wird bald der Vergangenheit angehören, was                               Diese Entwicklungen zeigten lange keine Wirkung auf die
dem «Westen» wieder einen Vorsprung verschaffen                                   Gewinnprognosen – bis vor Kurzem. Die meisten Analys-
wird. Auch die Konjunkturabkühlung in China                                       ten hatten ihre Prognosen für EM-Unternehmen stärker
hinterlässt Spuren bei EM-Aktien. Wir verabschieden                               angehoben als für deren Pendants in den Schwellenlän-
uns von unserer Übergewichtung.                                                   dern ausserhalb der USA, doch mittlerweile haben sie
                                                                                  ihren Kurs geändert (siehe Grafik 2). Für uns gab das den
Anleger, die in EM-Aktien investieren, kaufen immer mehr                          Ausschlag, uns von unserer Übergewichtung in EM-
Titel von chinesischen Unternehmen. Deren Anteil am                               Aktien zu verabschieden.
Index ist von 20 % vor zehn Jahren auf derzeit über 40 %
gestiegen. Aktien aus Südkorea und Taiwan machen                                  Joe Biden hält an der Haltung seines Vorgängers fest
zusätzlich jeweils 25 % der Indexgewichtung aus. Das                              China bleibt zudem selbst nach dem Ende der Ära Trump
Schicksal dieser Volkswirtschaften ist in hohem Masse                             unter Druck. Joe Biden schlägt zwar weniger scharfe
vom chinesischen Riesen abhängig.                                                 Töne an als sein Vorgänger, doch dessen grosser Knüp-
                                                                                  pel – die Strafzölle auf chinesische Güter – ist noch
Im vergangenen Jahr, als die Region die Pandemie besser                           immer gegen Peking gerichtet. Vielleicht ist die Allianz
im Griff hatte als der Westen, war das von Vorteil. Die                           gegen China, die Biden mit anderen westlichen Ländern
Schwellenländer wiesen damals eine Dynamik auf, die                               bilden will, sogar noch gefährlicher für das Reich der
sich dieses Jahr leider nicht in nennenswerte Gewinne im                          Mitte. Für EM-Aktien bedeutet dies noch mehr Unsicher-
Index übersetzte. Gleichzeitig zeigten sich die EM-Aktien                         heit, die Anleger nicht gerne sehen. Entsprechend verhal-
vom massiven Covid-19-Ausbruch in Indien in diesem                                ten wir uns trotz attraktiver Bewertungen und langfristi-
Frühjahr unbeeindruckt.                                                           ger Wachstumsaussichten bei EM-Unternehmen vorerst
                                                                                  abwartend.

Grafik 1: Höhepunkte von Konjunkturmassnahmen in                                  Grafik 2: Mehr Skepsis bei Analysten in Bezug auf
China belasten gewöhnlich EM-Aktien                                               Unternehmensgewinne in Schwellenländern
In %, Veränderung ggü. Vorjahr                  In %, Veränderung ggü. Vorjahr    Gewinnrevisionen* (Dreimonatsdurchschnitt)

   60                                                                       40    2.0
   50                                                                       35    1.8
   40                                                                       30    1.6
   30                                                                       25    1.4
   20                                                                       20    1.2
   10                                                                       15    1.0
    0                                                                       10    0.8
 –10                                                                         5    0.6
 –20                                                                         0    0.4
 –30                                                                        –5    0.2
 –40                                                                        –10   0.0
        2009        2011       2013      2015      2017     2019     2021               01.2020           05.2020            09.2020       01.2021   05.2021

           Entwicklung der Emerging Markets ggü. den                                       Industrieländer (MSCI World ex USA)
           Industrieländern (MSCI EM ggü. MSCI World)                                      Emerging Markets (MSCI EM)
           Chinesische Konjunkturmassnahmen, ausgedrückt in
           Veränderungen der Geldmenge M1 (rechte Skala)
                                                                                  * Verhältnis der Aufwärts-/Abwärtsrevisionen von Gewinnprognosen

Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel                                            Quelle: IBES, Refinitiv Datastream, Vontobel
16 Rohstoffe

    Die guten Aussichten geniessen,
    aber auch Gewinne mitnehmen
                                       —                                               stärker auf nachhaltige Energieanlagen fokussieren. Auch
                                       Stefan Eppenberger                              die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) hat
                                       Equity & Commodity Strategist,                  es nicht eilig, mehr Öl zu fördern.
                                       Vontobel

                                                                                       Die Entwicklung bei Industriemetallen wird durch die hohen
                                                                                       Infrastrukturinvestitionen von Regierungen auf der ganzen
                                                                                       Welt beflügelt. Gleiches gilt für Holz, dem zusätzlich der
                                                                                       boomende US-Wohnimmobilienmarkt zugutekommt. Die
                                                                                       Getreidepreise sind unterdessen aufgrund der starken
                                                                                       chinesischen Nachfrage und der Trockenheit in den süd-
    Die jüngste «Multi-Peak»-Situation – beispiellose geld-                            amerikanischen Anbauregionen kräftig gestiegen.
    politische Unterstützung, die spektakuläre wirtschaftliche
    Wachstumsraten zur Folge hat – sorgte bei Rohstoffan-                              Über den Abstieg nachdenken, solange die Aussichten
    legern für Freudensprünge. Doch die grossen Konjunktur-                            noch gut sind
    programme liegen nun hinter uns. Wir stufen Rohstoffe                              Die Rohstoffrally könnte sich zwar noch eine Weile fort-
    auf neutral herab.                                                                 setzen, doch wir haben unter anderem aufgrund der jah-
                                                                                       relangen Unterinvestitionen in neue Produktionsanlagen
    Ende Februar 2021 gingen wir eine Übergewichtung in                                beschlossen, die Gewinne aus unserer Übergewichtung
    Rohstoffen ein (siehe die Märzausgabe des Investors’                               von Rohstoffen mitzunehmen. Die Aussichten im «Multi-
    Outlook), nachdem die Preise ihren mehrjährigen                                    Peak»-Land mögen atemberaubend sein, doch erfahrene
    Abwärtstrend durchbrechen konnten. Vier Monate später                              Kletterer denken beizeiten über den Abstieg nach – bevor
    sind wir nur noch wenige Prozentpunkte von einem All-                              Regierungen und Zentralbanken ihre Unterstützung
    zeithoch entfernt (siehe Grafik 1). Die Rally erstreckt sich                       zurückfahren.
    auf das gesamte Spektrum der Rohstoffe – Öl, Gas, Kup-
    fer, Aluminium, Zink, Nickel, Silber, Palladium, Weizen,                           Auch das Ende der weltweiten Lockdowns ist von den
    Mais, Sojabohnen und sogar Holz. Die Kehrseite der                                 Finanzmärkten bereits weitgehend eingepreist. Die pan-
    Medaille ist ein Phänomen, das jüngere Anleger nur vom                             demiebedingten Probleme in der Lieferkette sind nun
    Hörensagen kennen: die steigende Inflation, die übrigens                           gelöst, sodass die Rohstofflieferungen in den nächsten
    auch ihren Höhepunkt erreicht hat.                                                 Monaten wieder mehr Ziele erreichen werden. Darüber
                                                                                       hinaus erhöht die Opec langsam, aber sicher ihre Förder-
    Öl verzeichnet seit einiger Zeit aufgrund der wachsenden                           mengen (siehe Grafik 2) und es könnte noch mehr Öl
    Nachfrage der Industrie, der Rückkehr von Arbeitneh-                               fliessen, wenn es den westlichen Ländern gelingt, den
    menden in ihre Büros und der Zunahme des Flugverkehrs                              Iran durch die Zusage grösserer Exportvolumen zur Auf-
    einen starken Aufwärtstrend. Darüber hinaus fährt die                              gabe seines Atomprogramms zu bewegen. Auch die
    US-Schieferölbranche ihre Produktion nur langsam                                   Schwäche des US-Dollar, die Rohstoffen häufig zugute-
    hoch – möglicherweise auch, weil sich die Anleger nun                              kommt, dürfte sich nicht fortsetzen.

    Grafik 1: Rohstoffpreise nah am Allzeithoch –                                      Grafik 2: Die grössten Ölförderländer dürften eine
    jetzt ist Vorsicht geboten                                                         baldige Mengenerhöhung planen
    Index                                                                              In Millionen Barrel pro Tag

    600                                                                                  38
    500                                                                                  36
    400                                                                                  34
    300                                                                                  32
    200                                                                                  30
    100                                                                                  28
       0                                                                                 26
            2002   2004     2006    2008     2010   2012   2014   2016   2018   2020          06.18   12.18    06.19   12.19   06.20   12.20   06.21   12.21   06.22   12.22

              Basierend auf Spot-Preisen per Bloomberg Commodity Index                           Angebot von Opec-Öl und flüssigen Kraftstoffen
                                                                                                 Prognose der Energy Information Administration (EIA)
              Allzeithoch

    Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel                                             Quelle: EIA, Refinitiv Datastream, Vontobel
Währungen 17

Zyklische Währungen trotz Zins-
erhöhungs-Signalen im Fokus
                                    —                                                  Könnte auch die Europäische Zentralbank (EZB) für Über-
                                    Sven Schubert, PhD                                 raschungen sorgen? Die jüngsten Aussagen von stimm-
                                    Head of Strategy Currencies,                       berechtigten Mitgliedern der EZB deuten darauf hin, dass
                                    Vontobel
                                                                                       die Zentralbank im weiteren Verlauf des Jahres ebenfalls
                                                                                       einen weniger expansiven Kurs einschlagen könnte. Dies
                                                                                       könnte den Euro weiter stützen, sodass er über die Marke
                                                                                       von EUR / USD 1.20 steigt, bevor es mittelfristig zu einer
                                                                                       Konsolidierung kommt. Die Schweiz ist insofern ein Son-
                                                                                       derfall, als ihre Konjunkturdynamik aktuell stärker ist als
                                                                                       die ihrer europäischen Nachbarn (siehe Grafik 1).
Die Mitglieder von Zentralbankausschüssen scheuen                                      Dadurch erscheint das den Euro unterstützende Argu-
das Rampenlicht in der Regel ebenso wie Naomi Osaka                                    ment aus Schweizer Sicht weniger relevant. Auch die
Pressekonferenzen nach einem Tennisspiel. So äusserte                                  steigende Kaufkraft des Schweizer Frankens signalisiert
sich Fed-Chef Jerome Powell nach der letzten geld-                                     einen längerfristigen Aufwertungsdruck. Bei einem
politischen Sitzung charakteristisch zurückhaltend. Den-                               Anstieg über 1.10 bieten sich beim Währungspaar
noch überraschte die US Federal Reserve die Märkte                                     EUR / CHF gute Verkaufsgelegenheiten. Gegenüber dem
mit ihren Zinsprognosen. Trotz der offenbar höheren                                    US-Dollar wird der Schweizer Franken unserer Meinung
Wahrscheinlichkeit von Zinsanhebungen in den USA er-                                   nach bei 0.90 in eine Konsolidierungsphase eintreten.
kennen wir nach wie vor moderates Erholungspotenzial                                   Dem war in den letzten zwei Jahren eine starke Aufwer-
für zyklische Währungen und sogar für Währungen                                        tung vorausgegangen.
der Emerging Markets (EM).
                                                                                       Der kurzzeitige Ausverkauf von EM-Anlagen Anfang die-
Die grössten Überraschungen nach der Fed-Sitzung                                       ses Jahres machte deutlich, welchen Schaden ein
waren, dass die Zentralbank für 2023 zwei Zinsanhebun-                                 rascher Anstieg der Renditen von US-Treasuries verursa-
gen prognostizierte und offenbar am Jahresende auf                                     chen kann. Insbesondere die lateinamerikanischen Wäh-
einen normaleren geldpolitischen Kurs einschwenken will.                               rungen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Könnten die
Kurzfristig stützt diese leicht restriktive Politik den US-                            jüngsten Zinsanhebungen in Ländern wie Russland und
Dollar zwar, doch sie reicht nicht aus, um eine nachhaltige                            Brasilien eine gewisse Atempause bieten? Die Straf-
Erholung der weltweiten Leitwährung auszulösen. Die                                    fungszyklen, die wir in den letzten 20 Jahren in den
geldpolitische Straffung liegt noch zu weit in der Zukunft                             Schwellenländern erlebt haben, führten eher kontraintui-
und die Marktteilnehmer hatten sich ohnehin bereits auf                                tiv zu einer uneinheitlichen Entwicklung bei EM-Währun-
die beiden Zinsanhebungen im Jahr 2023 eingestellt. Eine                               gen und Staatsanleihen in Lokalwährung (siehe Grafik 2).
zunehmende Risikobereitschaft im Zuge der globalen                                     Aufgrund des aktuellen reflationären Umfelds erkennen
Wachstumsbelebung wird zyklischen Währungen wie                                        wir jedoch mehr Ähnlichkeiten mit dem Anhebungszyklus
dem Euro in den Sommermonaten unseres Erachtens                                        zu Beginn dieses Jahrhunderts, der die EM-Währungen
Auftrieb verleihen.                                                                    und die dazugehörigen Anleihen unterstützte.

Grafik 1: Positive Konjunkturüberraschungen in der                                     Grafik 2: Uneinheitliche Entwicklung der EM-Anleihen
Schweiz unterstützen den Franken                                                       in Lokalwährung während Anhebungszyklen
Wechselkurs                                    Index des relativen Gleichgewichts      Index der EM-Anleihen in Lokalwährungen

1.14                                                                            300    450
1.12                                                                            200    400
1.10                                                                            100    350
1.08                                                                               0   300
1.06                                                                            −100    250
                                          Negative Zahlen signalisieren
1.04                                        positive Überraschungen             −200   200
1.02                                    in der Schweiz ggü. der Eurozone        −300    150
1.00                                                                            −400    100
        01.2020      04.2020      07.2020       10.2020   01.2021     04.2021                  2003    2005    2007     2009    2011   2013   2015   2017   2019   2021

           Konjunkturüberraschungen                                                               Phasen strafferer Geldpolitik in Emerging Markets
           (Eurozone – Schweiz, rechte Skala)                                                     GBI-EM Total Return Index
           EUR / CHF

Quelle: Refinitiv Datastream, Citi, Vontobel                                           Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel
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