Investors' Outlook Spiele und Brot in dieser Reihenfolge - Juli /August 2021 - Vontobel Asset Management
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2 Inhalt Impressum 4 Herausgeber 10 Bank Vontobel AG Gotthardstrasse 43 8022 Zürich Redaktion Martin Gelnar Autoren* Almasa Cormehic Portfoliomanager, Vontobel Dr. Reto Cueni Chief Economist, Vontobel Stefan Eppenberger Equity & Commodity Strategist, Vontobel Frank Häusler 3 Chief Investment Strategist, Vontobel Editorial Michaela Huber Economist, Vontobel Mario Montagnani Senior Investment Strategist, 4 Vontobel Sandrine Perret Anlagestrategie Senior Economist, Fixed Income Strategist, Vontobel Normalere Zeiten halten Aktien im Spiel – Dr. Sven Schubert aber nicht straucheln Head of Strategy Currencies, Vontobel Dan Scott 6 Chief Investment Officer, Head of Investments & Thematics, Makro-Highlights Vontobel Elena Tedesco Portfoliomanager, Zur Halbzeit kehren wir mit einem optimistischeren Vontobel Szenarienmix aufs Spielfeld zurück Erscheinungsweise Zehnmal pro Jahr 10 (nächste Ausgabe September 2021) Konzept Viewpoint MetaDesign AG Gestaltung & Realisation Smart Farming, nachhaltige Lebensmittelproduktion – Vontobel bessere Erträge für Felder und Portfolios Bilder Gettyimages, 14 Vontobel Anlageklassen im Fokus Redaktionsschluss 28. Juni 2021 Bemerkungen 18 * Siehe Seite 19 «Rechtliche Hinweise»: Analystenbestätigung Prognosen
Editorial 3 Spiele und Brot … in dieser Reihenfolge Sehr geehrte Leserinnen und Leser — Dan Scott Die Pandemie hat unser Leben auf den Kopf gestellt, Chief Investment Officer, Head of Impact & Thematics, beschert uns nun aber einen Sommer mit einem einzig- Vontobel artigen Sportprogramm. Die für 2020 geplante Fussball- Europameisterschaft wurde pandemiebedingt um ein Jahr verschoben und fügt sich ein zwischen die Eisho- ckey-Weltmeisterschaft, die Anfang Juni (ja, Juni) von Kanada in der lettischen Hauptstadt Riga gewonnen wurde, der Copa América in Brasilien, der US-amerikani- schen Baseball-Saison, den Tennis-Grand-Slam-Turnieren in Paris und London, der Tour de France und den Olympi- Abkühlung in China bedingt Veränderungen im Portfolio schen Spielen in Tokio. Bevor Sie nun in die wohlverdien- Spitzenwachstum bedeutet nicht gleich Spitzenmärkte. ten Sommerferien starten, lassen Sie uns einen kurzen, Wir sind nach wie vor von Aktien überzeugt, haben aber fokussierten Blick auf Spiele und Brot werfen – in jedoch unser Portfolio geringfügig umgeschichtet, um es dieser Reihenfolge. etwas defensiver auszurichten. Unser Engagement in Schwellenländeraktien wurde auf neutral herabgesetzt, Omne trium perfectum – aller guten Dinge sind drei die Erlöse schichteten wir in Unternehmensanleihen mit Was die Spiele anbelangt, so lieferte die italienische geringem Ausfallrisiko um. Squadra Azzurra in der Gruppenphase der Fussball-EM eine tadellose Leistung und gewann bei den Heimspielen Grund hierfür ist, dass die Schwellenländeraktien in den in Rom alle drei Partien. «Omne trium perfectum», hätten vergangenen Wochen deutlich an Attraktivität eingebüsst die alten Römer gesagt, «aller guten Dinge sind drei». haben. Der Wachstumsmotor China verliert derzeit rapide Dies gilt auch für die aktuelle Geschäfts- und Finanzwelt: an Schwung. So war die Industrieproduktion des Landes Die Weltwirtschaft erholt sich kräftig, die Konjunktur- im Mai den dritten Monat in Folge rückläufig. Des Weite- massnahmen der Zentralbanken sorgen für Impulse, und ren fielen die von den Unternehmen der Region veröffent- nach über einem Jahrzehnt Tiefschlaf regt sich auch die lichten Gewinne für das erste Quartal zumeist enttäu- Inflation wieder. schend aus. Doch alles hat einmal ein Ende – die Fernseh-Fussballma- Wir haben auch unsere Rohstoffpositionen reduziert. rathons ebenso wie die wirtschaftliche Erholung. Frühin- Beflügelt von der schnellen Erholung nach der Pandemie dikatoren, darunter unser interner Indikator für die Kon- und der massiven Nachfrage in China sind die Preise in junkturdynamik, deuten darauf hin, dass die weltweiten die Höhe geschnellt. Höchste Zeit also, einen Teil der seit Wachstumsraten ihren Zenit erreicht haben. Die Unter- Jahresbeginn erzielten Gewinne mitzunehmen. Einige stützungsmassnahmen der Regierungen und Zentralban- Rohstoffe, etwa Soja, Mais und Weizen, sind bereits von ken werden ab dem Ende des Sommers langsam an Wirk- ihren Höchstständen gepurzelt, ebenso Kupfer, das die samkeit verlieren. Auch die Inflationserwartungen haben Nachfrage aus der Industrie gut nachbildet. Wie üblich ist einen Höchststand erreicht und dürften sich – angesichts Gold eine hervorragende Absicherung gegen Risiken aller der vorübergehenden Natur des aktuellen Teuerungs- Art – von geopolitischen Spannungen bis hin zu staatli- schubs – gegen Ende des Jahres wieder abschwächen. chen Einschränkungen im Zuge der Pandemiebekämp- fung. Die derzeitige «Multi-Peak»-Situation bedeutet, dass wir uns als Anleger auf sinkende, aber weiterhin positive Ren- Unabhängig davon, wie laufende oder anstehende sport- diten einstellen müssen. Die Unsicherheit könnte zuneh- liche Grossveranstaltungen ausgehen, wünschen wir men und damit die Märkte anfälliger für kurzfristige Vola- Ihnen einen erholsamen Sommer ganz ohne Viren, Hitz- tilität machen. schläge oder Kämpfe um die Fernbedienung. Webcast Um unseren Webcast zu den neuesten Markt- entwicklungen zu sehen, klicken Sie bitte auf folgenden Link: vonto.be/macro-de-jul-aug21
4 Anlagestrategie — — Frank Häusler Mario Montagnani Chief Investment Strategist, Senior Investment Strategist, Vontobel Vontobel Normalere Zeiten halten Aktien im Spiel – aber nicht straucheln In den USA und bis zu einem gewissen Grad auch in Die entspannende Wirkung der massiven geldpolitischen China haben Wachstum, geldpolitische Unterstützung Massnahmen verpufft langsam. Deshalb könnte es im und Inflation Hochsaison. In Europa hingegen herrscht weiteren Verlauf des Jahres zu unerwarteten Entwicklun- das Fussballfieber. Ob im berstend vollen Stadion der gen kommen. Zwar dürfte der Inflationsanstieg in den ungarischen Hauptstadt Budapest (siehe Foto), wo von meisten Fällen nur vorübergehend sein, doch sollten die Social Distancing keine Rede sein kann, oder im heimi- USA oder Europa plötzlich einen normaleren geldpoliti- schen Biergarten vor der Grossleinwand – die Zuschauer- schen Kurs einschlagen, könnte sich die Stimmung trü- massen bei der Europameisterschaft verhalten sich, als ben. Dies halten wir jedoch für wenig wahrscheinlich. Die sei die Pandemie vorbei. Dies deutet darauf hin, dass die Zentralbanken werden den Geldhahn in gemässigtem Verbraucher wieder ihr Portemonnaie zücken und mög- Tempo zudrehen. licherweise Veränderungen in ihren Portfolios ins Auge fassen. Neben unserem leicht reduzierten Engagement in Emer- ging-Markets-Aktien haben wir angesichts der Konjunk- Wir halten an unserer Übergewichtung in Aktien fest, turabkühlung in China und der überkauften Situation möchten aber das Risiko etwas reduzieren. Die Wirt- auch Rohstoffe auf neutral herabgesetzt. Die Erlöse aus schaftswachstumsraten haben ihren Zenit erreicht. dieser Transaktion haben wir grösstenteils in Cash umge- Gewöhnlich sind damit kurzfristig mehr Unsicherheit und schichtet, was eine Übergewichtung zur Folge hatte. Volatilität verbunden. Zur Minderung des Risikos haben Wenn angemessen, werden wir unseren Barmittelbestand wir deshalb unser Engagement in Schwellenländeraktien durch kurzfristige risikoarme Anlagen wieder reduzieren. reduziert. Bei Bedarf können wir unsere Risikobereit- Details finden Sie in der Übersicht auf Seite 5 und in den schaft rasch wieder anpassen, indem wir beispielsweise Schwerpunkten zu den einzelnen Anlageklassen auf den Kursrückschläge als Kaufgelegenheiten nutzen. Seiten 14 bis 17.
5 UNTERGEWICHTET NEUTRAL ÜBERGEWICHTET stark leicht leicht stark 1 Unser Barmittelbestand geht von neutral zu einer geringfügigen Übergewichtung über. Dabei handelt Liquidität es sich um einen Nebeneffekt der Herabsetzung von Rohstoffen von übergewichtet auf neutral. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass die Übergewichtung lange Bestand haben wird. 2 Wir bleiben bei unserer insgesamt negativen Ein- schätzung von Anleihen, da der Zinssatz zehnjähri- Anleihen ger US-Treasuries in den nächsten zwölf Monaten all- mählich auf etwa 2% steigen dürfte. Indessen beenden wir unsere grösste relative Untergewich- tung innerhalb dieser Anlageklasse, indem wir Erlöse aus einer Aktientransaktion in IG-Unternehmensan- leihen umschichten. Bei IG-Anleihen besteht dadurch nun nur noch eine «einfache» Untergewichtung. Bei Staatsanleihen verkürzen wir die Duration (d. h. die Sensitivität gegenüber Zinsänderungen) und schich- ten hierfür von länger laufenden Anleihen in kürzer laufende um. Unsere insgesamt neutrale Einstellung zu dem Segment behalten wir jedoch bei. Wir bekräf- tigen unsere neutrale Einschätzung von Hochzinsan- leihen und unsere positive Einschätzung von Anlei- hen aus Schwellenländern. 3 Wir halten an unserer Übergewichtung von Aktien fest, reduzieren jedoch das Risiko ein wenig. Gründe Aktien sind das Allzeithoch im Juni und das begrenzte Potenzial für einen weiteren Anstieg der Aktienbe- wertungen oder Unternehmensgewinne. Zur Verrin- gerung des Risikos reduzieren wir die Gewichtung von EM-Aktien auf neutral. Gründe hierfür sind Anzeichen für eine Konjunkturabkühlung in China und einige enttäuschende Gewinnzahlen von EM- Unternehmen. Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass Aktien den Risiken eines Rendite- und Inflati- onsanstiegs standhalten können. Aktien aus der Schweiz, den USA und Japan schätzen wir nach wie vor positiv ein. Unsere neutrale Einstellung gegen- über europäischen Aktien beruht auf ihrer weniger überzeugenden Sektorzusammensetzung und auf unserer Einschätzung, dass ein Grossteil der Wieder- eröffnungen – der sogenannte Reopening Trade – nun eingepreist ist. 4 Unsere Einschätzung von Gold und unsere leichte Übergewichtung bleiben unverändert. Das Edelmetall Gold profitierte zuletzt von den rückläufigen US-Realren- diten und dem schwächeren US-Dollar. Trotz eines erwarteten moderaten Anstiegs der Realrenditen, der sich in der Regel negativ auf Gold auswirkt, hal- ten wir eine leichte Übergewichtung nach wie vor für angemessen. Gold kann Portfolios gegen Inflation oder unerwartete Ereignisse wie geopolitische Span- nungen absichern. 5 Nachdem wir Anfang des Jahres eine Übergewich- tung in Rohstoffen eingegangen waren, haben wir Rohstoffe beschlossen, Gewinne mitzunehmen und die Anlage- klasse auf neutral herabzusetzen. Die Wirkung von bisher unterstützenden Faktoren wie die zyklische Erholung der Wirtschaft und die massive Nachfrage aus China ist nun entweder eingepreist oder lässt nach. Die Preise nähern sich Allzeithochs und machen die Anlageklasse anfälliger für temporäre Rückschläge. Darüber hinaus halten wir den Inflati- onsanstieg für ein vorübergehendes Phänomen, wodurch Rohstoffe an Attraktivität einbüssen. 6 Wir bekräftigen unsere negative Einschätzung von Hedgefonds und unsere neutrale Haltung zu anderen Alternative alternativen Anlagen wie Versicherungsverbriefungen. Daher nehmen wir gegenüber alternativen Anlagen Strategien insgesamt eine unverändert neutrale Haltung ein. Veränderung zum Vormonat: gleich erhöht verringert
6 Makro-Highlights Zur Halbzeit kehren wir mit einem optimistischeren Szenarienmix aufs Spielfeld zurück Nicht nur die Fussball-EM, auch die Wirtschaft hat ordentlich Fahrt aufgenommen. Nach der Halbzeit kehren wir mit neuer Zuversicht aufs Spielfeld zurück und ver- lagern unser Basisszenario für 2021 vom «Boarding» näher zum «Take-Off». Dennoch gehen wir davon aus, dass das weltweite Wirtschaftswachstum im Sommer seinen Höhepunkt erreicht. Inflation sowie geld- und fiskalpolitische Massnahmen dürften indes in der zweiten Jahreshälfte an einen Wendepunkt kommen. — — — — Reto Cueni, PhD Michaela Huber Sandrine Perret Sven Schubert, PhD Chief Economist, Economist, Senior Economist, Head of Strategy Currencies, Vontobel Vontobel Fixed Income Strategist, Vontobel Vontobel Vor allem wirtschaftliche Schwergewichte wie die USA einhergeht. Den stärksten Aufwärtsdruck auf die und China dürften unsere Schätzungen vom vergange- Gesamtinflation übten bisher immer noch Basiseffekte2, nen November übertreffen, als wir erstmals unsere Sze- saisonbedingte Muster und einige Schwierigkeiten bei narien für 2021 veröffentlichten, während Europa wohl der Steigerung der Produktionskapazität ansonsten gut hinter den Erwartungen zurückbleibt. Unser neues Basis- geschmierter Konjunkturmotoren aus. Die Volkswirt- szenario «Take-Off» beinhaltet eine globale Wachstums- schaften werden die Anpassungen nach der Krise, wenn prognose1 von fast 6 % in diesem Jahr gegenüber knapp die Unterstützungsmassnahmen der Regierungen und über 5 % im bisherigen Szenario «Boarding». Entspre- Zentralbanken auslaufen, unseres Erachtens früher oder chend hat sich die Eintrittswahrscheinlichkeit unserer später verdauen müssen. Die daraus resultierende Flaute drei Szenarien verändert (siehe Seite 7). am Arbeitsmarkt dürfte das Lohnwachstum begrenzen. Auch das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage in Die Veränderung ist hauptsächlich auf vier Faktoren den Volkswirtschaften dürfte sich wieder stärker normali- zurückzuführen: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der sieren, was den Inflationsdruck für 2022 abschwächen Lockdowns waren geringer als während der ersten Welle sollte. Anfang 2020. Zudem führten erfolgreiche Impfkampag- nen in einigen Ländern früher zu wirtschaftlicher Erho- Mehr Sorgen als Pandemie- oder Lockdown-Risiken lung. Auch die Emerging Markets, insbesondere in Asien, bereiten uns derzeit geopolitische Spannungen und wurden ihrer Rolle als Motor des weltweiten Wirtschafts- starke Zweitrundeneffekte3. Das liegt daran, dass die Zahl wachstums wie erhofft gerecht. Nicht zuletzt beförderten der Covid-Neuinfektionen zurückgeht und die Impfstoffe auch die höheren, rasch getätigten Staatsausgaben in in den Ländern, in denen sie verfügbar sind, bisher die den USA und anderen Ländern mehrere Wachstumsraten gewünschte Wirkung erzielten. Ein weiteres viel diskutier- über unsere Erwartungen vom November hinaus. tes Risiko ist eine Überhitzung der Wirtschaft. Sie könnte entweder einen für die Zentralbanken nur schwer zu kon- Die Wirtschaft entwickelt sich so gut, dass die USA und trollierenden Inflationsschub oder eine vorzeitige Straf- einige andere Volkswirtschaften Anzeichen einer poten- fung ihrer ultralockeren Geldpolitik zur Folge haben. Wir ziellen Überhitzung zeigen, die mit steigender Inflation denken jedoch immer noch, dass sich die Inflation als
7 Unsere Konjunkturszenarien für 2021 zur Jahresmitte: «Take-Off» nun am wahrscheinlichsten – Global: Zügige Lockerung der Covid-19-Beschränkungen, fiskalische Unterstützung und Impffortschritte wecken «Lebensgeister» bis Ende Q2 – USA: Unwesentliche Lockdown-Effekte, höhere Staatsausgaben, Belebung des Geschäftsklimas durch erfolgreiche Impfkampagnen Take-Off – Eurozone: Rasche Einführung des Wiederaufbaufonds, Lockerung der Lockdowns, rasche Handelseinigung 20% → 50%* EU-USA / GB – China: Spannungen mit USA und Nachbarn entschärft, kaum Forderungsausfälle, boomende Exportmärkte – Zentralbanken: weiter wirtschaftliche Unterstützung, aber keine Aussagen über «volle Unterstützung» in Q3 – Global: Lockdowns gelockert, starke Erholung in Q2 mit Abschwächung in H2, Impfstoffe und fiskalische Unterstützung erfolgreich – USA: Verbesserung des zuvor schwachen Wachstums in Q2 und H2, nur lokale Pandemie-Beschränkungen Boarding – Eurozone: Wachstumserholung nach schwachem Q1, Einführung des EU-Wiederaufbaufonds, reibungsloser 60% → 40%* Brexit-Prozess – China: Erholung hält trotz schwachem Q1 in der EWU / den USA an, Normalisierung chin. Anreizmassnahmen – Zentralbanken: weiter wirtschaftliche Unterstützung, Aussagen über «weitere Unterstützung» bis Q4 2021 – Global: Neue «globale» Lockdowns, auch in Asien, keine fiskalische Unterstützung, starke Zweitrundeneffekte – USA: Nach strengen Lockdowns in Q1 Behinderung der Erholung durch starke Zweitrundeneffekte in 2021 – Eurozone: Zweitrundeneffekte durch Lockdowns, Verzögerung des Wiederaufbaufonds, Handelsdesaster Grounded GB / EU 20% → 10%* – China: Spannungen mit USA im südchin. Meer oder an der Grenze Indiens, steigende Forderungsausfälle im Inland – Zentralbanken: Erneut «Whatever it takes»-Modus und Bilanzausweitung (wie 2020) Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel (* Prozentwerte geben die erwartete Eintrittswahrscheinlichkeit an) vorübergehend erweisen wird. Zudem haben die Zentral- von 5.2 % auf aktuell 4.7 % gesenkt. Auch die über Erwar- banken aus früheren Kommunikationspannen gelernt und ten grosszügigen Konjunkturmassnahmen der europäi- sollten fähig sein, einen schrittweisen Übergang zu einer schen Länder entfalteten nicht die gleiche Wirkung wie weniger grosszügigen Geldpolitik reibungslos zu bewälti- etwa in den USA, weil weite Teile des Dienstleistungssek- gen. tors bis vor Kurzem noch geschlossen waren. Zusammen mit der verzögerten Auszahlung des sogenannten EU- Europa: Nachzügler in Sachen Wachstum Wiederaufbaufonds werden deshalb die Auswirkungen Letzten November gingen wir für das Ende des ersten der fiskalischen Impulse erst ab der zweiten Jahreshälfte Quartals von einer Aufhebung der Lockdowns in den spürbar werden. meisten Volkswirtschaften der Eurozone aus. Die Verlän- gerung staatlich angeordneter Massnahmen bis Mai und Wenn auch verspätet, dürfte sich die wirtschaftliche darüber hinaus in grossen Ländern wie Deutschland oder Erholung in Europa im Sommer einstellen. Die Wachs- Frankreich verhinderte jedoch eine frühzeitige Wiederer- tumsrate wird trotz eines Höhepunkts im dritten Quartal öffnung der Wirtschaft (siehe Grafik 3). Die Lockdown- wohl Ende des Jahres wieder das BIP-Niveau vor der Pan- Folgen schadeten der Wirtschaft zwar weniger als im demie erreichen (siehe Grafik 1 Seite 8). Verschiedene letzten Jahr, doch die verzögerte Wiedereröffnung ver- Basiseffekte, saisonbedingte Muster und eine steigende setzte der für den Beginn des zweiten Quartals erwarte- Nachfrage dürften die Preise in die Höhe treiben, bis die ten starken Erholung einen Dämpfer. In den letzten sechs Inflationsrate Ende des Jahres über 2.5 % steigt und Monaten haben wir unsere Wachstumsprognose für 2021 Anfang 2022 voraussichtlich unter das aktuelle Inflations- 1 Unser weltweites Universum umfasst die USA, die Eurozone, Japan, Grossbritannien, die Schweiz und die vier grössten Emerging Markets China, Indien, Brasilien und Russland. 2 Ein bedeutender Basiseffekt ging in diesem Jahr von den Energiepreisen aus. Diese brachen im März 2020 massiv ein, blieben im weiteren Jahresverlauf gering und dämpften die Inflation. Deshalb ging der Preisvergleich zum Vorjahr diesen März von einer sehr niedrigen Basis (März 2020) aus, wodurch sich die Inflation im Jahr 2021 mechanisch erhöht. 3 Hierbei handelt es sich um Effekte wie Entlassungen oder Unternehmensschliessungen, die auf «Erstrundeneffekte» der staatlich ange- ordneten Lockdowns folgen.
8 ziel der EZB von «knapp unter 2 %» sinkt (siehe Grafik 2). Grafik 1: US- und chinesisches BIP bereits über Vor- Die EZB hat deutlich gemacht, dass sie die Inflation als Corona-Niveau, Europa könnte Ende 2021 folgen vorübergehend ansieht, was unserer Ansicht nach den Index der BIP-Prognosen basierend auf unserem aktuellen Basis- Weg für anhaltende massive Wertpapierkäufe bis min- szenario destens Ende des dritten Quartals ebnen wird. Um diesen 115 Zeitpunkt herum könnte die Zentralbank dann im Rahmen 110 ihrer neuen Strategieüberprüfung ähnlich wie die US 105 Federal Reserve vor einigen Monaten ein neues «durch- 100 schnittliches symmetrisches Inflationsziel» von etwa 2 % 4 95 festlegen. Gleichzeitig wird sie möglicherweise eine Dros- 90 selung der Wertpapierkäufe ankündigen. Gegen Ende 85 des Jahres wird die EZB voraussichtlich die Einstellung 80 des Pandemie-Notfallankaufprogramms (PEPP) in der Q4 19 Q1 20 Q2 20 Q3 20 Q4 20 Q1 21 Q2 21 Q3 21 Q4 21 ersten Hälfte des Jahres 2022 bekannt geben und ihr Eurozone «reguläres» Anleihenkaufprogramm ausweiten, um China potenzielle negative Effekte zu dämpfen. USA Index (4Q 2019=100) USA: auf der Erfolgsspur Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel Seit unserer Einschätzung im vergangenen November hat die US-Wirtschaft eine bewundernswerte Entschlossen- heit bewiesen, den «Take-Off»-Status zu erreichen, wes- halb wir unsere BIP-Prognose für 2021 von knapp unter Grafik 2: US-Inflation hat den Zenit überschritten – Preise 4 % auf 6.3 % angehoben haben. Wie erklärt sich dieses in der Eurozone steigen, bevor sie 2022 wieder fallen Ergebnis, das die Konsenserwartungen übertrifft und die In % (ggü. Vorjahresmonat, im Jahresvergleich) beste Entwicklung seit 1984 darstellt? Erstens kamen die 5 Impfkampagnen in den USA schneller als erwartet in 4 Gang, sodass die Wiedereröffnung der Wirtschaft schon 3 im ersten Quartal und damit deutlich vor anderen Indust- 2 rieländern erfolgen konnte. Zweitens fiel die fiskalpoliti- 1 sche Unterstützung dank der knappen Mehrheit der 0 Demokraten von Joe Biden im US-Kongress nach deren −1 Überraschungssieg bei einer Stichwahl im Bundesstaat Q1 20 Q2 20 Q3 20 Q4 20 Q1 21 Q2 21 Q3 21 Q4 21 Q1 22 Q2 22 Georgia im vergangenen Januar deutlich grosszügiger Eurozone aus als erwartet. Die beiden zusätzlichen vom Kongress China verabschiedeten fiskalischen Hilfspakete im Wert von ins- USA gesamt 2.8 Billionen US-Dollar führten dazu, dass die Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel Gesamtausgaben 13 % des BIP erreichten – fast doppelt so viel wie der vor dem Amtsantritt Bidens geschätzte Prozentsatz. Grafik 3: Volkswirtschaften in Europa noch im Die Kehrseite der spektakulären Wachstumsraten ist ein Lockdown-Modus, aber Wiedereröffnung ist im Gange Anstieg der Inflationserwartungen. Die US-Verbraucher- Oxford Stringency Index der Pandemie-Reaktionen von Regierungen* preisinflation lag im Mai 5 % höher als im Vorjahresmonat. 120 Sektoren, die rasch wieder öffneten, verzeichneten hohe 100 Preisanstiege. So trugen etwa Transport und Gebraucht- 80 wagen zur höheren Kerninflation bei. Unter Ökonomen 60 tobt eine hitzige Debatte darüber, wie viel von dieser 40 «Engpassinflation» sich im System festsetzen oder später 20 in diesem Jahr wieder abflauen wird. Obwohl wir von 0 Letzterem ausgehen, dürfte die US-Inflation bis 2022 01.20 03.20 05.20 07.20 09.20 11.20 01.21 03.21 05.21 hoch bleiben (siehe Grafik 2). Die US Federal Reserve USA spricht ebenfalls von einem «temporären Effekt» und ver- «Grosse Drei» der Eurozone (DE, IT, FR) weist auf die Flaute am Arbeitsmarkt (siehe Grafik 4). Da GB für die zweite Jahreshälfte eine Belebung der Einstellun- Japan Indien gen erwartet wird, schafft die US-Zentralbank behutsam die Grundlagen für eine restriktivere Geldpolitik, ein- * Je höher die Zahl, desto grösser die Restriktion (gleitender Zweiwochendurchschnitt) schliesslich möglicher Zinsanhebungen im Jahr 2023. Im Quelle: Oxford University, Refinitiv Datastream, Vontobel vierten Quartal könnte sie nach unseren Erwartungen das Ende ihrer Wertpapierkäufe ankündigen. Auf jeden Fall werden die Marktteilnehmer Sitzung für Sitzung wie gebannt an den Lippen von Fed-Chef Jerome Powell hän- Dies bedeutet, dass das Inflationsziel von 2 % durchschnittlich 4 erreicht werden sollte. Phasen mit einer geringeren Inflation gen. dürften durch Phasen mit einer über dem Ziel liegenden Inflation ausgeglichen werden.
9 Japan: nach wie vor auf der Ersatzbank Grafik 4: Bessere US-Beschäftigungszahlen, aber noch Das wiederholte Ausrufen von Notstandmassnahmen und eine Weile unter Vor-Corona-Niveau eine schleppend anlaufende Impfkampagne haben dazu In Millionen geführt, dass die Bilanz Japans bei der Pandemiebe- 155 kämpfung durchwachsen ausfällt (siehe Grafik 5), was die 150 Zu schliessende Beschäftigungslücke von 7.6 Millionen Aussichten für die Konjunktur ebenso verschlechtert wie 145 für die Olympischen Spiele in Tokio. Die Verbraucher- 140 preise sind wieder in den deflationären Bereich gefallen. 135 Wir gehen nun davon aus, dass die Konjunkturerholung 130 nach rascheren Impffortschritten und zaghaften Lebens- 125 zeichen an der Verbraucherpreisfront wieder an Fahrt 99 01 03 05 07 09 11 13 15 17 19 gewinnen wird – nicht, dass das viel am ewigen Kampf US-Beschäftigungszahlen (ohne Landwirtschaft) des Landes gegen Deflationstrends ändern würde. In die- ser Situation bleibt der Bank of Japan kaum mehr übrig, Quelle: Refinitiv Datastream, US Bureau of Labor Statistics, Vontobel als ihren äusserst expansiven Kurs beizubehalten. Damit ist sie eine der wenigen Zentralbanken, bei der Diskussio- nen über eine Verringerung der Liquiditätszufuhr aktuell noch keine Rolle spielen. Grafik 5: Japan bleibt bei Impfkampagnen hinter anderen Industrieländern zurück Schwellenländer: das Überraschungsteam In % der Bevölkerung mit Impfung (Daten per 25. Juni)* Nachdem viele Emerging Markets fast das ganze Jahr 70 2020 gelitten hatten, erholten sie sich im laufenden Jahr 60 bisher recht gut. Deshalb haben wir die Wachstumsrate 50 für 2021 in der ersten Jahreshälfte von 6.5 % auf 6.8 % 40 angehoben (siehe Grafik 6). Die zweite und dritte Pande- 30 miewelle traf die Volkswirtschaften weniger stark als 20 erwartet. Die Lockdowns fielen relativ moderat aus, und 10 viele Unternehmen bewiesen genug Flexibilität, um sich 0 an die Krise anzupassen. Auch die negativen Effekte von Kanada Frankreich Deutschland Italien Japan GB USA Unternehmensausfällen oder notleidenden Bankkrediten Erste Dosis hielten sich in Grenzen. Schliesslich wurden die Schwel- Zweite Dosis lenländer auch indirekt durch die massiven Konjunktur- programme im «Westen» unterstützt. Diese Massnahmen * Daten zu zweiten Dosen in Japan nicht verfügbar trieben zwar zunächst die US-Renditen in die Höhe und Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel trugen Anfang des Jahres zu einer vorübergehenden Schwäche von EM-Anlagen bei, steigerten aber auch die Nachfrage nach in den Emerging Markets hergestellten Grafik 6: Über Erwarten rasche Erholung in den Waren. Schwellenländern In % Auch die Inflation überraschte positiv, aber hauptsächlich 8 ausserhalb von Asien. Den grössten Teil des aktuellen 7 6.8 Inflationsdrucks halten wir nach wie vor für ein vorüber- 6 5.4 gehendes Phänomen, das auf die steigenden Rohstoff- 5 5.0 5.0 4.8 4.7 4.2 4.2 preise zurückzuführen ist. In Asien, der «Werkbank der 4 3.8 Welt», war dies weniger von Bedeutung. So trifft bei- 3 spielsweise China Massnahmen, um den Anstieg der 2 Inputpreise dämpfen, indem das Land einen zusätzlichen 1 Ausbau der Kohleförderung zulässt. In Nordasien sorgen 0 Angebotsstörungen für Inflationsrisiken, insbesondere in −1 der Halbleiterbranche. Die Engpässe in der Chip-Produk- −2 −1.3 tion werden sich voraussichtlich bis zum Jahresende fort- 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 setzen. Angesichts ihrer Bedeutung für viele Produkte Reales BIP-Wachstum in den Emerging Markets des täglichen Bedarfs besteht ein reales Risiko, dass teu- Vontobel-Prognose rere Technologieprodukte die Inflation in die Höhe treiben könnten. Quelle: Nationale Statistikämter, Refinitiv Datastream, Vontobel
10 Viewpoint
11 Smart Farming, nachhaltige Lebensmittelproduktion – bessere Erträge für Felder und Portfolios «Der Milchpreis ist gestiegen» – so lautet einer der ersten Sätze von Margaret Thatcher, gespielt von Meryl Streep, im preis- gekrönten Film «The Iron Lady» der Regisseurin Phyllida Lloyd aus dem Jahr 2011. Dieser simple Satz fängt die Mentalität der ehemaligen britischen Premierministerin – geprägt durch ihre bescheidene Herkunft und die politischen Kämpfe um den Preis der Milch, der seinerzeit staatlich kontrolliert wurde – perfekt ein. Die Szene im Film mag im ersten Moment lustig erscheinen, doch in der Realität sind steigende Lebensmittel- preise alles andere als ein Grund zur Freude. Nicht umsonst begannen Ereignisse wie die Französische Revolution 1789 oder der arabische Frühling 2010 mit einem Anstieg der Preise für Nahrungsmittel. — — Almasa Cormehic Elena Tedesco Portfolio Manager, Portfolio Manager, Vontobel Vontobel
12 Die Preise für Lebensmittel, insbesondere bei pflanzli- Nach Schätzungen von BIS Research wird der globale chem Öl, Zucker und Getreide, sind laut der Food and Markt für Smart Farming im Jahr 2022 ein Volumen von Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen in rund 23 Milliarden US-Dollar erreichen, bei einer atembe- jüngster Zeit so stark gestiegen wie seit zehn Jahren raubenden durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate nicht mehr.1 Das sind schlechte Nachrichten für Verbrau- (CAGR) von 19.3 % seit 2017 (siehe Grafik 1). Die am cher und Regierungen. Der klassische Weg, dieses Prob- schnellsten wachsenden Segmente des Sektors sind lem durch Preiskontrollen für landwirtschaftliche Pro- Überwachung und Management von Viehbeständen dukte in den Griff zu bekommen, stellt keine langfristige sowie Indoor Farming (siehe Grafik 2). Lösung dar. Nachhaltiger lassen sich steigende Preise und Lebensmittelknappheit eventuell durch Smart Far- Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion neu ming bekämpfen. Unter diesem Begriff versteht man gedacht umweltfreundliche und datengestützte Anbaumethoden Die Landwirtschaft war schon immer Innovationstreiber, wie Precision Agriculture (datengestützte Überwachung und das nicht nur hinsichtlich der Produktionstechnik. Zur von Feldern zur frühzeitigen Erkennung von Anomalien effektiveren Steuerung der Ernteerträge und Gewinne der wie Krankheiten und zum gezielten Einsatz von Dünge- amerikanischen Landwirte wurde beispielsweise der mitteln oder Pestiziden), Vertical Farming (Pflanzen, die in Handel mit Terminkontrakten an der Chicago Board of Regalen angebaut werden) oder Aquakulturen (z. B. Trade5 – der späteren Chicago Mercantile Exchange – Fischfarmen). Aber damit nicht genug: Die Unternehmen eingeführt. Die fortschreitende Digitalisierung der Land- hinter dieser Entwicklung könnten nicht nur die Lebens- wirtschaft eröffnet Landwirten und Unternehmen neue mittelversorgung in ärmeren Ländern verbessern, son- Möglichkeiten zur Profilierung. dern auch Portfolios einen Wachstumsschub versetzen. Die folgenden fünf Bereiche sind von entscheidender Höhere Erträge ohne Verlust der Artenvielfalt Bedeutung für die Zukunft der Lebensmittelproduktion. In der Theorie gibt es ausreichend Nahrung, um alle Men- schen auf der Welt zu ernähren. Dennoch wird davon aus- Digitale Landwirtschaft gegangen, dass die Produktion um 70 % steigen müsste, Von der Platine zur Pflugschar – Landwirte setzen zuneh- um den zusätzlichen Bedarf zu decken, da die Weltbevöl- mend auf spezifische Daten, Sensoren und Robotik zur kerung nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) Steigerung ihrer Erträge. Der Einsatz von Satellitentech- bis 2050 auf 9.7 Milliarden Menschen anwachsen wird. 2 nik in den weiten Ebenen des Mittleren Westens der USA Gleichzeitig stehen die Landwirte vor alten und neuen ist mittlerweile Standard. Big Data eröffnet neue Möglich- Herausforderungen: die begrenzte Verfügbarkeit von keiten für die Einzelkornsaat sowie präzisere Düngungs- Ackerland, der steigende Bedarf an Frischwasser, sin- und Bewässerungsmethoden. kende Ernteerträge und der Verlust der Artenvielfalt. Ext- reme Wetterbedingungen infolge des Klimawandels ver- Kulturpflanzenforschung, Pflanzen- und schlimmern die Situation noch. Ähnlich wie bei den Tierwissenschaften internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der globa- Die Landwirtschaft und die Tierhaltung entwickeln sich len Erwärmung existieren auch Initiativen, um den Land- ständig weiter. Lässt sich die Widerstandsfähigkeit von wirtschaftsbetrieb nachhaltiger zu gestalten. Schwer- (Nutz-)Pflanzen und Vieh gegenüber Krankheiten oder punkte sind hierbei eine Abkehr von Monokulturen und dem Klimawandel steigern, so profitiert davon auch der Pestiziden sowie eine Reduzierung des Einsatzes von Mensch. Genforschung kann dazu beitragen, spezifische Antibiotika bei Tieren. 3 Ein Beispiel hierfür ist die «Farm to Stärken und Schwächen zu ermitteln. Im Anschluss wird Fork»-Strategie der Europäischen Union, die Ziele wie die die (Nutz-)Pflanze oder das Tier so gezüchtet, dass sie Erhöhung des Anteils der ökologischen Landwirtschaft ihre genetische Vielfalt erhalten oder ihre genetische von derzeit 8 % auf 25 % bis 2030 beinhaltet.4 Qualität verbessern. Grafik 1: Globaler Smart-Farming-Markt wächst jährlich Grafik 2: Livestock Monitoring und Indoor Farming um fast 20 % unter den am schnellsten wachsenden Segmenten In Milliarden US-Dollar Globale Smart-Farming-Segmente (CAGR 2017–2022) 30 30 25 23.14 % 25 Durchschnittliche jährliche 19.5 % 19.4 % 19.3 % 19.1 % 18.6 % 20 Wachstumsrate (CAGR): 19.3 % 20 15 15 9.58 % 10 10 5 5 0 0 2017 Prognosen 2022 Livestock Indoor Präzisions- Aquakultur Sonstige Monitoring und Farming ackerbau Management Quelle: BIS Research, Statista, Vontobel Quelle: BIS Research, Statista, Vontobel
13 halb der Lieferkette verloren oder werden verschwendet, so die FAO.6 Ausserdem werden viele Lebensmittel, die noch zum Verzehr geeignet, aber ästhetisch unanspre- chend sind, weggeworfen oder landen aufgrund schlech- ter Lagerhaltung im Abfall. Solche Probleme können z. B. durch Abfallverfolgungssysteme gelöst werden. Die Smart-Farming-Industrie hat bereits eine Reihe von innovativen Unternehmen hervorgebracht. Im Rahmen unseres kürzlich lancierten Global Impact Equities Fund halten wir ein in Irland ansässiges Unternehmen, das Lebensmittelzutaten und Aromaprodukte für die Lebens- mittel- und Getränkeindustrie herstellt. Es hat sich darauf spezialisiert, künstliche Inhaltsstoffe durch natürliche zu ersetzen und bietet eine breite Palette an pflanzlichen, all- ergenfreien und biologischen Produkten an. Für den ebenfalls vor Kurzem aufgelegten 3-Alpha Mega- trends Fund können wir Beispiele wie einen Hersteller von Landmaschinen nennen, der für sein Logo mit dem sprin- genden Hirsch bekannt ist. Ausserdem bietet das Unter- nehmen vernetzte Geräte und Softwareanwendungen, Landwirtschaft in kontrollierter Umgebung mit denen Landwirte ihre Produktivität und Nachhaltigkeit Die Pflanzen werden in Innenräumen angebaut, wo Ein- steigern können. Etwas weniger bekannt ist vielleicht ein flussfaktoren wie Wasser, Licht, Temperatur, Feuchtigkeit, Agrarchemie-Unternehmen, das 2019 von DowDuPont CO2 und Nährstoffkonzentration kontrolliert werden kön- ausgegliedert wurde. Es konzentriert sich im Rahmen sei- nen. Ein Beispiel hierfür ist die vertikale Landwirtschaft, ner Forschungstätigkeit unter anderem auf die Identifizie- welche die Lebensmittelproduktion in der Nähe von oder rung vorteilhafter Pflanzengene, welche die Resistenz in Städten ermöglicht. gegen bestimmte Krankheiten oder Klimaverhältnisse begünstigen und so einen geringeren Einsatz von Chemi- Gesundheit von Tier und Mensch kalien ermöglichen. Weitere Beispiele sind ein in den Nie- Gesunde Nutztiere bedeuten gesündere Verbraucher. derlanden ansässiger Hersteller von Tier- und Humaner- Dafür braucht es Lösungen, die Krankheiten verhindern, nährung und Inhaltsstoffen für pflanzliche Lebensmittel. die Behandlung kranker Tiere verbessern und den Aus- bruch von Krankheiten unter Kontrolle behalten. Für Men- Schmackhafte Option für Anleger schen, die weniger oder gar kein Fleisch essen, können Smart Farming bietet also genügend Gesprächsstoff am Lebensmittel aus pflanzlichen Proteinen eine Alternative Küchentisch – egal ob, Sie vorhaben, sich vegan zu darstellen. Deren Geschmack lässt sich mit Zusatzstoffen ernähren, auf antibiotikafreies Fleisch verzichten möchten verbessern. Ernährungsbewusste Verbraucher können oder planen, Ihr Portfolio nachhaltiger zu gestalten. Über- Daten angeben und so individuelle Empfehlungen erhalten. legen Sie sich genau, was auf Ihrem Teller landet – oder in Ihrem Depot. Unabhängig davon, ob Ihre Zutaten von Optimierte Lieferketten für Lebensmittel einem Feld, aus einem Bioreaktor oder der Angebotspa- Schätzungsweise 30 % der weltweit für den menschli- lette eines Portfoliomanagers stammen, dürfte für Sie das chen Bedarf produzierten Lebensmittel gehen aufgrund Richtige dabei sein, um Ihren Magen – und hoffentlich ineffizienter Produktion und logistischer Probleme inner- auch Ihre Renditeerwartungen – zufriedenzustellen. 1 «Global food prices rise at rapid pace in May», FAO, 3. Juni 2021 http://www.fao.org/news/story/en/item/1403339/icode/ 2 «Bei langsamerem Wachstum wird die Weltbevölkerung im Jahr 2050 voraussichtlich 9.7 Milliarden Menschen umfassen und könnte um das Jahr 2100 einen Höchststand von fast 11 Milliarden erreichen», Department of Economic and Social Affairs, Vereinte Nationen, 17. Juni 2019 https://www.un.org/development/desa/en/news/population/world-population-prospects-2019.html#:~:text=The%20world%27s %20population%20is%20expected,United%20Nations%20report%20launched%20today 3 Laut WHO ist der unsachgemässe Einsatz von Antibiotika bei Tieren eine der Hauptursachen für die zunehmende antimikrobielle Resistenz, die mit arzneimittelresistenten Infektionen beim Menschen in Verbindung gebracht wird. https://www.who.int/news/item/07-11-2017-stop-using-antibiotics-in-healthy-animals-to-prevent-the-spread-of-antibiotic-resistance 4 «European Union's Farm to Fork Strategy – for a fair, healthy and environmentally-friendly food system», Agroecology Knowledge Hub der FAO http://www.fao.org/agroecology/database/detail/en/c/1277002/ Siehe auch:«From Farm to Fork – controlling the safety of the agri food chain», enthalten in einem Bericht der Europäischen Kommission zur Lebensmittelsicherheit 5 https://ec.europa.eu/food/index_en 6 «Global initiative on food loss and waste reduction», FAO 2015 http://www.fao.org/3/i4068e/i4068e.pdf Siehe auch den verwandten Artikel «Food loss and waste in the food supply chain» der FAO-Mitarbeiter Maryam Rezaei und Bin Liu, Nutfruit, Juli 2017 http://www.fao.org/documents/card/en/c/30245942-5cdb-42b6-bb1a-98243f108446/
14 Anleihen Ein volatiler Sommer steht bevor, aber keine Turbulenzen wie 2013 — mit fallenden Märkten, führen? Wir glauben nicht. Zum Sandrine Perret einen wurden Zinsanhebungen für 2023 schon lange vor Senior Economist, der Juni-Sitzung der Fed eingepreist, sodass die Ent- Fixed Income Strategist, Vontobel scheide der Zentralbank die Markterwartungen eher bestätigen, als ihnen zu widersprechen. Zum anderen ist die voraussichtliche Zinsentwicklung eine Sache, die Erwartungen bezüglich Liquiditätsspritzen sind aber eine andere. Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die Fed Anfang 2022 beginnen wird, ihr umfangreiches Wertpa- pierkaufprogramm zu drosseln, wobei es auf einen Monat Nachdem die US Federal Reserve den Ausstieg aus ihrer mehr oder weniger nicht ankommt. Wichtig ist, dass die äusserst expansiven Politik angedeutet hat, zeichnet Märkte darauf vertrauen können, dass die Zentralbank bei sich Volatilität am Horizont ab. Aus unserer Sicht sind ihrem Ausstieg langsam vorgeht. Die Entscheidung über die Finanzmärkte jedoch besser gewappnet als Anleihekäufe wird noch einige Zeit auf sich warten las- während des Abschwungs im Jahr 2013, als die sen. Deshalb besteht bei lang laufenden Staatsanleihen Ankündigung eines solch fundamentalen Schritts zu noch weiteres Aufwärtspotenzial. Wir haben unsere Posi- einer heftigen Marktreaktion führte, die als «Taper tion in US-Treasuries daher ein wenig reduziert, Wertpa- Tantrum» bekannt wurde. Wir stufen Investment-Grade- piere mit längeren Laufzeiten veräussert und die Erlöse in Unternehmensanleihen auf eine weniger negative Titel mit kürzeren Laufzeiten investiert. Die Renditen Einschätzung hoch und schichten einen Teil unseres zwei- und fünfjähriger US-Treasuries stiegen nach der Engagements in länger laufenden Staatsanleihen in Titel Fed-Sitzung deutlich und boten Anlegern einen guten mit kürzeren Laufzeiten um. taktischen Einstiegspunkt (siehe Grafik 2). Im Juni schlug die US Federal Reserve einen restriktive- Neben unserer Entscheidung, die Duration (und so die ren Ton an. So prognostizierten die Mitglieder des Fed- Sensitivität des Portfolios gegenüber Zinsänderungen) zu Ausschusses zwei Zinsanhebungen im Jahr 2023 und reduzieren, haben wir unseren kleinen Bestand an Invest- wichen damit klar von ihrer Prognose vom März ab, die ment-Grade-Unternehmensanleihen ausgebaut. Unsere keine Zinsschritte vorsah. Dies löste eine Hausse bei Position in diesem Teilsegment änderte sich dadurch zu langfristigen Staatsanleihen aus, durch welche die Ren- einer leichten Untergewichtung. Wegen der gesunkenen dite der 30-jährigen Treasuries kurzfristig unter 2% fiel. Renditen schien diese Haltung angemessen. Angesichts Das kurze Ende der Kurve bewegte sich in die entgegen- der Underperformance von IG-Unternehmensanleihen in gesetzte Richtung (siehe Grafik 1). der ersten Jahreshälfte und der Aussichten auf weitere Marktturbulenzen halten wir es nun für klug, unsere Allo- Könnte die von der Fed verursachte Volatilität zu einer kation der Benchmark anzunähern. Neuauflage des «Taper Tantrums» von 2013, einer Phase Grafik 1: US-Renditekurve nach Juni-Sitzung der US Grafik 2: Mehr Aufwärtspotenzial für Renditen lang Federal Reserve wieder flacher laufender Titel in der zweiten Jahreshälfte In % In % In % 3.0 0 4.0 Steilere Kurve Bekanntgabe Senatswahlen 2.5 3.5 der Ergebnisse in Georgia 2 des Pfizer/BioNTech-Impfstoffs 2.0 3.0 1.5 4 2.5 1.0 2.0 0.5 6 1.5 Flachere Kurve 0 1.0 8 –0.5 0.5 Invertierte Kurve –1.0 10 0 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2019 2020 2021 US-Renditekurve (10-jährige minus 2-jährige Treasuries) 2-jährige Treasuries US-Renditekurve (30-jährige minus 5-jährige Treasuries) 5-jährige Treasuries Fed Funds Target Rate (invertiert, rechte Skala) 10-jährige Treasuries Rezession 30-jährige Treasuries Quelle: Refinitiv Datastream, US Federal Reserve, Vontobel Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel
Aktien 15 Abschied von der Übergewichtung der Schwellenländer — Optimales Umfeld verlagert sich auf die Industrieländer Stefan Eppenberger Durch die systematischen Impfkampagnen in den Indust- Equity & Commodity Strategist, rieländern verbessert sich der Ausblick für Bevölkerung Vontobel und Anleger. Auch bei den Konjunkturprogrammen ist die Verlagerung erkennbar. In China haben die Impulse ihren Zenit überschritten, während in den USA in diesem Früh- jahr neue Massnahmen auf den Weg gebracht wurden. In der Regel entwickeln sich EM-Aktien schwächer als ihre Pendants aus Industrieländern, wenn die chinesischen Behörden eher zurückhaltend agieren (siehe Grafik 1). Wie Läufer, die schnell aus den Startblöcken kommen, aber dann zurückfallen, werden die Emerging Markets Gewinnprognosen spiegeln Stimmungsumschwung (EM) nun von den Industrieländern überholt. Die Covid- wider 19-Krise wird bald der Vergangenheit angehören, was Diese Entwicklungen zeigten lange keine Wirkung auf die dem «Westen» wieder einen Vorsprung verschaffen Gewinnprognosen – bis vor Kurzem. Die meisten Analys- wird. Auch die Konjunkturabkühlung in China ten hatten ihre Prognosen für EM-Unternehmen stärker hinterlässt Spuren bei EM-Aktien. Wir verabschieden angehoben als für deren Pendants in den Schwellenlän- uns von unserer Übergewichtung. dern ausserhalb der USA, doch mittlerweile haben sie ihren Kurs geändert (siehe Grafik 2). Für uns gab das den Anleger, die in EM-Aktien investieren, kaufen immer mehr Ausschlag, uns von unserer Übergewichtung in EM- Titel von chinesischen Unternehmen. Deren Anteil am Aktien zu verabschieden. Index ist von 20 % vor zehn Jahren auf derzeit über 40 % gestiegen. Aktien aus Südkorea und Taiwan machen Joe Biden hält an der Haltung seines Vorgängers fest zusätzlich jeweils 25 % der Indexgewichtung aus. Das China bleibt zudem selbst nach dem Ende der Ära Trump Schicksal dieser Volkswirtschaften ist in hohem Masse unter Druck. Joe Biden schlägt zwar weniger scharfe vom chinesischen Riesen abhängig. Töne an als sein Vorgänger, doch dessen grosser Knüp- pel – die Strafzölle auf chinesische Güter – ist noch Im vergangenen Jahr, als die Region die Pandemie besser immer gegen Peking gerichtet. Vielleicht ist die Allianz im Griff hatte als der Westen, war das von Vorteil. Die gegen China, die Biden mit anderen westlichen Ländern Schwellenländer wiesen damals eine Dynamik auf, die bilden will, sogar noch gefährlicher für das Reich der sich dieses Jahr leider nicht in nennenswerte Gewinne im Mitte. Für EM-Aktien bedeutet dies noch mehr Unsicher- Index übersetzte. Gleichzeitig zeigten sich die EM-Aktien heit, die Anleger nicht gerne sehen. Entsprechend verhal- vom massiven Covid-19-Ausbruch in Indien in diesem ten wir uns trotz attraktiver Bewertungen und langfristi- Frühjahr unbeeindruckt. ger Wachstumsaussichten bei EM-Unternehmen vorerst abwartend. Grafik 1: Höhepunkte von Konjunkturmassnahmen in Grafik 2: Mehr Skepsis bei Analysten in Bezug auf China belasten gewöhnlich EM-Aktien Unternehmensgewinne in Schwellenländern In %, Veränderung ggü. Vorjahr In %, Veränderung ggü. Vorjahr Gewinnrevisionen* (Dreimonatsdurchschnitt) 60 40 2.0 50 35 1.8 40 30 1.6 30 25 1.4 20 20 1.2 10 15 1.0 0 10 0.8 –10 5 0.6 –20 0 0.4 –30 –5 0.2 –40 –10 0.0 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 01.2020 05.2020 09.2020 01.2021 05.2021 Entwicklung der Emerging Markets ggü. den Industrieländer (MSCI World ex USA) Industrieländern (MSCI EM ggü. MSCI World) Emerging Markets (MSCI EM) Chinesische Konjunkturmassnahmen, ausgedrückt in Veränderungen der Geldmenge M1 (rechte Skala) * Verhältnis der Aufwärts-/Abwärtsrevisionen von Gewinnprognosen Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel Quelle: IBES, Refinitiv Datastream, Vontobel
16 Rohstoffe Die guten Aussichten geniessen, aber auch Gewinne mitnehmen — stärker auf nachhaltige Energieanlagen fokussieren. Auch Stefan Eppenberger die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) hat Equity & Commodity Strategist, es nicht eilig, mehr Öl zu fördern. Vontobel Die Entwicklung bei Industriemetallen wird durch die hohen Infrastrukturinvestitionen von Regierungen auf der ganzen Welt beflügelt. Gleiches gilt für Holz, dem zusätzlich der boomende US-Wohnimmobilienmarkt zugutekommt. Die Getreidepreise sind unterdessen aufgrund der starken chinesischen Nachfrage und der Trockenheit in den süd- Die jüngste «Multi-Peak»-Situation – beispiellose geld- amerikanischen Anbauregionen kräftig gestiegen. politische Unterstützung, die spektakuläre wirtschaftliche Wachstumsraten zur Folge hat – sorgte bei Rohstoffan- Über den Abstieg nachdenken, solange die Aussichten legern für Freudensprünge. Doch die grossen Konjunktur- noch gut sind programme liegen nun hinter uns. Wir stufen Rohstoffe Die Rohstoffrally könnte sich zwar noch eine Weile fort- auf neutral herab. setzen, doch wir haben unter anderem aufgrund der jah- relangen Unterinvestitionen in neue Produktionsanlagen Ende Februar 2021 gingen wir eine Übergewichtung in beschlossen, die Gewinne aus unserer Übergewichtung Rohstoffen ein (siehe die Märzausgabe des Investors’ von Rohstoffen mitzunehmen. Die Aussichten im «Multi- Outlook), nachdem die Preise ihren mehrjährigen Peak»-Land mögen atemberaubend sein, doch erfahrene Abwärtstrend durchbrechen konnten. Vier Monate später Kletterer denken beizeiten über den Abstieg nach – bevor sind wir nur noch wenige Prozentpunkte von einem All- Regierungen und Zentralbanken ihre Unterstützung zeithoch entfernt (siehe Grafik 1). Die Rally erstreckt sich zurückfahren. auf das gesamte Spektrum der Rohstoffe – Öl, Gas, Kup- fer, Aluminium, Zink, Nickel, Silber, Palladium, Weizen, Auch das Ende der weltweiten Lockdowns ist von den Mais, Sojabohnen und sogar Holz. Die Kehrseite der Finanzmärkten bereits weitgehend eingepreist. Die pan- Medaille ist ein Phänomen, das jüngere Anleger nur vom demiebedingten Probleme in der Lieferkette sind nun Hörensagen kennen: die steigende Inflation, die übrigens gelöst, sodass die Rohstofflieferungen in den nächsten auch ihren Höhepunkt erreicht hat. Monaten wieder mehr Ziele erreichen werden. Darüber hinaus erhöht die Opec langsam, aber sicher ihre Förder- Öl verzeichnet seit einiger Zeit aufgrund der wachsenden mengen (siehe Grafik 2) und es könnte noch mehr Öl Nachfrage der Industrie, der Rückkehr von Arbeitneh- fliessen, wenn es den westlichen Ländern gelingt, den menden in ihre Büros und der Zunahme des Flugverkehrs Iran durch die Zusage grösserer Exportvolumen zur Auf- einen starken Aufwärtstrend. Darüber hinaus fährt die gabe seines Atomprogramms zu bewegen. Auch die US-Schieferölbranche ihre Produktion nur langsam Schwäche des US-Dollar, die Rohstoffen häufig zugute- hoch – möglicherweise auch, weil sich die Anleger nun kommt, dürfte sich nicht fortsetzen. Grafik 1: Rohstoffpreise nah am Allzeithoch – Grafik 2: Die grössten Ölförderländer dürften eine jetzt ist Vorsicht geboten baldige Mengenerhöhung planen Index In Millionen Barrel pro Tag 600 38 500 36 400 34 300 32 200 30 100 28 0 26 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 06.18 12.18 06.19 12.19 06.20 12.20 06.21 12.21 06.22 12.22 Basierend auf Spot-Preisen per Bloomberg Commodity Index Angebot von Opec-Öl und flüssigen Kraftstoffen Prognose der Energy Information Administration (EIA) Allzeithoch Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel Quelle: EIA, Refinitiv Datastream, Vontobel
Währungen 17 Zyklische Währungen trotz Zins- erhöhungs-Signalen im Fokus — Könnte auch die Europäische Zentralbank (EZB) für Über- Sven Schubert, PhD raschungen sorgen? Die jüngsten Aussagen von stimm- Head of Strategy Currencies, berechtigten Mitgliedern der EZB deuten darauf hin, dass Vontobel die Zentralbank im weiteren Verlauf des Jahres ebenfalls einen weniger expansiven Kurs einschlagen könnte. Dies könnte den Euro weiter stützen, sodass er über die Marke von EUR / USD 1.20 steigt, bevor es mittelfristig zu einer Konsolidierung kommt. Die Schweiz ist insofern ein Son- derfall, als ihre Konjunkturdynamik aktuell stärker ist als die ihrer europäischen Nachbarn (siehe Grafik 1). Die Mitglieder von Zentralbankausschüssen scheuen Dadurch erscheint das den Euro unterstützende Argu- das Rampenlicht in der Regel ebenso wie Naomi Osaka ment aus Schweizer Sicht weniger relevant. Auch die Pressekonferenzen nach einem Tennisspiel. So äusserte steigende Kaufkraft des Schweizer Frankens signalisiert sich Fed-Chef Jerome Powell nach der letzten geld- einen längerfristigen Aufwertungsdruck. Bei einem politischen Sitzung charakteristisch zurückhaltend. Den- Anstieg über 1.10 bieten sich beim Währungspaar noch überraschte die US Federal Reserve die Märkte EUR / CHF gute Verkaufsgelegenheiten. Gegenüber dem mit ihren Zinsprognosen. Trotz der offenbar höheren US-Dollar wird der Schweizer Franken unserer Meinung Wahrscheinlichkeit von Zinsanhebungen in den USA er- nach bei 0.90 in eine Konsolidierungsphase eintreten. kennen wir nach wie vor moderates Erholungspotenzial Dem war in den letzten zwei Jahren eine starke Aufwer- für zyklische Währungen und sogar für Währungen tung vorausgegangen. der Emerging Markets (EM). Der kurzzeitige Ausverkauf von EM-Anlagen Anfang die- Die grössten Überraschungen nach der Fed-Sitzung ses Jahres machte deutlich, welchen Schaden ein waren, dass die Zentralbank für 2023 zwei Zinsanhebun- rascher Anstieg der Renditen von US-Treasuries verursa- gen prognostizierte und offenbar am Jahresende auf chen kann. Insbesondere die lateinamerikanischen Wäh- einen normaleren geldpolitischen Kurs einschwenken will. rungen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Könnten die Kurzfristig stützt diese leicht restriktive Politik den US- jüngsten Zinsanhebungen in Ländern wie Russland und Dollar zwar, doch sie reicht nicht aus, um eine nachhaltige Brasilien eine gewisse Atempause bieten? Die Straf- Erholung der weltweiten Leitwährung auszulösen. Die fungszyklen, die wir in den letzten 20 Jahren in den geldpolitische Straffung liegt noch zu weit in der Zukunft Schwellenländern erlebt haben, führten eher kontraintui- und die Marktteilnehmer hatten sich ohnehin bereits auf tiv zu einer uneinheitlichen Entwicklung bei EM-Währun- die beiden Zinsanhebungen im Jahr 2023 eingestellt. Eine gen und Staatsanleihen in Lokalwährung (siehe Grafik 2). zunehmende Risikobereitschaft im Zuge der globalen Aufgrund des aktuellen reflationären Umfelds erkennen Wachstumsbelebung wird zyklischen Währungen wie wir jedoch mehr Ähnlichkeiten mit dem Anhebungszyklus dem Euro in den Sommermonaten unseres Erachtens zu Beginn dieses Jahrhunderts, der die EM-Währungen Auftrieb verleihen. und die dazugehörigen Anleihen unterstützte. Grafik 1: Positive Konjunkturüberraschungen in der Grafik 2: Uneinheitliche Entwicklung der EM-Anleihen Schweiz unterstützen den Franken in Lokalwährung während Anhebungszyklen Wechselkurs Index des relativen Gleichgewichts Index der EM-Anleihen in Lokalwährungen 1.14 300 450 1.12 200 400 1.10 100 350 1.08 0 300 1.06 −100 250 Negative Zahlen signalisieren 1.04 positive Überraschungen −200 200 1.02 in der Schweiz ggü. der Eurozone −300 150 1.00 −400 100 01.2020 04.2020 07.2020 10.2020 01.2021 04.2021 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 2021 Konjunkturüberraschungen Phasen strafferer Geldpolitik in Emerging Markets (Eurozone – Schweiz, rechte Skala) GBI-EM Total Return Index EUR / CHF Quelle: Refinitiv Datastream, Citi, Vontobel Quelle: Refinitiv Datastream, Vontobel
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