Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr - Kloster Einsiedeln

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Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr - Kloster Einsiedeln
5·2018

S A LV E

Zeitschrift der benediktinischen
Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr
Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr - Kloster Einsiedeln
SALVE
    Zeitschrift der benediktinischen
    Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr

10. Jahrgang · Ausgabe 5, Oktober/ November 2018   Jahresthema 
Erscheint sechsmal jährlich                        «Die eigene Mitte finden»                           4

                                                   Wallfahrt
                                                   Wallfahrtstage grosser Pilgergruppen               10
                                                   Der Wallfahrtspater lädt ein		                     11
                                                   Liturgischer Kalender			                           12
                                                   Wallfahrtsinformationen		                          14
                                                   Liturgisches Grundwissen – Messgewand	             15
                                                   Familienwallfahrt			                               16
                                                   Haben Sie gewusst…		                               17

                                                   Kloster Einsiedeln
                                                   In Memoriam Bruder Suso Jöhl                       18
                                                   Marienbild			                                      21
                                                   Stabsübergabe des Kapellmeisters	                  22
Frontseite: Schwester Hedwig Silja                 Gebetsanliegen        		                           26
Walter hat gemalt, was geschieht, wenn             Neues Kleid für die Madonna	                       28
der gött­liche Brandstifter am Werk ist.           Konventglöckli			                                  30
(Foto: Kloster Fahr).                              Stiftsschule
                                                   Schulnachrichten		                                 32
                                                   Ecke der Eltern			                                 33
                                                   Ministrantenreise – Nome ned gschprängt!           34
                                                   Wanderlager – im Gedenken an Pater Hieronymus      36
                                                   Personalnachrichten			                             39
                                                   Alumni 				                                        40
                                                   Maturafeier M 63 – Nur Begeisterte begeistern	     42
                                                   In memoriam André Gächter		                        45
                                                   St. Gerold
                                                   Kurs- und Kulturprogramm		                         46
                                                   Neue Seminarräume			                               49
                                                   Kloster Fahr
                                                   Grusswort		                                        52
                                                   Dass Fest zur Buch- und Plakatvernissage	          54
                                                   «ü30fahrwärts» – Gott hat uns einen Geist
                                                   der Kraft gegeben	                                 57
                                                   Historische Ofenkacheln	                           59
                                                   Nachrichten der Ehemaligen	                        61
                                                   Meditation und Bild		                              62
                                                   Kaleidoskop
www.kloster-einsiedeln.ch
                                                   Veranstaltungskalender		                             64
www.kloster-fahr.ch
                                                   Klostersammlung – Kleinplastiken zwischen
www.propstei-stgerold.at
                                                   Kunst und Kommerz			                                 66
www.zeitschrift-salve.ch                           Carl Muth – Eine geschenkte Bibliothek
www.gotteswort.ch                                  und ihre Geheimnisse 		                              68
www.GOTTsuchen.ch                                  Kirchenkonzerte – Primizmessse von Pater Gall Morell 75
www.gebetsgemeinschaft.ch                          Neue Bücher				                                      76

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LEITGEDANKE

L     iebe Leserin, lieber Leser

Zum fünften Mal dieses Jahr hat unser Leitartikel die Weitergabe benediktinischer
Spiritualität nach aussen zum Thema. In dieser Ausgabe zeigt Verena Huber-Halter,
wie sehr Schwester Hedwig Silja Walter die spirituelle Dimension der Regel des hl.
Benedikt verinnerlicht und damit die Voraussetzungen geschaffen hat, mit ihrem Le-
benswerk ein lebendiges Zeugnis benediktinischer Spiritualität nach aussen abzulegen.
     Ein roter Faden zieht sich durch alle bisher fünf Beiträge zu diesem Thema: Spiri-
                   tualität ist keine Einbahnstrasse und sie verdient diesen Namen nur,
                   wenn im Innern, im «Herzenskämmerlein» die göttliche Geistkraft
                   am Wirken ist. Silja Walter brachte das in ihren Schriften und in ih-
                   ren Aquarellen deutlich, manchmal sogar krass zum Ausdruck, etwa,
                   wenn sie in ihrem Bild (s. Titelseite) das Göttliche als «Brandstifter»
                   bezeichnet, der die menschliche Behausung von innen her in Flam-
                   men aufgehen lässt. Da spricht die Mystikerin. Sie hinterlässt uns
                   damit eine zentrale Botschaft, die nicht nur für Menschen hinter
                   Klostermauern ihre Gültigkeit hat. Der eine erste Weg, der erst die
                   Spiritualität, also das Leben aus der Gottesfülle, erzeugt, ist der Weg
                   von aussen nach innen. Oder entsprechend dem Jesus-Wort vom
Samenkorn, das in die Erde fallen muss, um Frucht zu bringen – von oben nach unten.
Nur was hinab in die Erde gesät worden ist, wächst aus ihr als Frucht herauf.
     Wir alle wissen das, auch wenn uns dieses Naturfaktum meist gar nicht bewusst ist,
weil es so selbstverständlich ist. Das aller erste, was ein neu geborener Mensch tut, ist
einatmen. Die Lebenskraft der Atemluft dringt ein in die Tiefen des Menschseins und
erst als zweiter Schritt folgt auf dem Weg von innen nach aussen der berühmte erste
Schrei im Ausatmen: «Ich lebe!» Das ist der urnatürliche Weg spiritueller Wirkung im
Inneren des Menschen. Dass das nicht nur eine Angelegenheit der Körperphysiologie
ist, bezeugen der hl. Benedikt in seiner Regel und Silja Walter in ihrem Lebenswerk.
     Vieles, was heutzutage als Atemtherapie praktiziert wird, beruht auf diesen zwei
Wegen: Im Einatmen belebt die Atemluft mein Innesein («das Gottesreich ist in
euch»), im Ausatmen gebe ich Zeugnis davon nach aussen: «Ich lebe». Wenn das
mehr ist als Physik, kann man es nicht nur hören, sondern auch sehen: Klosterfrauen
wie Silja Walter und ihren Mitschwestern war und ist die vom Gottesgeist bewirkte
Lebensfreude vom Gesicht ablesbar.
     Das war zur Zeit Jesu von Nazareth, zur Zeit des hl. Benedikt, zur Zeit von Silja
Walter, und im Hier und Jetzt innerhalb und ausserhalb von Klostermauern sehr zur
Nachahmung empfohlen.

Ihr

Erich Liebi

                                                                                             3
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JAHRESTHEMA

    Benediktinische Spiritualität – nach aussen getragen

    Die eigene Mitte finden

    Um benediktinische Spiritualität nach aussen tragen zu können, ist zunächst ein
    Weg nach innen erforderlich. Der Biograf des heiligen Benedikt, Gregor der Grosse,
    schrieb über den Ordensgründer, dass dieser «allein in sich wohnte». In seiner
    Ordensregel umschreibt Benedikt den inneren Weg, den der Mensch gehen muss,
    um seine innere Mitte zu finden. Das Kloster Fahr und natürlich auch das Kloster
    Einsiedeln sind allein durch ihr Dasein Zeugnis für diesen Weg nach innen,
    auf dem «das Leben in Fülle» zu gewinnen ist.

    «Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und    der Ruf Gottes an jedes seiner Geschöpfe.
    gute Tage zu sehen wünscht?» Diese Frage        Dennoch ziehen die allerwenigsten die dar­
    des hl. Benedikt (RB, Vw 15) ergeht an uns      aus folgenden Konsequenzen.
    alle, täglich und ohne Unterlass, denn es ist       Der Trappist Thomas Keating meint in
                                                    seinem Buch «Das kontemplative Gebet»:
                                                    «Gott möchte schon in diesem Leben so viel
                                                    göttliches Leben mit uns teilen, wie wir nur
                                                    aushalten können». Was in aller Welt be­
                                                    wegt einen Menschen dazu, sich etwas so
                                                    Grossartiges zu versagen?
                                                        Zugegeben, falsch verstandene christli­
                                                    che Tugenden sind beklemmend und le­
                                                    bens­feindlich, insbesondere im Fall von As­
                                                    kese oder Demut. Das ist abschreckend.
                                                    Aber gerade im Zeitalter von «Fake News»
                                                    sollten alle wissen, dass man gut beraten ist,
                                                    einer Sache auf den Grund zu gehen, bevor
                                                    man sich ein Urteil erlaubt. Und wenn’s ums
                                                    eigene Leben geht, müsste jeder ein bren­
                                                    nendes Interesse haben, herauszufinden,
                                                    was Jesus gemeint hat, als er erklärte: «Ich
                                                    bin gekommen, damit sie das Leben haben,
                                                    und es in Fülle haben».

                                                    «Öffnen wir unsere Augen dem
                                                    göttlichen Licht» (Vw 9)
    Der hl. Benedikt von Nursia (ca. 480 –547)      Nicht zuletzt, um seinen Mönchen Klarheit
    mit seiner Klosterregel als Wegleitung für      über christliche Werte und Tugenden zu
    die Gottsuche (Foto: Wikimedia).                ­verschaffen und dem Eifer vorzubeugen,

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Auch das Kloster Fahr ist allein durch sein Dasein Zeugnis nach aussen für die Suche seiner
Bewohnerinnen nach dem spirituellen Weg nach innen (Foto: Beat Huber).

der Masslosigkeit auch in der Tugendhaftig­       henwollens – von Benedikts Anweisungen
keit zur Folge haben kann, hat der hl. Bene­      an beiden ­Orten lauert.
dikt vor bald 1500 Jahren seine Klosterregel         Das konsequente christliche Leben ist
geschrieben. «Eine Anleitung zu christli­         kein Spaziergang. Aber nicht etwa, weil
chem Leben» untertitelt Abt Georg Holzherr        man seine Persönlichkeit an der Klosterpfor­
die Regel. Benedikt hat nichts Neues erfun­       te ab­geben muss, sondern weil es einen
den – er hat neu geordnet und aufgeschrie­
ben, was damals aufgrund des Evangeliums
als monastische Lebensweise galt. Natürlich
hat Benedikt Akzente gesetzt, immer mit
Weitsicht und in grosser Achtung vor dem
Menschen.

Zeitlose Aktualität
Das wird der Grund sein, warum die Regel
bis heute nichts an Aktualität verloren hat
und nach wie vor eine erstklassige Anlei­
tung für das Leben als Christ und das Leben
in Gemeinschaft ist. Man kann sein Leben
im benediktinischen Kloster dieser Regel
unterwerfen oder sich ausserhalb davon­
­
ins­pirieren lassen. Jedoch sollte man sich im­   Schwester Hedwig Silja Walter (1919–2011)
mer bewusst sein, dass die Gefahr des             suchte Gott vor allem in der inneren Klausur
falsch Verstehens – oder des falsch Verste­       (Foto: Liliane Géraud).

                                                                                                 5
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    ­Reifeprozess anstossen möchte, der nicht
    immer so leicht auszuhalten ist. Es ist daher
     manchmal äusserst verlockend, nach ein­
    facheren Pfaden zu suchen. Aber auf dem
    geistlichen Weg gibt es keine Abkürzungen.

    «Weisst du nicht, dass die Langmut
    Gottes dich zur Umkehr treibt?» (Vw 37)
    Demut ist das klassische Beispiel einer Tu­
    gend, die sehr leicht falsch verstanden wer­
    den kann, was gerade in ihrem Fall üble
    ­Folgen hat. Benedikt widmet der Demut
    ein ganzes Kapitel. Natürlich können seine
    Worte falsch ausgelegt werden, wenn man
    das Ziel der christlichen Spiritualität, näm­
     lich «das Leben in Fülle», aus den Augen ver­
     liert und das eigene Verständnis von Bene­
    dikts Worten nicht daraufhin überprüft. In
    dieser Hinsicht ist es bestimmt hilfreich, Rat
     bei Menschen einzuholen, die Erfahrung
    auf diesem Weg haben oder einen Regel­
     kommentar zu konsultieren.
         Einer dieser Kommentare, derjenige von        Dieses Gemälde aus dem Jahr 1996 hat
    Abt Georg Holzherr, bezeichnet das Kapitel         Silja Walter mit «Der Brandstifter» betitelt,
    über die Demut als Herzstück benediktini­          gemeint ist Jesus Christus, der das Feuer der
     scher Spiritualität. Wahre Demut siedelt sich     inneren Läuterung anfacht (Foto: aus dem
    im Herzen an. Sie kann nicht ohne weiteres         Fundus des Klosters Fahr).
    eingeübt werden, sie ist Frucht des christ­
     lichen Lebens. Demut muss man sich schen­          perfekt sein werden und wir unsere Schwä­
     ken lassen als Teil des Lebens in Fülle. Aller­   chen daher nicht mehr als Bedrohung für
    dings muss man für dieses Geschenk bereit          unrealistische Vorstellungen von uns selber
     sein und das ist eine Herausforderung.            empfinden müssten! Würde uns Schweigen
                                                        nicht zu besseren Zuhörern machen und
    «Wer im Glauben voranschreitet,                     wäre es nicht grossartig, wenn wir unsere
    dem weitet sich das Herz.» (Vw 49)                  Worte immer mit Bedacht wählen könnten?
     Man stelle sich nur einmal vor, wie es wäre,       Wäre uns mit all dem nicht eine ungeheure
     wenn wir eine unfassbare Sehnsucht hätten,         Last genommen, die sich unweigerlich in
     die all unsere bisherigen Wünsche in den          ­unserem Gesicht, in unserer ganzen Körper­
     Schatten stellte und wir dabei aber Gewiss­        haltung zeigen würde?
     heit hätten, dass genau diese Sehnsucht                Das hört sich schon fast zu schön an, um
     auf jeden Fall Erfüllung finden wird. Wie          wahr zu sein, nicht wahr? Aber genau da­
     herrlich wäre es, wenn wir in vollkommener         rüber spricht das benediktinische Demuts­
    ­Gelassenheit auch unsinnige Anforderun­            kapitel. Dahin will Gott uns befreien. Aller­
     gen unserer Vorgesetzten befolgen und uns         dings ist das ein Weg, den wir bewusst
     trotzdem des Lebens freuen könnten? Wie           gehen müssen, bis ans Ende unserer Tage.
     viel einfacher wäre es, wenn wir mit wenig        Es ist ein Weg, der uns zuweilen vorwärts
    zufrieden wären? Welche Befreiung, wenn            führt, auf dem wir manchmal aber auch wie­
     wir akzeptieren könnten, dass wir niemals         der ­zurückfallen.

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Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr - Kloster Einsiedeln
JAHRESTHEMA

 Die Benediktsgrotte im Kloster Sacro Speco, wo der junge Mönch laut Überlieferung drei
J­ ahre lang seine Gottsuche gelebt hat (Foto: Schwester Laetitia Kuhn).

Eine Lebensaufgabe                             folgte. In ihrem Werk «Der Ruf aus dem
Dass dies eine Lebensaufgabe ist, hat auch     ­ arten» erklärte sie: «So dachte ich mir ein
                                               G
die damals 29jährige Cécile (Silja) Walter     Kloster als Kugel voll Stille, worin die Tage
schnell festgestellt, als sie dem Ruf an sie   rundum laufen um die immer neue Erfah­
                                               rung des Andern. Darum wollte ich ziemlich,
                                               ja wirklich beinahe sogleich in eine Klausur
                                               eintreten.» Sie stellte aber schnell fest: «Das
                                               Leben in der Klausur ist trotzdem so ge­
                                               wöhnlich wie draussen. Das beunruhigte
                                                mich. Warum war das nicht anders? Wenn
                                                sich die Erfinder des Klosters getäuscht
                                               ­hätten?»
                                                    Sie begriff, dass die Klausur nicht schon
                                               an sich Gottes Ort auf Erden war. Sie selber
                                                musste sich in der «Armut» einrichten:
                                               «Denn da geht Gott am ehesten nieder, wo
                                                nichts ist, nicht in ein bis oben hin gefülltes
                                               Herz.» Silja Walter machte sich daran, die
                                               benediktinischen Stufen der Demutsleiter zu
                                               begehen. Allerdings ging auch ihr Weg, wie
                                               aus ihrem Werk gut ersichtlich ist, nicht im­
                                                mer aufwärts. Benedikt selbst schreibt vom
                                               Auf- und Abstieg auf dieser Leiter und Abt
«Der Weg ist eng» – auch hinauf zum            Georg Holzherr erklärt: «Die Stufen zum
­Kloster Sacro Speco (heilige Felsspalte)      hohen Ziel sind nicht im Sinn eines chrono­
 in Subiaco (Foto: Verena Huber-Halter).        logischen Nacheinanders zu verstehen.»

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Zeitschrift der benediktinischen Gemeinschaften Einsiedeln und Fahr - Kloster Einsiedeln
JAHRESTHEMA

                                                    «Der Weg des Heils kann am Anfang
                                                      nicht anders sein als eng». (Vw 48)
                                                    Es ist genau diese Art von Demut, zu der uns
                                                    die benediktinische Leiter führen will. Silja
                                                    Walter beschreibt dies in «Lea hat mir alles
                                                    gesagt»: «Die Klausur, wie wir sie erfahren,
                                                    verändert den Menschen zu sich selber,
                                                    ­richtig gesagt: von sich weg in die Wirklich­
                                                    keit hinein, der er gehört.» Das ist eine Ent­
                                                    wicklung, die in dem Moment beginnt, in
                                                    dem wir bereit werden, uns in aller Offen­
                                                    heit und Ehrlichkeit unserer eigenen Wirk­
                                                     lichkeit zu stellen.
                                                          Der Jesuit und Psychologe Franco Imoda
                                                      stellt in seinem Buch «Human Develop­-
                                                     ment» fest, dass religiöse Entwicklung
                                                     menschliche Entwicklung voraussetzt. Er be­
                                                      schreibt dies als Prozess, der Zeit benötigt
                                                    und oft auch eine Dimension von Spannung
                                                    und Leiden mit sich bringt. Imoda betont
                                                    den Mut, der nötig ist, um sich den Schwie­
                                                    rigkeiten zu stellen, wenn man sich für das
                                                    Leben im Jetzt entscheidet und Hindernisse
                                                    aus der Vergangenheit überwinden muss,
                                                    um eine Zukunft aufzubauen, die nicht vor­
    Die Vision des hl. Benedikt als Seiten­         hersehbar ist. Thomas Keating erklärt dies in
    altargemälde in der Fahrer Klosterkirche          seinem Buch «Das kontemplative Gebet»:
    (Foto: Verena Huber-Halter).                    «Wir bringen ein fertig gepacktes Paket von
                                                    Wertvorstellungen und vorgefassten Ideen
    «Durch Gottes Gnade bin ich,                     mit, die neu ausgerichtet werden müssen,
    was ich bin». (Vw 31)                           wenn sie unsere spirituelle Reise nicht be­
    Die Psychologin Dr. Pelin Kesebir definiert     hindern oder in Richtung Pharisäertum
    Demut folgendermassen: Demut folgender­          ­lenken sollen – das grosse Berufsrisiko aller
    massen: Demut umfasst die Bereitschaft, die     religiösen und spirituellen Menschen.»
    Grenzen des eigenen Selbst anzunehmen
    und sich seiner eigenen Bedeutung in Welt­      «Heute, wenn ihr seine Stimme hört,
    geschichte und Universum bewusst zu sein.       verhärtet eure Herzen nicht!» (Vw 10)
    Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass ein      Wenn ein Mensch sich selber annimmt, wie
    demü­tiger Mensch sich selbst verunglimpft      er ist, um wie viel wichtiger ist es dann, dass
    und minderwertig fühlt. Kesebir stellt fest,    die Gemeinschaft, zu der er gehört, ihm
    dass das grosse Gewicht, das heutzutage         dies auch zugesteht? Benedikt legt daher
    dem Selbstwertgefühl beigemessen wird,          grossen Wert darauf, die Eigenart der ein­
    dazu führt, dass man sich in einem zu positi­   zelnen Mönche zu respektieren. Wie Micha­
    ven Licht sieht und sich selbst, andere und     ela Puzicha, Leiterin des Instituts für Bene­
    die Welt nicht objektiv wahrnehmen kann.        diktinische Studien in Salzburg, anlässlich
    Dies, so Kesebir weiter, ruft «einen Zoo von    eines Vortrages im Kloster Engelberg einmal
    Selbstverteidigungs-Mechanismen» hervor,        erklärte, ist dieses Anliegen Benedikts über­
    der viel menschliches Leid verursacht.          all in der Regel zu finden. Sie verwies auf

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JAW
                                                                          HRAE
                                                                             LSLTFH
                                                                                  AEHM
                                                                                     RAT

                                                   Mit der unsagbaren Freude der Liebe
                                                 eilt er voran auf dem Weg der Gebote
                                                 Gottes. (Vw 49)
                                                 Als Voraussetzung für die Wertschätzung
                                                 des Einzelnen durch die Gemeinschaft gilt
                                                   natürlich, dass jeder seine eigene Lebens-
                                                 und Selbstkompetenz selbständig trägt. D  ­ er
                                                 Ordensgründer erwartet also von seinen
                                                 Ordensleuten eine gewisse menschliche
                                                 ­
                                                  ­Reife oder zumindest das Bemühen, sich in
                                                 diese Richtung zu entwickeln, wie Michaela
                                                   Puzicha betonte.
                                                       Auch wenn auf der benediktinischen
                                                 ­Leiter ein Auf und Ab die Regel ist, kommt
                                                   man unweigerlich der eigenen Mitte und
                                                 damit Gott näher, was Erfahrungen ermög­
                                                   licht, wie Silja Walter sie in ihrem Gedicht
                                                 «Voll singenden Feuers» beschreibt:
                                                        Und Gomer geht summend
                                                        hinauf in die Küche
                                                        die Minze zu sieden
                                                        nichts weiter.
                                                        Doch alle Schöpfung
                                                        ihr Herz und die Küche
Schwester Hedwig Silja Walter bezeugt das               sind voll singenden
Geheimnis des Lebens auch in ihrem künst-               Feuers.
lerischen Lebenswerk (Foto: Liliane Géraud).             (Aus dem Gedicht «Voll singenden Feuers»)

das Kapitel über den Abt: «Er (der Abt) muss     Bevor ihr mich anruft, werde ich
wissen, welch schwierige und mühevolle           sagen: Hier bin ich. (Vw 18)
Aufgabe er auf sich nimmt: Menschen zu           Unsagbare Freude, wie Benedikt in seinem
führen und der Eigenart vieler zu dienen.        Vorwort voraussieht, ist also die Frucht be­
Muss er doch dem einen mit gewinnenden,          nediktinischer Demut. Die Stille der Klausur,
dem anderen mit tadelnden, dem dritten           der Rhythmus des Klostertages und der ge­
mit überzeugenden Worten begegnen.               genseitige Gehorsam befreien in das Leben
Nach der Eigenart und Fassungskraft jedes        in Fülle, wie es Silja Walter in «Benedikt und
einzelnen soll er sich auf alle einstellen und   der Mut der Mönche» beschreibt:
auf sie eingehen». Diese Weisung ist gemäss          «Und nachdem das bestätigt war, dass
Michaela Puzicha eine der grossen Ausnah­        das einfache Leben der Benediktinerinnen
men in der monastischen Tradition, sie ist       im Fahr, das so ganz ohne Erlebnisse, so
nur in der Regel Benedikts zu finden.            ganz ohne Geheimnisse, so ganz ohne Wun­
    Auch im Kapitel 64 geht Benedikt noch        der ist, das geheimnisvollste Leben, das
einmal auf dieses Thema ein, indem er vom        wunderbarste Leben ja DAS LEBEN ist, der
Abt «discretio» fordert, nämlich die umsich­     Armut aus Gehorchen und Schweigen we­
tige Einschätzung der Fähigkeiten einzelner,     gen, in der der allmächtige Gott seine Woh­
damit: «die Starken finden, wonach sie ver­      nung nimmt.»
langen und die Schwachen nicht davonlau­                                     Verena Huber-Halter
fen.»

                                                                                                     9
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WALLFAHRT

     Wallfahrtstage grosser Pilgergruppen 2018
     Alle Gottesdienste finden jeweils in der Klosterkirche statt (ausser GK = Gnadenkapelle)

     Oktober
     So, 07.10.2018 Rosenkranz-Sühnekreuzzug                 11.00 Uhr Pontifikalamt
     			                                                     14.30 Uhr Andacht
     So, 14.10.2018   34. Spanisch sprechende Wallfahrt      12.15 Uhr   Eucharistiefeier
     So, 14.10.2018   Priesterbruderschaft St. Petrus        14.00 Uhr Eucharistiefeier i.a.R.
     Sa, 20.10.2018   Urner Landeswallfahrt                  14.00 Uhr Eucharistiefeier
     So, 28.10.2018   Indisch-katholische Christen           14.30 Uhr Eucharistiefeier
     		               aus der ganzen Schweiz
     November
     Sa, 03.11.2018   Kath. Landvolk, Stuttgart (D)          10.30 Uhr Andacht

      Dezember
     So, 02.12.2018   Freundeskreis Hans Urs von Balthasar 09.30 Uhr Konventamt

       Rosenkranzsonntag in Einsiedeln
                                                                  Der Rosenkranzsonntag
                                                                  ist der letzte grosse Pil­
                                                                  gertag der Wallfahrtssai­
                                                                  son. Mit einem festlichen
                                                                  Pontifikalamt und einer
                                                                  feierlichen Pontifikalves­
                                                                  per mit anschliessender
                                                                  Eucharistischer Prozes­
                                                                  sion wird ein Wort des
                                                                  heiligen Papstes Johan­
                                                                  nes Paul II. konkret erleb­
                                                                  bar: «Den Rosenkranz be­
                                                                  ten heisst nichts anderes,
                                                                  als zusammen mit Maria
                                                                  das Antlitz Christi zu be­
                                                                  trachten.»

       09.30 Uhr      Feierliches Pontifikalamt, mitgestaltet vom Stiftschor
       16.30 Uhr      Feierliche Pontifikalvesper mit Eucharistischer Prozession

10
WALLFAHRT

Der Wallfahrtspater lädt ein

Ein Gott der Lebenden

Mit dem Rosenkranzsonntag am 7. Oktober und dem Meinradssonntag am
14. Okto­ber (siehe «liturgischer Kalender» auf Seite 12) endet die diesjährige
Wallfahrtssaison. Drei besondere Tage erinnern in der Folge auch an die
Endlichkeit unseres eigenen Lebens, beziehungsweise an unsere christliche
Hoffnung auf dessen Vollendung in Gott.

Während die Kirche am 1. November das
Hochfest Allerheiligen feiert, gedenkt sie
am darauffolgenden Tag jener Verstorbe­
nen, deren Vollendung noch aussteht. Im
Kloster Einsiedeln wird darüber hinaus noch
ein weiteres Mal der Verstorbenen gedacht:
am 23. Oktober.

Aller Äbte Jahrzeit
Unter Abt Burkhard von Krenkingen-Weis­         Die Gruft unter dem Boden der Kloster­
senburg (Abt von Einsiedeln 1418–1438) ist      kirche (Foto: Jean-Marie Duvoisin)
erstmals diese gemeinsame Jahrzeit für alle
Äbte, Mönche, Nonnen und Wohltäter be­          wegs sind. Das festliche Pontifikalamt wird
zeugt. In unseren Tagen wird aber auch für      am 1. November vom Stiftschor musikalisch
alle verstorbenen Pilger, Oblaten, Schüler,     mitgestaltet und beginnt um 09.30 Uhr. Für
Mitarbei­tenden und aller, die mit dem Klos­    die übrigen Gottesdienste gilt die Feiertags­
ter verbunden waren, gebetet. Sie alle ver­     ordnung.
trauen wir Gottes barmherziger Liebe an.
    Das feierliche Pontifikalrequiem beginnt    Gedächtnis Allerseelen
am 23. Oktober um 11.15 Uhr in der Kloster­     Am 2. November begeht die Kirche den Ge­
kirche und schliesst mit dem sogenannten        dächtnistag Allerseelen. Das Gebet für die
«Libera» über der Gruft des Klosters. Das       Verstorbenen gehört seit Beginn zur christ­
Requiem ist ein eindrücklicher Gottesdienst,    lichen Glaubenspraxis. Das christliche Toten­
zu dem die Klostergemeinschaft herzlich         gedenken ist von der österlichen Hoffnung
einlädt.                                        geprägt: Der Mensch hat eine Zukunft in
                                                Gott. Im feierlichen Konventamt um 11.15
Hochfest Allerheiligen                          Uhr mit anschliessendem Gebet über der
Die Heiligen sind Zeugen für die Kraft Got­     Gruft beten wir für alle Verstorbenen im
tes und für den Sieg des Auferstandenen,        Vertrauen auf das Wort Jesu: «Gott ist doch
der in seiner Kirche lebt und wirkt. Die Hei­   kein Gott von Toten, sondern von Lebenden;
ligen sind Fürsprecher und Wegweiser auf        denn für ihn leben sie alle» (Lukas 20,38).
das Ziel hin, zu dem wir selber noch unter­     Beten Sie mit uns!       Pater Philipp Steiner

                                                                                                  11
WALLFAHRT

     Liturgischer Kalender für den Oktober
      1. Mo      Hl. Theresia vom Kinde Jesus      23. Di     Jahresgedächtnis für alle
     			         (†1897)                           			        Äbte, Mönche, Nonnen und
     			         Ordensfrau, Kirchenlehrerin       			        Wohltäter
                                                   		 11.15   Feierliches Konventamt
      4. Do      Hl. Franz von Assisi († 1226)
     			         Ordensgründer                     28. So   30. Sonntag im Jahreskreis
                                                   		 09.30 Feierliches Konventamt
      7. So      27. Sonntag im Jahreskreis        		 16.30 Feierliche Vesper
     			         Rosenkranzsonntag
     		 09.30    Feierliches Pontifikalamt         31. Mi     Fest hl. Wolfgang
     		 16.30    Feierliche Pontifikalvesper       			        Mönch von Einsiedeln,
     			         Eucharistische Aussetzung         			        Bischof von Regensburg
     			         Prozession                        		 11.15   Feierliches Konventamt

     13. Sa      Einsiedler Gebetstag
     			         für geistliche Berufe
     		 13.15–   Eucharistische Anbetung
     		 16.00    in der Unterkirche

     14. So      28. Sonntag im Jahreskreis
     		          Äussere Feier der Übertra-
     			         gung der Reliquien des
     			         heiligen Meinrad
     		 09.30    Feierliches Konventamt
     		 16.30    Feierliche Vesper
     			         Prozession mit dem Haupt des
     			         heiligen Meinrad

     15. Mo      Hl. Theresia von Jesus († 1582)
     			         Ordensfrau, Kirchenlehrerin

     16. Di      Hl. Gallus († 7.Jh.)
                                                    Gebetsmeinungen
     			         Mönch, Einsiedler, Glaubensbote    Weltkirche
                                                    Evangelisation: Die Sendung der
     17. Mi      Hl. Ignatius von Antiochien        Ordensleute
     			         († 117)                            Dass sich die Ordensleute wirksam für
     			         Märtyrer                           Arme und Ausgegrenzte einbringen.
                                                    Kirche Schweiz
     18. Do   Fest hl. Lukas, Evangelist
                                                    Wir danken Gott für die Botschaft seiner
     		 11.15 Feierliches Konventamt
                                                    grenzenlosen Liebe. Wir beten für alle,
                                                    die sich weltweit für Menschen in Not
     21. So      29. Sonntag im Jahreskreis
                                                    einsetzen und damit das Evangelium der
     			         Missionssonntag
                                                    Liebe Gottes verkünden.
     		 09.30    Feierliches Konvent
     		 16.30    Feierliche Vesper

12
WALLFAHRT

Liturgischer Kalender für den November
 1. Do   Hochfest Allerheiligen            22. Do     Hl.Cäcilia († 230)
		 09.30 Feierliches Pontifikalamt         			        Jungfrau, Märtyrin
		 16.30 Feierliche Pontifikalvesper
                                           24. Sa     Hl. Kolumban († 615)
 2. Fr   Allerseelen                       			        Abt, Glaubensbote
		 11.15 Feierliches Konventamt
		 16.30 Vesper                            25. So	Hochfest
                                                    Christkönigs­sonntag
 4. So   31. Sonntag im Jahrskreis         			      (34. Sonntag im Jahreskreis)
		 09.30 Feierliches Konventamt            		 09.30 Feierliches Konventamt
		 16.30 Feierliche Vesper                 		 16.30 Feierliche Vesper

 9. Fr      Fest                           30. Fr   Fest Apostel Andreas
			         Weihe der Lateranbasilika      		 11.15 Feierliches Konventamt
  1 1.15    Feierliches Konventamt

10. Sa      Leo der Grosse († 461)
			         Papst

11. So      Hochfest
			         Hl. Martin von Tours († 397)
			         Bischof, Patron des
			         Kt. Schwyz
		 09.30    Feierliches Konventamt
    16.30   Feierliche Vesper

13. Di      Einsiedler Gebetstag
			         für geistliche Berufe
		 13.00-   Anbetung in der Unterkirche
		 16.00    Feierliche Vesper               Gebetsmeinungen
                                            Weltkirche
16. Fr      Hl. Othmar († 759)              Universal: Im Dienst des Friedens
			         Gründerabt von St. Gallen       Dass die Sprache des Herzens und
                                            der Dialog stets Vorrang haben vor
17. Sa      Getrud die Grosse (†1302)       Waffen­gewalt.
			         Ordensfrau, Mystikerin          Kirche Schweiz
                                            Wir danken Gott, dass er den Tod für
18. So   33. Sonntag im Jahreskreis         immer verschlungen hat und die Tränen
		 09.30 Feierliches Konventamt             von jedem Gesicht abwischen wird. Wir
		 16.30 Feierliche Vesper                  beten für unsere Verstorbenen und für
                                            alle, die um einen lieben Verstorbenen
21. Mi      Unsere Liebe Frau von           trauern.
			         Jerusalem

                                                                                     13
WALLFAHRT

     Wallfahrtsinformationen
     Seelsorge                                    Öffnungszeiten

     Beichtzeiten                                 Kirchenpforte
     Sonn- und Feiertage:                         Montag bis Samstag:
     08.30 – 09.15 / 10.45 –11.00 /               08.30 –11.00 / 13.30 –16.15 / 17.00 –18.15 Uhr
     15.00 –16.00 / 17.00 –18.00 Uhr              Sonn- und Feiertage:
     Montag bis Samstag:                          08.30 – 09.15 / 10.30 –11.45 / 13.30 –16.15 /
     10.00 –11.00 / 15.00 –16.00 /                17.15 –18.15 Uhr
     17.00 –18.00 Uhr
                                                  Wallfahrtsbüro
                                                  Sie erreichen uns telefonisch von
     Das «Goldene Ohr»                            Montag bis Freitag
     das.goldene.ohr@kloster-einsiedeln.ch        09.00 –11.00 / 13.30 –17.30 Uhr
                                                  November bis Februar
                                                  sowie während der Sommerferien:
     Klosterkirche
                                                  09.00 –11.00 Uhr
     Ostern bis Allerheiligen:                    Telefon: +41 (0)55 418 62 70
     6.00 – 21.00 Uhr                             Fax: +41 (0)55 418 62 69
     Allerheiligen bis Ostern:                    wallfahrt@kloster-einsiedeln.ch
     6.00 – 20.30 Uhr                             www.wallfahrt-einsiedeln.ch
                                                  Klosterladen
     Segnung von
     Andachtsgegenständen                         Sonn- und Feiertage: 10.45–16.30 Uhr
                                                  Montag–Freitag: 10.00 –12.00 Uhr /
     Montag bis Samstag:
                                                  13.30 –17.30 Uhr
     12.00 / 14.55 / 16.15 / 17.00 Uhr
                                                  Samstags: 10.00 –16.30 Uhr
     Sonn- und Feiertage:                         Telefon: 055 418 64 71
     10.45 / 12.00 / 14.55 / 16.15 / 17.00 Uhr    www.klosterladen-einsiedeln.ch

       Gottesdienste in der Klosterkirche
       Sonn- und Feiertage                        Werktage
       17.30 Uhr    Vorabendmesse (Hauptaltar)    06.15 Uhr   Kapellmesse (Gnadenkapelle)
       07.15 Uhr    Laudes                        07.15 Uhr   Laudes
       08.00 Uhr    Kapellmesse (Gnadenkapelle)
       09.30 Uhr    Konventmesse (Hauptaltar)		   09.30 Uhr   Kapellmesse (Gnadenkapelle)
                                                  11.15 Uhr   Konventmesse (Hauptaltar)
       11.00 Uhr    Pilgermesse (Hauptaltar)		    12.05 Uhr   Mittagsgebet
                                                  16.30 Uhr   Vesper/Salve Regina
       16.30 Uhr    Vesper/Salve Regina           17.30 Uhr   Kapellmesse (Gnadenkapelle)
       17.30 Uhr    Kapellmesse (Gnadenkapelle)   20.00 Uhr   Komplet
       20.00 Uhr    Komplet

14
WALLFAHRT

Liturgisches Grundwissen

Messgewand
Am Anfang, in der Antike, stand
der Regenmantel, ein radartig
geschnittener Überwurf, den ein­
fache Menschen als Wetterschutz
trugen. Dann wurde er auch in
höheren Kreisen beliebt. Seit
dem 4. Jahrhundert galt er als
festliches Kleidungsstück. Des­
halb wurde er Teil der liturgi­
schen Kleidung des Klerus. Den
Charakter als glockenartiger
Mantel mit einem Schlitz für den
Kopf blieb bis ins Mittelalter er­
halten. Er fiel wie ein Umhang
mit vielen Falten über Arme und
Körper.

Als im Laufe des Mittelalters
schwerere Stoffe aufkamen, än­ Pater Kolumban als Zelebrant in einem Messge-
derte man den Schnitt: Für die wand aus der Fahrer Paramentenwerkstatt.
Feier der Messe brauchte der
Priester Armfreiheit. Der schwere Stoff war hinderlich. Man kürzte Schritt für Schritt
die Seiten des Mantels, bis im Barock nur noch der Ausschnitt für die Arme blieb. Auch
die Länge des Mantels passte man an. Brust- und Rückenseite waren indes auch durch
reiche Verzierung noch fester geworden. Das barocke Messgewand sah aus wie eine
Bassgeige und wird deshalb auch so genannt.

Als am Ende des 19. Jahrhunderts Romanik und Gotik ein Revival erlebten, kamen
erneut weite Kaseln in Gebrauch. Heute gilt, dass ein gutes Messgewand die Bewe­
gungen des Priesters unterstützen muss, also einen funktionsgerechten Schritt
braucht. Sein mantelartiger Charakter wird vor allem durch die Fülle und die Qualität
des Stoffes unterstrichen.

(Quelle: Gunda Büske / Josef-Anton Willa (Hg.), Im Namen ... Amen. Liturgie in Stichworten. Paulus­
verlag, Freiburg Schweiz, 2012

Mit freundlicher Genehmigung des Liturgischen Institutes der deutschsprachigen
Schweiz, Fribourg, www.liturgie.ch

                                                                                                      15
WALLFAHRT

     Dritte Familienwallfahrt im Kloster Einsiedeln

     Segen für die Kinder
     zum Schuleintritt
     Am Sonntag, 12. August 2018, führte das
     Kloster Einsiedeln zum dritten Mal eine Fa­
     milienwallfahrt durch. 13 Familien trafen
     sich um 11.00 Uhr zur gemeinsamen Eucha­
     ristiefeier mit Abt Urban. Zur musikalischen
     Mitgestaltung konnte auch dieses Jahr wie­
     der eine kleine Jugendgruppe gebildet wer­
     den, die sich während des Wochenendes in
     den Räumen des Internates und der Schule
     darauf vorbereitete. Bis nach der Predigt
     waren die Kleinsten derweil mit verschiede­
     nen Spielen beschäftigt. Danach allerdings      Sie hat bereits lesen gelernt (Foto: Jean-Marie
     hielten auch sie Einzug mitten in die Gottes­   Duvoisin).
     dienstversammlung, um beim Hauptteil der
     Eucharistiefeier dabei sein zu können.          Jahr keinen Referenten für ein Impuls-Refe­
          Im Anschluss an den Gottesdienst blieb     rat ein. Dafür gab unser Pater Jean-Sébasti­
     genug Zeit für das gemeinsame Mittagessen       en einen Einblick in sein künstlerisches
     und zu Spiel und Bewegung im grossen Stu­       Schaffen und betrachtete mit den Eltern das
     dentenhof bei schönstem Sonnenschein.           eine oder andere Bild. Die regelmässigen
          Im Nachmittagsprogramm gab es für die      Leserinnen und Leser dieser Zeitschrift wer­
     Kinder und Jugendlichen nebst Bewährtem         den in etwa ahnen können, welche Kost den
     wie die Pferde im Marstall, die Spurensuche     Eltern hier geboten wurde, die auch da und
     im Kloster mit Pater Philipp oder Spiel und     dort einen tiefen Eindruck und Dankbarkeit
     Spass mit Pater Cyrill, dieses Jahr auch ein    hinterliess.
     neues Angebot: Unser Stiftsorganist Pater           Der anschliessende Kaffee bot den Fami­
     Theo bot die Gelegenheit, die Einsiedler Or­    lien nochmals die Möglichkeit zu gegensei­
     geln zu entdecken. Da durfte man auch sel­      tigem Austausch, während die Kinder und
     ber mal in die Tasten greifen oder in das       Jugendlichen mit einer Glacé beschenkt
     riesige Instrument reinschauen, während         wurden, welche man beim heissen Wetter
     der Organist spielte. Die Kleinsten konnten     offensichtlich gerne annahm.
     sich unter guter Betreuung dreier Frauen            Die Wallfahrt fand ihren bewährten Ab­
     wieder ihren Spielen widmen, so dass die        schluss in einer kurzen Andacht in der Gna­
     Eltern aufmerksam den Ausführungen des          denkapelle mit Pater Philipp bei der Einsied­
     Referenten folgen konnten.                      ler Muttergottes. So wurden die Familien
          Da im vergangenen Jahr von verschiede­     mit dem Segen Gottes wieder nach Hause
     ner Seite der Wunsch geäussert worden war,      entlassen. Einen besonderen Segen galt
     man würde doch gerne noch etwas mehr            nicht zuletzt den Kindern, die Tags darauf
     vom Kloster selber an einem solchen Wall­       ihren ersten Schultag hatten.
     fahrtstag mitbekommen, luden wir dieses                                 Pater Daniel Emmenegger

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Haben Sie gewusst, dass ...
                                      …manchmal etwas unerhört sein kann, ohne dass überhaupt etwas passiert? Jemand hat eine
                                      Bitte ausgesprochen, der Adressat reagiert überhaupt nicht darauf, der Bittende bleibt uner­
                                      hört. Das Leben und die Literatur kennen auch unerhörte Liebhaber; schmachtende Sehn­
                                      sucht, feurige Liebesbekenntnisse eines Verliebten laufen ins Leere, sie finden kein Gehör bei
                                      der Angebeteten. Für religiöse Menschen werden unerhörte Gebete oft zu einer quälenden
                                      Frage, die zu Zweifeln an der Existenz oder der Güte Gottes führen können.

                                      Glücklicherweise aber ist das Unerhörte meistens nicht eine ausbleibende Antwort auf eine
                                      Sehnsucht oder Bitte. «Unerhört» ist im Gegenteil etwas, was über das Erwartete, Erhoffte
                                      oder Bekannte hinausgeht. Da rast einer mit unerhörter Geschwindigkeit dahin, einer ver­
                                      spielt oder gewinnt eine unerhörte Summe im Kasino, das im Gegensatz zu seiner italienischen
                                      Bedeutung nicht ein kleines Haus oder ein anmutiges Landhaus ist. Und dass es auch möglich
                                      ist, ohne unerhörte Anstrengungen, sondern nur durch geschickte Absprachen unerhörte
                                      Gewinn zu machen, haben uns ja Baufirmen im Unterengadin demonstriert.
(Foto: Thierry Bösiger/Imagepoint).

                                      Der lateinische Dichter Horaz (65–8 v. Chr.) war ein erklärter Gegner alles unerhört Grossen,
                                      Mächtigen, Überdimensionierten. Er preist als ideale Lebensweise in bildhafter Sprache die
                                      «Mitte»: Strebe nicht nach einem Palast, um den man dich beneidet, aber sei auch nicht mit
                                      einer schmutzigen Hütte zufrieden, fahre nicht auf das stürmische Meer hinaus, aber bleibe
                                      auch nicht ängstlich am Ufer kleben. Dem Unglück stelle dich herzhaft und stark entgegen,
                                      vor dem unerhörten Glück, das dir winkt, zieh aber das Segel ein, stürze dich nicht hinein.
                                      Religiösen Ausdruck gibt dieser Haltung Eduard Mörike (1804–1875) «Herr! schicke, was du
                                      willt,/ ein Liebes oder Leides; / Ich bin vergnügt, dass beides / aus deinen Händen quillt. Wollest
                                      mit Freuden / und wollest mit Leiden / mich nicht überschütten! / Doch in der Mitten / liegt hol­
                                      des Bescheiden.»                                                                Pater Alois Kurmann

                                                                                                                                             17
KLOSTER EINSIEDELN

     In Memoriam

     Bruder Suso
     (1932 – 2018)

     Am Sarg eines Menschen zu sein, der uns viel
     bedeutet hat – das ist eine grosse Herausfor­
     derung. Das geht uns zu Herzen. Wir haben
     unser Alltagsgeschäft verlassen, um uns hier
     zu versammeln. Und hier in der Klosterkirche
     vor dem offenen Sarg werden wir aus aller
     Oberflächlichkeit herausgerüttelt. Wir sind
     mit dem konfrontiert, was allein todsicher ist
     in unserem Leben. Es läuft nicht einfach so
     weiter wie immer. Das gilt für uns alle. Es ist
     nur eine Frage der Zeit. Wir werden konfron­
     tiert mit Fragen von Leben und Tod.
          Der christliche Beerdigungsgottesdienst
     bringt unsere alltäglichen Vorstellungen
     ganz gehörig durcheinander. Hier begegnen
     wir nicht der Logik, die uns allen vertraut ist.
     Hier begegnen wir einer umgekehrten Logik.
     Wir stellen uns der Wirklichkeit des Todes –
     ohne sie zu verdecken. Aber wir bedauern           Bruder Suso Jöhl (Foto: zvg).
     nicht, dass das Leben von Bruder Suso jetzt
     vorbei ist. Wir trösten uns nicht mit dem Hin­      unser Glaube prägt unser ganzes Leben.
     weis, dass wir ihn nicht vergessen werden           Oder vielleicht doch nicht? Sind wir nicht im­
     und er so unsterblich bleibt. Das wäre tat­         mer wieder in der Versuchung, der Logik zu
     sächlich ein schwacher Trost. Dann wären die        folgen, die einfach grad in der Luft liegt?
     meisten Verstorbenen in kurzer Zeit einfach             Von einer umgekehrten Logik spricht
     verschwunden. Nein, hier geht es um viel           ­Jesus im Evangelium in aller Deutlichkeit. Er
     mehr. Dieser Gottesdienst ist Verkündigung          spricht von den Machtverhältnissen in der
     unseres Glaubens. Der Tod von Bruder Suso           Welt. Und dann dieses so klare Wort: «Bei
     ist nicht das Ende seines Lebens, sondern sei­      euch aber soll es nicht so sein!» Immer wieder
     ne Vollendung. Der Tod ist die Heimkehr in          wird dieses Wort in der Kirche vorgelesen,
     die volle Gemeinschaft mit dem Gott, der            aber oft machen wir es durch unser Leben
     Bruder Suso das Leben geschenkt hat. Wir            leider nicht wahr. Wie oft gleicht die Macht
     glauben, dass Gott uns das Leben in Fülle           in der Kirche der Macht in der Welt! Nicht
     schenken will – für immer und ewig. Der Tod         von ungefähr sprechen wir auch in der K  ­ irche
     ist nicht ein Bruch im Leben, sondern ein           von Karriere, von Machthabern, von Kirchen­
     Wandel. So wird Abt Urban zu Beginn des             fürsten, von Oberen. So werden wir auch von
     grossen eucharistischen Gebetes singen:             vielen Menschen draussen wahrgenommen.
     «Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das            Und doch bleibt das wegweisende Wort
     Leben gewandelt, nicht genommen.» Dieser            Jesu: «Bei euch aber soll es nicht so sein, son­

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KLOSTER EINSIEDELN

dern wer bei euch gross sein will, der soll         be grosse und kleine Dienste wahrnehmen.
euer Diener sein, und wer bei euch der Erste        Wir müssen ­unseren Glauben nicht verteidi­
 sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch   gen, wir dürfen ihn leben.
der Menschensohn ist nicht gekommen, um                 Aus diesem Glauben bemühte sich Bru­
 sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen        der Suso, sein Leben als Getaufter und als
und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für          Mönch zu gestalten. «Nichts höher stellen
viele.» Das gilt nicht nur für den Papst, die       als Christus, der uns alle zum ewigen Leben
Bischöfe, die Ordensoberen. Nein, das gilt          führen möge.» So endet das Kapitel 72 der
für alle Getauften. Das gilt für uns alle: im       Mönchsregel des heiligen Benedikt, das
Kloster, in der Familie, am Arbeitsplatz, in        Lieblingskapitel von Bruder Suso. Wie wich­
der Begegnung mit Menschen wo auch im­              tig ihm dieses Kapitel war, das haben sehr
mer. «Wer bei euch gross sein will, der soll        viele Menschen hier im Kloster, in seiner Ver­
euer Diener sein, und wer bei euch der Erste        wandtschaft, in seinem grossen Bekannten­
sein will, soll der Sklave aller sein.» Diesen      kreis, an der Kirchenpforte und bei zufäl­
Weg ist Jesus gegangen – den dürfen in sei­         ligen Begegnungen erfahren dürfen. So
ner Nachfolge auch wir wagen. Dann ge­              muss man nicht überrascht sein, wenn zu
winnt unser Leben eine ganz neue Qualität.          dieser Beerdigung auch Menschen aus ande­
Dann werden wir nicht mehr verkrampft               ren Religionsgemeinschaften gekommen
­suchen, unsere Pflichten zu erfüllen. Uns          sind. Diese Glaubenshaltung versuchte Bru­
wird in aller Treue eine Gelassenheit ge­           der Suso zu leben und durch sein Beispiel
schenkt, die uns frei macht und selbst bei          auch anderen unaufdringlich ans Herz zu
grössten Schwierigkeiten den Humor nicht            legen. Die Welt schreit nach Menschen, die
verlieren lässt. Wir müssen nicht an allem          von einer Hoffnung erfüllt sind, die durch
festhalten in der Angst, etwas zu verpassen.        alles trägt. Solche Menschen tun gut.
Wir können mit derselben Liebe und Hinga­                                      Pater Martin Werlen

  Lebenslauf
  Am 4. November 1932 wurde den Eltern Alois und Maria Jöhl geb. Weiss ein gesunder
   Knabe geschenkt, den sie zwei Tage später in der Pfarrkirche zu Abtwil im Kanton Sankt
   Gallen auf den Namen Karl taufen liessen. Karl war das zweitälteste von insgesamt zehn
   Kindern. Seine Kinder- und Jugendzeit verbrachte Karl in Abtwil. 1941 empfing er seine
   erste heilige Kommunion und noch im selben Jahr das Sakrament der Firmung. Schon als
   Primarschüler war Karl in den Ferien auf verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben
   tätig, was dann nach seiner Schulzeit eine entsprechende Fortsetzung fand. In den
  ­Arbeitszeugnissen, die Karl von den einzelnen Landwirten, auf deren Betrieben er gear­
   beitet hatte, erhielt, fällt besonders eines auf: Überall wird Karls Liebe zu den Tieren und
   die gute Behandlung, die er ihnen zukommen liess, hervorgehoben. Wer gesehen hat, wie
   sehr sich Bruder Suso zuletzt an den jungen Enten in unserem Fratergarten freuen konnte,
   kann sich ungefähr ein Bild von dieser Liebe zu den Tieren machen.
        Am 12. Mai 1958 trat Karl Jöhl nach anfänglichem Zögern ins Kloster Einsiedeln ein. Der
  Abtwiler Pfarrer Paul Stadler bedauerte, dass der 25-jährige schon so alt sei, denn er hätte
   in ihm einen fähigen Priesteramtskandidaten gesehen.
        Nach einem Jahr Noviziat legte Karl am 8. Dezember 1959 seine Einfache Profess ab, bei
   der er den Namen des sel. Heinrich Seuse erhielt. In den etwas mehr als sechs Jahren bis zur
   Feierlichen Profess im Januar 1966 wurde für Bruder Suso eine Konsequenz des Kloster­

                                                                                                     19
KLOSTER EINSIEDELN

     eintritts besonders spürbar: Die Trennung von der Familie, die nicht nur für ihn selber,
     sondern auch für seine Familie, besonders für die Eltern, schmerzhaft war. Spürbar wurde
     das insbesondere dadurch, dass Bruder Suso während dieser Zeit nie nach Hause zu seinen
     Angehörigen gehen konnte. So zumindest lautete die Regel. Vielleicht ist es bezeichnend,
     dass Bruder Suso sich auf die heilige Scholastika, die Schwester unseres Ordensvaters Be­
     nedikt berief, wenn er den Verantwortlichen im Kloster den Gedanken nahelegte, in ge­
     wissen Abständen einen Besuch zu ermöglichen. So schrieb er: «Es gäbe doch gewiss manch
     freudiges Herz, wenn man so circa jedes zweite Jahr zu den Ange­hörigen könnte. Dadurch
     würde ihnen ohne Zweifel das Kreuz erleichtert. Gab doch Gott der heiligen Scholastika
     durch ein Wunder Zeit, dass sie länger bei ihrem Bruder weilen konnte.» Und tatsächlich
     bewirkte Gott auch für Bruder Suso ein ähnliches «Wunder»: Auf die an Abt Raimund
     Tschudy gerichtete Bitte seiner Schwester Ida hin durfte Bruder Suso an deren Hochzeit
     teilnehmen. Begründet wurde diese Ausnahme von der Regel mit dem Umstand, dass der
     Bräutigam ebenfalls einen Bruder im Kloster habe.
          Im Kloster arbeitete Bruder Suso während sieben Jahren vor allem im Garten und dann
     von 1965 bis 1999 in der Klosterküche. Es war wohl ein Zugeständnis an seine Liebe zu den
     Tieren, wenn ihm im Kloster die Bienen anvertraut wurden. Diese Verantwortung nahm er
     bis vor wenigen Jahren wahr, und er sorgte auch dafür, dass seinen Mitbrüdern an hohen
     Festtagen das Frühstück mit Honig versüsst wurde.
          Während den fast vier Jahrzehnten in der Klosterküche kam Bruder Suso mit sehr vielen
     Menschen in Kontakt. Viele, deren Leben nicht gerade auf Rosen gebettet war, fanden
     bei Bruder Suso Trost. Seine Einfachheit und sein Humor wirkten gerade in schwierigen
     Situationen befreiend – auch im Kloster. Trost und Freude spendete Bruder Suso auch mit
     seinen vielen Gedichten, die er weitherum verschickte. Nach seinem Tod schrieb jemand:
     «Ich verliere in Bruder Suso einen langjährigen, treuen Begleiter. Er ist der erste christliche
     Mönch, dem ich begegnet bin, nach einer langen Lebensphase mit hinduistischen Mön­
     chen.» Bis wenige Monate vor dem Tod war Bruder Suso in der F­ unktion des Klosterpfört­
     ners auch noch für die vielen Menschen da, die täglich an ­unsere Kirchenpforte klopfen.
          Dass Bruder Suso die «gewöhnlichen Dinge gut tut» und seine Berufung täglich «mit
     grösster Selbstverständlichkeit» lebt, dies waren wohl entscheidende Gründe, die im Jahr
     2002 den damaligen Abt Martin Werlen dazu bewogen, Bruder Suso das Amt des S­ ubpriors
     zu übertragen. Dieses Amt bekleidete Bruder Suso bis zum Jahr 2008. Damit geht er in
     besonderer Weise in die jüngere Geschichte unseres Klosters ein: Er, ein Bruder und damit
     Nichtpriester, hatte das Amt eines Oberen inne.
          Wenn wir das zusammennehmen: Die vielen Menschen, die Bruder Suso begleitete und
     das Amt des Oberen im Kloster, so kann man nicht leugnen, dass Bruder Suso de facto ein
     Seelsorger war. Vielleicht hatte der Abtwiler Pfarrer es gar nicht so falsch g­ esehen, wenn
     er im 25-jährigen Karl einen fähigen Priester­amtskandidaten gesehen hat.
          Etwa eine Stunde vor seinem Tod sprach Bruder Suso ein letztes Wort. Mir scheint es
     Ausdruck einer gelebten Haltung zu sein. Und vielleicht dürfen wir dieses Wort sozu­sagen
     als sein Vermächtnis mit auf den Weg nehmen und uns auch unsererseits in dieser Haltung
     üben. Das Wort lautete ganz schlicht: «Danke!» Danke für einen Schluck Wasser.
                                                                             Pater Daniel Emmenegger

                        «Muttergottes mit Jesuskind» auf einem Messgewand aus der Grossen Sakristei
                                                 des Klosters Einsiedeln (Foto: Bruder Gerold Zenoni)

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KLOSTER EINSIEDELN

     Pater Lukas Helg – 42 Jahre im Dienst der klösterlichen Kirchenmusik

     Ein Bauernbub als
     Einsiedler Stiftskapellmeister
     Gerne betont Pater Lukas Helg, er sei halt ein Bauernbub. Ob er mit diesem Hin-
     weis sein manchmal schon fast lausbubenhaftes Benehmen beschreiben möchte?
     Seine musikalischen Fähigkeiten kann er jedenfalls nicht meinen, wenn es um seine
     Herkunft geht: Dafür war er von der Familie her gleichsam prädestiniert. Zudem
     bedeutet Bauernbub zu sein für mich: bodenständig, gesund. Tatsächlich wurde für
     das musikalische Wirken von Pater Lukas in seiner Familie im Toggenburg und
     später im Kloster ein guter Boden gelegt.

     Natürlich stimmt es: Pater Lukas ist ein Bau­     ten hat Pater Lukas aber längerfristig an­­-
     ernbub. Das heisst aber in keiner Weise, er       gelegte Änderungen in der Einsiedler Kir­
     hätte damit nicht gute Voraussetzungen ge­        chenmusik vorgenommen, die nachhaltig
     habt, um die Musik zu einem seiner Lebens­        sind. Erinnern möchte ich dabei nur an die
     inhalte zu machen. Viel wurde in seiner           Veränderung des Stiftschors von einem
     Kindheit zu Hause gesungen und musiziert.         Schulchor zu einem Kirchenchor der ge­
     So ist Pater Lukas nicht der einzige unter sei­   sangsbegeisterten Frauen und Männer aus
     nen Geschwistern, die ihre musikalischen          der Region.
     Talente ausgelebt haben und es noch tun.
     Bezeichnend für ihn ist einzig sein Weg zur       Persönliche Förderung
     Kirchenmusik. Dazu verholfen hat ihm unse­        Als Pater Lukas seine Aufgabe als Stiftska­
     re klösterliche Liturgie. Und die Stadt Salz­     pellmeister des Klosters übernahm, war ich
     burg.                                             acht Jahre alt. Meine Stimme war noch un­
                                                       gebrochen und so hoch, dass ich höher als
     Vom Schul- zum Kirchenchor                        die anderen in meiner Klasse singen konnte.
     Viele wissen um die Liebe des Toggenbur­          Darum wurde ich vom Radio eingeladen.
     gers zu Salzburg. In den Jahren 1971 bis 1975
     saugte er dort die Kirchenmusik gleichsam
     auf. Schliesslich wurde er 1976 Kapellmeister
     unseres Klosters und konnte seitdem Gene­
     rationen von Schülerinnen, Schülern, Mit­
     brüdern, Chormitgliedern und Orchesterbe­
     geisterten diese seine Liebe weitergeben.
     Mit einer Amtszeit von 42 Jahren hat er in
     der Ausdauer alle seine Vorgänger in unse­
     rer langen Tradition übertroffen und so
     dem musikalischen Leben in Einsiedeln sei­
     nen Stempel aufgedrückt. Seine Herkunft           Pater Lukas (rechts), Abt Urban und Lukas
     als Bauernbub mag manche seiner gefühl­           Meister zelebrieren die Stabsübergabe (Foto:
     vollen Reaktionen geprägt haben. Ansons­          Klaus Annen).

22
KLOSTER EINSIEDELN

Am 9. September dirigierte Pater Lukas Helg zum letzten Mal «seinen» Stiftschor im Rahmen
der Sonntagsmesse in St. Gerold (Foto: Pater Georg Liebich).

Meine Rolle in einem Singspiel war jene des      eine Chance gehabt hätte? Pater Lukas ver­
jungen David, der, begleitet von seiner Har­     setzte mich eines Tages in den 2. Tenor. Dort
fe, den schwermütigen König Saul mit der         durfte ich meine eigene Stimme entdecken.
Musik erheitern und befreien sollte. Diese       Pater Lukas konnte nicht ahnen, worauf er
Rolle deute ich hier nicht nur davidisch, son­   mich damit vorbereitet hatte.
dern auch lukanisch: Hat es nicht auch Pater
Lukas immer wieder verstanden, beim Musi­        Es bleibt bei Lukas
zieren andere zu erfreuen? Als ich später in     Pater Lukas hat es nicht nur verdient, würdig
die Stiftsschule eintrat, begegnete ich Pater    verdankt, sondern noch mehr gut ersetzt zu
Lukas nicht an der Harfe, sondern mit dem        werden. Auch der neue Kapellmeister heisst
Cello. Schüchtern, wie ich damals war, trat      Lukas: Lukas Meister. Er ist der Wunschkan­
ich ins Orchester ein. Pater Lukas aber wuss­    didat von Pater Lukas als dessen Nachfolger.
te mich zu fördern: Mit einem Kollegen zu­       Der andere Lukas ist zwar nicht Toggenbur­
sammen sass ich im Theatersaal der Schule        ger, dafür Meister des Opern- und Konzert­
vor einem Publikum mässig interessierter         dirigates, Musiker und Musikpädagoge.
Schülerinnen und Schüler und spielte die         Auch war er Generalmusikdirektor in
1. Stimme des Cello-Doppelkonzertes in           Deutschland. Und Lukas Meister soll nicht
g-Moll von Antonio Vivaldi – mit viel Vib­­-     nur verwalten, sondern darf auch entfalten:
rato, mehr romantisierend als in barocker        In Kirche, Hof und Stiftsschule wird er unse­
Manier, aber mit der wichtigen Erfahrung,        re reiche Musiktradition weiterentwickeln
vor einer grossen Menge bestehen zu kön­         und in die Zukunft führen. Gerade an der
nen. Und auch meine Stimme war verhalten         Stiftsschule, wo Lukas Meister die musikali­
beim Singen. Mein Nachbar im Männerchor,         schen Formationen leitet, soll er das musika­
Pater Roman Bannwart, sagte mir jeweils, er      lische Leben weiter fördern. Projekte sind
höre nichts von mir. Ob ich auch mit kräfti­     willkommen, die Nähe zum Kloster ist eine
gerer Stimme neben seinem vollen Bariton         grosse Chance. Und ein erstes Projekt ist be­

                                                                                                 23
KLOSTER EINSIEDELN

     reits unterwegs: Das Kloster schenkte eine     sen Zeilen das Wirken von Pater Lukas – auch
     in den 1990er-Jahren von einem jüdischen       im Namen meiner Klostergemeinschaft –
     Ehepaar erhaltene Instrumentensammlung         verdanke: sein Engagement während 42
     dem Jerusalem Music Center, der bedeu­         Jahren für den Stiftschor, für das Kloster, für
     tendsten Ausbildungsstädte für junge Musi­     die Stiftsschule – und für mich ganz persön­
     kerinnen und Musiker in Israel. Im Septem­     lich. Pater Lukas setzt sich nun aber nicht
     ber wird nun Lukas Meister eine Masterclass    einfach zur Ruhe. Er dirigiert weiter den
     israelischer Jungmusikerinnen und -musiker     klösterlichen Männerchor und betreut unse­
     an der Stiftsschule begleiten. Ich bin darum   re international einzigartige Musikbiblio­
     gespannt und freue mich auf unsere musika­     thek. Für diese ist Pater Lukas nicht nur ein
     lische Zukunft.                                wandelndes Lexikon, sondern auch als be­
                                                    geisternder Führer bekannt. Wer dies erle­
     Der Dank                                       ben möchte, warte gespannt auf eine für
     Damit knüpft der neue Lukas beim älteren       2019 in den Monaten Juni bis Oktober im
     an: Auch Pater Lukas Helg war lange Jahre      Museum FRAM geplante Ausstellung. Unse­
     Förderer der Kirchenmusik und gleichzeitig     re Musikbibliothek wird dann lebendig er­
     der musikalischen Talente junger Generatio­    zählt werden durch den allerorts bekannten
     nen. Eben: über Jahrzehnte hinweg! Ich         und talentierten Toggenburger Bauernbub.
     habe darum allen Grund, wenn ich mit die­                                   Abt Urban Federer

     Pater Lukas Helg

     Rückblick auf 42 Jahre Kapellmeister
     Zur Stabsübergabe als Kapellmeister legt Pater Lukas Helg eine Art Rechenschafts­
     bericht in Buchform vor. Die 64-seitige Schrift, die wir in «Salve» in Fortsetzung
     abdrucken, beschliesst der klösterliche Musikmeister augenzwinkernd mit einem «Ab-
     gesang, nach der Melodie vom Lied des Hans Stadinger «Auch ich war ein Jüngling
     mit lockigem Haar» aus Lortzings Oper ‹Der Waffenschmied› zu singen». Angesichts
     der Tatsache, dass Pater Lukas den Taktstock an einen weltlichen Nachfolger über-
     gibt, beginnt er seinen Rechenschaftsbericht mit einer nicht ganz unberechtigten Frage:

     Bin ich der Letzte?                            (1882) Kapellmeister und blieb es bis zu sei­
     In der Festschrift «Congaudent angelorum       nem Tod, hatte also eine Amtszeit von 38
     chori» zum 80. Geburtstag unseres langjäh­     Jahren. Von seinen 21 Vorgängern waren
     rigen Choralmagisters P. Roman Bannwart        nur vier länger als 10 Jahre im Amt. Den Re­
     im Jahre 1999 habe ich einen 20-seitigen Ar­   kord hielt P. Clemens Hegglin (1828–1924)
     tikel zum Thema «Die Einsiedler Kapellmeis­    mit einer Amtszeit von 19 Jahren. Die restli­
     ter seit 1800» geschrieben. In der Liste der   chen 17 Vorgänger hatten dieses Amt im
     dort aufgeführten 27 Kapellmeister seit        Maximum 5 Jahre inne. In den 30-er Jahren
     dem Jahr 1791 überragt betreffend der Län­     des 19. Jahrhunderts wurde fast in jedem
     ge der Amtszeit P. Basil Breitenbach (1855–    Jahr ein neuer Kapellmeister ernannt. Wie
     1920) alle übrigen. Er wurde mit 28 Jahren     schaut es in dieser Beziehung bei den Nach-

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KLOSTER EINSIEDELN

Stiftschorprobe im alten Musiksaal 1964, Pater Lukas erste Reihe in der Mitte (Foto: zvg).

folgern von P. Basil Breitenbach aus? P. Alois     letzte Kapellmeister aus der Klostergemein­
Gyr (1884–1958) war Kapellmeister von 1920         schaft bin.
bis 1931 (11 Jahre). Auf ihn folgte P. Otto            Im Herbst 1976 übernahm ich einen Chor,
Rehm (1887–1971), der von 1931 bis 1947 die­      in welchem neben meinen Mitbrüdern und
ses Amt ausübte (16 Jahre). Dessen Nachfol­       einigen Schulkindern vom Dorf 19 Knaben
ger war P. Oswald Jaeggi (1913–1963) mit           mit ungebrochener Stimme der unteren drei
einer Amtszeit von nur 2 Jahren (1947 bis         Gymnasialklassen, 9 Mädchen und junge
1949). Dann übernahm P. Daniel Meier              ­Damen aus verschiedenen Klassen und 11
(1921–2004) den Posten des Kapellmeisters         Studenten mit gebrochener Stimme mitsan­
und blieb bis im Juli 1976 im Amt (26 Jahre).     gen.
Schliesslich wurde ich im Alter von 32 Jahren
von Abt Georg Holzherr zum Einsiedler             Vom Schüler- zum Erwachsenenchor
Stiftskapellmeister ernannt. Dass ich rekord­     Am Ende des Schuljahrs 2017/18 werde ich
verdächtige 42 Jahre auf diesem Posten aus-       einen Chor abgeben, der völlig anders zu­
harren und betreffend Länge der Amtszeit          sammengesetzt ist. Von den jetzigen Stifts­
sogar mein grosses Vorbild P. Basil Breiten­      schülerinnen und Stiftsschülern ist niemand
bach um vier Jahre übertreffen würde, ­hätte      mehr dabei. An ihre Stelle sind 56 Erwachse­
ich mir zu Beginn niemals vorstellen können.      ne getreten, 40 Frauen und 16 Männer.
Jetzt, wo ich von Generalmusikdirektor Lu­            Immerhin ist die Vergangenheit irgend­
kas Meister, dem ersten weltlichen Einsied­       wie noch präsent: Unter diesen Erwachse­
ler Stiftskapellmeister, abgelöst werde,          nen befinden sich 7 ehemalige Stiftsschüle­
möchte ich anhand von einzelnen Stichwor­         rinnen und -schülern und, was vielleicht
ten abliefern, was ich am Schluss des an­         noch aussagekräftiger ist, 22 Mütter oder
fangs erwähnten Artikels in Aussicht gestellt     Väter von Ehemaligen.
habe, einen «Rechenschaftsbericht über                                         Pater Lukas Helg
meinen Dienst auf diesem verantwortungs­          (Fortsetzung folgt)
vollen Posten». Es könnte ja sein, dass ich der

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