Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...

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Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...
ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH
                          UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN

                          Knapp am Blackout vorbei ...
                          Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung

                          Green Deal – neue Ziele | Erneuerbare Wärme: Verbreitung und Bar­rieren | Gute
                          Gründe für Wasserstoff | ÖVGW-Lobbying im Wasserfach | Die EU-Trinkwasser-Richt-
                          linie. Interview mit Rudolf Anschober | WVU im Portrait: Hartberg

                          IT-Security in der Wasserversorgung | Eingriffsfreie Gasmengenmessung mit Clamp-
                          On-Ultraschalltechnik | ÖBB: Wasserstoff statt Diesel

                          ÖVGW Forum Trinkwasser digital

                          Greening the Gas | Schwerpunktsetzungen im Wasserfach | ÖVGW Koordinierungs-
                          ausschuss Wasser | Die Prüfstellen der ÖVGW: TÜV Rheinland
P.b.b. – MZ 18Z041331 M

                          1 /2021
Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...
Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...
HEFT 1/2021 – 18. JAHRGANG / 99. AUSGABE – 15. FEBRUAR 2021

                                                                                                                INHALT
                                           FACHFORUM THEMA

                                       Knapp am Blackout vorbei ...                                        6
                                       Kein Schwarzer Freitag
                                       Im Jänner kam es zu einer bedrohlichen Störung im europä­ischen
                                       Stromverbund. Welche Rolle spielen Gas und Fernwärme jetzt und
                                       künftig bei der Abwehr solcher Gefahren?

                  FACHFORUM                                             INNOVATIONSFORUM
Konsultationen zu Energierichtlinien              10       IT-Security in der Wasserversorgung            27
Green Deal – neue Ziele
                                                           Eingriffsfreie Gasmengenmessung                30
Studie im Auftrag von EHP                         14       mit Clamp-On-Ultraschalltechnik
Erneuerbare Wärme: Verbreitung und
­Barrieren                                                 2021 – ein wichtiges Jahr für Grünes Gas       34

Neue Studie                                        15      Grünes Gas konkret                             35
Gute Gründe für Wasserstoff                                ÖBB: Wasserstoff statt Diesel

Interessenvertretung auf EU-Ebene                 18
In Brüssel spielt die (Wasser)Musik                                    VERANSTALTUNGSFORUM
                 „Es ist ein Geben                19       Start der Online-Veranstaltungsreihe           37
                 und Nehmen“
                                                           ÖVGW Forum Trinkwasser digital
                 Interview mit dem ÖVGW-­
                 Lobbyisten Martin Säckl                   Veranstaltungskalender                         38
Die EU-Trinkwasser-Richtlinie                     20
                „Man hat einen gewissen           21                  KOLUMNEN UND RUBRIKEN
                Spielraum“
                Interview mit Gesundheits­                 Editorial                                        5
                minister Rudolf Anschober
                                                           Gasmobilität aktuell: VW-Konzern gibt Gas      36
Österreichs Wasserversorger im Portrait (9)       24
Hartberg Wasserdienstleistungen GmbH                       Impressum                                      38

                                              VERBÄNDEFORUM
 im Focus: Grundrecht auf     39       ÖVGW-Gremien im Portrait        41     Die Prüfstellen der ÖVGW (4) 46
 Klimaschutz?                          Koordinierungsausschuss                TÜV Rheinland
                                       Wasser
 Greening the Gas          40                                                 Zuerkennung der ÖVGW-       48
 ÖVGW-Präsident Haselauer:             Vizepräsident Nöstlinger:       43     Qualitätsmarke
 Ermutigende Forschungs-               Schwerpunktsetzungen
 ergebnisse                            im ÖVGW-Wasserfach                     ÖVGW Factsheet Gas          49
 FGW-Obmann Weinelt:                                                          Grünes Gas
 Rechtsrahmen für Grünes               Kurzmeldungen Wasserfach        44
 Gas dringend nötig                    Wasser aktuell                         Personalia                  49

FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021                                                                                            3
Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...
FIRMEN IM GASFACH                   The Plastics Experts.
                                                                                                                                www.ovgw.at/figa

                                                                                                    Manufaktur für ökologische Dichtmittel
                                                                                                           und Korrosionsschutz

                           www.agru.at                            www.aliaxis-ui.at                       www.bacoga.com                      www.bammer-gmbh.at
                          Rohre, Fittings, Platten,            Das innovative Unternehmen,         BCG Gas 2000 Dichtmittel zum nach-        Die Firma Bammer Handels GmbH
                      Dichtungsbahnen – Innovative             das Ihre PE-Rohre sicher und        träglichen Abdichten von Gewinde-         ist Ihr Partner für Komponenten der
                     Kunststoffprodukte von AGRU –                 zuverlässig verbindet.          verbindungen in Gas-Innenleitungen.       Erdöl-, Erdgas- und Fernwärme-
                         Seit 1948 auf Ihrer Seite!              FRIALEN®-Sicherheitsfitting       ÖVGW G 2.662 / Vertrieb AT: www.hig.at    versorgung.

                    www.diehl.com/metering                  www.elster-instromet.at                       www.fiorentini.at                          www.flexim.at
                    • Elektronische Gaszähler mit             Elster ist der weltweit führende        •   Filter, Vorwärmer                    Technologieführer bei eingriffsfreier
                      integriertem Funk                     Anbieter für Gasmess- und Regel-          •   Absperrarmaturen                   Durchflussmessung mit Ultraschall. Die
                    • „Open Metering“ Spezifikation         technik, mit innovativen Lösungen         •   Gasdruckregler                      Clamp-On-Systeme messen praktisch
                      geeignet für Smart Metering                      für Ihren Bedarf.              •   Sicherheitseinrichtungen           alles, was fließt, Flüssigkeiten wie Gase.

                      www.mhc-gruppe.de                           www.gfps.com/at                           www.gmt.de                               www.hawle.at
                    Lösungen für die Gas-, Wasserstoff-     GF Piping Systems entwickelt, produ-       Kompetenter Partner für               Hawle ist Hersteller von qualitativ
                       und Automatisierungstechnik:         ziert und vermarktet Rohrleitungs-        Gasmess- und Regeltechnik               hochwertigen Armaturen für die
                    Planung • Anlagenbau • Service und      systeme für den sicheren Transport         in der Erdgasversorgung.                       Gasversorgung.
                      Wartung • Schulung und Training       von Flüssigkeiten und Gasen.                                                     HAWLE. MADE FOR GENERATIONS

                        www.interapp.net                            info@ipu.co.at                         www.itron.com                        www.kontinentale.at
                    Wir sind ein weltweit agierender          •   RMA – Pipeline Equipment         SMARTES MESSEN, ZÄHLEN & REGELN           Ihr starker Partner für Armaturen-
                    Hersteller von AVK Armaturen und          •   GHIBSON – Absperrklappen         Mit neuen Technologien von ITRON          und Rohrleitungstechnik mit einer
                    Zubehör mit Qualitätsprodukten für        •   HUBER – Druckmessgeräte          in die Zukunft der Gasversorgung!         umfangreichen Produktpalette für
                    die Gasversorgung.                        •   BERNARD – Stellantriebe                                                    die österreichische Gasversorgung.

                          www.midex.at                             www.pipelife.at                  www.pp-engineering.com                           www.rmg.com
                     Wir arbeiten nicht mit Gaszählern      Kunststoff-Rohrsysteme von Pipelife        Spezialist für kathodischen           Über 150 Jahre Erfahrung
                            oder Wasserzählern,             – diese starken Lebensadern sorgen          Korrosionsschutz und für             • Gasdruckregel- u. Sicherheitstechnik
                          sondern mit Menschen!               für eine sichere Gasversorgung.       elektromaschinelle Ausrüstung in         • Messtechnik und Automatisierung
                                                                   Heute und in Zukunft.           der Wasser- und Abwassertechnik.          • Anlagenbau und Zubehör

                                                               www.vc-austria.com
                            www.sick.at                         www.tpa-kks.at                              www.viega.at                      wieland-moellersdorf.at
                        SICK ist einer der weltweit         Seit über 40 Jahren führender An-      Viega. Höchster Qualität verbunden.          Kupfer-System aus einer Hand.
                    führenden Hersteller von Sensoren       bieter von Kathodischen Korrosions-                                                  SUPERSAN® Kupferrohre aus
                    und Sensorlösungen für industrielle     schutzsystemen für Rohrleitungen,                                                     Österreich und Fittings von
                             Anwendungen.                   Behälter und Stahlbetonbauwerke.                                                          Conex | Bänninger
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Editorial

                                                                                                           EDITORIAL
      www.denso.de
      Führender, weltweit
    agierender Anbieter für

                                      E
   Korrosionsschutz-Produkte
   und innovative Dichtmittel.
                                              ntgegen jahrelang gepflogenem Usus hat diesmal die
                                              ­erste FORUM GWW-Ausgabe im Jahr keinen ausgewiese-
                                               nen Fernwärme-Titel. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum ei-
                                      nen mussten die Fernwärmetage des FGW, auf die das Heft auch
                                      einstimmt und die üblicherweise im März stattfinden, aufgrund
                                      der aktuellen Lage an der Corona-Front in den Herbst hinein
   www.gas.consult.at                 verschoben werden. Zum andern war Anfang Jänner beinahe
  Beratung für Gewerbe- und Netz-     eingetreten, wovon Fachleute schon seit längerem warnen: Pro-
   Betreiber von Gas-Anlagen bei
Planung/Bau/Betrieb/Überwachung       bleme mit Spannungsschwankungen im Stromnetz, die zum
 nach geltendem ÖVGW-Regelwerk        Blackout führen können. Wenn auch in diesem Fall – wie auf
                                      einer offensichtlich hastig angesetzten Pressekonferenz des zu-
                                      ständigen Ministeriums zu vernehmen – nicht die zunehmende
                                      Integration Erneuerbarer für die Gefahrensituation verantwort-
                                      lich war, zeigt der Vorfall doch deutlich, wie sensibel das System
                                      jetzt schon reagiert und welch unabsehbare Folgen demnach
       www.heat.at                    eine weitere Fokussierung auf volatile Energiequellen zeitigen
Kompetenz im Erdgasanlagenbau         könnte. Beinahe-Katastrophen wie diese bestätigen Befürch-
 mit eigener Fertigung von: SAV,
Gasdruckregler, Filter, Abscheider,
                                      tungen der Gas- und Fernwärmewirtschaft, die nicht müde wird
Wärmetauscher, Erdgastrocknung        darzulegen, dass eine Ho-ruck-Dekarbonisierung des Energie-
                                      systems unter Ausklammerung des Aspekts der Versorgungs-
                                      sicherheit nicht empfehlenswert ist. Daher also in diesem Heft
                                      dieser Titel; und der Fernwärmeschwerpunkt wird in einer der
                                      Veranstaltung näher gelegenen Ausgabe nachgeholt ­werden.

 www.landisgyr.com/at
  G350 – der kommunikative
  ULTRASCHALL-GASZÄHLER
        der Zukunft für
 Smart Metering Anwendungen.

                                      Weitgehend in Einklang mit dem bisher gepflogenen Usus wer-
                                      den hingegen zwei nicht-inhaltliche Fragen der Berichterstat-
                                      tung behandelt, die hin und wieder angesprochen werden: die
                                      Wiedergabe akademischer Titel und die Anwendung des Gen-
www.schermanngmbh.com
                                      derns. In Absprache mit der FGW- und ÖVGW-Geschäftsstelle
 Innovative Technologien für die
  Lecksuche und Leitungsortung        wird die Redaktion hier wie dort weiterhin einen pragmatischen
    an erdverlegten Leitungen         (und nicht einen ideologischen) Ansatz verfolgen: Zur Gewähr-
                                      leistung der Lesbarkeit der Texte wird dem Augenmaß der Vor-
                                      zug gegenüber strikter Durchgängigkeit bei Nennung der Titel
                                      gegeben sowie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf mög-
                                      lichst geschlechtsneutrale Formulierungen geachtet.

                                      FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021                                                    5
Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...
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                     Kein Schwarzer Freitag
                     Im Jänner kam es zu einer bedrohlichen Störung im europäischen Stromverbund.
                     Welche Rolle spielen Gas und Fernwärme jetzt und künftig bei der Abwehr solcher
                     Gefahren?

                     Christian Fell und Erich J. Papp

                     Der folgende Absatz aus dem FORUM GWW             er, und wir wissen nicht, ob er eine Stunde oder
                     passt heute wie im Juni 2020: „Verteidigungs-     eine Woche dauert.“
                     ministerin Claudia Tanner und der Leiter der
                     Direktion für Sicherheitspolitik, Johann Frank,   Das Netz schwankt ...
                     meinten Anfang 2020, ein totaler Stromausfall
                     würde in den nächsten fünf Jahren mit ‚100-pro-   Am 8. Jänner 2021 war es dann fast so weit. Und
                     zentiger Wahrscheinlichkeit‘ eintreten. Selbst    fast heißt nicht, dass es nicht zu Schäden kam.
                     der Mathematik-Versager ahnt, dass man sich       Zwei Wochen später wurde bekannt, allein der
                     möglicherweise auf ein solches Ereignis vorbe-    Flughafen Wien musste Hardware-Teile im Wert
                     reiten sollte. Manche warnen sogar, dass Corona   von einigen hunderttausend Euro ersetzen, die
                     und Blackout insofern zusammenhängen könn-        den Frequenzschwankungen zum Opfer fielen.
                     ten, als durch den niedrigeren Stromverbrauch     Was war passiert? Oberstes Gebot im europäi-
                     ein Netzausfall wahrscheinlicher wird. Kommt      schen Hochspannungsnetz ist, die Frequenz
                     der Blackout jetzt sogar mit mehr als 100-pro-    stets auf einem Niveau von 50 Hz zu halten. An
                     zentiger Sicherheit? Sehr wahrscheinlich kommt    jenem Freitag, der gut auch ein „schwarzer“

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hätte werden können, fiel der Wert kurzzeitig     – anders als beim Stromausfall 2006, bei dem
um lächerlich anmutende 260 Millihertz, den       10 Millionen Haushalte in sechs Ländern bis
Verantwortlichen war aber nicht zum Lachen        zu zwei Stunden offline waren – nichts davon,
zumute.                                           sensible Industriekunden durchaus.

Der 8. Jänner war kein rekordverdächtiger, aber   Für APG-Vorstand Gerhard Christiner ist (in ei-
ein mit Temperaturen von 2–5 °C in Wien der       nem Interview auf krone.at) besonders wichtig,
Jahreszeit entsprechend kalter Tag. Dazu gab      dass das Gesamtsystem der Erzeugung aus Er-
es in Deutschland Flaute mit geringer Wind-
strom-Produktion. Höherer Energieverbrauch
bei weniger Erzeugung führte dazu, dass im
europäischen Verbund mehr im Südosten pro-
duziert und nach Nordwesten transportiert
wurde. Um 14:05 Uhr kam es zu einer Kaskade
von Leitungsausfällen in mehreren Ländern,
die eine Spaltung in zwei Netzgebiete bewirk-
te. Die Trennlinie ging südlich von Ungarn quer
durch Rumänien, Serbien und Kroatien. Im Sü-
den stieg die Frequenz auf bis zu 50,6 Hz. Zu
viel Strom, der nicht abtransportiert werden
konnte, sorgte dafür, dass Leistung vom Netz
genommen werden musste. Nördlich der Gren-
ze – also von Ungarn bis Portugal im Westen
und Dänemark im Norden – fehlte Strom, die
Frequenz sank.

Man kann sich vorstellen, wie in solchen Situ-
ationen in der Austrian Power Grid (APG) und
vergleichbaren europäischen Institutionen die
Nerven beansprucht werden. Diesmal haben
die gemeinsamen Bemühungen, den Verbrauch

                                                                                                                                               Grafiken: APG Austrian Power Grid AG, APA-Auftragsgrafik
zu senken und die Erzeugung hochzufahren,
schnell gegriffen. In Italien und Frankreich
wurden 1.700 MW an Verbrauch vom Netz ge-
nommen. Nicht von „gewöhnlichen“ Kunden
(die kommen im Notfall bei einem Abfall um
1 Hz dran), sondern meist Industriebetriebe,
die vertraglich gebunden und für den Ausfall
entschädigt werden. Zusätzlicher Strom wurde
von Nord- und Westeuropa nach Zentraleuropa
geliefert, und in vielen Ländern – auch Öster-
reich – die Erzeugung gesteigert. Da das Netz
bereits bei einer Abweichung von 260 mHz sta-
                                                  Oben: Entwicklung der Anzahl der Tage, an denen APG Maßnahmen ergreifen muss, um die
bilisiert und nach einer Stunde wieder mit dem    Stromversorgung sicherzustellen. Waren 2013 an knapp über 50 Tagen Eingriffe nötig, so ist
Süden synchronisiert werden konnte, reich-        dies mittlerweile an über 260 Tagen erforderlich.
te es, die Erzeugung der Wasserkraftwerke zu      Unten: 86 % der zur Stabilisierung der Stromnetze erforderlichen Redispatch-Maßnahmen
verstärken. Haushaltskunden merkten also          basieren auf Wärmekraftwerken.

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Gerhard Christiner, Vorstand der   neuerbaren, Wasser und Gaskraftwerken „in        Blackout. Die Netzreserve mache das Netz noch
Austrian Power Grid (APG)          sich stimmig“ ist und „ausreichende Reserven     sicherer, und sie werde in Zukunft immer „er-
Steuerzentrale der APG in Wien     im Netz da sind“. Froh zeigt er sich über den    neuerbarer“.
Südost, die 2009 in Betrieb        parlamentarischen Beschluss (aller Parteien)
genommen wurde                     zur Netzreserve vor Weihnachten. Dabei han-      Christiner schilderte erneut die dramatische
                                   delt es sich um Kraftwerke – sowohl Gaskraft-    Stunde, nachdem große Stromimporte aus
                                   werke als auch mit Erneuerbaren betriebene       Südosteuropa die dortigen Leitungen überlas-
                                   – sowie Industrieanlagen, die kurzfristig zum    tet hatten. Die Regelreserven sind dreistufig
                                   Ausgleich von Schwankungen zur Verfügung         angelegt: Schon die schnellen Primärreserven
                                   stehen. Diese Kraftwerke und Anlagen kön-        (i.W. Wasserkraftwerke) reichten neben den ge-
                                   nen exklusiv von der APG genutzt werden, um      nannten europaweiten Maßnahmen zur Stabi-
                                   „Freiräume im Netz“ zu schaffen. Wenn die Pro-   lisierung, die Sekundärreserven wurden nicht
                                   gnose ergibt, dass eine Leitung bald überlas-    benötigt. Doch dienten die sogenannten Minu-
                                   tet sein könnte, wird so vermieden, Strom aus    tenreserven (Pumpspeicher und Gaskraftwer-
                                   dem Ausland importieren zu müssen. Und wer       ke) dazu, die Frequenz wieder auf genau 50 Hz
                                   glaubt, so etwas passiert nur 2006 und 2021,     heranzuführen. Die in zahlreichen Simulati-
                                   wird nun aufhorchen: Laut Christiner kommen      onen und vielen europäischen Sitzungen ent-
                                   solche „Notsituationen“ mit der Zuschaltung      wickelten Maßnahmen haben „sehr, sehr gut
                                   der Gaskraftwerke alle zwei bis drei Tage vor!   gegriffen“.
                                                                                        Urbantschitsch bestätigte, dass der Vorfall
                                   Wenn die schwankende erneuerbare Erzeu-          zurzeit genau untersucht werde. Bislang könne
                                   gung im System zunimmt, braucht es immer         man nur sagen: Das System hat funktioniert.
                                   mehr Speicherung. Das sind heute die Stau-       Allerdings müssten im kommenden Jahrzehnt
                                   seen, in Zukunft werden aber große Batterien     bis zu 15 Mrd. € ins Stromnetz investiert wer-
                                   und Gas mit dem Power-to-Gas-Verfahren die       den. Die Netzreserve-Neu ermöglicht die nöti-
                                   Überschüsse für Zeiten der Unterproduktion       gen Schritte zur Absicherung. Die werden nicht
                                   konservieren – so der Experte.                   nur Gaskraftwerke, sondern auch kleinere, mit
                                                                                    erneuerbarer Energie betriebene Kraftwerke er-
                                   ... aber es hält                                 ledigen.
                                                                                        Gewessler bezeichnete die Gaskraftwerke
                                   Christiner, Bundesministerin Leonore Gewess-     als derzeit „ganz essentielle Stütze“, doch das
                                   ler und Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der    langfristige Ziel sei „100 % erneuerbar“. Auf
                                   E-Control, nahmen bei einem Pressegespräch       die Frage nach der künftigen Rolle von Grünem
                                   am 19. Jänner zum Thema „Versorgungssi-          Gas meinte die Grünen-Ministerin, dieses sei
                                   cherheit und Netzreserve“ Stellung. Die grüne    ein „wertvolles und knappes Gut“. Das müsse
                                   Ministerin lobte die Qualität des heimischen     man gezielt einsetzen: etwa in Industrien, wo
                                   Stromnetzes und die Reaktion auf den Fast-       sie keine Alternative zu Gas sieht. Auch bei der

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Netzreserve werde es eine Rolle spielen, aber
eine kleinere als fossiles Gas jetzt. Für den Ein-                  „Blackout-Versicherung“
satz in KWK-Anlagen ist es für Gewessler nicht
erste Option.                                           Da sich der Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-
                                                        Gesetzes bis Jänner 2021 nicht ausging, wurde
                                                        der Punkt „Netzreserve“ aus europarechtlichen
Und wenn der Stausee leer ist?
                                                        Gründen bereits beschlossen. Um das Stromnetz
Aus Sicht des Fachverbandes wurde die Rolle             zu stabilisieren, sollen Gaskraftwerke und künf-
von Gas in den kritischen Stunden des Fast-             tig auch kleinere Anlagen bis hin zu Biomasse
Blackouts möglicherweise ein wenig unterbe-             oder auch Industriebetriebe einspringen. Letz-
lichtet. So unterstreicht FGW-Geschäftsführer           tere können den Verbrauch reduzieren und so
Michael Mock in einer Presseaussendung „die             zur Netzstabilität beitragen. Für teilnehmende
Bedeutung von Gaskraftwerken, der langfris-             Kraftwerke gilt künftig ein maximaler Ausstoß
tigen Gasspeicher und der Gasinfrastruktur              von 550 g CO2 /kWh.
zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung“,
denn Gaskraftwerke sind bei der Blackout-Be-
kämpfung nicht nur für das kurzfristige Kri-         zeit vorwiegend mit Gas betriebene Kraft-Wär-
senmanagement wichtig, sondern auch zur              me-Kopplungsanlagen. Durch die kombinierte
Absicherung des Versorgungssystems danach.           Erzeugung von Strom und Fernwärme wird der
„Gaskraftwerke liefern Strom zuverlässig auch        Einsatz von Rohstoffen wie Erdgas oder Bio-
dann, wenn Pumpspeicher leer sind und ande-          masse reduziert – und damit der Ausstoß von
re Erneuerbare aufgrund von Windstille oder          CO2. Daher fordert der FGW auch eine gesetzli-
Bewölkung keine Energie liefern können.“             che Bestandssicherung für KWK-Anlagen. Ver-
Während man noch über Speichermöglichkei-            sorgungssicherheit und Erneuerbare müssen
ten für Strom rätselt, kann man in Österreich        zu Partnern einer funktionierenden Energie-
auf große Gasspeicher zählen.                        wende werden, die Gaswirtschaft möchte mit
                                                     „Greening the Gas“ ihren Beitrag dazu leisten.
So griffen Wasserkraftwerke als primäre Rege-        Grünes Gas (Biomethan, Wasserstoff aus Po-
lung am 8. Jänner ein, doch waren an diesem          wer-to-Gas) soll schrittweise Erdgas ersetzen,
Tag auch 32,1 % an Strom aus Gaskraftwer-            auch in der kombinierten Erzeugung von Strom
ken im Netz. Und am ersten wie auch noch am          und Wärme. Das Potenzial für Grünes Gas aus
zweiten Tag nach dem Fast-Blackout sank der          Österreich ist enorm: Rund 5 Mrd. m³ könnten
erneuerbare Anteil an der Inlandsprodukti-           aus heimischen Abfällen oder Wasserstoff ge-
on merklich auf jeweils 61,5 % (nach 67,9 %).        wonnen werden. Das deckt mehr als 50 % des
Sowohl der Gas-Anteil am Austro-Strom als            aktuellen Verbrauchs ab, der Rest würde durch
auch die Menge an importiertem Strom (unbe-          Effizienzmaßnahmen und Importe ergänzt.
kannter Machart) stiegen an den Tagen nach
der Störung deutlich. Mock schließt daraus:          Auch Fast-Blackouts führen deutlich vor Au-
„Für die Versorgungssicherheit in Europa und         gen: Die Versorgungssicherheit mit Strom und
Österreich braucht es einen Mix an verschie-         Wärme hat immer Priorität und darf in der
denen systemischen Kraftwerken und eine              Energiewende nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Bestandssicherung insbesondere auch für              Um den heimischen Energieschatz an Grü-
­Gaskraftwerke.“                                     nem Gas zu heben, fehlen nun noch „klare, in
                                                     Gesetze gegossene Spielregeln“, sagt Micha-
Ein wichtiges Element der Versorgungssicher-         el Mock. Man wartet daher gespannt auf den
heit ist auch die Sektorkopplung von Gas und         schon länger angekündigten Vorschlag eines
Strom. Ihr Rückgrat bilden hocheffiziente, der-      „Gas-Pakets“ aus dem Ministerium. ◂

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             Green Deal – neue Ziele
             Die EU-Kommission legt ein 750 Mrd. schweres Wiederaufbauprogramm und ein neues
             Arbeitsprogramm zur Umsetzung des „Green Deals“ vor. Das könnte Auswirkungen
             sowohl auf die Gas- als auch auf die Wärme- und Kälteversorgung haben.

             Es ist ein unglückliches Zusammentreffen zwei-     (gegenüber dem Stand von 1990). Die EU sieht
             er äußerst bedrohlicher Entwicklungen: Zum         sich in ihrem Selbstverständnis als Vorreiterin
             einen erfordern die immer weiter ansteigenden      beim Klimaschutz, deshalb legt man sich die
             Emissionen und die eingegangenen internatio-       Latte höher – auch um in den anstehenden in-
             nalen Verpflichtungen wie z.B. das Pariser Kli-    ternationalen Verhandlungen glaubwürdiger
             ma-Abkommen entschlossene Maßnahmen zur            auf größeren Anstrengungen der anderen Staa-
             Reduktion der für das Klima schädlichen Treib-     ten bestehen zu können.
             hausgase. Zum anderen haben die Bemühun-
             gen zur Eindämmung der Corona-Pandemie             Zur Erinnerung: Um es zu schaffen, den globa-
             einen seit den 1930er-Jahren nicht gesehenen       len Temperaturanstieg bis 2050 auf gegenüber
             Rückgang der Wirtschaftsleistung verursacht,       der vorindustriellen Zeit 1,5 °C zu beschränken,
             so dass sich die EU-Mitgliedstaaten weit über      müssen bis dahin weltweit die CO2-äquivalen-
             das geplante Ausmaß hinaus verschulden müs-        ten Emissionen auf null gesenkt werden. Alles
             sen. Damit die Konjunktur wieder in Schwung        was dann noch emittiert wird, muss kompen-
             kommt, werden wohl auch in den kommenden           siert, gespeichert oder einer Nutzung zuge-
             Jahren teure Unterstützungsprogramme nötig         führt werden, z.B. in der Industrie. Diese Er-
             sein.                                              höhung des Einsparungsziels auf mindestens
                                                                55 % bis 2030 wird als jetzt notwendiger Zwi-
             Im Rahmen des Wiederaufbauprogramms                schenschritt gesehen, damit die EU bis 2050
             „Next Generation EU“ verfolgt man bei der EU-      als erster großer Wirtschaftsraum klimaneutral
             Kommission unter Präsidentin von der Leyen         sein kann. Sowohl das Europäische Parlament
             offenbar dieses Ziel. Die enormen Geldmittel in    als auch der Rat haben dieses langfristige Kli-
             Höhe von 750 Milliarden Euro, die von den Mit-     maneutralitätsziel bereits gebilligt.
             gliedstaaten für die Bewältigung der wirtschaft-
             lichen Auswirkungen der Pandemie zugesagt          Dieses Ziel soll von der EU kollektiv erreicht
             wurden, sollen nicht nur genutzt werden, um        werden; national verbindliche Ziele, wie vom
             nachhaltige Arbeitsplätze und Wettbewerbs-         Europäischen Parlament gefordert, lehnt der
             vorteile zu schaffen, sondern auch, um die         Rat ab. Das 55 %-Ziel soll im künftigen Europä-
             Klimaziele zu erreichen. Die Finanzierung von      ischen Klimagesetz verankert werden.
             Gasinfrastruktur soll dabei nicht automatisch
             ausgeschlossen sein – solange diese nachweis-      Konsultationen zum künftigen EU-Rahmen
             lich ein Teil der nationalen Dekarbonisierungs-
             strategie ist.                                     Um den Umbau im Rahmen des Europäischen
                                                                Green Deals durchführen zu können, sind weit-
             Neue Ziele festgelegt                              gehende Maßnahmen bei Energieversorgung,
                                                                Verkehr, Handel, Industrie sowie Land- und
             Im vergangenen Dezember wurde vom Euro-            Forstwirtschaft vorgesehen. Im vergangenen
             päischen Rat beschlossen, die Treibhausgas-        November startete die EU-Kommission eine
             Emissionen bis 2030 nicht wie bisher vorgese-      Reihe an öffentlichen Konsultationen, die letzt-
             hen um 40 % zu verringern, sondern um 55 %         lich in die Neugestaltung europäischer Richtli-

10                                                                         FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACHFORUM

                                                                                                     European Green Deal
                                                                                                     Das Maßnahmenpaket im Über-
                                                                                                     blick (bis 2021), passend für
                                                                                                     55 % Erneuerbare
                                                                                                     (Grafik: WKO/UP)

nien und Verordnungen münden und zur Errei-       de Fassung beschlossen. Bisher galt, dass der
chung der EU-Klimaziele beitragen sollen. Bei     Anteil erneuerbarer Energieformen in der EU
diesen Revisionen und Konsultationen kommt        bis 2030 auf 32 % angehoben werden soll.
naturgemäß jenen Rechtstexten, die Energie-
themen und Treibhausgasemissionen berüh-          In einer Veröffentlichung im vergangenen Sep-
ren, besondere Bedeutung zu. Dazu zählen u.a.     tember gab die EU-Kommission ihre Einschät-
die Energieeffizienz-Richtlinie, die Erneuerba-   zung bekannt, dass das bisher geltende Ziel
ren Energien-Richtlinie, die Regelung für den     zu kurz greift. Damit würde es nicht gelingen,
Handel mit Treibhausgasemissionen oder die        bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Emissions-
Lastenteilungs-Verordnung, die bestimmt, wie      minderung würde nur 60 % betragen. Daher
hoch die Treibhausgasemissionen in den Mit-       möchte man den Erneuerbaren-Anteil auf bis
gliedstaaten für jene Bereiche sein dürfen, die   zu 38 % erhöhen.
nicht dem Emissionshandel unterliegen.
                                                  Grüne Gase sollen größere Rolle bekommen
Erneuerbaren Energien-Richtlinie
                                                  Der Fachverband Gas Wärme unterstützt
Bis Mitte des Jahres möchte die Europäische       grundsätzlich das Ziel der europäischen Kli-
Kommission einen Vorschlag zur Neugestal-         mapolitik, bis 2050 Treibhausgas-Neutralität
tung der Erneuerbaren Energie-Richtlinie vor-     zu erreichen. Und die Gas- und Wärmewirt-
legen. Erst Ende 2018 wurde die derzeit gelten-   schaft sieht sich auch in der Lage, mit den vor-

FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021                                                                                                        11
FACHFOR UM

             handenen Infrastrukturen einen wesentlichen        ebenfalls Klarstellungen. In der zurzeit gülti-
             Beitrag zu leisten.                                gen Erneuerbaren-Richtlinie wird „Abwärme
                                                                und -kälte“ definiert als „unvermeidbare Wär-
             Die nationale wie europäische Gaswirtschaft        me und Kälte, die als Nebenprodukt in einer
             wünscht sich von der künftigen Erneuerbaren-       Industrieanlage, in einer Stromerzeugungsan-
             Richtlinie aber eine stärkere Berücksichtigung     lage oder im tertiären Sektor anfällt und ohne
             von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen        Zugang zu einem Fernwärmesystem ungenutzt
             wie Biomethan, grünem Wasserstoff und syn-         in Luft und Wasser abgeleitet würde“. Der FGW
             thetischem Gas sowie eine Einbindung der be-       nutzte die Konsultation für einen Änderungs-
             stehenden Netzinfrastruktur. Denn sie ermögli-     vorschlag: Künftig sollte Abwärme aus sämtli-
             chen die Kopplung der Sektoren Raumwärme,          chen Quellen (beispielsweise auch die Abwär-
             Mobilität und Elektrizitätsversorgung. Dabei       me von Rechenzentren oder die Wärme aus
             soll Grünes Gas in allen Sektoren berücksich-      P2G-Anlagen) berücksichtigt und mit erneuer-
             tigt werden – in Industrie und Mobilität, aber     barer Energie gleichgesetzt werden.
             auch in der Raumwärme, wo diese Gase eine
             rasche und vergleichsweise günstige Ersatz-        Verpflichtung für mehr erneuerbare Wärme?
             möglichkeit für fossiles Gas bieten. Wasserstoff
             und synthetisches Gas liefern zudem über die       Effiziente Fernwärme- und Fernkältesysteme
             P2G-Technologie eine Lösung für das Problem        können eine wichtige Rolle für die Einbezie-
             der saisonalen Speicherung von erneuerbarem        hung erneuerbarer Energie im Bereich Wärme
             Strom aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen.          und Kälte spielen. Bis 2030 müssen die Mit-
                                                                gliedstaaten sich bemühen, den Anteil der er-
             Konkret fordert die Gaswirtschaft verpflichten-    neuerbaren Energie in Fernwärme- und Fern-
             de Zielsetzungen auf EU-Ebene für erneuerba-       kältesystemen um einen indikativen (d.h. nicht
             res und dekarbonisiertes Gas (z.B. Wasserstoff,    verpflichtenden) Richtwert von einem Prozent-
             bei dem bei der Produktion kein CO2 in die At-     punkt pro Jahr zu steigern.
             mosphäre gelangt). Zudem ist ein Unterstüt-
             zungssystem zur Erhöhung des Anteils an der-       Im Fragebogen zur Konsultation wird nun er-
             artigen Gasen sowie eine Harmonisierung der        hoben, ob aus dem gegenwärtigen indikati-
             Herkunftsnachweise auf europäischer Ebene          ven Richtwert eine verbindliche Zielvorgabe
             erforderlich.                                      werden soll. Das wurde vom FGW bei der Be-
                                                                antwortung des Konsultations-Fragebogens
             Derzeit sind diese Nachweise zwölf Monate ab       abgelehnt. Eine weitere Frage lautet, ob die
             Produktion der betreffenden Energieeinheit         jährliche Steigerungsrate beim Anteil für er-
             gültig. Bei dieser Regelung wird aber überse-      neuerbare Energie in der Fernwärme- und
             hen, dass erneuerbare Gase – im Unterschied        Fernkälteversorgung nicht überhaupt erhöht
             zu anderen erneuerbaren Energieträgern – in        werden soll. Hier wünscht man sich durchaus
             großen Mengen und auf längere Zeit in Gas-         eine Erhöhung und zwar auf ein Niveau, das ei-
             speichern gelagert werden können. Daher            nen 40 %-Anteil der erneuerbaren Energien im
             wünscht man sich eine Verlängerung der Gül-        Wärme- und Kältesektor sicherstellt.
             tigkeit dieser Nachweise.
                                                                Keine Änderungen bei Zugang von Drittanbietern
             Weitere Definition für Abwärme
                                                                Bereits jetzt ist in der Richtlinie die Bestim-
             In dem Konsultations-Fragebogen werden auch        mung enthalten, dass Anbieter von erneuer-
             die Wünsche zur künftigen Wärme- und Käl-          barer Wärme Zugang zu den Fernwärmenet-
             teversorgung erhoben. Hier möchte der FGW          zen erhalten können. Diese Möglichkeit sollte

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nach Ansicht des FGW nicht ausgeweitet    Energieeffizienz-Richtlinie –               durch zusätzliche Auflagen in ihrer wirt-
werden. Als Begründung wird angeführt,    auf Wettbewerbsfähigkeit achten             schaftlichen Konkurrenzfähigkeit gegen-
dass regionale Fernwärme-Netze sich                                                   über Ländern und Regionen mit weniger
grundlegend von grenzüberschreitenden     Der FGW beteiligte sich auch an der Kon-    strikten Bestimmungen eingeschränkt
Strom- und Gasnetzen unterscheiden        sultation zu den künftigen Inhalten der     werden.
und daher auch differenziert behandelt    Energieeffizienz-Richtlinie. Hier sieht
werden müssen. Das Fernwärmenetz ist      man die Gefahr, dass die Themen Ener-       Resümee
ein geschlossenes System mit optimier-    gieeffizienz und Erhöhung des Anteils Er-
ter Wärmeerzeugung, die der Nachfrage     neuerbarer unzulässig vermengt werden.      Der Fachverband Gas Wärme hat sich in
entspricht. Damit die Fernwärme ihr Po-   Der Grundsatz „Energy efficiency first“     enger Abstimmung mit den Mitgliedsun-
tenzial voll ausschöpfen und den Anteil   dürfe nicht dazu führen, dass die Vorga-    ternehmen an den Konsultationen be­
erneuerbarer Energien und Abwärme im      ben für die Energieeinsparungen über-       teiligt. Sollte – wie angekündigt – die
System erhöhen kann, benötigen Unter-     spannt werden, um damit die Klimaziele      EU-Kommission in der zweiten Jahres-
nehmen einen Rechtsrahmen, der den        zu erreichen.                               hälfte Richtlinienvorschläge veröffentli-
regionalen Charakter von Nah- und Fern-                                               chen, wird man sich zusammen mit eu-
wärmenetzen ebenso berücksichtigt wie     Und keinesfalls sollten die EU-Mitglied-    ropäischen Partnern dafür einsetzen, den
hohe Investitionskosten und die nied-     staaten zu einer Zeit, in der ohnehin au-   ­Klimaschutz und die Interessen der Gas-
rigen Renditen während der langen Le-     ßergewöhnliche Belastungen zur Bewäl-        und Wärmeversorgungsunternehmen in
bensdauer von Fernwärme-Systemen.         tigung der COVID-Krise zu meistern sind,     Einklang zu bringen. ◂

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Erneuerbare Wärme: Verbreitung und Barrieren
Eine von IRENA, IEA und REN21 erstellte Studie 1 befasst sich mit den Einsatzmöglichkeiten Erneuerbarer für die
Wärme- und Kälteproduktion: Biomasse dominiert, die verstärkte Nutzung anderer nachhaltiger Erzeugungs­formen
stößt oftmals auf technische und finanzielle Hindernisse.

Fernwärmesysteme versorgen mit 6 %                   Das gilt in Europa etwa für Österreich       Barrieren für Erneuerbare
gegenwärtig einen relativ kleinen Anteil             und Finnland, wo mit biogenen Energie-
der weltweiten Nachfrage nach Wärme-                 trägern über 40 % der benötigten Fern-       In der Studie werden auch die Barrieren
und Kältedienstleistungen. Die größte                wärme erzeugt werden. In Schweden            für die verstärkte Nutzung von Erneuer-
Verbreitung finden sie in China, Europa              erhöhte sich der Anteil der Biomasse an      baren angeführt. Häufig sind dafür tech-
und Nordamerika. In Europa versorgen                 der Fernwärmeerzeugung seit den 1990er-      nische Gründe verantwortlich. In die
rd. 6.000 Fernwärmesysteme rd. 12 % der              Jahren sogar von 30 % auf über 80 %.         Jahre gekommene Systeme mit geringer
Wärmenachfrage. Häufig wurden sie er-                Auch Frankreich, Dänemark, Norwegen          Effizienz, die hohe Vorlauftemperaturen
richtet, um die bei der Müllverbrennung              und ­Litauen werden in der Studie als Bei-   benötigen, sind vielfach nicht geeignet,
und Stromerzeugung anfallende Wärme                  spiele für einen Erneuerbaren-Anteil von     um vorhandene erneuerbare Energiefor-
nutzen und auf diese Weise die Versor-               mehr als 50 % angeführt. Auch zur Erhö-      men wie z.B. Abwärme im Niedertempe-
gungssicherheit erhöhen zu können.                   hung der Versorgungssicherheit setzte        ratur-Bereich einzubinden. Als Beispiele
   Fernkältesysteme werden in Europa                 man Erneuerbare verstärkt ein. So wurde      dafür werden Russland und die Länder
und im Mittleren Osten hauptsächlich                 etwa in Litauen aus diesem Grund Erdgas      im Osten und Südosten Europas genannt.
zur Kühlung von Wohn- oder kommerzi-                 teilweise durch Biomasse ersetzt.            Dort sind vielfach auch die Heizsysteme
ellen Gebäuden eingesetzt. So werden in                 Werden andere erneuerbare Energie-        in den Gebäuden für Niedertemperatur-
den Vereinigten Arabischen Emiraten rd.              träger verwendet, z.B. Geothermie oder       wärme nicht geeignet.
20 % des Kühlungsbedarfs für Gebäude                 Solarenergie, so geschieht das ebenfalls        Bei Solarthermie besteht in den nörd-
über Fernkälte-Systeme bereitgestellt.               hauptsächlich in Europa. Welche Formen       lichen Teilen Europas das Problem, dass
                                                     es sind, hängt von der Verfügbarkeit ab.     die Ressource zur Zeit der höchsten
Biomasse dominiert                                   Ein bemerkenswertes Beispiel ist sicher      Wärmenachfrage nur im beschränkten
                                                     Island, wo beinahe 100 % der Fernwär-        Ausmaß zur Verfügung steht. Will man
Der Anteil der weltweit in Fernwärme-                me über Geothermiesysteme und die Nut-       trotzdem Solarenergie nutzen, so müs-
systemen eingesetzten Energie aus er-                zung von Abwärme erzeugt werden.             sen Speichersysteme errichtet werden
neuerbaren Quellen belief sich 2018 auf                                                           wie z.B. die Erdwärmespeicher in Däne-
8 %, der Schwerpunkt liegt deutlich auf                                                           mark. In dicht besiedelten Gebieten ist es
Biomasse. 2019 stammten 95 % der mit                                                              oft auch schwierig, ausreichend freie Flä-
Erneuerbaren erzeugten Fernwärme aus                                                              chen für die Installation der Solar-Kollek-
Systemen, die direkt oder indirekt mit                                                            toren zu finden.
Biomasse befeuert werden, wie z.B. KWK-
Anlagen oder Heizkessel. In Ländern mit                                                           Oftmals scheitert die verstärkte Nutzung
hohen Waldanteilen und großer Wärme-                                                              von Erneuerbaren auch am Geld. Selbst
Nachfrage ist Biomasse die erste Wahl                                                             dort, wo die Infrastruktur bereits vor-
bei der erneuerbaren Wärmeerzeugung.                                                              handen ist, gestaltet sich ein Wechsel
                                                                                                  kapital-intensiv. Und muss erneuerba-
1 IRENA, IEA and REN21 (2020), ‘Renewable Ener-                                                   re Fernwärme in Konkurrenz zu fossilen
  gy Policies in a Time of Transition: Heating and                                                Energieträgern treten, die öffentlich ge-
  Cooling’. IRENA, OECD/IEA and REN21. Download:                                                  stützt werden, so verschlechtern sich die
  https://www.euroheat.org/publications/reports-
  and-studies/renewable-energy-policies-time-tran-                                                Aussichten im Wettbewerb um Marktan-
  sition-heating-cooling/                                                                         teile zusätzlich. ◂

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FACHFORUM
Grafik: shutterstock.com / bearb. Ruck

                                         Gute Gründe für Wasserstoff
                                         Eine neue Studie 1 zeigt, dass weite Teile der Wirtschaft Interesse an Wasserstoff haben,
                                         aber mehr Förderung benötigt wird, um einen nachhaltigen Übergang in Gang zu setzen.

                                         Das renommierte Oxford Institute for Energy                 haben, sind über die Stoßrichtung uneins. So
                                         Studies hat sich 39 Wasserstoff-Plattformen in              setzen Frankreich und Italien vorwiegend auf
                                         ganz Europa angesehen, um zu verstehen, wer                 „grünen“ Wasserstoff, die Niederlande und
                                         sich für einen Übergang in Richtung Wasser-                 Norwegen auf „blauen“. Auch Österreich hat
                                         stoff einsetzt – und warum.                                 sich zum Ziel gesetzt, zur „Wasserstoffnation“
                                                                                                     zu werden – die nationale Wasserstoffstrategie
                                         In der Welt vor Corona konstatierte der IEA-                lässt aber immer noch auf sich warten.
                                         Report 2019 das steigende Interesse an Was-
                                         serstoff als Teil einer emissionsfreien Zukunft.            Hochmotivierte Gasunternehmen
                                         Auch mit der Pandemie ist es nicht geschwun-
                                         den, hat doch etwa Deutschland gleich 9 Mrd.                Die Gaswirtschaft macht sich Gedanken über
                                         Euro seines Covid-Konjunkturprogramms für                   das langfristige Sinken der Erdgasnachfrage,
                                         die Förderung der Wasserstoffwirtschaft reser-              die Rolle der Gasinfrastruktur, verschärfte CO2-
                                         viert. Damit lässt sich etwas anfangen; nur wel-            Restriktionen und zu wenig Diversifikation.
                                         che Rolle Wasserstoff genau spielen wird, ist               Wasserstoff bietet eine Alternative, die es er-
                                         noch nicht so klar wie die Bekenntnisse dazu.               laubt, wertvolle Infrastruktur weiter zu nutzen,
                                         Auch die EU-Kommission wähnt ihn als Grund-                 während neue Business-Modelle entwickelt
                                         pfeiler ihres „Green Deal“, doch der dafür zu-              werden können und die Versorgungssicher-
                                         ständige Kommissar Frans Timmermans warnt                   heit erhalten bleibt. Neue Steuern wie auch
                                         gleichzeitig, Wasserstoff als „Silberkugel“ zu              eine CO2-Bepreisung treffen die Gaswirtschaft
                                         sehen. Die wirtschaftlichen Interessen sind                 direkt, der gesellschaftliche Wunsch nach De-
                                         vielfältig, wie auch die staatlichen Strategien:            karbonisierung indirekt und dann doch wieder
                                         Viele besitzen (noch) keine – und jene, die eine            direkt, wenn er in rechtliche Maßnahmen ge-
                                                                                                     gossen wird.
                                         1 „The Heralds of Hydrogen: The economic sectors that are
                                           driving the hydrogen economy in Europe“, The Oxford       Einige Gasanbieter sehen den Transport von
                                           Institute for Energy Studies (1/2021). Download unter:
                                           https://www.oxfordenergy.org/wpcms/wp-content/up-         Wasserstoff als Möglichkeit der Diversifizie-
                                           loads/2021/01/Insight-82-The-Heralds-of-Hydrogen.pdf      rung, die den heimischen Anteil gegenüber

                                         FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021                                                                                         15
FACHFOR UM

                                     Fünf Farben: H2
      Wasserstoff hat viele Vorteile als Energieträger: Er verbrennt emissionsfrei. Er   und Mittelbetriebe, die technische und wissen-
      kann über die Erdgas-Infrastruktur genutzt, verteilt und gespeichert werden.       schaftliche Dienstleistungen, Maschinen und
      Speichern kann er selbst Strom via Power-to-Gas und damit die schwankende          Elektronik anbieten. Für Letztere ist Verkauf
      Produktion der Erneuerbaren ausgleichen. Er kann gerade in energieintensi-
                                                                                         und wachsender Marktanteil die Hauptmoti-
      ven Industrien einspringen und bietet auch Alternativen im Verkehr – insb. im
      Schwerverkehr.                                                                     vation. Die steigenden Kosten für CO2-Emissi-
                                                                                         onen und der Zug zur Dekarbonisierung sind
      Nachteile sind: (noch) relativ teure Erzeugung, Energieverluste bei der Um-
      wandlung und die Notwendigkeit von CCS-Technologien bei „Blauem“ Was-              dagegen Anreiz für die Energie-, Stahl-, Trans-
      serstoff.                                                                          port- und chemische Industrie, in Wasserstoff-
          Grüner Wasserstoff: aus Elektrolyse mit Ökostrom
                                                                                         projekte zu investieren. Die Sicherung beste-
          Türkiser Wasserstoff: aus Methanpyrolyse mittels (erneuerbarer) Wärme          hender Vermögenswerte und Infrastruktur
          Grauer Wasserstoff: Dampfreformierung aus Erdgas                               sowie die Sorge, in ganz andere Energietech-
          Blauer Wasserstoff: Grauer Wasserstoff mit CCS (CO2-Abscheidung)               nologien wechseln zu müssen, bewegt wiede-
          Pinker Wasserstoff: aus Elektrolyse mit Atomstrom                              rum Häfen, Öl- und Gasunternehmen. Letztere
                                                                                         möchten damit auch die Versorgungssicherheit
                                                                                         verbessern und ihr Portfolio diversifizieren.
                                  importiertem Erdgas erhöht. Mehrere forschen
                                  selbst zum Thema Power-to-Gas oder mit dem             Trotz breiter Motivationslage beklagen die Stu-
                                  Zumischen von H2 zu Gas („Blending“). Der              dienautoren, dass die tatsächlichen Investitio-
                                  größte Pipeline-Betreiber SNAM etwa investiert         nen in Wasserstoff noch relativ gering sind. Be-
                                  1,4 Mrd. € in Verbindungsleitungen zu Was-             sonders die E-Wirtschaft und die Autohersteller
                                  serstoff-Projekten und denkt an einen Zusam-           sind noch zurückhaltend. Während Erstere
                                  menschluss von Europa mit Nordafrika, wo               auch andere Optionen in Betracht zieht (z.B.
                                  Wasserstoff günstiger produziert werden könn-          Nachfrage-seitige), haben Letztere Sorgen we-
                                  te. Gasunie (Nl) will mit Shell und Groningen          gen der Energieeffizienz der Technologie und
                                  Seaports -zig Milliarden in einen 10-GW-Off-           der fehlenden Wasserstoff-Infrastruktur. Am
                                  shore-Windpark und Europas größte Produkti-            ehesten investieren die Metallwirtschaft, Her-
                                  onsstätte für „grünen“ Wasserstoff investieren.        steller von Schwerfahrzeugen und Erdgasun-
                                  Viel mehr Pläne dieser Art erwarten die Studi-         ternehmen, gefolgt vom Chemie-, Maschinen-
                                  enautoren in Zukunft.                                  und Transportsektor.

                                  Bereitschaft da, Förderung fehlt                       Als wichtige Erkenntnis hält das Oxford Insti-
                                                                                         tute fest, dass die energieintensiven Sektoren
                                  Von den in der Studie berücksichtigten, zum            hohe CO2-Kosten sehr ernst nehmen; auf ihre
                                  E-Sektor gehörenden Unternehmen wird der               Unterstützung kann in der Förderung von Was-
                                  österreichische VERBUND-Konzern als eines              serstoff gezählt werden – außer es kommt zu
                                  der wenigen bezeichnet, die „grünem“ Wasser-           einem Corona-bedingten CO2-Preisverfall und
                                  stoff ernsthaft Aufmerksamkeit schenken. Al-           die Politik handelt nicht entsprechend. Apro-
                                  lerdings verorten E-Unternehmen Wasserstoff            pos: Der wichtigste Schluss aus der Studie ist,
                                  generell eher im Bereich der Dekarbonisierung          dass der Übergang zu Wasserstoff zwar begon-
                                  der Schwerindustrie – wie im VERBUND-Pro-              nen hat, aber politische Begleitung benötigt.
                                  jekt mit der voestalpine.                              „Das Gasnetz ist bereit“, ebenso Betreiber und
                                                                                         Versorger, aber sie brauchen die Freigabe, mit
                                  Als Hauptinteressenten neben E- und Gas­               Zumischungen zu experimentieren. Der Sa-
                                  wirtschaft sieht die Studie Autohersteller, die        men für die künftige Wasserstoff-Wirtschaft ist
                                  chemische und Maschinenindustrie, die Be-              gelegt, aber um ihn zum Wachsen zu bringen,
                                  reiche Transport und Logistik (wie Häfen),             braucht es „mehr öffentliche Förderungen und
                                  Hersteller von Schwerfahrzeugen sowie Klein-           regulatorische Unterstützung“. ◂

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Fotos: Wiener Wasser/Zinner                                                                                                              Bezahlte Anzeige

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                              kammer Wien
                              In Wien Mauer mündet die II. Hochquellenleitung in die Übergangskammer Mauer. Täglich fließen rund
                              217.000 Kubikmeter Wasser durch dieses Bauwerk. In einem derzeit laufenden Bauvorhaben wird diese
                              Übergangskammer neu errichtet – ebenso wie die angeschlossene Desinfektionsanlage.

                              Zukünftig kann die Desinfektion in der Übergangskammer über eine UV-Anlage oder durch die Zugabe
                              von Chlordioxid erfolgen, wobei mittelfristig die Chlordioxidmenge so weit wie möglich reduziert werden
                              soll. Weiters wird eine neue elektrische Versorgungsmöglichkeit aus dem betriebseigenen Kraftwerk
                              Mauer hergestellt. Durch diese Maßnahmen wird die Betriebssicherheit für die Trinkwasserversorgung
                              wesentlich erhöht.

                              Das neue Betriebsgebäude wird neben der bestehenden Übergangskammer Mauer am Areal der Stadt
                              Wien – Wiener Wasser errichtet. Die Baugrubensicherung wurde bereits abgeschlossen. Die neuen
                              Anlagen sollen 2022 in Betrieb genommen werden. Weitere Auskünfte erhalten Sie unter 01/599 59.

                                                Wiener Wasser                                                                      wien.gv.at/wienwasser
FACHFOR UM

             In Brüssel spielt die (Wasser)Musik
             Seit dem Beitritt zur EU, also seit mittlerweile mehr als 25 Jahren, wird die heimi-
             sche Wasserversorgung in hohem Ausmaß von der europäischen Gesetzgebung
             bestimmt. Neben der EU-Trinkwasser-Richtlinie gibt es aktuell eine Reihe weiterer
             ­Gesetzesinitiativen und Aktivitäten, die Auswirkungen haben könnten.

             Im heurigen Jänner ist die überarbeitete EU-       schlamm-Richtlinie durchgeführt, die auf EU-
             Trinkwasser-Richtlinie in Kraft getreten (siehe    Ebene den Schutz der Umwelt und insbesonde-
             S. 20ff.), die in den kommenden zwei Jahren in     re der Böden bei Verwendung von Klärschlamm
             nationales Recht umgesetzt werden muss. Eine       in der Landwirtschaft regelt. Nach mehr als 30
             wichtige Neuerung in dieser Richtlinie, der ver-   Jahren soll diese Richtlinie überarbeitet wer-
             besserte Zugang zu Trinkwasser für benachtei-      den, da sie den aktuellen Anforderungen nicht
             ligte Gruppen, geht auf die Europäische Bür-       gerecht wird – so sind beispielsweise Regelun-
             gerinitiative „Right2Water“ zurück, die im Jahr    gen für im Klärschlamm enthaltene Arznei-
             2013 die EU-Kommission zum Handeln aufrief.        mittel oder Mikroplastikpartikel nötig. Für die
                 Das große mediale Interesse, das die Initi-    Trinkwasserversorgung ist in diesem Zusam-
             ative erregte, ist ein Beleg dafür, dass die eu-   menhang wichtig, dass die Klärschlammbe-
             ropäische Bühne genutzt werden muss, um            wirtschaftung durch die Landwirtschaft keine
             Standpunkten und Interessen Gehör zu ver-          Gefährdung der Grundwasser-Ressourcen dar-
             schaffen. Die ÖVGW hat bereits seit 2005 eine      stellt.
             Repräsentanz in Brüssel, um die Anliegen der
             heimischen Trinkwasserversorgung wirksam           Auswirkungen des Green Deals
             vertreten zu können. Es wird von Martin Säckl
             geleitet, der im Auftrag der ÖVGW die österrei-    Europa soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral
             chischen Positionen in EU-Kommission und           werden, was bedeutet, dass nur noch erneuer-
             EU-Parlament kommuniziert. Ein weiterer He-        bare Energieformen zum Einsatz kommen dür-
             bel ist die Mitgliedschaft der ÖVGW bei der        fen und Energie möglichst effizient verwendet
             ­EurEau, dem Zusammenschluss von Wasser-           werden muss. Deshalb wird zurzeit geprüft,
              vereinigungen aus 29 europäischen Ländern,        ob EU-Richtlinien mit Bezug zur Energiever-
              die ihre Interessen koordinieren und gegen-       sorgung zu überarbeiten sind. Wasserversor-
              über den EU-Institutionen vertreten.              ger benötigen Energie und verursachen damit
                 Nachdem die große Aufgabe der Neufassung       Treibhausgase. Sie benötigen Strom für den Be-
              der Trinkwasser-Richtlinie abgeschlossen ist,     trieb von Pumpen oder Treibstoff, um mit Not-
              gibt es eine Reihe weiterer EU-Initiativen mit    stromaggregaten in einem Krisenfall die Ver-
              Bezug auf die Trinkwasserversorgung. Es gilt      sorgung aufrechterhalten zu können. Sie sind
              nun für Martin Säckl und die ÖVGW-Geschäfts-      aber auch Energieproduzenten und erzeugen
              telle, ihre Kontakte zu nutzen, um rechtzeitig    dort, wo es möglich ist, mit Trinkwasserkraft-
              erkennen zu können, an welchen Schräubchen        werken oder Photovoltaik erneuerbaren Strom
              gedreht werden kann, um den Interessen der        und leisten so einen Beitrag für die Erreichung
              heimischen Trinkwasserversorgung Berück-          der Klimaziele.
              sichtigung zu verschaffen.                           Die EU-Kommission hat bis vor kurzem Kon-
                                                                sultationen durchgeführt, um allen Interessier-
             Regelungen für Klärschlamm                         ten Gelegenheit zu geben, ihre Einstellung zu
                                                                ehrgeizigeren Einsparzielen bekanntzugeben.
             Zurzeit wird eine Konsultation zur Klär-           Die künftige Ausgestaltung europäischer Richt-

18                                                                         FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACHFORUM

linien – z.B. zum verstärkten Einsatz von
                                             „Es ist ein Geben und Nehmen“
erneuerbarer Energie oder zur Energieef-     Martin Säckl leitet seit 15 Jahren die Repräsentanz der ÖVGW in Brüssel.
fizienz – muss es auch weiterhin ermög-      Er muss frühzeitig die richtigen Schritte setzen, um die Gesetzgebung im
lichen, die Trinkwasserversorgung sicher     Sinne der heimischen Wasserversorger beinflussen zu können.
und zu leistbaren Kosten durchzuführen.
Die Versorger sind auch grundsätzlich        FORUM GWW: Herr Säckl, wie kann eine
                                             Interessenvereinigung wie die ÖVGW auf die
daran interessiert, ihren Betrieb energie-
                                             EU-Gesetzgebung Einfluss nehmen?
effizient durchzuführen, denn bei vielen     Säckl: Bei der EU-Gesetzgebung sind die
machen die Ausgaben für Energie einen        drei großen EU-Institutionen Kommission,

                                                                                                                                          Foto: David Plas / eacon
großen Teil der Betriebskosten aus.          Parlament und Rat die wichtigsten Akteure. Da
                                             arbeiten Menschen, die wir in den Stadien der
                                             Ausarbeitung von Richtlinien und Verordnungen
Heikle Publikation von Geodaten              gezielt mit Informationen versorgen können.
Im vergangenen Herbst wurde die IN­          Um wen handelt es sich bei diesen Personen?
SPIRE-Richtlinie der EU einer Bewertung      Das können EU-Abgeordnete oder ihre                Der Niederösterreicher Martin Säckl (* 1965)
                                             Mitarbeiter sein, die im gerade zuständigen        lebt und arbeitet seit 1993 in Brüssel.
unterzogen. Sie regelt, welche Geoda-
                                             Parlaments-Ausschuss sind. Oder wir sprechen
ten für die Öffentlichkeit verfügbar sein    mit Angehörigen der EU-Kommission, die in der      struktur nicht immer möglich, eine gemeinsame
müssen. Das betrifft auch Wasserversor-      für Wasser zuständigen Abteilung arbeiten. Und     Linie zu finden. Dann müssen wir als kleines
gungsunternehmen, die über Geodaten          wir müssen auch in Wien mit den Leuten aus         Land Verbündete suchen, die unsere Sicht
bezüglich Wasserspender oder ein Netz-       den zuständigen Ministerien sprechen, denn         teilen, um Einfluss ausüben zu können.
informationssystem verfügen. Es wurde        die sollen ja in den Rats-Arbeitsgruppen die ös-
                                                                                                Wie wichtig ist der persönliche Kontakt zu
                                             terreichischen Positionen vertreten. Die Arbeit
immer wieder darauf hingewiesen, dass                                                           Personen in den EU-Institutionen?
                                             in Brüssel erledige zumeist ich, manchmal auch
eine Veröffentlichung dieser Daten ein Si-                                                      Hat man schon mit jemandem zusammenge-
                                             gemeinsam mit Manfred Eisenhut oder Anna
cherheitsrisiko darstellt. Bei einer Über-                                                      arbeitet, so macht das den Zugang leichter.
                                             Pomassl. In Wien halten die ÖVGW-Geschäfts-
                                                                                                Meiner Meinung nach ist es aber wichtiger,
arbeitung der INSPIRE-Richtlinie sollte      stelle und mein Kollege Heimo Gradischnig den
                                                                                                dass man die Abläufe in der EU-Gesetzgebung
die derzeitige Regelung beibehalten wer-     Kontakt zu den heimischen Ministerien.
                                                                                                kennt. Man muss die richtige Person zum
den, dass Detailinformationen über das       In welcher Phase des europäischen Gesetz­          richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Informa-
Leitungsnetz sicherheitsrelevante Daten      gebungsverfahrens werden Sie aktiv?                tionen versorgen. Dann ist es im Grunde egal,
sind, die von der Veröffentlichungspflicht   Ich versuche möglichst früh herauszufinden,        ob ich jemand kenne oder nicht. Dazu kommt,
befreit sind.                                welche Gesetzesinitiativen Auswirkungen auf        dass die Personen ja ständig wechseln. Aber
                                             die Trinkwasserversorgung haben könnten.           auch das hat einen Vorteil: Die Neuen sind
                                             Das ist aber nicht immer auf den ersten Blick      oft auf Hilfe angewiesen, und das ist für uns
Die Europäische Kommission hat eine          zu erkennen. Es gibt in Brüssel innerhalb der      Lobbyisten eine Möglichkeit, ihnen die Anliegen
öffentliche Konsultation zum EU-Akti-        EurEau die Water Lobby Group. Das ist ein infor-   unserer Auftraggeber nahezubringen.
onsplan „Towards a Zero Pollution Ambi-      melles Gremium, bei dem sich Lobbyisten und
                                                                                                Das heißt, die Informationen der Lobbyisten
tion for Air, Water and Soil – Building a    Mitarbeiter aus den nationalen Interessenver-
                                                                                                werden durchaus geschätzt?
Healthier Planet for Healthier People“ ge-   tretungen treffen. Hier erhält man oft wichtige
                                                                                                Ja, wir sind mittlerweile sogar in der Position,
                                             Informationen. Bin ich der Meinung, dass ein
startet. Die Konsultation lief bis zum 12.                                                      dass sich die Mitarbeiter von EU-Parlamenta­
                                             Thema relevant ist, teile ich meine Einschät-
Februar 2021, die Fragen betrafen auch                                                          riern oder Beamte der Kommission an uns
                                             zungen der ÖVGW-Geschäftsstelle mit. Dort
die Verunreinigung von Grundwasser. Es                                                          wenden, um unsere Meinung zu einem be­
                                             wird dann entschieden – nach Rücksprache mit
                                                                                                stimm­ten Punkt einzuholen. Die ÖVGW und
wird sich zeigen, ob durch diese Initiati-   Experten aus den ÖVGW-Fachausschüssen – ob
                                                                                                ihre Mitarbeiter – allen voran Manfred Eisenhut
ve der EU zusätzliche Möglichkeiten zum      ich in Brüssel aktiv werden soll.
                                                                                                und Anna Pomassl – werden als kompetente
Schutz der Grundwasserressourcen ent-        Arbeiten Sie auch mit der EurEau zusammen?         Ansprechpartner in allen Fragen der Trinkwas-
stehen. Auch die ÖVGW hat sich an der        In wichtigen Angelegenheiten gehen wir             serversorgung gesehen. Der Informationsfluss
Konsultation beteiligt und hofft, dass es    gemeinsam mit der EurEau vor. Sie wird von         läuft also in beide Richtungen. Es ist ein Geben
zukünftig in noch höherem Ausmaß als         der Kommission als Stimme der gesamten eu-         und Nehmen, und wir müssen entscheiden, wie
                                             ropäischen Trinkwasserversorgung betrachtet.       wir diese Kontakte in Sinne der ÖVGW-Mitglie-
bisher europäische Unterstützung beim
                                             Aber es ist der EurEau auf Grund der Mitglieder-   der nutzen können.
Grundwasserschutz gibt. ◂

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