Knapp am Blackout vorbei - Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung - FORUM Gas Wasser ...
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ZEITSCHRIFT DER ÖSTERREICHISCHEN VEREINIGUNG FÜR DAS GAS- UND WASSERFACH UND DES FACHVERBANDES DER GAS- UND WÄRMEVERSORGUNGSUNTERNEHMUNGEN Knapp am Blackout vorbei ... Gas und Fernwärme: unentbehrlich für die sichere Energieversorgung Green Deal – neue Ziele | Erneuerbare Wärme: Verbreitung und Barrieren | Gute Gründe für Wasserstoff | ÖVGW-Lobbying im Wasserfach | Die EU-Trinkwasser-Richt- linie. Interview mit Rudolf Anschober | WVU im Portrait: Hartberg IT-Security in der Wasserversorgung | Eingriffsfreie Gasmengenmessung mit Clamp- On-Ultraschalltechnik | ÖBB: Wasserstoff statt Diesel ÖVGW Forum Trinkwasser digital Greening the Gas | Schwerpunktsetzungen im Wasserfach | ÖVGW Koordinierungs- ausschuss Wasser | Die Prüfstellen der ÖVGW: TÜV Rheinland P.b.b. – MZ 18Z041331 M 1 /2021
HEFT 1/2021 – 18. JAHRGANG / 99. AUSGABE – 15. FEBRUAR 2021 INHALT FACHFORUM THEMA Knapp am Blackout vorbei ... 6 Kein Schwarzer Freitag Im Jänner kam es zu einer bedrohlichen Störung im europäischen Stromverbund. Welche Rolle spielen Gas und Fernwärme jetzt und künftig bei der Abwehr solcher Gefahren? FACHFORUM INNOVATIONSFORUM Konsultationen zu Energierichtlinien 10 IT-Security in der Wasserversorgung 27 Green Deal – neue Ziele Eingriffsfreie Gasmengenmessung 30 Studie im Auftrag von EHP 14 mit Clamp-On-Ultraschalltechnik Erneuerbare Wärme: Verbreitung und Barrieren 2021 – ein wichtiges Jahr für Grünes Gas 34 Neue Studie 15 Grünes Gas konkret 35 Gute Gründe für Wasserstoff ÖBB: Wasserstoff statt Diesel Interessenvertretung auf EU-Ebene 18 In Brüssel spielt die (Wasser)Musik VERANSTALTUNGSFORUM „Es ist ein Geben 19 Start der Online-Veranstaltungsreihe 37 und Nehmen“ ÖVGW Forum Trinkwasser digital Interview mit dem ÖVGW- Lobbyisten Martin Säckl Veranstaltungskalender 38 Die EU-Trinkwasser-Richtlinie 20 „Man hat einen gewissen 21 KOLUMNEN UND RUBRIKEN Spielraum“ Interview mit Gesundheits Editorial 5 minister Rudolf Anschober Gasmobilität aktuell: VW-Konzern gibt Gas 36 Österreichs Wasserversorger im Portrait (9) 24 Hartberg Wasserdienstleistungen GmbH Impressum 38 VERBÄNDEFORUM im Focus: Grundrecht auf 39 ÖVGW-Gremien im Portrait 41 Die Prüfstellen der ÖVGW (4) 46 Klimaschutz? Koordinierungsausschuss TÜV Rheinland Wasser Greening the Gas 40 Zuerkennung der ÖVGW- 48 ÖVGW-Präsident Haselauer: Vizepräsident Nöstlinger: 43 Qualitätsmarke Ermutigende Forschungs- Schwerpunktsetzungen ergebnisse im ÖVGW-Wasserfach ÖVGW Factsheet Gas 49 FGW-Obmann Weinelt: Grünes Gas Rechtsrahmen für Grünes Kurzmeldungen Wasserfach 44 Gas dringend nötig Wasser aktuell Personalia 49 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 3
FIRMEN IM GASFACH The Plastics Experts. www.ovgw.at/figa Manufaktur für ökologische Dichtmittel und Korrosionsschutz www.agru.at www.aliaxis-ui.at www.bacoga.com www.bammer-gmbh.at Rohre, Fittings, Platten, Das innovative Unternehmen, BCG Gas 2000 Dichtmittel zum nach- Die Firma Bammer Handels GmbH Dichtungsbahnen – Innovative das Ihre PE-Rohre sicher und träglichen Abdichten von Gewinde- ist Ihr Partner für Komponenten der Kunststoffprodukte von AGRU – zuverlässig verbindet. verbindungen in Gas-Innenleitungen. Erdöl-, Erdgas- und Fernwärme- Seit 1948 auf Ihrer Seite! FRIALEN®-Sicherheitsfitting ÖVGW G 2.662 / Vertrieb AT: www.hig.at versorgung. www.diehl.com/metering www.elster-instromet.at www.fiorentini.at www.flexim.at • Elektronische Gaszähler mit Elster ist der weltweit führende • Filter, Vorwärmer Technologieführer bei eingriffsfreier integriertem Funk Anbieter für Gasmess- und Regel- • Absperrarmaturen Durchflussmessung mit Ultraschall. Die • „Open Metering“ Spezifikation technik, mit innovativen Lösungen • Gasdruckregler Clamp-On-Systeme messen praktisch geeignet für Smart Metering für Ihren Bedarf. • Sicherheitseinrichtungen alles, was fließt, Flüssigkeiten wie Gase. www.mhc-gruppe.de www.gfps.com/at www.gmt.de www.hawle.at Lösungen für die Gas-, Wasserstoff- GF Piping Systems entwickelt, produ- Kompetenter Partner für Hawle ist Hersteller von qualitativ und Automatisierungstechnik: ziert und vermarktet Rohrleitungs- Gasmess- und Regeltechnik hochwertigen Armaturen für die Planung • Anlagenbau • Service und systeme für den sicheren Transport in der Erdgasversorgung. Gasversorgung. Wartung • Schulung und Training von Flüssigkeiten und Gasen. HAWLE. MADE FOR GENERATIONS www.interapp.net info@ipu.co.at www.itron.com www.kontinentale.at Wir sind ein weltweit agierender • RMA – Pipeline Equipment SMARTES MESSEN, ZÄHLEN & REGELN Ihr starker Partner für Armaturen- Hersteller von AVK Armaturen und • GHIBSON – Absperrklappen Mit neuen Technologien von ITRON und Rohrleitungstechnik mit einer Zubehör mit Qualitätsprodukten für • HUBER – Druckmessgeräte in die Zukunft der Gasversorgung! umfangreichen Produktpalette für die Gasversorgung. • BERNARD – Stellantriebe die österreichische Gasversorgung. www.midex.at www.pipelife.at www.pp-engineering.com www.rmg.com Wir arbeiten nicht mit Gaszählern Kunststoff-Rohrsysteme von Pipelife Spezialist für kathodischen Über 150 Jahre Erfahrung oder Wasserzählern, – diese starken Lebensadern sorgen Korrosionsschutz und für • Gasdruckregel- u. Sicherheitstechnik sondern mit Menschen! für eine sichere Gasversorgung. elektromaschinelle Ausrüstung in • Messtechnik und Automatisierung Heute und in Zukunft. der Wasser- und Abwassertechnik. • Anlagenbau und Zubehör www.vc-austria.com www.sick.at www.tpa-kks.at www.viega.at wieland-moellersdorf.at SICK ist einer der weltweit Seit über 40 Jahren führender An- Viega. Höchster Qualität verbunden. Kupfer-System aus einer Hand. führenden Hersteller von Sensoren bieter von Kathodischen Korrosions- SUPERSAN® Kupferrohre aus und Sensorlösungen für industrielle schutzsystemen für Rohrleitungen, Österreich und Fittings von Anwendungen. Behälter und Stahlbetonbauwerke. Conex | Bänninger
Editorial EDITORIAL www.denso.de Führender, weltweit agierender Anbieter für E Korrosionsschutz-Produkte und innovative Dichtmittel. ntgegen jahrelang gepflogenem Usus hat diesmal die erste FORUM GWW-Ausgabe im Jahr keinen ausgewiese- nen Fernwärme-Titel. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum ei- nen mussten die Fernwärmetage des FGW, auf die das Heft auch einstimmt und die üblicherweise im März stattfinden, aufgrund der aktuellen Lage an der Corona-Front in den Herbst hinein www.gas.consult.at verschoben werden. Zum andern war Anfang Jänner beinahe Beratung für Gewerbe- und Netz- eingetreten, wovon Fachleute schon seit längerem warnen: Pro- Betreiber von Gas-Anlagen bei Planung/Bau/Betrieb/Überwachung bleme mit Spannungsschwankungen im Stromnetz, die zum nach geltendem ÖVGW-Regelwerk Blackout führen können. Wenn auch in diesem Fall – wie auf einer offensichtlich hastig angesetzten Pressekonferenz des zu- ständigen Ministeriums zu vernehmen – nicht die zunehmende Integration Erneuerbarer für die Gefahrensituation verantwort- lich war, zeigt der Vorfall doch deutlich, wie sensibel das System jetzt schon reagiert und welch unabsehbare Folgen demnach www.heat.at eine weitere Fokussierung auf volatile Energiequellen zeitigen Kompetenz im Erdgasanlagenbau könnte. Beinahe-Katastrophen wie diese bestätigen Befürch- mit eigener Fertigung von: SAV, Gasdruckregler, Filter, Abscheider, tungen der Gas- und Fernwärmewirtschaft, die nicht müde wird Wärmetauscher, Erdgastrocknung darzulegen, dass eine Ho-ruck-Dekarbonisierung des Energie- systems unter Ausklammerung des Aspekts der Versorgungs- sicherheit nicht empfehlenswert ist. Daher also in diesem Heft dieser Titel; und der Fernwärmeschwerpunkt wird in einer der Veranstaltung näher gelegenen Ausgabe nachgeholt werden. www.landisgyr.com/at G350 – der kommunikative ULTRASCHALL-GASZÄHLER der Zukunft für Smart Metering Anwendungen. Weitgehend in Einklang mit dem bisher gepflogenen Usus wer- den hingegen zwei nicht-inhaltliche Fragen der Berichterstat- tung behandelt, die hin und wieder angesprochen werden: die Wiedergabe akademischer Titel und die Anwendung des Gen- www.schermanngmbh.com derns. In Absprache mit der FGW- und ÖVGW-Geschäftsstelle Innovative Technologien für die Lecksuche und Leitungsortung wird die Redaktion hier wie dort weiterhin einen pragmatischen an erdverlegten Leitungen (und nicht einen ideologischen) Ansatz verfolgen: Zur Gewähr- leistung der Lesbarkeit der Texte wird dem Augenmaß der Vor- zug gegenüber strikter Durchgängigkeit bei Nennung der Titel gegeben sowie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf mög- lichst geschlechtsneutrale Formulierungen geachtet. FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 5
FACHFOR UM : THEMA Foto: shutterstock.com / bearb. Ruck Kein Schwarzer Freitag Im Jänner kam es zu einer bedrohlichen Störung im europäischen Stromverbund. Welche Rolle spielen Gas und Fernwärme jetzt und künftig bei der Abwehr solcher Gefahren? Christian Fell und Erich J. Papp Der folgende Absatz aus dem FORUM GWW er, und wir wissen nicht, ob er eine Stunde oder passt heute wie im Juni 2020: „Verteidigungs- eine Woche dauert.“ ministerin Claudia Tanner und der Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik, Johann Frank, Das Netz schwankt ... meinten Anfang 2020, ein totaler Stromausfall würde in den nächsten fünf Jahren mit ‚100-pro- Am 8. Jänner 2021 war es dann fast so weit. Und zentiger Wahrscheinlichkeit‘ eintreten. Selbst fast heißt nicht, dass es nicht zu Schäden kam. der Mathematik-Versager ahnt, dass man sich Zwei Wochen später wurde bekannt, allein der möglicherweise auf ein solches Ereignis vorbe- Flughafen Wien musste Hardware-Teile im Wert reiten sollte. Manche warnen sogar, dass Corona von einigen hunderttausend Euro ersetzen, die und Blackout insofern zusammenhängen könn- den Frequenzschwankungen zum Opfer fielen. ten, als durch den niedrigeren Stromverbrauch Was war passiert? Oberstes Gebot im europäi- ein Netzausfall wahrscheinlicher wird. Kommt schen Hochspannungsnetz ist, die Frequenz der Blackout jetzt sogar mit mehr als 100-pro- stets auf einem Niveau von 50 Hz zu halten. An zentiger Sicherheit? Sehr wahrscheinlich kommt jenem Freitag, der gut auch ein „schwarzer“ 6 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACH F O RUM : T HEM A hätte werden können, fiel der Wert kurzzeitig – anders als beim Stromausfall 2006, bei dem um lächerlich anmutende 260 Millihertz, den 10 Millionen Haushalte in sechs Ländern bis Verantwortlichen war aber nicht zum Lachen zu zwei Stunden offline waren – nichts davon, zumute. sensible Industriekunden durchaus. Der 8. Jänner war kein rekordverdächtiger, aber Für APG-Vorstand Gerhard Christiner ist (in ei- ein mit Temperaturen von 2–5 °C in Wien der nem Interview auf krone.at) besonders wichtig, Jahreszeit entsprechend kalter Tag. Dazu gab dass das Gesamtsystem der Erzeugung aus Er- es in Deutschland Flaute mit geringer Wind- strom-Produktion. Höherer Energieverbrauch bei weniger Erzeugung führte dazu, dass im europäischen Verbund mehr im Südosten pro- duziert und nach Nordwesten transportiert wurde. Um 14:05 Uhr kam es zu einer Kaskade von Leitungsausfällen in mehreren Ländern, die eine Spaltung in zwei Netzgebiete bewirk- te. Die Trennlinie ging südlich von Ungarn quer durch Rumänien, Serbien und Kroatien. Im Sü- den stieg die Frequenz auf bis zu 50,6 Hz. Zu viel Strom, der nicht abtransportiert werden konnte, sorgte dafür, dass Leistung vom Netz genommen werden musste. Nördlich der Gren- ze – also von Ungarn bis Portugal im Westen und Dänemark im Norden – fehlte Strom, die Frequenz sank. Man kann sich vorstellen, wie in solchen Situ- ationen in der Austrian Power Grid (APG) und vergleichbaren europäischen Institutionen die Nerven beansprucht werden. Diesmal haben die gemeinsamen Bemühungen, den Verbrauch Grafiken: APG Austrian Power Grid AG, APA-Auftragsgrafik zu senken und die Erzeugung hochzufahren, schnell gegriffen. In Italien und Frankreich wurden 1.700 MW an Verbrauch vom Netz ge- nommen. Nicht von „gewöhnlichen“ Kunden (die kommen im Notfall bei einem Abfall um 1 Hz dran), sondern meist Industriebetriebe, die vertraglich gebunden und für den Ausfall entschädigt werden. Zusätzlicher Strom wurde von Nord- und Westeuropa nach Zentraleuropa geliefert, und in vielen Ländern – auch Öster- reich – die Erzeugung gesteigert. Da das Netz bereits bei einer Abweichung von 260 mHz sta- Oben: Entwicklung der Anzahl der Tage, an denen APG Maßnahmen ergreifen muss, um die bilisiert und nach einer Stunde wieder mit dem Stromversorgung sicherzustellen. Waren 2013 an knapp über 50 Tagen Eingriffe nötig, so ist Süden synchronisiert werden konnte, reich- dies mittlerweile an über 260 Tagen erforderlich. te es, die Erzeugung der Wasserkraftwerke zu Unten: 86 % der zur Stabilisierung der Stromnetze erforderlichen Redispatch-Maßnahmen verstärken. Haushaltskunden merkten also basieren auf Wärmekraftwerken. FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 7
FACHFOR UM : THEMA Fotos: APG Gerhard Christiner, Vorstand der neuerbaren, Wasser und Gaskraftwerken „in Blackout. Die Netzreserve mache das Netz noch Austrian Power Grid (APG) sich stimmig“ ist und „ausreichende Reserven sicherer, und sie werde in Zukunft immer „er- Steuerzentrale der APG in Wien im Netz da sind“. Froh zeigt er sich über den neuerbarer“. Südost, die 2009 in Betrieb parlamentarischen Beschluss (aller Parteien) genommen wurde zur Netzreserve vor Weihnachten. Dabei han- Christiner schilderte erneut die dramatische delt es sich um Kraftwerke – sowohl Gaskraft- Stunde, nachdem große Stromimporte aus werke als auch mit Erneuerbaren betriebene Südosteuropa die dortigen Leitungen überlas- – sowie Industrieanlagen, die kurzfristig zum tet hatten. Die Regelreserven sind dreistufig Ausgleich von Schwankungen zur Verfügung angelegt: Schon die schnellen Primärreserven stehen. Diese Kraftwerke und Anlagen kön- (i.W. Wasserkraftwerke) reichten neben den ge- nen exklusiv von der APG genutzt werden, um nannten europaweiten Maßnahmen zur Stabi- „Freiräume im Netz“ zu schaffen. Wenn die Pro- lisierung, die Sekundärreserven wurden nicht gnose ergibt, dass eine Leitung bald überlas- benötigt. Doch dienten die sogenannten Minu- tet sein könnte, wird so vermieden, Strom aus tenreserven (Pumpspeicher und Gaskraftwer- dem Ausland importieren zu müssen. Und wer ke) dazu, die Frequenz wieder auf genau 50 Hz glaubt, so etwas passiert nur 2006 und 2021, heranzuführen. Die in zahlreichen Simulati- wird nun aufhorchen: Laut Christiner kommen onen und vielen europäischen Sitzungen ent- solche „Notsituationen“ mit der Zuschaltung wickelten Maßnahmen haben „sehr, sehr gut der Gaskraftwerke alle zwei bis drei Tage vor! gegriffen“. Urbantschitsch bestätigte, dass der Vorfall Wenn die schwankende erneuerbare Erzeu- zurzeit genau untersucht werde. Bislang könne gung im System zunimmt, braucht es immer man nur sagen: Das System hat funktioniert. mehr Speicherung. Das sind heute die Stau- Allerdings müssten im kommenden Jahrzehnt seen, in Zukunft werden aber große Batterien bis zu 15 Mrd. € ins Stromnetz investiert wer- und Gas mit dem Power-to-Gas-Verfahren die den. Die Netzreserve-Neu ermöglicht die nöti- Überschüsse für Zeiten der Unterproduktion gen Schritte zur Absicherung. Die werden nicht konservieren – so der Experte. nur Gaskraftwerke, sondern auch kleinere, mit erneuerbarer Energie betriebene Kraftwerke er- ... aber es hält ledigen. Gewessler bezeichnete die Gaskraftwerke Christiner, Bundesministerin Leonore Gewess- als derzeit „ganz essentielle Stütze“, doch das ler und Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der langfristige Ziel sei „100 % erneuerbar“. Auf E-Control, nahmen bei einem Pressegespräch die Frage nach der künftigen Rolle von Grünem am 19. Jänner zum Thema „Versorgungssi- Gas meinte die Grünen-Ministerin, dieses sei cherheit und Netzreserve“ Stellung. Die grüne ein „wertvolles und knappes Gut“. Das müsse Ministerin lobte die Qualität des heimischen man gezielt einsetzen: etwa in Industrien, wo Stromnetzes und die Reaktion auf den Fast- sie keine Alternative zu Gas sieht. Auch bei der 8 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACH F O RUM : T HEM A Netzreserve werde es eine Rolle spielen, aber eine kleinere als fossiles Gas jetzt. Für den Ein- „Blackout-Versicherung“ satz in KWK-Anlagen ist es für Gewessler nicht erste Option. Da sich der Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau- Gesetzes bis Jänner 2021 nicht ausging, wurde der Punkt „Netzreserve“ aus europarechtlichen Und wenn der Stausee leer ist? Gründen bereits beschlossen. Um das Stromnetz Aus Sicht des Fachverbandes wurde die Rolle zu stabilisieren, sollen Gaskraftwerke und künf- von Gas in den kritischen Stunden des Fast- tig auch kleinere Anlagen bis hin zu Biomasse Blackouts möglicherweise ein wenig unterbe- oder auch Industriebetriebe einspringen. Letz- lichtet. So unterstreicht FGW-Geschäftsführer tere können den Verbrauch reduzieren und so Michael Mock in einer Presseaussendung „die zur Netzstabilität beitragen. Für teilnehmende Bedeutung von Gaskraftwerken, der langfris- Kraftwerke gilt künftig ein maximaler Ausstoß tigen Gasspeicher und der Gasinfrastruktur von 550 g CO2 /kWh. zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung“, denn Gaskraftwerke sind bei der Blackout-Be- kämpfung nicht nur für das kurzfristige Kri- zeit vorwiegend mit Gas betriebene Kraft-Wär- senmanagement wichtig, sondern auch zur me-Kopplungsanlagen. Durch die kombinierte Absicherung des Versorgungssystems danach. Erzeugung von Strom und Fernwärme wird der „Gaskraftwerke liefern Strom zuverlässig auch Einsatz von Rohstoffen wie Erdgas oder Bio- dann, wenn Pumpspeicher leer sind und ande- masse reduziert – und damit der Ausstoß von re Erneuerbare aufgrund von Windstille oder CO2. Daher fordert der FGW auch eine gesetzli- Bewölkung keine Energie liefern können.“ che Bestandssicherung für KWK-Anlagen. Ver- Während man noch über Speichermöglichkei- sorgungssicherheit und Erneuerbare müssen ten für Strom rätselt, kann man in Österreich zu Partnern einer funktionierenden Energie- auf große Gasspeicher zählen. wende werden, die Gaswirtschaft möchte mit „Greening the Gas“ ihren Beitrag dazu leisten. So griffen Wasserkraftwerke als primäre Rege- Grünes Gas (Biomethan, Wasserstoff aus Po- lung am 8. Jänner ein, doch waren an diesem wer-to-Gas) soll schrittweise Erdgas ersetzen, Tag auch 32,1 % an Strom aus Gaskraftwer- auch in der kombinierten Erzeugung von Strom ken im Netz. Und am ersten wie auch noch am und Wärme. Das Potenzial für Grünes Gas aus zweiten Tag nach dem Fast-Blackout sank der Österreich ist enorm: Rund 5 Mrd. m³ könnten erneuerbare Anteil an der Inlandsprodukti- aus heimischen Abfällen oder Wasserstoff ge- on merklich auf jeweils 61,5 % (nach 67,9 %). wonnen werden. Das deckt mehr als 50 % des Sowohl der Gas-Anteil am Austro-Strom als aktuellen Verbrauchs ab, der Rest würde durch auch die Menge an importiertem Strom (unbe- Effizienzmaßnahmen und Importe ergänzt. kannter Machart) stiegen an den Tagen nach der Störung deutlich. Mock schließt daraus: Auch Fast-Blackouts führen deutlich vor Au- „Für die Versorgungssicherheit in Europa und gen: Die Versorgungssicherheit mit Strom und Österreich braucht es einen Mix an verschie- Wärme hat immer Priorität und darf in der denen systemischen Kraftwerken und eine Energiewende nicht aufs Spiel gesetzt werden. Bestandssicherung insbesondere auch für Um den heimischen Energieschatz an Grü- Gaskraftwerke.“ nem Gas zu heben, fehlen nun noch „klare, in Gesetze gegossene Spielregeln“, sagt Micha- Ein wichtiges Element der Versorgungssicher- el Mock. Man wartet daher gespannt auf den heit ist auch die Sektorkopplung von Gas und schon länger angekündigten Vorschlag eines Strom. Ihr Rückgrat bilden hocheffiziente, der- „Gas-Pakets“ aus dem Ministerium. ◂ FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 9
FACHFOR UM Green Deal – neue Ziele Die EU-Kommission legt ein 750 Mrd. schweres Wiederaufbauprogramm und ein neues Arbeitsprogramm zur Umsetzung des „Green Deals“ vor. Das könnte Auswirkungen sowohl auf die Gas- als auch auf die Wärme- und Kälteversorgung haben. Es ist ein unglückliches Zusammentreffen zwei- (gegenüber dem Stand von 1990). Die EU sieht er äußerst bedrohlicher Entwicklungen: Zum sich in ihrem Selbstverständnis als Vorreiterin einen erfordern die immer weiter ansteigenden beim Klimaschutz, deshalb legt man sich die Emissionen und die eingegangenen internatio- Latte höher – auch um in den anstehenden in- nalen Verpflichtungen wie z.B. das Pariser Kli- ternationalen Verhandlungen glaubwürdiger ma-Abkommen entschlossene Maßnahmen zur auf größeren Anstrengungen der anderen Staa- Reduktion der für das Klima schädlichen Treib- ten bestehen zu können. hausgase. Zum anderen haben die Bemühun- gen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Zur Erinnerung: Um es zu schaffen, den globa- einen seit den 1930er-Jahren nicht gesehenen len Temperaturanstieg bis 2050 auf gegenüber Rückgang der Wirtschaftsleistung verursacht, der vorindustriellen Zeit 1,5 °C zu beschränken, so dass sich die EU-Mitgliedstaaten weit über müssen bis dahin weltweit die CO2-äquivalen- das geplante Ausmaß hinaus verschulden müs- ten Emissionen auf null gesenkt werden. Alles sen. Damit die Konjunktur wieder in Schwung was dann noch emittiert wird, muss kompen- kommt, werden wohl auch in den kommenden siert, gespeichert oder einer Nutzung zuge- Jahren teure Unterstützungsprogramme nötig führt werden, z.B. in der Industrie. Diese Er- sein. höhung des Einsparungsziels auf mindestens 55 % bis 2030 wird als jetzt notwendiger Zwi- Im Rahmen des Wiederaufbauprogramms schenschritt gesehen, damit die EU bis 2050 „Next Generation EU“ verfolgt man bei der EU- als erster großer Wirtschaftsraum klimaneutral Kommission unter Präsidentin von der Leyen sein kann. Sowohl das Europäische Parlament offenbar dieses Ziel. Die enormen Geldmittel in als auch der Rat haben dieses langfristige Kli- Höhe von 750 Milliarden Euro, die von den Mit- maneutralitätsziel bereits gebilligt. gliedstaaten für die Bewältigung der wirtschaft- lichen Auswirkungen der Pandemie zugesagt Dieses Ziel soll von der EU kollektiv erreicht wurden, sollen nicht nur genutzt werden, um werden; national verbindliche Ziele, wie vom nachhaltige Arbeitsplätze und Wettbewerbs- Europäischen Parlament gefordert, lehnt der vorteile zu schaffen, sondern auch, um die Rat ab. Das 55 %-Ziel soll im künftigen Europä- Klimaziele zu erreichen. Die Finanzierung von ischen Klimagesetz verankert werden. Gasinfrastruktur soll dabei nicht automatisch ausgeschlossen sein – solange diese nachweis- Konsultationen zum künftigen EU-Rahmen lich ein Teil der nationalen Dekarbonisierungs- strategie ist. Um den Umbau im Rahmen des Europäischen Green Deals durchführen zu können, sind weit- Neue Ziele festgelegt gehende Maßnahmen bei Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie sowie Land- und Im vergangenen Dezember wurde vom Euro- Forstwirtschaft vorgesehen. Im vergangenen päischen Rat beschlossen, die Treibhausgas- November startete die EU-Kommission eine Emissionen bis 2030 nicht wie bisher vorgese- Reihe an öffentlichen Konsultationen, die letzt- hen um 40 % zu verringern, sondern um 55 % lich in die Neugestaltung europäischer Richtli- 10 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACHFORUM European Green Deal Das Maßnahmenpaket im Über- blick (bis 2021), passend für 55 % Erneuerbare (Grafik: WKO/UP) nien und Verordnungen münden und zur Errei- de Fassung beschlossen. Bisher galt, dass der chung der EU-Klimaziele beitragen sollen. Bei Anteil erneuerbarer Energieformen in der EU diesen Revisionen und Konsultationen kommt bis 2030 auf 32 % angehoben werden soll. naturgemäß jenen Rechtstexten, die Energie- themen und Treibhausgasemissionen berüh- In einer Veröffentlichung im vergangenen Sep- ren, besondere Bedeutung zu. Dazu zählen u.a. tember gab die EU-Kommission ihre Einschät- die Energieeffizienz-Richtlinie, die Erneuerba- zung bekannt, dass das bisher geltende Ziel ren Energien-Richtlinie, die Regelung für den zu kurz greift. Damit würde es nicht gelingen, Handel mit Treibhausgasemissionen oder die bis 2050 klimaneutral zu sein. Die Emissions- Lastenteilungs-Verordnung, die bestimmt, wie minderung würde nur 60 % betragen. Daher hoch die Treibhausgasemissionen in den Mit- möchte man den Erneuerbaren-Anteil auf bis gliedstaaten für jene Bereiche sein dürfen, die zu 38 % erhöhen. nicht dem Emissionshandel unterliegen. Grüne Gase sollen größere Rolle bekommen Erneuerbaren Energien-Richtlinie Der Fachverband Gas Wärme unterstützt Bis Mitte des Jahres möchte die Europäische grundsätzlich das Ziel der europäischen Kli- Kommission einen Vorschlag zur Neugestal- mapolitik, bis 2050 Treibhausgas-Neutralität tung der Erneuerbaren Energie-Richtlinie vor- zu erreichen. Und die Gas- und Wärmewirt- legen. Erst Ende 2018 wurde die derzeit gelten- schaft sieht sich auch in der Lage, mit den vor- FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 11
FACHFOR UM handenen Infrastrukturen einen wesentlichen ebenfalls Klarstellungen. In der zurzeit gülti- Beitrag zu leisten. gen Erneuerbaren-Richtlinie wird „Abwärme und -kälte“ definiert als „unvermeidbare Wär- Die nationale wie europäische Gaswirtschaft me und Kälte, die als Nebenprodukt in einer wünscht sich von der künftigen Erneuerbaren- Industrieanlage, in einer Stromerzeugungsan- Richtlinie aber eine stärkere Berücksichtigung lage oder im tertiären Sektor anfällt und ohne von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen Zugang zu einem Fernwärmesystem ungenutzt wie Biomethan, grünem Wasserstoff und syn- in Luft und Wasser abgeleitet würde“. Der FGW thetischem Gas sowie eine Einbindung der be- nutzte die Konsultation für einen Änderungs- stehenden Netzinfrastruktur. Denn sie ermögli- vorschlag: Künftig sollte Abwärme aus sämtli- chen die Kopplung der Sektoren Raumwärme, chen Quellen (beispielsweise auch die Abwär- Mobilität und Elektrizitätsversorgung. Dabei me von Rechenzentren oder die Wärme aus soll Grünes Gas in allen Sektoren berücksich- P2G-Anlagen) berücksichtigt und mit erneuer- tigt werden – in Industrie und Mobilität, aber barer Energie gleichgesetzt werden. auch in der Raumwärme, wo diese Gase eine rasche und vergleichsweise günstige Ersatz- Verpflichtung für mehr erneuerbare Wärme? möglichkeit für fossiles Gas bieten. Wasserstoff und synthetisches Gas liefern zudem über die Effiziente Fernwärme- und Fernkältesysteme P2G-Technologie eine Lösung für das Problem können eine wichtige Rolle für die Einbezie- der saisonalen Speicherung von erneuerbarem hung erneuerbarer Energie im Bereich Wärme Strom aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen. und Kälte spielen. Bis 2030 müssen die Mit- gliedstaaten sich bemühen, den Anteil der er- Konkret fordert die Gaswirtschaft verpflichten- neuerbaren Energie in Fernwärme- und Fern- de Zielsetzungen auf EU-Ebene für erneuerba- kältesystemen um einen indikativen (d.h. nicht res und dekarbonisiertes Gas (z.B. Wasserstoff, verpflichtenden) Richtwert von einem Prozent- bei dem bei der Produktion kein CO2 in die At- punkt pro Jahr zu steigern. mosphäre gelangt). Zudem ist ein Unterstüt- zungssystem zur Erhöhung des Anteils an der- Im Fragebogen zur Konsultation wird nun er- artigen Gasen sowie eine Harmonisierung der hoben, ob aus dem gegenwärtigen indikati- Herkunftsnachweise auf europäischer Ebene ven Richtwert eine verbindliche Zielvorgabe erforderlich. werden soll. Das wurde vom FGW bei der Be- antwortung des Konsultations-Fragebogens Derzeit sind diese Nachweise zwölf Monate ab abgelehnt. Eine weitere Frage lautet, ob die Produktion der betreffenden Energieeinheit jährliche Steigerungsrate beim Anteil für er- gültig. Bei dieser Regelung wird aber überse- neuerbare Energie in der Fernwärme- und hen, dass erneuerbare Gase – im Unterschied Fernkälteversorgung nicht überhaupt erhöht zu anderen erneuerbaren Energieträgern – in werden soll. Hier wünscht man sich durchaus großen Mengen und auf längere Zeit in Gas- eine Erhöhung und zwar auf ein Niveau, das ei- speichern gelagert werden können. Daher nen 40 %-Anteil der erneuerbaren Energien im wünscht man sich eine Verlängerung der Gül- Wärme- und Kältesektor sicherstellt. tigkeit dieser Nachweise. Keine Änderungen bei Zugang von Drittanbietern Weitere Definition für Abwärme Bereits jetzt ist in der Richtlinie die Bestim- In dem Konsultations-Fragebogen werden auch mung enthalten, dass Anbieter von erneuer- die Wünsche zur künftigen Wärme- und Käl- barer Wärme Zugang zu den Fernwärmenet- teversorgung erhoben. Hier möchte der FGW zen erhalten können. Diese Möglichkeit sollte 12 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACHFORUM nach Ansicht des FGW nicht ausgeweitet Energieeffizienz-Richtlinie – durch zusätzliche Auflagen in ihrer wirt- werden. Als Begründung wird angeführt, auf Wettbewerbsfähigkeit achten schaftlichen Konkurrenzfähigkeit gegen- dass regionale Fernwärme-Netze sich über Ländern und Regionen mit weniger grundlegend von grenzüberschreitenden Der FGW beteiligte sich auch an der Kon- strikten Bestimmungen eingeschränkt Strom- und Gasnetzen unterscheiden sultation zu den künftigen Inhalten der werden. und daher auch differenziert behandelt Energieeffizienz-Richtlinie. Hier sieht werden müssen. Das Fernwärmenetz ist man die Gefahr, dass die Themen Ener- Resümee ein geschlossenes System mit optimier- gieeffizienz und Erhöhung des Anteils Er- ter Wärmeerzeugung, die der Nachfrage neuerbarer unzulässig vermengt werden. Der Fachverband Gas Wärme hat sich in entspricht. Damit die Fernwärme ihr Po- Der Grundsatz „Energy efficiency first“ enger Abstimmung mit den Mitgliedsun- tenzial voll ausschöpfen und den Anteil dürfe nicht dazu führen, dass die Vorga- ternehmen an den Konsultationen be erneuerbarer Energien und Abwärme im ben für die Energieeinsparungen über- teiligt. Sollte – wie angekündigt – die System erhöhen kann, benötigen Unter- spannt werden, um damit die Klimaziele EU-Kommission in der zweiten Jahres- nehmen einen Rechtsrahmen, der den zu erreichen. hälfte Richtlinienvorschläge veröffentli- regionalen Charakter von Nah- und Fern- chen, wird man sich zusammen mit eu- wärmenetzen ebenso berücksichtigt wie Und keinesfalls sollten die EU-Mitglied- ropäischen Partnern dafür einsetzen, den hohe Investitionskosten und die nied- staaten zu einer Zeit, in der ohnehin au- Klimaschutz und die Interessen der Gas- rigen Renditen während der langen Le- ßergewöhnliche Belastungen zur Bewäl- und Wärmeversorgungsunternehmen in bensdauer von Fernwärme-Systemen. tigung der COVID-Krise zu meistern sind, Einklang zu bringen. ◂ Lösungen nach Maß. Begeisterung inklusive. Österreichweit. Energie ist unsere Leidenschaft | Nachhaltig. Innovativ. Zuverlässig. T: 05 0280 2800 Kelag Energie Seit mehr als 50 Jahren sind wir erfolgreich im Wärmebereich tätig, seit über 90 Jahren ein Top-Ansprechpartner in Sachen Strom. Mit dieser Erfahrung und office@kew.at der Leidenschaft für umweltfreundliche Energie versorgen wir jedes Jahr mehr www.kew.at Menschen mit unseren Produkten – vom Einfamilienhaus bis zum Industriekonzern. KELAG Energie & Wärme GmbH – Zentrale St. Magdalener Straße 81, 9524 Villach Für eine nachhaltige und zuverlässige Rundumversorgung in ganz Österreich. Wien | Salzburg | Linz | Innsbruck | Graz | Villach
FACHFOR UM Erneuerbare Wärme: Verbreitung und Barrieren Eine von IRENA, IEA und REN21 erstellte Studie 1 befasst sich mit den Einsatzmöglichkeiten Erneuerbarer für die Wärme- und Kälteproduktion: Biomasse dominiert, die verstärkte Nutzung anderer nachhaltiger Erzeugungsformen stößt oftmals auf technische und finanzielle Hindernisse. Fernwärmesysteme versorgen mit 6 % Das gilt in Europa etwa für Österreich Barrieren für Erneuerbare gegenwärtig einen relativ kleinen Anteil und Finnland, wo mit biogenen Energie- der weltweiten Nachfrage nach Wärme- trägern über 40 % der benötigten Fern- In der Studie werden auch die Barrieren und Kältedienstleistungen. Die größte wärme erzeugt werden. In Schweden für die verstärkte Nutzung von Erneuer- Verbreitung finden sie in China, Europa erhöhte sich der Anteil der Biomasse an baren angeführt. Häufig sind dafür tech- und Nordamerika. In Europa versorgen der Fernwärmeerzeugung seit den 1990er- nische Gründe verantwortlich. In die rd. 6.000 Fernwärmesysteme rd. 12 % der Jahren sogar von 30 % auf über 80 %. Jahre gekommene Systeme mit geringer Wärmenachfrage. Häufig wurden sie er- Auch Frankreich, Dänemark, Norwegen Effizienz, die hohe Vorlauftemperaturen richtet, um die bei der Müllverbrennung und Litauen werden in der Studie als Bei- benötigen, sind vielfach nicht geeignet, und Stromerzeugung anfallende Wärme spiele für einen Erneuerbaren-Anteil von um vorhandene erneuerbare Energiefor- nutzen und auf diese Weise die Versor- mehr als 50 % angeführt. Auch zur Erhö- men wie z.B. Abwärme im Niedertempe- gungssicherheit erhöhen zu können. hung der Versorgungssicherheit setzte ratur-Bereich einzubinden. Als Beispiele Fernkältesysteme werden in Europa man Erneuerbare verstärkt ein. So wurde dafür werden Russland und die Länder und im Mittleren Osten hauptsächlich etwa in Litauen aus diesem Grund Erdgas im Osten und Südosten Europas genannt. zur Kühlung von Wohn- oder kommerzi- teilweise durch Biomasse ersetzt. Dort sind vielfach auch die Heizsysteme ellen Gebäuden eingesetzt. So werden in Werden andere erneuerbare Energie- in den Gebäuden für Niedertemperatur- den Vereinigten Arabischen Emiraten rd. träger verwendet, z.B. Geothermie oder wärme nicht geeignet. 20 % des Kühlungsbedarfs für Gebäude Solarenergie, so geschieht das ebenfalls Bei Solarthermie besteht in den nörd- über Fernkälte-Systeme bereitgestellt. hauptsächlich in Europa. Welche Formen lichen Teilen Europas das Problem, dass es sind, hängt von der Verfügbarkeit ab. die Ressource zur Zeit der höchsten Biomasse dominiert Ein bemerkenswertes Beispiel ist sicher Wärmenachfrage nur im beschränkten Island, wo beinahe 100 % der Fernwär- Ausmaß zur Verfügung steht. Will man Der Anteil der weltweit in Fernwärme- me über Geothermiesysteme und die Nut- trotzdem Solarenergie nutzen, so müs- systemen eingesetzten Energie aus er- zung von Abwärme erzeugt werden. sen Speichersysteme errichtet werden neuerbaren Quellen belief sich 2018 auf wie z.B. die Erdwärmespeicher in Däne- 8 %, der Schwerpunkt liegt deutlich auf mark. In dicht besiedelten Gebieten ist es Biomasse. 2019 stammten 95 % der mit oft auch schwierig, ausreichend freie Flä- Erneuerbaren erzeugten Fernwärme aus chen für die Installation der Solar-Kollek- Systemen, die direkt oder indirekt mit toren zu finden. Biomasse befeuert werden, wie z.B. KWK- Anlagen oder Heizkessel. In Ländern mit Oftmals scheitert die verstärkte Nutzung hohen Waldanteilen und großer Wärme- von Erneuerbaren auch am Geld. Selbst Nachfrage ist Biomasse die erste Wahl dort, wo die Infrastruktur bereits vor- bei der erneuerbaren Wärmeerzeugung. handen ist, gestaltet sich ein Wechsel kapital-intensiv. Und muss erneuerba- 1 IRENA, IEA and REN21 (2020), ‘Renewable Ener- re Fernwärme in Konkurrenz zu fossilen gy Policies in a Time of Transition: Heating and Energieträgern treten, die öffentlich ge- Cooling’. IRENA, OECD/IEA and REN21. Download: stützt werden, so verschlechtern sich die https://www.euroheat.org/publications/reports- and-studies/renewable-energy-policies-time-tran- Aussichten im Wettbewerb um Marktan- sition-heating-cooling/ teile zusätzlich. ◂ 14 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACHFORUM Grafik: shutterstock.com / bearb. Ruck Gute Gründe für Wasserstoff Eine neue Studie 1 zeigt, dass weite Teile der Wirtschaft Interesse an Wasserstoff haben, aber mehr Förderung benötigt wird, um einen nachhaltigen Übergang in Gang zu setzen. Das renommierte Oxford Institute for Energy haben, sind über die Stoßrichtung uneins. So Studies hat sich 39 Wasserstoff-Plattformen in setzen Frankreich und Italien vorwiegend auf ganz Europa angesehen, um zu verstehen, wer „grünen“ Wasserstoff, die Niederlande und sich für einen Übergang in Richtung Wasser- Norwegen auf „blauen“. Auch Österreich hat stoff einsetzt – und warum. sich zum Ziel gesetzt, zur „Wasserstoffnation“ zu werden – die nationale Wasserstoffstrategie In der Welt vor Corona konstatierte der IEA- lässt aber immer noch auf sich warten. Report 2019 das steigende Interesse an Was- serstoff als Teil einer emissionsfreien Zukunft. Hochmotivierte Gasunternehmen Auch mit der Pandemie ist es nicht geschwun- den, hat doch etwa Deutschland gleich 9 Mrd. Die Gaswirtschaft macht sich Gedanken über Euro seines Covid-Konjunkturprogramms für das langfristige Sinken der Erdgasnachfrage, die Förderung der Wasserstoffwirtschaft reser- die Rolle der Gasinfrastruktur, verschärfte CO2- viert. Damit lässt sich etwas anfangen; nur wel- Restriktionen und zu wenig Diversifikation. che Rolle Wasserstoff genau spielen wird, ist Wasserstoff bietet eine Alternative, die es er- noch nicht so klar wie die Bekenntnisse dazu. laubt, wertvolle Infrastruktur weiter zu nutzen, Auch die EU-Kommission wähnt ihn als Grund- während neue Business-Modelle entwickelt pfeiler ihres „Green Deal“, doch der dafür zu- werden können und die Versorgungssicher- ständige Kommissar Frans Timmermans warnt heit erhalten bleibt. Neue Steuern wie auch gleichzeitig, Wasserstoff als „Silberkugel“ zu eine CO2-Bepreisung treffen die Gaswirtschaft sehen. Die wirtschaftlichen Interessen sind direkt, der gesellschaftliche Wunsch nach De- vielfältig, wie auch die staatlichen Strategien: karbonisierung indirekt und dann doch wieder Viele besitzen (noch) keine – und jene, die eine direkt, wenn er in rechtliche Maßnahmen ge- gossen wird. 1 „The Heralds of Hydrogen: The economic sectors that are driving the hydrogen economy in Europe“, The Oxford Einige Gasanbieter sehen den Transport von Institute for Energy Studies (1/2021). Download unter: https://www.oxfordenergy.org/wpcms/wp-content/up- Wasserstoff als Möglichkeit der Diversifizie- loads/2021/01/Insight-82-The-Heralds-of-Hydrogen.pdf rung, die den heimischen Anteil gegenüber FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 15
FACHFOR UM Fünf Farben: H2 Wasserstoff hat viele Vorteile als Energieträger: Er verbrennt emissionsfrei. Er und Mittelbetriebe, die technische und wissen- kann über die Erdgas-Infrastruktur genutzt, verteilt und gespeichert werden. schaftliche Dienstleistungen, Maschinen und Speichern kann er selbst Strom via Power-to-Gas und damit die schwankende Elektronik anbieten. Für Letztere ist Verkauf Produktion der Erneuerbaren ausgleichen. Er kann gerade in energieintensi- und wachsender Marktanteil die Hauptmoti- ven Industrien einspringen und bietet auch Alternativen im Verkehr – insb. im Schwerverkehr. vation. Die steigenden Kosten für CO2-Emissi- onen und der Zug zur Dekarbonisierung sind Nachteile sind: (noch) relativ teure Erzeugung, Energieverluste bei der Um- wandlung und die Notwendigkeit von CCS-Technologien bei „Blauem“ Was- dagegen Anreiz für die Energie-, Stahl-, Trans- serstoff. port- und chemische Industrie, in Wasserstoff- Grüner Wasserstoff: aus Elektrolyse mit Ökostrom projekte zu investieren. Die Sicherung beste- Türkiser Wasserstoff: aus Methanpyrolyse mittels (erneuerbarer) Wärme hender Vermögenswerte und Infrastruktur Grauer Wasserstoff: Dampfreformierung aus Erdgas sowie die Sorge, in ganz andere Energietech- Blauer Wasserstoff: Grauer Wasserstoff mit CCS (CO2-Abscheidung) nologien wechseln zu müssen, bewegt wiede- Pinker Wasserstoff: aus Elektrolyse mit Atomstrom rum Häfen, Öl- und Gasunternehmen. Letztere möchten damit auch die Versorgungssicherheit verbessern und ihr Portfolio diversifizieren. importiertem Erdgas erhöht. Mehrere forschen selbst zum Thema Power-to-Gas oder mit dem Trotz breiter Motivationslage beklagen die Stu- Zumischen von H2 zu Gas („Blending“). Der dienautoren, dass die tatsächlichen Investitio- größte Pipeline-Betreiber SNAM etwa investiert nen in Wasserstoff noch relativ gering sind. Be- 1,4 Mrd. € in Verbindungsleitungen zu Was- sonders die E-Wirtschaft und die Autohersteller serstoff-Projekten und denkt an einen Zusam- sind noch zurückhaltend. Während Erstere menschluss von Europa mit Nordafrika, wo auch andere Optionen in Betracht zieht (z.B. Wasserstoff günstiger produziert werden könn- Nachfrage-seitige), haben Letztere Sorgen we- te. Gasunie (Nl) will mit Shell und Groningen gen der Energieeffizienz der Technologie und Seaports -zig Milliarden in einen 10-GW-Off- der fehlenden Wasserstoff-Infrastruktur. Am shore-Windpark und Europas größte Produkti- ehesten investieren die Metallwirtschaft, Her- onsstätte für „grünen“ Wasserstoff investieren. steller von Schwerfahrzeugen und Erdgasun- Viel mehr Pläne dieser Art erwarten die Studi- ternehmen, gefolgt vom Chemie-, Maschinen- enautoren in Zukunft. und Transportsektor. Bereitschaft da, Förderung fehlt Als wichtige Erkenntnis hält das Oxford Insti- tute fest, dass die energieintensiven Sektoren Von den in der Studie berücksichtigten, zum hohe CO2-Kosten sehr ernst nehmen; auf ihre E-Sektor gehörenden Unternehmen wird der Unterstützung kann in der Förderung von Was- österreichische VERBUND-Konzern als eines serstoff gezählt werden – außer es kommt zu der wenigen bezeichnet, die „grünem“ Wasser- einem Corona-bedingten CO2-Preisverfall und stoff ernsthaft Aufmerksamkeit schenken. Al- die Politik handelt nicht entsprechend. Apro- lerdings verorten E-Unternehmen Wasserstoff pos: Der wichtigste Schluss aus der Studie ist, generell eher im Bereich der Dekarbonisierung dass der Übergang zu Wasserstoff zwar begon- der Schwerindustrie – wie im VERBUND-Pro- nen hat, aber politische Begleitung benötigt. jekt mit der voestalpine. „Das Gasnetz ist bereit“, ebenso Betreiber und Versorger, aber sie brauchen die Freigabe, mit Als Hauptinteressenten neben E- und Gas Zumischungen zu experimentieren. Der Sa- wirtschaft sieht die Studie Autohersteller, die men für die künftige Wasserstoff-Wirtschaft ist chemische und Maschinenindustrie, die Be- gelegt, aber um ihn zum Wachsen zu bringen, reiche Transport und Logistik (wie Häfen), braucht es „mehr öffentliche Förderungen und Hersteller von Schwerfahrzeugen sowie Klein- regulatorische Unterstützung“. ◂ 16 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
Fotos: Wiener Wasser/Zinner Bezahlte Anzeige Neubau Übergangs- kammer Wien In Wien Mauer mündet die II. Hochquellenleitung in die Übergangskammer Mauer. Täglich fließen rund 217.000 Kubikmeter Wasser durch dieses Bauwerk. In einem derzeit laufenden Bauvorhaben wird diese Übergangskammer neu errichtet – ebenso wie die angeschlossene Desinfektionsanlage. Zukünftig kann die Desinfektion in der Übergangskammer über eine UV-Anlage oder durch die Zugabe von Chlordioxid erfolgen, wobei mittelfristig die Chlordioxidmenge so weit wie möglich reduziert werden soll. Weiters wird eine neue elektrische Versorgungsmöglichkeit aus dem betriebseigenen Kraftwerk Mauer hergestellt. Durch diese Maßnahmen wird die Betriebssicherheit für die Trinkwasserversorgung wesentlich erhöht. Das neue Betriebsgebäude wird neben der bestehenden Übergangskammer Mauer am Areal der Stadt Wien – Wiener Wasser errichtet. Die Baugrubensicherung wurde bereits abgeschlossen. Die neuen Anlagen sollen 2022 in Betrieb genommen werden. Weitere Auskünfte erhalten Sie unter 01/599 59. Wiener Wasser wien.gv.at/wienwasser
FACHFOR UM In Brüssel spielt die (Wasser)Musik Seit dem Beitritt zur EU, also seit mittlerweile mehr als 25 Jahren, wird die heimi- sche Wasserversorgung in hohem Ausmaß von der europäischen Gesetzgebung bestimmt. Neben der EU-Trinkwasser-Richtlinie gibt es aktuell eine Reihe weiterer Gesetzesinitiativen und Aktivitäten, die Auswirkungen haben könnten. Im heurigen Jänner ist die überarbeitete EU- schlamm-Richtlinie durchgeführt, die auf EU- Trinkwasser-Richtlinie in Kraft getreten (siehe Ebene den Schutz der Umwelt und insbesonde- S. 20ff.), die in den kommenden zwei Jahren in re der Böden bei Verwendung von Klärschlamm nationales Recht umgesetzt werden muss. Eine in der Landwirtschaft regelt. Nach mehr als 30 wichtige Neuerung in dieser Richtlinie, der ver- Jahren soll diese Richtlinie überarbeitet wer- besserte Zugang zu Trinkwasser für benachtei- den, da sie den aktuellen Anforderungen nicht ligte Gruppen, geht auf die Europäische Bür- gerecht wird – so sind beispielsweise Regelun- gerinitiative „Right2Water“ zurück, die im Jahr gen für im Klärschlamm enthaltene Arznei- 2013 die EU-Kommission zum Handeln aufrief. mittel oder Mikroplastikpartikel nötig. Für die Das große mediale Interesse, das die Initi- Trinkwasserversorgung ist in diesem Zusam- ative erregte, ist ein Beleg dafür, dass die eu- menhang wichtig, dass die Klärschlammbe- ropäische Bühne genutzt werden muss, um wirtschaftung durch die Landwirtschaft keine Standpunkten und Interessen Gehör zu ver- Gefährdung der Grundwasser-Ressourcen dar- schaffen. Die ÖVGW hat bereits seit 2005 eine stellt. Repräsentanz in Brüssel, um die Anliegen der heimischen Trinkwasserversorgung wirksam Auswirkungen des Green Deals vertreten zu können. Es wird von Martin Säckl geleitet, der im Auftrag der ÖVGW die österrei- Europa soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral chischen Positionen in EU-Kommission und werden, was bedeutet, dass nur noch erneuer- EU-Parlament kommuniziert. Ein weiterer He- bare Energieformen zum Einsatz kommen dür- bel ist die Mitgliedschaft der ÖVGW bei der fen und Energie möglichst effizient verwendet EurEau, dem Zusammenschluss von Wasser- werden muss. Deshalb wird zurzeit geprüft, vereinigungen aus 29 europäischen Ländern, ob EU-Richtlinien mit Bezug zur Energiever- die ihre Interessen koordinieren und gegen- sorgung zu überarbeiten sind. Wasserversor- über den EU-Institutionen vertreten. ger benötigen Energie und verursachen damit Nachdem die große Aufgabe der Neufassung Treibhausgase. Sie benötigen Strom für den Be- der Trinkwasser-Richtlinie abgeschlossen ist, trieb von Pumpen oder Treibstoff, um mit Not- gibt es eine Reihe weiterer EU-Initiativen mit stromaggregaten in einem Krisenfall die Ver- Bezug auf die Trinkwasserversorgung. Es gilt sorgung aufrechterhalten zu können. Sie sind nun für Martin Säckl und die ÖVGW-Geschäfts- aber auch Energieproduzenten und erzeugen telle, ihre Kontakte zu nutzen, um rechtzeitig dort, wo es möglich ist, mit Trinkwasserkraft- erkennen zu können, an welchen Schräubchen werken oder Photovoltaik erneuerbaren Strom gedreht werden kann, um den Interessen der und leisten so einen Beitrag für die Erreichung heimischen Trinkwasserversorgung Berück- der Klimaziele. sichtigung zu verschaffen. Die EU-Kommission hat bis vor kurzem Kon- sultationen durchgeführt, um allen Interessier- Regelungen für Klärschlamm ten Gelegenheit zu geben, ihre Einstellung zu ehrgeizigeren Einsparzielen bekanntzugeben. Zurzeit wird eine Konsultation zur Klär- Die künftige Ausgestaltung europäischer Richt- 18 FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021
FACHFORUM linien – z.B. zum verstärkten Einsatz von „Es ist ein Geben und Nehmen“ erneuerbarer Energie oder zur Energieef- Martin Säckl leitet seit 15 Jahren die Repräsentanz der ÖVGW in Brüssel. fizienz – muss es auch weiterhin ermög- Er muss frühzeitig die richtigen Schritte setzen, um die Gesetzgebung im lichen, die Trinkwasserversorgung sicher Sinne der heimischen Wasserversorger beinflussen zu können. und zu leistbaren Kosten durchzuführen. Die Versorger sind auch grundsätzlich FORUM GWW: Herr Säckl, wie kann eine Interessenvereinigung wie die ÖVGW auf die daran interessiert, ihren Betrieb energie- EU-Gesetzgebung Einfluss nehmen? effizient durchzuführen, denn bei vielen Säckl: Bei der EU-Gesetzgebung sind die machen die Ausgaben für Energie einen drei großen EU-Institutionen Kommission, Foto: David Plas / eacon großen Teil der Betriebskosten aus. Parlament und Rat die wichtigsten Akteure. Da arbeiten Menschen, die wir in den Stadien der Ausarbeitung von Richtlinien und Verordnungen Heikle Publikation von Geodaten gezielt mit Informationen versorgen können. Im vergangenen Herbst wurde die IN Um wen handelt es sich bei diesen Personen? SPIRE-Richtlinie der EU einer Bewertung Das können EU-Abgeordnete oder ihre Der Niederösterreicher Martin Säckl (* 1965) Mitarbeiter sein, die im gerade zuständigen lebt und arbeitet seit 1993 in Brüssel. unterzogen. Sie regelt, welche Geoda- Parlaments-Ausschuss sind. Oder wir sprechen ten für die Öffentlichkeit verfügbar sein mit Angehörigen der EU-Kommission, die in der struktur nicht immer möglich, eine gemeinsame müssen. Das betrifft auch Wasserversor- für Wasser zuständigen Abteilung arbeiten. Und Linie zu finden. Dann müssen wir als kleines gungsunternehmen, die über Geodaten wir müssen auch in Wien mit den Leuten aus Land Verbündete suchen, die unsere Sicht bezüglich Wasserspender oder ein Netz- den zuständigen Ministerien sprechen, denn teilen, um Einfluss ausüben zu können. informationssystem verfügen. Es wurde die sollen ja in den Rats-Arbeitsgruppen die ös- Wie wichtig ist der persönliche Kontakt zu terreichischen Positionen vertreten. Die Arbeit immer wieder darauf hingewiesen, dass Personen in den EU-Institutionen? in Brüssel erledige zumeist ich, manchmal auch eine Veröffentlichung dieser Daten ein Si- Hat man schon mit jemandem zusammenge- gemeinsam mit Manfred Eisenhut oder Anna cherheitsrisiko darstellt. Bei einer Über- arbeitet, so macht das den Zugang leichter. Pomassl. In Wien halten die ÖVGW-Geschäfts- Meiner Meinung nach ist es aber wichtiger, arbeitung der INSPIRE-Richtlinie sollte stelle und mein Kollege Heimo Gradischnig den dass man die Abläufe in der EU-Gesetzgebung die derzeitige Regelung beibehalten wer- Kontakt zu den heimischen Ministerien. kennt. Man muss die richtige Person zum den, dass Detailinformationen über das In welcher Phase des europäischen Gesetz richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Informa- Leitungsnetz sicherheitsrelevante Daten gebungsverfahrens werden Sie aktiv? tionen versorgen. Dann ist es im Grunde egal, sind, die von der Veröffentlichungspflicht Ich versuche möglichst früh herauszufinden, ob ich jemand kenne oder nicht. Dazu kommt, befreit sind. welche Gesetzesinitiativen Auswirkungen auf dass die Personen ja ständig wechseln. Aber die Trinkwasserversorgung haben könnten. auch das hat einen Vorteil: Die Neuen sind Das ist aber nicht immer auf den ersten Blick oft auf Hilfe angewiesen, und das ist für uns Die Europäische Kommission hat eine zu erkennen. Es gibt in Brüssel innerhalb der Lobbyisten eine Möglichkeit, ihnen die Anliegen öffentliche Konsultation zum EU-Akti- EurEau die Water Lobby Group. Das ist ein infor- unserer Auftraggeber nahezubringen. onsplan „Towards a Zero Pollution Ambi- melles Gremium, bei dem sich Lobbyisten und Das heißt, die Informationen der Lobbyisten tion for Air, Water and Soil – Building a Mitarbeiter aus den nationalen Interessenver- werden durchaus geschätzt? Healthier Planet for Healthier People“ ge- tretungen treffen. Hier erhält man oft wichtige Ja, wir sind mittlerweile sogar in der Position, Informationen. Bin ich der Meinung, dass ein startet. Die Konsultation lief bis zum 12. dass sich die Mitarbeiter von EU-Parlamenta Thema relevant ist, teile ich meine Einschät- Februar 2021, die Fragen betrafen auch riern oder Beamte der Kommission an uns zungen der ÖVGW-Geschäftsstelle mit. Dort die Verunreinigung von Grundwasser. Es wenden, um unsere Meinung zu einem be wird dann entschieden – nach Rücksprache mit stimmten Punkt einzuholen. Die ÖVGW und wird sich zeigen, ob durch diese Initiati- Experten aus den ÖVGW-Fachausschüssen – ob ihre Mitarbeiter – allen voran Manfred Eisenhut ve der EU zusätzliche Möglichkeiten zum ich in Brüssel aktiv werden soll. und Anna Pomassl – werden als kompetente Schutz der Grundwasserressourcen ent- Arbeiten Sie auch mit der EurEau zusammen? Ansprechpartner in allen Fragen der Trinkwas- stehen. Auch die ÖVGW hat sich an der In wichtigen Angelegenheiten gehen wir serversorgung gesehen. Der Informationsfluss Konsultation beteiligt und hofft, dass es gemeinsam mit der EurEau vor. Sie wird von läuft also in beide Richtungen. Es ist ein Geben zukünftig in noch höherem Ausmaß als der Kommission als Stimme der gesamten eu- und Nehmen, und wir müssen entscheiden, wie ropäischen Trinkwasserversorgung betrachtet. wir diese Kontakte in Sinne der ÖVGW-Mitglie- bisher europäische Unterstützung beim Aber es ist der EurEau auf Grund der Mitglieder- der nutzen können. Grundwasserschutz gibt. ◂ FORUM GAS WASSER WÄRME 1/2021 19
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