KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei

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KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei
DIE
KRIMINALPOLIZEI
Z e i t s c h r i f t d e r G e w e r k s c h a f t d e r Po l i z e i • A u s g a b e 2 / 2 017

                                                                                               Bundespolizei

                                                                           Bundeskriminalamt

 Darknet
 Vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung

 Professionelle Tatortarbeit

 Einsatzabschnitt „Folgemaßnahmen“

                                                               w w w.kriminalpolizei.de
KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei
EDITORIAL
Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
mit dieser Ausgabe wird „Die Kriminalpolizei“ von einem          Lebensfreude ganz entscheidend mitgeprägt – u. a. in der
neuen Redaktionsteam herausgegeben: Prof. Hartmut Brennei-       Funktion als Dekan des Fachbereichs Polizei, als stellvertre-
sen, Ltd. RD, hat die Funktion des verantwortlichen Redak-       tender Leiter der Fachhochschule und als Studienleiter im ers-
teurs übernommen – unterstützt wird er von KOR Frank Wim-        ten Studienjahr des Masterstudienganges „Öffentliche Verwal-
mel und PHK Dirk Weingarten.                                     tung – Polizeimanagement“.
  Das neue Team wurde gefunden, da der jahrelange Chefre-          Aber was ihn insbesondere für seine neue Funktion präde-
dakteur, Ltd. KD a. D. Herbert Klein, aus gesundheitlichen       stiniert, ist die Tatsache, dass er sich seit vielen Jahren der
Gründen von einer weiteren Betreuung der Zeitung Abstand         Literatur und Publizistik verschrieben hat und seit Jahren sehr
nehmen musste. Er hat „Die Kriminalpolizei“ fast 12 Jahre        eng mit unserem „Verlag Deutsche Polizeiliteratur“ zusammen-
lang maßgeblich als ein klug bestücktes Fachjournal geprägt.     arbeitet. 9 Lehrbücher, 25 Buchbeiträge, 17 Sammelbände, 400
Seine Mitarbeiterin Gunhild Weihe von der Groeben, die ins-      Fachaufsätze sowie 35 Gutachten, ungezählte Rezensionen und
besondere die Schlussredaktionen übernahm und darauf ach-        Interviews hat er insgesamt bereits veröffentlicht.
tete, dass die Zeitung pünktlich und fehlerfrei in Umlauf kam,
ist ebenfalls ausgeschieden. Beiden „Machern“ der Zeitschrift    Jetzt also „Die Kriminalpolizei“. Weil die Zeit bis zum Ruhe-
möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich für ihre jahrelange     stand für ihn überschau- und daher gut planbar ist, konnte
engagierte ehrenamtliche Tätigkeit danken. Sie haben zuver-      Prof. Brenneisen unser Angebot als „Verantwortlicher Redak-
lässig und mit einem hohen Anspruch „Die Kriminalpolizei“        teur“ mit Freude annehmen. Und ebenso freue ich mich darüber
als viel beachtetes Fachblatt weiter etabliert.                  – und bedanke mich gleichzeitig für die Bereitschaft von KOR
  Nochmals herzlichen Dank und für das persönliche Wohlerge-     Wimmel und PHK Weingarten, mit ihrer Fachlichkeit zum Gelin-
hen alles erdenklich Gute.                                       gen unserer Zeitschrift beizutragen.

Als nun Prof. Hartmut Brenneisen gefragt wurde, ob er sich       Ich wünsche viele gute Ideen, erfolgreiche Teamarbeit, wohl-
als „Verantwortlicher Redakteur“ sehen könnte, hat er nicht      gesonnene Autoren, Schaffensfreude und jede Menge kritische
lange gezaudert. Ich kenne ihn seit vielen Jahren und ich        Leserinnen und Leser.
weiß, wenn er sich entscheidet, dann mit unternehmungsfreu-
digem Bedacht. Kennengelernt haben wir uns, als wir beide
Fachlehrer für Eingriffsrecht waren – da hatten wir bereits
etliche Berührungspunkte. In den Folgejahren hatten wir uns
so manches Mal intensiv über unsere Lehrbereiche ausge-
tauscht. Ich schätze ihn nicht nur als einen hoch kompeten-
ten Experten, sondern auch als einen äußerst zuverlässigen
und menschlich sehr zugewandten Zeitgenossen.
  Ich denke, ich bin bei weitem nicht allein mit meiner Ein-
schätzung, wenn ich behaupte, er hat die Fachhochschule
für Verwaltung und Dienstleistung in Schleswig Holstein, an
der er seit dem Jahr 2000 lehrt, mit seiner praxisorientier-     Oliver Malchow
ten Fachlichkeit, aber auch mit seiner Disziplin, Lern- und      GdP-Bundesvorsitzender

                                                                 Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017                                     1
KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei
˘˘˘ Übersicht
EHRENAMTLICHE MITARBEITER

                             STÄNDIGE EHRENAMTLICHE MITARBEITER

                            Bund                                               Bremen                                                Matthias Bongarth, Geschäftsführer,
                            Bundesanwalt Thomas Beck,                          Erster Kriminalhauptkommissar Rolf Oehmke,            Landesbetrieb Daten und Information
                            Generalbundesanwalt Karlsruhe                      Polizei Bremen                                        Polizeipräsident Reiner Hamm,
                                                                               Kriminaldirektor Jörg Seedorf,                        Polizeipräsidium Mainz
                            Baden-Württemberg                                  Ortspolizeibehörde Bremerhaven                        Direktor der Bereitschaftspolizei
                            Landespräsident Gerhard Klotter,                   Senatsrat Prof. Dr. Daniel H. Heinke,                 Rheinland-Pfalz Klaus Werz,
                            Innenministerium Baden-Württemberg                 Landeskriminalamt Bremen                              Direktion der Bereitschaftspolizei, Mainz
                            Landeskriminaldirektor Martin Schatz,              Ltd. Kriminaldirektorin Andrea Wittrock               Kriminaldirektor Gerald Gouasé,
                            Innenministerium Baden-Württemberg                 Leiterin ZPD, Polizei Bremen                          Leiter Polizeidirektion Worms
                            Polizeipräsident Thomas Köber,
                                                                                                                                     Kriminaldirektor Klaus Mohr,
                            Polizeipräsidium Mannheim
                                                                                                                                     Leiter Kriminaldirektion Mainz
                            Polizeipräsident Ekkehard Falk,                    Bundespolizei
                            Polizeipräsidium Konstanz                          Erster Polizeihauptkommissar Edgar Stoppa,
                            Polizeipräsident Hartmut Grasmück,                 Bundespolizeiakademie Lübeck                          Saarland
                            Polizeipräsidium Heilbronn
                                                                               Präsident der Bundespolizeidirektion Pirna Jörg       Direktor Dr. Helmut Albert,
                            Polizeipräsident Prof. Alexander Pick,
                                                                               Baumbach                                              Leiter des saarländischen Landesamtes
                            Polizeipräsidium Hochschule
                                                                               Polizeidirektor Helgo Martens                         für Verfassungsschutz
                            Leitender Polizeidirektor Reinhard Renter,
                            Innenministerium Baden-Württemberg                 Leiter der KrimB Bundespolizeiinspektion Hamburg      Generalstaatsanwalt a. D. Ralf-Dieter Sahm,
                            Leitender Kriminaldirektor Peter Egetemaier,       Erster Polizeihauptkommissar (EPHK)                   Generalstaatsanwaltschaft Saarbrücken
                            Polizeipräsidium Freiburg                          Jürgen Lindemann                                      Landespolizeivizepräsident Hugo Müller,
                            Leitender Polizeidirektor Franz Semling,           Bundespolizeidirektion Berlin                         Ständiger Vertreter des Leiters des
                            Polizeipräsidium Offenburg                                                                               Landespolizeipräsidiums Saarland
                            Prof. Dr. Heinz-Dieter Wehner                                                                            Erster Kriminalhauptkommissar Norbert Meiners,
                            Institut für Gerichtliche Medizin Tübingen         Hamburg                                               Landesinstitut für präventives Handeln
                            Generalstaatsanwalt a. D. Klaus Pflieger           Kriminaloberrat André Bunkowsky,
                                                                                                                                     Kriminalrätin Nadine Kunz,
                            Landespolizeipräsident a. D. Dr. Alfred Stümper,   Polizei Hamburg
                            Stuttgart                                                                                                Dozentin an der Fachhochschule für Verwaltung und
                            Präsident a. D. Prof. Dr. Rainer Schulte,                                                                Mitglied des GdP-Landesvorstandes
                            Freiburg                                           Hessen
                            Inspekteur der Polizei a. D. Hartmut Lewitzki      Erster Kriminalhauptkommissar Ralf Humpf,
                                                                               Landeskriminalamt Hessen
                                                                                                                                     Sachsen
                            Kriminalhauptkommissar a. D. Wolfgang Schmidt,
                            Schwäbisch Gmünd                                                                                         Prof. Dr. med. Jan Dreßler,
                                                                                                                                     Leiter des Instituts für Rechtsmedizin,
                                                                               Mecklenburg-Vorpommern                                Universität Leipzig
                            Bayern                                             Inspekteur der Polizei Rudolf Springstein,            Prof. Dr. Christine Erfurt,
                            Ltd. Kriminaldirektor a. D. Gunter Hauch           Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern               Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin, TU
                            Ltd. Kriminaldirektor Jürgen Schermbach,                                                                 Dresden
                                                                               Polizeidirektor a. D. Rainer Becker
                            Leiter E3 – Verbrechensbekämpfung bei
                            PP Oberbayern Nord                                                                                       Polizeipräsident Bernd Merbitz,
                                                                                                                                     Polizeidirektion Leipzig
                            Erster Kriminalhauptkommissar                      Niedersachsen
                            Gerold Wiesbacher,
                                                                               Ltd. Kriminaldirektor Wolfgang Rösemann,
                            Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei,
                            Fachbereich Kriminalistik/Kriminologie             Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport   Sachsen-Anhalt
                            Kriminaldirektor Bernd Hackl,                      Kriminaldirektor Uwe Lietzau,                         Kriminaldirektor Sirko Eckert,
                            Leiter der KPI Rosenheim                           Ministerium für Inneres und Sport                     Ministerium für Inneres und Sport
                                                                               Polizeidirektor Volker Feige,                         Leitender Kriminaldirektor Karl-Albert Grewe,
                                                                                                                                     Landeskriminalamt
                            Berlin                                             Polizeiakademie Niedersachsen
                            Kriminalhauptkommissar Norbert Cioma,                                                                    Landespolizeidirektor a. D. Rolf-Peter Wachholz
                            LKA Berlin                                         Nordrhein-Westfalen
                            Kriminaldirektor Oliver Tölle,
                            Berlin
                                                                               Leitender Polizeidirektor Klaus Noske                 Schleswig-Holstein
                            Prof. Dr. Claudius Ohder,                          Kriminalhauptkommissar                                Leitender Polizeidirektor Michael Wilksen,
                            Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin         Dipl. Verw. Wirt Dietrich Voß,                        Polizeidirektion AFB
                            EKHK a. D. Peter Trapp,                            Kriminalprävention/Opferschutz                        Kriminaldirektor Rainer Bretsch,
                            CDU Berlin                                         Leitender Kriminaldirektor Jürgen Kleis               Landeskriminalamt
                                                                               Kriminalhauptkommissar Wolfgang Spies,                Polizeidirektor Ralph Garschke,
                            BKA                                                Polizeipräsidium Wuppertal                            Landespolizeiamt
                            Holger Münch                                       Leitender Kriminaldirektor Dieter Kretzer             Polizeidirektor Hartmut Kunz,
                            Präsident des Bundeskriminalamtes                                                                        Landespolizeiamt
                            Kriminaldirektorin Sabine Wenningmann                                                                    Ministerialdirigent Jörg Muhlack,
                            Regierungsdirektor Dr. Peter Frodl,
                                                                               Rheinland-Pfalz                                       Innenministerium Schleswig-Holstein
                            Bundeskriminalamt/DS 1                             Inspekteur der Polizei Jürgen Schmitt,
                                                                                                                                     Kriminaloberrat Michael Raasch,
                            Ltd. Kriminaldirektor Nikolaus Speicher,           Ministerium des Innern und für Sport
                                                                                                                                     Polizeidirektion Flensburg
                            Bundeskriminalamt / ITD-V                          Generalstaatsanwalt Dr. Jürgen Brauer,
                                                                               Generalstaatsanwaltschaft Koblenz

                            Brandenburg                                        Leitender Oberstaatsanwalt Harald Kruse,              Thüringen
                                                                               Staatsanwaltschaft Koblenz                            Polizeipräsident Uwe Brunnengräber,
                            Kriminalhauptkommissar a. D. Peter Krüger
                            LKA Brandenburg                                    Polizeipräsident Wolfgang Fromm,                      Landespolizeidirektion Thüringen
                            Polizeivizepräsident Roger Höppner                 Polizeipräsidium Koblenz                              Vizepräsident Jens Kehr,
                            Polizeipräsidium des Landes Brandenburg                                                                  Landespolizeidirektion Thüringen

       2                                                                                                  Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017
KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei
˘˘˘ Inhaltsverzeichnis / Impressum

                                                                                                                                                                                   INHALTSVERZEICHNIS / IMPRESSUM
                           Editorial1
                           Das Darknet                                                                                                             4
                           Von Dr. Sabine Vogt, Wiesbaden
                           Sicherheitspolitische Entscheidung:
                           Einschränkung von Anhalte- und Sichtkontrollen                                                                          8
                           Von Prof. Hartmut Brenneisen, Preetz
                           Bedeutung professioneller Tatortarbeit für das polizeiliche Ermittlungsverfahren                                      12
                           Von KD Christoph Frings, Duisburg
                           Vorbeugende Kriminalitäts­bekämpfung durch den Einsatz von AKLS                                                       17
                           Von DPPr a.D. Prof. Michael Knape, Berlin
                           Der Einsatzabschnitt „Folgemaßnahmen“ in BAO-Lagen                                                                    26
                           Von PD Frank Ritter, Kiel
                           Aus für die Rocker-Kutten?                                                                                            29
                           Von Prof. Dr. Daniel H. Heinke, Bremen
                           Strafrechtliche Recht­sprechungsübersicht                                                                             32
                           Von PHK & Ass. jur. Dirk Weingarten, Wiesbaden
                           „Fake News“                                                                                                           34
                           Von KHK Christian Zwick, Ludwigshafen
                           Aktuelles aus dem Netz                                                                                                35
                           Von KHK Christian Zwick, Ludwigshafen
                           Gewerkschaftspolitische Nachrichten                                                                                   35
                           Von Sascha Braun, Berlin
                           Buchrezensionen                                                                                              7, 28, 31

IMPRESSUM
Herausgeber:                                                                                Verlag und Anzeigenverwaltung:
GdP Gewerkschaft der Polizei, Bundesgeschäftsstelle Berlin,
Stromstraße 4, 10555 Berlin, Telefon: 030 / 39 99 21-0, Fax: -200
Redaktion:
                                                                                            Forststraße 3 a, 40721 Hilden,
Fachlicher Teil:                                                                            Telefon: 02 11 / 7 10 4-0, Fax: -174, av@vdpolizei.de
LRD Prof. Hartmut Brenneisen, verantwortlicher Redakteur                                    Betriebsstätte Worms: Rheinstraße 1, 67547 Worms,
E-Mail: brenneisen@kriminalpolizei.de                                                       Telefon: 0 62 41 / 84 96-0, Fax: -70, avworms@vdpolizei.de
KOR Frank Wimmel, Redakteur                                                                 Geschäftsführer: Bodo Andrae, Joachim Kranz
E-Mail: wimmel@kriminalpolizei.de                                                           Anzeigenleitung: Antje Kleuker
PHK Ass. jur. Dirk Weingarten, Redakteur
E-Mail: weingarten@kriminalpolizei.de                                                       Erscheinungsweise und Bezugspreis:
                                                                                            Vierteljährlich im letzten Quartalsmonat
c/o VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GmbH
Anzeigenverwaltung                                                                          Einzelbezugspreis 3,50 Euro incl. 7 % MwSt. zzgl. Versandkosten, Jahresabonne-
Ein Unternehmen der Gewerkschaft der Polizei                                                ment 12,– Euro incl. 7 % MwSt. zzgl. Versandkosten. Aufgrund des kriminalfach­
Betriebsstätte Worms, Rheinstraße 1, 67547 Worms, Telefon 0 62 41 / 84 96-0                 lichen Inhalts der Zeitschrift „Die Kriminalpolizei“ kann diese nur an Personen und
                                                                                            Institutionen ausgeliefert werden, die entsprechendes berufliches Interesse an der
Gewerkschaftspolitischer Teil:                                                              Zeitschrift nachweisen. „Die Kriminalpolizei“ darf nicht in Lesezirkeln geführt wer-
Oliver Malchow, GdP- Bundesvorsitzender,                                                    den. Bestellungen nur an den Verlag.
c/o GdP-Bundesgeschäftsstelle, Stromstraße 4, 10555 Berlin,
Telefon: 030 / 39 99 21-110, Fax: -211                                                      Herstellung:
Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht die Meinung der Redaktion                   Griebsch & Rochol Druck GmbH,
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                                                                                            Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017                                                                 3
KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei
KRIMINALITÄT

                                                   Das Darknet –
                                                           Rauschgift, Waffen, Falsch-
                                                         geld, Ausweise – das digitale
                                                         „Kaufhaus“ der Kriminellen?
                                                                                                            Von Dr. Sabine Vogt, Wiesbaden1

               1 Einführung                                                           Browserprogrammen (Microsoft Internet Explorer, Microsoft Edge,
                                                                                      Mozilla Firefox, Google Chrome etc.) bedienbar und durch Such-
               … November 2015: Shiny-Flakes, 20-jähriger Rauschgifthändler           maschinen wie Google, bing etc. einfach und intuitiv zu handha-
               aus Leipzig verkaufte aus der elterlichen Wohnung Betäubungs-          ben ist. Bereits im Clearnet sind vielfältige illegale Inhalte vor-
               mittel im großen Stil über das Internet …                              handen. Auf verschiedenen Plattformen werden sowohl Güter als
                 … Januar 2016: Waffenhändler Max Mustermann, 26-jähriger             auch Dienstleistungen aus den Bereichen Cybercrime im engeren
               Mechatronik-Student aus Unterfranken, finanzierte sich mit dem ille-   Sinn3 sowie „klassischen“ Phänomenen wie etwa dem Handel mit
               galen Waffenhandel sein Studium und seine Waffenleidenschaft …         Betäubungsmitteln, Waffen, Falschgeld etc. angeboten.
                 … Juni 2016: 32-jähriger Optiker und Sportschütze aus Heidel-          Das Deepweb (auch Hidden Web, Invisible Web) ist jener Teil
               berg, Nickname Dosensuppe, verbesserte mit dem gewerbsmäßi-            des Internet, der nicht durch die allgemeinen Suchmaschinen
               gen illegalen Waffenhandel seinen Lebensunterhalt …                    auffindbar ist. Inhalte des Deepweb können beispielsweise
                                                                                      Datenbanken, Intranets oder Fachwebseiten sein, die zwar
               Schlagzeilen wie diese haben das Darknet in das Bewusstsein            regelmäßig mittels normalen Browserprogrammen erreicht wer-
               der Öffentlichkeit gerückt.                                            den können, nicht jedoch in gängigen Suchmaschinen verlinkt
                 Der Amoklauf am Münchener Olympia-Einkaufszentrum am                 und daher hierüber nicht auffindbar sind. Inhalte des Deep-
               22. Juli 2016, bei dem der 18-jährige Schütze mit einer über           web sind regelmäßig in geschützten Bereichen oder in eige-
               das Darknet-Forum „Deutschland im Deep Web“ erworbenen Pis-            nen Netzwerken abgelegt, so dass seine Inhalte nur mit einer
               tole Glock 17 neun Menschen und dann sich selbst erschoss,             Zugriffsberechtigung aufgerufen werden können. Auch private
               hat überdies aufgezeigt, welches Gefahrenpotenzial mit diesem          Teile des sozialen Netzwerks Facebook zählen zum Deepweb.
               Phänomen verbunden ist.                                                  Weiterhin gibt es Netzwerke, die nur über spezielle Software
                                                                                      erreichbar sind und sich durch eine besonders starke Verschlüs-
                                                                                      selung und/oder Anonymisierung auszeichnen. Das sog. Dark-
                                                                                      net umfasst Wikis/Blogs mit unterschiedlichen – auch legalen
                                                                                      – Zielrichtungen sowie kriminelle/inkriminierte Kommunika-
                                                                                      tions- und Handelsplattformen. Wie in der realen Welt gibt es
                                                                                      berechtigte Gründe, warum eine Information wie z.B. die Iden-
                                                                                      tität eines Nutzers nicht publik gemacht werden soll. Hierzu
                                                                                      zählt beispielsweise der Schutz der Presse- und Meinungsfrei-
                                                                                      heit. Kriminelle missbrauchen diese Anonymität zur Begehung
                                                                                      von Straftaten. Die Funktionsweise verschiedener Software zur
                                                                                      Nutzung des Darknet (z.B. Tor-Browser-Bundle, Invisible Inter-
                                                                                      net Project [I2P], Freenet) bietet dem Anwender eine umfang-
                                                                                      reiche und leicht zugängliche Anonymität, weshalb das Darknet
                                                                                      einen attraktiven Raum für Straftäter darstellt. Sie sorgt für
                                                                                      ein hohes Sicherheitsgefühl auf Seiten der Kriminellen.
                                                                                         Im Visible Web sind diverse Hinweise und Informationen zu Platt-
                                                                                      formen im Darknet zu finden. Beispielsweise gibt die Webseite Deep-
                                                                                      DotWeb4 eine Übersicht über bekannte Plattformen im Tor-Netzwerk
                                                                                      inklusive Angaben zur Online-Zeit, Registrierungsumständen, Kom-
               2 Was ist das Darknet und wo findet es sich?                           mission, Bewertung, sowie der URL, über die sie zu erreichen sind.
                                                                                        Einen bedeutenden Teil des Darknet machen die Darknet-Mar-
               2.1 Clearnet und Deepweb2                                              kets aus, also kriminelle Marktplätze, bei denen inkriminierte
                                                                                      Güter anonym gehandelt werden. Diese decken die Bedürfnisse
               Beim Internet wird zwischen verschiedenen Bereichen                    der „Erlangungskriminalität“ (Betäubungsmittel, Waffen, Arz-
               unterschieden.                                                         neimittel, Falschgeld, Kinderpornografie, gefälschte Dokumente
               Das Clearnet (auch Visible Web, Surface Web, Open Web u.a.)            etc.) ab und bieten zunehmend unter dem Schlagwort „Crime-
               ist das weitläufig bekannte Internet, welches mit normalen             as-a-Service“ kriminelle Dienstleistungen und Software an.

    4                                                                                 Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017
KRIMINALPOLIZEI DIE - Die Kriminalpolizei
˘˘˘ Das Darknet –

                                                                                                                                          KRIMINALITÄT
2.2 Darknet – Funktion                                                Es wird unterschieden zwischen Marktplätzen mit oder ohne
                                                                    begleitendes Forum, jenen mit besonderen Zugangsberechtigun-
Zur Nutzung des Darknet wird überwiegend der Tor-Browser            gen und solchen, die zum Erhebungszeitraum nicht erreichbar
verwendet. TOR war ursprünglich ein Akronym für „The Onion          waren. Etwa 20 Marktplätze weisen eine operative Bedeutung
Routing“ oder „The Onion Router“ (engl. Onion = Zwiebel).           für das BKA aus.
Das aktuelle Projekt „The Tor Project“ ist als gemeinnützige          DreamMarket ist ein Beispiel der Plattformen mit begleiten-
Organisation eingestuft und widmet sich der Forschung, der          dem Forum. Der Marktplatz weist ca. 55.000 Kaufangebote auf
Entwicklung und der Schulung zum Thema Internetanonymi-             und verzeichnet ca. 20.000 Nutzer. Alphabay9 listete im Zeit-
tät und Datenschutz.                                                raum Juni/Juli 2016 ca. 66.000 Kaufangebote bei einer Nutz-
  Die Kommunikation zwischen Client und hidden service läuft        erzahl von über 75.000. Betäubungsmittel machen hierbei den
immer über mehrere Server im Tor-Netzwerk. Der Client handelt       größten Anteil an Kaufangeboten aus (ca. 52.000), darüber
mit dem hidden service einen sog. Rendezvous-Punkt (auf einem       hinaus werden unter anderem Waffen (ca. 500), Falschgeld (ca.
Tor-Server) aus, an dem sich die beiden Gegenstellen treffen. Die   300), Daten und Arzneimittel angeboten. Ca. 3.500 der Betäu-
jeweiligen Routen des Datenverkehrs von Client bzw. hidden ser-     bungsmittel-Angebote und ca. 90 der Waffen-Angebote schei-
vice zum Rendezvous-Punkt werden durch den Durchlauf meh-           nen aus Deutschland zu kommen.
rerer Tor-Knoten so stark verschleiert, dass eine Verfolgung die-     In Deutschland im Deep Web werden Betäubungsmittel, Arz-
ses Datenverkehrs nicht möglich ist und somit auch kein Rück-       neimittel, Falschgeld und Waffen gehandelt. Darüber hinaus
schluss auf den Datenursprung gezogen werden kann.5                 gibt es verschiedene Themenbereiche wie Religionen, Sport,
  Anders als im Clearnet gibt es im Tor-Netzwerk zudem keine        Politik und Wirtschaft, in welchen die Mitglieder diskutieren.
Möglichkeit, eine Domain zu einer IP-Adresse aufzulösen. Zu           Bei der Anzahl der Plattformen ist ein leichter Rückgang fest-
einer Onion-Domain gibt es auch keine Dienste, die weitere          zustellen. Daraus ist jedoch kein Rückgang der Benutzerzahlen
Infos über diese Domain ausgeben (Whois-Server).                    oder Angebote abzuleiten. Möglich ist, dass sich Nutzer, beispiels-
  Insgesamt nutzen nach eigenen Angaben des Tor-Projekts            weise in Folge einer Abschaltung einer etablierten Plattform,
durchschnittlich zwei Millionen Menschen täglich den Tor-Brow-      temporär auf bestimmte andere Plattformen konzentrieren.10
ser. Davon kommen 10 Prozent (200.000) aus Deutschland.6              Die Landschaft der kriminellen/inkriminierten Kommunika-
                                                                    tions- und Handelsplattformen unterliegt grundsätzlich einer
                                                                    großen Dynamik und Fluktuation. Eine Lagedarstellung kann
2.3 Darknet – Aufbau                                                demnach nur eine Momentaufnahme darstellen.
                                                                      Der mehr als rege Handel mit illegalen oder inkriminierten
Im Oktober 2013 verkündete das FBI die Sicherstellung des           Gütern im Darknet hat innerhalb der letzten Jahre eine enorme
Darknet-Forums Silk Road, sowie die Festnahme seines Betrei-        Entwicklung durchlaufen. Mittlerweile hat sich eine globale
bers. Silk Road war bis dahin der größte Drogenumschlagplatz        Industrie entwickelt, die nahezu keinen Kundenwunsch offen
im Netz. Darüber hinaus waren Angebote aus den Bereichen Fäl-       lässt. Marktplätze übernehmen dabei bekannte Strukturen von
schungs- und Geldwäschekriminalität umfasst. Laut FBI wurde         legalen Plattformen wie ebay und Amazon, die Produkte wer-
über Silk Road ein Umsatz von über 1,2 Milliarden US-Dollar7        den mit Fotos und Beschreibungen aufgelistet, die Community
(monatlich zwei Millionen8 US-Dollar) generiert.                    diskutiert sehr intensiv über die Vertrauenswürdigkeit von
  Silk Road ist nur ein Beispiel für einen kriminellen Online-      Händlern11 und es gibt einen 24/7-Kundensupport. „Crime-as-
Marktplatz im Darknet. Je nach Markt werden Betäubungsmit-          a-Service“-Angebote haben sich sowohl im Deepweb als auch
tel, Arzneimittel, Waffen, Falschgeld, Dokumente, elektronische     im Darknet als feste Komponenten in Angebots- und Produkt-
Daten, Software sowie Kinder- und Jugendpornografie u.v.m. zum      paletten etabliert. Hierbei werden Dienstleistungen zur Verfü-
Kauf angeboten. Die Zahlungen werden über sog. Krypto-Währun-       gung gestellt, die die Durchführung jeder Art von Cybercrime
gen wie Bitcoin (BTC) geleistet, wobei teilweise durch die Markt-   ermöglichen bzw. erleichtern. Dies gestattet interessierten Kri-
platzbetreiber ein Treuhandservice angeboten wird (sog. Escrow).    minellen ohne technische Vorkenntnisse und mit vergleichs-
  Die Angebote und Kommunikation über die Marktplätze und           weise geringem Aufwand Zugang zu hochentwickelten Cyber-
Foren werden überwiegend in englischer Sprache verfasst, in         Werkzeugen und macht damit das Darknet zu einem Einkaufs-
vielen Plattformen lässt sich jedoch ein Bezug nach Deutsch-        zentrum für jedermann. Der bereitgestellte Support umfasst
land feststellen (z.B. Versand aus Deutschland, Anfragen in         beispielsweise Updates für Schadsoftware, Beratungsdienste,
deutscher Sprache). Aktuell geht das BKA von etwa 50 Plattfor-      Anti-Erkennungsmechanismen sowie die Hilfestellung bei tech-
men (Marktplätze und Foren) mit Deutschlandbezug aus.               nischen Problemen.

                                                                    Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017                                          5
˘˘˘ Das Darknet –
KRIMINALITÄT
                                                                                   3 Darknet und Strafverfolgung

                                                                                   Die Entwickler von Anonymisierungssoftware wie Tor sind
                                                                                   bestrebt, eine Identifizierung der Nutzer grundsätzlich unmöglich
                                                                                   zu machen. Herkömmliche Ermittlungsansätze wie IP-Adressen,
                                                                                   Domainnamen oder verifizierte Nutzerdaten stehen daher regel-
                                                                                   mäßig nicht zur Verfügung. Der Einsatz von Krypto-Währungen
                                                                                   erschwert die Rückverfolgung von Geldströmen zusätzlich. Hinzu
                                                                                   kommt ein vielfach vorhandener hoher Grad an Konspiration
                                                                                   innerhalb der Szene. Zudem: Kriminalität im digitalen Raum spielt
                                                                                   sich unabhängig vom nationalen Recht und Zuständigkeiten ab.
                                                                                      Gleichzeitig findet sich im Internet eine Flut von Daten und
                                                                                   Informationen, die z.T. auch allgemein zugänglich sind und
                                                                                   von Relevanz für Ermittlungen sein können. Insofern sind hier
                                                                                   die klassischen zwei Seiten einer Medaille gegeben: Einerseits
                                                                                   bestehen Ermittlungsansätze, andererseits sind die Strafverfol-
                                                                                   gungsbehörden mit „big data“ und deren Auswertung und Ana-
                                                                                   lyse konfrontiert.
                                                                                      Trotz dieser Herausforderungen gelingen dem BKA und
                  Weiterhin werden „Infection on Demand“ (Verteilung von           den Polizeibehörden der Länder sowie dem Zoll immer wieder
               Schadsoftware auf Anforderung/Abruf) sowie Test-Portale             Erfolge bei der Identifizierung und Verfolgung von Straftätern
               angeboten. Hier können die von den Tätern erworbenen oder           im digitalen Raum – und im Darknet. Dieser Erfolg beruht auf
               selbst programmierten Schadsoftware-Varianten auf Detektier-        einer Vielzahl von Faktoren:
               barkeit durch aktuelle Cyber-Sicherheitsprodukte wie z.B. Anti-     ffKombination von innovativen, technisch gestützten ana-
               virenprogramme getestet werden, um durch Anpassungen die                lytischen Methoden mit „klassischen“ polizeilichen
               Erfolgsaussichten für eine „Verteileroffensive“ zu verbessern.          Vorgehensweisen
                  Besonders attraktiv in der Produktpalette zu Cybercrime-as-a-    ffDurchführung „digitaler“ Finanzermittlungen
               Service ist die Mitgestaltungskomponente. Im Jahr 2015 wurde        ffGemeinsam abgestimmte und auch durchgeführte „Ope-
               ein „digitaler Erpressungsdienst“ festgestellt, der über das Tor-       rationen“ auf nationaler Ebene unter Einbeziehung der
               Netzwerk erreichbar ist. Dieser ermöglicht eine kostenlose und          Staatsanwaltschaften
               mit geringem Aufwand verbundene individuelle Zusammenstel-          ffIntensive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene – unter
               lung von Malware (sog. Toolkits). Die Anbieter des Dienstes             Nutzung von Europol, Interpol und im internationalen
               erhalten bei einer erfolgreichen Lösegeldzahlung eine Umsatz-           Kontext
               beteiligung, wobei die Lösegeldzahlung in der Regel in Form         ffGute technische Ausstattung der Cyber- und Forensik­­
               von Bitcoin über den Schadsoftwareanbieter selbst abgewickelt           dienststellen
               wird. Über eine vom Schadsoftwareanbieter zur Verfügung             ffEinsatz von qualifiziertem Personal und IT-Experten
               gestellte Kontrollplattform kann der Nutzer des Toolkits die        ffVeränderte Personalgewinnung und „clevere“ Qualifizierung.
               von ihm hervorgerufenen Infektionen einsehen und seinen ver-
               bliebenen Anteil an den Lösegeldern an sich selbst auszahlen.       Bundesweit haben sich in den letzten Jahren Cyberdienststellen
               Für die Verbreitung der Schadsoftware werden ebenfalls Dienst-      in der Polizei und beim Zoll entwickelt, die Cybercrime und spe-
               leistungen angeboten. Auch hier kann der Kunde selbst bestim-       ziell Kriminalität im Darknet bekämpfen. Hier werden Experten
               men, wen die Schadsoftware angreifen soll.                          eingesetzt, die sowohl über eine IT- Expertise verfügen als auch
                                                                                   über kriminalpolizeiliches know how. Das BKA praktiziert derzeit
                                                                                   eine sog. „Tandemlösung“, d.h., dass ein Cyberanalyst (IT-Experte)
               2.4 Illegale Inhalte des Darknet                                    zusammen mit einem Polizeibeamten gemeinsam am Fall arbeitet.
                                                                                   Andere Bundesländer verfolgen andere Modelle, wie z.B. den Ein-
               Im Darknet findet sich die komplette Bandbreite krimineller         satz von „Cybercops“; dabei handelt es sich um IT-Experten, die in
               Aktivitäten wieder, bei denen das Internet als Tatmittel nutz-      einer verkürzten Ausbildung an die Aufgaben eines Kriminalbeam-
               bar ist oder auch Cybercrime im engeren Sinne vorliegt (wobei       ten herangeführt werden. Auch bei den Staatsanwaltschaften wer-
               sich letzteres Phänomen dominanter im Bereich der Under-            den spezialisierte Dienststellen neu eingerichtet oder erweitert,
               ground Economy zeigt). Grundsätzlich sind daher alle Delikte        die sich ausschließlich auf die Bekämpfung von Cybercrime bzw.
               im Darknet anzutreffen.                                             der Kriminalität im Kontext Internet konzentrieren.
                 Viele Plattformen im Darknet sind nach den jeweiligen ille-         „Erfolge“, die diese Spezialisten bei der Bekämpfung von Kri-
               galen Angeboten übersichtlich aufgebaut, aus Gründen der            minalität im Darknet erzielen, fußen oftmals auf einer Kom-
               Abschottung und Konspiration oft streng hierarchisch geglie-        bination von verschiedenen Auswerte- und Ermittlungsansät-
               dert und werden professionell betrieben. Die Gewinnerzielung        zen. Die Analyse der Massendaten, die im Internet und auch
               steht dabei im Vordergrund – das anonyme Handeln wird dabei         im Darknet „produziert“ werden, kann ohne IT nicht erfolgen –
               durch die Verwendung digitaler Zahlungsmittel (Krypto-Wäh-          hier sind an den jeweiligen Fall angepasste „Werkzeuge“ erfor-
               rungen wie „Bitcoins“ u.a.) ermöglicht. Hingegen geht es z.B.       derlich. Zudem sind verdeckte Ermittlungen oft ein entschei-
               bei Plattformen, auf denen pädosexuelle Nutzer aktiv sind, um       dender Faktor, um letztlich die Täter zu identifizieren.
               das Tauschen kinderpornografischer Inhalte oder im Bereich            Zudem hat sich gezeigt, dass in gemeinsamen polizeilichen
               politisch motivierter Kriminalität um den Informationsaus-          Bund-Länder „Operationen“ gute Erfolge erreichbar sind. Hier
               tausch mit Gleichgesinnten.                                         können die Ziele einer gemeinsamen Auswertung oder Ermitt-
                                                                                   lung abgestimmt, die Vorgehensweise vereinbart und die per-
                                                                                   sonellen sowie technischen Möglichkeiten der beteiligten

    6                                                                              Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017
˘˘˘ Das Darknet –

                                                                                                                                                                 KRIMINALITÄT
Dienststellen berücksichtigt werden. Positive Erfahrungen in          Europäisches Recht wie z.B. die Budapester Cybercrime Con-
der Praxis liegen bereits vor.                                      vention bedarf der weiteren Umsetzung. Letztlich muss es
  Digitale Kriminalität kann nur erfolgreich durch internati-       gelingen, die Strafverfolgung im digitalen Raum über die Län-
onale Zusammenarbeit bekämpft werden – viele gemeinsame             dergrenzen hinweg zu gewährleisten und hier die rechtlichen
polizeiliche Operationen werden daher heute mit Hilfe von           Instrumente anzupassen.
Europol koordiniert und durchgeführt. Hier nutzen europäische         Die hier angedeuteten Herausforderungen werden sich auch
Staaten das sog. EC 3 – eine eigens bei Europol eingerichtete       in Zukunft weiter dynamisieren. Veränderungen, Innovationen,
Arbeitsplattform. Das BKA hat für diese Arbeit einen Verbin-        wie z.B. die Blockchain-Technologie im Bereich der Kryptowäh-
dungsbeamten zu Europol entsandt. Gemeinsame Projekte und           rungen, geben den Takt vor und haben unmittelbare Auswir-
Operationen werden zudem im Rahmen des sog. EU-Policy Cycle         kungen auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden. Dies stellt
unter Nutzung der europäischen Förder-Finanzhilfen durchge-         oft völlig neue Anforderungen an uns als Strafverfolgungsbe-
führt, so dass ein direkter operativer Nutzen entsteht. Inter-      hörden, auf die wir uns einstellen müssen.
national besteht zudem ein enger Arbeitsverbund über das G            Dennoch – die Nachricht für die Täter im digitalen Raum
7 Netzwerk; ferner sind Arbeitsverbünde bi- und multilateraler      muss lauten: Es gibt auch dort keine rechtsfreien Räume.
Art mit Polizeien anderer Staaten weltweit entstanden. Auch
Interpol hat in Singapur das Global Complex for Innovation ein-
gerichtet, ein Zentrum, welches die Cyberkriminalität von dort      Anmerkungen
aus ins Visier nimmt. – Das Netzwerk internationaler Koopera-
                                                                    1 Frau Dr. Sabine Vogt leitet die Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität des
tion unter den Polizeien ist eng gespannt!                               Bundeskriminalamtes.
  Ferner bedarf es auch eines permanenten erheblichen               2 Die Begriffe und erklärten Sektoren des Internet stellen keine abschließenden Defini-
„Investments“ in die technische Ausstattung, die Personalge-             tionen dar. Für das BKA und andere Polizeibehörden ist jedoch eine Festlegung bedeut-
                                                                         sam, um eine Grundlage für eine möglichst einheitliche Sprachregelung zu schaffen.
winnung sowie die Aus- und Fortbildung von Kriminalbeamten          3    Cybercrime im engeren Sinn umfasst die Straftaten, die sich gegen das Internet,
und IT-Experten – dies sind dauerhafte Kostenfaktoren, gerade            Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten (z.B. Durch-
                                                                         führung von Distributed Denial of Service [DDoS]-Angriffen, Hacking, etc.).
wenn man an die Schnelllebigkeit der Entwicklungen im IT-           4    https://www.deepdotweb.com.
Bereich denkt. Zudem sind auch „Bündnisse“ mit Universitäten        5    Detaillierte Beschreibung der Funktion des Tor-Browsers findet sich in der Broschüre
und Instituten zu schließen, um den Entwicklungs- aber auch              „Tor-Netzwerk“ des BKA, aufzurufen unter http://www.extrapol.de.
                                                                    6    https://metrics.torproject.org.
den Fortbildungsbedarf zu decken. Das bedeutet: eine erfolgrei-     7    http://www.heise.de/security/meldung/Silk-Road-FBI-schaltet-Drogen-Handels-
che Bekämpfung von Cybercrime im „Niedrigpreissegment“ hat               plattform-im-Tor-Netz-aus-1972026.html.
                                                                    8    http://www.zeit.de/digital/internet/2015-05/ross-ulbricht-silk-road-strafmass-
wenig Aussicht auf Erfolg!                                               urteil.
  Weiterer Handlungsbedarf besteht im Bereich der Rechts-           9    Nähere Informationen finden sich in der Broschüre „Tor-Netzwerk“ des BKA, aufzuru-
                                                                         fen unter http://www.extrapol.de.
fortentwicklung – wie z.B. bei der Frage, ob nicht das krimi-       10   Die Abschaltung einer Plattform führt gemäß einer Studie der Carnegie Mellon Uni-
nelle Handeln von Administratoren und Moderatoren auf ille-              versität in Pittsburgh gerade nicht zu einem Einbruch des Handelsgeschehens son-
galen Plattformen einer eigenen Strafbarkeit unterworfen wer-            dern zur Verlagerung auf andere Plattformen (Quelle: Measuring the Longitudinal
                                                                         Evolution of the Online Anonymous Marketplace Ecosystem, Kyle Soska and Nicolas
den sollte. Die Bereitstellung einer technischen Infrastruktur           Christin, Carnegie Mellon University, 2015).
für kriminelle Zwecke ermöglicht nicht nur eine Tatbegehung         11   Marktplatz des Verbotenen, Handelsblatt, 5.8.2016.
durch Dritte sondern bildet auch den Tatort und stellt das tech-
nische Tatwerkzeug zur Verfügung.                                   Alle Bildrechte beim BKA.

                               REZENSION
                                                                        Werk einen praxistauglichen Instrumentenbaukasten zur Ent-
                               Kriminalstrategie                        wicklung erfolgreicher Kriminalstrategien zur Verfügung.
                                                                        Die erfahrenen Autoren und Kriminalisten, Leitender Kri-
                                 Mit Blick auf die aktuellen            minaldirektor Ralph Berthel und Kriminaldirektor Matthias
                                 nationalen und internationa-           Lapp, richten ihr besonderes Augenmerk auf Wirkung und
                                 len gesellschaftlichen Entwick-        Nachhaltigkeit des vorgestellten Konzeptes. Mit ihrem Buch
                                 lungen kommt einem überzeu-            wenden sie sich an alle, die sich in Theorie und Praxis kon-
                                 genden und vernetzten Han-             zeptionell mit dem Erkennen, Aufdecken, Verhüten, Aufklä-
                                 deln aller Akteure der inneren         ren und Bekämpfen von Kriminalität befassen.
                                 Sicherheit zunehmende Bedeu-
                                 tung zu. Das neu erschienene           Prof. Hartmut Brenneisen
                                 Buch „Kriminalstrategie“ leis-
                                 tet einen wichtigen Beitrag,
                                 um dieser Herausforderung              Autor:           Ralph Berthel, Matthias Lapp
                                 gerecht werden zu können.              Titel:Kriminalstrategie
  Insbesondere werden darin das Wissen über Kriminalstrategie           Format: 204 Seiten, 12,5 x 18,5 cm, kartoniert
  als Teil der Kriminalistik abgebildet, die verschiedenen Anfor-       Preis:                              24,99 Euro
  derungen an die Planung und Umsetzung konkreter Strate-               ISBN:                      978-3-7832-0088-1
  gien zur Bekämpfung von Kriminalität aufgegriffen und die             Verlag: Kriminalistik Verlag, C.F. Müller GmbH
  Inhalte bewährter Ansätze beschrieben. Schließlich stellt das

                                                                    Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017                                                                 7
KRIMINALITÄT

                                                  Sicherheitspolitische
                                                  Entscheidung:
                                                                  Einschränkung von
                                                        Anhalte- und Sichtkontrollen
                                                                   zur vorbeugenden
                                                         Kriminalitätsbekämpfung in
                                                                  Schleswig-Holstein
                                                                                                   Von Prof. Hartmut Brenneisen, Preetz

               Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat in seiner 137. Sitzung        unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Gefahr an bestimmten
               am 16.12.2016 eine deutliche Einschränkung von Anhalte- und           Orten in Grundrechte der Menschen eingreifen darf. So darf die
               Sichtkontrollen zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung              Polizei nach § 180 Abs. 3 LVwG Personen anhalten und Fahrzeuge
               beschlossen. Lagebildabhängige Kontrollen sind nunmehr res-           in Augenschein nehmen, ohne dass ein konkreter Verdacht dieser
               triktiver geregelt und Schleierfahndungskontrollen ersatzlos          Person gegenüber besteht.“
               gestrichen worden.

                                                                                     2 Parlamentarisches Verfahren
               1 Politische Initiative und Änderungsantrag
                                                                                     Die Erste Lesung im Landtag erfolgte am 19.6.2014 und führte
               Mit Gesetzentwurf vom 4.6.2014 hatte die Fraktion der PIRA-           zu einer kontroversen Debatte über Fragen der Eingriffsquali-
               TEN im Schleswig-Holsteinischen Landtag die Initiative ergrif-        tät, der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der
               fen und eine Novellierung der Kontrollbefugnisse des all-             Rechtsfiguren. Während der PIRATEN-Abgeordnete Breyer den
               gemeinen Polizeirechts vorgeschlagen.1 Insbesondere § 180             Änderungsentwurf als angemessen und die definierten „Kon-
               Abs. 3 LVwG SH (Anhalte- und Sichtkontrollen) sollte voll-            trollzonen“ als „Misstrauenserklärungen gegen ganze Regio-
               ständig aus dem Katalog der hoheitlichen Eingriffsermäch-             nen und gegen Millionen von Menschen“ bezeichnete3 und der
               tigungen gestrichen werden. Die Begründung lautete: 2                 Abgeordnete Peters von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
                 „Nach unserem Grundgesetz sind die Grundrechte Abwehrrechte         NEN unterstützend vor einem unzulässigen „Racial Profiling“4
               gegen den Staat. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes sind      warnte, wurde der antragstellenden Fraktion von anderer Seite
               davon ausgegangen, dass die Menschen diese Abwehrrechte benöti-       ein „tiefes Misstrauen […] gegenüber Polizei und Staat“ vor-
               gen, um sich gegen staatliche Willkür zur Wehr setzen zu können.      gehalten.5 Allerdings konnte von keiner Seite die Effektivität
               Den Grundrechten wohnt demnach ein grundsätzliches Misstrauen         der am 13.4.20076 geschaffenen Rechtsfiguren belegt werden.7
               gegenüber dem Missbrauch staatlicher Gewalt inne. Hieraus folgt,        Schließlich wurde der Antrag einstimmig dem Innen- und
               dass die Menschen grundsätzlich das Recht haben, vom Staat in Ruhe    Rechtsausschuss überwiesen, der sich in mehreren Sit-
               gelassen zu werden. In dieses Recht der Menschen dürfen staatliche    zungen damit befasst und ein umfangreiches schriftliches
               Vollzugsorgane nur dann eingreifen, wenn besondere gesetzliche        und mündliches Anhörungsverfahren durchgeführt hat.8
               Grundlagen sie hierzu […] ermächtigen. Hieraus folgt für das Poli-      In diesem Kontext wurde durch Hirsch ein eindrucksvolles
               zeirecht, dass die Polizei im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätz-   Plädoyer für „maßvolle Gesetze“ gehalten. Er konstatierte:9
               lich nach den einschlägigen Gesetzen erst beim Vorliegen einer kon-    „Die Schmähung der Forderung nach exakten, handlungsbegren-
               kreten Gefahr berechtigt ist, in Grundrechte einzugreifen […]. Von    zenden Gesetzen als einen Akt des Misstrauens und die zwar gut
               diesem Grundsatz weichen Regelungen in den Polizeigesetzen ab,        gemeinte, aber in ihrer ständigen Wiederholung ebenso unerträg-
               die für die Zulässigkeit polizeilicher Maßnahmen nicht an den Nach-   liche wie abwegige politische Forderung nach blindem Vertrauen
               weis einer im Einzelfall bestehenden Gefahr für (die) öffentliche     bewirken genau das Gegenteil. Sie bewirken gerade Misstrauen und
               Sicherheit und Ordnung anknüpfen, sondern die polizeilichen           Distanz des Bürgers gegenüber polizeilichen Befugnissen und sind
               Maßnahmen allein von den Eigenschaften einer Örtlichkeit              daher eine der größten gegenwärtigen Gefahren für eine erfolg-
               abhängig machen. Auch das Allgemeine Verwaltungsgesetz für das        reiche Arbeit der Polizeien von Bund und Ländern. Die Exekutive
               Land Schleswig-Holstein (LVwG) ermöglicht in unterschiedlichen        ist an Gesetz und Recht gebunden und eben nicht nur an ihre
               Vorschriften eine sogenannte Ortshaftung, wonach die Polizei          guten Absichten.“ Der Ausschuss schloss die Beratungen in seiner

    8                                                                                Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017
˘˘˘ Sicherheitspolitische Entscheidung:

                                                                                                                                              KRIMINALITÄT
Sitzung am 23.11.2016 mit einer Beschlussempfehlung10 unter             ffDie tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der lagebildabhän-
unmittelbarer Berücksichtigung eines mehrheitlich angenomme-               gigen Kontrolle gemäß § 180 Abs. 3 Nr. 1 LVwG (alt) wer-
nen Änderungsantrages11 der regierungstragenden Fraktionen ab.             den restriktiver gefasst und ergänzend an einen erkennba-
Am 16.12.2016 erfolgte dann die Zweite Lesung und Verabschie-              ren „Kriminalitätsschwerpunkt“ sowie eine anzunehmende
dung des Gesetzes in der Fassung der vorgenannten Empfehlung               „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ geknüpft.
ohne weitere Aussprache mit einer durch die Ausschussvorsit-            ffDie Anordnungskompetenz obliegt nunmehr allein der Lei-
zende mündlich vorgetragenen redaktionellen Änderung.12                    tung des Landespolizeiamtes, des Landeskriminalamtes
                                                                           oder einer Polizeidirektion. Eine Übertragung auf „beson-
                                                                           ders Beauftragte des Polizeivollzugsdienstes“ ist nicht mehr
3 Neufassung des Gesetzes                                                 zulässig.
                                                                        ffDie Anordnung soll grundsätzlich „vorab in geeigneter Weise
§ 180 Abs. 3 LVwG (neu) enthält folgende Fassung:13 „Die Poli-             bekannt gemacht werden“. Ausnahmen sind möglich, wenn
zei darf im öffentlichen Ver-                                                                              der Zweck der Kontrollmaß-
kehrsraum zur vorbeugenden                                                                                 nahme dadurch gefährdet
Bekämpfung von Straftaten                                                                                  wird.
von erheblicher Bedeutung, bei           Liebe Leserinnen, liebe Leser,                                    fDie
                                                                                                              f polizeiliche Anordnung
denen Schaden für Leib, Leben                                                                              ist auf maximal 28 Tage zu
oder Freiheit oder gleichgewich-         ich möchte mich Ihnen als neuer verantwortlicher Redak-           befristen. Verlängerungen um
tiger Schaden für Sach- oder Ver-        teur der Fachzeitschrift „Die Kriminalpolizei“ vorstellen.        jeweils maximal 28 Tage sind
mögenswerte oder die Umwelt zu           Mein Name ist Hartmut Brenneisen und ich bin seit 1972            zulässig, soweit die Vorausset-
erwarten sind, Personen kurz-            in verschiedenen Funktionen für die Landespolizei sowie           zungen weiterhin vorliegen.
zeitig anhalten und mitgeführte          die FHVD Schleswig-Holstein tätig. Dort vertrete ich zur-         Sie bedürfen jedoch der rich-
Fahrzeuge einschließlich deren           zeit als Fachhochschulprofessor und Leitender Regie-              terlichen Entscheidung.
Kofferräume oder Ladeflächen             rungsdirektor insbesondere eingriffsrechtliche Lehrin-
in Augenschein nehmen. Inau-             halte im Bachelor- und Masterstudiengang.
genscheinnahme ist die optische                                                                            5 Bewertung
Wahrnehmung ohne Durchsu-                Mit der Ausgabe 2/2017 trete ich mit einem neuen
chung; § 206 bleibt unberührt.           Redaktionsteam die Nachfolge von Herbert Klein an, der            5.1 Grundrechtsqualität
Maßnahmen nach Satz 1 wer-               gemeinsam mit Gunhild Groeben über viele Jahre hinweg
den durch die Leiterin oder den          redaktionelle Maßstäbe gesetzt hat.                               Die PIRATEN-Fraktion hat die
Leiter des Landespolizeiamtes,                                                                             vollständige Streichung des §
des Landeskriminalamtes oder             Ich freue mich auf diese neue Tätigkeit und den regelmä-          180 Abs. 3 LVwG SH (Polizei-
einer Polizeidirektion angeord-          ßigen Austausch mit Ihnen. Nehmen Sie jederzeit gern              liche Anhalte- und Sichtkont-
net, soweit Tatsachen, insbeson-         mit mir Kontakt auf, bringen Sie sich mit Lob, Kritik,            rollen) vorgeschlagen und dies
dere dokumentierte polizeiliche          Ideen, Wünschen und natürlich auch mit Fachbeiträgen              mit einer vermeintlichen Ver-
Lageerkenntnisse, dies erfor-            ein. Ich möchte gemeinsam mit Ihnen die Erfolgsge-                fassungswidrigkeit der Norm
dern, weil sie auf einen Krimi-          schichte der Zeitschrift fortschreiben.                           begründet. Nach ihrer Ansicht
nalitätsschwerpunkt hindeuten                                                                              zieht die Maßnahme „intensive
und anzunehmen ist, dass eine            Ihr                                                               Grundrechtseingriffe nach sich“
Gefahr für die öffentliche Sicher-                                                                         und wird von „Betroffenen als
heit vorliegt. In der schriftlich                                                                          diskriminierend oder stigmati-
zu begründenden Anordnung ist                                                                              sierend empfunden. […] Ganze
die Maßnahme in örtlicher, sach-                                                                           Städte und Regionen werden
licher und zeitlicher Hinsicht                                                                             als potenziell gefährlich diffa-
auf den für die vorbeugende              Prof. Hartmut Brenneisen                                          miert, wenn sie zum ‚Gefahren-
Bekämpfung der in Satz 1 auf-                                                                              gebiet‘ und damit zu einer ‚Son-
geführten Kriminalität erforder-                                                                           derrechtszone‘ erklärt werden
lichen Umfang zu beschränken.                                                                              können.“14 Obwohl es sich bei
Die Anordnung soll vorab in geeigneter Weise bekannt gemacht wer- der Norm keinesfalls um ein „gutes und ausgewogenes Instru-
den, es sei denn, ihr Zweck wird dadurch gefährdet. Die Anordnung ment“15 innerhalb des Gesamtgefüges des allgemeinen Polizei-
ist zunächst auf maximal 28 Tage zu befristen. Für jede Verlänge- rechts handelt, geht diese Bewertung an der Realität vorbei. Ins-
rung bedarf es einer richterlichen Entscheidung. Eine Verlängerung besondere ist mit Anhalte- und Sichtkontrollen keinesfalls eine
um jeweils maximal weitere 28 Tage ist zulässig, soweit die Vor- intensive Grundrechtsqualität verbunden. Die Rechtsfolgen der
aussetzungen weiterhin vorliegen. Zuständig ist das Amtsgericht, in Eingriffsermächtigung bestehen nämlich, trotz der ohne Zweifel
dessen Bezirk das Landespolizeiamt, das Landeskriminalamt seinen vorhandenen „Streubreite“16, lediglich aus einem kurzzeitigen
oder die Polizeidirektion ihren Sitz hat.“                              Anhalten und einer Inaugenscheinnahme mitgeführter Fahr-
                                                                        zeuge einschließlich deren Kofferräume oder Ladeflächen. Eine
                                                                        Identitätsfeststellung, ein Datenabgleich oder weitergehende
4 Wesentliche Änderungen                                                Durchsuchungsmaßnahmen sind damit grundsätzlich nicht ver-
                                                                        bunden. Entsprechend bleibt die Eingriffsqualität gering und im
Die modifizierte Rechtsnorm beinhaltet insbesondere folgende konkreten Fall sogar hinter der allgemeinen Verkehrskontrolle
Änderungen:                                                             zurück, die über § 36 Abs. 5 StVO i.V.m. § 4 Abs. 2 FEV und
ffDie Schleierfahndungskontrolle (anlass- und verdachtsunab- § 11 Abs. 5 FZV auch die Erhebung personenbezogener Daten
    hängige Kontrolle) gemäß § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG SH (alt) ermöglicht.17
    wird gestrichen.

                                                                      Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017                                            9
˘˘˘ Sicherheitspolitische Entscheidung:
KRIMINALITÄT
               5.2 Verbundstrategien                                               Verfolgungsvorsorge ausschließlich aus einzelnen Befugnissen
                                                                                   und der Gesamtsystematik des Gesetzes ableiten.30 Neben der
               Verfassungsrechtlich problematisch sind allerdings Verbundstra-     fehlenden Normenklarheit des auch mit dem Begriff der „Rück-
               tegien, die insbesondere durch die in der Gesamtschau geringen      schlusstheorie“31 umschriebenen Verfahrens stellt sich insbeson-
               Rechtsfolgen der Anhalte- und Sichtkontrollen eine besondere        dere die Frage, ob die auch als „antizipierte Repression“ bezeich-
               Relevanz entfalten.18 So könnten beispielsweise die hoheitli-       nete Strafverfolgungsvorsorge überhaupt zum Aufgabenkreis der
               chen Ziele der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung gemein-         Gefahrenabwehr gehört und damit in die Gesetzgebungszustän-
               sam mit den Zielen der abstrakten Gefahrenabwehr zur Förde-         digkeit der Bundesländer fällt.32 Faktisch liegt zum Zeitpunkt
               rung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs durch Ver-      der relevanten Eingriffsmaßnahme weder der Anfangsverdacht
               kehrskontrollen verfolgt werden.19 Bei nahezu gleichbleibendem      einer Straftat im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO noch eine konkrete
               Aufwand wäre der spezifische Nutzen der Verbundmaßnahme             Gefahrensituation vor. Es geht also quasi um einen dritten Auf-
               damit ungleich höher. § 180 Abs. 3 LVwG SH lässt das kurzzeitige    gabenkreis, der systematisch zwischen dem präventiven und dem
               Anhalten von Personen und die Inaugenscheinnahme mitgeführter       repressiven Handeln angesiedelt ist. Wenngleich dieser beson-
               Fahrzeuge einschließlich deren Kofferräume oder Ladeflächen zu.     dere Vorfeldbereich der überkommenen rechtsdogmatischen Ein-
               § 36 Abs. 5 StVO in Verbindung mit der VwV-StVO ermöglicht die      ordnung zuwiderläuft, wurden Maßnahmen der Verhütungs- und
               Prüfung der Verkehrstüchtigkeit des Fahrzeugführers, der nach den   Verfolgungsvorsorge lange Zeit einheitlich als Bestandteil des
               Verkehrsvorschriften mitzuführenden Papiere sowie des Zustandes,    materiellen Polizeirechts bewertet und auf eine differenzierte
               der Ausrüstung und der Beladung des Fahrzeugs. Mit diesem           Zuordnung weitgehend verzichtet.33 Nachdem bereits mit Verab-
               taktischen Maßnahmenbündel ist u.a. auch die Feststellung der       schiedung des StVÄG 199934 und der damit verbundenen Imple-
               Personaldaten verbunden und damit eine Fahndungsabfrage im          mentierung von Befugnissen zur Strafverfolgungsvorsorge in die
               Sinne des § 195 Abs. 1 Satz 3 LVwG SH zulässig. Allerdings sind     StPO Zweifel an dieser Einordnung geäußert wurden, scheint die
               Verkehrskontrollen rechtlich trennscharf von Kontrollen zur kon-    Sachlage im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG35 nunmehr
               kreten Gefahrenabwehr, zur vorbeugenden Kriminalitätsbekämp-        klar: „Die Vorsorge für die Verfolgung noch gar nicht begangener,
               fung sowie zur Verfolgung vorliegender Normverletzungen zu          sondern in ungewisser Zukunft bevorstehender Straftaten gehört
               unterscheiden.20 Insofern sollte der Gesetzgeber Verbundstrate-     zum gerichtlichen Verfahren.“ Die enge Verwandtschaft mit dem
               gien ansprechen und diese zumindest durch klare Aussagen in der     Aufgabenkreis der Strafverfolgung führt zur konkurrierenden
               Gesetzesbegründung angemessen begrenzen.                            Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1
                                                                                   GG. Damit ist die Vermutung der Länderkompetenz im Sinne des
                                                                                   Art. 70 GG durchbrochen und eine Regelung gemäß Art. 72 Abs.
               5.3 Zielstellung                                                    1 GG nur möglich, soweit der Bund von seiner Kompetenz nicht
                                                                                   oder nicht abschließend Gebrauch gemacht hat.36 Der Gesetz-
               § 180 Abs. 3 LVwG SH ist mit dem Änderungsgesetz vom                geber des Landes Schleswig-Holstein hat damit vordringlich für
               13.4.200721 eingeführt worden und dient der „vorbeugenden           Klarheit zu sorgen, sich durch eine Ergänzung der §§ 162, 168
               Kriminalitätsbekämpfung“. Dieser Terminus nimmt seit Beginn         LVwG SH zunächst dem Standard der übrigen Länderpolizeige-
               der durch das BVerfG22 angestoßenen Novellierungswelle Ende         setze anzupassen und dabei zugleich die Rechtsprechung zur
               der 1980-er Jahre eine zentrale Rolle im Eingriffsrecht ein und     Strafverfolgungsvorsorge zu berücksichtigen.37 Dies entspricht
               hat in allen Polizeigesetzen, aber auch in der StPO mehr oder       allein den Vorgaben des Grundgesetzes und der Landesverfas-
               weniger ausgeprägt Aufnahme gefunden. Berechtigt stellt             sung.38 Allerdings folgt daraus nicht, dass die Polizei „erst beim
               Rachor fest, dass mit dem Begriff „eine vergleichsweise unge-       Vorliegen einer konkreten Gefahr berechtigt ist, in Grundrechte
               naue, tatbestandlich nur unscharf konturierte Zweckbestim-          einzugreifen.“39 In vielen Fällen kann die Polizei auch in abstrak-
               mung“ einhergeht.23 Und Knape/Schönrock ergänzen, dass sich         ten Gefahrensituationen tätig werden.40
               nur mit „größter Mühe“ erschließen lässt, was darunter genau
               zu verstehen ist und wie weit spezifische Grundrechtseingriffe
               gehen können.24 Je ungenauer aber die Ziele einer Ermächti-         5.5 Streichung der Schleierfahndungskontrolle41
               gungsnorm beschrieben sind, umso problematischer ist eine
               angemessene Abwägung zwischen Schutzgut und Eingriffsin-            Zentrales Element der aktuellen Gesetzesänderung ist die Strei-
               tensität.25 Insofern sollte durch den Gesetzgeber vor der Ände-     chung der Schleierfahndungskontrolle. Mit § 180 Abs. 3 Nr. 2 LVwG
               rung einzelner Befugnisse stets zunächst für Klarheit bei der       SH (alt) wurde in Schleswig-Holstein im Jahr 2007 eine Befugnis-
               grundlegenden Aufgabenbeschreibung gesorgt werden.                  norm für anlass- und verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenz-
                                                                                   gebiet geschaffen.42 In der amtlichen Begründung zum Gesetzent-
                                                                                   wurf der Landesregierung43 ist diese tatbestandslos ausgestaltete
               5.4 Aufgabenzuweisung                                               Sonderform der Anhalte- und Sichtkontrolle berechtigt als „Schlei-
                                                                                   erfahndungsmaßnahme“ bezeichnet und als Ziel die vorbeugende
               Im Gegensatz zu den Gefahrenabwehrgesetzen anderer Bundes-          Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ausgewie-
               länder26 ist die Aufgabe der vorbeugenden Kriminalitätsbekämp-      sen worden.44 Eine unmittelbare tatbestandsmäßige Begrenzung
               fung im LVwG SH immer noch nicht ausdrücklich verankert wor-        ist ebenso wenig erfolgt wie eine klare Beschreibung des Kont-
               den,27 obwohl Hirsch berechtigt „möglichst exakte […] Gesetze“      rollgebietes durch geographische Kartierung.45 Laut Begründung
               fordert.28 In Schleswig-Holstein wird nach wie vor auf die Grund-   zum Gesetzentwurf der Landesregierung46 sollte mit der Norm
               aussage in der amtlichen Begründung zur Gesetzesnovelle 1992        eine Reaktion auf „durch Grenznähe definierte örtliche Sondersi-
               verwiesen, in der es heißt:29 „Die Polizei hat im Rahmen ihrer      tuationen“ erfolgen, „die den Gesetzgeber ohne zusätzliche tatbe-
               Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr auch Straftaten zu verhüten und    standsmäßige Konkretisierung ermächtigen, diese Kontrollbefugnis
               Vorkehrungen für die Aufklärung künftiger Straftaten zu treffen,    der Landespolizei zur Verfügung zu stellen.“ Allerdings dürfte das
               ohne dass dies besonderer Erwähnung im Gesetzestext bedarf.“        Fachministerium an dieser offenen Formulierung wohl selbst Zwei-
               Damit lässt sich aber die Aufgabe der vorbeugenden Kriminali-       fel gehabt haben, denn im Argumentationspapier des Innenminis-
               tätsbekämpfung mit ihren Teilbereichen der Verhütungs- und der      ters zur Novellierung des Polizeirechts in Schleswig-Holstein und

  10                                                                               Die Kriminalpolizei Nr. 2 | 2017
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