Krise - Konflikt - Kommunikation - ESG-NACHRICHTEN 4-5/2022
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ESG-NACHRICHTEN 4–5/2022 Krise – Konflikt – Kommunikation krisengeschüttelt – Martin Luther Kirchliche Rolle rückwärts in der krisenbewusst – krisenfest dürfte sich freuen ‚Krisenkommunikation‘ Zeitenwende? Veit Laser Ulrich Hentschel Jonas Lehrke Hans-Gerhard Klatt
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3 Editorial Liebe Leser*innen, ein neues Heft der ansätze, das letzte des Jahres Der zweite Thementeil verbirgt sich im Ver- 2022, liegt Ihnen nun vor. Es erscheint diesmal, bandsteil mit zwei Beiträgen auf der ESG-Voll- auf Grund verschiedener widriger Umstände, die versammlung 2022. Eckhard Röhm reflektiert für sich nicht weiter berichtenswert sind, weshalb über das kapitalistische Wachstumsdogma aus ihre Aufzählung hier auch unterbleibt, erst zu theologischer Sicht und Verena Limper berichtet Anfang des Folgejahres. Wir haben uns darum von ihrem Workshop zur „Ersten Generation entschlossen, auf das traditionelle Weihnachts- Promotion“. rätsel zu verzichten und werden stattdessen Besonders ans Herz legen möchte ich allen im nächsten Heft ein Osterrätsel bieten, das Leser*innen den Bericht über die General Assem- dann hoffentlich nicht nur den Fragehorizont bly der WSCF im Sommer 2022 in Berlin. Er erweitern wird. lässt nicht nur das Ereignis wieder aufleben, das Der Thementeil ist in diesem Heft zwei- die Geschäftsstelle im letzten Jahr am meisten in geteilt. Der eigentliche Thementeil zu Anfang Bewegung gehalten hat, er atmet auch noch die des Heftes umfasst vier Beiträge zum Thema Begeisterung und die beglückenden Erfahrun- Krise – Konflikt – Kommunikation. Hans-Gerhard gen, die diese Versammlung von mehr als 100 Klatt, einer meiner Vorgänger als theologischer Delegierten aus fünf Kontinenten uns geschenkt Referent der Bundes-ESG, knöpft sich den hat. Lesen kann man darüber nur hier (und auf evangelischen Opportunismus vor, dem es in der Website des EMW), die evangelische Presse- der „Zeitenwende“ mit der Neuausrichtung der landschaft hat das Ereignis konsequent igno- evangelischen Friedensethik gar nicht schnell riert, obwohl die World Student Christian Fede- genug gehen kann. Die Debatte um das Witten ration nicht nur ein halbes Jahrhundert älter ist berger Schandmal (vulgo „Judensau“) hat mit als der ÖRK, sondern auch eine seiner Mütter. der jüngsten Entscheidung des Wittenberger Auf epd konnte man in der Woche der General Gemeindekirchenrates einen neuen Tiefpunkt Assembly immerhin etwas zum 60. Geburtstag erreicht. Gegen so viel kleinbürgerlich-provinzielle, des Schriftführers der Bremischen Landeskirche latent antisemitische Bockigkeit hilft vielleicht lesen. Prioritäten müssen gesetzt werden – und nur noch, dass wir uns bei der nächsten Vollver- wir tun das auch. sammlung an den Cranach-Altar der Witten- berger Stadtkirche ankleben (ich scherze). Dabei Eine interessante Lektüre wünscht wäre eine Lösung so einfach: Die Wittenberger müssten nur das ihnen so lieb und teure Relief der Potsdamer Garnisonkirche stiften, dann wäre dort wenigstens etwas echt. Uwe-Karsten Plisch 4–5 2022
4 Inhalt Krise – Konflikt – Kommunikation Umschlag Titelmotiv von Cameron Rainey, Quelle: Pexels Umschlagrückseite: „Rotes Telefon“ Moskau-Washington-Hotline aus dem Weißen Haus der Carter-Regierung. Ausgestellt in der Jimmy Carter Library and Museum, Quelle: Wikipedia Thema 19 Kloster auf Zeit für Studierende vom 28.09.-02.10.2022 im Kloster Wülfinghausen 6 krisengeschüttelt – krisenbewusst – krisenfest Corinna Hirschberg Gedanken zum Umgang mit gesellschaftlichen Umbruchsituationen 20 Achte Ordentliche Vollversammlung Veit Laser des Verbandes der Evangelischen Studierenden- gemeinden in Deutschland 7 Martin Luther dürfte sich freuen Seine Wittenberger verteidigen standhaft ihre „Judensau“ 22 Wachstumskritik aus theologischer Sicht Ulrich Hentschel Eckhard Röhm 9 Kirchliche ‚Krisenkommunikation‘ 26 Die eigenen Grenzen überschreiten? Herausforderungen, Intentionen und Ausdrucksformen Studierende und Promovierende der ersten Generation während und nach Corona Verena Limper Jonas Lehrke 28 NACHHALTIGKEIT groß schreiben 11 Rolle rückwärts in der Zeitenwende? Svenja Schürer Anfragen an den Drang zur Neuaufstellung der Evangelischen Friedensethik 29 Rejoice in Hope Hans-Gerhard Klatt Die 37. General Assembly der WSCF hat endlich stattgefunden Annette Klinke ESG stellt sich vor 31 Pressemitteilung 04/2022 Evangelische Studierendengemeinden besorgt über Gewalt 14 Die ESG Mannheim stellt sich vor gegen Studierende und Hochschulangehörige im Iran Florian Binsch 32 Die Resolutionen und Beschlüsse der 37. WSCF-GA Zusammenfassungen Verband 34 Gemeinsam singen in Köln das EinSinGen 2022 17 Corinnas Columne Annette Klinke ein Gedicht 35 Roter Hahn nicht mehr allein 18 Die Geburt der ESG-Ruhr auf dem Weg zum Grünen Hahn oder: Wie aus der Not eine Tugend wurde Svenja Schürer Matthias von Westerholt 4–5 2022
5 Inhalt Menschen und Nachrichten 36 Kommen und Gehen Verabschiedung Martina Rogler Bücher und Materialien 37 Poetry Für Uta! Zur Verabschiedung von Uta Giesel Ein Psalm verfasst von Johanna Waldeck 38 Handbuch Studierendenseelsorge Gemeinden – Präsenz an der Hochschule – Perspektiven Rezension von Hans-Ulrich Gehring Ankündigungen 40 Kunst, Kultur und Kirche in Berlin Einladung zur Hauptamtlichenkonferenz der Bundes-ESG Save the Date Einladung zur Einführungstagung für neue Hauptamtliche 41 Kloster auf Zeit für Studierende 2023 auf dem Schwanberg Save the Date 10. aej/ESG-Forum Wissenschaft und Praxis 42 Abkürzungsverzeichnis / Impressum 4–5 2022
6 Krise – Konflikt – Kommunikation Thema krisengeschüttelt – krisenbewusst – krisenfest Gedanken zum Umgang mit gesellschaftlichen Umbruchsituationen Veit Laser Kürzlich stand ich vor dem Spiegel im Bad Ein Patentrezept, wie Krisen zu bestehen Doch der Weg in die Freiheit war ein Weg von Freunden, auf dem zeigte ein Pfeil nach sind, habe ich nicht. Nicht nur, weil ich we- durch die Wüste, im tatsächlichen wie im oben. Ich folgte ihm und erblickte hoch der Krisenmanager noch Krisentheoretiker übertragenen Sinn. Auch die Erlösung ge- oben unter der Decke ein Schild mit der bin. Anbieten kann ich, was mich das eige- nannte Befreiung, von der das Neue Testa- Aufschrift: Kopf hoch! Eine köstliche Par- ne Leben und weise Wegbegleiter*innen ment kündet, ist kein auf Rosen gebetteter odie auf den Spruch aus der Kategorie Das lehrten. Zu letzteren gehört für mich auch Weg. Auferstehung wie das Aufstehen wird schon wieder oder Es wird schon nicht die Bibel. Was also tun, wenn uns die Ge- mitten im Leben sind von Schmerz und so schlimm kommen. Schnell sind sie ge- wissheiten abhandenkommen? Wie kön- Abschied begleitet. Ostern ist ohne Kar- sagt, wenn jemand in Not ist. Ob sie helfen? nen wir Ohnmacht und ratloses Gerede von freitag schlichtweg nicht zu haben. Genau Wohl am ehesten dem, der sie sagt. Sie der Zeitenwende überwinden? Tatsächlich darin liegen für mich der Trost, der Halt, wollen vielleicht trösten, aber sie trösten ist eine Krise ein Wendepunkt. Sie ist kein den ich im Angesicht von Krisen suche. allenfalls darüber hinweg. Sie sind ein Dauerzustand, sondern der Höhepunkt Musterbeispiel für die Abwehr der eigenen einer langen Entwicklung, an dem sich die Dass Krisen schmerzlich sind, lehrt das Le- Hilflosigkeit, der Angst vor dem nüchternen Konflikte zuspitzen und umschlagen; ob in ben. Dass wir ihnen nicht das letzte Wort Blick ins Auge der Tatsachen. Es wird nicht eine Katastrophe oder etwas konstruktiv lassen müssen, dazu ermutigt der Glau- so heißt gegessen wie gekocht wird, weiß Neues, steht noch dahin. Insofern liegt in be. Deshalb hängt von unserer inneren ein altes Sprichwort. Unvergessen bleibt mir, jeder Krise eine Chance, aber nur, wenn Einstellung gegenüber den übermächtig was der Holocaustüberlebende Jizchak wir aus dem Wissen um die Chance nicht erscheinenden Verhältnissen ab, ob wir Schwersenz einmal bei einer Gastvorlesung ein weiteres Ausweichmanöver machen. in Angst und Lethargie verharren oder an der Berliner Humboldt-Universität sagte: Nur, wenn wir nicht länger dem Geplapper alles in unseren Händen Stehende tun, ob Es wird heißer gegessen als gekocht wird. von der Zeitenwende folgen. Es kaschiert wir uns in der Illusion einer unmöglichen nämlich nur die bange Hoffnung, dass wir Rückkehr in die alten, lebensfeindlichen Dies geht mir durch den Sinn angesichts hoffentlich bald wieder so weitermachen Strukturen verfangen oder den Mut zu der Krisen, die diese Welt und jede und je- können wie bisher, wenn die Krise erst notwendigen Abschieden und Verände- den von uns erschüttern und verunsichern, einmal überstanden ist. rungen aufbringen. Weil der Körper be- wenn auch in unterschiedlichem Maß. Die Wer Krisen bestehen will, braucht den kanntlich ein Spiegel der Seele ist, wird Pandemie sitzt uns noch in den Knochen. Mut zur Krise; braucht die Bereitschaft, die innere Einstellung auch an der äußeren Die Demokratie ist so gefährdet wie nie. Der alte und offensichtlich lebensfeindliche Haltung erkennbar. Ducken wir uns ängst- Angriffskrieg auf die Ukraine erschüttert Denkmuster beherzt zu verlassen, Neues lich weg oder heben wir den Kopf. Ostern Europa und die Welt in ihren Grundfesten, zu wagen. Krisen können zu einer Befrei- wie das nahende Weihnachtsfest stehen denn er fordert nicht nur täglich Menschen- ungserfahrung werden, wenn wir ihren für die Erwartung, dass es mehr gibt als im leben. Er zeigt die Fragwürdigkeit und Zer- Ausgang nicht mit einem Happy End ver- Augenblick möglich zu sein scheint. Denn: brechlichkeit eines vom Wachstumswahn wechseln. Das bedeutet, bittere Wahrhei- erhobenen Hauptes lebt, dessen Herz sich getriebenen Wirtschaftsmodells, dem mit ten nicht zu leugnen und Schmerz zuzu- aus dieser Sehnsucht nährt, den bitteren der fossilen Energie auch die Luft auszuge- lassen. Denn echte Befreiung geschieht Realitäten zum Trotz. In diesem Sinn wird hen droht. Statt rechtzeitig auf Sonne und nicht schmerz- und sorgenfrei. Eine uralte der eingangs erwähnte Spruch zum hilfrei- Wind zu setzen, wurden die Warnungen Einsicht, Kerngedanke biblischer Weisheit. chen Zuspruch: Kopf hoch! des Club of Rome seit fünfzig Jahren in den Der Auszug aus Ägypten, die Befreiung Wind geschlagen. Es wird schon nicht so aus der Sklaverei gilt als radikales Datum Dr. Veit Laser, Hannover schlimm kommen. Doch er ist da, früher und durchzieht das Alte Testament – die aej-Referent für Bildung für nachhaltige und heftiger als erwartet, der Klimawandel, hebräische Bibel wie ein roter Faden. Ge- Entwicklung die größte all der einander jagenden Krisen. denke, dass du in Ägypten versklavt warst. 4–5 2022
7 Thema Krise – Konflikt – Kommunikation Martin Luther dürfte sich freuen Seine Wittenberger verteidigen standhaft ihre „Judensau“ Ulrich Hentschel Die Lutherstadt Wittenberg ist einerseits steinernen Sau, wenn auch widerwillig, mit Dabei wird auch in Wittenberg keineswegs baulich und mental trotz ihres eigenen dem Thema beschäftigen musste. Hinzu bestritten, dass das Kirchensau-Relief wi- ICE-Halts eine kleine Provinzstadt. Sie kam der kircheninterne Druck aus der EKD derwärtig und antijüdisch ist, „in Stein ist aber andererseits das „Rom“, das reli- (Evangelische Kirche in Deutschland), der geschlagener Antisemitismus“, wie auch giöse Zentrum der lutherischen Kirchen die ganze Debatte langsam unangenehm das Bundesverfassungsgericht feststellte. in Deutschland und weltweit. Denn die wurde. Ein daraufhin vom Gemeindekir- Warum aber, in drei Teufels Namen, will Stadtkirche in Wittenberg war die Pre- chenrat selbst eingesetztes Expertengre- man es dann an der Kirchenwand belassen? digtkirche von Martin Luther, und wurde mium kam zu der Empfehlung, die Sau Als Rechtfertigung für das Festhalten dadurch zum evangelischen „Petersdom“, abzunehmen und an einem anderen Ort am Schmährelief verweist die Gemeinde also Pilgerziel, Kundgebungsort, Devoti- und kritisch kontextualisiert zugänglich auf ein „Mahnmal“ 1, dass in der Größe ei- onalien-Handel rundherum, bis heute als zu machen. Das hatte man in Wittenberg nes Gullydeckels unterhalb der „Judensau“ „Mutterkirche der Reformation“ auch gern nicht erwartet. Wenige Tage vor dem Re- eingelassen ist, und war damit auch bei von Bischöfinnen und Bischöfen und Poli- formationstag beschloss der Gemeindekir- drei deutschen Gerichten bis hin zum BGH tikern für Predigt-Auftritte genutzt. Doch chenrat einmütig: „Die als „Judensau“ be- erfolgreich. Das ist fahrlässig und zynisch, die Stadtkirche hat einen bösen Makel: An kannte mittelalterliche Schmähplastik an denn auf dieser Bodenplatte befindet sich ihrer Außenwand propagiert eine Skulptur der Fassade der evangelischen Stadtkirche neben einem vieldeutigen Kreuzes-Symbol mit einer Sau, an der sich jüdische Kinder Wittenberg wird nicht entfernt.“ Ebenso ein auf Hebräisch formuliertes, also direkt nähren und ein Rabbiner obszön betätigt, standhaft wie blind folgen die Witten- an jüdische Menschen gerichtetes Zitat einen abgrundtiefen Hass gegen jüdische berger Protestant*innen ihrem populären aus dem Psalm 130, der in seiner Anrufung Menschen und ihren Gott. Theologisch ge- Ortsheiligen: Hier stehen wir, wir können Gottes die Sünden des Beters bekennt. adelt wurde diese „Judensau“ durch Martin nicht anders. Bemerkenswert ist auch, dass Auschwitz kann so nur verstanden werden Luther persönlich. Und noch rechtzeitig sich der ansonsten an zum großen Reformationsjubiläum 2017 k irchlichen Dingen wurde dieses Relief mit staatlichen und wenig interessier te kirchlichen Geldern renoviert und das da- Stadtrat mit all seinen rüber eingefügte Luther-Zitat vergoldet. Fraktionen, vorneweg Doch seit 2017 gab es auch zunehmend die AfD und Die Linke Protest gegen diese Schmähplastik, auf den inklusive, hinter die Weg gebracht von einer Online-Petition Gemeinde gestellt hat. des Londoner Theologen mit jüdischer Die „Judensau“ stiftet Herkunft Richard Harvey. Große Beach- Volksgemeinschaft. tung fand zuletzt der Prozess von Michael Düllmann mit dem Ziel der Abnahme der Wittenberger Sau, der allerdings durch drei Instanzen erfolglos blieb. Die öffent liche Aufmerksamkeit hatte aber immerhin zur Folge, dass sich der verantwortliche Gemeindekirchenrat als Eigentümerin der 1 https://linksabbieger.net/2020/03/24/den-judenhass-verhuellen/ 2 https://www.ndr.de/kultur/Wittenberger-Schweinerelief-Kein- antisemitischer-Hintergrund,relief102.html Verbreitungskarte Judensau (Quelle: wikipedia) 4–5 2022
8 Krise – Konflikt – Kommunikation Thema als Folge der Sünden des jüdischen Volkes. Was also nun? Blamiert hat sich erst einmal Dass die Juden selbst schuld sind an allem, die EKD (Evangelische Kirche in Deutsch- was ihnen an Bösartigkeit und Verfolgung land), die sich mit großem Einsatz um eine widerfährt, gehört zu den Standards anti- Verhaltensänderung ihrer Wittenberger semitischer Einstellungen. Gemeinde bemüht hat. Gleichzeitig verbreitet die über Wit- In der evangelischen Kirche gebe es tenbergs Stadtgrenzen hinaus bekannte keinen Platz für Antisemitismus, heißt es und in der Gemeinde einflussreiche Kunst- gern und oft. Das ist Schönrednerei, denn historikerin Insa-Christiane Hennen die einen prominenteren Platz für hasserfüllte Die Wittenberger Judensau irre These, dass die Schmähplastik keinen Judenfeindschaft als an der Geburtskirche antisemitischen Hintergrund haben kön- des Lutherturms kann es gar nicht ge- Ja, wie wäre es? Da solche frommen Wün- ne, weil es im Mittelalter und bei Martin ben. Wie wäre es also, wenn sich einige sche erfahrungsgemäß in der Kirche keine Luther noch gar keinen Antisemitismus lutherische Bischöfinnen und Bischöfe und Resonanz finden, legt sich eine ganz andere, gegeben hätte. Sie könne zwar verstehen, der Rat der EKD einmal an die Stadtkirche real-zynische Perspektive nahe: ,,dass sich jemand durch ein Objekt, das an- begeben würden, um dort handfest ihren Nicht mehr nur die Schmähplastik dere Menschen aus welchen Gründen auch Worten Glaubwürdigkeit zu verleihen? an der Außenwand der Kirche, sondern die immer angebracht haben, beleidigt fühlen Und wie wäre es, wenn die evangeli- ganze Stadtkirche mit ihrem Vorstand und kann“, stellt aber „sehr in Frage, ob das in schen Kirchen sich dafür einsetzen würden, ihren Pastoren legen dauerhaft ein leben diesem Fall sinnvoll ist“ 2 . Tja, liebe Juden, den staatlichen Feiertag zu Luthers Thesen- diges Zeugnis dafür ab, dass Judenfeind- ihr dürft zwar beleidigt sein, aber sinnvoll anschlag wieder aufzugeben und statt- schaft und Antisemitismus trotz aller ist das nun wirklich nicht. Zudem sei das dessen den jüdischen Gemeinschaften in gegenteiligen Bekundungen fortwirken. Spottbild anfänglich nur „als ein Appell Deutschland die Wahl lassen, welcher ihrer Das Weltkulturerbe Stadtkirche St. Marien gemeint, sich von fremden Bräuchen fern- Feiertage zu einem staatlichen Feiertag Wittenberg wird jetzt weltweit berühmt zuhalten, also bitte nicht zum Judentum gemacht werden sollte? Und wie wäre es als Weltkulturerbe für deutsch-kirchlichen überzutreten. Aber es war ein Appell an – nicht nur ganz nebenbei –, wenn min- Antisemitismus vom Mittelalter über Martin die christliche Gemeinde“, eher unsicht- destens einer der zweiten Feiertage zu Weih- Luther bis heute. bar für die Wittenberger Juden und zur nachten, Ostern und Pfingsten aufgegeben moralischen Aufrüstung der eigenen Ge- würde zugunsten eines muslimischen Fei- Ulrich Hentschel, meinde geschaffen. Da darf man schon, so ertages? Nicht als Zeichen überheblicher Hamburg, Pastor i.R. die Logik der Kunsthistorikerin, die Juden religiöser Toleranz, sondern als Ausdruck als Schweine-Kinder und den im Judentum von Respekt und Gleichberechtigung. geheiligten Gottesnamen als Scheiße dar- stellen. Alles kein Antisemitismus? Das ansätze-Archiv zum Nachlesen: https://www.bundes-esg.de/bundes-esg/publikationen/ansaetze/ ESG-newsletter abonnieren: https://www.bundes-esg.de/bundes-esg/newsletter/ 4–5 2022
9 Thema Krise – Konflikt – Kommunikation Kirchliche ‚Krisenkommunikation‘ Herausforderungen, Intentionen und Ausdrucksformen während und nach Corona Jonas Lehrke Die Corona-Pandemie stellt in ihrem Aus- Sie ist Förderin von Ambiguitätstoleranz, Resonanz ausgerichteten Authentizität maß und ihrer längerfristigen Wirkmäch- indem sie Ratlosigkeit und Klage zulas- und Plausibilität öffentlichen Auftretens tigkeit eine analogielose Belastungsprobe sen kann und somit von bedrängenden geschaffen werden können. Um also Kom- für die gesamte Weltbevölkerung und de- Gefühlen entlastet. Schließlich stellt sie munikation des Evangeliums krisenfähig ren religiöse, kulturelle und soziale Gefüge Resonanzräume und damit Orte nonver- zu machen, bedarf es vor der eigentlichen dar. Indem sie disruptiv in alle Sphären baler Kommunikation des Evangeliums zur kirchlichen Kommunikation in der Krise der öffentlichen wie privaten Gewohn- Verfügung. Die geschilderte Erwartungs- einer Krisenkommunikation, welche zu- heitsstrukturen eindringt, unterscheidet haltung an die Kirche kann mit ihrem Prä- sichert, dass Kommunikation des Evan- sie sich in ihren Auswirkungen auf ge- senzverständnis diese Breite an Kommu- geliums wirklich krisentauglich ist. Beide sellschaftliche und damit auch kirchliche nikationsdimensionen nicht voll umfassen Formen stehen in enger Beziehung zuei- Kommunikationsmuster fundamental und ist daher nicht gerechtfertigt. nander, weswegen der Titel der Arbeit die von Transformationsprozessen religiöser Dies zu begreifen, dem eigenen An- Komplexität kirchlicher kommunikativer Pluralisierung und Individualisierung. Die spruch einzuverleiben und diesen mit all Prozesse in der Corona-Krise angemessen Kirche wurde und wird hinsichtlich ihres seinen Aspekten zur Sprache zu bringen, veranschaulicht. öffentlich registrierten Umgangs mit der ist wesentliche Aufgabe der Kirche in der Kirchliche Kommunikation in der Krise von kirchenexternen, aber auch -in- Krise. Damit bezieht sie sich auf ein Ver- Krise kann dann als gelungen bezeichnet ternen Beobachter:innen an der Erwar- ständnis von in der Krise stattfindender werden, wenn sie einerseits pragmatisch tungshaltung, die Kirche müsse gerade in Kommunikation, die einerseits eine Form und transparent ist, andererseits Ambiva- der Krise in allen Lebensbereichen präsent der Kommunikation des Evangeliums dar- lenzen nicht vorzeitig aufgelöst werden. sein, kritisch gemessen. Das Verständnis, stellt und dadurch von der betriebswirt- Sofern Kirche für die Kommunikation der das sich in der Krise präsente Kirche durch schaftlich klar definierten Krisenkommu- christlichen Botschaft auf die eigenen re- aktionistisches Auftreten und Kommu- nikation abweicht. Andererseits ist Kirche ligiösen Denk- und Sprachformen zurück- nikation allumfassend am öffentlichen aufgefordert, Voraussetzungen für eine greift, ist sie in der Lage, einen wichtigen Diskurs beteiligt, stetige Trostkompetenz gelungene Kommunikation des Evangeli- Beitrag zur Bewältigung der Corona-Pan- anbietet und radikale Innovationen tätigt, ums zu gewährleisten, die mittels einer auf demie zu leisten. Defizite sind dort aus- scheint jedoch erst im Zuge der Entwick- zumachen, wo Sprachlogiken öffentlicher lung von Selbstpräsentation in den So- Diskurse übernommen werden, deren Eng- zialen Medien aufgekommen zu sein. Es führungen den kirchlichen Auftrag durch hat sich während der Corona-Pandemie Rationalitäten anderer Funktionssysteme verfestigt und resultiert vermutlich aus begründen und somit die Eigenheit kirchli- dem kirchlichen Selbstanspruch als krisen- cher Kommunikation verdrängen. Zugleich erfahrene Instanz. ist aber auch dort misslungene Kommu- Diese Arbeit hat indes gezeigt, dass nikation zu beobachten, wo kirchliches Kirche sehr viel ambivalenter kommuni- Leben in eine gewisse Opposition zu den ziert, als registriert und erwartet wird. Sie gegenwärtigen politischen Bemühungen ermöglicht den öffentlichen Diskurs und gerückt wird. Erst wenn die Gegenüber- wirkt zugleich als Teilöffentlichkeit mit stellung von Kirche und Gesellschaft als eigener Sprache und eigenen Positionen obsolet verstanden und gleichzeitig das in ihn hinein. Sie ist ein Sammelbecken Alleinstellungsmerkmal kirchlicher Kom- vielfältiger Sozial- und Kommunikations- munikation hervorgehoben wird, ist eine formen und darin nicht dem Status quo gute Ausgangslage geschaffen, um den verhaftet, sondern dynamisch und flexibel. Foto: Isaac Quesada auf Unsplash Herausforderungen der Corona-Krise zu 4–5 2022
10 Krise – Konflikt – Kommunikation Thema Begleitung zur Verarbeitung der durch die liums gegenüber seinen Formaten zu garan- Krise verursachten Trauer und Bedräng- tieren. Die agendarische Landschaft wird sich nisse brauchen. In einer zunehmend pola- auf eine Zweigleisigkeit gottesdienstlicher risierenden Gesellschaft wird Kirche Dis- Feier einstellen müssen. Foto: Rinke Dohmen auf Unsplash kursräume schaffen, sich aber auch gegen Entscheidend wird für all diese Zukunfts- Menschenverachtung, Verschwörungsmy- perspektiven sein, ob es zukünftig gelingt, begegnen. Dabei darf jedoch bei aller Fo- then und antidemokratische Tendenzen selbstverständlich unterschiedliche Modi kussierung darauf nicht versäumt werden, positionieren müssen. und Intensitäten von Kirchenbindung zu ak- die komplexen Folgen der Pandemie und Schließlich ist der gelungene Umgang zeptieren und diese gleichwertig zu behan- anderer herausfordernder Entwicklungen mit der Digitalisierung wichtig für eine or- deln, ohne immer ein Mehr an Bindung als auf die Kirche in ihrer wechselseitigen Be- ganisatorische Verankerung von Innovati- geheimes Ziel zu intendieren. Wenn Kirche einflussung wahrzunehmen, zu interpre- onen aus der Corona-Krise. Auch wenn der nach der Krise nicht den Anspruch erhebt, tieren und anzugehen. physisch kopräsente Sonntagsgottesdienst die vermeintlich verlorene Zeit durch aktio- Auch nachdem das SARS-CoV2-Virus zukünftig seine Relevanz behalten wird, nistisches öffentliches Auftreten, Beharren keine pandemischen Verhältnisse mehr weil er die verlässliche institutionelle Sei- auf den alten Praktiken und oberflächlichen verursachen wird, wird es die Kommunika- te von Kirchlichkeit markiert und nach wie Trostzuspruch aufzuholen, kann die Corona- tion von und in Kirche maßgeblich mitprä- vor treue Kirchenmitglieder anzieht, werden Pandemie im Rückblick auch als Chance für gen. Es wird entscheidend sein, dass Kirche Gottesdienste künftig sowohl im digitalen kirchliche Kommunikation gedeutet werden. die Langfristigkeit der Auswirkungen der als auch im analogen Raum gefeiert werden. Krise anerkennt und dementsprechend die Die Corona-Krise hat hierbei maßgeblichen Jonas Lehrke, 2015–2022 Theologie- Vulnerabilität ihrer Mitglieder nicht wieder Anteil an der Beschleunigung dieser Trans- student in Göttingen und Marburg. an die Grenzen des Lebens verlagert. Ihre formationsprozesse. Das digitale Abendmahl Aufgabe wird darin bestehen, keine Nor- wird zu einer vertrauten Praxis unter mehre- Der Text ist ein Auszug, bzw. das Fazit malität, wie sie vor der Pandemie bestand, ren werden, so wie es zuvor schon die Tele- meiner Examensarbeit „Kirchliche 'Krisen- auszurufen, sondern die Veränderungen in fonseelsorge oder der Fernsehgottesdienst kommunikation'- Herausforderungen, ihrem Auftreten, Handeln und Wirken als geworden sind. Dabei wird Digitale Kirche Intentionen und Ausdrucksformen während über die Krise hinaus wertvoll zu deuten. sich und ihre Angebote immer reflektieren und nach Corona“. Menschen werden weiterhin seelsorgliche müssen, um die Vorrangstellung des Evange- Literatur: • DEEG, ALEXANDER: Es wird nicht mehr sein wie vorher… Überlegungen zum Gottesdienstfeiern in Zeiten der Corona-Pandemie und danach, in: PTh 109/9 (2020), 417–435. • E-Mail-Interview I mit Gunther Schendel, geführt am 11.08.21. • E-Mail-Interview II mit Katharina Scholl, geführt am 11.08.21. • FLEISCHMANN, CHRISTOPH: Der Geist weht durch den Bildschirm. Die Corona-Pandemie hat Gottesdienst und Gemeinden verändert. Jetzt müssen die Kirchen klären, was die Digitalisierung für den Glauben bedeutet., in: Publik Forum 50/9 (2021), 28–31. • KARLE, ISOLDE: Kirche im Reformstress, Gütersloh 2011. • KUHLENKASPER, TORBEN: Kirche & Corona Studie. Ev. Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte, Melle 2020. • SCHNEIDER, MICHAELA: „Pfarrpersonen bekamen Feedback wie nie“. Die Religionspädagogin Ilona Nord hat die digitale Präsenz der Kirchen im ersten Lockdown untersucht, in: Publik Forum 50/9 (2021), 30–31. • SCHOLL, KATHARINA: Telefonbank, Fahrstuhl, Autokino. Notizen zur Vielfalt gottesdienstli-chen Lebens in der Corona-Krise, in: zeitzeichen 21/9 (2020), 28–30. 4–5 2022
11 Thema Krise – Konflikt – Kommunikation Rolle rückwärts in der Zeitenwende? Anfragen an den Drang zur Neuaufstellung der Evangelischen Friedensethik Hans-Gerhard Klatt Abschied vom Universalismus Komplementarität als Übergangs-Ethos Sehr schnell war nach dem Schock des Auf dem Argumentationsweg zu diesem Damals hat die Forschungsstelle der Evan- russischen Angriffskriegs gegen die Uk- Schluss der starken Zeichen wurde ein Ge- gelischen Studiengemeinschaft FEST in raine vom 24. Februar die von viel EKD- neralangriff auf die angeblich realitätsferne Heidelberg versucht, aus der synodalen Prominenz in der Herausgeberschaft ge- „Verkürzung des Leitbilds vom gerechten Entscheidungsunfähigkeit in der Frage tragene Zeitschrift „Zeitzeichen“ dabei, Frieden“ durch die von binnenkirchlicher der Atombewaffnung von 1958 herauszu- nicht nur „die friedensethische Haltung der Naivität getragenen Synodenbeschlüs- führen, indem sie der „Ohnmachtsformel“ evangelischen Kirche auf dem Prüfstand“ se seit der Friedensdenkschrift von 2007 der Synode („Wir bleiben unter dem Evan- zu sehen (so im Editorial des April-Heftes gefahren. Diese folgten nur noch einem gelium zusammen“) einen strategischen 4/2022), sondern gleich den Aufschlag „zu „pflichtenethischen Rigorismus“ und hät- Begriff an die Seite stellte: „Wir müssen einer neuen evangelischen Friedensethik“ ten die andere Seite der Denkschrift einer versuchen, die verschiedenen im Dilemma ins Programm zu nehmen. „Erste Perspek- „güterethischen Verantwortungsethik“ der Atomwaffen getroffenen Gewissens- tiven“ zur Neupositionierung durfte der vergessen. Die universalistische Perspek- entscheidungen als komplementäres Han- Vorsitzende der Kammer für Öffentliche tive der Gewaltfreiheit behalte ein „spiri- deln zu verstehen“ (6. Heidelberger These). Verantwortung, der Münchner Systemati- tuelles Recht“ und sei in ihren biblischen Sie hat Komplementarität damals bewusst ker Reiner Anselm, formulieren, der sich für Erzählungen und Bildern als moralische als das „Ethos einer Übergangszeit“ ver- diese Aufgabe Militärpfarrerin Katja Bruns Imaginationen gut für Gottesdienste und standen. Uns 63 Jahre später wieder frie- und Militärdekan Roger Mielke an die Seite Liturgien. Friedensethik aber dürfe nur densethisch in der Komplementarität holte. „Starke Zeichen“ war der Artikel noch „wirklichkeitsgesättigt“ entworfen von „pazifistischem Friedenszeugnis und überschrieben. Welche Zeichen gemeint und vertreten werden und habe sich von gewaltbewehrter politischer Ordnung“ waren, offenbarte der Schluss: „Es braucht der Idee „eines kosmopolitisch konzipierten festhalten zu wollen, als wäre nichts an re- starke Zeichen, die die Vorläufigkeit un- Rechtsfriedens“, von der universalistischen flektierter Entwicklung geschehen, zeugt seres menschlichen Ringens um Frieden Hoffnung auf „Weltinnenpolitik“, zu verab- nicht gerade von einem wertschätzenden inmitten von Gewalt deutlich machen“. Der schieden. Gegenüber einem Aggressor, der Verhältnis zu den synodalen Entschei- Artikel ließ unmissverständlich verstehen, sich nicht mehr als Rechtsgenosse verstehe, dungsprozessen der letzten Jahrzehnte. dass damit nicht an Zeichen des entschlos- müsse die Friedensethik ihre Bindung an Leider stehen die drei Autor:innen senen gewaltlosen Widerstands gedacht das Völkerrecht aufgeben. Weil „das Politi- nicht allein. Die Zeitschrift „Zeitzeichen“ war, sondern an Zeichen der militanten sche“ nur in umgrenzten Räumen gestaltet hat zwar im Mai-Heft die Debatte über Wehrhaftigkeit mit den „technologisch werde, seien auch für die Friedensethik die „Krieg und Frieden. Neue Fragen an die fortgeschrittensten Waffen“ einer „leis- geopolitisch beschränkten und allein demo- evangelische Ethik“ auch für andere Po- tungsfähigen Rüstungsindustrie“ inklusive kratisch kontrollierten nationalstaatlichen sitionen geöffnet, doch interviewt hat der atomaren Abschreckung. Interessenslagen die maßgebliche Orien- sie in diesem Heft nur den evangelischen tierungsgröße. Die drei Autor:innen ahnen Militärbischof der Bundeswehr Bernhard wohl, dass sie sich damit kaum noch auf Felmberg, während sie den Friedensbe- der Basis der Denkschrift vom „gerechten auftragten der EKD, Bischof Friedrich Kra- Frieden“ von 2007, ganz zu schweigen vom mer, erst im Juli-Heft zu Wort kommen ÖRK-Konsens von Busan 2013 mit seiner ließ. Felmberg hat sie empathisch befragt, Ausrichtung auf das humanitäre Völker- ob die Friedensethik der EKD überarbei- recht, bewegen. So nimmt es nicht Wunder, tet werden müsse und es 2007 nicht „ein dass am Schluss des Artikels ihr Rückbezug bisschen naiv“ gewesen sei, „dass man die Heidelberger Thesen von 1959 sind. Rolle glaubte, alle sind so vernünftig und wol- rückwärts in die Zeit der atomaren Aufrüs- len nur diplomatische Lösungen haben tung im Kalten Krieg gelungen. in der Weltpolitik“, während Kramer, der 4–5 2022
12 Krise – Konflikt – Kommunikation Thema Friedensethische Zeitenwende? deutsche Waffenlieferungen kritisch be- Einer ihrer Vorgänger, Altbischof Wolf- fragt und in den Synodenbeschlüssen der gang Huber, sieht zwar keine Notwen- EKD von 2019 auch für die gegenwärtige digkeit, von der Friedensdenkschrift von Situation des russischen Angriffskrieges 2007 abzurücken, nimmt aber den Begriff eine ausreichende friedensethische Ori des Kanzlers von der Zeitenwende auf und entierungskraft sieht, mit beständigen spricht von einer „friedensethischen Zei- „Aber“-Fragen konfrontiert wurde. tenwende“. Sie bestehe darin, dass der „auf den Verbrechen des 20. Jahrhunderts Wie ausreichend ist die fußende deutsche Sonderweg“ nicht mehr Dilemma-Bekundung? zur Verfügung stehe (alle Zitate auf der EKD-Homepage zu finden). Das Argument Das „Dilemma“ von 1959 ist ein Hauptwort stößt unangenehm auf, zumal es von ei- der Ratsvorsitzenden Annette Kurschus nem so klugen Denker wie Wolfgang Hu- in diesen Wochen, oft in persönlicher Zu- ber kommt. In allen aktuellen politischen spitzung. Zum „persönlichen Dilemma“ Auseinandersetzungen um das deutsche ihrer Befürwortung der Waffen-Liefe- Verhältnis zu Israel und den Kampf ge- rung an die Ukraine als Hilfestellung zur gen wachsenden Antisemitismus – von Selbstverteidigung bekundet sie: „Wir der Documenta in Kassel bis zur ÖRK- sehen jetzt: Dieser für uns friedliebende Bischof der EKD für die Seelsorge in der Bundeswehr, Vollversammlung in Karlsruhe – hat der Christen schwierige und unangenehme Dr. Bernhard Felmberg {Foto: EKD} ethische Verantwortungsrückbezug auf Gedanke muss weitergedacht und neu be- die deutschen NS-Verbrechen seine un- fragt werden.“ Dabei war das Recht auf rauszuhelfen vermögen. Stattdessen aber verzichtbare Kraft bewiesen. Und natürlich Selbstverteidigung auch mit Waffenge- bekommt man als Freund des Friedens von können wir uns für das deutsch-russische walt als ultima ratio immer noch Teil aller der Ratsvorsitzenden noch die Breitseite Verhältnis nicht von einem Blick auf die Beschlusslagen zum „gerechten Frieden“. geliefert: „Unsere Friedensethik darf nicht fortwirkenden Traumata des deutschen Warum es nun weitergedacht und neu zu einer steilen Ideologie werden, die wir Überfalls auf die Sowjetunion in der heuti- befragt werden muss, dieser Satz bleibt anderen vorhalten, um selbst edel und gut gen russischen Gesellschaft, auf die hohen unklar und öffnet die Hintertür einer Dis- zu bleiben“. Damit will sie sicher niemand russischen Opferzahlen im 2. Weltkrieg tanzierung vom „gerechten Frieden“. Ohne verletzten, etwa ihren Friedensbeauftrag- und auf die historische Rolle als Befreier Not, denn das Selbstverteidigungsrecht ten. Sie offenbart vielmehr, so vermute ich, von Auschwitz dispensieren. Hubers Satz der Ukraine steht nirgends zur Dispositi- mit dem Satz ihre Ängste, wie sie von der kommt dem rechten Populismus, es müsse on. Die Frage ist auch, wem die Einsicht in politischen Öffentlichkeit zerrissen wer- endlich Schluss sein mit der deutschen das persönliche Dilemma-Empfinden der den würde, wenn sie ein kirchenoffizielles Erinnerungspolitik, gefährlich nahe. Ratsvorsitzenden helfen soll. Bei vielen Nein zum Waffen-Wunsch der Ukraine ver- So populär auch die Rede von der steht die Hoffnung im Raum, wenigstens künden würde. Doch kann Angst vor dem Zeitenwende geworden ist, so muss doch von der Kirche als einer normativen Kraft politischen Diskurs ein Argument zur Aus- gefragt werden, worin sie eigentlich be- in der Gesellschaft Überlegungen an die richtung der eigenen Friedensethik sein? stehen soll und ob sie zu Recht besteht. Hand zu bekommen, in denen Handlungs- Mit den Worten von Annette Kurschus optionen auf langfristige Folgewirkun- besteht sie in einer neuen Notwendigkeit gen jenseits der aktuellen Betroffenheit zur Militarisierung der Politik aufgrund ethisch durchreflektiert sind und die aus eines „Aggressor(s), der sich an keine in- dem je eigenen Dilemma-Empfinden he- ternationalen Regeln hält und mit dem 4–5 2022
13 Thema Krise – Konflikt – Kommunikation ein Vertrauensaufbau nicht möglich ist“. testamentlich beziehen können, ist im Richtiger wäre es, das neue politische Kontext des römischen Imperiums und Datum des 24. Februars als den katast- des jüdischen Krieges formuliert worden rophischen Endpunkt einer nicht vollzo- und nicht im himmlischen Jerusalem. Das genen Zeitenwende nach der Auflösung realpolitische Nein zum militanten Wider- der Sowjetunion 1991 zu betrachten. Die stand der Zeloten ist unser Grundgerüst. Friedensforschung spricht von den 1990er Die „noch nicht erlöste Welt“ war immer Jahren als einem sicherheitspolitisch ver- die Chiffre für die herrschaftskonforme geudeten Jahrzehnt, in dem es nicht ge- Befürwortung militaristischer Ordnungs- lungen ist, mit der OSZE eine europäische politik im Wissen, dass diese eigentlich Sicherheitsarchitektur gemeinsam mit theologisch nicht zu rechtfertigen war. Russland aufzubauen. Seit dem NATO- Und sie bleibt es auch, wie modern auch Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawi- immer sie daherkommt. en ohne UN-Mandat vom 24. März 1999 (Kosovo-Krieg) sind völkerrechtswidrige Hans-Gerhard Klatt, Angriffe auf einen anderen Staat sowohl Pastor und Sozialpädagoge auf Seiten des Westens als auch auf Seiten Russlands ein vielfach angewendetes Poli- Der Beitrag erschien zuerst in tikmuster im 21. Jahrhundert geworden. Der Friedensbeauftragte der EKD, Landesbischof Junge Kirche 04/2022 Friedrich Kramer Die „nicht erlöste Welt“ als fragwürdige Chiffre Friedenswissenschaft“ (Jürgen Scheffran; vgl. W&F 3/22) bedürfe. Warum im Ver- Neu waren am 24. Februar 2022 nur gleich dazu die evangelische Kirche sich die Nähe des Kriegsschauplatzes und so leicht von ihrem Weg zur „Kirche des die Gefahr einer atomaren Eskalation. gerechten Friedens“ abbringen lässt, das Neu war, dass selbst bei anerkannten bleibt unklar. Es wirft Fragen auf, wie Politikwissenschaftler:innen das „Dämo- ernsthaft und tiefgehend der friedens nische“ als Kategorie in der Politischen ethische Entwicklungsprozess wirklich Analyse eingeführt wurde und sich die verankert war. Erklärungssuche für den 24. Februar auf Plötzlich spielen anachronistische die Persönlichkeitsstruktur Putins als des Denkfiguren wieder eine Rolle, die längst neuen Hitlers konzentrierte. All das schreit in der Mottenkiste der Theologiegeschich- geradezu danach, dass sich die Friedenslo- te verschwunden waren. „In der noch nicht gik bestätigt sehen und nicht die Kriegs- erlösten Welt“, diese Chiffre wird wieder logik aus dem Ukraine-Krieg herausführen zur relevanten Kontextbeschreibung für kann, so sehr die Selbstverteidigung der unsere ethische Urteilsfindung, um eine überfallenen Ukraine richtig war und ist. pazifistische Haltung als naiv bis unver- Die Friedensforschung denkt nicht daran, antwortlich zu kennzeichnen. Als ob es abzudanken und sich durch Geopolitik zu eine vernünftig vertretbare Position sein ersetzen, sondern argumentiert, dass es könnte, dass wir bereits in einer erlösten mehr denn je einer „zukunftsorientierten Welt lebten. Alles, worauf wir uns neu- 4–5 2022
14 Mannheim ESG stellt sich vor Die ESG Mannheim stellt sich vor Florian Binsch die ESG Mannheim mit der Citygemeinde Seit meinem Antritt am 01.03.2020 ist Hafen-Konkordien eine enge Symbiose diese Stellenkombination Wirklichkeit ge- eingegangen ist – auch, um in Kombinati- worden. Zunächst einmal mitten hinein on mit einem 50% Parochial-Deputat dort in den ersten Lockdown und doch fand in auf eine volle Stelle zu kommen. der zweiten Woche direkt die erste Online- Aus diesen Erfahrungen entstand der Andacht „Ankerzeit“ per Zoom statt, wel- Wille, für die ohnehin kirchlich völlig un- che im Rückblick von jungen Erwachsenen terrepräsentierte Altersspanne der jun- als stärkende Kontinuität erlebt wurde gen Erwachsenen (ca. 18-35 Jahre) eine inmitten von verunsichernden Abbrüchen. 50%-Stelle mit dem Arbeitstitel „Young Die Ankerzeit, welche musikalisch von Ins- Urbans“ zu schaffen und diese mit der trumental- und Popliedern begleitet wird, Studierendenseelsorge zu kombinieren. zeichnet eine angeleitete Stille-Meditation Diese Stelle nimmt junge Menschen jen- von sieben Minuten aus sowie ein Impuls seits der Studierendenblase in den Blick für die Woche, Segen und offenes Ende In Mannheim studieren knapp 30.000 Per- und erprobt neue Formen von Kirche. Dies mit Raum für Austausch. Im Lauf der Zeit sonen. Zu den größeren Einrichtungen ergibt insofern Sinn, als in den zentralen wurde sie je nach Rahmenbedingungen zählen die Universität, Hochschule, Duale Stadtteilen von allen, die noch evangelisch weiterentwickelt, mal hybrid auf Insta-Live Hochschule Baden-Württemberg, Medizi- sind, hohe Anteile (50-70%) aus dieser und nun wieder ganz analog an verschie- nische Fakultät der Universität Heidelberg Altersspanne leben. Die Hafenkirche im densten Orten; mal in der Hafenkirche sowie die Staatliche Hochschule für Musik Szeneviertel „Jungbusch“, sollte zudem als mit blauer Lichtinstallation, im Innenhof und Darstellende Kunst. Die Popakademie ein besonderer kirchlicher Ort für junge mit Feuerschale, oder Brunnen, mal im Baden-Württemberg und eine lebendige Erwachsene entwickelt werden. Wald, auf dem Schiff, oder auf dem höchs- Musikszene machen Mannheim zu einem ten K irc h t ur m der wichtigen Zentrum der deutschen Pop- Stadt. Nach einigen musik, seit 2014 ist Mannheim UNESCO Erstkontakten wurde City of Music. in der Lockdown-Zeit Die Studien-Standorte verteilen sich dann auch das Seel- auf verschiedene Stadtteile, sodass jede sorgerliche Angebot Einrichtung einen eigenen Mikrokosmos „Reden & Gehn“ gut bildet. Im Angesicht dieser Größenord- angenommen. nung sind 50% Deputat Studierenden- seelsorge ein Tropfen im weiten Meer, das sich überwiegend säkular präsentiert. Irritierend ist, dass mitunter die Beratung für Studierende bezüglich finanzieller Un- terstützung gerne gesehen ist, ansons- ten aber Religion und kirchliche Seelsorge kaum Wertschätzung genießen. Was vor Ort an Veranstaltungen und Präsenz nicht gewollt ist, braucht also andere Orte, Ka- näle und Gelegenheiten, um in Kontakt zu kommen. So verwundert es nicht, dass 4–5 2022
15 ESG stellt sich vor Mannheim Der Lockdown brachte andererseits viel Freiraum konzeptionell in die Tiefe zu ge- hen und das Konzept der „Ankerstelle“ inklusive einer Corporate Identity, neuer Homepage und Social-Media-Kanälen auf- zusetzen und Stück für Stück erprobend weiterzuentwickeln. Diese Konzeption ver- steht sich als Dach für junge Erwachsene, egal, ob sie studieren, arbeiten, oder eine Ausbildung absolvieren. Für das zu ent- wickelnde Areal der Hafenkirche sind drei Säulen angedacht: In Fortführung der be- stehenden 6er ESG-WG ein Wohnhaus als Studierendenwohnheim, ein Repair-Café Ein Highlight während dieser Zeit war So entstand ein Osterspaziergang, der mit offenem Innenhof, der mit Urban Gar- unsere Ostern-StreetArt-Aktion: In drei hybrid per QR-Codes ergänzt wurde mit dening zur grünen Oase gestaltet wird und Workshops haben Studierende und jun- eingesprochenen Mono- und Dialogen der die Hafenkirche als multifunktionaler Ver- ge Erwachsene Oster-Charaktere ausge- Charaktere, welche ebenso von den Mit- anstaltungsraum. Wichtig war es die Kon- sucht und auf Grundlage der biblischen wirkenden entwickelt und eingesprochen zeption mit jungen Erwachsenen zu ent- Berichte entwickelt. Wie sie wohl heute worden waren. Für Hörgeschädigte gab wickeln, was in Workshops, sowie in zwei aussehen würden, für was sie noch heute es ebenso eine barrierefreie PDF mit den Semesterprojekten in Kooperation mit stehen und was sie heute sagen würden. Texten zum Lesen und es entstand eine der Dualen Hochschule BW geschah. Zu- Anhand von Metabeschreibungen wurden kleine Doku zur Aktion: nächst im Studiengang „BWL-Öffentliche die Charaktere dann von der Hamburger ankerstelle.net/wandelmut Wirtschaft“, um Best Practice Beispiele zu Künstlerin Verena Hartmann grafisch um- sammeln und einen ersten Business-Plan gesetzt, lebensgroß auf Plakatpapier aus- zu erstellen, sodann im Studiengang „Me- gedruckt und als sogenannte „Paste-Ups“ dienmanagement & Kommunikation“, um an verschiedenen Stellen auf Wände und die Selbstkommunikation zu verbessern Holzunterbauten in der Stadt angebracht. und den Instagram-Kanal zu optimieren. Ein weiterer inhaltlicher Kanal, der es wie kaum eine Themenveranstaltung vermag, Erfahrungen unabhängig zu teilen, ist der Podcast „Achterbahn & Anker“. In Koope- ration mit einer freien Journalistin wer- den aktuelle Themen aufgenommen und Gäste eingeladen, wie z.B. zuletzt #outin- church mit zwei Unterzeichner:innen der Kampagne. 4–5 2022
16 Mannheim ESG stellt sich vor Manches gelingt und wächst in seiner eigenen Geschwindigkeit, doch die Re- sonanz auf Vieles ist gering. Das macht nachdenklich, wie es in Zukunft weiter gehen soll, wie viel Angebot vorgehalten wird, das mitunter kaum abgerufen wird, oder Aussagen hervorruft wie: „schön, dass es das gibt, auch wenn ich nicht kom- me“. Zudem ist da viel Ungewissheit in Anbetracht von kirchenpolitischen Ent- scheidungen, die aus kirchlichen Mitteln die bauliche Entwicklung des Hafenareals nicht weiterführen werden und nun die Hoffnung auf der Kooperation mit einer Stiftung liegt. Wie auch immer es weiter geht: Einen grundlegenden Gedanken von Johann Hinrich Wichern, nach dem unser Ökumenisch wird jedes Jahr der Advents- wwDiesen Ansatz wollen wir weiter aus- Seelsorgeschiff benannt ist lautet: Nicht gottesdienst zusammen mit KHG, SMD bauen, sodass wir gerade dabei sind eine warten, bis jemand kommt, sondern hin- und SFC gestaltet, was immer wieder für Junge Diakonie aufzubauen, die eigene gehen, wo die Menschen sind. Wie auch bereichernde Begegnungen jenseits der Projekte stemmt, Ehrenamt begleitet und immer die Entwicklungen weitergehen, Gruppengrenzen sorgt. Besonders ist auch Brücken zu anderen diakonischen Projek- so reift gerade die Ahnung, dass diesem das Kochprojekt „Let’s cook together“, ten in Mannheim schafft. Selbst haben wir Gedanken im hiesigen Kontext besonders welches 2015 für Geflüchtete ins Leben bereits zwei Umsonst-Märkte veranstaltet, die Seelsorge im Nachtleben entspricht. gerufen wurde und heute Menschen in die zudem in Zukunft mit einer Open-Sta- ihrer Vielfalt zum Kochen und Essen zu- ge einladen, nicht nur Materielles, sondern sammenbringt. So inzwischen auch mal auch Künstlerisches miteinander zu teilen. mit der MHG und hoffentlich bald auch mit Ebenso profitieren die Kleidertauschparty Mannheimer Jüd:innen. Motto ist vonein- und Vesperkirche in der Citykirche Konkor- ander zu lernen, miteinander zu genießen dien vom entstehenden jungen Netzwerk. und Geschichten zu teilen. Dabei ist ein Zudem vernetzen wir die Möglichkeiten eigenes Kochbuch entstanden und eine der Schifferseelsorge und bringen das zeitweise Förderung des Landes Baden- Schiff als besonderen kirchlichen Ort ins Württemberg mündete im anerkennenden Spiel – auch für Erwachsenentaufen. Besuch von Manne Lucha, dem Minister für An Programm haben wir von Wein- Soziales, Gesundheit und Integration. wanderung, über Klettergarten, The- Florian Binsch ist Studierendenpfarrer menabenden zu Resilienz und Toxischer in Mannheim Religiosität bis hin zu Pubquiz und hand- werklichem Upcycling von Getränkekis- Web: ankerstelle.net ten zu Hockern und Gärtnern im Urbanen Instagram: @ankerstelle Garten vieles ausprobiert. Doch möchte Podcast: achterbahn-und-anker.podigee.io ich auch Schwieriges nicht ausklammern: 4–5 2022
17 Verband Hauptamtlichenkonferenz in Bonn Corinnas Columne ein Gedicht Lächelnd hüpfte sie auf der Straße Der Rest war ihr egal Sie lief fast auf Händen Der Weg war schmal. Alle andern hasteten vorbei - Keine Zeit zum Stehenbleiben Nicht zum Zeitvertreiben Der Rest ist ohnehin einerlei. Da fiel ein Strahlen auf ihr Gesicht Tauchte sie ein in helles Licht Der, auf den wir warten, rief: Fürchte dich nicht. Die Ausgabe 1/2023 erscheint im April 2023 zum Thema Kunst – Kultur – Kirche. Beiträge, die zur Veröffentlichung bestimmt sind, bitte an Uwe-Karsten Plisch senden: ukp@bundes-esg.de. 4–5 2022
18 Die Geburt der ESG-Ruhr Verband Die Geburt der ESG-Ruhr oder: Wie aus der Not eine Tugend wurde Matthias von Westerholt Die Evangelischen Studierendengemein- Vor diesem Hintergrund haben sich dann Bei der Fusion der beiden ESGn spielt der den sind immer schon Exotinnen gewesen vor allem Pfarrer Markus Sorg (ESG Bo- Standort der ESG Dortmund eine wichtige in der Gemeindelandschaft – nicht nur chum) und Pfarrer Matthias von Wester- Rolle, denn er bietet vor allem für studen- der Westfälischen Landeskirche. Alterna- holt (ESG Dortmund) auf den Weg ge- tische Angebote sehr gute Bedingungen, tive Gottesdienste, basisdemokratische macht, um nach Lösungen zu suchen und zumal die alte Kirche St. Margareta auch Gemeindestrukturen, Orte der internati- um Ideen zu entwickeln. Ziel ist und war es, für Gottesdienste, Andachten und spiri- onalen und interkulturellen Begegnung, die Zukunft der ESGn und der Präsenz der tuelle Angebote genutzt werden kann. Kirche an einem wichtigen Grenzbereich Kirche an den Ruhrgebietsstandorten Bo- Den Programmteil der eher klassischen der Gesellschaft. chum und Dortmund mit ca. 100.000 Stu- ESG-Arbeit wird zukünftig Pfarrer Mat- Aber auch dieser Arbeitsbereich un- dierenden zu sichern, indem Ressourcen thias von Westerholt für beide Standorte terlag und unterliegt den Sparzwängen und Kompetenzen gebündelt werden. So übernehmen. der gesamten Landeskirche. Im Rückblick ist die Idee entstanden, die ESGn Bochum Auch wenn die Räume der ESG Dort- wurde in den vergangenen 20 Jahren der und Dortmund zu vereinigen, derzeit noch mund nun an Bedeutung gewinnen, soll es Personalbestand der ESGn in der EKvW mit dem Arbeitstitel ESG Ruhr. auch weiterhin am Standort Bochum eine um die Hälfte abgebaut. Dieser Prozess ist Wichtig war zum einen ein Ange- Anlaufstelle der ESG geben. auch noch nicht an sein Ende gekommen. bot für Studierende aller Fachrichtungen Die Kirchenleitung hat diesem Vorha- Aktuelle Einsparungen in den ESGn aufrecht zu erhalten, das reicht von Got- ben, die ESG Bochum und ESG Dortmund Bochum und Dortmund im vergangenen tesdiensten, thematischen Abenden, Ex- zur ESG Ruhr zu fusionieren, bereits zu- Jahr gefährdeten den Fortbestand der Ar- kursionen bis zu Freizeitaktivitäten. ESG gestimmt. Nun sind weitere Detailfragen beit an diesen Standorten. In Dortmund ist immer auch Gemeinde auf Zeit für noch zu klären, doch da sind viele Men- ging die Koordinatorin und Beraterin der Studierende, in der Glaubenserfahrungen schen schon auf dem Weg. internationalen Arbeit in der EKvW in den ermöglicht werden, wo aber auch Räume Jetzt bleibt zu hoffen, dass die ermög- Ruhestand, ebenso wie die Verwaltungs- eröffnet werden für Begegnung, Diskurs lichten Einsparungen die neue ESG-Ruhr kraft in der ESG Bochum. Beide Stellen und Dialog. zunächst einmal vor weiteren Kahlschlä- – so hatte es das Landeskirchenamt schon Zum anderen ist ein wesentliches gen und Sparrunden bewahrt. im Vorhinein entschieden – wurden nicht Standbein der ESG die Arbeit mit inter- wiederbesetzt, also ersatzlos gestrichen. nationalen Studierenden. Zum einen geht Matthias von Westerholt ist Studierenden- Es zeichnete sich ab, dass weder die es um konkrete Nothilfe durch das Not- pfarrer in der ESG Dortmund ESG Bochum noch die ESG Dortmund un- fondsprogramm, zum anderen um ein ter diesen Bedingungen arbeitsfähig sein Bildungsbegleitprogramm speziell für in- würden. Auch auf verschiedene Interven- ternationale Studierende (STUBE). Beide tionen hin gab es seitens der Landeskirche Programme verfolgen entwicklungspoliti- keinen Handlungsspielraum mehr. sche Ziele und werden begleitet und refi- nanziert durch Brot für die Welt. Für diesen Bereich wird zukünftig vor allem Pfarrer Markus Sorg zuständig sein, der auch Ko- ordinationsaufgaben für die gesamte ESG- Arbeit in Westfalen übernimmt. 4–5 2022
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