Monitor Magazin der Siemens-Gesellschaften in der Schweiz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Monitor Magazin der Siemens-Gesellschaften in der Schweiz Jubiläumsausgabe Oktober 2019 siemens.ch/historie
125 Jahre Siemens in der Schweiz Kraftwerk Wynau Seit dem Bau des Flusskraftwerks Wynau im Jahr 1894 ist Siemens in der Schweiz zuhause und hat seither unzählige Projekte umgesetzt. Einige Highlights und Meilensteine haben wir in dieser Jubiläumsausgabe des Monitor-Magazins zusammengetragen. Viele unserer Kunden haben sich im Lauf der Zeit École polytechnique fédérale de Lausanne zu bekannten Schweizer Ikonen entwickelt. Einige davon haben wir mit unserem Filmteam besucht. Entstanden sind beeindruckende Videos, die auf unserer Jubiläums-Webseite www.siemens.ch/historie zu sehen sind. Gotthard-Basistunnel Brauerei Feldschlösschen Rhätische Bahn Pilatus Flugzeugwerke Siemens-Campus Zug «Monitor» ist die Kundenzeitschrift der Siemens-Gesellschaften in der Schweiz Redaktionsadresse: Redaktionsteam für die Jubiläumsausgabe: Übersetzung: Siemens Schweiz AG Benno Estermann, Leitung act-Academy GmbH, Kloten Communications Eray Müller Freilagerstrasse 40, 8047 Zürich Marc Maurer Grafische Gestaltung und Satz: Tel. +41 585 584 059 Nadine Paterlini Fernando Roso E-Mail: filippa heierli@siemens.com Fabienne Schumacher www.siemens.ch/monitor Benjamin Schenk Druck: Deniz Gören Rüesch AG, Rheineck Astrid Tönnies Jasmin Röthlisberger 2
125 Jahre Siemens in der Schweiz Am 23. Januar 1896, an einem kalten Donnerstag, brannte im Städtchen Langenthal um sechs Uhr abends zum ersten Mal elektrisches Licht. Der Strom für die Beleuchtung der Markt- und der Amtshausgasse stammte vom fünf Kilometer entfernten Kraftwerk Wynau. Der Bau des ersten Schweizer Flusskraftwerks war für die gesamte Region ein wichtiger Schritt in ein neues Zeitalter. Das Aarekraftwerk war unter Federführung von Siemens & Halske in nur 14 Monaten errichtet worden. Der Baustart von 1894 markiert gleichzeitig den Beginn unserer Geschichte in der Schweiz. Natürlich war Siemens hierzulande schon vorher aktiv: So setzte die Militärverwaltung in Thun bereits 1865 unsere Zeigertelegraphen ein, und auch der 1882 eröffnete Gotthardtunnel wurde mit Glockensignalen aus dem Hause Siemens & Halske gesichert. Aber erst beim Projekt in Wynau beschäftigte Siemens erstmals eigenes Personal in der Schweiz. In den vergangenen 125 Jahren hat unsere Firma zusammen mit Partnern im ganzen Land Tausende von grossen und kleinen Projekten umgesetzt und damit einen wichtigen Beitrag geleistet für den erfolgreichen Wirtschaftsstandort Schweiz. Die Zusammenarbeit mit unseren Kunden und unser Know-how bilden auch die Basis für eine vielversprechende Zukunft. In einer Welt, die sich immer schneller dreht und laufend neue Technologien hervorbringt, braucht es verläss liche Partner – Firmen wie Siemens, welche die Erfolgsgeschichte der Schweiz auch in den nächsten 125 Jahren fortschreiben wollen. Die vorliegende Jubiläumsausgabe unseres Mitarbeiter- und Kundenmagazins «Monitor» will nicht den Anspruch erheben, die Siemens-Historie in der Schweiz lückenlos auszuleuchten, denn allein schon mit den Innovationen, die in den Geschäftsfeldern Gebäudetechnik und Verkehr initiiert wurden, könnte man Hunderte Seiten füllen. Und auch unsere Fachleute aus den Bereichen Industrie, Energie, Medizin und früher in der Kommunikation haben zahllose kleine und grosse Meilensteine gesetzt. Vielmehr zeigen wir einige wichtige Highlights aus Schweizer Sicht und manchmal auch aus ungewohnten Blickwinkeln. Einige dieser Projekte und viele unserer Kunden haben sich zu bekannten Schweizer Ikonen entwickelt. Sie sind seit vielen Jahren Sinnbild für den Erfolg unseres Landes und stehen für Erfindergeist und Innovationskraft. Sie werden die Schweiz auch in Zukunft prägen. Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Lesen! Matthias Rebellius CEO Siemens Schweiz 3
1847–1850 Eine Zigarrenkiste wird umfunktioniert In einem unscheinbaren Berliner Hinter- Für den Prototyp verwendete der in hof begann am 12. Oktober 1847 die der Nähe von Hannover geborene Serienfertigung eines kleinen, etwa zehn Pionier eine Zigarrenkiste, Weissblech, Kilogramm schweren Geräts. Die Rede einige Eisenstückchen und etwas iso- ist vom Zeigertelegrafen, dem Vorläufer lierten Kupferdraht. Mit Johann Georg des Fernschreibers und Telefaxgeräts. Halske, einem Präzisionsmechaniker mit Obschon die ursprüngliche Idee vom ausgeprägtem Ehrgeiz für technische britischen Physiker Charles Wheatstone Entwicklungen, lernte Werner Siemens stammte, war es Werner Siemens, am Silvesterabend 1846 den idealen der mit seiner Weiterentwicklung Mitte Geschäftspartner kennen. Die zunächst der 1840er-Jahre eine neue Ära der noch informelle Zusammenarbeit führte elektrischen Telegrafie einläutete. am 1. Oktober 1847 zur offiziellen «Spanisch-Brötli-Bahn» Krieg und Frieden Ab die Post Die erste ganz auf Schweizer Boden befind Der Sonderbundskrieg dauerte vom 3. bis Noch mit Fussboten und Postkutschen liche Bahnstrecke nahm am 7. August 1847 29. November 1847 und war der letzte unterwegs und zuständig für den Transport ihren Betrieb auf: Die Schweizer Nordbahn bewaffnete Konflikt auf Schweizer Staats von Briefen, Paketen, Personen sowie (SNB), im Volksmund als «Spanisch-Brötli- gebiet. Anschliessend war der Weg frei Geldsendungen, wurde am 1. Januar 1849 die Bahn» bezeichnet, verband die Städte Zürich für den geeinten Bundesstaat. Rund ein schweizerische Post als Bundespost gegründet. und Baden auf der 25 km langen Strecke. Jahr später, am 12. September 1848, trat die Bundesverfassung in Kraft. 4
«London Calling» Gründung der «Telegraphen-Bauanstalt Ganz nach dem Motto «Erfindungen von Siemens & Halske». Das nötige Start- machen an Landesgrenzen nicht kapital von 6842 Talern für die rund halt» dachte Siemens schon vor der 150 Quadratmeter grosse Produktions eigentlichen Unternehmensgründung stätte in Berlin mitsamt Werkzeug über den Tellerrand hinaus. William stammte von Werners Cousin, dem Siemens, dem jüngeren Bruder Justizrat Johann Georg Siemens. Zehn Werners, gelang die Patentierung der Mitarbeitende fertigten fortan die galvanischen Versilberungs- und ersten Zeigertelegrafen. 1848 erhielt die Vergoldungstechnik, die er 1843 für noch junge Firma den Auftrag, die erste 1600 Pfund an eine englische Firma Ferntelegrafenverbindung Europas zu verkaufte. Vorerst noch zeitweise bauen. Die rund 670 Kilometer lange, liess sich William ab 1844 dauerhaft weitgehend unterirdisch verlaufende in London nieder und eröffnete am Linie zwischen Berlin und Frankfurt am 16. März 1850 die Auslandsvertretung Main ging im Februar 1849 in Betrieb. von Siemens & Halske – die erste aus- Die Nachricht über die Wahl des preus- ländische Niederlassung überhaupt. sischen Königs Friedrich Wilhelm IV Rund ein Jahr später wurde mit der zum deutschen Kaiser erreichte Berlin «Great Exhibition» im Londoner am 28. März 1849 in nur wenigen Mi- Hyde Park die erste Weltausstellung nuten. Friedrich Wilhelm lehnte die abgehalten. Das Wahrzeichen bildete Wahl zwar ab, aber Siemens & Halske das Ausstellungsgebäude selbst, waren auf einen Schlag weit über die der sogenannte «Crystal Palace». Grenzen hinaus bekannt. Der aus Eisen und Glas während 17 Wochen Bauzeit angefertigte Palast umfasste auf 70 000 m2 mehr als 17 000 Aussteller – mitunter auch Siemens & Halske mit einem repräsen- tativen Querschnitt ihrer Produkte. In den hohen und lichtdurchfluteten Hallen des Kristallpalasts konnten selbst riesige Maschinen zur Schau gestellt und von den insgesamt rund sechs Millionen Besuchenden bestaunt werden. Nahtlose Isolierung Mit der Guttaperchapresse entwickelte Werner Siemens im Jahr 1847 ein Werkzeug zur nahtlosen Isolierung von Kupferkabeln. Neben dem Zeigertelegrafen schuf er damit die zweite wichtige Voraussetzung für die Entstehung des modernen Nachrichten- verkehrs. Beliebtes Geldstück Handelsplatz Genf Volksstatistik «Fünfliber» zirkulierten in der Schweiz schon Unter dem Namen «Société des agents de Unter der Leitung des Tessiner Bundesrats vor dem 1850 eingeführten Schweizer change réunis» beheimatete Genf ab 1850 Stefano Franscini erfolgte im März 1850 die Franken, und zwar in Form der ab 1795 die erste Schweizer Börse. Die Westschweizer erste eidgenössische Volkszählung. Neben der geprägten französischen 5-Franc-Stücke. Stadt repräsentierte damals den wichtigsten Erhebung der Bevölkerungszahl wurde erst- Die Münze entsprach in bernischer Währung Bankenplatz der noch jungen Eidgenossen- mals nach Geschlecht, Alter, Zivilstand, Beruf, rund 35 Batzen oder 5 Pfund, worauf die schaft. Gewerbe und Konfession der Einwohner Bezeichnung «Fünfliber» (französisch Livre gefragt. für Pfund) zurückgeht. 5
1851–1859 Die richtige Wahl Mit 36 Jahren und für die damalige Zeit recht spät, entschei det sich Werner Siemens zur Heirat. «Am 11. Januar 1852 richtete ich die so lange verhaltene Frage an Mathilde Drumann, deren Bejahung mich dann zum glücklichen Bräutigam machte», wie er in seinen Lebenserinnerungen schreibt. Die Hochzeit mit der acht Jahre jüngeren Braut feierte Werner am 1. Oktober 1852 in Königsberg. Mathilde war die Tochter einer Cousine von Werner. Verwandt- schaftsehen waren zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches, und für Werner war sie die richtige Wahl, wie er seinem Bruder Wilhelm schreibt: «Eine besondere Schönheit ist meine Braut nicht, doch das ist eine Frage zweiten Ranges. Ich bin überzeugt, dass ich zufrieden und glücklich mit ihr leben werde, das ist genug.» Kennengelernt hatten sich die beiden bereits sieben Jahre vorher, als Mathilde während der Sommerferien einige Tage bei der Familie Siemens in Berlin verbrachte. Zu einer Liebschaft kam es damals aber nicht. Erst 1851 begann Werner an die Gründung einer eigenen Familie zu denken und suchte den Kontakt zu Mathilde. Da Werner oft unterwegs war, schmiedeten die beiden mehrfach Ferienpläne. Angeregt von einem Reisetagebuch schwärmte seine Frau von der Schweiz und schreibt am 27. Februar 1855: «Ach, was könnte ich mir Schöneres denken, als an Deiner Seite einmal jener wundervollen Natur einen kurzen glücklichen Traum zu träumen. Wollen wir es einmal machen wie Wittichs, mit Sack und Pack uns aufmachen u. himmlische Ferien in Interlaken feiern, am Berner oder am Genfer See?» Leider war die körper liche Konstitution von Mathilde sehr instabil und lange Im Laufe seines Lebens ver Reisen kaum möglich. Werner dagegen weilte auf seinen fasst Werner von Siemens mehrere Tausend Briefe. vielen Geschäftsreisen ab und zu in der Schweiz. Die meisten waren geschäft Sein erster belegbarer Aufenthalt in der Schweiz war im licher Natur, aber auch September 1855, als der damals 39-jährige Firmengründer persönliche Ansichten und Gedanken brachte der während einer achttägigen Reise u. a. Genf besuchte Firmengründer handschrift und seiner Frau schrieb: «Ich selbst bin körperlich und lich zu Papier. Viele Briefe geistig ganz frisch und gesund, (…) doch fange ich schon gingen an seine Familie und an, mich aus dem Getümmel weg zu sehnen und in der an seine erste Frau Mathilde, die er 1852 heiratete. schönen Schweizer Natur wieder zur Ruhe zu kommen (…). Bildung als Basis Bedeutender Zeitgenosse In Lausanne besuchen 1853 die ersten Mit Jeremias Gotthelf stirbt am Studenten die École spéciale. 22. Oktober 1854 einer der einfluss- Die Privatschule ist die Vorläuferin der reichsten Schweizer Schriftsteller. späteren École polytechnique fédérale Er war ein stetiger Mahner vor Fehl de Lausanne (EPFL). Zwei Jahre spä- entwicklungen auf dem Weg zum ter zieht auch Zürich nach, wo 1855 Bundesstaat. Seine Werke blieben bis das Polytechnikum gegründet wird. ins 20. Jahrhundert populär – vor Dieses entwickelt sich im Lauf der allem wegen der Verfilmung einiger Jahre zur Eidgenössischen Technischen seiner Bücher wie «Ueli der Knecht» Hochschule (ETH). oder «Anne Bäbi Jowäger». 6
Schweizweites Kommunikationsnetz Die erste Telegraphenlinie in der Schweiz nahm am Siemens kam bei diesen Schweizer Projekten nicht zum Zug, 15. Juli 1852 zwischen St. Gallen und Zürich den Betrieb obwohl man sich in der Familie über die Geschäftsmög- auf. Fünf Monate später, bei der offiziellen Eröffnung lichkeiten durchaus bewusst war. So schrieb Werner am des schweizweiten Liniennetzes, war dieses schon fast 26. Dezember 1851 in einem Brief an seinen Bruder Carl in 2000 km lang und umfasste 27 Telegraphenbüros in Paris: «Wenn Du dort nichts zu thun hast und hier herkom- allen grösseren Städten. men willst, so mache den Umweg über die Schweiz (Bern). Die Leute wollen da grosse Tel. Anlagen machen und Du Anfänglich schien die Schweiz beim Aufbau des Telegra- müsstest Dich mit den Leitern in persönliche Verbindung phennetzes keine grossen Ambitionen zu hegen. Die neue setzen.» Wie sich diese ersten Kontaktversuche mit Technik war zwar bekannt, ihr wurde aber – anders als Schweizer Kunden entwickelten, ist leider nicht überliefert. in vielen europäischen Ländern – keine grosse Beachtung Dass Siemens nicht zu nennenswerten Aufträgen kam, geschenkt. Dies änderte sich schlagartig, als Siemens in hatte wohl auch damit zu tun, dass Carl zu dieser Zeit Rekordzeit die erste Telegrafenlinie zwischen Berlin und mit dem harzig laufenden Geschäftsaufbau in Frankreich Frankfurt fertiggestellt hatte und diese am 31. August 1849 beschäftigt war. Und Firmengründer Werner steckte zu sogar für den Privatverkehr freigegeben wurde. Der in dieser Zeit seine ganze Kraft in den Aufbau des Russland- Deutschland lebende Bieler Ernst Schüler wies die Berner geschäfts. Zudem verfügte das Unternehmen auch nicht Regierung in einem Brief auf das Projekt hin, worauf sich über allzu viele Ressourcen: Siemens & Halske beschäftigte diese an den Bundesrat wandte. Gleichzeitig drängten vier Jahre nach der Gründung erst 50 Mitarbeitende. viele Schweizer Firmen auf eine rasche Einführung von Telegraphenlinien zwischen den grössten Städten. Die Telegraphie erobert die Schweiz. Erfolg im Osten Ende 1852 umfasste das Liniennetz Der russische Staat beauftragt 1853 bereits 2000 Kilometer. Um die Verbin Siemens & Halske, eine Telegrafenlinie dung ins Tessin sicherzustellen, von Warschau bis an die preussisch- wurde auch eine Telegraphenleitung über den Gotthardpass gebaut. russische Grenze zu verlegen. Es folgen weitere Projekte, und zwei Jahre später erhält Siemens & Halske auch den Auftrag, das 9000 Kilometer lange Staatstelegraphennetz zu warten. Dank eines speziellen Überwachungs systems in Form eines empfindlichen Strommessgeräts, das an die Leitung geschaltet wird, können Ausfälle schnell lokalisiert und behoben werden – eine frühe Form der Fernwartung. Das Unternehmen wächst: 1856 sind zwei Drittel der damals 330 Mitarbei- tenden in Russland tätig. Machtzentrum in der Hauptstadt Haarige Touristenattraktion Das Bundeshaus in Bern ist nicht nur Der Bärengraben in Bern wird 1857 an das bekannteste Wahrzeichen der den heutigen Standort bei der Nydegg- Schweizer Hauptstadt, sondern auch brücke verlegt. Der Publikumsmagnet Sinnbild für die Schweizer Demo musste in den vorangehenden Jahr- kratie. 1857 wurde der Westflügel hunderten mehrfach umziehen. Der eröffnet, der erste Teil des heutigen allererste Bär lebte in einem Häuschen 300 Meter langen Gebäudekomple- im Stadtgraben vor dem mittleren Tor, xes. Bald schon zu klein geworden, dem heutigen Bärenplatz. Das Tier wurde 1892 das Bundeshaus Ost wurde 1513 von Soldaten, die nach der fertiggestellt, und von 1894 bis 1902 siegreichen Schlacht von Novara entstand in der Mitte dieser beiden zurückgekehrt waren, als Kriegsbeute Bauten das neue Parlamentsgebäude. nach Bern mitgebracht. 7
1860–1865 Neue Technik fürs Schweizer Militär Obwohl Zeigertelegraphensysteme schon vor 1840 bekannt waren, wurden diese in der Schweiz erst viel später und nur für einzelne private und mili- tärische Anschlüsse verwendet. Die erste Schweizer Bewilligung für den Betrieb eines Zeigertelegraphen bekam die Firma J.J. Rieter in Töss am 21. Dezember 1863, zwei Jahre später beschaffte die Stadtpolizei Zürich einige Geräte. Welcher Hersteller zum Zug kam, lässt sich «anhand der vor- handenen Akten nicht feststellen», wie es in der 1952 erschienen Jubiläums- schrift «Hundert Jahre elektrisches Nachrichtenwesen» heisst. In derselben Publikation ist festgehalten, dass sich im Verkehrshaus, welches damals noch in Zürich angesiedelt war, drei Zeiger apparate System Siemens & Halske befinden, «die mit ziemlicher Sicher- heit bei der Militärverwaltung in Thun in Betrieb standen.» Auf der Thuner Allmend bezieht die Die Zeigertelegraphen wurden vor über Schweizer Armee 1864 ihre neue 150 Jahren u. a. bei Artillerieschiess Mannschaftskaserne. Der Bau war übungen auf dem Thuner Waffenplatz dringend nötig, waren doch die eingesetzt, wie eine alte Handskizze Soldaten der 1818 gegründeten Eidge- in der Ausstellung zeigt. Den Kanonie- nössischen Zentral-Militärschule an ren wurde von den im Zielgebiet mehreren Standorten in Thun verteilt. stationierten Soldaten mittels Zeiger- Mit dem Neubau investierte die Armee telegraph mitgeteilt, ob ihr Geschoss auch in neue Kommunikationsmittel. am richtigen Ort eingeschlagen hatte So wurden einige Zeigertelegraphen oder ob die Ausrichtung der Kanone von Siemens & Halske angeschafft. geändert werden musste. 1865 stattete Zwei dieser Geräte stehen heute, übrigens Napoleon III dem Städtchen zwischen wertvollen alten Gewehren Thun einen Besuch ab und besichtigte und Munition aus dem 18. und 19. Jahr- u. a. auch die neue Kaserne. Es ist hundert, in der historischen Aus anzunehmen, dass ihm die neu ange- stellung der Ruag Ammotec in Thun. schafften Kommunikationsmittel Die Zeigertelegraphen kamen um ebenfalls vorgeführt wurden. 1865 zum Einsatz und sind vermut- lich die allerersten Produkte, die Siemens & Halske in die Schweiz gelie- fert hat. «Das eine Gerät ist in tadel- losem Zustand», meint der Ausstel- lungsverantwortliche Fritz Egger. Der andere «Buchstabentelegraph», wie Egger das Gerät nennt, sieht ziemlich mitgenommen aus und steht in den Archivräumen. «Auch diese sind gut geschützt: Wir haben für das ganze Gebäude vor rund zehn Jahren eine Siemens-Alarmanlage installiert.» 8
Siemens und die Physik In der damals führenden Fachpublikation «Poggendorffs Annalen der Physik und Chemie» veröffentlichte Werner Siemens 1860 den Aufsatz «Vorschlag eines reproducirbaren Widerstandsmaaßes». Basierend auf dieser theoretischen Abhandlung entstand die Bezeichnung «Siemens» (S), die im interna- tionalen Einheitensystem (SI) die Massein- heit des elektrischen Leitwertes darstellt. «Siemens» ist der Kehrwert des elektrischen Widerstandes Ohm. Touristen im Fokus Auf der Luzerner Kapellbrücke wird 1863 ein Souvenirladen eröffnet. Das kleine Verkaufslokal steht heute noch am selben Ort und ist der wohl älteste Souvenir-Shop der Schweiz. Papier aus Perlen Fussball-Pioniere Neues Badegefühl Die Industriellenfamilie Bell initiiert 1862 im Die Schweiz war das erste Land nach Gross- Mit der «Bad- und Waschanstalt» in Winterthur luzernischen Perlen den Bau eines künstlichen britannien, in dem Fussball gespielt wurde. wird 1864 das erste Hallenbad der Schweiz Reusskanals zur Wasserkraftnutzung. Zehn 1860 gründeten englische Studenten den eröffnet. Das Schwimmbecken war 8 x 12 Meter Jahre später wird dort eine Holzstofffabrik «Lausanne Football & Cricket Club». gross und existierte bis 1915. gegründet, die laufend erweitert und zu einer international tätigen Firma ausgebaut wird. Seit 2017 ist sie die einzige verbliebene Papierfabrik in der Schweiz. Für den elektri- schen Antrieb und die Steuerung der riesigen Maschinen setzt das Unternehmen seit Jahr- zehnten zahlreiche Siemens-Produkte ein. Gefährliches Matterhorn Sieben Abenteurer aus England, Frankreich und der Schweiz, angeführt von Edward Whymper, bezwangen am 14. Juli 1865 zum ersten Mal das Matterhorn. Vier der sieben Bergsteiger verloren beim Abstieg ihr Leben. Humanitäre Hilfe Henry Dunant gründet 1863 in Genf mit vier Gesinnungsgenossen das Internationale Hilfskomitee für Verwundete, daraus wurde später das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Das IKRK ist heute die grösste humanitäre Organisation der Welt. Die letzte Ruhestätte von Henry Dunant befindet sich übrigens unweit des Siemens-Standortes Albisrieden auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld, wo seine Asche am 2. November 1910 beige- Georg Halske will nicht mehr setzt wurde. Johann Georg Halske kündigt 1863 seinen Ausstieg aus dem operativen Geschäft von S&H an. Bis zu seinem Tod 1890 bleibt er Freund und Berater der Familie Siemens. Der Name «Halske» ist bis 1966 fester Bestand- teil der Firmenbezeichnung. 9
1866–1869 «Die Effecte müssen colossal werden» Im Alter von 50 Jahren gelingt Werner Siemens seine für Von seiner Idee überzeugt, sicherte sich Werner Siemens die Elektrotechnik wohl bedeutendste Leistung. Auf Basis die nötigen Patente und hielt am 17. Januar 1867 in einem von Arbeiten Michael Faradays entdeckte er 1866 das Bericht an die Berliner Akademie der Wissenschaften fest, dynamoelektrische Prinzip, ein Meilenstein auf dem Weg dass es dank seiner Erfindung möglich sei, «elektrische zur modernen Starkstromtechnik. «Ich habe eine neue Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme Idee gehabt, die aller Wahrscheinlichkeit nach reüssieren Weise zu erzeugen». Die kleine, unscheinbare Maschine und bedeutende Resultate geben wird», liess er seinen in ist heute eines der Prunkstücke im Deutschen Museum in London stationierten Bruder Wilhelm wissen. Dank dieser München. Die Erfindung der Dynamomaschine revolutio- Idee war die Basis gelegt, um elektrische Energie in nierte die Stromerzeugung und ist einer der wichtigsten grossen Mengen wirtschaftlich zu erzeugen und zu ver- Meilensteine auf dem Weg zur elektrifizierten Gesellschaft. teilen. Im Gegensatz zu anderen, parallel an diesem Thema arbeitenden Forschern erkannte Siemens die wirt- schaftliche Bedeutung seiner Erfindung. In seinem Brief an Wilhelm hielt er fest: «Die Effecte müssen bei richtiger Construction colossal werden. Die Sache (…) kann eine neue Ära des Elektromagnetismus anbahnen». Wie Recht er hatte, zeigt sich an den Generatoren, die heute gebaut werden und millionenfach mehr leisten als die kleine Versuchsanlage von damals. Seine erste «Dynamoelektrische Maschine», wie er sie nannte, erbrachte eine Leistung von rund 25 Watt. Das Gerät baute sein damaliger Werksmeister Carl Müller. Als dieser auf Anweisung von Werner Siemens den Apparat mit der Handkurbel andrehte, war der dadurch erzeugte Strom wenig später so stark, dass das zur Messung angeschlossene Galvanometer durchbrannte. Carl Müller schrieb später: «Blitzartig fühlte jeder die Grösse des getanen Schrittes, ohne zu ahnen, zu welchen Zielen er führen wird.» 10
Boom dank Bahnhof Der Aufstieg von Zürich zum wirtschaftlichen Zentrum der Schweiz wurde mit der ersten Erweiterung des Bahnhofs beschleunigt. Der Baustart erfolgte 1867. Zwanzig Jahre nach der Eröffnung der allerersten Haltestelle war der Bahnhof zu klein geworden, um den gestiegenen Verkehrsbedürfnissen der Grossstadt gerecht zu werden. Eigentümerkultur Um qualifizierte Mitarbeiter an das Unterneh- men zu binden und einen festen Arbeiter- stamm zu bilden, führte Siemens schon früh- zeitig zahlreiche sozialpolitische Massnahmen ein. Eine der bekanntesten war 1866 die so- genannte Inventurprämie, eine Erfolgsbeteili- gung für Lohnarbeiter. Die Beteiligung der Mitarbeitenden am Unternehmenserfolg ist auch für die heutige Führung von zentraler Bedeutung. Weltweit besitzen mehr als 300 000 Mitarbeitende Siemens-Aktien. Globale Handelsroute Der Grund für die hohe Beteiligung ist das Rund zehn Jahre nach dem Baustart wird 1869 der 163 km lange Suezkanal «Siemens Profit Sharing». Dieses wurde 2015 eröffnet. Die Wasserstrasse ist nach wie vor eine der weltweit wichtigsten ins Leben gerufen, um möglichst viele Mitar- Verkehrswege. Laut Schätzungen gehen auch heute noch rund acht Prozent beitende am Unternehmenserfolg teilhaben des Welthandels durch den Kanal, der das Mittelmeer über das Rote Meer zu lassen. Das Programm ermöglicht den mit dem Indischen Ozean verbindet. Beschäftigten, nach besonders erfolgreichen Geschäftsjahren Gratisaktien zu beziehen. In der Schweiz sind heute rund 4300 Personen Viele Staumauern nicht nur Siemens-Mitarbeitende, sondern Bei Pérolles südlich von Freiburg beginnen gleichzeitig auch Siemens-Aktionäre. 1869 die Bauarbeiten für die erste betonierte Staumauer in Europa. Ganz in der Nähe bei Montsalvens wurde 50 Jahre später eine Bogenstaumauer errichtet. Auch sie war eine Europapremiere. Dieser Mauertyp kam in der Schweiz in der Folge am meisten zur Anwendung. Heute existieren hierzulande mehr als 200 solche Bauwerke. Damit hat die Schweiz weltweit die höchste Dichte an Talsperren: rund 5 pro 1000 km2. 11
Hartnäckige Schwester Vier Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau heiratet Werner am 13. Juli 1869 die 28-jährige Antonie Siemens. Dass es dazu kommt, ist auch Werners Schwester Mathilde zu verdanken, die dem Witwer mit Verkupplungs- versuchen «auf die Nerven geht», wie er seinem Bruder William schreibt: «Mich quält sie trotz meiner entschie denen Bitte, mich in Ruhe zu lassen, doch wieder lustig mit Heiratsprojekten». Die Schwester will den Bruder wieder glücklich sehen. Er will hauptsächlich seinen Kindern ein guter Vater sein und sträubt sich jahrelang gegen Heiratspläne. Doch bei Antonie ist alles anders, und der 53-jährige Werner verliebt sich Hals über Kopf in die junge Schwäbin. Im Mai 1869 schreibt er ihr u. a. folgende Zeilen: «Du (…) hast aus mir altem vertrockne- tem, von schwerer Arbeit und langjährigen Sorgen und Leiden niedergedrücktem Manne mit einem Schlage einen feurigen, jugendlich fühlenden Liebhaber gemacht. (…) und ich gestehe gern, dass ich mich der jugend lichen Gefühle beinahe schäme, derer ich mich nicht erwehren kann (…). Ein Jahr nach der Hochzeit kommt Tochter Hertha (1870–1939) zur Welt und zwei Jahre später Sohn Carl Friedrich (1872–1941). Unter dem Einfluss seiner jungen Frau blüht Werner förmlich auf, wie ein Brief beweist, den er ihr im Oktober 1870 aus Luzern schreibt. «Mein Herzensfrauchen! (…) Du mein Abendstern, der den Rest meines Lebens aus einer dunklen Öde in frisches, lebendiges Leben umgewandelt hat!» Im gleichen «Luzerner» Brief stellt er in Aussicht, die Schweiz im Sommer gemeinsam mit ihr zu besuchen, und hofft gleichzeitig auf besseres Wetter als beim aktuellen Ausflug auf die Furka. «(…) Da oben aber wars fürch terlich! Der Schnee lag so dick auf dem Wege, dass die Pferde nicht fortkommen konnten. Zu Fuss, bis über die Knie im tiefen, frischen Schnee watend, mussten wir den Berg hinanklimmen.» Auf dieser Reise durch die Werner von Siemens als rund 60-jähriger Unternehmer Schweiz waren auch der 15-jährige Wilhelm und der im Kreise seiner engsten Familie. Vorne sitzend mit 17-jährige Arnold, seine beiden Söhne aus erster Ehe, seiner zweiten Frau Antonie und ihren gemeinsamen Kindern Hertha und Carl Friedrich. Dahinter die Kinder mit von der Partie. Die Siemens-Familie musste wenige aus erster Ehe mit Mathilde. Von links nach rechts: Tage später auch auf einen geplanten Ausflug auf Arnold, Käthe, Wilhelm und Anna. die Rigi verzichten, weil der Berg schneebedeckt war. «So blieben wir bei Schwytz und machten hübsche Ascensionen in der Umgegend», wie Werner schreibt. Es ist anzunehmen, dass der technikbegeisterte Unter- nehmer bei seinem damaligen Besuch am Vierwaldstätter- see auch Kenntnis hatte vom Zahnradbahn-Projekt auf die Rigi. Die aufwändigen Bauarbeiten für die erste euro- päische Bergbahn von Vitznau über Kaltbad auf die Staffelhöhe waren seit über einem Jahr im Gang, und die erste Probefahrt mit der Rigi-Dampflok hatte auch schon stattgefunden. Eröffnet wurde das Pionierwerk ein Jahr später, am 21. Mai 1871. Ob Werner von Siemens später einmal auf der Rigi war, ist nicht überliefert. 12
Die Familie Siemens machte oft Ferien in der Schweiz. Beliebtes Reiseziel war die Zentralschweiz, wo auch Werner von Siemens mehrfach zu Besuch war. Auch seine Söhne Wilhelm und Arnold waren mehrfach in der Schweiz. Im Herbst 1875 benutzten die beiden die Sicherlich nutzten seine Söhne Arnold und Wilhelm Rigi-Dampfbahn, die vier Jahre vorher als erste Zahnrad- die Rigi-Dampfbahn im September 1875 während einer Bergbahn Europas eröffnet worden war. mehrtägigen Schweizer Reise, während der sie u. a. auch die brandneue Uetlibergbahn benutzten sowie den Pilatus bestiegen. Arnold schrieb seinem Vater, der ihnen dieses Erlebnis ermöglicht hatte: «Gleichzeitig auch unsern besten Dank für den Reisezuschuss, ohne den es wohl in der über alle Beschreibung unverschämt teuren Schweiz nicht gut möglich gewesen wäre, sehr weit zu kommen.» 13
1870–1878 Bedeutende Weichenstellung in Bern Nach nur zwei Jahren Bauzeit konnte am 12. April 1870 auf der Indo- «Das Schicksal der Ind. Linie wird unweigerlich in Bern entschieden.» Europäischen Telegraphenlinie die erste Depesche verschickt werden. Siemens logierte mehrere Tage im Bernerhof, einem feudalen Grand Sie brauchte gerade einmal 1 Minute von London bis Teheran und Hotel direkt neben dem Bundeshaus. In einem Brief an seine Frau 28 Minuten bis Kalkutta – eine Sensation, denn vorher benötigte eine Antonie berichtet er über die schwierigen Verhandlungen. «Leider ist Nachricht von London nach Kalkutta ganze sechs Tage! Die Realisierung Französisch die Konferenzsprache, und damit steht es schlecht mit der Telegraphenlinie war eine wahre Mammutaufgabe: In teils unweg uns allen! Ein Königreich für eine französische Zunge (…). Ich hätte samen Gelände wurden etwa 70 000 Masten aufgestellt und tonnen damit hier zehnfachen Wert und wäre ziemlich siegesgewiss». schweres Baumaterial an seinen jeweiligen Bestimmungsort trans Allen Sprachhürden zum Trotz hatte Siemens in Bern Erfolg, und die portiert. Das Grossprojekt erweist sich als regelrechtes Abenteuer: Indo-Europäische Linie blieb bis 1931 in Betrieb. Nicht technische Auseinandersetzungen, Materialdiebstähle oder bewaffnete Raubüber- Mängel bringen letztendlich das Aus, sondern der Aufschwung der draht- fälle gehören dazu. losen Funkverbindungen nach dem Ersten Weltkrieg. Dennoch ist Am 25. September 1871 reiste Werner Siemens an die Internationale die Indolinie ein grosser Schritt hin zur Verkabelung der Welt und ein Telegraphische Konferenz in Bern, um unvorteilhafte Tarifanpassungen bedeutender Meilenstein für Siemens bei seinem Aufstieg zum global zu verhindern. Kurz davor schrieb er im Brief an seinen Bruder Carl: agierenden Unternehmen. Volles Risiko Mit der Verlegung des transatlantischen Seekabels nahmen die Siemens- Brüder 1874 ein waghalsiges Projekt in Angriff. Der Markt war hart umkämpft, und die Konkurrenz setzte alles daran, das Monopol zu halten. Immer wieder versuchte sie, das Projekt mit Falschmeldungen und später den Betrieb mit Attacken zu verhindern. Die Siemens-Brüder waren fassungslos. Werner Siemens griff zu anderen Mitteln und beauftragte unabhängige Spezialisten: Das Gutachten diskreditierte die Konkurrenz, und die Angriffe endeten schlagartig. Bier vom Schloss Theophil Roniger und Mathias Wüthrich kauften 1876 beim neuen Bahnhof Rheinfelden die alte Fabrikliegenschaft Gifthüttli und inves- tierten 365 000 Franken in den Umbau, Brauereieinrichtungen und Rohmaterial – damals eine ungeheure Summe. Das bekannte Schloss wurde 1882 gebaut. Über 100 Jahre später sorgt Siemens-Technik für zuverlässigen Brandschutz und einen automatisierten Brauprozess. 14
Rösslitram Tourismusboom Der öffentliche Verkehr in Bern Fast zeitgleich werden 1873 das Grand Hotel ist fast 150 Jahre alt: 1871 legten auf dem Bürgenstock und der Gletschergarten die Einwohner von Bern die Strecke in Luzern eröffnet. Um mehr Eintritte im zwischen Bärengraben und Linde Naturpark und Museum zu generieren, kauften erstmals mit Pferde-Omnibussen die Luzerner 1896 an der Landesausstellung zurück. in Genf die dortige Attraktion, das Spiegel labyrinth «Alhambra». Internationale Ausstrahlung 1872 wurde in Genf mit dem Alabama-Schiedsgericht weltweit erstmals ein Konflikt zwischen zwei Nationen (USA und Grossbritannien) durch internationale Mediation beigelegt. Seitdem hat sich Genf zum Zentrum für internationale Mediation und Verhandlungen ent- wickelt. Das Telefon kommt in die Schweiz Mitte November 1877 erreichte eine Aufsehen erregende Nachricht die Kurz darauf bestellte die Schweizer Behörde einen Sender und Geber Schweiz: Deutschland hat die erste telefonische Einrichtung erfolg- für 10,25 Reichsmark bei Siemens & Halske in Berlin. Schon am reich in Betrieb gesetzt. Schlagartig war das Interesse der Öffentlichkeit 13. Dezember 1877 wurden auf einer Telegraphenleitung zwischen Bern geweckt. Sofort bittet die Schweizerische Telegraphendirektion beim und Thun die ersten Telefongespräche ausprobiert. Die Resultate Deutsche General-Telegraphen-Amt um detaillierte Informationen. waren so erfolgsversprechend, dass am 17. Dezember mit Thun und Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Der Bundesrat erhielt mit Interlaken weitere Versuche folgten. Das Interesse war derart gross, einem vom 21. November 1877 datierten Schreiben von Dr. Arnold Roth, dass die Telegraphendirektion vorsorgliche Massnahmen veranlasste, dem bevollmächtigten Minister beim Deutschen Reich und dem um die Telefoneinrichtungen unter das Monopol der Eidgenossenschaft Königsreich Bayern, einen genauen Bericht über die unglaublichen zu stellen. Versuche mit der neuen Erfindung «Telefon». 15
1879–1885 «Hopp-Sanggale, vüre mitem Balle!» Bahnhofstrasse 48, Zürich Am 19. April 1879 wurde im St. Galler Tagblatt ein Aufruf zur Gründung eines Fussball- Die Jahre um 1880 waren vereins publiziert. Die Gründungsmitglieder hatten den Sport von ihren englischen grossartige Jahre für Kinder. Mitspielern kennengelernt. Heute ist der FC St. Gallen nicht nur der älteste existierende Johanna Spyri veröffentlichte Fussballverein der Schweiz, sondern auch auf dem europäischen Festland. die beiden «Heidi»-Bücher. Zur selben Zeit entstand auch Einflussreiche Persönlichkeit in Zürich eine bei Kindern Am 6. Dezember 1882 starb Alfred Escher in Zürich. Durch seine zahlreichen Ämter sehr beliebte Institution. sowie Gründungs- und Führungstätigkeiten bei der Schweizerischen Nordostbahn, An der Bahnhofstrasse 48 – dem Eidgenössischen Polytechnikum, der Schweizerischen Kreditanstalt, der genau hier wohnte übrigens Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt sowie der Gotthardbahn- Johanna Spyri ab 1885 für Gesellschaft verfügte er über eine aussergewöhnliche Machtfülle. Diese Vormacht ein Jahr – gründete der Unter- stellung rief Kritiker auf den Plan, und der Politikerkreis um Alfred Escher, das «System nehmer Franz Philipp Karl Escher», wurde erklärtes Feindbild der Demokraten. Friedrich Weber ein Verkaufs- geschäft für Spielwaren. Mit Bildung zum Erfolg Das Schaukelpferd, auch heute Mit über 1,7 Millionen Besuchern stellte 1883 die erste Schweizer Landesausstellung noch Teil des Logos, war eines in Zürich alle bisherigen Veranstaltungen in den Schatten. Ein wichtiger Platz der ersten Produkte, das wurde dem Schulwesen eingeräumt, da dieses als wesentliche Voraussetzung für «Franz Carl Weber» verkaufte. die nationale Produktionsstärke erkannt wurde. 16
Meisterwerke der Ingenieurskunst Es muss ein regelrechtes Abenteuer für die Besucher der Eng verbunden mit der ersten elektrischen Eisenbahn ist Mannheimer Gewerbeausstellung gewesen sein: Auf einer auch der Gotthardtunnel. 1880 erwähnte Werner in einem offenen Plattform fuhren sie an einem Aussichtsturm in Brief an seinen Bruder William: «Aus der Schweiz haben die Höhe, ohne den hierfür notwendigen Antrieb über- wir Anfrage ob wir den electrischen Betrieb des Gotthard haupt sehen zu können. Erstmals bewegte ein elektrischer Tunnels einrichten wollten.» Das Vorhaben wurde zwar Motor einen derartigen «Lift». Entwickelt wurde dieser nicht verwirklicht, doch im Briefwechsel zwischen der erste elektrische Aufzug der Welt von Werner Siemens. Bahngesellschaft und Siemens & Halske beeindruckt das Nach der Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips galt von technischen und wirtschaftlichen Überlegungen seine ganze Aufmerksamkeit der Identifikation praktischer geprägte Vorgehen des damaligen Oberingenieurs Gustave Anwendungsmöglichkeiten für die neue Technik. Bridel von der Gotthardbahn. Eine seiner berühmtesten Konstruktionen war die erste elektrische Eisenbahn, die 1879 anlässlich einer Berliner Der Gotthardtunnel wurde 1882 in Industrieausstellung ihre Runden drehte. Weniger Betrieb genommen, aber erst vier bekannt ist, dass als Nebenprodukt dieser Konstruktion Jahrzehnte später mit elektrischen die Idee für den elektrischen Lift entstand. Das Publikums- Lokomotiven befahren. Ein von interesse am Aufzug war gewaltig, von September bis Siemens & Halske entwickeltes Mitte November 1880 konnten über 8000 Menschen das Glockentelegraf-System für die Über- neue Transportmittel ausprobieren. Ein weiteres Kapitel mittlung von Anfahrts- und anderen der Verkehrsgeschichte begann im Mai 1881, als die erste Meldungen, das sich bereits bei der Strassenbahn im Berliner Vorort Gross-Lichterfelde Deutschen Reichsbahn bewährt ihre Weltpremiere feierte. Werner Siemens konnte damit hatte, beeindruckte jedoch offen- beweisen, dass elektrische Schienenfahrzeuge im Stadt- sichtlich auch die Direktion der verkehr technisch und wirtschaftlich einzusetzbar sind. Gotthardbahn. Bis Ende 1883 wurden Im ersten Jahr fuhr nur ein Triebwagen. Er war gut vier auf der 156 Kilometer langen Strecke Meter lang und fasste maximal 26 Passagiere. Eine zwei- insgesamt 150 Glockenanlagen in polige Oberleitung für Schienenbahnen stellte Werner stalliert. Das Spezielle an der Anlage Siemens im August 1881 an der internationalen Elektrizi- war, dass von jedem Punkt aus Signale tätsausstellung in Paris vor. gegeben und sofort auf der ganzen betroffenen Strecke empfangen Auch auf der Strasse war er ein Elektropionier. werden konnten. Dieses Glocken- Am 29. April 1882 präsentierte er auf einer 540 Meter signal war eines der ersten Bahn- langen Versuchsstrecke in Berlin die «Elektromote», den sicherungssysteme in der Schweiz. weltweit ersten elektrisch betriebenen Oberleitungsbus und damit eines der ersten Elektromobile der Welt. Das von Siemens & Halske entwickelte «Universalläutewerk» sicherte den Bahnverkehr auf der 1882 eröffneten Gotthardstrecke. Zentrale Steuerung Archaeopteryx Siemensii Eine «bemerkenswerte Neuerung» sei im Mai 1880 im Bahnhof Bern In Bayern wurde ein 150 Millionen Jahre die zentrale Weichenstellung gewesen, wie die Zürcher Post schrieb. alter Urvogel gefunden. Das Exemplar Der Redaktor führte aus, dass erstmals in der Schweiz alle gilt als das vollständigste Stück. Nach- Einrichtungen «von einem Punkte aus und von einem einzigen dem es aufwändig präpariert wurde, Angestellten bedient würden». Siemens & Halske lieferte die Signal- war der Kaufpreis so hoch, dass ihn und Kontrollapparate für diese Schweizer Premiere. weder die Bayerische Staatssammlung noch die Yale-Universität aufbringen Der Zeit weit voraus konnten. 1879 erwarb Werner Siemens 1884 liess Werner Siemens seine Idee von einem induktionsfreien das Exemplar für 20 000 Mark und Kabel durch ein Patent schützen. Werner Siemens war mit dieser übergab es der Humboldt-Universität Erfindung seiner Zeit weit voraus. Erst 40 Jahre später kamen die in Berlin. Da es sich um eine neue Art sogenannten Koax- oder Koaxial-Kabel in der Fernsprechtechnik des Urvogels handelte, wurde er zu zum Einsatz. Ehren seines Mäzens «Archaeopteryx siemensii» genannt. 17
1886–1892 Elektrisches Wasser-Taxi Auf der Spree in Berlin hat Siemens im Jahr 1886 sein erstes Elektroboot erprobt, das quasi als Wasser-Taxi das Nahverkehrsproblem der Metro- pole lösen sollte. Die «Elektra» konnte 25 Passa- giere aufnehmen und fuhr 14 km/h schnell. Adelung wider Willen Aus der Zeitung erfuhr Werner von Siemens im Mai 1888 von seiner Erhebung in den erblichen Adelsstand. Begeistert war er davon nicht, stand er dem Adel doch reserviert gegenüber. Nur seine Brüder konnten ihn davon abhalten, den Titel abzulehnen. Eine «Flucht» nach England hatte die Ernennung trotzdem zur Folge. «Die Geschichte hat viel Staub aufgewirbelt», schreibt er in einem Brief an seinen Bruder Carl. «Und es ist mir recht, dass ich auf ein paar Wochen verschwinde.» Mit der Nobilitierungsurkunde vom 5. Mai 1888 wird Werner Siemens von Kaiser Friedrich III. in den erb lichen Adelsstand erhoben. Werner, seine Familie und seine Nachkommen dürfen sich seit der Nobilitierung «von Siemens» nennen. 350 Teile für ein Geschenk Steiler geht’s kaum mehr Die Freiheitsstatue war ein Geschenk des französischen Der Ingenieur Eduard Locher hatte im 19. Jahr- Volkes an die Vereinigten Staaten und wurde 1886 vom hundert die Idee, eine Bahn auf den Pilatus damaligen US-Präsident Grover Cleveland eingeweiht. zu bauen. Viele hielten ihn für verrückt. 1878 präsentierte man den Kopf noch auf der Weltaus- Doch 1889 wurde die 4618 Meter lange Bahn- stellung in Paris. Danach wurde die Statue in 350 Teile strecke von Alpnachstad nach Pilatus Kulm zerlegt und trotz stürmischem Wetter über den Atlantik eröffnet. Sie ist mit 48 % Steigung die steilste transportiert. Innerhalb von vier Monaten wurde sie Zahnradbahn der Welt. Daran hat sich seit der in New York wieder zusammengebaut. Eröffnung bis heute nichts geändert. 18
Die Konkurrenz schläft nicht Ende des 19. Jahrhunderts boomte der Elektromarkt, und Siemens beschäftigte 1891 bereits rund 6000 Mitarbeitende. Da die Nach- frage nach Elektrizität und elek trotechnischen Geräten laufend zunahm, entstanden in dieser Zeit weitere bedeutende Firmen. 1891 wurde in der Schweiz Brown, Boveri & Cie gegründet, ein Jahr später in den USA die General Electric Company. Beide Unternehmen konkurren zieren Siemens auch heute noch in vielen Geschäftsfeldern. Auch Siemens wagte 1892 erste Gehversuche in den USA. Die Gesellschaft kämpfte aber von Anfang an mit finanziellen Schwierigkeiten. «Die ameri kanische Tragödie», wie Carl von Siemens das US-Engagement von Siemens & Halske kurz nach dem Brand der Chicagoer Fabrik- anlagen bezeichnet hatte, fand 1904 mit Liquidation der S&H Ein Tram unter Strom America ihren Abschluss. Das dichtbesiedelte Gebiet am oberen Genfersee zwischen Vevey und Villeneuve mit den Der Erfolg stellte sich später unzähligen Hotels und schönen Quais hatte alles, nur noch keine Strassenbahn. Doch das sollte ein: Heute beschäftigt Siemens sich bald ändern. Bereits acht Jahre vor der Eröffnung gab es erste Pläne zur Erschliessung dieser in den USA fast 60 000 Mitar Strecke. Schliesslich entschied man sich für eine Strassenbahn mit Elektromotoren. Die Fahrleitung beitende. war zweipolig und bestand aus einem aufgehängten, unten geschlitzten Kupferrohr, in dem ein Kontaktschlitten über eine Leine mit Stromkabel vom Tramwagen mitgezogen wurde. Die ersten Motorwagen hatten sogar ein begehbares Dach mit Bänken. Die Fahrleitung stammte von Siemens aus Berlin, wobei das gesamte Projekt ein Gemeinschaftswerk von SIG Neuhausen, Miauton Vevey und Siemens war. Das erste Teilstück der Tramlinie Vevey–Montreux–Chillon (VMC) wurde am 1. Mai 1888 eröffnet. Es war 8951 Meter lang und führte von Vevey-Plan über La Tour-de-Peilz, Clarens und Montreux bis zum Bahnübergang in Territet. Der reguläre Betrieb wurde am 4. Juni aufgenommen. Das VMC-Tram war somit die allererste elektrische Bahn der Schweiz. Fahrende Gummizellen Ein Stück Schweiz Der 1890 eröffnete Streckenabschnitt der City Der schweizerisch-französische and South London Railway ist die älteste U-Bahn Ingenieur Maurice Koechlin war der Welt und die erste, die elektrisch betrieben massgeblich am Bau des Eiffelturms wurde. Der geringe Durchmesser der beiden ein- beteiligt: Dessen Konstruktionsidee spurigen Tunnel schränkte die Wagengrösse ein. und statischen Berechnungen Diese wurden wegen des Fehlens von Fenstern stammten nämlich von ihm. als «Gummizellen» bezeichnet. Nach einer zweijährigen Bauzeit wurde der Eiffelturm am 31. März 1889 eröffnet. Geburtstagsfest für alle Das Bauwerk wurde für die Der Bundesfeiertag wurde Weltausstellung und zur erstmals am 1. August 1891 Erinnerung an den gefeiert und wird seit 1899 100. Jahrestag der Fran- jährlich in der gesamten zösischen Revolution Schweiz zelebriert. errichtet und sollte nur 20 Jahre stehen bleiben. 19
Werner von Siemens Erst im Alter von 74 Jahren schied Werner von Siemens als Gesellschafter aus seiner Firma aus. In den letzten drei Lebensjahren war er mit seiner Frau Antonie, seinem Sohn Carl Friedrich und der jüngsten Tochter Hertha oft unterwegs. In dieser Zeit beschäftigte sich Werner von Siemens intensiv mit dem Verfassen seiner Erinnerungen. In seiner Autobiografie stellte er seine Prinzipien und Bot- schaften zwischen farbigen Schilde- rungen von Kabelexpeditionen und Kaukasusreisen dar. Seine Ausfüh- rungen enden mit der Feststellung: «Denn mein Leben war schön, weil es wesentlich erfolgreiche Mühe und nütz- liche Arbeit war, und wenn ich schliess- lich der Trauer darüber Ausdruck gebe, dass es seinem Ende entgegengeht, so bewegt mich dazu der Schmerz, dass ich von meinen Lieben scheiden muss und dass es mir nicht vergönnt ist, an der vollen Entwicklung des naturwissenschaft- lichen Zeitalters erfolgreich weiter zu arbeiten.» Eine lange Krankheit blieb Werner von Siemens erspart. Nachdem die ersten Exemplare seines Werks am 29. November 1892 ausgeliefert wurden, liessen seine Kräfte schnell nach. Er erkrankte, eine Lungen- entzündung kam hinzu. Am 6. Dezember 1892, wenige Tage vor seinem 76. Geburtstag, starb Werner von Siemens friedlich in seinem Haus in Charlottenburg im Kreis der Familie. 20
Johann Georg Halske Die letzten Lebensjahre von Johann Georg Halske verliefen ruhig; nach und nach zog er sich von seinen ehren- amtlichen Aktivitäten zurück oder reduzierte diese auf ein Mindestmass. Sein angeschlagener Gesundheits zustand schränkte seine Bewegungs- freiheit stark ein, zudem hatten ihm mehrere Schlaganfälle schwer zuge- setzt. Johann Georg Halske starb am 18. März 1890 im Alter von 76 Jahren. Am 22. März 1890 fand in seinem Pri- vathaus in der Königgrätzer Strasse eine Trauerfeier statt, in deren An- schluss ein langer Zug von Trauernden dem Verstorbenen das letzte Geleit gab. Zusätzlich zu Freunden und Weg- gefährten folgten zahlreiche Vertreter der Firma Siemens & Halske samt deren Kollegen aus den englischen und russischen Niederlassungen. Auch der gesamte Vorstand der Physika- lischen Gesellschaft sowie zahlreiche Berliner Behördenmitglieder erwiesen Halske die letzte Ehre. Der Lokal- Anzeiger berichtete ausführlich über das bewegende Ereignis, wie der exzellente Mechanikus und engagierte Bürger der Stadt Berlin zu Grabe ge- tragen wurde. 21
1893–1896 Es werde Licht! Am 23. Januar 1896 kurz nach 18 Uhr brannte in Langenthal erstmals elektrisches Licht. Wie es dazu kam, ist eine lange Geschichte und zugleich der Anfang von Siemens in der Schweiz. Die ursprüngliche Idee für den Bau eines Elektrizitätswerks hatte der Lotzwiler Kaufmann Robert Müller-Landsmann. 1891 kaufte er bei Wynau an der Aare ein Stück Land und reichte beim Regierungsstatthalter ein Baugesuch für ein Kraftwerk ein. Die Planung und Finanzierung überstiegen jedoch seine Möglichkeiten. So kam das Engagement der Firma Siemens & Halske aus Berlin zustande. Für 300 000 Franken kaufte sie von Müller-Landsmann das Projekt und erhielt vom Kanton Bern die Konzession für den Betrieb des Kraftwerks. Schon früh setzte die Schweiz in vielen Bereichen auf elektrische Energie und auch auf Systeme von Siemens: ob zur Energieerzeugung, zur Verteilung und Über tragung oder für die Netzleittechnik. Die Bauarbeiten für das Kraftwerk Wynau wurden im November 1894 in Jonvalturbinen mit je 750 PS eingebaut. Diese weitsichtige Angriff genommen. Da Siemens erstmals in der Schweiz Planung lohnte sich, denn die elektrische Energie des ein Baubüro eröffnete und mit eigenen Leuten präsent war, Kraftwerks war in den umliegenden Gemeinden rasch sehr markiert das Jahr 1894 den Start von Siemens in der gefragt. Heute noch versorgt die Anlage praktisch alle Schweiz. 14 Monate später konnte das 2,1 Millionen Franken Gemeinden im Oberaargau mit Energie. Mittlerweile gehört teure Kraftwerk mit 3000 PS Leistung den ersten Strom das Kraftwerk Wynau zur onyx Energie Mittelland AG, ins Netz speisen. Obschon anfänglich nur wenige Kunden an der wiederum die BKW Energie AG seit 2006 die Mehr- vorhanden waren, wurden schon zu Beginn alle fünf heit hält. Pumpen für die Tower Bridge Die berühmteste Klappbrücke der Welt funktionierte einst dank Siemens- Technik. Das hydraulische System der 1894 in London in Betrieb genom- menen Tower-Bridge stammte vom Industriekonzern. Zwei Kolbendampf- maschinen pumpten dabei Wasser unter Druck in hydraulische Druck- speicher, mit deren Energie die Brücke schon damals innert nur einer Minute geöffnet und geschlossen werden konnte. Revolution in der Medizin Millionen von Menschen verdanken einer Technik ihr Leben, die 1895 durch Zufall vom Physiker Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt wurde. Mit der Röntgenstrahlung war es erstmals möglich, in das Innere eines Menschen zu blicken, ohne ihn aufschneiden zu müssen – eine Frierende Tramführer Sensation zur damaligen Zeit. Im Jahr 1895 lieferte Siemens & Halske sechs Motorwagen für die Siemens & Halske erhielt ein halbes elektrische Strassenbahn in Basel. Ein Wagen kostete damals stolze Jahr nach der Entdeckung der 13 900 Franken. Die Wagen verfügten auf beiden Seiten über einen Röntgenstrahlen ein erstes Patent offenen Führerstand, so dass an den Streckenenden keine Wendeschleifen auf eine für medizinische Zwecke nötig waren. Der Nachteil für den Tramführer: Er war Wind, Wetter und bestimmte Röntgenröhre mit Kälte ausgesetzt! In den folgenden Jahren wurden zahlreiche weitere regulierbarem Vakuum und begann Strassenbahnen in Basel in Betrieb genommen, deren elektrische Ausrüs- mit der Fertigung von Röntgen tung ebenfalls von Siemens stammte. Und heute müssen die Tramführer apparaten. der Combino-Trams in Basel glücklicherweise auch nicht mehr frieren. 22
Gefährlicher Unterwasser-Job Anders als beim Bau von Kanalkraftwerken, bei denen den Schlauch pumpen, damit der Taucher atmen konnte. das Wasser erst nach dem Bau zugeleitet wurde, musste Verständigen konnte man sich mit dem Taucher nur über beim Aare-Kraftwerk Wynau im und unter Wasser gear- Ziehbewegungen an einem Seil, das Taucher und Mann- beitet werden. Dazu brauchte Siemens & Halske einen schaft verband. Taucher. Da es zu jener Zeit noch keine Berufstaucher gab, schickte die Firma einen ihrer Mitarbeiten nach Hamburg Bald sprach sich herum, dass das Kraftwerk Wynau einen zur Profitaucher-Ausbildung. Die Wahl fiel auf den Italiener professionellen Taucher beschäftigte. So wurde Erminio Erminio Armando Felice De Polo – laut seinem Enkel auch an Gemeinden, Städte, Polizei und Rettungsdienste ein «schöner Mann mit eindrücklichem Schnurrbart». «verliehen», wo er Diebesgut oder Leichen aus Gewässern Der gebürtige Italiener war auf Arbeitssuche in die Schweiz fischte und bei Bauarbeiten weiterer Kraftwerke mithalf. gekommen und durchlief nun zusammen mit seinem Als eine Ironie des Schicksals ertrank Erminios Bruder und Bruder Arturo als Helfer das Unterwassertraining. Tauchhelfer Arturo 1896 beim Baden, während Erminio Tauchen war zu jener Zeit eine äusserst anstrengende sogar seinen Tauchanzug überlebte: Nach dem Ersten und gefährliche Angelegenheit. So wog die Taucheraus- Weltkrieg war der Gummi spröde geworden, der Anzug rüstung mit Gummianzug, Messinghelm und Bleischuhen technisch veraltet und nicht mehr wasserdicht. um die 70 Kilogramm. Der Taucher war über einen Das Elektrizitätswerk Wynau setzte auf Profitaucher aus langen Gummi-Luftschlauch mit der Mannschaft an Land Basel, Erminio jedoch arbeitete bis zu seiner Pensionierung verbunden. Zwei Helfer mussten konstant Luft durch im Leitungsbau des Elektrizitätswerks. News aus Zürich Zentrum des Weltsports Silber für den 1. Platz Am 2. März 1893 erscheint die erste Ausgabe 1894 wurde das Internationale Olympische 1896 fanden die ersten Olympischen Spiele der des Tages-Anzeigers. Die älteste heute noch Komitees (IOC) in Paris gegründet. Neuzeit in Athen statt. Mit seiner Silbermedaille erscheinende Tageszeitung der Schweiz ist IOC-Präsident Thomas Bach war von 2000 (damals 1. Platz) am Seitpferd wurde Louis Zutter allerdings die NZZ: Sie erschien am 12. Januar bis 2009 Mitglied des Verwaltungsrates der erste Olympiasieger der Schweiz. Je eine 1780 zum ersten Mal. von Siemens Schweiz. Der IOC-Hauptsitz ist Bronzemedaille (zweiter Platz) gewann er am seit 1915 in Lausanne angesiedelt. Barren und im Pferdsprung. 23
Sie können auch lesen