Mitteilungen DMG 4 l 2021 - DMG - Deutsche Meteorologische ...
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DMG Deutsche Meteorologische Gesellschaft Mitteilungen DMG 4 l 2021 Wüsteneis Was hier auf den flüchtigen Blick so aussieht wie Pfannkucheneis auf einer küstennahen Meeresoberfläche, sind in Wirklichkeit Salzstrukturen am Boden des Badwater Basin im Death Valley (USA), welche das Gebiet für seine Besucher in eine etwas surreale Landschaft verwandeln (Meteorologischer Kalender 2022, Monatsbild Februar, © Dennis Oswald).
Vulkan der Ringe Dieter Etling Seit der Vulkan Cumbre Vieja am 19. September 2021 auf der Insel La Palma ausgebrochen ist, finden sich in den Medien eindrucksvolle Bilder von heißen Lavaströmen und bedrohlich wirkenden Rauchwolken. Weniger spektakulär, aber dafür meteorologisch sehr interessant, ist die hier gezeigte Aufnahme von La Palma durch den NASA Satelliten Aqua vom 01. Oktober 2021. Sie zeigt die Ausbildung konzentrischer Wolkenringe oberhalb des Vulkans. Diese sind vermutlich durch Schwerewellen entstanden, welche durch das Auftreffen der Eruptionssäule, bestehend aus (ursprünglich) heißen Gasen und Asche, auf eine in etwa 5 km Höhe gelegenen Inversionsschicht mit relativ warmer Saharaluft angeregt wurden. Der Abstand der Wolkenringe beträgt etwa 3 km. Ein ähnliches Phänomen ist die Ausbildung von ringförmigen Wellen auf Wasseroberflächen durch auftreffende Regentropfen. Die Dynamik des Ereignisses erschließt sich aus einem Video, welches die Wolkenformation über dem Vulkan vom Boden aus zeigt: www.facebook.com/elcielodecanarias.es/videos/269653835163712/ Abb.: Wolkenringe in etwa 5 km Höhe über der Insel La Palma (links im Bild, in der Mitte: Gomera, rechts: Teneriffa) verursacht durch eine Eruption des Vulkans Cumbre Vieja, aufgenommen am 1. Oktober 2021 mit dem Instrument MODIS an Bord des NASA Satelliten Aqua (© NASA Earth Observatory image by Lauren Dauphin, using MODIS data from NASA EOSDIS LANCE).
Inhalt Editorial Liebe Leserinnen und Leser, focus 2 In den letzten Wochen und Monaten füllte das Klimapro- blem wieder einmal die Berichterstattung der Medien. kommunikation wetter und klima 10 Anfang August veröffentlichte das IPCC seinen sechsten Sachstandsbericht zum Klimawandel, welcher einen Um- wir 17 fang von sage und schreibe 3950 Seiten hat. Dieser diente u. a. als Grundlage für die Diskussionen auf der 26. UN- medial 38 Weltklimakonferenz (COP26) Anfang November in Glas- gow (Schottland), bei der es auch um Maßnahmen zur Be- schränkung der Emissionen von Treibhausgasen ging, um news 43 den weiteren globalen Temperaturanstieg flach zu halten. Es ist unwahrscheinlich, dass die etwa 25000 (!) Teilnehmer tagungen 46 aus 200 Ländern oder nur ein kleiner Teil davon den Bericht vollständig gelesen haben, aber zumindest die 2-Seitige Kurzzusammenfassung der Hauptaussagen durch das IPCC anerkennungsverfahren 53 werden die Teilnehmer griffbereit gehabt haben. Diese Hauptaussagen des IPCC-Berichtes haben wir auch in das korporative Mitglieder 54 aktuelle Heft der Mitteilungen unter der Rubrik „kommuni- kation“ aufgenommen. assoziierte Mitglieder 56 Zwischen beiden Großereignissen rund um die Klima- thematik gab es dann noch ein fast sensationelles (oder zumindest überraschendes) Ereignis: Der Nobelpreis für impressum 56 Physik wurde am 5. Oktober auch an zwei bekannte Klima- forscher verliehen: Syukuro Manabe (Princeton, USA) und Klaus Hasselmann (Hamburg). Durch diese Auszeichnung Rubrik Rubrik mit dem wichtigsten Wissenschaftspreis wurde die Klima- modellierung sozusagen „geadelt“, d. h. sie ist nicht mehr nur eine bloße Anwendung der klassischen Physik in Form von Thermodynamik und Strömungsmechanik, sondern leistet auch Grundlagenforschung, für welche die Vergabe des Nobelpreis hauptsächlich gedacht ist. Irgendwie kön- nen wir uns als Meteorologen, Klimatologen und Ozeano- graphen auch ein wenig im Glanz des Nobelpreises für Sy- ukuro Manabe und Klaus Hasselmann darin „sonnen“, dass unser Fachgebiet Nobelpreis-würdig ist. Die Gemeinde der Teilchenphysiker oder Festkörperphysiker tut dies ja auch, wenn Kolleginnen oder Kollegen dieser Teilgebiete den An- ruf aus Stockholm bekommen. Damit Sie als Leserin oder Leser unserer Mitgliederzeit- schrift auch ein wenig an der Nobelpreisverleihung teil- nehmen können, haben wir in der nachfolgenden Rubrik „focus“ einige Kurzbeiträge zu diesem erfreulichen Ereig- nis zusammengestellt. Aber auch die anderen Beiträge in diesem Heft kann ich Ihnen gut als Lektüre zum Jahresaus- klang empfehlen. Damit geht wieder ein Jahrgang unserer Mitgliederzeitschrift zu Ende und ich freue mich, wenn Sie auch im kommenden Jahr wieder in die Hefte hineinschau- en. Ihr Dieter Etling
PRESS RELEASE 5 Oc to b er 2021 The Nobel Prize in Physics 2021 The Royal Swedish Academy of Sciences has decided to award the Nobel Prize in Physics 2021 “for groundbreaking contributions to our understanding of complex physical systems” with one half jointly to and the other half to Syukuro Manabe Klaus Hasselmann Giorgio Parisi Princeton University, USA Max Planck Institute for Meteorology, Sapienza University of Rome, Italy Hamburg, Germany “for the physical modelling of Earth’s climate, “for the discovery of the interplay of quantifying variability and reliably predicting disorder and fluctuations in physical global warming” systems from atomic to planetary scales” Physics for climate and other complex phenomena Three Laureates share this year’s Nobel Prize in the climate. His methods have been used to prove that the Physics for their studies of chaotic and apparently increased temperature in the atmosphere is due to human random phenomena. Syukuro Manabe and Klaus emissions of carbon dioxide. Hasselmann laid the foundation of our knowledge Around 1980, Giorgio Parisi discovered hidden patterns of the Earth’s climate and how humanity influences in disordered complex materials. His discoveries are among it. Giorgio Parisi is rewarded for his revolutionary the most important contributions to the theory of complex contributions to the theory of disordered materials systems. They make it possible to understand and describe and random processes. many different and apparently entirely random materials Complex systems are characterised by randomness and and phenomena, not only in physics but also in other, very disorder and are difficult to understand. This year’s Prize different areas, such as mathematics, biology, neuroscience recognises new methods for describing them and predicting and machine learning. their long-term behaviour. “The discoveries being recognised this year demonstrate that One complex system of vital importance to humankind our knowledge about the climate rests on a solid scientific foundation, based on a rigorous analysis of observations. focus is Earth’s climate. Syukuro Manabe demonstrated how increased levels of carbon dioxide in the atmosphere lead This year’s Laureates have all contributed to us gaining to increased temperatures at the surface of the Earth. In deeper insight into the properties and evolution of complex the 1960s, he led the development of physical models of physical systems,” says Thors Hans Hansson, chair of the the Earth’s climate and was the first person to explore the Nobel Committee for Physics. Nobel Prize® is a registered trademark of the Nobel Foundation. interaction between radiation balance and the vertical transport of air masses. His work laid the foundation for Syukuro Manabe, born 1931 in Shingu, Japan. Ph.D. 1957 from University the development of current climate models. of Tokyo, Japan. Senior Meteorologist at Princeton University, USA. About ten years later, Klaus Hasselmann created a model Klaus Hasselmann, born 1931 in Hamburg, Germany. Ph.D. 1957 from that links together weather and climate, thus answering University of Göttingen, Germany. Professor, Max Planck Institute for Meteorology, Hamburg, Germany. the question of why climate models can be reliable despite weather being changeable and chaotic. He also developed Giorgio Parisi, born 1948 in Rome. Italy. Ph.D. 1970 from Sapienza methods for identifying specific signals, fingerprints, that University of Rome, Italy. Professor at Sapienza University of Rome, Italy. both natural phenomena and human activities imprint in Prize amount: 10 million Swedish kronor, with one half jointly to Syukuro Manabe and Klaus Hasselmann and the other half to Giorgio Parisi Further information: www.kva.se and www.nobelprize.org Press contact: Eva Nevelius, Press Secretary, +46 70 878 67 63, eva.nevelius@kva.se Experts: Thors Hans Hansson, +46 70 376 89 63, hansson@fysik.su.se, Anders Irbäck, +46 73 362 29 60, anders@thep.lu.se and John Wettlaufer, +46 73 244 74 59, john.wettlaufer@su.se, the Nobel Committee for Physics The Royal Swedish Academy of Sciences, founded in 1739, is an independent organisation whose overall objective is to promote the sciences and strengthen their influence in society. The Academy takes special responsibility for the natural sciences and mathematics, but endeavours to promote the exchange of ideas between various disciplines. BOX 50005, SE-104 05 STOCKHOLM, SWEDEN TEL +46 8 673 95 00, KVA@KVA.SE WWW.KVA.SE BESÖK/VISIT: LILLA FRESCATIVÄGEN 4A, SE-114 18 STOCKHOLM, SWEDEN 2 Mitteilungen DMG 4/2021
Ein Nobelpreis für die Klimaforschung Dieter Etling Anfang Oktober eines jeden Jahres blickt die Welt gespannt nach Stockholm und erwartet die Bekanntgabe der Preis- trägerinnen und Preisträger der Nobelpreise auf den Ge- bieten Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wirtschafts- wissenschaften. Die Bekanntgabe des Friedennobelpreises erfolgt vom Nobelkomitee in Oslo. Im Vorfeld finden in den einzelnen Disziplinen Diskussionen und Spekulationen darüber statt, welches Teilgebiet eines Faches und welche Personen diesmal den Nobelpreis zugesprochen bekom- men. Manchmal wird auch die breitere Öffentlichkeit über die Medien in solche Spekulationen hineingezogen. So war es dieses Jahr bezüglich des Medizin-Nobelpreises, für den die Entdeckung des mRNA-Impfstoffes gegen das Covid-19 Virus aus aktuellem Anlass hoch gehandelt wurde. Es kam Abb. 1: Prof. Klaus Hasselmann (Mitte) bei der Pressekonferenz am Max- jedoch anders. Den Nobelpreis für Medizin erhielten in die- Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg kurz nach der Bekannt- sem Jahr David Julius (USA) und Ardem Patapoutian (USA) gabe der Verleihung des Physik-Nobelpreises am 5. Oktober 2021. Neben ihm für ihre Entdeckung von Rezeptoren für Temperatur und die beiden Direktoren des Instituts, Prof. Björn Stevens (links) und Prof. Jochem Berührung im menschlichen Körper. Die entscheidenden Marotzke (rechts), ©Julia Knop/Max-Planck-Gesellschaft. Forschungsarbeiten hierzu wurden in einem Zeitraum um das Jahr 2000 herum durchgeführt. Es zeigt sich hierbei wieder einmal, dass in der Regel solche Forschungen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden, die schon einige Jahre zurückliegen und deren weitreichende Wirkung auf das jeweilige Wissenschaftsgebiet mittlerweile etabliert ist. Daher kommt es durchaus vor, dass die geehrten Personen von der Preisverleihung völlig überrascht sind, besonders, focus wenn sie bereits im Ruhestand sind. Die letzten Aspekte kamen beim diesjährigen Nobel- preis für Physik auch zum Tragen. Neben dem Physiker Giorgio Parisi (Rom, Italien), Jahrgang 1948, erhielten mit Syukuro Manabe (Princeton, USA) und Klaus Hasselmann (Hamburg) zwei Forscher den Preis, welche im Alter von 90 Jahren ihre offiziellen Tätigkeiten an den jeweiligen In- Abb. 2: Prof. Syukuro Manabe (Princeton), Nobelpreisträger für Physik, 2021. stituten schon eine Weile hinter sich haben (natürlich be- © Denise Applewhite, Princeton University, Office of Communications, 2021. treiben diese immer noch Forschung). Wie der offiziellen Pressemitteilung der Bekanntgabe zum Physiknobelpreis So kam es in einem Interview des Nachrichtenmagazins durch das Nobelkomitee zu entnehmen ist (siehe vorherige Der Spiegel Nr. 41/2021 vom 9.10.2021 am Beginn zu fol- Heftseite), wurde der Preis dieses Jahr für „bahnbrechende gendem Dialog: Spiegel: Herr Professor Hasselmann, herz- Forschungen zum Verständnis der Physik komplexer Syste- lichen Glückwunsch zum Physik-Nobelpreis! Erzählen Sie: Wie me“ verliehen. Der Preis (und somit das damit verbundene haben Sie den Dienstag dieser Woche erlebt? Hasselmann: Preisgeld) ging zu 50 % an Georgio Parisi und zu 50 % zu- Na ja, das war alles sehr irreal. Dieser Anruf, der so aus dem sammen an Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann. Die Nichts passierte. Richtig begriffen habe ich das immer noch Kurzbegründungen für die Preisverleihungen lauten: nicht. Spiegel: Hatten Sie nicht zumindest eine Ahnung, dass Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann: „Für die physika- Sie vielleicht auf der Liste der Nominierten stehen könnten? lische Modellierung des Erdklimas, der Quantifizierung seiner Hasselmann: Nein, auf die Idee bin ich noch nie gekommen. Variabilität und der zuverlässigen Vorhersage der globalen Preise schon, aber den Nobelpreis? Nee, daran hab ich nie ge- Erwärmung“. dacht. Giorgio Parisi: „Für die Entdeckung des Zusammenspiels zwi- Auch Professor Manabe war von der Bekanntgabe der schen Unordnung und Fluktuationen in physikalischen Syste- Auszeichnung völlig überrascht. In einer Pressemitteilung men von der atomaren bis zur planetaren Skala“. der Princeton University vom 5. Oktober heißt es: Nähere Ausführungen hierzu sind in der Pressemitteilung “When I got the phone call this morning, I was so surprised,” des Nobelkomitees zu finden (siehe vorherige Heftseite). Manabe said. “Usually, the Nobel Prize in physics is awarded Die Ehrung kam zumindest für die beiden Klimaforscher to physicists making a fundamental contribution in physics. völlig überraschend. Yes, my work is based on physics, but it’s applied physics. Geo- physics. This is the first time the Nobel Prize has been awarded for the kind of work I have done: the study of climate change.” Mitteilungen DMG 4/2021 3
Der letzte Satz unterstreicht die Bedeutung der Vergabe lichen Werdegang des Nobelpreisträgers finden sich in des Physik-Nobelpreises für die Position der Klimawissen- einem Interview, welches Hans von Storch und Dirk Olbers schaft innerhalb der Physik. Bisher wurde diese lediglich mit Klaus Hasselmann geführt haben (von Storch und Ol- mit dem Friedensnobelpreis bedacht, und zwar 2007 für bers, 2006). In diesem wird auch die große Spannweite der das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verschiedenen wissenschaftlichen Themen deutlich, denen zusammen mit dem früheren Vizepräsidenten der USA, Al sich Klaus Hasselmann neben den Fragen der Klimafor- Gore (je zur Hälfte) für: “ihre Bemühungen, das Wissen über schung gewidmet hat. den menschengemachten Klimawandel zu vergrößern und zu verbreiten und die Grundlagen für die notwendigen Maßnah- Der Autor bedankt sich recht herzlich bei der Pressesprecherin men zu schaffen, um diesem Wandel entgegenzuwirken“. des Max-Planck-Institut für Meteorologie, Frau Anette Kirk, für Arbeiten zu einem Teilgebiet der Atmosphärenfor- die freundliche Unterstützung bei der Zusammenstellung der schung, dem stratosphärischen Ozonloch, wurden im Jahr Beiträge. 1995 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Paul Crutzen (Mainz), Mario Molina (USA) und F. Sherwood Row- Quellenangaben land (USA) wurde dieser für „ihre Arbeiten zur Chemie der The Nobel Prize in Physics 2021. NobelPrize.org. Nobel Prize Atmosphäre, insbesondere über Bildung und Abbau von Outreach AB 2021. www.nobelprize.org/prizes/physics/2021/ Ozon“ verliehen. press-release/ Für welche Arbeiten genau hat nun Klaus Hasselmann Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft zur Verlei- den Nobelpreis erhalten? Kurz gesagt ging es dabei um hung des Nobelpreises an Klaus Hasselmann, 5. Oktober die Koppelung zwischen Wetter und Klima sowie um Me- 2021: thoden zum Nachweis des anthropogenen Ursprungs der https://mpimet.mpg.de/kommunikation/im-fokus/nobel- in den letzten Jahrzehnten beobachteten Erderwärmung. preis-fuer-physik-im-jahr-2021-fuer-klaus-hasselmann Für letztere wurde der Begriff menschlicher Fingerabdruck Pressemitteilung der Princeton University zur Verleihung im Klimasystem geprägt. Näheres hierzu im nachfolgenden des Nobelpreises an Syukuro Manabe. 5. Oktober 2021: Beitrag „Der menschliche Fingerabdruck im Wetterrau- www.princeton.edu/news/2021/10/05/princetons-syukuro- schen“. Die grundlegenden Ideen hierzu sind u. a. in den manabe-receives-nobel-prize-physics Publikationen Hasselmann (1976) und Hasselmann (1993) be- Pressekonferenz mit Klaus Hasselmann am MPI für schrieben. Genauere Ausführungen hierzu finden sich im Meteorologie am 5.10.2021: www.youtube.com/ Beitrag von Mojib Latif, der bei Klaus Hasselmann promo- watch?v=qs6auZoZSJY viert hat, am Schluss der Rubrik „focus“. Pressekonferenz mit Syukuro Manabe an der Princton Für weitere Informationen zum Nobelpreis für Klaus Has- University am 5.10.2021: selmann haben wir nachstehend Pressemitteilungen von www.youtube.com/watch?v=BUtzK41Qpsw focus Institutionen bereitgestellt, an denen Professor Hassel- Hans von Storch und Dirk Olbers (2006): Interview mit Klaus mann in den letzten Jahren tätig war. Es sind dies die Uni- Hasselmann. versität Hamburg (Professor 1969-1999), das Max-Planck- www.hvonstorch.de/klima/Media/interviews/hasselmann. Institut für Meteorologie in Hamburg (Gründungsdirektor pdf und Direktor 1975-1999) und das deutsche Klimarechen- zentrum (DKRZ) in Hamburg (Gründungsdirektor und wis- Publikationshinweise senschaftlicher Leiter 1988-1999). Die Beiträge enthalten Hasselmann, K. (1976). Stochastic climate models - 1. Theory. verschiedene Aspekte zum Wirken von Klaus Hasselmann Tellus, 28, 473-485. DOI: 10.3402/tellusa.v28i6.11316 im Bereich der Klimaforschung. Diese kleine Zusammen- Hasselmann, K. (1993). Optimal fingerprints for the detection stellung zur Verleihung des Physik-Nobelpreises wird durch of time-dependent climate change. Journal of Climate, 6, den bereits erwähnten Beitrag von Mojib Latif (Kiel) ab- 1957-1971. DOI: 10.1175/1520-0442(1993)0062.0.CO;2 4 Mitteilungen DMG 4/2021
Physik-Nobelpreis für Klaus Hasselmann Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Klaus Hasselmann, ehemaliger Direktor am Max-Planck-Insti- tut für Meteorologie, erhält gemeinsam mit Syukuro Manabe (USA) und Giorgio Parisi (Italien) den Nobelpreis für Physik 2021. Klaus Hasselmann und Syukuro Manabe werden für ihre fundamentalen Beiträge zur Klimaforschung, Giogio Parisi für seine Forschung an ungeordneten Materialien und Zu- fallsprozessen geehrt. Klaus Hasselmann hat unter anderem ein Modell entwickelt, wie Wetter und Klima zusammen- hängen, wie also kurzfristige Phänomene wie Niederschlä- ge mit langfristigen Entwicklungen wie Ozeanströmungen wechselwirken. Er lieferte so Belege, warum Klimamodelle Abb.: Prof. Dr. Klaus Hasselmann (© Julia Knop, Max-Planck-Gesellschaft). trotz kurzfristiger Wetterschwankungen zuverlässige Vor- hersagen liefern können. Auf diese Weise wies er den Zu- seinen Methoden konnte er nachweisen, dass der Tempera- sammenhang zwischen dem Anstieg der CO2-Konzentrati- turanstieg in der Atmosphäre auf den Kohlendioxidausstoß on in der Atmosphäre und der Erderwärmung nach. des Menschen zurückzuführen ist. Der 89-Jährige beschäftigte sich schon früh mit dem men- Martin Stratmann, der Präsident der Max-Planck-Gesell- schengemachten Klimawandel und dem Treibhauseffekt. schaft, gratulierte Klaus Hasselmann ganz herzlich zum "In 30 bis 100 Jahren, je nachdem, wieviel fossiles Brennma- Nobelpreis für Physik. "Als Gründungsdirektor unseres terial wir verbrauchen, wird auf uns eine ganz erhebliche Max-Planck-Instituts für Meteorologie haben er und sei- Klimaänderung zukommen. Klimazonen werden sich ver- ne Kollegen in Hamburg wie auch die Wissenschaftler am schieben, Niederschläge anders verteilen. Dann wird man Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz die Erdsystemfor- nicht mehr von Zufallsergebnissen reden können", sagte er schung in Deutschland in den 1970er- und 1980er-Jahren vorausschauend in einem Interview von 1988. "Man sollte maßgeblich vorangetrieben und international anschlussfä- sich bewusst werden, dass wir in eine Situation hineinkom- hig gemacht", so Stratmann. "Dass daraus gleich zwei No- men, wo es keine Umkehr mehr gibt." belpreise resultieren – der Nobelpreis für Chemie an Paul focus Klaus Hasselmann hat ein Modell entwickelt, das Wetter Crutzen 1995 und nun 26 Jahre später der Nobelpreis für und Klima miteinander verknüpft und damit die Frage be- Physik an Klaus Hasselmann – ist für die Max-Planck-Ge- antwortet, warum Klimamodelle zuverlässig sein können, sellschaft ein großartiger Erfolg und gleichzeitig eine Ver- obwohl das Wetter wechselhaft und chaotisch ist. Er ent- pflichtung, auf diesem Feld auch weiterhin zum Wohle der wickelte auch Methoden zur Identifizierung spezifischer Si- Menschheit zu forschen". gnale, Fingerabdrücke, die sowohl natürliche Phänomene als auch menschliche Aktivitäten im Klima hinterlassen. Mit Quelle: Pressemitteilung der MPG vom 05.10.2021. Auszeichnung für „bahnbrechende Beiträge zum Verständnis komplexer physikalischer Systeme“ Universität Hamburg Die Universität Hamburg gratuliert ihrem emeritierten Pro- fessor Klaus Hasselmann zum Nobelpreis für Physik, den er zusammen mit dem japanischstämmigen US-Amerikaner Sy- ukuro Manabe und dem Italiener Giorgio Parisi zugesprochen bekommen hat. Die Physiker werden für ihre „bahnbrechenden Beiträge zu unserem Verständnis komplexer physikalischer Syste- me" ausgezeichnet, wie das Nobelkomitee in Stockholm Abb.: Prof. Dr. Klaus Hasselmann (© Niklas Elmehed , Nobel Prize Outreach). mitteilte. Hasselmanns Arbeiten haben maßgeblich zum Verständnis der globalen Erwärmung und zum Beitrag des Menschen an dieser Entwicklung beigetragen. Mitteilungen DMG 4/2021 5
Universitätspräsident Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen: zentraler ‚Konstrukteur‘ hat er physikalische Klimamodelle „Was für eine großartige Nachricht! Ich gratuliere Professor geschaffen, die es uns ermöglichen, Klimaänderungen zu Klaus Hasselmann sehr herzlich und mit größter Anerken- verstehen und vorherzusagen. Davon profitieren wir und nung zum diesjährigen Nobelpreis für Physik. Die Univer- die internationale Forschungscommunity bis heute, und sität Hamburg ist stolz auf einen Wissenschaftler, der sei- wir arbeiten täglich auf dieser Grundlage – zum Beispiel für nen Weg an die Weltspitze der Physik mit einem Studium die Berechnungen und Berichte des Weltklimarates IPCC.“ an der Universität Hamburg begonnen hatte, hier seine Klaus Hasselmann begann seine wissenschaftliche Karri- Habilitation erfuhr und Direktor des Instituts für Geophysik ere an der Universität Hamburg, wo er zwischen 1950 und der Universität Hamburg war. Als solcher darf er als Nestor 1955 Physik sowie Mathematik studierte und sein Diplom der Klimaforschung an der Universität Hamburg gelten, die erhielt. Im August 1963 kehrte er an die Universität Ham- seit 2008 als Exzellenzcluster größte Anerkennung erfahren burg zurück und wurde an der Universität Hamburg habi- hat. Mit ihm ist die Universität Hamburg zu dem internatio- litiert. Nach einer zweijährigen Dozententätigkeit wurde er nalen Zentrum der Klimaforschung geworden. Die Univer- 1966 dort zum Professor berufen und leitete zwischen 1969 sität dankt Klaus Hasselmann für seine Arbeit und wünscht und 1972 das Institut für Geophysik der Universität Ham- ihm alles erdenklich Gute!“ burg. Prof. Dr. Detlef Stammer, Direktor des Centrums für Erd- Hasselmann ist der fünfte Nobelpreisträger der Univer- systemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) und Sprecher sität Hamburg, neben Otto Stern, Wolfgang Ernst Pauli, des Exzellenzclusters für Klimaforschung CLICCS der Uni- J. Hans D. Jensen und Hans Adolf Krebs. versität: „Klaus Hasselmann hat nicht nur hier in Hamburg viele Jahre erfolgreich in der Klimaforschung gewirkt, son- Quelle: Pressemitteilung der Universität Hamburg vom dern auch international wichtige Grundlagen gelegt. Als 05.10.2021. Physik-Nobelpreis für Prof. Klaus Hasselmann – ein Blick zurück in die Zukunft Michael Böttinger (DKRZ) schungsinfrastruktur einen international konkurrenzfä- focus higen Supercomputer, die CRAY 2S, erwerben und der Kli- Zu einigen der Arbeiten, für die Prof. Hasselmann den maforschung in Deutschland damit die dringend benötigte Physik-Nobelpreis 2021 erhält, hat das DKRZ bereits in den Rechenleistung zur Verfügung stellen konnte. 1990er Jahren Wissenschaftsvideos produziert, um die Er- Die Gesellschaft war zu dieser Zeit noch recht weit da- gebnisse an die Öffentlichkeit zu kommunizieren. Lassen von entfernt, die damals erzielten wissenschaftlichen Er- Sie uns gemeinsam einen Blick zurück werfen – auf die Zu- kenntnisse über den bereits erfolgten und für die Zukunft kunftsvorhersagen der Vergangenheit! projizierten Klimawandel als ausreichend belegte wissen- Für seine Beiträge zur physikalischen Modellierung des schaftliche Fakten anzuerkennen und entsprechend darauf Erdklimas, der Quantifizierung der natürlichen Variabilität zu reagieren. Daher haben wir die neuen Resultate medien- und die zuverlässige Vorhersage der globalen Erwärmung gerecht aufbereitet und aktiv an die Öffentlichkeit kommu- erhält Prof. Klaus Hasselmann, Gründungsdirektor des Max- niziert. Das von Prof. Hasselmann als wissenschaftlichem Planck-Instituts für Meteorologie und wissenschaftlicher Geschäftsführer geleitete DKRZ begann sehr früh damit, Geschäftsführer des DKRZ von 1987 bis 1999, den Nobel- die simulierten zeitlich-räumlichen Klimaänderungen in preis für Physik 2021 gemeinsam mit Syukuro Manabe Form animierter Visualisierungen darzustellen – zum einen (USA, gebürtig aus Japan) und Giorgio Parisi (Italien). zum wissenschaftlichen Kenntnisgewinn, zum anderen für Die Würdigung exzellenter wissenschaftlicher Fortschrit- die Kommunikation an die Fachwelt sowie an die Öffent- te durch das Nobel-Komitee erfolgt - wenn überhaupt - lichkeit, wie etwa durch die Nutzung innerhalb von TV-Bei- oft wesentlich später als die wissenschaftlichen Arbeiten trägen über die erzielten Ergebnisse. selbst, da deren Wichtigkeit und Auswirkungen meist erst Im Hinblick auf die UN-Konferenz für Umwelt und Ent- in einer Rückschau deutlich werden. wicklung („Rio-Konferenz“) 1992 entwickelten Joachim Um Ihnen einige der Arbeiten, für die Prof. Hasselmann Biercamp und Michael Böttinger vom DKRZ gemeinsam mit dem Preis gewürdigt wird, in geeigneter Weise vorzu- mit Prof. Hasselmann ein Konzept für einen Film, der die stellen, möchten wir Sie gerne mitnehmen auf eine kleine neuesten mit einem dreidimensionalen gekoppelten At- Zeitreise zurück zum Anfang der 1990er Jahre, als das von mosphäre-Ozeanmodell durchgeführten Szenarienrech- Prof. Hasselmann geleitete Max-Planck-Institut für Meteo- nungen vorstellt (Abb. 1). Erstaunlicherweise ist dieser fast rologie mithilfe des neuen Hochleistungsrechners CRAY 2S 30 Jahre alte Film immer noch hochaktuell. am DKRZ die ersten Klimaänderungsszenarien mit gekop- Kurz darauf - im Vorfeld der UN-Klimakonferenz in Ber- pelten Atmosphäre-Ozeanmodellen durchführte. lin 1995, produzierten Joachim Biercamp und Michael Diese Modellrechnungen wurden technisch erst durch Böttinger gemeinsam mit Klaus Hasselmann einen weite- die Gründung des Deutschen Klimarechenzentrums ren Film (Abb. 2), der drei damalige Arbeiten des Hambur- möglich, welches 1988 als nationale fachspezifische For- ger Max-Planck-Institutes vorstellt, darunter auch die von 6 Mitteilungen DMG 4/2021
Abb. 1: Video: Das Klima der nächsten 100 Jahre (DKRZ, 1992). Abb. 2: Video: Klimasimulationen - Vorhersage des globalen Wandels (DKRZ, 1995). Hasselmann entwickelte neue Fingerabdruck-Methode für koppelten Modellen vorhersagbar wird. Weiterhin werden den statistischen Nachweis des menschlichen Einflusses neue Szenarienrechnungen, die nun auch die Wirkung von auf den bisher beobachteten Klimawandel [Hasselmann, K. Aerosolen berücksichtigen, vorgestellt und erläutert, bevor (1993): Optimal Fingerprints for the Detection of Time-de- schließlich die Fingerabdruckmethode erklärt wird, anhand pendent Climate Change. Journal of Climate 6(10), 1957- der statistisch nachgewiesen werden konnte, dass bereits 1971]. die bis 1993 beobachtete Erwärmung mit einer 95-prozen- Der Film erklärt zunächst die Grundlagen des Klima- tigen Wahrscheinlichkeit nur durch menschliche Einflüsse systems und zeigt Beispiele seiner Modellierung anhand zu erklären ist. von Simulationen von Atmosphäre, Ozean, Meereis, Bio- Der Film wurde – vielleicht aufgrund der gesellschaft- sphäre, chemischer Prozesse bis hin zu Vulkanausbrüchen. lichen Bedeutung der präsentierten Thematik – mit dem Am Beispiel des El Niño-Phänomens wird die Nützlichkeit Deutschen Wirtschaftsfilmpreis 1995 ausgezeichnet. von Klimamodellen für die Gesellschaft demonstriert, da sich dieses etwa alle 4-7 Jahre auftretende Phänomen, Quelle: Deutsches Klimarechenzentrum (DKRZ), Oktober welches weltweite Klimaanomalien mit sich bringt, mit ge- 2021. focus Der menschliche Fingerabdruck im Wetterrauschen Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Entwicklungen des Klimas gewissermaßen als Ergebnis des meteorologischen Rauschens, als das sich die kurzfristigen Klaus Hasselmann entwickelte das statistische Modell, mit Wetterschwankungen begreifen lassen. So hatte vor ihm dem sich die Erderwärmung dem Anstieg der CO2-Konzen- noch keiner auf Wetter und Klima geblickt. Die Nobelstif- tration in der Atmosphäre zuschreiben lässt. Dafür erhält tung beschreibt den Zusammenhang mit einem Bild: Wenn der ehemalige Direktor am Max-Planck-Institut für Meteo- ein Hund mit Frauchen oder Herrchen Gassi geht, springt rologie den Nobelpreis für Physik 2021. er mal in die eine, mal in die andere Richtung, folgt aber Ohne Provokation geht es oft nicht, gerade in der Wissen- im Großen und Ganzen doch dem Weg seiner Menschen. schaft: Klaus Hasselmann forderte mit seinen Arbeiten die Genauso ist es mit dem Wetter und dem Klima. Das Wet- Klimaforschung heraus – legte so aber die Grundlage, dass ter schlägt mehr oder weniger zufällig mal in die eine und sich die Erderwärmung heute eindeutig auf die Zunahme in die andere Richtung aus, macht unterm Strich aber das von CO2 in der Atmosphäre zurückführen lässt. Er trug da- Klima. mit auch wesentlich dazu bei, dass Gesellschaft und Politik den Klimawandel inzwischen als eines der drängendsten Der Fingerabdruck des CO2 Probleme der Menschheit ansehen. Und er hat selbst un- Doch bei der statistischen Beschreibung des Klimas blieb ermüdlich und mit großem Engagement dafür geworben, Klaus Hasselmann nicht stehen, denn im Rauschen lässt die CO2-Emissionen zu reduzieren, um den Klimawandel sich erst einmal nichts erkennen. Ganz so wie die Nachrich- aufzuhalten. tentechnik interessierten ihn die Signale, die sich in dem Klaus Hasselmann betrachtete das Klima nicht länger Rauschen verstecken. In der Klimaforschung sind das die als physikalisches System, in dem sich jeder Veränderung vielen Faktoren, die das Klima beeinflussen: die Energie des deterministisch eindeutig eine Ursache zuordnen lässt, so Sonnenlichts vor allem, aber auch die atmosphärischen wie sich die Bahn eines geworfenen Balls aus seiner an- Strömungen, der Wärmeaustausch zwischen Atmosphäre fänglichen Geschwindigkeit und Flugrichtung ergibt. Statt- und Ozean, Partikel aus Vulkanausbrüchen – und der Treib- dessen verschaffte Klaus Hasselmann dem Zufall Eingang hauseffekt durch Kohlendioxid, dessen Anteil in der Atmo- in die Klimaforschung und betrachtete die langfristigen sphäre seit Beginn der Industrialisierung stetig zunimmt. Mitteilungen DMG 4/2021 7
Ihn hatte Syukuro Manabe bereits in den 1960er-Jahren mit „Was wir jetzt am dringendsten brauchen, sind direkte einem Modell beschrieben, für das er gemeinsam mit Klaus Maßnahmen gegen den Klimawandel. Es gibt viele Din- Hasselmann und dem italienischen Physiker Giorgio Parisi ge, die wir tun können, um den Klimawandel zu bremsen. den Nobelpreis für Physik 2021 erhält. Die Frage ist aber, ob Menschen erkennen, dass wir jetzt Bereits Ende der 1970er-Jahre hatte Klaus Hasselmann handeln müssen, um etwas zu stoppen, das in 20 oder 30 das mathematische Werkzeug entwickelt, mit dem sich Jahren eintreten wird. Das ist das Hauptproblem des Klima- der Effekt des menschengemachten CO2-Ausstoßes in den wandels“, sagte Klaus Hasselmann gegenüber der Nobel- statistischen Schwankungen des Wetters nachweisen lässt. Stiftung. "Und dagegen kämpfen wir als Klimaforscher nun Doch es dauerte gut 15 Jahre, bis Klimaforscherinnen und schon seit vielen Jahren.“ -forschern am Max-Planck-Institut für Meteorologie und Um die Erkenntnisse der Klimaforschung in die Gesell- ihre Kolleginnen und Kollegen weltweit das Modell dafür schaft zu tragen und wirkungsvolle, aber auch praktikable auch nutzte. Das lag nicht zuletzt daran, dass die ursprüng- Maßnahmen gegen den Klimawandel zu entwickeln, grün- lichen Arbeiten ziemlich unverständlich waren, wie Has- dete Klaus Hasselmann gemeinsam mit Carlo C. Jaeger vom selmann selbst kürzlich in einem Interview mit der Welt Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung das European einräumte. Doch Anfang der 1990er-Jahre schrieb Hassel- Climate Forum, das inzwischen viele Partner außerhalb mann die Arbeit um, und mit dem Fingerabdruck fand sich Europas angelockt und sich daher in Global Climate Forum ein griffiger Ausdruck, der beschreibt, was das Modell lei- umbenannt hat. Das Forum bringt Akteure aus Wissen- stet: Es filtert die Signale einzelner Klimafaktoren und vor schaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammen und allem den Fingerabdruck des Kohlendioxids aus dem me- stößt Forschungsprojekte an, die Wirtschaft und Gesell- teorologischen Rauschen. schaft auf dem Weg zur Klimaneutralität begleiten sollen. Auf 95 Prozent bezifferten die Forschenden des Max- Planck-Instituts für Meteorologie bereits 1995 die Wahr- Klimaänderungen waren einfacher zu lösen als die scheinlichkeit, dass die Erderwärmung, die sich schon da- Turbulenz mals in den Messdaten bemerkbar machte, auf den Anstieg Klaus Hasselmann baute ab 1975 das Max-Planck-Institut der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zurückzuführen für Meteorologie auf und wirkte dort bis zu seiner Eme- war. Inzwischen hat die Klimaforschung ihre Aussagen so ritierung im Jahr 1999. Zuvor hatte er unter anderem am verfeinert, dass sie sich in diesem Punkt praktisch 100-pro- Scripps Institut für Oceanographie an der University of Cali- zentig sicher ist. Viele Prozesse und Rückkopplungen kann fornia in La Jolla und an der Universität Hamburg geforscht, sie heute präziser beschreiben, als das noch in den 1990er- wo er sich 1963 habilitierte und zwischen 1969 und 1975 Jahren möglich war. Doch im Prinzip geht sie bei ihren Pro- als Professor lehrte. gnosen immer noch nach der Fingerabdruckmethode von Dass sein Weg ihn gewissermaßen zu einem der ersten Klaus Hasselmann vor. Klimaaktivisten aus der Wissenschaft machte, war anfangs focus nicht abzusehen. Er promovierte am Max-Planck-Institut Das Global Climate Forum unterstützt den Weg zur für Strömungsforschung, das inzwischen in Max-Planck- Klimaneutralität Institut für Dynamik und Selbstorganisation umbenannt So ist es auch der Verdienst von Klaus Hasselmann, dass wurde, und an der Universität Göttingen auf dem Gebiet heute keine ernst zu nehmende Stimme mehr den men- der Strömungsdynamik. Eigentlich wollte er das Turbulenz- schengemachten Klimawandel leugnet. In den 1990er-Jah- problem lösen, sagte er in einem Interview mit der Welt. ren waren die Zweifler dagegen noch lauter und weniger Turbulenz spielt bei allen Strömungsprozessen, also auch isoliert. Unermüdlich stand Klaus Hasselmann auch gegen- beim Klima eine Rolle und gilt als eines der größten unge- über Skeptikern für seine Forschung ein und rief schon da- lösten Probleme der Physik. „Klimaänderungen waren ein mals dazu auf, die Treibhausgasemissionen beherzt zu sen- einfacheres Problem, das man lösen konnte, das habe ich ken. Und das tut er heute immer noch. So unterzeichnete dann gelöst.“ er als einer der Ersten, die erste Stellungnahme mit den Sci- entists for Future die Ziele der Fridays for Future-Bewegung Quelle: Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) vom unterstützten und sich für mehr Klimaschutz aussprachen. 05.10.2021. 8 Mitteilungen DMG 4/2021
Physik Nobelpreis 2021 für Klimaforscher Mojib Latif Eigenschaft des Klimasystems ist dieser Prozess besonders bei langen Perioden wirkungsvoll. Hasselmann konnte so Drei Wissenschaftler teilen sich den Physik Nobelpreis 2021 einige fundamentale Aspekte der Klimavariabilität erklä- für das Verständnis komplexer Systeme, darunter die Klima- ren, wie zum Beispiel die „Röte“ von Klimaspektren, d. h. das forscher Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann. „Manabe Ansteigen der Varianz zu längeren Perioden. und Hasselmann legten den Grundstein für unser Wissen 2. Hasselmann hat 1993 die optimale Fingerabdruckme- zum Klima der Erde und wie die Menschheit es beeinflusst“, thode vorgeschlagen, um den menschlichen Einfluss auf so die Schwedische Akademie der Wissenschaften. Giorgio das Klima nachzuweisen. Die Idee: Jeder der externen Fak- Parisi wurde für seinen revolutionären Beitrag zur Theorie toren, die das Klima beeinflussen, natürliche wie anthropo- von ungeordneten Stoffen und zufälligen Prozessen ausge- gene, hinterlässt eine ihm eigene raumzeitliche Struktur zeichnet. im Klimageschehen. Die Aufgabe bestand nun darin, die Ich kenne Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann, der verschiedenen Fingerabdrücke zu berechnen, sie in den mein Doktorvater ist, seit vielen Jahren. Manabe war am Daten zu identifizieren und zu bestimmen, in wieweit ihre Geophysical Fluid Dynamics Laboratory (GFDL) der Prin- Amplituden schon außerhalb des Klimarauschens, d. h. der ceton University federführend bei der Entwicklung des natürlichen Variabilität, liegen. Dabei wurden diejenigen weltweit ersten dreidimensionalen Klimamodells, beste- Regionen der Erde stärker gewichtet, die mit einem gerin- hend aus den Komponenten Atmosphäre, Ozean, Land gen Klimarauschen behaftet sind, um das Signal-zu-Rausch und Meereis. Er nutze das Modell zur Bestimmung des Verhältnis zu maximieren, was den optimalen Fingerab- Einflusses menschlicher CO2-Emissionen auf das Klima. Die druck definiert. Die Fingerabdrücke wurden mit Hilfe von Simulationen, die er mit seinem Team vor nunmehr mehr transienten Klimaänderungsexperimenten bestimmt, das als 30 Jahren angestellt hatte, stimmen mit der beobachte- Klimarauschen sowohl aus langen Kontrollsimulationen als ten Klimaentwicklung recht gut überein. Das betrifft insbe- auch aus Beobachtungen. Mit Hasselmanns Methode ge- sondere die dreidimensionale und jahreszeitliche Struktur lang unter Verwendung der Temperaturen an der Erdober- der Temperaturänderungen in der Atmosphäre und in den fläche bereits 1996 der statistische Nachweis der menschli- Ozeanen. chen Klimabeeinflussung. Hasselmann hat 1. das Verständnis der Klimavariabilität revolutioniert und 2. eine Methode entwickelt, mit der man Literatur den menschlichen Klimaeinfluss in den Beobachtungen Hasselmann, K.: Stochastic climate model. Part I: Theory. Tel- der Temperaturen an der Erdoberfläche frühzeitig nach- lus 28, 473-485 (1976). focus weisen konnte. Hasselmann, K.: Optimal Fingerprints for the Detection of Ti- 1. Hasselmann publizierte 1976 eine geniale und einfache me-dependent Climate Change, Journal of Climate 6, 1957- Erklärung zugleich für die Klimavariabilität. Im Gegensatz 1971 (1993). zu der bis dahin vorherrschenden Ansicht, nach der ex- Hegerl, G. C., von Storch, H., Hasselmann, K., Santer, B. D., Cu- terne Einflüsse und Nichtlinearitäten die Klimavariabilität basch, U. & Jones, P.D.: Detecting greenhouse-gas-induced verursachen, schlug Hasselmann die Wechselwirkung der climate change with an optimal fingerprint method. Jour- schnell fluktuierenden Atmosphäre mit den trägen Klima- nal of Climate 9, 2281-2306 (1996). systemkomponenten vor. Dieser von ihm als stochastisches Stouffer, R., Manabe, S. & Bryan, K.: Interhemispheric asymme- Klimamodell bezeichnete Prozess funktioniert analog zu try in climate response to a gradual increase of atmospheric der aus der kinetischen Gastheorie bekannten Brownschen CO2. Nature 342, 660–662 (1989). Bewegung. Nach Hasselmann wird die Klimavariabilität Ronald J. Stouffer & Syukuro Manabe: Assessing temperature durch die ständigen kurzzeitigen Einwirkungen zufälliger pattern projections made in 1989. Nature Climate Change, Wetterschwankungen erklärt. Infolge der integrierenden Nature 7, 163-165 (2017). Mitteilungen DMG 4/2021 9
Attributionsstudie: Klimawandel machte die Starkregenfälle wahrschein- licher, die zu Überschwemmungen in Westeuropa führten DWD Starkregenfälle auch in anderen Regionen Westeuropas – einschließlich Frankreich, Westdeutschland, dem östlichen Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu extremen Regenfällen Teil von Belgien, den Niederlanden, Luxemburg und dem kommt wie denen, die im letzten Monat zu Überschwem- Norden der Schweiz – ereignen und inwiefern dies durch mungen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und die weltweit steigenden Temperaturen beeinflusst wird. Luxemburg geführt haben, hat sich durch den Klimawandel Für diese größer gefasste Region konnte festgestellt wer- um das 1,2- bis 9-Fache erhöht. Das ist das Ergebnis einer den, dass sich die maximale Niederschlagsmenge durch neuen Attributionsstudie, die von einem internationalen den von Menschen verursachten Klimawandel zwischen Team von Klimawissenschaftler*innen heute veröffentlicht 3 und 19 Prozent erhöht hat. Durch den Klimawandel er- wurde. Aus der Studie geht außerdem hervor, dass sich die höhte sich auch die Eintrittswahrscheinlichkeit um einen Intensität dieser extremen Niederschläge aufgrund der Faktor zwischen 1,2 und 9. kommunikation wetter und klima durch den Menschen verursachten globalen Erwärmung in Unter den gegenwärtigen Klimabedingungen ist zu er- der Region zwischen 3 und 19 Prozent erhöht hat. warten, dass eine bestimmte Region in Westeuropa etwa Die Ergebnisse untermauern die Schlussfolgerungen des einmal in 400 Jahren von ähnlichen Ereignissen heimge- aktuellen Berichts des Weltklimarats (Intergovernmental sucht wird. Das bedeutet, dass in der gesamten Region Panel on Climate Change, IPCC). Demzufolge liegen nun innerhalb dieses Zeitraums mehrere solcher Ereignisse zu Nachweise vor, dass die Erderwärmung vom Menschen ver- erwarten sind. Mit weiteren Treibhausgasemissionen und ursacht wird und der daraus resultierende Klimawandel die einem weiteren Temperaturanstieg werden solche Starkre- Hauptursache für die Zunahme extremer Wetterereignisse genereignisse häufiger auftreten. ist. Laut IPCC-Bericht werden auch West- und Mitteleuropa Die Studie wurde im Rahmen der Arbeit der World Wea- bei steigenden Temperaturen immer häufiger Starkregen- ther Attribution-Initiative von 39 Forscher*innen durchge- fällen und Überschwemmungen ausgesetzt sein. führt, darunter Wissenschaftler*innen von Universitäten Vom 12. bis 15. Juli 2021 war es in verschiedenen Teilen und meteorologischen und hydrologischen Behörden aus Westeuropas zu extremen Regenfällen gekommen. So fie- Belgien, Frankreich, Deutschland, den Niederlanden, der len zum Beispiel in der Region um die Flüsse Ahr und Erft USA und dem Vereinigten Königreich. in Deutschland an einem einzigen Tag mehr als 90 Liter Re- gen pro Quadratmeter. Das ist deutlich mehr als jemals seit Zitate Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen wurde. Durch „Wieder einmal zeigte sich im Jahr 2021, dass die Schäden Überschwemmungen als Folge des Starkregens kamen in und negativen Auswirkungen der aktuellen, durch den Kli- Belgien und Deutschland mindestens 220 Menschen ums mawandel verstärkten Extremwetterereignisse die Auswir- Leben. kungen früherer Unwetter seit Beginn der Aufzeichnungen Um zu berechnen, welche Rolle der Klimawandel bei der bei Weitem übersteigen können. Sie können überall auftre- Entwicklung der extremen Regenfälle und der durch sie ten und starke Schäden sowie menschliche Verluste ver- hervorgerufenen Überschwemmungen spielt, wurde das ursachen. Die lokalen und nationalen westeuropäischen heutige Klima mit dem Klima vor dem Anstieg der globalen Behörden müssen sich dieser wachsenden Risiken durch Durchschnittstemperatur um 1,2 °Celsius (seit Ende des 19. Starkregen bewusst sein, um besser auf mögliche künf- Jahrhunderts) verglichen. Um die Rolle des Klimawandels tige Extremwetterereignisse vorbereitet zu sein.“ Dr. Frank zu berechnen, analysierten die Wissenschaftler Wetterauf- Kreienkamp, Leiter des Regionalen Klimabüros Potsdam, zeichnungen und Computersimulationen mit peer-review- Deutscher Wetterdienst. ten Methoden. „Die hohen menschlichen Verluste und die wirtschaftli- Die Hauptschwerpunkte der Studie lagen dabei auf den chen Kosten dieser Überschwemmungen sind eine deut- extremen Regenfällen in den zwei besonders betroffenen liche Mahnung, dass sich die Länder auf der ganzen Welt Gebieten in Deutschland: den Regionen um die Flüsse Ahr auf immer extremere Wetterereignisse einstellen müssen und Erft, in denen pro Tag durchschnittlich 93 Liter Regen und dass wir die Treibhausgasemissionen dringend redu- pro Quadratmeter fielen, sowie auf der Region um den zieren müssen, um zu verhindern, dass solche Ereignisse Fluss Maas in Belgien, in der im Zeitraum von zwei Tagen immer mehr außer Kontrolle geraten.“* Prof. Maarten van ein Niederschlag von 106 Liter Wasser pro Quadratmeter Aalst, Direktor des Red Cross Red Crescent Climate Centre und gemessen wurde. Da verschiedene Pegelstationen durch Professor für Klima- und Katastrophenresilienz an der Univer- die Überschwemmungen zerstört wurden, untersuchten sität Twente, Niederlande. die Wissenschaftler*innen weniger die Pegelstände der „Aktuelle Klimamodelle zeigen einen langsamen Anstieg Flüsse, sondern die Menge des gefallenen Regens. der Anzahl von extremen Niederschlägen in einer zukünftig Die Wissenschaftler*innen stellten fest, dass sich die sehr wärmeren Welt. Der aktuelle Fall zeigt, dass unsere Gesell- lokalen Regenfallmuster von Jahr zu Jahr stark unterschei- schaften nicht widerstandsfähig genug sind, um aktuellen den. Um den Einfluss des Klimawandels zu bewerten, wur- Wetterextremen zu begegnen. Wir müssen Treibhausgas- de analysiert, wie wahrscheinlich es ist, dass sich ähnliche emissionen so schnell wie möglich einsparen, aber auch 10 Mitteilungen DMG 4/2021
unsere Warnsysteme und unser Katastrophenmanagement Meteorological Institute , KNMI), De Bilt, Niederlande; 3 – verbessern, unsere Infrastruktur ‚klimaresilient‘ machen. Atmospheric, Oceanic and Planetary Physics, University Nur so können wir Verluste und Kosten minimieren und ex- of Oxford, Vereinigtes Königreich; 4 – Bodeker Scientific, tremen Überflutungen besser begegnen.“* Professor Hayley Alexandra, Neuseeland; 5 – Institut Pierre-Simon Laplace, Fowler, Professor für Klimafolgen, Newcastle University. CNRS, Paris, Frankreich; 6 – Institut für Atmosphäre und „Auch wenn wir peer-reviewte Methoden verwenden, Klima (Institute for Atmospheric and Climate Science), ist dies das erste Mal, dass wir sie angewandt haben, um Departement Umweltsystemwissenschaften, ETH Zürich, Niederschläge im Sommer zu analysieren. Da hier auch im- Zürich, Schweiz; 7 – Red Cross Red Crescent Climate Cen- mer Konvektion eine Rolle spielt, sind Modelle gefordert, tre, Den Haag, Niederlande; 8 – Faculty of Geo-Information die dies berücksichtigen. Diese Analysen werden immer Science and Earth Observation (ITC), Universität Twente, routinierter werden, je mehr Modellsimulationen verfüg- Enschede, Niederlande; 9 – Global Disaster Preparedness bar sind, die Konvektion berücksichtigen.“* Dr. Sarah Kew, Center, American Red Cross, Washington DC, USA; 10 – Klimaforscherin, Royal Dutch Meteorological Institute (KNMI). Deutscher Wetterdienst, Nationale Klimaüberwachung, Of- „Durch die Überschwemmungen wurde deutlich, dass fenbach, Deutschland; 11 – School of Geography and the selbst Industrieländer nicht vor den schweren Auswir- Environment, University of Oxford, Vereinigtes Königreich; kungen solcher Extremwetterereignisse geschützt sind 12 – Department of Physical Geography, Faculty of Geos- und dass sich dies mit dem weiteren Klimawandel noch ciences, Universität von Utrecht, Niederlande; 13 – König- verschärfen wird. Das stellt für uns alle eine globale Gefahr liches Meteorologisches Institut von Belgien (Institut Royal dar, der wir dringend Einhalt gebieten müssen. Die Wissen- Météorologique de Belgique, IRM), Brüssel, Belgien; 14 – kommunikation wetter und klima schaft lässt darüber seit Jahren keinen Zweifel.“* Dr. Friede- Newcastle University, Newcastle-upon-Tyne, Vereinigtes rike Otto, stellvertretende Direktorin des Environmental Chan- Königreich; 15 – Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG), ge Institute, Universität Oxford. Koblenz, Deutschland; 16 - Institut für Bio- und Geowissen- „Durch die gebündelte Expertise von Wissenschaftle- schaften Agrosphäre (IBG-3) , Forschungszentrum Jülich rinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Fachge- GmbH, Jülich, Deutschland; 17 - Verwaltung für technische bieten war es uns möglich, den Einfluss des Klimawandels Dienste der Landwirtschaft (ASTA), Luxemburg, Luxem- auf die schrecklichen Überschwemmungen des letzten burg; 18 – Landesamt für Umwelt (LfU) Rheinland-Pfalz, Monats zu verstehen und zu verdeutlichen, welche Aspekte Rheinland-Pfalz, Deutschland; 19 – Universität von Gent, dieses Ereignisses wir analysieren können und welche Gent, Belgien 20 - Katholische Universität Löwen (Univer- nicht. Auf räumlich begrenzter, lokaler Ebene ist es schwie- sité Catholique de Louvain), Louvain-la-Neuve, Belgien; 21 rig, den Einfluss des Klimawandels auf extreme Regenfälle – International Research Institute for Climate and Society, zu untersuchen. Aber für ganz Westeuropa waren wir in der Columbia University, New York, USA; 22 – Met Office, Verei- Lage zu zeigen, dass solche Extremereignisse durch Treib- nigtes Königreich hausgasemissionen immer wahrscheinlicher werden.“* Dr. Sjoukje Philip, Klimaforscherin, Königliches Niederländisches Die „World Weather Attribution“ (WWA) ist ein Zusam- Meteorologisches Institut (Royal Dutch Meteorological Insti- menschluss internationaler Wissenschaftler*innen, die die tute , KNMI). möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf extreme * eigene Übersetzung der englischen Fassung. (Original-Zitate Wetterereignisse – wie Stürme, Starkregen, Hitzewellen, unter: www.worldweatherattribution.org/analysis/news/ ) Kälteperioden und Dürren – untersuchen und sie der Öf- fentlichkeit kommunizieren. Hinweise für Redaktionen In mehr als 400 Studien wurde untersucht, ob sich die Die Studie „Rapid attribution of heavy rainfall events lea- Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse durch ding to the severe flooding in Western Europe June 2021“ den Klimawandel erhöhte. In einer anderen Studie der wird hier veröffentlicht: www.worldweatherattribution.org/ Wissenschaftler*innen, die auch die aktuelle Studie durch- analysis/rainfall/ führten, konnte gezeigt werden, dass die großen Hitze- wellen in Sibirien im letzten Jahr und die australischen Autor*innen der Studie Buschbrände in den Jahren 2019/2020 vom Klimawandel Frank Kreienkamp1, Julie Arrighi7,8,9, Alexandre Belleflam- mitverursacht wurden und dass es höchst unwahrschein- me16, Thomas Bettmann18, Steven Caluwaerts13,19, Ste- lich ist, dass es ohne den Klimawandel zur jüngsten Hitze- ven C. Chan14, Andrew Ciavarella22, Lesley De Cruz13, Hyl- welle in Nordamerika gekommen wäre. Es konnte außer- ke de Vries2, Norbert Demuth18, Andrew Ferrone17, Erich dem nachgewiesen werden, dass der Kälteeinbruch, der M. Fischer6, Hayley J. Fowler14, Klaus Goergen16, Dorothy zum Verlust der Weinernte in Frankreich führte, durch den Heinrich7, Yvonne Henrichs18, Geert Lenderink2, Philip Lo- Klimawandel wahrscheinlicher wurde. renz1, Frank Kaspar10, Sarah F. Kew2, Enno Nilson15, Friede- rike E L Otto11, Sjoukje Y. Philip2, Francesco Ragone13,20, Quelle: Pressemitteilung des DWD vom 24.08.2021. Sonia I. Seneviratne6, Roop K. Singh7, Amalie Skålevåg, Piet Termonia13,19, Lisa Thalheimer11, Jordis S. Tradowsky1,4, Weitere Informationen zur Attributionsforschung beim Maarten van Aalst7,8,21, Joris Van den Bergh13, Hans Van DWD sowie zum Newsletter Attributionsforschung findet de Vyver13, Stéphane Vannitsem13, Geert Jan van Olden- man unter //www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/ borgh2,3, Bert Van Schaeybroeck13, Robert Vautard5, Demi spez_themen/attributionen/node_attribs.html Vonk8, Niko Wanders12 1 – Deutscher Wetterdienst (DWD), Regionales Klimabüro www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaforschung/spez_the- Potsdam, Potsdam, Deutschland; 2– Königliches Niederlän- men/attributionen/newsletter_ordner/202108_attributions- disches Meteorologisches Institut (Koninklijk Royal Dutch forschung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 Mitteilungen DMG 4/2021 11
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