Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund

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Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Nr. 13 Innovationsstudie
        zur Landwirtschaft in Südtirol

        Südtiroler
        Bauernbund
Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Impressum
Herausgeber: Südtiroler Bauernbundgenossenschaft, K.-M.-Gamper-Str. 5, 39100 Bozen
Verfasser: Koch & Unterfrauner GmbH - rcm-solutions / Dr. Christoph Koch und Dr. Horst Unterfrauner
    Handwerkerzone 6, 39030 Terenten, Tel. 0474 561198, E-mail: info@rcm-solutions.it
Leitung und inhaltliche Begleitung/Koordination: Südtiroler Bauernbund / Dr. Ulrich Höllrigl und
    Dr. Irene Unterkofler, Abteilung Innovation und Erneuerbare Energien; Bauernbund-Service GmbH
Gestaltung: Graphic Studio Creation KG - Sterzing (BZ)
Druck: Druckerei Fliridruck - Meran (BZ)
Fotomaterial: Archivfotos Creation KG, Südtiroler Bauernbund, SMG

1. Auflage, November 2012

           Abteilung 34 - Innovation, Forschung,   Ripartizione 34 - Innovazione, Ricerca,
            Entwicklung und Genossenschaften       Sviluppo e Cooperative
Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Vorworte

                   Die Südtiroler Landesregierung zählt die Förderung von Innovation, Forschung und Entwicklung zu
                   ihren Prioritäten. Denn diese Bereiche sind die Basis für die Entwicklung der Wirtschaft und der Gesell-
                   schaft Südtirols.

                   Innovation kann dabei als Querschnittsthema in alle Wirtschaftssektoren Südtirols Eingang finden.
                   So ist sie auch wesentlich für den Erfolg der Landwirtschaft und ihrer Produkte und Dienstleistungen.
                   Denn nur durch die Umsetzung innovativer Ideen sind die landwirtschaftlichen Unternehmen in der
                   Lage, den Bedürfnissen der Konsumenten und des Marktes auch in Zukunft zu begegnen.
Roberto Bizzo
                   Innovation darf aber kein Rinnsal sein, das das eine oder andere Unternehmen mitreißt.
                   Sie muss vielmehr wie eine Flut sein, die alle mitträgt.

                   Landesrat Roberto Bizzo

                   Innovation ist einer der Schlüsselfaktoren für die Landwirtschaft der Zukunft.

                   Die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Produkte, Verfahren und Dienstleistungen
                   wird in den kommenden Jahrzehnten unabdingbar dafür sein, dass unsere landwirtschaftlichen Unter-
                   nehmen ihre Herausforderungen meistern können. Letztlich wird die Innovationsfähigkeit der Betriebe
                   über Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden.

                   Ein Zitat besagt: Innovation ist die Umwandlung einer Idee in Wertschöpfung. Einfach ist dieser Weg
                   der Umwandlung nicht. Von einer Idee bis hin zum Produkt oder zur Dienstleistung, bei denen der
                   Markt „Hurra“ schreit, sind viele Hürden zu überwinden.
Leo Tiefenthaler

                   Um die landwirtschaftlichen Betriebe auf dem Weg hin zum innovativen Produkt oder zur innovativen
                   Dienstleistung gezielt begleiten zu können, hat der Südtiroler Bauernbund eine Studie zur Innovation
                   in der Landwirtschaft in Auftrag gegeben. Die vorliegende Broschüre fasst die wichtigsten Ergebnisse
                   aus dieser Studie zusammen. Sie wird die Grundlage für weitere Initiativen des Bauernbundes bilden,
                   welche zu einer innovativen und zukunftsfähigen Südtiroler Landwirtschaft beitragen sollen.

Siegfried Rinner   Landesobmann Leo Tiefenthaler              Direktor Siegfried Rinner

                                                                                                                         1
Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Inhaltsverzeichnis

    Vorworte                                                                                     1

    Inhaltsverzeichnis                                                                          2

    Innovation und Strategie                                                                    3

    Studiendesign                                                                               4

    Fortschritt aus Tradition                                                                   5

    Innovationstreiber Demografie                                                               6

    Innovationstreiber Lebensmittelsicherheit und Transparenz                                   8

    Innovationstreiber Werte und Umweltsensibilität                                             10

    Innovationstreiber Gesundheit und Qualität                                                  12

    Innovationstreiber (G)lokalisierung                                                         14

    Innovationstreiber Kundenbedürfnisse                                                        15

    Innovationstreiber Technologie und Arbeitssicherheit                                        16

    Innovationstreiber Kooperation und Kombination                                              18

    Innovationstreiber Energie                                                                  20

    Innovationstreiber Wirtschaftlichkeit                                                       22

    Innovationstreiber Forschung und Kompetenz                                                  25

    Innovationstreiber Südtiroler Landwirte                                                     26

    Innovationstreiber Agrarpolitik und öffentliche Verwaltung                                  27

    Innovationstreiber Südtiroler Bauernbund                                                    28

    Schalter für Innovation                                                                     29

    Ein Hinweis im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit
    wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung, wie z.B. Bauer/Bäuerin verzichtet.
2   Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
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Innovation und Strategie

„Wir können Innovationsführer werden“ – davon ist Leo Tiefenthaler, Landesobmann des Südtiroler
Bauernbundes überzeugt. Und mit „wir“ meint Tiefenthaler die Südtiroler Landwirte.

Wie kann (und soll) die heimische Landwirtschaft Innovationsführer werden?
Vor dem Hintergrund dieser Frage ist es sinnvoll, den Begriff Innovationsführer zu erläutern.

Innovationsführer sind innovativ
- beim Produkt und in der Dienstleistung;
- bei der Produktionstechnik und der Technologie;
- im Betriebsmanagement und bei den Prozessen;
- im Marketing und im Verkauf.

Innovationsführer sind offen für eine auch grenzüberschreitende Forschung und Zusammenarbeit sowie
bereit, kalkulierbare Risiken zu akzeptieren.1

                                                                        Entdeckung des
                                                                        Kundenproblems von morgen

                                                                                     (verbesserte) Lösungen
            Status Quo                                                               im bisherigen,
                                                                                     angestammten Bereich

                                                                        Entdeckung des
                                                                        Kunden von morgen

                                                          (Quelle: Friedrich Kerka / Bernd Kriegesmann, Big Ideas erkennen und Flops vermeiden,
                                                                                  Berichte aus der angewandten Innovationsforschung, 219/2005)

Will die Südtiroler Landwirtschaft Innovationsführer werden, muss sie sich noch stärker als bisher mit den
Wünschen der Konsumenten, der Kunden und der Gesellschaft auseinandersetzen. Auf diese Weise bleibt
die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche!

 1
     Hugh G. Courtney / Jane Kirkland / S. Patrick Viguerie, Strategy Under Uncertainty, Harvard Business Review, 6/1997                          3
Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Studiendesign

    Um den Weg in Richtung Zukunftsbranche erfolgreich beschreiten zu können, hat der Südtiroler Bauernbund
    eine umfassende Innovationsstudie in Auftrag gegeben, die sich in drei Teile gliedert.

                              IST-Situation,                    Tiefeninterviews                   Repräsentative
                        Sekundärmarktforschung,                      mit 44                  quantitative Marktforschung
                          Beispiele guter Praxis                    Experten                 (300 persönliche Interviews)

                                                           Innovationsstudie
                                                      des Südtiroler Bauernbundes

                                         Schalter für Innovation im Südtiroler Bauernbund

                                                                                              (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

    In einer ersten Phase wurde der derzeitige Stand der Innovation weltweit und in der Südtiroler Landwirtschaft
    anhand von bestehenden Quellen und bereits funktionierenden Beispielen mit Vorbildcharakter erhoben
    (Sekundärmarktforschung).

    In der zweiten Phase wurde eine qualitative Marktforschung mittels Tiefeninterviews
    durchgeführt: 44 Südtiroler Experten mit Bezug zur heimischen Landwirtschaft formulierten ihre Sichtweise
    und ihre Visionen zu Innovation und Landwirtschaft.

    Die dritte und letzte Phase der Innovationsstudie umfasste eine repräsentative quantitative Marktforschung.
    In deren Rahmen wurden 300 persönliche Interviews mit Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe oder am Hof
    mitarbeitenden Familienmitgliedern geführt.

    Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit!

    Die vorliegende Broschüre fasst die wesentlichen Ergebnisse aller Teile der Innovationsstudie zusammen.

                           Alber Hanspeter - Aurich Martin - Baumgartner Harald - Berger Hans - Crazzolara Marina
                           Dal Savio Stefano - Dalla Via Josef - Dissertori Armin - Dorfmann Herbert - Dosser Hannes
      Die 44 Experten

                           Gamper Peter - Gasser Klaus - Gasslitter Mulser Martha - Gruber Elmar - Haller Josef
                           Harrasser Arnold - Höllrigl Ulrich - Hopfgartner Gerald - Huber Andreas - Kaser Annemarie
                           Kienzl Hans - Kuenzer Maria - Oberhuber Michael - Pazeller Martin - Pellegrini Juliane
                           Pircher Martin - Plitzner Christian - Pörnbacher Günther - Raffeiner Valtl - Rinner Siegfried
                           Rizzi Walter - Sapelza Wilhelm - Schmid Bettina - Staffler Jutta - Steger Walter - Tagliavini Massimo
                           Tappeiner Gottfried - Tauber Willi - Tiefenthaler Leo - Unterfrauner Hansjörg - Wachtler Sepp
                           Waldner Walther - Wielander Josef - Wunderer Georg
4
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Fortschritt aus Tradition

Die Landwirtschaft des 20. und 21. Jahrhunderts war und ist durch einen gewaltigen technischen Fortschritt
gekennzeichnet, der gleichermaßen die Produktivität des Bodens und die Produktivität
der Arbeit steigerte.2
Konkret hat sich Fortschritt beispielsweise durch den Einsatz von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln,
durch die Mechanisierung der Bewirtschaftung und durch die Züchtung leistungsfähiger Tierrassen und Kul-
turpflanzensorten ergeben. Faktoren wie diese haben den Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft in
den letzten 50 Jahren um den Faktor 8 verringert.

Der Fortschritt hatte aber auch zur Folge, dass neben den klassischen landwirtschaftlichen Produktionsfak-
toren wie Arbeit, Boden und Kapital, neue wichtige Faktoren zum Tragen kommen.

Eine zeitgemäße Landwirtschaft bedarf eines durchdachten Managements, stetiger Aus- und Weiter-
bildung und laufender Innovation!

                                             alte                  und                        neue
                                                           Produktionsfaktoren

                                                     Arbeit                     Management

                                        Boden                                                 Innovation

                                                                                  Aus- und
                                                    Kapital                     Weiterbildung

Für die Zukunft können innovationsfreundliche Rahmenbedingungen eine wettbewerbsfähige Landwirt-
schaft und somit eine flächendeckende Bewirtschaftung, die ein Hauptziel der politischen und sozialen
Anstrengungen ist, nachhaltig sichern.

     Innovationstreiber

         Innovationstreiber sind Einflüsse und Akteure, die die Entwicklung von Innovationen anregen und
       diese positiv oder negativ beeinflussen. Dementsprechend haben Innovationstreiber entscheidenden
                                    Einfluss auf das Potenzial von neuen Ideen!

                              Die wichtigsten Innovationstreiber werden nachstehend analysiert.

2
    Tobias Plieninger / Oliver Bens / Reinhard F. Hüttl, Zur Zukunft ländlicher Räume, 2008                   5
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Innovationstreiber Demografie

    Allgemeine Bevölkerungstrends

    Die Demografie beschäftigt sich mit allgemeinen Bevölkerungstrends. Dabei lassen sich weltweit ganz
    spezielle Entwicklungen erkennen, die konkrete Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft haben.

    In Europa ist zu beobachten, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung stetig ansteigt (die Konsumenten
    werden älter) und dass sich die „klassische“ Familienstruktur verändert. In den vergangenen Jahren
    und Jahrzehnten sind zunehmend Single-Haushalte entstanden. Auch durch die Tatsache, dass viele Frauen
    einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen und im Gegenzug mehr Männer mit im Haushalt tätig sind,
    haben sich die Bedürfnisse der Konsumenten verändert.

    Die moderne Familie (Singles, Senioren, Berufstätige oder Patchwork-Familien) verlangt nach
    veränderten Produkten und Dienstleistungen, auf die auch die Landwirtschaft rechtzeitig und innovativ
    reagieren sollte.

    Individualisierung

    In der Gesellschaft ist ein Trend in Richtung „Individualisierung“ erkennbar. Der Wohlstand ermöglicht
    individuelle Entscheidungen, die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Zwängen sinkt und bei den
    Menschen wächst der Wunsch nach Selbstverwirklichung.

    Die Produkte von morgen müssen imstande sein, die Lebensqualität der Kunden merklich zu steigern.
    Denn Individualisten sind Genießer, sie schätzen das Persönliche und die Kreativität! Zudem setzen sie
    auf Werte, weshalb nur jene Marken Erfolg haben werden, die die Haltung und die Wertvorstellungen
    dieser Kunden punktgenau treffen und repräsentieren.

    Miniaturisierung

    Neben der Individualisierung besteht zudem ein klarer Trend hin zur „Miniaturisierung“. Was bedeutet das?
    Nicht nur alleinstehende Personen haben andere Bedürfnisse hinsichtlich der Verpackungsgrößen als
    Familien. Auch die wachsende Zielgruppe der Senioren konsumiert weniger als junge Menschen. Beide
    bevorzugen daher kleinere Verpackungseinheiten. Diese senken die Verderblichkeitsrate und helfen sparen.
    Abgesehen davon können Produkte in kleineren Portionen höhere Preise geschickt kaschieren und
    vermitteln im besten Fall den positiven Eindruck einer „Diätportion“.

      ZITAT:
                               Die Weinflasche der Zukunft wird 0,375 Liter fassen!
                                                                      (Quelle: Christian Hehenberger, Trendforscher, 2010)
6
Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Der Großteil der Südtiroler Bauern hat die Entwicklung hin zur Verkleinerung von Verpackungseinheiten
bereits erkannt: Im Rahmen der Marktforschung des Südtiroler Bauernbundes stuften 62 Prozent der
befragten Landwirte diesen Trend als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ein.

                                      Die Wichtigkeit des Trends
                    Verkleinerung von Verpackungseinheiten (Senioren und Singles)

                                          50%

                                                         27%

                             12%
                                                                          7%               4%

                           sehr wichtig   wichtig   nicht so wichtig   nicht wichtig       k.A.

                                                                               (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

Produkte und Dienstleistungen, die Zeit sparen helfen

Den Trend, dass die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft dem Konsumenten dabei helfen sollen,
Zeit zu sparen, erkennt erst ein Viertel der heimischen Bauern. Dies obwohl davon auszugehen ist,
dass, in Zukunft vor allem jene Angebote als attraktiv eingestuft werden, die den Konsum so einfach
wie möglich gestalten.
                                             Die Landwirtschaft stellt dies vor neue Herausforderungen:

                                             Die Anbieter von Produkten und Dienstleistungen
                                             müssen für den Kunden von morgen möglichst leicht
                                             erreichbar sein oder Produktlieferungen frei Haus garan-
                                             tieren, die für den Konsumenten höchste Bequemlichkeit
                                             bedeuten. Genauso sollten Möglichkeiten ausgelotet
                                             werden, dem Abnehmer Produkte in Form von kleinen,
                                             mundgerechten Portionen (z.B. Fresh Cut) in Form von
                                             Snacks oder aber in Form von Fertig- und Halbfertig-
                                             produkten anzubieten.

  ZITAT:

                      Der Anbieter, der dem Kunden das Leben erleichtert, gewinnt!

                                                      (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011)
                                                                                                                          7
Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
Innovationstreiber Lebensmittelsicherheit und Transparenz
    Vertrauen

    Vor dem Hintergrund der in unregelmäßigen Abständen bekannt werdenden internationalen Lebensmittelskan-
    dale ist das Vertrauen der Konsumenten in die Anbieter von Lebensmitteln deutlich gesunken.

    Gestiegen ist hingegen der Trend hin zu vertrauenswürdigen Lebensmittelmarken, zu Lebensmitteln, die
    halten, was sie versprechen. Zudem ist den Verbrauchern Transparenz im Hinblick auf Produktionsverfahren
    und Qualitätsstandards wichtig.

    Glaubwürdigkeit wird zum Schlüsselelement.

                                                    Die Wichtigkeit des Trends
                                              Lebensmittelsicherheit und Transparenz

                                 59%

                                                       39%

                                                                             1%                                  1%

                             sehr wichtig             wichtig         nicht so wichtig       nicht wichtig       k.A.

                                                                                                        (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

    98 Prozent der Landwirte in Südtirol sind sich dieses Umstandes auch bewusst und stufen Lebensmittel-
    sicherheit und Transparenz als „sehr wichtig“ und „wichtig“ ein.

    „Grüne“ Lebensmittel

                                                                   Die Natürlichen (22%)
      Interesse an
     Lebensmitteln
                                                   Die Alleswoller (21%)

                                                                                       43%
                           Die Produktiven (35%)                              zu
                                                                  57%

                                 Die Gleichgültigen (22%)

                           PRODUKTIVITÄT                                      NATÜRLICHKEIT                    (Quelle: Prof. Dr. Achim Spiller, 2010)

    In Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit von Lebensmitteln ist die vermehrte Nachfrage nach „grünen“
    Lebensmitteln zu sehen, sprich nach Lebensmitteln, die aus ökologischem Anbau stammen. Schon heute
    setzen 43 Prozent der bundesdeutschen Bürger auf „grüne“ Lebensmittel. Etwas weniger als die Hälfte davon
    sind aber die sogenannten „Alleswoller“, die „grüne“ Lebensmittel nur dann kaufen, wenn der Preis stimmt.

    Experten gehen davon aus, dass mittelfristig 20 Prozent aller angebotenen Lebensmittel nach biologischen
    Produktionsweisen angebaut werden. Ein Teil davon wird auf Bio-Billig-Produkte (z.B. aus Afrika oder China)
    und ein weiterer Teil auf Bio-Premium-Produkte aus der Region entfallen.

    Die Bio-Premium-Schiene birgt große Chancen für ein Herstellerland wie Südtirol. Wichtig ist dabei, dass
    die „grünen“ Lebensmittel durch innere und äußere Qualität überzeugen und – in Kombination mit dem
    positiven Image Südtirols – eine hohe Glaubwürdigkeit vermitteln!
8
Zukunft der Welternährung und Klimawandel

Trotz der regionalen Chancen, die sich für unser Land ergeben, darf der globale Kontext, in den Südtirol
eingebettet ist, nicht vergessen werden. Im letzten Jahrzehnt hat sich gerade im Lebensmittelsektor vieles
verändert, was die berechtigte Frage aufwirft: Wie sieht in Zukunft die Welternährung aus?

Fest steht, dass die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt! In den Industrieländern wird vor allem die
Nachfrage nach Markenwaren, tierischem Eiweiß und gezüchtetem Fisch, in den Entwicklungsländern jene
nach Getreide und Ölsaaten (Proteinpflanzen) zunehmen. Zudem wird der Bedarf an Agrarrohstoffen zur
Erzeugung von Energie steigen. Gleichzeitig führen immer häufiger auftretende Umweltkatastrophen zu
Produktionsschwankungen und zu einer Verknappung des Lebensmittelangebotes.

Wie könnte in Zukunft der steigenden Nachfrage und dem sich stetig verknappenden Angebot entgegen-
gewirkt werden? Experten raten unter anderem dazu, neue Produktgruppen zu erschließen. Dazu könn-
ten zum Beispiel Insekten als Lebensmittel zählen. 1400 Insektenarten sind essbar und für 80 Prozent der
Weltbevölkerung sind Insekten eine übliche Speise, manche – wie die Heuschrecke – gelten als anerkannte
Delikatesse mit hohem Nährwert.

Und es gibt noch genügend weitere Beispiele, wie die Landwirtschaft den veränderten Rahmenbedingungen
auf innovative Art und Weise begegnen kann. Die bereits erwähnten Umweltkatastrophen, aber auch der
Klimawandel im Allgemeinen haben schließlich Auswirkungen auch auf Südtirol. Folgende Trends sind dabei
festzustellen: weniger Niederschläge, höhere Temperaturen, mehr Extremwetterlagen, längere Vegetations-
dauer und höhere CO2-Gehalte.

Der Klimawandel wird die Grundbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion verändern. Er begünstigt
beispielsweise das Auftreten neuer Schädlinge und Pflanzenkrankheiten und führt zu einer Verknappung
der Wasserresourcen.

Veränderungen bergen aber immer auch Chancen!
Eine zukunftsweisende Landwirtschaft ist proaktiv und begegnet den Auswirkungen des Klimawandels durch
Anpassungen in den Bereichen:
- Arten- und Sortenspektrum (Einsatz widerstandsfähiger Sorten mit hoher Klimatoleranz und geringer
  Schädlingsanfälligkeit, etc. );
- Bewässerung (wassersparende Bewässerungstechnik, Speicherbecken, etc.);
- Bodenbearbeitung (bodenschonende Bearbeitung, standortgerechter Humusaufbau, etc.);
- Pflanzenschutz und Pflanzenernährung (Optimierung der Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, etc.).
Damit kann die Landwirtschaft gleichzeitig einen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Speicherung von CO2 im
Boden, zum Erosionsschutz und damit zur Milderung von Extremwetterlagen leisten.
                                                                                                                 9
Innovationstreiber Werte und Umweltsensibilität
     Werte

     Die Südtiroler Landwirtschaft steht voll im Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer
     Verantwortung:

     - mehr denn je wird unternehmerisches Denken gefordert;
     - mehr denn je zählen der Umweltgedanke und der Erhalt unserer Kulturlandschaft;
     - mehr denn je müssen die Ansprüche der Gesellschaft an die Landwirtschaft ernst genommen werden.

     Hier sind von Seiten der Landwirtschaft Initiative, Erfindergeist und Mut gefragt.

       ZITAT:
                                Profite müssen mit dem Wohlergehen der Menschheit
                                und unseres gesamten Lebensraumes vereinbar sein.
                                                                              (Quelle: Matthias Horx, Trendforscher, 2009)

     Die Gesellschaft setzt auf einen LoHaS-Lebensstil, einen Lebensstil, der von Gesundheit und Nachhaltigkeit
     geprägt ist (Lifestyle of Health and Sustainability).
     Dies rührt wohl daher, dass sich die Konsumenten immer öfter fragen, welche Konsequenzen ihr gegenwär-
     tiger genussvoller Konsum für die Zukunft hat. Um einen sinnvollen Ausweg aus diesem Spannungsfeld zu
     bieten, entwickeln sich die Märkte des Sinnvollen, der Verantwortung, des Ethischen. Vor diesem Hintergrund
     sind Fair Trade (fairer Handel) und Bewegungen wie „Shopping is Voting“ (Einkauf als bewusste Wahl, als
     klare Stellungnahme) entstanden.

     „Wir sind“, so wagen Experten bereits zu prognostizieren, „auf dem Weg in einen ethischen Kapitalismus!“

     Die bestehende Werte- und Umweltsensibilität wird von den Südtiroler Landwirten gespürt und wurde im
     Zuge der Innovationsstudie von 98 Prozent der befragten Bauern als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ bewertet.

     Umweltschutz und artgerechte Tierhaltung

     Für die Bauern ist es ein schwieriger Spagat, die Produktivität zu steigern und gleichzeitig aktiven Umwelt-
     schutz zu betreiben und auf den Erhalt der Biodiversität zu achten.
     In Südtirol wirkt sich die Vielfalt an bäuerlichen Klein- und Familienbetrieben sowie an landwirtschaftlichen
     Produktionssystemen grundsätzlich positiv auf die biologische Vielfalt aus. Experten erkennen aber sehr
     wohl noch Handlungsbedarf. Auch in Südtirol dürfen Nachhaltigkeit und Umweltschutz keine wirkungslosen
     Schlagworte sein: Unsere Böden sind schließlich nicht austauschbar!
10
Vor allem der Einsatz von Agrarchemie sowie die intensive Bewirtschaftung von Ungunstlagen sollten
stärker hinterfragt werden und das nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ökologischen
Gesichtspunkten.

Rund ein Viertel der Südtiroler glaubt, dass die heimische Landwirtschaft wenig Wert auf artgerechte
Tierhaltung legt. Das mag vor allem daran liegen, dass sich die Bevölkerung von der Landwirtschaft entfernt
hat und die Haltung von Tieren für die Fleisch- und Milchproduktion mit jener von Haustieren vergleicht.
Dem kann die Landwirtschaft am besten mit Aufklärung, Transparenz und der allgemeinen Pflege des
landwirtschaftlichen Images entgegenwirken.

Image

Die großen Herausforderungen für die Landwirtschaft warten nicht nur in den Bereichen Umweltschutz
und artgerechte Tierhaltung sondern auch im Bereich der Imagepflege.

Die Innovationsstudie hat aufgezeigt, dass die Landwirtschaft in Südtirol geschlossen und zukunftsorientiert
aufzutreten vermag. Laut qualitativer Marktforschung findet die Obstwirtschaft bei der Bevölkerung nur
teilweise Anklang, die Weinwirtschaft und besonders die Berglandwirtschaft haben hingegen ein sehr gutes
Image.

Allerdings erschwert die Lebens- und Arbeitswelt von heute eine realistische Vorstellung der Arbeit in der
Landwirtschaft. Dieses Unwissen führt bei vielen Menschen zu Zerrbildern und Vorstellungen, die den bäuer-
lichen Produktionsweisen und Strukturen nicht gerecht werden.

 ZITAT:

   Die Herausforderung für die Südtiroler Landwirte besteht darin, immer wieder selbst als Botschafter
       zur positiven Wahrnehmung der Landwirtschaft beizutragen, denn der Beruf des Landwirts
            genießt aufgrund seiner Anschauungsnähe und Bodenhaftung große Sympathie.

                                                      (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011)
                                                                                                                          11
Innovationstreiber Gesundheit und Qualität

       ZITAT:
                                               An apple a day keeps the doctor away! -
                                      Iss einen Apfel am Tag und du hast dir den Arzt gespart!

                                                                                     Quelle: Walisische Redewendung, 1866

     Die Themen „Qualität“ und „Gesunde Ernährung“ spielen in der modernen westlichen Welt eine entschei-
     dende Rolle. In beiden Bereichen können Südtiroler Produkte bereits jetzt punkten.

     Wichtig ist die Erkenntniss, daß Kunden kaum noch Toleranz in Sachen Qualität haben. 93 Prozent der
     im Rahmen der Innovationsstudie befragten Südtiroler Landwirte geben an, dass die höheren Ansprüche
     von Kunden an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen spürbar und als „sehr wichtiger“ oder
     „wichtiger“ Trend zu sehen sind.

     Es gibt unterschiedliche Auffassungen von Lebensmittelqualität, je nach Erwartungen an die Lebensmittel
     (gesundheitliche, sensorische, anbau- und verarbeitungstechnische, immaterielle Qualität).

     Bei den Konsumenten gelten als qualitativ hochwertig jene Produkte, die schön aussehen, gut riechen,
     gut schmecken, reich an Inhaltsstoffen sind und die richtige Festigkeit aufweisen.

     Für Südtiroler Landwirte geht Qualität noch viel tiefer und entsteht – das kann man auch aus den Antworten
     ablesen, die im Zuge der Innovationsstudie gegeben wurden – schon im Produktionsprozess von Lebens-
     mitteln. Lebensmittelqualität heißt für die Südtiroler Landwirte in erster Linie, dass für die entsprechende
     Erzeugung weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Daher ist Qualität auch Synonym für
     „naturnahe“ Erzeugnisse, für „gesunde“ und „biologische“ Lebensmittel. Darüber hinaus sollten
     qualitativ hochwertige Lebensmittel in ihrer Herkunft „nachverfolgbar“, „frisch“ sowie „kontrolliert“
     und „sicher“ sein.

                                                Öffentliche Wahrnehmung

                                                                                       negativ
                                                                                                              PRODUKTIVITÄT
            NATÜRLICHKEIT

                            positiv

                            Wunschökonomie                    ?                  Preisökonomie

                                                                                       (Quelle: Prof. Dr. Achim Spiller, 2010)

     Südtirol kann der Preisökonomie nicht entsprechen und muss deshalb konsequent den Qualtätsweg gehen.

     Die Chancen, die sich für Südtirol in der Produktion von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln ergeben,
     sind groß. Allerdings geben Experten zu bedenken, dass derzeit nicht belegt ist, dass Südtirol
     gesündere Lebensmittel produziert als die Mitbewerber auf dem Markt (z.B. Nordtirol und Bayern).

     Die zentrale Frage muss deshalb lauten, wie es gelingen kann, die Qualität Südtiroler Lebensmittel weiter
     hoch zu halten, sie wissenschaftlich nachzuweisen und sich so von anderen Anbietern zu unterscheiden.
12
Ein weiterer Aspekt in Sachen gesundheitsfördernde Lebensmittel sollte bedacht und als Chance
genutzt werden: Es ist eine Tatsache, dass die privaten Ausgaben für die Gesundheit weiter zunehmen.

Damit haben all jene Lebensmittel eine große Zukunft, die als „natürliche Tablette“ gelten, weil sie reich an
Vitaminen und Nährstoffen sind und/oder keine Schadstoffrückstände beinhalten.

Funktionelle Lebensmittel (Functional Food), die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert sind und auf
positive Weise den menschlichen Organismus beeinflussen, verzeichnen deutliche Umsatzzuwächse.
Dazu zählen beispielsweise mit Omega-3-Fettsäure angereichertes Brot oder Jogurt mit Bakterienkulturen.
Ebenso werden Produkte, die Lebens- und Schönheitsmittel zugleich sind (Nutricosmetics), immer
stärker von Konsumenten nachgefragt.
Lebensmittel, welche Gesundheit mit Genuss verknüpfen (Soft Health Food), wird gleichfalls eine große Zu-
kunft vorhergesagt. Als Beispiel dafür können Ganzfruchtgetränke, sogenannte Smoothies, genannt werden.

                                         Die Wichtigkeit des Trends
                                  Lebensmittel, die gesundheitsfördernd sind
                          64%

                                         33%

                                                         2%                               1%

                        sehr wichtig     wichtig   nicht so wichtig   nicht wichtig       k.A.

                                                                                  (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

97 Prozent der Südtiroler Bauern erkennen im Hinblick auf gesundheitsfördernde Lebensmittel einen
„sehr wichtigen“ oder „wichtigen“ Trend.

  ZITAT:
                    Um Erfolg zu haben, müssen gesundheitsfördernde Lebensmittel
               transparent und für den Konsumenten verständlich gekennzeichnet werden.

                                                           (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011)
                                                                                                                               13
Innovationstreiber (G)lokalisierung

     Der Kunstbegriff „Glokalisierung“ beschreibt das gekonnte Zusammenspiel des Globalen mit dem Lokalen.
     Südtirol kann in beiderlei Hinsicht seine Stärken ausspielen.
     Zu den Gewinnern der Globalisierung werden laut der Österreichischen Bundesanstalt für Agrarwirtschaft
     jene ländlichen Räume zählen, die entlang von internationalen Verkehrsachsen liegen und als zweisaisonale
     Tourismusregionen auftreten können.
     Zu den Gewinnern des Lokalen zählen hingegen jene Gebiete, die auf regionale Wirtschaftskreisläufe sowie
     auf Werte und Vertrautes, auf Authentisches und Heimat setzen. Bestehendes Brauchtum spielt dabei den
     landwirtschaftlichen Anbietern in die Hände. Alte Traditionen gewinnen an Bedeutung und werden von
     jüngeren Generationen mit frischen Ideen belebt.

     Gelingt es, vertraute, authentische Produkte und Leistungen innovativ mit Aufregendem, Unbekanntem
     oder Überraschendem zu kombinieren, können landwirtschaftliche Unternehmen Lokales erfolgreich zu-
     kunftsfähig machen.

       SCHLAGWORTE:

                  „Futtern wie bei Muttern“ – „Großmutters Spezialitäten“ – „Die gute alte Zeit“

     Lebensmittel aus regionaler Herkunft (Local Food), die eine längere natürliche Lagerfähigkeit und/oder
     kurze Transportwege aufweisen sowie aus vertrauenswürdiger, auch handwerklicher Produktion stammen,
     entsprechen dem Konsumentenwunsch nach Frische und Natürlichkeit, nach naturnaher Herstellung und
     weniger Zusatzstoffen. 3

     Der Ruf nach Regionalität wird auch vom Handel verstanden und von der öffentlichen Hand unterstützt.
     Die Offensive zur Verwendung heimischer Produkte in Schulen und Kindergärten ist da Beispiel gebend.

     Regionalität und Authentizität von Produkten und Leistungen zählen zu den Trends der Zukunft.

                                             Die Wichtigkeit des Trends
                                            Regionalität und Authentizität

                                            51%

                               42%

                                                            4%                                      3%

                             sehr wichtig   wichtig   nicht so wichtig   nicht wichtig              k.A.

                                                                                         (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

     Die Kunden möchten zudem über Herkunft, Fertigung, Transport usw. des Gekauften verlässlich informiert
     werden, dann sind sie (in Europa zu einem Drittel) auch bereit, mehr für die lokalen Produkte zu bezahlen.

     Vor diesem Hintergrund wird das Schaffen einer neuen Herkunftsbezeichnung DOCC ( denominazione di ori-
     gine chilometrica controllata) angedacht, die genau festlegt, in welchem Umkreis die verzehrten Lebensmittel
     produziert worden sind.

                                                                                         3
14                                                                                           Hanni Rützler, Einblick in die Brotstudie, 2012
Innovationstreiber Kundenbedürfnisse

Kundenbedürfnisse sind die Grundlage der Kundenorientierung! Diese Aussage ist logisch und nachvoll-
ziehbar. Doch welche sind die Kundenbedürfnisse, an die sich die Lebensmittelbranche und damit auch die
Landwirtschaft zu orientieren haben?

 MEGATRENDS:
                                        Wellness und Gesundheit
                                   Natürliche und biologische Produkte
                                      Waren mit regionalem Bezug

Ernährungstrends und Lebensmittel von morgen

In Sachen Ernährung scheint klar, dass viele traditionelle Ernährungsmuster verloren gehen werden. Die
Menschen haben wenig Zeit und gleichzeitig den Bedarf an Lebensmitteln, die schnell und unkompliziert
in der Zubereitung sind. In Familien wird seltener traditionell gekocht. Vielmehr kommen Halbfertigproduk-
te oder Ähnliches auf den Tisch. Im Allgemeinen verbrauchen die Menschen weniger Kalorien. Sie essen
weniger, aber öfter. Der Speiseplan wird internationaler. Alleinesser und der Außer-Haus-Verzehr werden zur
Regel.

Als Ernährungstrends von morgen gelten:
- Convenience Food 2.0 (verbindet Flexibilität und Zeitgewinn mit gesundem Genuss, Qualität und Vielfalt),
  Fast Good (Schnellimbiss mit stärkerer Gesundheitsbetonung);
- Soft Health Food (Verknüpfung Gesundheit und Genuss), Mood food (Lebensmittel als Stimmungsmacher);
- True Food (unverarbeitete, roh und unverpackt vertriebene Lebensmittel), Pretty Food (ästhetisch präsen-
  tierte Speisen);
- Local Food (Lebensmittel aus regionaler Herkunft) für sogenannte „Locavore“-Kunden („Lokalfresser“).

Lebensmittel von morgen sind frisch, unkompliziert in der Zubereitung und zugleich von hoher Qualität.

Lebensmittel und Design

Das Design der Lebensmittel von morgen spielt eine wesentliche Rolle.
Aspekte wie Optik und Sensorik der Verpackung tragen zum entscheidenden Kaufimpuls bei, denn Kreati-
vität und Emotion werden vom Kunden wahrgenommen.

Auch für landwirtschaftliche Anbieter lohnt es sich deshalb, über die Verpackung als „Architektur“ für
ihre Produkte nachzudenken. Funktionale Verpackungen wie beispielsweise eine Kühlautonomie für
verderbliche Lebensmittel, eine Weinetikette mit einer klaren Empfehlung für ein passendes Gericht oder
eine Produktetikette, die den gesundheitlichen Nutzen verspricht, werden vom Markt gewünscht.                 15
Innovationstreiber Technologie und Arbeitssicherheit

     67 Prozent der befragten Südtiroler Bauern stufen den Trend zum technischen Fortschritt als „sehr wichtig“
     oder „wichtig“ ein.

       ZITAT:
                          Es ist kaum vorstellbar, dass auf Dauer menschliche Arbeit für
          Vorgänge eingesetzt wird, die ebenso gut oder besser durch Automaten erledigt werden können.
                                                                               (Quelle: Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, 2009)

     Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass demnächst mit weiteren revolutionären
     technischen Fortschritten in der Landwirtschaft zu rechnen ist.
     Doch gilt es zu bedenken, dass technische Investitionen immer auch wirtschaftlich tragbar und sinnvoll
     sein müssen, denn Innovation verfolgt in erster Linie den Zweck, einen Mehrwert/Mehrerwerb zu schaffen!

                                                                                                       (Quelle: amazone)

     Generell können technische Innovationen in verschiedenen Bereichen Nutzen stiften. Auch wenn der Mensch
     in der Landwirtschaft nach wie vor der wichtigste Erfolgsfaktor ist, spielt die Maschinisierung, die Roboteri-
     sierung und die Digitalisierung in der Zukunft eine wichtige Rolle.

     Maschinisierung

     In der Südtiroler Landwirtschaft wird derzeit an unterschiedlichen Projekten zur Maschinisierung bestimmter
     Arbeitsabläufe gearbeitet:

     - Maschinen zur Präzisionslandwirtschaft im Kleinen (z.B. Erfassung des Zustandes des Pflanzenbestandes
       und punktgenaue Düngung über Einsatz von Sensortechnik, GPS, Computer, etc.) werden entwickelt;
     - Es laufen Versuche, Fallobst maschinell einzubringen;
     - Beim Beerenobst gibt es Entwicklungen, alle Arbeitsschritte bis auf die Ernte zu maschinisieren;
     - Projekte zur Echtzeitdiagnose von Krankheiten oder Schädlingsbefall werden umgesetzt;
     - Neue Lösungen gegen die Abdrift im Bereich der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln werden erwartet.

     Roboterisierung

     Der Melkroboter ist in der heimischen Landwirtschaft bereits Realität. Autonome Feldroboter stellen die
     nächste Stufe der Automatisierungstechnik dar.

     Im Allgemeinen sind Roboterisierung und Präzisionslandwirtschaft Themenbereiche der Zukunft, die unter
     anderem durch die innovative Kombination autonomer, teilautonomer und bemannter Systeme reellen
     Niederschlag finden werden. Die verschiedenen Arbeitsprozesse in der Landwirtschaft sind auf die Anwen-
16   dungspotentiale dieser Systeme hin zu überprüfen.
Digitalisierung sowie Informations- und Kommunikationstechnologien

Im neuen Jahrtausend ist die IT-Revolution bereits stark fortgeschritten.

Schnelle und unbürokratische Kommunikationsformen per Internet und E-Mail sind heute unerlässlich.
Daher sind moderne und schnelle Internetverbindungen auf jedem (Berg-)Bauernhof ein Muss.

Informationstechnologien eröffnen zudem viele weitere Möglichkeiten wie z.B.:

- Neue Formen der Produktkennzeichnung (z.B. ein Mikrochip mit Produkt- und Herkunftsinformationen
  in der Verpackung);
- Terminals an Verkaufspunkten, an denen Kunden Informationen zur Herkunft von Waren abrufen können;
- Von den Kunden geforderte digitale Rückverfolgbarkeit und nachvollziehbare Kontrolle.

Arbeitssicherheit

Großes Innovationspotenzial besteht auch im Bereich der Arbeitssicherheit, speziell hinsichtlich Warn- und
Alarmsysteme. Die nach wie vor hohe Rate an Arbeitsunfällen in der Landwirtschaft ruft schier nach weiteren
Entwicklungen.                                                                                              17
Innovationstreiber Kooperation und Kombination

     Erwerbskombinationen und Kooperationen sind nichts Neues für die Südtiroler Landwirtschaft.
     Das Gemeinsame muss aber weiterhin gefördert werden. Die Erfolgsformel sollte dabei wie folgt lauten:
     „Dezentral produzieren, veredeln, verpacken und zentral bewerben und verkaufen!“

     Chancen liegen gerade im gebündelten Marketing und im gemeinsamen Vertrieb von Südtiroler Produkten
     wie z.B. gemeinsame Fernsehkampagnen, Belieferung von und Positionierung in den Raststätten entlang
     der Brennerautobahn, gegenseitige Unterstützung und enge Zusammenarbeit aller heimischen Wirtschafts-
     verbände.

     Berufsbilder und Chancenfelder der Zukunft

     Die Landwirtschaft von morgen wird von vier grundsätzlichen Berufsfeldern geprägt sein, die man wie folgt
     zusammenfassen kann:

                                                                             • Der Umweltwirt
               • Der Hofveredler                                             • Der Kommunaldienstleister
               • Der Direktvermarkter                                        • Der Anbieter von
               • Der Spezialist                     Der      Der               landwirtschaftlichen
                                             integrierte     Agrar-            Arbeitserledigungen
                                           Wertschöpfer      dienstleister

                                                   Der       Der
                                          Einkommens-        agrarische
               • Am-Hof-Kombinationen       kombinierer      Rohstoff-       • Der Lieferant für Vermarkter
                                                             produzent         und Veredler
                (z.B. UaB)
               • Außerhalb-Hof-Kombinationen                                 • Vertragslandwirtschaft
               • Saisonale Kombinationen                                     • Der Energiewirt
                                                                             • Präzisionslandwirtschaft

                                                                 Frei nach Franz Fischler, EU-Kommissar für Landwirtschaft

     In Summe decken die vier Berufsbilder „Integrierter Wertschöpfer“, „Agrardienstleister“, „Einkommens-
     kombinierer“ und „Agrarischer Rohstoffproduzent“ sämtliche landwirtschaftliche Leistungen der Zukunft ab.

                                                                                    Innovations- und Entwick-
                                                                                    lungschancen sollen
                                                                                    hauptsächlich im Bereich
                                                                                    des Zuerwerbs am Hof
                                                                                    gesucht werden.

18
Tourismus

Naheliegende Kooperationsmöglichkeiten bestehen zwischen der Landwirtschaft und dem Tourismus.
Die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Tourismus funktioniert dabei nur, wenn beide davon bewusst
profitieren (Erfolgsbeispiel AMA Gastrosiegel).

Potenzial steckt besonders in der weiteren Öffnung der Bauernhöfe und dem Vor-Ort-Verkauf – so können
Vertrauen, Geschichten und Emotionen „mitverkauft“ werden.

Ebenso können weitere Spezialisierungen des Angebotes Urlaub auf dem Bauernhof angedacht werden.

Dienstleistungen

Was weitere Dienstleistungen am Bauernhof betrifft, sind beispielsweise die Südtiroler Bäuerinnen bereits
aktiv, so in der Kinder- und Seniorenbetreuung, als Kultur- und Naturführerinnen, als Botschafterinnen bäuer-
licher Produkte oder mit der Brotzeit der Bäuerinnen.

Bei der Dienstleistungserbringung ist wichtig, sich weiterhin an wirklichen Kundenbedürfnissen zu
orientieren, den Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, ertragssichere Preise zu fordern, Kontinuität
zu garantieren und ständige Innovationsbemühungen voranzutreiben.

Darüber hinaus bietet auch die Lohnarbeit für Dritte beispielsweise über den Maschinenring-Service (Winter-
dienste, Grünraumpflege wie Baumschnitt, Mäharbeiten oder Freischneidearbeiten, etc.) viele Möglichkeiten
und kann eine interessante Einkommensquelle darstellen.

Großes Innovationspotenzial steckt auch im Bereich des bäuerlichen Handwerks.

                                                                     Hier sollten vor dem Hintergrund des
                                                                     Kooperationsgedankens künstlerische
                                                                     und handwerkliche Fähigkeiten zusam-
                                                                     mengeführt und gefördert werden (z.B.
                                                                     Projekte mit Tierfellen, Filzstoffen, Holz,
                                                                     Gewürzen, Stroh, Weiden, ätherischen
                                                                     Ölen usw.). Zur konkreten Produktent-
                                                                     wicklung könnte das bäuerliche Hand-
                                                                     werk eine Kooperation mit der Fakultät
                                                                     für Design der Freien Universität Bozen
                                                                     anstreben. Auch in diesem Zusammen-
                                                                     hang gilt:

                                                                     Mögliche Innovationen müssen die
                                                                     Erwartungen der Kunden erfüllen und
                                                                     sich mit dem Berggebiet und dem
                                                                     Traditionellen vertragen.

                                                                                                                   19
Innovationstreiber Energie
     Weltweit findet eine Verknappung strategischer Ressourcen (fossile Energieträger, Frisch- und Trinkwasser,
     Mineralstoffe, Metalle) statt, und es gilt als sicher, dass die Energiepreise schon in naher Zukunft weiter
     steigen werden.

       MEGATRENDS:
                       Einsatz regenerativer Energiequellen und nachwachsender Rohstoffe
                                           Energieeffizienz-Revolution
                                          Dezentrale Energieversorgung

     Erneuerbare Energien
     Die Nutzung regenerativer Energiequellen ist von großer Wichtigkeit und birgt bedeutende Chancen für
     die innovative Landwirtschaft. Das wissen auch 98 Prozent der Südtiroler Bauern, die den Trend als
     „sehr wichtig“ oder „wichtig“ beurteilen.

                                             Die Wichtigkeit des Trends
                                Energieerzeugung mit Hilfe erneuerbarer Energieträger
                               64%

                                            34%

                                                            2%                               0%
                             sehr wichtig   wichtig   nicht so wichtig   nicht wichtig        k.A.

                                                                                     (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

     Der Biomasse (fest, flüssig, gasförmig) kommt in der Land- und Forstwirtschaft naturgmäß eine zentrale
     Rolle zu.
     Es gilt, die Bereitstellung des Rohstoffes, wie z.B. Holz, für eine energetische Nutzung zu forcieren und
     dessen Nutzung zur Erzeugung von Stom, zur Erzeugung von Wärme und/oder Kälte sowie zur
     kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme/Kälte in Zukunft voranzutreiben.

     Die bereits bestehenden Biomassepotentiale sollen verstärkt mobilisiert sowie gleichzeitig zusätzliche
     Biomassepotentiale erschlossen werden. Dazu zählen beispielsweise:
     - Biomasse aus dem Wald (u.a. Waldresthölzer);
     - Reststoffe aus der Viehzucht (Gülle, Festmist);
     - Weitere Reststoffe, Nebenprodukte und Abfälle aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung
       (Holz- und Grasschnitt aus dem Obst- und Weinbau, Fallobst, Serum/Molke aus der Milchverarbeitung,
       Obstreste aus der Obstverarbeitung, Trester aus der Weinproduktion etc.);
     - Biomasse aus der Landschaftspflege.
     Forschung- und Entwicklungstätigkeiten sollten sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Thema
     Energiepflanzen, wie z.B. Holz aus Kurzumtriebsplantagen, befassen.

     Bioenergie muss nachhaltig und unter Berücksichtigung der integrierten Wertschöpfungskette - zuerst
     Lebens- und Futtermittel und dann erst Energie - produziert werden!

     Im Sinne einer dezentralen Energieversorgung sind zukünftig die Errichtung und der Betrieb von
     Nahwärmenetzen oder sogenannten Mikronetzen sinnvoll. Mikronetze werden mit Biomasse aus heimischen
     Wäldern betrieben und ermöglichen es, kleinräumige, periphere Wohngebiete, öffentliche Einrichtungen oder
20   Wirtschaftsbetriebe durch eine zentrale Heizungsanlage mit Wärme zu versorgen.
Auch neue Betreibermodelle von Energieanlagen einschließlich neuer Dienstleistungen rund um die Ener-
gie, die über die Bereitstellung des Energie-Rohstoffes Holz hinausgehen, sollten angedacht und umgesetzt
werden. Dazu können beispielsweise Contracting-Modelle (wie das Holzenergie-Contracting bei Mikronetzen)
zählen.

Die energetische Nutzung der Wasserkraft bietet neben der Erneuerung und dem Ausbau bestehender Anla-
gen vor allem im Neubau von Anlagen im kleineren Leistungsbereich noch Potential. Dabei bietet sich unter
bestimmten Voraussetzungen auch die Nutzung des Beregnungswassers zur Erzeugung von Energie an.

Die Erzeugung von Wärme aus Umweltenergie z.B. über Wärmepumpen, die mit Photovoltaik-Anlagen kombi-
niert werden können, kann in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Auch die Wärmeerzeugung aus der Solarenergie über den Einsatz von Solarthermie-Anlagen ist noch ausbau-
fähig. Bereits umfangreichen Einsatz findet die Solarenergie bei der Erzeugung von Strom mittels Photovoltaik.

Um eine breite Nutzung der erneuerbaren Energieträger zu ermöglichen, müssen ausreichend marktreife
Technologien zur Verfügung stehen. Dazu zählen beispielsweise Technologien zur Stromerzeugung im
niedrigen Leistungsbereich, Technologien zur Biomassevergasung für die Strom- und Wärmeerzeugung
oder Technologien zur Veredlung des Rohstoffes Holz zu Brennstoffen.

Der beispielhafte Einsatz von Bioenergie und von erneuerbaren Energieträgern in der Landwirtschaft sollte
durch die öffentliche Hand bewusst prämiert werden.

Energieeffizienz

In der Energieeffizienz und in der Energieeinsparung ergeben sich für die Landwirtschaft zukünftig
interessante Möglichkeiten.

Die Erschließung von Sparpotentialen und die Verbesserung der Effizienz der Energienutzung gewinnen
angesichts stetig steigender Energiekosten auch für die Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung.

Potentiale liegen dabei nicht nur im Bereich Gebäude (Neu- und Altbauten). Auch in den verschiedenen
landwirtschaftlichen Produktionsverfahren bestehen sowohl in der Außenwirtschaft (z.B. Treibstoffbedarf
für die Maschinen der Außenwirtschaft, etc.) als auch in der Innenwirtschaft (z.B. Wärme- und Strombedarf
in der Tierhaltung, im Bereich Trocknung, etc.) Potentiale, die es zu erschließen gilt.

  ZITAT:

      Guter und ressourcenschonender Umgang mit Energie nützt dem Land und wird geschätzt.

                                                                        (Quelle: Dr. Christoph Engl, SMG Forum 2011)
                                                                                                                       21
Innovationstreiber Wirtschaftlichkeit

       ZITAT:

                          Besser geführte, spezialisierte Betriebe sind in der Lage, rentabler
                             als Konkurrenten mit doppelt so großen Beständen zu sein.

                                                 (Quelle: Christian Stockinger, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, 2009)

     Prozessinnovation

     Die Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe kann unter anderem durch die ständige Verbesserung
     und Optimierung von Arbeitsabläufen erhöht werden. Beispielsweise durch die Entwicklung und den Einsatz
     neuer Technologien oder Rohstoffe, durch die Verbesserung einzelner Produktionsstufen oder durch die
     Umsetzung neuer Vertriebsstrukturen, können:

     - die Produktionskosten gesenkt;
     - der Umsatz gesteigert;
     - die Fehlerquote verringert;
     - die Flexibilität des Betriebes erhöht werden.

     Diversifizierung - Nischenpolitik

                                                                    Nischen können Wachstum generieren und so
                                                                    die Zukunft der Betriebe sichern! In Südtirol
                                                                    werden bereits erfolgreich Nischenprodukte wie
                                                                    Kirschen, Marillen, Birnen, Erdbeeren, Himbeeren,
                                                                    Kräuter und Gemüse angebaut und vertrieben.
                                                                    Auch Stecklinge und Sämlinge (Jungpflanzen)
                                                                    werden mit Erfolg abgesetzt.

                                                                    Die höher gelegenen Anbaugebiete Südtirols wei-
                                                                    sen durch den späteren Reife- und Erntezeitpunkt
                                                                    sowie das geringere Krankheits- und Schädlings-
                                                                    risiko einen entscheidenden Nischenvorteil auf.

                                                                    Es könnte sinnvoll sein, verstärkt auf Sonderkultu-
                                                                    ren wie Beeren (z.B. Bergerdbeere), Sanddorn,
                                                                    Stevia zur Zuckergewinnung oder spezielle Gemü-
                                                                    se-, Obst- oder Getreidesorten zu setzen. Großes
                                                                    Innovationspotenzial steckt auch in der Weiterver-
     arbeitung (Veredelung und Verfeinerung) landwirtschaftlicher Produkte, z.B. zu Essig, Smoothies (Säfte aus
     100 Prozent Frucht), getrocknetem Obst, eingewecktem Gemüse oder Brotspezialitäten. Die neue Genusskul-
     tur im Bereich Destillate sollte genutzt und die Produktpalette der Hofkäsereien erweitert werden. Neben der
     Produktion von Qualitätsfleisch könnte in Zukunft auch der Anbau traditioneller Heilkräuter eine interessante
     Alternative darstellen.

        ZITAT:

         Die Herausforderung für den einzelnen Anbieter liegt darin, die richtige Anzahl und die richtige
        Auswahl an Nischen zu treffen, denn wie Fachleute wissen: Eine Nische allein reicht heute nicht
        mehr aus! Zu viele Nischen dürfen aber ebenso wenig bearbeitet werden, da diese Nischenpolitik
                 zu Lasten der Spezialisierung und somit zu Lasten der Qualität gehen könnte.

                                                               (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011)
22
Direktvermarktung

Eine höhere Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe kann auch mithilfe der Direktvermarktung
erreicht werden, da der Kunde zunehmend direkten Kontakt mit dem Produzenten wünscht. Unter dem
Motto „von der Region für die Region“ wird die Dirketvermarktung künftig weiter an Bedeutung gewinnen.

Für die Direktvermarktung bestehen in der Landwirtschaft verschiedene Möglichkeiten. Dazu zählen der
Ab-Hof-Verkauf, der Bauernmarkt und der Bauernladen. Beim Fahrverkauf bietet der Landwirt potenziellen
Kunden die Ware sozusagen frei Haus an. Neben der Zusammenarbeit mit spezialisierten Großabnehmern
kann auch das Internet für den Vertrieb genutzt werden. Voraussetzung ist der Aufbau eines Online-Shops
und einer funktionierenden Vertriebslogistik. Der Koordinationsaufwand ist allerdings relativ hoch und für
den bäuerlichen Internetversandhandel gibt es bislang wenig Erfahrungswerte.

Unabhängig vom gewählten Kanal sind in Sachen Direktvermarktung auf jeden Fall Kooperationen
unter Bauern anzuraten. Dadurch können Kosten gespart und die Qualität als auch die Verfügbarkeit
garantiert werden.

Preis

Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit spielt der Preis immer eine große Rolle. Beeinflusst wird die
Preisbildung in der Regel von den entstehenden Kosten und der gewünschten Gewinnmarge, von der
Intensität des Wettbewerbs und von der Intensität der Nachfrage.

  ZITAT:
                        Produkte müssen mit Inhalten gefüllt und erklärt werden.
                     Denn nur wenn der Konsument die Ware und ihre Vorgeschichte
                         kennt, lernt er das Produkt zu schätzen und ist bereit,
                                   den richtigen Preis dafür zu zahlen.

                                                                                         (Quelle: Luigi Rubinelli, www.retailwatch.it)

Welche Preisstrategie können die Südtiroler Landwirte verfolgen? Möglich ist grundsätzlich eine Niedrig-
oder eine Hochpreisstrategie. Die Niedrigpreisstrategie kann unter Umständen bei einer schnellen Markt-
durchdringung und im Wettbewerb hilfreich sein. Für die Hochpreisstrategie sind höchste Produktqualität,
aber auch bestes Image und ein hochwertiges Distributionssystem Voraussetzung. Nur so kann ein exklusi-
ves Marktsegment mit geringem Konkurrenzrisiko angesprochen werden.

                                             Die Wichtigkeit des Trends
                                       Zunehmende Preissensibilität der Kunden

                                            64%

                          16%
                                                            13%

                                                                            1%                   6%

                        sehr wichtig        wichtig   nicht so wichtig   nicht wichtig           k.A.

                                                                                    (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011)

Die Innovationsstudie belegt, dass 80 Prozent der Landwirte eine zunehmende Preissensibilität der Kunden
verspüren.                                                                                                                               23
Inwieweit kann der Innovationsprozess selbst wirtschaftlich gestaltet werden?

     Große Chancen bieten Verbesserungsinnovationen. Die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistun-
     gen hat gegenüber vollkommen neuen Innovationen Vorteile, weil sie im Allgemeinen weniger kostenintensiv
     und so leichter finanzier- und umsetzbar ist. Zudem ist die Gefahr, dass die Innovation am Markt keinen
     Absatz findet, eher gering, da die Kundenwünsche und die Erwartungen der Absatzpartner (Bedürfnisinfor-
     mation) in der Regel berücksichtigt werden.

                 Bedürfnisinformation
                                                                                 Innovationserfolg
                 Lösungsinformation

                                                                             (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2008)

     Erfolgsfaktoren für Innovationen im Lebensmittelbereich

     Grundsätzlich gelten für Produktinnovationen im Lebensmittelbereich bestimmte Erfolgsfaktoren:

     - Konsumenten müssen über Marktforschungen in den Innovationsprozess eingebunden werden. Wichtig
       ist, dass der innovative Hersteller über die notwendigen Informationen und Qualifikationen verfügt und sich
       deutlich vom Wettbewerb zu differenzieren vermag.
     - Der Entwicklungszeitraum muss überschaubar sein.
     - Die Innovation muss ganz klar und mit dem richtigen Preis-Leistungs-Verhältnis positioniert werden.
     - Es gilt, ein realistisches Finanzierungskonzept auf die Beine zu stellen und eine strategische
       Marketingausrichtung zu verfolgen.

     Von Bedeutung ist, die Vorlieben und Ansprüche der Kunden zu kennen – und das für jeden einzelnen
     Absatzmarkt. Wie Erhebungen4 belegen, unterscheiden sich Lebensmittelkonsumenten in ihren Bedürfnissen
     deutlich. Deutschen Kunden etwa ist wichtig, dass die Lebensmittel, die sie kaufen, frisch sind und
     – das ist von Bedeutung – dass ihr Preis günstig ist. Dass es sich bei den Lebensmitteln um saisonale,
     regionale, gentechnikfreie oder fettarme Lebensmittel handelt, ist den Konsumenten im Discounterland
     Deutschland weniger wichtig als der Preis. In der Schweiz (ähnlich wie in Italien) achten die Konsumenten
     dagegen hauptsächlich auf Geschmack, Qualität und Natürlichkeit der Lebensmittel, die sie kaufen.

        ZITAT:

                                   Innovation: etwas neu, etwas anders machen.
                               Aber beginne mit dem Kunden, nicht mit dem Produkt!

                                                                          (Quelle: Dr. Christoph Koch, rcm-solutions, 2010)

                                                                                                        4
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Innovationstreiber Forschung und Kompetenz

Aus– und Weiterbildung

   ZITAT:              Aus- und Weiterbildung tragen dazu bei, die Bereitschaft für
                             Neuentwicklungen und Innovationen zu fördern.
                                                       (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011)

Vor diesem Hintergrund sollten nicht nur die bestehenden landwirtschaftlichen Schulzweige, sondern
auch die landwirtschaftlichen Studiengänge an der Freien Universität und die Masterstudiengänge
weiter an die Markterfordernisse angepasst werden. Auch Tagungen und Weiterbildungsangebote
beispielsweise der SBB-Weiterbildungsgenossenschaft werden sich weiter entwickeln, denn:
Lebenslanges Lernen lohnt sich für die Südtiroler Landwirte!

Beratung

Der Südtiroler Bauernbund, der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau und die Bergbauernberatung
bieten bereits sehr gute Dienstleistungen. Gerade im Bereich der Berg- und Grünlandwirtschaft ist aber eine
Vernetzung der Beratungstätigkeit und eine stärkere Miteinbeziehung der Landwirte anzudenken.
Zusätzlich besteht in der Landwirtschaft Bedarf an umfassender externer Unternehmensberatung.
Es soll dabei neben dem technischen Wissen das unternehmerische Denken gefördert und Kostenrechnung,
Marketing und Controlling unterstützt werden. Doch auch in anderen spezifischen Bereichen wie Gesundheit
und Umweltschutz, Zu- und Nebenerwerb, Nischenprodukten, Produktveredelung und Waldnutzung können
Berater eine wichtige Unterstützung für Landwirte sein. Dasselbe gilt für „weiche“ Themen wie etwa die fle-
xible Rollenteilung in Familienbetrieben (Rolle der Frau, Hofübernehmer etc.). Der Blick von außen kann bei
den Veränderungsprozessen in diesem Bereich oft hilfreich sein.
Aufgeschlossene Beratung versucht, Netzwerke und Kooperationen für verschiedene landwirtschaftliche
Anbieter zu berücksichtigen und zu ermöglichen, da einzelbetriebliche Bauernhoflösungen häufig nur
begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten haben.

Darüber hinaus sollen besonders für neue Unternehmensbereiche und Beratungsschwerpunkte
Handbücher mit Praxisbeispielen und Erfolgskennzahlen ausgearbeitet werden.

Bestehende Institutionen wie die land- und forstwirtschaftliche Versuchsanstalt Laimburg oder die EURAC
könnten - nach Möglichkeit institutionenübergreifend - Fachzentren für spezifische Themen wie Ernährung
oder Wirkstoffe von Kräutern einrichten.

Forschung

Auch mit Blick auf die Forschung sollten die land- und forstwirtschaftliche Versuchsanstalt Laimburg, die
Freie Universität Bozen, EURAC, TIS innovation park und der geplante Technologiepark verstärkt Synergien
nutzen und sich den landwirtschaftlichen Unternehmen öffnen sowie deren Bedarf und Notwendigkeiten
aufgreifen.

Für die Landwirtschaft im Speziellen könnten zum Beispiel spezifische Boden- und Standorteigenschaften
im Hinblick auf qualitäts- und wertbestimmende Inhaltsstoffe erforscht werden (z.B. kann sich die
Marteller Erdbeere von einer holländischen unterscheiden?). Weiter intensiviert werden sollte die
Forschungstätigkeit in den Bereichen Pflanzengesundheit und Pflanzenresistenz, standortgerechte
Sortenwahl, Chancen durch Höhenlage oder Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel.

Generell ist die umsetzungsorientierte Forschungstätigkeit im Agrar- und Lebensmittelsektor zu erhöhen
(z.B. hinsichtlich innovativer Ideen wie Joghurtbecher aus Apfeltrestern oder Arzneikapseln aus Apfelschalen).
Dabei müssen Forschungskooperationen (auch mit dem Ausland) ausgebaut und eingegangen werden.

Vom geplanten Technologiepark sollen größere, in der Produktion und in der Verarbeitung tätige
Unternehmen ebenso profitieren wie kleinere Produzenten und Verarbeiter.                                                   25
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