Nr. 13 Innovationsstudie zur Landwirtschaft in Südtirol - Südtiroler Bauernbund
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Impressum Herausgeber: Südtiroler Bauernbundgenossenschaft, K.-M.-Gamper-Str. 5, 39100 Bozen Verfasser: Koch & Unterfrauner GmbH - rcm-solutions / Dr. Christoph Koch und Dr. Horst Unterfrauner Handwerkerzone 6, 39030 Terenten, Tel. 0474 561198, E-mail: info@rcm-solutions.it Leitung und inhaltliche Begleitung/Koordination: Südtiroler Bauernbund / Dr. Ulrich Höllrigl und Dr. Irene Unterkofler, Abteilung Innovation und Erneuerbare Energien; Bauernbund-Service GmbH Gestaltung: Graphic Studio Creation KG - Sterzing (BZ) Druck: Druckerei Fliridruck - Meran (BZ) Fotomaterial: Archivfotos Creation KG, Südtiroler Bauernbund, SMG 1. Auflage, November 2012 Abteilung 34 - Innovation, Forschung, Ripartizione 34 - Innovazione, Ricerca, Entwicklung und Genossenschaften Sviluppo e Cooperative
Vorworte Die Südtiroler Landesregierung zählt die Förderung von Innovation, Forschung und Entwicklung zu ihren Prioritäten. Denn diese Bereiche sind die Basis für die Entwicklung der Wirtschaft und der Gesell- schaft Südtirols. Innovation kann dabei als Querschnittsthema in alle Wirtschaftssektoren Südtirols Eingang finden. So ist sie auch wesentlich für den Erfolg der Landwirtschaft und ihrer Produkte und Dienstleistungen. Denn nur durch die Umsetzung innovativer Ideen sind die landwirtschaftlichen Unternehmen in der Lage, den Bedürfnissen der Konsumenten und des Marktes auch in Zukunft zu begegnen. Roberto Bizzo Innovation darf aber kein Rinnsal sein, das das eine oder andere Unternehmen mitreißt. Sie muss vielmehr wie eine Flut sein, die alle mitträgt. Landesrat Roberto Bizzo Innovation ist einer der Schlüsselfaktoren für die Landwirtschaft der Zukunft. Die Entwicklung neuer und die Verbesserung bestehender Produkte, Verfahren und Dienstleistungen wird in den kommenden Jahrzehnten unabdingbar dafür sein, dass unsere landwirtschaftlichen Unter- nehmen ihre Herausforderungen meistern können. Letztlich wird die Innovationsfähigkeit der Betriebe über Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden. Ein Zitat besagt: Innovation ist die Umwandlung einer Idee in Wertschöpfung. Einfach ist dieser Weg der Umwandlung nicht. Von einer Idee bis hin zum Produkt oder zur Dienstleistung, bei denen der Markt „Hurra“ schreit, sind viele Hürden zu überwinden. Leo Tiefenthaler Um die landwirtschaftlichen Betriebe auf dem Weg hin zum innovativen Produkt oder zur innovativen Dienstleistung gezielt begleiten zu können, hat der Südtiroler Bauernbund eine Studie zur Innovation in der Landwirtschaft in Auftrag gegeben. Die vorliegende Broschüre fasst die wichtigsten Ergebnisse aus dieser Studie zusammen. Sie wird die Grundlage für weitere Initiativen des Bauernbundes bilden, welche zu einer innovativen und zukunftsfähigen Südtiroler Landwirtschaft beitragen sollen. Siegfried Rinner Landesobmann Leo Tiefenthaler Direktor Siegfried Rinner 1
Inhaltsverzeichnis Vorworte 1 Inhaltsverzeichnis 2 Innovation und Strategie 3 Studiendesign 4 Fortschritt aus Tradition 5 Innovationstreiber Demografie 6 Innovationstreiber Lebensmittelsicherheit und Transparenz 8 Innovationstreiber Werte und Umweltsensibilität 10 Innovationstreiber Gesundheit und Qualität 12 Innovationstreiber (G)lokalisierung 14 Innovationstreiber Kundenbedürfnisse 15 Innovationstreiber Technologie und Arbeitssicherheit 16 Innovationstreiber Kooperation und Kombination 18 Innovationstreiber Energie 20 Innovationstreiber Wirtschaftlichkeit 22 Innovationstreiber Forschung und Kompetenz 25 Innovationstreiber Südtiroler Landwirte 26 Innovationstreiber Agrarpolitik und öffentliche Verwaltung 27 Innovationstreiber Südtiroler Bauernbund 28 Schalter für Innovation 29 Ein Hinweis im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung, wie z.B. Bauer/Bäuerin verzichtet. 2 Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
Innovation und Strategie „Wir können Innovationsführer werden“ – davon ist Leo Tiefenthaler, Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes überzeugt. Und mit „wir“ meint Tiefenthaler die Südtiroler Landwirte. Wie kann (und soll) die heimische Landwirtschaft Innovationsführer werden? Vor dem Hintergrund dieser Frage ist es sinnvoll, den Begriff Innovationsführer zu erläutern. Innovationsführer sind innovativ - beim Produkt und in der Dienstleistung; - bei der Produktionstechnik und der Technologie; - im Betriebsmanagement und bei den Prozessen; - im Marketing und im Verkauf. Innovationsführer sind offen für eine auch grenzüberschreitende Forschung und Zusammenarbeit sowie bereit, kalkulierbare Risiken zu akzeptieren.1 Entdeckung des Kundenproblems von morgen (verbesserte) Lösungen Status Quo im bisherigen, angestammten Bereich Entdeckung des Kunden von morgen (Quelle: Friedrich Kerka / Bernd Kriegesmann, Big Ideas erkennen und Flops vermeiden, Berichte aus der angewandten Innovationsforschung, 219/2005) Will die Südtiroler Landwirtschaft Innovationsführer werden, muss sie sich noch stärker als bisher mit den Wünschen der Konsumenten, der Kunden und der Gesellschaft auseinandersetzen. Auf diese Weise bleibt die Landwirtschaft eine Zukunftsbranche! 1 Hugh G. Courtney / Jane Kirkland / S. Patrick Viguerie, Strategy Under Uncertainty, Harvard Business Review, 6/1997 3
Studiendesign Um den Weg in Richtung Zukunftsbranche erfolgreich beschreiten zu können, hat der Südtiroler Bauernbund eine umfassende Innovationsstudie in Auftrag gegeben, die sich in drei Teile gliedert. IST-Situation, Tiefeninterviews Repräsentative Sekundärmarktforschung, mit 44 quantitative Marktforschung Beispiele guter Praxis Experten (300 persönliche Interviews) Innovationsstudie des Südtiroler Bauernbundes Schalter für Innovation im Südtiroler Bauernbund (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) In einer ersten Phase wurde der derzeitige Stand der Innovation weltweit und in der Südtiroler Landwirtschaft anhand von bestehenden Quellen und bereits funktionierenden Beispielen mit Vorbildcharakter erhoben (Sekundärmarktforschung). In der zweiten Phase wurde eine qualitative Marktforschung mittels Tiefeninterviews durchgeführt: 44 Südtiroler Experten mit Bezug zur heimischen Landwirtschaft formulierten ihre Sichtweise und ihre Visionen zu Innovation und Landwirtschaft. Die dritte und letzte Phase der Innovationsstudie umfasste eine repräsentative quantitative Marktforschung. In deren Rahmen wurden 300 persönliche Interviews mit Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe oder am Hof mitarbeitenden Familienmitgliedern geführt. Herzlichen Dank für Ihre Mitarbeit! Die vorliegende Broschüre fasst die wesentlichen Ergebnisse aller Teile der Innovationsstudie zusammen. Alber Hanspeter - Aurich Martin - Baumgartner Harald - Berger Hans - Crazzolara Marina Dal Savio Stefano - Dalla Via Josef - Dissertori Armin - Dorfmann Herbert - Dosser Hannes Die 44 Experten Gamper Peter - Gasser Klaus - Gasslitter Mulser Martha - Gruber Elmar - Haller Josef Harrasser Arnold - Höllrigl Ulrich - Hopfgartner Gerald - Huber Andreas - Kaser Annemarie Kienzl Hans - Kuenzer Maria - Oberhuber Michael - Pazeller Martin - Pellegrini Juliane Pircher Martin - Plitzner Christian - Pörnbacher Günther - Raffeiner Valtl - Rinner Siegfried Rizzi Walter - Sapelza Wilhelm - Schmid Bettina - Staffler Jutta - Steger Walter - Tagliavini Massimo Tappeiner Gottfried - Tauber Willi - Tiefenthaler Leo - Unterfrauner Hansjörg - Wachtler Sepp Waldner Walther - Wielander Josef - Wunderer Georg 4
Fortschritt aus Tradition Die Landwirtschaft des 20. und 21. Jahrhunderts war und ist durch einen gewaltigen technischen Fortschritt gekennzeichnet, der gleichermaßen die Produktivität des Bodens und die Produktivität der Arbeit steigerte.2 Konkret hat sich Fortschritt beispielsweise durch den Einsatz von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln, durch die Mechanisierung der Bewirtschaftung und durch die Züchtung leistungsfähiger Tierrassen und Kul- turpflanzensorten ergeben. Faktoren wie diese haben den Bedarf an Arbeitskräften in der Landwirtschaft in den letzten 50 Jahren um den Faktor 8 verringert. Der Fortschritt hatte aber auch zur Folge, dass neben den klassischen landwirtschaftlichen Produktionsfak- toren wie Arbeit, Boden und Kapital, neue wichtige Faktoren zum Tragen kommen. Eine zeitgemäße Landwirtschaft bedarf eines durchdachten Managements, stetiger Aus- und Weiter- bildung und laufender Innovation! alte und neue Produktionsfaktoren Arbeit Management Boden Innovation Aus- und Kapital Weiterbildung Für die Zukunft können innovationsfreundliche Rahmenbedingungen eine wettbewerbsfähige Landwirt- schaft und somit eine flächendeckende Bewirtschaftung, die ein Hauptziel der politischen und sozialen Anstrengungen ist, nachhaltig sichern. Innovationstreiber Innovationstreiber sind Einflüsse und Akteure, die die Entwicklung von Innovationen anregen und diese positiv oder negativ beeinflussen. Dementsprechend haben Innovationstreiber entscheidenden Einfluss auf das Potenzial von neuen Ideen! Die wichtigsten Innovationstreiber werden nachstehend analysiert. 2 Tobias Plieninger / Oliver Bens / Reinhard F. Hüttl, Zur Zukunft ländlicher Räume, 2008 5
Innovationstreiber Demografie Allgemeine Bevölkerungstrends Die Demografie beschäftigt sich mit allgemeinen Bevölkerungstrends. Dabei lassen sich weltweit ganz spezielle Entwicklungen erkennen, die konkrete Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft haben. In Europa ist zu beobachten, dass das Durchschnittsalter der Bevölkerung stetig ansteigt (die Konsumenten werden älter) und dass sich die „klassische“ Familienstruktur verändert. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sind zunehmend Single-Haushalte entstanden. Auch durch die Tatsache, dass viele Frauen einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen und im Gegenzug mehr Männer mit im Haushalt tätig sind, haben sich die Bedürfnisse der Konsumenten verändert. Die moderne Familie (Singles, Senioren, Berufstätige oder Patchwork-Familien) verlangt nach veränderten Produkten und Dienstleistungen, auf die auch die Landwirtschaft rechtzeitig und innovativ reagieren sollte. Individualisierung In der Gesellschaft ist ein Trend in Richtung „Individualisierung“ erkennbar. Der Wohlstand ermöglicht individuelle Entscheidungen, die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Zwängen sinkt und bei den Menschen wächst der Wunsch nach Selbstverwirklichung. Die Produkte von morgen müssen imstande sein, die Lebensqualität der Kunden merklich zu steigern. Denn Individualisten sind Genießer, sie schätzen das Persönliche und die Kreativität! Zudem setzen sie auf Werte, weshalb nur jene Marken Erfolg haben werden, die die Haltung und die Wertvorstellungen dieser Kunden punktgenau treffen und repräsentieren. Miniaturisierung Neben der Individualisierung besteht zudem ein klarer Trend hin zur „Miniaturisierung“. Was bedeutet das? Nicht nur alleinstehende Personen haben andere Bedürfnisse hinsichtlich der Verpackungsgrößen als Familien. Auch die wachsende Zielgruppe der Senioren konsumiert weniger als junge Menschen. Beide bevorzugen daher kleinere Verpackungseinheiten. Diese senken die Verderblichkeitsrate und helfen sparen. Abgesehen davon können Produkte in kleineren Portionen höhere Preise geschickt kaschieren und vermitteln im besten Fall den positiven Eindruck einer „Diätportion“. ZITAT: Die Weinflasche der Zukunft wird 0,375 Liter fassen! (Quelle: Christian Hehenberger, Trendforscher, 2010) 6
Der Großteil der Südtiroler Bauern hat die Entwicklung hin zur Verkleinerung von Verpackungseinheiten bereits erkannt: Im Rahmen der Marktforschung des Südtiroler Bauernbundes stuften 62 Prozent der befragten Landwirte diesen Trend als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ein. Die Wichtigkeit des Trends Verkleinerung von Verpackungseinheiten (Senioren und Singles) 50% 27% 12% 7% 4% sehr wichtig wichtig nicht so wichtig nicht wichtig k.A. (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) Produkte und Dienstleistungen, die Zeit sparen helfen Den Trend, dass die Produkte und Dienstleistungen der Zukunft dem Konsumenten dabei helfen sollen, Zeit zu sparen, erkennt erst ein Viertel der heimischen Bauern. Dies obwohl davon auszugehen ist, dass, in Zukunft vor allem jene Angebote als attraktiv eingestuft werden, die den Konsum so einfach wie möglich gestalten. Die Landwirtschaft stellt dies vor neue Herausforderungen: Die Anbieter von Produkten und Dienstleistungen müssen für den Kunden von morgen möglichst leicht erreichbar sein oder Produktlieferungen frei Haus garan- tieren, die für den Konsumenten höchste Bequemlichkeit bedeuten. Genauso sollten Möglichkeiten ausgelotet werden, dem Abnehmer Produkte in Form von kleinen, mundgerechten Portionen (z.B. Fresh Cut) in Form von Snacks oder aber in Form von Fertig- und Halbfertig- produkten anzubieten. ZITAT: Der Anbieter, der dem Kunden das Leben erleichtert, gewinnt! (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011) 7
Innovationstreiber Lebensmittelsicherheit und Transparenz Vertrauen Vor dem Hintergrund der in unregelmäßigen Abständen bekannt werdenden internationalen Lebensmittelskan- dale ist das Vertrauen der Konsumenten in die Anbieter von Lebensmitteln deutlich gesunken. Gestiegen ist hingegen der Trend hin zu vertrauenswürdigen Lebensmittelmarken, zu Lebensmitteln, die halten, was sie versprechen. Zudem ist den Verbrauchern Transparenz im Hinblick auf Produktionsverfahren und Qualitätsstandards wichtig. Glaubwürdigkeit wird zum Schlüsselelement. Die Wichtigkeit des Trends Lebensmittelsicherheit und Transparenz 59% 39% 1% 1% sehr wichtig wichtig nicht so wichtig nicht wichtig k.A. (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) 98 Prozent der Landwirte in Südtirol sind sich dieses Umstandes auch bewusst und stufen Lebensmittel- sicherheit und Transparenz als „sehr wichtig“ und „wichtig“ ein. „Grüne“ Lebensmittel Die Natürlichen (22%) Interesse an Lebensmitteln Die Alleswoller (21%) 43% Die Produktiven (35%) zu 57% Die Gleichgültigen (22%) PRODUKTIVITÄT NATÜRLICHKEIT (Quelle: Prof. Dr. Achim Spiller, 2010) In Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit von Lebensmitteln ist die vermehrte Nachfrage nach „grünen“ Lebensmitteln zu sehen, sprich nach Lebensmitteln, die aus ökologischem Anbau stammen. Schon heute setzen 43 Prozent der bundesdeutschen Bürger auf „grüne“ Lebensmittel. Etwas weniger als die Hälfte davon sind aber die sogenannten „Alleswoller“, die „grüne“ Lebensmittel nur dann kaufen, wenn der Preis stimmt. Experten gehen davon aus, dass mittelfristig 20 Prozent aller angebotenen Lebensmittel nach biologischen Produktionsweisen angebaut werden. Ein Teil davon wird auf Bio-Billig-Produkte (z.B. aus Afrika oder China) und ein weiterer Teil auf Bio-Premium-Produkte aus der Region entfallen. Die Bio-Premium-Schiene birgt große Chancen für ein Herstellerland wie Südtirol. Wichtig ist dabei, dass die „grünen“ Lebensmittel durch innere und äußere Qualität überzeugen und – in Kombination mit dem positiven Image Südtirols – eine hohe Glaubwürdigkeit vermitteln! 8
Zukunft der Welternährung und Klimawandel Trotz der regionalen Chancen, die sich für unser Land ergeben, darf der globale Kontext, in den Südtirol eingebettet ist, nicht vergessen werden. Im letzten Jahrzehnt hat sich gerade im Lebensmittelsektor vieles verändert, was die berechtigte Frage aufwirft: Wie sieht in Zukunft die Welternährung aus? Fest steht, dass die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt! In den Industrieländern wird vor allem die Nachfrage nach Markenwaren, tierischem Eiweiß und gezüchtetem Fisch, in den Entwicklungsländern jene nach Getreide und Ölsaaten (Proteinpflanzen) zunehmen. Zudem wird der Bedarf an Agrarrohstoffen zur Erzeugung von Energie steigen. Gleichzeitig führen immer häufiger auftretende Umweltkatastrophen zu Produktionsschwankungen und zu einer Verknappung des Lebensmittelangebotes. Wie könnte in Zukunft der steigenden Nachfrage und dem sich stetig verknappenden Angebot entgegen- gewirkt werden? Experten raten unter anderem dazu, neue Produktgruppen zu erschließen. Dazu könn- ten zum Beispiel Insekten als Lebensmittel zählen. 1400 Insektenarten sind essbar und für 80 Prozent der Weltbevölkerung sind Insekten eine übliche Speise, manche – wie die Heuschrecke – gelten als anerkannte Delikatesse mit hohem Nährwert. Und es gibt noch genügend weitere Beispiele, wie die Landwirtschaft den veränderten Rahmenbedingungen auf innovative Art und Weise begegnen kann. Die bereits erwähnten Umweltkatastrophen, aber auch der Klimawandel im Allgemeinen haben schließlich Auswirkungen auch auf Südtirol. Folgende Trends sind dabei festzustellen: weniger Niederschläge, höhere Temperaturen, mehr Extremwetterlagen, längere Vegetations- dauer und höhere CO2-Gehalte. Der Klimawandel wird die Grundbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion verändern. Er begünstigt beispielsweise das Auftreten neuer Schädlinge und Pflanzenkrankheiten und führt zu einer Verknappung der Wasserresourcen. Veränderungen bergen aber immer auch Chancen! Eine zukunftsweisende Landwirtschaft ist proaktiv und begegnet den Auswirkungen des Klimawandels durch Anpassungen in den Bereichen: - Arten- und Sortenspektrum (Einsatz widerstandsfähiger Sorten mit hoher Klimatoleranz und geringer Schädlingsanfälligkeit, etc. ); - Bewässerung (wassersparende Bewässerungstechnik, Speicherbecken, etc.); - Bodenbearbeitung (bodenschonende Bearbeitung, standortgerechter Humusaufbau, etc.); - Pflanzenschutz und Pflanzenernährung (Optimierung der Anwendung von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, etc.). Damit kann die Landwirtschaft gleichzeitig einen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Speicherung von CO2 im Boden, zum Erosionsschutz und damit zur Milderung von Extremwetterlagen leisten. 9
Innovationstreiber Werte und Umweltsensibilität Werte Die Südtiroler Landwirtschaft steht voll im Spannungsfeld zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung: - mehr denn je wird unternehmerisches Denken gefordert; - mehr denn je zählen der Umweltgedanke und der Erhalt unserer Kulturlandschaft; - mehr denn je müssen die Ansprüche der Gesellschaft an die Landwirtschaft ernst genommen werden. Hier sind von Seiten der Landwirtschaft Initiative, Erfindergeist und Mut gefragt. ZITAT: Profite müssen mit dem Wohlergehen der Menschheit und unseres gesamten Lebensraumes vereinbar sein. (Quelle: Matthias Horx, Trendforscher, 2009) Die Gesellschaft setzt auf einen LoHaS-Lebensstil, einen Lebensstil, der von Gesundheit und Nachhaltigkeit geprägt ist (Lifestyle of Health and Sustainability). Dies rührt wohl daher, dass sich die Konsumenten immer öfter fragen, welche Konsequenzen ihr gegenwär- tiger genussvoller Konsum für die Zukunft hat. Um einen sinnvollen Ausweg aus diesem Spannungsfeld zu bieten, entwickeln sich die Märkte des Sinnvollen, der Verantwortung, des Ethischen. Vor diesem Hintergrund sind Fair Trade (fairer Handel) und Bewegungen wie „Shopping is Voting“ (Einkauf als bewusste Wahl, als klare Stellungnahme) entstanden. „Wir sind“, so wagen Experten bereits zu prognostizieren, „auf dem Weg in einen ethischen Kapitalismus!“ Die bestehende Werte- und Umweltsensibilität wird von den Südtiroler Landwirten gespürt und wurde im Zuge der Innovationsstudie von 98 Prozent der befragten Bauern als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ bewertet. Umweltschutz und artgerechte Tierhaltung Für die Bauern ist es ein schwieriger Spagat, die Produktivität zu steigern und gleichzeitig aktiven Umwelt- schutz zu betreiben und auf den Erhalt der Biodiversität zu achten. In Südtirol wirkt sich die Vielfalt an bäuerlichen Klein- und Familienbetrieben sowie an landwirtschaftlichen Produktionssystemen grundsätzlich positiv auf die biologische Vielfalt aus. Experten erkennen aber sehr wohl noch Handlungsbedarf. Auch in Südtirol dürfen Nachhaltigkeit und Umweltschutz keine wirkungslosen Schlagworte sein: Unsere Böden sind schließlich nicht austauschbar! 10
Vor allem der Einsatz von Agrarchemie sowie die intensive Bewirtschaftung von Ungunstlagen sollten stärker hinterfragt werden und das nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ökologischen Gesichtspunkten. Rund ein Viertel der Südtiroler glaubt, dass die heimische Landwirtschaft wenig Wert auf artgerechte Tierhaltung legt. Das mag vor allem daran liegen, dass sich die Bevölkerung von der Landwirtschaft entfernt hat und die Haltung von Tieren für die Fleisch- und Milchproduktion mit jener von Haustieren vergleicht. Dem kann die Landwirtschaft am besten mit Aufklärung, Transparenz und der allgemeinen Pflege des landwirtschaftlichen Images entgegenwirken. Image Die großen Herausforderungen für die Landwirtschaft warten nicht nur in den Bereichen Umweltschutz und artgerechte Tierhaltung sondern auch im Bereich der Imagepflege. Die Innovationsstudie hat aufgezeigt, dass die Landwirtschaft in Südtirol geschlossen und zukunftsorientiert aufzutreten vermag. Laut qualitativer Marktforschung findet die Obstwirtschaft bei der Bevölkerung nur teilweise Anklang, die Weinwirtschaft und besonders die Berglandwirtschaft haben hingegen ein sehr gutes Image. Allerdings erschwert die Lebens- und Arbeitswelt von heute eine realistische Vorstellung der Arbeit in der Landwirtschaft. Dieses Unwissen führt bei vielen Menschen zu Zerrbildern und Vorstellungen, die den bäuer- lichen Produktionsweisen und Strukturen nicht gerecht werden. ZITAT: Die Herausforderung für die Südtiroler Landwirte besteht darin, immer wieder selbst als Botschafter zur positiven Wahrnehmung der Landwirtschaft beizutragen, denn der Beruf des Landwirts genießt aufgrund seiner Anschauungsnähe und Bodenhaftung große Sympathie. (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011) 11
Innovationstreiber Gesundheit und Qualität ZITAT: An apple a day keeps the doctor away! - Iss einen Apfel am Tag und du hast dir den Arzt gespart! Quelle: Walisische Redewendung, 1866 Die Themen „Qualität“ und „Gesunde Ernährung“ spielen in der modernen westlichen Welt eine entschei- dende Rolle. In beiden Bereichen können Südtiroler Produkte bereits jetzt punkten. Wichtig ist die Erkenntniss, daß Kunden kaum noch Toleranz in Sachen Qualität haben. 93 Prozent der im Rahmen der Innovationsstudie befragten Südtiroler Landwirte geben an, dass die höheren Ansprüche von Kunden an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen spürbar und als „sehr wichtiger“ oder „wichtiger“ Trend zu sehen sind. Es gibt unterschiedliche Auffassungen von Lebensmittelqualität, je nach Erwartungen an die Lebensmittel (gesundheitliche, sensorische, anbau- und verarbeitungstechnische, immaterielle Qualität). Bei den Konsumenten gelten als qualitativ hochwertig jene Produkte, die schön aussehen, gut riechen, gut schmecken, reich an Inhaltsstoffen sind und die richtige Festigkeit aufweisen. Für Südtiroler Landwirte geht Qualität noch viel tiefer und entsteht – das kann man auch aus den Antworten ablesen, die im Zuge der Innovationsstudie gegeben wurden – schon im Produktionsprozess von Lebens- mitteln. Lebensmittelqualität heißt für die Südtiroler Landwirte in erster Linie, dass für die entsprechende Erzeugung weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Daher ist Qualität auch Synonym für „naturnahe“ Erzeugnisse, für „gesunde“ und „biologische“ Lebensmittel. Darüber hinaus sollten qualitativ hochwertige Lebensmittel in ihrer Herkunft „nachverfolgbar“, „frisch“ sowie „kontrolliert“ und „sicher“ sein. Öffentliche Wahrnehmung negativ PRODUKTIVITÄT NATÜRLICHKEIT positiv Wunschökonomie ? Preisökonomie (Quelle: Prof. Dr. Achim Spiller, 2010) Südtirol kann der Preisökonomie nicht entsprechen und muss deshalb konsequent den Qualtätsweg gehen. Die Chancen, die sich für Südtirol in der Produktion von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln ergeben, sind groß. Allerdings geben Experten zu bedenken, dass derzeit nicht belegt ist, dass Südtirol gesündere Lebensmittel produziert als die Mitbewerber auf dem Markt (z.B. Nordtirol und Bayern). Die zentrale Frage muss deshalb lauten, wie es gelingen kann, die Qualität Südtiroler Lebensmittel weiter hoch zu halten, sie wissenschaftlich nachzuweisen und sich so von anderen Anbietern zu unterscheiden. 12
Ein weiterer Aspekt in Sachen gesundheitsfördernde Lebensmittel sollte bedacht und als Chance genutzt werden: Es ist eine Tatsache, dass die privaten Ausgaben für die Gesundheit weiter zunehmen. Damit haben all jene Lebensmittel eine große Zukunft, die als „natürliche Tablette“ gelten, weil sie reich an Vitaminen und Nährstoffen sind und/oder keine Schadstoffrückstände beinhalten. Funktionelle Lebensmittel (Functional Food), die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert sind und auf positive Weise den menschlichen Organismus beeinflussen, verzeichnen deutliche Umsatzzuwächse. Dazu zählen beispielsweise mit Omega-3-Fettsäure angereichertes Brot oder Jogurt mit Bakterienkulturen. Ebenso werden Produkte, die Lebens- und Schönheitsmittel zugleich sind (Nutricosmetics), immer stärker von Konsumenten nachgefragt. Lebensmittel, welche Gesundheit mit Genuss verknüpfen (Soft Health Food), wird gleichfalls eine große Zu- kunft vorhergesagt. Als Beispiel dafür können Ganzfruchtgetränke, sogenannte Smoothies, genannt werden. Die Wichtigkeit des Trends Lebensmittel, die gesundheitsfördernd sind 64% 33% 2% 1% sehr wichtig wichtig nicht so wichtig nicht wichtig k.A. (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) 97 Prozent der Südtiroler Bauern erkennen im Hinblick auf gesundheitsfördernde Lebensmittel einen „sehr wichtigen“ oder „wichtigen“ Trend. ZITAT: Um Erfolg zu haben, müssen gesundheitsfördernde Lebensmittel transparent und für den Konsumenten verständlich gekennzeichnet werden. (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011) 13
Innovationstreiber (G)lokalisierung Der Kunstbegriff „Glokalisierung“ beschreibt das gekonnte Zusammenspiel des Globalen mit dem Lokalen. Südtirol kann in beiderlei Hinsicht seine Stärken ausspielen. Zu den Gewinnern der Globalisierung werden laut der Österreichischen Bundesanstalt für Agrarwirtschaft jene ländlichen Räume zählen, die entlang von internationalen Verkehrsachsen liegen und als zweisaisonale Tourismusregionen auftreten können. Zu den Gewinnern des Lokalen zählen hingegen jene Gebiete, die auf regionale Wirtschaftskreisläufe sowie auf Werte und Vertrautes, auf Authentisches und Heimat setzen. Bestehendes Brauchtum spielt dabei den landwirtschaftlichen Anbietern in die Hände. Alte Traditionen gewinnen an Bedeutung und werden von jüngeren Generationen mit frischen Ideen belebt. Gelingt es, vertraute, authentische Produkte und Leistungen innovativ mit Aufregendem, Unbekanntem oder Überraschendem zu kombinieren, können landwirtschaftliche Unternehmen Lokales erfolgreich zu- kunftsfähig machen. SCHLAGWORTE: „Futtern wie bei Muttern“ – „Großmutters Spezialitäten“ – „Die gute alte Zeit“ Lebensmittel aus regionaler Herkunft (Local Food), die eine längere natürliche Lagerfähigkeit und/oder kurze Transportwege aufweisen sowie aus vertrauenswürdiger, auch handwerklicher Produktion stammen, entsprechen dem Konsumentenwunsch nach Frische und Natürlichkeit, nach naturnaher Herstellung und weniger Zusatzstoffen. 3 Der Ruf nach Regionalität wird auch vom Handel verstanden und von der öffentlichen Hand unterstützt. Die Offensive zur Verwendung heimischer Produkte in Schulen und Kindergärten ist da Beispiel gebend. Regionalität und Authentizität von Produkten und Leistungen zählen zu den Trends der Zukunft. Die Wichtigkeit des Trends Regionalität und Authentizität 51% 42% 4% 3% sehr wichtig wichtig nicht so wichtig nicht wichtig k.A. (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) Die Kunden möchten zudem über Herkunft, Fertigung, Transport usw. des Gekauften verlässlich informiert werden, dann sind sie (in Europa zu einem Drittel) auch bereit, mehr für die lokalen Produkte zu bezahlen. Vor diesem Hintergrund wird das Schaffen einer neuen Herkunftsbezeichnung DOCC ( denominazione di ori- gine chilometrica controllata) angedacht, die genau festlegt, in welchem Umkreis die verzehrten Lebensmittel produziert worden sind. 3 14 Hanni Rützler, Einblick in die Brotstudie, 2012
Innovationstreiber Kundenbedürfnisse Kundenbedürfnisse sind die Grundlage der Kundenorientierung! Diese Aussage ist logisch und nachvoll- ziehbar. Doch welche sind die Kundenbedürfnisse, an die sich die Lebensmittelbranche und damit auch die Landwirtschaft zu orientieren haben? MEGATRENDS: Wellness und Gesundheit Natürliche und biologische Produkte Waren mit regionalem Bezug Ernährungstrends und Lebensmittel von morgen In Sachen Ernährung scheint klar, dass viele traditionelle Ernährungsmuster verloren gehen werden. Die Menschen haben wenig Zeit und gleichzeitig den Bedarf an Lebensmitteln, die schnell und unkompliziert in der Zubereitung sind. In Familien wird seltener traditionell gekocht. Vielmehr kommen Halbfertigproduk- te oder Ähnliches auf den Tisch. Im Allgemeinen verbrauchen die Menschen weniger Kalorien. Sie essen weniger, aber öfter. Der Speiseplan wird internationaler. Alleinesser und der Außer-Haus-Verzehr werden zur Regel. Als Ernährungstrends von morgen gelten: - Convenience Food 2.0 (verbindet Flexibilität und Zeitgewinn mit gesundem Genuss, Qualität und Vielfalt), Fast Good (Schnellimbiss mit stärkerer Gesundheitsbetonung); - Soft Health Food (Verknüpfung Gesundheit und Genuss), Mood food (Lebensmittel als Stimmungsmacher); - True Food (unverarbeitete, roh und unverpackt vertriebene Lebensmittel), Pretty Food (ästhetisch präsen- tierte Speisen); - Local Food (Lebensmittel aus regionaler Herkunft) für sogenannte „Locavore“-Kunden („Lokalfresser“). Lebensmittel von morgen sind frisch, unkompliziert in der Zubereitung und zugleich von hoher Qualität. Lebensmittel und Design Das Design der Lebensmittel von morgen spielt eine wesentliche Rolle. Aspekte wie Optik und Sensorik der Verpackung tragen zum entscheidenden Kaufimpuls bei, denn Kreati- vität und Emotion werden vom Kunden wahrgenommen. Auch für landwirtschaftliche Anbieter lohnt es sich deshalb, über die Verpackung als „Architektur“ für ihre Produkte nachzudenken. Funktionale Verpackungen wie beispielsweise eine Kühlautonomie für verderbliche Lebensmittel, eine Weinetikette mit einer klaren Empfehlung für ein passendes Gericht oder eine Produktetikette, die den gesundheitlichen Nutzen verspricht, werden vom Markt gewünscht. 15
Innovationstreiber Technologie und Arbeitssicherheit 67 Prozent der befragten Südtiroler Bauern stufen den Trend zum technischen Fortschritt als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ ein. ZITAT: Es ist kaum vorstellbar, dass auf Dauer menschliche Arbeit für Vorgänge eingesetzt wird, die ebenso gut oder besser durch Automaten erledigt werden können. (Quelle: Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, 2009) Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass demnächst mit weiteren revolutionären technischen Fortschritten in der Landwirtschaft zu rechnen ist. Doch gilt es zu bedenken, dass technische Investitionen immer auch wirtschaftlich tragbar und sinnvoll sein müssen, denn Innovation verfolgt in erster Linie den Zweck, einen Mehrwert/Mehrerwerb zu schaffen! (Quelle: amazone) Generell können technische Innovationen in verschiedenen Bereichen Nutzen stiften. Auch wenn der Mensch in der Landwirtschaft nach wie vor der wichtigste Erfolgsfaktor ist, spielt die Maschinisierung, die Roboteri- sierung und die Digitalisierung in der Zukunft eine wichtige Rolle. Maschinisierung In der Südtiroler Landwirtschaft wird derzeit an unterschiedlichen Projekten zur Maschinisierung bestimmter Arbeitsabläufe gearbeitet: - Maschinen zur Präzisionslandwirtschaft im Kleinen (z.B. Erfassung des Zustandes des Pflanzenbestandes und punktgenaue Düngung über Einsatz von Sensortechnik, GPS, Computer, etc.) werden entwickelt; - Es laufen Versuche, Fallobst maschinell einzubringen; - Beim Beerenobst gibt es Entwicklungen, alle Arbeitsschritte bis auf die Ernte zu maschinisieren; - Projekte zur Echtzeitdiagnose von Krankheiten oder Schädlingsbefall werden umgesetzt; - Neue Lösungen gegen die Abdrift im Bereich der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln werden erwartet. Roboterisierung Der Melkroboter ist in der heimischen Landwirtschaft bereits Realität. Autonome Feldroboter stellen die nächste Stufe der Automatisierungstechnik dar. Im Allgemeinen sind Roboterisierung und Präzisionslandwirtschaft Themenbereiche der Zukunft, die unter anderem durch die innovative Kombination autonomer, teilautonomer und bemannter Systeme reellen Niederschlag finden werden. Die verschiedenen Arbeitsprozesse in der Landwirtschaft sind auf die Anwen- 16 dungspotentiale dieser Systeme hin zu überprüfen.
Digitalisierung sowie Informations- und Kommunikationstechnologien Im neuen Jahrtausend ist die IT-Revolution bereits stark fortgeschritten. Schnelle und unbürokratische Kommunikationsformen per Internet und E-Mail sind heute unerlässlich. Daher sind moderne und schnelle Internetverbindungen auf jedem (Berg-)Bauernhof ein Muss. Informationstechnologien eröffnen zudem viele weitere Möglichkeiten wie z.B.: - Neue Formen der Produktkennzeichnung (z.B. ein Mikrochip mit Produkt- und Herkunftsinformationen in der Verpackung); - Terminals an Verkaufspunkten, an denen Kunden Informationen zur Herkunft von Waren abrufen können; - Von den Kunden geforderte digitale Rückverfolgbarkeit und nachvollziehbare Kontrolle. Arbeitssicherheit Großes Innovationspotenzial besteht auch im Bereich der Arbeitssicherheit, speziell hinsichtlich Warn- und Alarmsysteme. Die nach wie vor hohe Rate an Arbeitsunfällen in der Landwirtschaft ruft schier nach weiteren Entwicklungen. 17
Innovationstreiber Kooperation und Kombination Erwerbskombinationen und Kooperationen sind nichts Neues für die Südtiroler Landwirtschaft. Das Gemeinsame muss aber weiterhin gefördert werden. Die Erfolgsformel sollte dabei wie folgt lauten: „Dezentral produzieren, veredeln, verpacken und zentral bewerben und verkaufen!“ Chancen liegen gerade im gebündelten Marketing und im gemeinsamen Vertrieb von Südtiroler Produkten wie z.B. gemeinsame Fernsehkampagnen, Belieferung von und Positionierung in den Raststätten entlang der Brennerautobahn, gegenseitige Unterstützung und enge Zusammenarbeit aller heimischen Wirtschafts- verbände. Berufsbilder und Chancenfelder der Zukunft Die Landwirtschaft von morgen wird von vier grundsätzlichen Berufsfeldern geprägt sein, die man wie folgt zusammenfassen kann: • Der Umweltwirt • Der Hofveredler • Der Kommunaldienstleister • Der Direktvermarkter • Der Anbieter von • Der Spezialist Der Der landwirtschaftlichen integrierte Agrar- Arbeitserledigungen Wertschöpfer dienstleister Der Der Einkommens- agrarische • Am-Hof-Kombinationen kombinierer Rohstoff- • Der Lieferant für Vermarkter produzent und Veredler (z.B. UaB) • Außerhalb-Hof-Kombinationen • Vertragslandwirtschaft • Saisonale Kombinationen • Der Energiewirt • Präzisionslandwirtschaft Frei nach Franz Fischler, EU-Kommissar für Landwirtschaft In Summe decken die vier Berufsbilder „Integrierter Wertschöpfer“, „Agrardienstleister“, „Einkommens- kombinierer“ und „Agrarischer Rohstoffproduzent“ sämtliche landwirtschaftliche Leistungen der Zukunft ab. Innovations- und Entwick- lungschancen sollen hauptsächlich im Bereich des Zuerwerbs am Hof gesucht werden. 18
Tourismus Naheliegende Kooperationsmöglichkeiten bestehen zwischen der Landwirtschaft und dem Tourismus. Die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Tourismus funktioniert dabei nur, wenn beide davon bewusst profitieren (Erfolgsbeispiel AMA Gastrosiegel). Potenzial steckt besonders in der weiteren Öffnung der Bauernhöfe und dem Vor-Ort-Verkauf – so können Vertrauen, Geschichten und Emotionen „mitverkauft“ werden. Ebenso können weitere Spezialisierungen des Angebotes Urlaub auf dem Bauernhof angedacht werden. Dienstleistungen Was weitere Dienstleistungen am Bauernhof betrifft, sind beispielsweise die Südtiroler Bäuerinnen bereits aktiv, so in der Kinder- und Seniorenbetreuung, als Kultur- und Naturführerinnen, als Botschafterinnen bäuer- licher Produkte oder mit der Brotzeit der Bäuerinnen. Bei der Dienstleistungserbringung ist wichtig, sich weiterhin an wirklichen Kundenbedürfnissen zu orientieren, den Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, ertragssichere Preise zu fordern, Kontinuität zu garantieren und ständige Innovationsbemühungen voranzutreiben. Darüber hinaus bietet auch die Lohnarbeit für Dritte beispielsweise über den Maschinenring-Service (Winter- dienste, Grünraumpflege wie Baumschnitt, Mäharbeiten oder Freischneidearbeiten, etc.) viele Möglichkeiten und kann eine interessante Einkommensquelle darstellen. Großes Innovationspotenzial steckt auch im Bereich des bäuerlichen Handwerks. Hier sollten vor dem Hintergrund des Kooperationsgedankens künstlerische und handwerkliche Fähigkeiten zusam- mengeführt und gefördert werden (z.B. Projekte mit Tierfellen, Filzstoffen, Holz, Gewürzen, Stroh, Weiden, ätherischen Ölen usw.). Zur konkreten Produktent- wicklung könnte das bäuerliche Hand- werk eine Kooperation mit der Fakultät für Design der Freien Universität Bozen anstreben. Auch in diesem Zusammen- hang gilt: Mögliche Innovationen müssen die Erwartungen der Kunden erfüllen und sich mit dem Berggebiet und dem Traditionellen vertragen. 19
Innovationstreiber Energie Weltweit findet eine Verknappung strategischer Ressourcen (fossile Energieträger, Frisch- und Trinkwasser, Mineralstoffe, Metalle) statt, und es gilt als sicher, dass die Energiepreise schon in naher Zukunft weiter steigen werden. MEGATRENDS: Einsatz regenerativer Energiequellen und nachwachsender Rohstoffe Energieeffizienz-Revolution Dezentrale Energieversorgung Erneuerbare Energien Die Nutzung regenerativer Energiequellen ist von großer Wichtigkeit und birgt bedeutende Chancen für die innovative Landwirtschaft. Das wissen auch 98 Prozent der Südtiroler Bauern, die den Trend als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ beurteilen. Die Wichtigkeit des Trends Energieerzeugung mit Hilfe erneuerbarer Energieträger 64% 34% 2% 0% sehr wichtig wichtig nicht so wichtig nicht wichtig k.A. (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) Der Biomasse (fest, flüssig, gasförmig) kommt in der Land- und Forstwirtschaft naturgmäß eine zentrale Rolle zu. Es gilt, die Bereitstellung des Rohstoffes, wie z.B. Holz, für eine energetische Nutzung zu forcieren und dessen Nutzung zur Erzeugung von Stom, zur Erzeugung von Wärme und/oder Kälte sowie zur kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme/Kälte in Zukunft voranzutreiben. Die bereits bestehenden Biomassepotentiale sollen verstärkt mobilisiert sowie gleichzeitig zusätzliche Biomassepotentiale erschlossen werden. Dazu zählen beispielsweise: - Biomasse aus dem Wald (u.a. Waldresthölzer); - Reststoffe aus der Viehzucht (Gülle, Festmist); - Weitere Reststoffe, Nebenprodukte und Abfälle aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelverarbeitung (Holz- und Grasschnitt aus dem Obst- und Weinbau, Fallobst, Serum/Molke aus der Milchverarbeitung, Obstreste aus der Obstverarbeitung, Trester aus der Weinproduktion etc.); - Biomasse aus der Landschaftspflege. Forschung- und Entwicklungstätigkeiten sollten sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Thema Energiepflanzen, wie z.B. Holz aus Kurzumtriebsplantagen, befassen. Bioenergie muss nachhaltig und unter Berücksichtigung der integrierten Wertschöpfungskette - zuerst Lebens- und Futtermittel und dann erst Energie - produziert werden! Im Sinne einer dezentralen Energieversorgung sind zukünftig die Errichtung und der Betrieb von Nahwärmenetzen oder sogenannten Mikronetzen sinnvoll. Mikronetze werden mit Biomasse aus heimischen Wäldern betrieben und ermöglichen es, kleinräumige, periphere Wohngebiete, öffentliche Einrichtungen oder 20 Wirtschaftsbetriebe durch eine zentrale Heizungsanlage mit Wärme zu versorgen.
Auch neue Betreibermodelle von Energieanlagen einschließlich neuer Dienstleistungen rund um die Ener- gie, die über die Bereitstellung des Energie-Rohstoffes Holz hinausgehen, sollten angedacht und umgesetzt werden. Dazu können beispielsweise Contracting-Modelle (wie das Holzenergie-Contracting bei Mikronetzen) zählen. Die energetische Nutzung der Wasserkraft bietet neben der Erneuerung und dem Ausbau bestehender Anla- gen vor allem im Neubau von Anlagen im kleineren Leistungsbereich noch Potential. Dabei bietet sich unter bestimmten Voraussetzungen auch die Nutzung des Beregnungswassers zur Erzeugung von Energie an. Die Erzeugung von Wärme aus Umweltenergie z.B. über Wärmepumpen, die mit Photovoltaik-Anlagen kombi- niert werden können, kann in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Auch die Wärmeerzeugung aus der Solarenergie über den Einsatz von Solarthermie-Anlagen ist noch ausbau- fähig. Bereits umfangreichen Einsatz findet die Solarenergie bei der Erzeugung von Strom mittels Photovoltaik. Um eine breite Nutzung der erneuerbaren Energieträger zu ermöglichen, müssen ausreichend marktreife Technologien zur Verfügung stehen. Dazu zählen beispielsweise Technologien zur Stromerzeugung im niedrigen Leistungsbereich, Technologien zur Biomassevergasung für die Strom- und Wärmeerzeugung oder Technologien zur Veredlung des Rohstoffes Holz zu Brennstoffen. Der beispielhafte Einsatz von Bioenergie und von erneuerbaren Energieträgern in der Landwirtschaft sollte durch die öffentliche Hand bewusst prämiert werden. Energieeffizienz In der Energieeffizienz und in der Energieeinsparung ergeben sich für die Landwirtschaft zukünftig interessante Möglichkeiten. Die Erschließung von Sparpotentialen und die Verbesserung der Effizienz der Energienutzung gewinnen angesichts stetig steigender Energiekosten auch für die Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Potentiale liegen dabei nicht nur im Bereich Gebäude (Neu- und Altbauten). Auch in den verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren bestehen sowohl in der Außenwirtschaft (z.B. Treibstoffbedarf für die Maschinen der Außenwirtschaft, etc.) als auch in der Innenwirtschaft (z.B. Wärme- und Strombedarf in der Tierhaltung, im Bereich Trocknung, etc.) Potentiale, die es zu erschließen gilt. ZITAT: Guter und ressourcenschonender Umgang mit Energie nützt dem Land und wird geschätzt. (Quelle: Dr. Christoph Engl, SMG Forum 2011) 21
Innovationstreiber Wirtschaftlichkeit ZITAT: Besser geführte, spezialisierte Betriebe sind in der Lage, rentabler als Konkurrenten mit doppelt so großen Beständen zu sein. (Quelle: Christian Stockinger, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, 2009) Prozessinnovation Die Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe kann unter anderem durch die ständige Verbesserung und Optimierung von Arbeitsabläufen erhöht werden. Beispielsweise durch die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien oder Rohstoffe, durch die Verbesserung einzelner Produktionsstufen oder durch die Umsetzung neuer Vertriebsstrukturen, können: - die Produktionskosten gesenkt; - der Umsatz gesteigert; - die Fehlerquote verringert; - die Flexibilität des Betriebes erhöht werden. Diversifizierung - Nischenpolitik Nischen können Wachstum generieren und so die Zukunft der Betriebe sichern! In Südtirol werden bereits erfolgreich Nischenprodukte wie Kirschen, Marillen, Birnen, Erdbeeren, Himbeeren, Kräuter und Gemüse angebaut und vertrieben. Auch Stecklinge und Sämlinge (Jungpflanzen) werden mit Erfolg abgesetzt. Die höher gelegenen Anbaugebiete Südtirols wei- sen durch den späteren Reife- und Erntezeitpunkt sowie das geringere Krankheits- und Schädlings- risiko einen entscheidenden Nischenvorteil auf. Es könnte sinnvoll sein, verstärkt auf Sonderkultu- ren wie Beeren (z.B. Bergerdbeere), Sanddorn, Stevia zur Zuckergewinnung oder spezielle Gemü- se-, Obst- oder Getreidesorten zu setzen. Großes Innovationspotenzial steckt auch in der Weiterver- arbeitung (Veredelung und Verfeinerung) landwirtschaftlicher Produkte, z.B. zu Essig, Smoothies (Säfte aus 100 Prozent Frucht), getrocknetem Obst, eingewecktem Gemüse oder Brotspezialitäten. Die neue Genusskul- tur im Bereich Destillate sollte genutzt und die Produktpalette der Hofkäsereien erweitert werden. Neben der Produktion von Qualitätsfleisch könnte in Zukunft auch der Anbau traditioneller Heilkräuter eine interessante Alternative darstellen. ZITAT: Die Herausforderung für den einzelnen Anbieter liegt darin, die richtige Anzahl und die richtige Auswahl an Nischen zu treffen, denn wie Fachleute wissen: Eine Nische allein reicht heute nicht mehr aus! Zu viele Nischen dürfen aber ebenso wenig bearbeitet werden, da diese Nischenpolitik zu Lasten der Spezialisierung und somit zu Lasten der Qualität gehen könnte. (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011) 22
Direktvermarktung Eine höhere Wirtschaftlichkeit landwirtschaftlicher Betriebe kann auch mithilfe der Direktvermarktung erreicht werden, da der Kunde zunehmend direkten Kontakt mit dem Produzenten wünscht. Unter dem Motto „von der Region für die Region“ wird die Dirketvermarktung künftig weiter an Bedeutung gewinnen. Für die Direktvermarktung bestehen in der Landwirtschaft verschiedene Möglichkeiten. Dazu zählen der Ab-Hof-Verkauf, der Bauernmarkt und der Bauernladen. Beim Fahrverkauf bietet der Landwirt potenziellen Kunden die Ware sozusagen frei Haus an. Neben der Zusammenarbeit mit spezialisierten Großabnehmern kann auch das Internet für den Vertrieb genutzt werden. Voraussetzung ist der Aufbau eines Online-Shops und einer funktionierenden Vertriebslogistik. Der Koordinationsaufwand ist allerdings relativ hoch und für den bäuerlichen Internetversandhandel gibt es bislang wenig Erfahrungswerte. Unabhängig vom gewählten Kanal sind in Sachen Direktvermarktung auf jeden Fall Kooperationen unter Bauern anzuraten. Dadurch können Kosten gespart und die Qualität als auch die Verfügbarkeit garantiert werden. Preis Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit spielt der Preis immer eine große Rolle. Beeinflusst wird die Preisbildung in der Regel von den entstehenden Kosten und der gewünschten Gewinnmarge, von der Intensität des Wettbewerbs und von der Intensität der Nachfrage. ZITAT: Produkte müssen mit Inhalten gefüllt und erklärt werden. Denn nur wenn der Konsument die Ware und ihre Vorgeschichte kennt, lernt er das Produkt zu schätzen und ist bereit, den richtigen Preis dafür zu zahlen. (Quelle: Luigi Rubinelli, www.retailwatch.it) Welche Preisstrategie können die Südtiroler Landwirte verfolgen? Möglich ist grundsätzlich eine Niedrig- oder eine Hochpreisstrategie. Die Niedrigpreisstrategie kann unter Umständen bei einer schnellen Markt- durchdringung und im Wettbewerb hilfreich sein. Für die Hochpreisstrategie sind höchste Produktqualität, aber auch bestes Image und ein hochwertiges Distributionssystem Voraussetzung. Nur so kann ein exklusi- ves Marktsegment mit geringem Konkurrenzrisiko angesprochen werden. Die Wichtigkeit des Trends Zunehmende Preissensibilität der Kunden 64% 16% 13% 1% 6% sehr wichtig wichtig nicht so wichtig nicht wichtig k.A. (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2011) Die Innovationsstudie belegt, dass 80 Prozent der Landwirte eine zunehmende Preissensibilität der Kunden verspüren. 23
Inwieweit kann der Innovationsprozess selbst wirtschaftlich gestaltet werden? Große Chancen bieten Verbesserungsinnovationen. Die Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistun- gen hat gegenüber vollkommen neuen Innovationen Vorteile, weil sie im Allgemeinen weniger kostenintensiv und so leichter finanzier- und umsetzbar ist. Zudem ist die Gefahr, dass die Innovation am Markt keinen Absatz findet, eher gering, da die Kundenwünsche und die Erwartungen der Absatzpartner (Bedürfnisinfor- mation) in der Regel berücksichtigt werden. Bedürfnisinformation Innovationserfolg Lösungsinformation (Quelle: Koch & Unterfrauner GmbH, 2008) Erfolgsfaktoren für Innovationen im Lebensmittelbereich Grundsätzlich gelten für Produktinnovationen im Lebensmittelbereich bestimmte Erfolgsfaktoren: - Konsumenten müssen über Marktforschungen in den Innovationsprozess eingebunden werden. Wichtig ist, dass der innovative Hersteller über die notwendigen Informationen und Qualifikationen verfügt und sich deutlich vom Wettbewerb zu differenzieren vermag. - Der Entwicklungszeitraum muss überschaubar sein. - Die Innovation muss ganz klar und mit dem richtigen Preis-Leistungs-Verhältnis positioniert werden. - Es gilt, ein realistisches Finanzierungskonzept auf die Beine zu stellen und eine strategische Marketingausrichtung zu verfolgen. Von Bedeutung ist, die Vorlieben und Ansprüche der Kunden zu kennen – und das für jeden einzelnen Absatzmarkt. Wie Erhebungen4 belegen, unterscheiden sich Lebensmittelkonsumenten in ihren Bedürfnissen deutlich. Deutschen Kunden etwa ist wichtig, dass die Lebensmittel, die sie kaufen, frisch sind und – das ist von Bedeutung – dass ihr Preis günstig ist. Dass es sich bei den Lebensmitteln um saisonale, regionale, gentechnikfreie oder fettarme Lebensmittel handelt, ist den Konsumenten im Discounterland Deutschland weniger wichtig als der Preis. In der Schweiz (ähnlich wie in Italien) achten die Konsumenten dagegen hauptsächlich auf Geschmack, Qualität und Natürlichkeit der Lebensmittel, die sie kaufen. ZITAT: Innovation: etwas neu, etwas anders machen. Aber beginne mit dem Kunden, nicht mit dem Produkt! (Quelle: Dr. Christoph Koch, rcm-solutions, 2010) 4 24 Der Spiegel, 23/2011
Innovationstreiber Forschung und Kompetenz Aus– und Weiterbildung ZITAT: Aus- und Weiterbildung tragen dazu bei, die Bereitschaft für Neuentwicklungen und Innovationen zu fördern. (Quelle: Qualitative Marktforschung, Innovationsstudie SBB, 2011) Vor diesem Hintergrund sollten nicht nur die bestehenden landwirtschaftlichen Schulzweige, sondern auch die landwirtschaftlichen Studiengänge an der Freien Universität und die Masterstudiengänge weiter an die Markterfordernisse angepasst werden. Auch Tagungen und Weiterbildungsangebote beispielsweise der SBB-Weiterbildungsgenossenschaft werden sich weiter entwickeln, denn: Lebenslanges Lernen lohnt sich für die Südtiroler Landwirte! Beratung Der Südtiroler Bauernbund, der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau und die Bergbauernberatung bieten bereits sehr gute Dienstleistungen. Gerade im Bereich der Berg- und Grünlandwirtschaft ist aber eine Vernetzung der Beratungstätigkeit und eine stärkere Miteinbeziehung der Landwirte anzudenken. Zusätzlich besteht in der Landwirtschaft Bedarf an umfassender externer Unternehmensberatung. Es soll dabei neben dem technischen Wissen das unternehmerische Denken gefördert und Kostenrechnung, Marketing und Controlling unterstützt werden. Doch auch in anderen spezifischen Bereichen wie Gesundheit und Umweltschutz, Zu- und Nebenerwerb, Nischenprodukten, Produktveredelung und Waldnutzung können Berater eine wichtige Unterstützung für Landwirte sein. Dasselbe gilt für „weiche“ Themen wie etwa die fle- xible Rollenteilung in Familienbetrieben (Rolle der Frau, Hofübernehmer etc.). Der Blick von außen kann bei den Veränderungsprozessen in diesem Bereich oft hilfreich sein. Aufgeschlossene Beratung versucht, Netzwerke und Kooperationen für verschiedene landwirtschaftliche Anbieter zu berücksichtigen und zu ermöglichen, da einzelbetriebliche Bauernhoflösungen häufig nur begrenzte Entwicklungsmöglichkeiten haben. Darüber hinaus sollen besonders für neue Unternehmensbereiche und Beratungsschwerpunkte Handbücher mit Praxisbeispielen und Erfolgskennzahlen ausgearbeitet werden. Bestehende Institutionen wie die land- und forstwirtschaftliche Versuchsanstalt Laimburg oder die EURAC könnten - nach Möglichkeit institutionenübergreifend - Fachzentren für spezifische Themen wie Ernährung oder Wirkstoffe von Kräutern einrichten. Forschung Auch mit Blick auf die Forschung sollten die land- und forstwirtschaftliche Versuchsanstalt Laimburg, die Freie Universität Bozen, EURAC, TIS innovation park und der geplante Technologiepark verstärkt Synergien nutzen und sich den landwirtschaftlichen Unternehmen öffnen sowie deren Bedarf und Notwendigkeiten aufgreifen. Für die Landwirtschaft im Speziellen könnten zum Beispiel spezifische Boden- und Standorteigenschaften im Hinblick auf qualitäts- und wertbestimmende Inhaltsstoffe erforscht werden (z.B. kann sich die Marteller Erdbeere von einer holländischen unterscheiden?). Weiter intensiviert werden sollte die Forschungstätigkeit in den Bereichen Pflanzengesundheit und Pflanzenresistenz, standortgerechte Sortenwahl, Chancen durch Höhenlage oder Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Generell ist die umsetzungsorientierte Forschungstätigkeit im Agrar- und Lebensmittelsektor zu erhöhen (z.B. hinsichtlich innovativer Ideen wie Joghurtbecher aus Apfeltrestern oder Arzneikapseln aus Apfelschalen). Dabei müssen Forschungskooperationen (auch mit dem Ausland) ausgebaut und eingegangen werden. Vom geplanten Technologiepark sollen größere, in der Produktion und in der Verarbeitung tätige Unternehmen ebenso profitieren wie kleinere Produzenten und Verarbeiter. 25
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