Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nr. 57 Nr. 57März März 2021 Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse P-ISSN 1605-9344, E-ISSN 1605-8208
ÖGH-Vorstand Präsident: Dr. Andreas MALETZKY: andreas.maletzky@sbg.ac.at Vizepräsidentin: Dr. Silke SCHWEIGER: silke.schweiger@nhm-wien.ac.at Generalsekretärin: Karin ERNST: karin.ernst@nhm-wien.ac.at Schatzmeister: Georg GASSNER: georg.gassner@nhm-wien.ac.at Schriftleitung (Herpetozoa): Doz. Dr. Günter GOLLMANN: editor@herpetozoa.at Schriftleitung Stellvertreter (ÖGH-Aktuell): Richard GEMEL: richard.gemel@nhm-wien.ac.at Beirat (Reptilien): Dipl.Ing. Thomas BADER: thomas.bader@herpetofauna.at Beirat (Amphibien): Thomas WAMPULA: t.wampula@zoovienna.at Beirat (Feldherpetologie): Johannes HILL: johannes.hill@herpetofauna.at Beirätin (Arten- und Naturschutz): Mag. Maria SCHINDLER: maria.schindler@sumpfschildkroete.at Beirat (Terraristik): Gerhard EGRETZBERGER: gerhard.egretzberger@herpetozoa.at Beirat (Projektkoodination & Öffentlichkeitsarbeit): Dipl.Ing. Christoph RIEGLER: christoph.riegler@herpetofauna.at Impressum ÖGH-Aktuell, Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie Heft 57 P-ISSN 1605-9344, E-ISSN 1605-8208 Redaktion: Richard GEMEL, Layout: Christoph RIEGLER Redaktionsbeirat: Mag. Sabine GRESSLER, Georg GASSNER, Dr. Günther Karl KUNST, Mag. Franz WIELAND, Mario SCHWEIGER, Dr. Silke SCHWEIGER Anschrift Burgring 7 A-1010 Wien Tel.: + 43 1 52177 331; Fax: + 43 1 52177 286 e-mail: oegh-aktuell@herpetozoa.at Homepage: http://www.herpetozoa.at Gefördert durch Basis.Kultur.Wien Wiener Volksbildungswerk Für unaufgeforderte Bilder, Manuskripte und andere Unterlagen übernehmen wir keine Ver- antwortung. die Redaktion behält sich Kürzungen und journalistische Bearbeitung vor. Mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und/oder der ÖGH wieder. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung des He- rausgebers gestattet. Druck: www.onlineprinters.at Titelbild: Die Dinara - Wiesenlandschaft zwischen ca. 1.200 und 1.700 m. Foto Gerald OCHSENHOFER Rückseite: Balkan-Zornnatter (Hierophis gemonensis). Foto: Christoph RIEGLER 2 ÖGH-Aktuell Nr. 57 März 2021
Inhaltsverzeichnis 04 Christoph RIEGLER: Vorwort 05 Peter PRASCHAG: Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse 08 Thomas BADER: Der 3. Reptilientag der ÖGH 10 Thomas BADER: Die Dinara - das Dach Kroatiens 18 Richard GEMEL: Noch einmal: Schmuckschildkröten und Co 19 Andreas & Christel NÖLLERT: Teichanlage zur ganzjährigen Haltung Nord- amerikanischer Schildkrötenarten 23 Werner KAMMEL: Erstmaliger Einsatz von „Reptilienschutzzäunen“ in der Steiermark 29 Christine ORDA-DEJTZER: Besiedlung renaturierter und revitalisierter Feuchtgebiete durch Amphibien in der Neumarkter Passlandschaft (Steiermark): Aquatische Lebens raumpräfrenzen der Gelbbauchunke (Bombina variegata) 33 Patrick LEMELL & Christian BEISSER: Die Wiener Turtlegroup Teil 2 ÖGH-Aktuell Nr. 57 März 2021 3
Liebe ÖGH-Mitglieder! verändert. Da ich selber leidenschaftlich foto- grafiere, freut es mich besonders, wenn sich reich bebilderte Exkursions-Beiträge in den Der Frühlingsbeginn liegt jetzt schon einige Ausgaben der ÖGH-Aktuell finden. Gerne Tage hinter uns. Zu diesem Zeitpunkt sind würden wir auch Ihren herpetologischen Bei- Tag und Nacht um den gesamten Erdball trag oder Bilder in der ÖGH veröffentlichen. gleich lang – also im Einklang. Disharmonie Die Richtlinien dazu finden sich auf unserer bringt die andauernde COVID-19-Pande- Homepage oder kontaktieren Sie uns dazu mie mit sich und hat uns alle weiterhin fest unter oegh-aktuell@herpetozoa.at. Wir freuen im Griff, sie wirft vieles aus den gewohnten uns auch über Kritik oder Rückmeldung zum Bahnen. Inhalt und Design der ÖGH-Aktuell. Vor fast genau einem Jahr wurden die Nicht nur Exkursionsberichte sind ersten Lockdowns verkündet. Gerade in jener Bestandteil der ÖGH-Aktuell, es werden auch Zeit als man sich schon auf die ersten Exkur- immer wieder Projekte mit herpetologischen sionen im Frühjahr freute. Absagen, Stornie- Konnex veröffentlicht. Mit drei Projekt-Arti- rungen und Planungsunsicherheit für die keln (Reptilienschutzzäune, Teichanlage und bevorstehenden Monate waren die Folge. Renaturierung) ist die Ausgabe 57 diesmal gut Auch die ÖGH war von dieser Situation be- gefüllt. troffen. Zum ersten Mal in der Geschichte der ÖGH wurde die Jahrestagung abgesagt. Die Die administrative Betreuung von traditionellen Vortragsabende und Sitzungen Projekten fällt ebenfalls in meinen Bereich als der ÖGH, mit anschließenden geselligen Dis- Beirat. In den vergangen Jahren durfte die kussionsrunden, mussten den Beschränkungen ÖGH div. Kartierungsprojekte von FFH Arten Tribut zollen und wurden kurzum als Live- sowie Projekte im Rahmen des Förderpro- stream-Vortragsreihe ins Internet verlegt. Er- grammes „ELER“ in der Steiermark unterstüt- freulicherweise hat sich gezeigt, dass diese Art zen. Die Ergebnisse aller Projekte wurden und der Vorträge sehr gut angenommen wird, daher werden laufend auf der Homepage veröffent- wurde beschlossen, die ÖGH Vorträge bis auf licht. Die kommende Ausgabe der ÖGH-Ak- Weitereres auch als Stream anzubieten. Sobald tuell widmet sich dem Thema „Gartenteiche“ es wieder möglich ist, werden die Vorträge und die ÖGH ist offen auch kleiner Projekte auch wie gewohnt im Museum stattfinden – zu fördern. sie bleiben als eine Hybridveranstaltungsreihe bestehen. Bei Zustimmung der Vortragenden Ich wünsch viel Spaß beim Lesen der werden wir die Vorträge auf der ÖGH Home- spannenden und unterhaltsamen Beiträge in page für alle frei verfügbar machen. dieser Ausgabe und freue mich auf ein baldi- ges Wiedersehen. Bleiben Sie zuversichtlich! Als Beirat für „Projektkoodination & Öffentlichkeitsarbeit” fällt der Aufbau und Be- treuung der Homepage in meinen Bereich. Beste Grüße, Ohne Internetauftritt und Social Media Prä- senz ist es heutzutage schwer, bei einem brei- Christoph RIEGLER teren Publikum zeitnah wahrgenommen zu christoph.riegler@herpetofauna.at werden. Daher ist die ÖGH auch seit Kurzem als eine öffentliche Gruppe auf Facebook zu finden. Auch unsere wissenschaftliche Zeit- schrift “Herpetozoa” ist auf dieser Plattform vertreten. Das bringt mich zur zweiten regel- mäßigen Publikation der ÖGH - die ÖGH-Ak- tuell. Die regelmäßig erscheinende Infor- mationszeitschrift der ÖGH informiert über Veranstaltungen, Projekte, Exkursionen be- richtet und herpetologische Beiträge beinhal- tet. Seit der Ausgabe 55 habe ich das Layout der ÖGH Aktuell übernommen und es leicht 4 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse PETER PRASCHAG Eine Tagung ohne den weißen Haarschopf des Walter Sachsse im gedimmten Licht in der ersten Reihe, ohne die emporschnel- lende Hand nach jedem Vortrag, der fach- spezifische Fragen oder Ergänzungen aus der Praxis eines langen Lebens folgten, ja das ist kaum vorstellbar. Egal ob es sich um eine herpetologisch orientierte oder um eine veterinärmedizinische Konferenz handelte, egal ob im In- oder Ausland, der wissbegie- rige Walter nahm bis ins hohe Alter alle Bahnfahrten auf sich und wurde nicht müde, sein Wissen zu teilen und zu erwei- tern. Walter Sachsse verkörperte den Professor in jeder Körperzelle, er war Weg- gefährte der ehrwürdigen Gründer der Ter- raristik und Herpetologie, hatte schon sehr früh blendende Kontakte weit über die Ber- liner Mauer hinweg und fühlte sich vom Riesenreich der Zaren magisch angezogen. Seinem Wissensdrang folgend, scheute er keine Reise, genoss beide Rollen, nämlich die des Lernenden und die des Lehrenden, schlug Brücken zwischen West und Ost, zwischen Gelehrten und Studenten, Hobby- isten und Professionalisten und zwischen freundlichen Lächeln zur Begrüßung bevor Jung und Alt. Dabei schien er selbst dem er überhaupt noch loslegte, waren Grund Kontinuum der Zeit zu trotzen und manch- genug sich, in die Gehirne der Umgebung mal fragte ich mich, ob ich mir das nur ein- tief und dauerhaft einzuprägen. Er verblüffte bilde, oder ob Walter an jenem Tage nicht mit einem nahezu unfehlbaren Gedächtnis doch ganz exakt genauso aussah wie vor 30 und brachte oftmals sein Gegenüber mit Jahren oder mehr. Kenntnissen aus deren vormaligen Erzäh- lungen in Erstaunen, da bei dem Erzähler Obwohl sich sein Schulter- und Be- jene Inhalte schon lange in Vergessenheit ckengürtel nicht so wie bei seinen Pfleglin- geraten waren. gen, den Schildkröten, in den Rippenkorb verlagerten - eine absolut einmalige Ent- Walter Sachsses Wiege der Wissen- wicklung innerhalb der Evolution - kann schaft war die Humanmedizin, von der er man Walter dennoch als Unikat bezeichnen, sich 1977 zum Professor der Genetik auf- welches schwer mit irgendjemanden vergli- schwang. Vorerst aus rein praktischen Grün- chen werden kann. Um seine Wiedererken- den wandte er sich der Ordnung der nung brauchte er sich nicht zu sorgen, Schildkröten zu und spezialisierte sich auf dessen konnte er sich sicher sein. Alleine kleinwüchsige Arten, insbesondere auf die sein Erscheinen mit antiquarischem Koffer Familie der Kinosternidae (Klappschildkrö- in seiner rechten Hand, dem unverwechsel- ten). Zweifellos war er der erste, der seltene baren Äußeren, gepaart mit einem charakte- Arten nicht nur über lange Zeiten am Leben ristischen Kopfnicken und einem erhielt, sondern durch aus genauen Beobach- ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 5
Abb. 2: Von links nach rechts: Friedrich Golder, Erhard Thomas, Walter Sachsse, Robert Mertens, Konrad Klemmer. Auf dem Weg zum Schlangenpark Megot Schetty in Ticino, Schweiz, 1966 (Foto: Erhard Thomas). tungen abgeleitete Haltungsanpassungen les Versteck von Wasserschildkröten Ver- auch zur regelmäßigen Fortpflanzung wendung finden, gehen auf Walters Feststel- brachte. Neben den kleinwüchsigen Arten lung zurück, damit sich intraspezifisch hat die Familie der Weichschildkröten dem aggressive Wasserschildkrötenarten sich zu- Walter es schon immer angetan, wobei er mindest optisch aus dem Weg gehen können. sich auch hier auf Zwerge konzentrierte. Er Dass sich diese Plastikstreifen ideal für eben versorgte den gesamten Europäischen Raum diesen Zweck eignen, leuchtete mir immer mit Nachkommen seiner Dogania subplana sofort ein, wie man aber auf die Idee kommt (Malayen-Weichschildkröte), einer Art, die einen Quadratmeter Folie mit einer scharfen heute leider fast vollkommen aus der Herpe- Klinge in Streifen zu schneiden indem man tokultur Europas verschwunden ist. Des nur eine Mittelrippe verschont, das Plastik- Weiteren entwickelte sein immer reger Geist gebilde dann ausköcheln lässt, um es im An- Haltungsmethoden, die heute aus der Aqua- schluss an der Sonne sich zu einem ristik und Terraristik gar nicht mehr wegzu- Plastikgewölle ringelnden Haufen verfor- denken sind. So war er an der Idee und an men zu lassen, diese Frage habe ich mir des der Entwicklung eines Gelatinefutters für Öfteren gestellt. Des Weiteren war Walter Schildkröten beteiligt, die heute allgemein ein Anhänger von durchlüfteten Wasserkör- als Schildkrötenpudding bekannt ist und pern mit Hilfe von Luftpumpen und betrach- deren Rezeptur in der Szene immer wieder tete ein biologisch ausgewogenes Aquarium modifiziert wurde und wird. Die sich tang- – am besten mit einer florierenden Algen- artig windenden PVC-Plastikstreifen, die in blüte, die er Algensuppe nannte – als we- mehreren Produktionsschritten angefertigt sentlich zielführender als technische werden müssen und als unübertroffen idea- Maßnahmen die meist den Wasserkörper 6 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
bloß zu Tode filtern. Auch das Einkleben und intensive Freundschaft entstand wäh- von Glasscheiben zur Installierung eines rend der DGHT Jahrestagung in Braunau, Landteiles der auch gleichzeitig unter- 1992. Am Ende dieser Tagung kam er ver- schwommen werden konnte und somit als spätet zum Frühstück, da er sich noch zuvor zusätzliches Versteck dient, geht auf Walters am Bahnhof nach Zügen nach Graz erkun- funktionelles Gedankengut zurück. digte. Als ich etwas verdutzt einwarf, dass er doch mit seinem Auto da war, führte er Sein Interesse beschränkte sich aber eine Handbewegung aus, mit der man nor- keinesfalls nur auf Schildkröten oder dem malerweise eine Fliege fängt und meinte: Funktionellen. In seinem Haus tummelten „Achja, das hatte ich jetzt ganz vergessen“. sich auch Zungenlose Frösche der Familie Gemeinsam besuchten wir unzählige Tagun- der Pipidae sowie unterschiedliche Fischar- gen, in Europa aber auch in den USA, wobei ten, wobei hier die Flösselhechte der Gat- wir uns sehr oft ein Zimmer teilten und Wal- tung Polypterus erwähnt werden müssen. ter besuchte mich auch in Kalifornien, als Über die Jahrzehnte sammelte sich in sei- ich Europa für zwei Jahre den Rücken nem Haus ein Potpourri an seltenen Ge- kehrte. Mit 88 Jahren versorgte Walter mit wächsen an, deren Vielfalt er in stetigem Hilfe seiner Frau Nataliya und seinem treuen Austausch mit botanischen Gärten und pri- Sergej noch die beachtliche Anzahl von 70 vaten Liebhabern vergrößerte. Einen nicht Schildkrötenarten, bis er sehr unerwartet unbeträchtlichen Schwerpunkt in seinem und plötzlich am 25. Oktober 2020 seine Leben bildeten Kunst und vor allem die Augen für immer schloss. Heute, nur wenige Musik. Sein Haus war immer ein offener Stunden bevor ich diese Zeilen schreibe, hat Treffpunkt zahlreicher und auch namhafter seine geliebte Ägyptische Landschildkröte Künstler, die oft sehr spontan mit ihren Ta- (Testudo kleinmanni), die er über viele Jahre lenten unvergessliche Abende hinterließen. in seinem Wohnzimmer pflegte, 2 Eier in Sein Haus beherbergte oft einen bunten in- den Sand des Terrariums verscharrt. Wie ich ternational Mix an Gästen, die sich zwischen es vor Jahren versprach, kümmere ich mich Aquarien und Terrarien eine Matratze aus- nun mit Hingabe um seine Pfleglinge und suchen durften, um sich dann am nächsten bemühe mich, sein Vermächtnis in seinem Morgen unsanft vom grellen Licht der sich Sinne weiterzuführen. einschaltenden UV-Beleuchtung aufwecken zu lassen. Lieber Walter, wir vermissen Dich! Walter kannte ich von Anbeginn Peter PRASCHAG meiner Kindheit an, unsere später schöne ppraschag@turtle-island.at ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 7
Der 3. Reptilientag der ÖGH Thomas BADER (Text und Bilder) Am Samstag, dem 19. September 2020 fand beeindruckte auch das sich über mehrere im Museum Niederösterreich in St. Pölten Räume miteinander verbundene Formicarium, der 3. Reptilientag der Österreichischen Ge- in dem die Aktivitäten der Waldameisen wun- sellschaft für Herpetologie statt. Ronald derbar/nahezu lückenlos verfolgt werden kön- Lintner, der ehemalige Leiter des Zoos der nen. Aber auch die Amphibien und Reptilien Blumengärten Hirschstetten, in dem die ließen sich zur Freude der Teilnehmer ausge- beiden ersten Reptilientage abgehalten zeichnet beobachten, sogar einer der Feuersa- wurden, hat seit Februar 2020 die wissen- lamander und die Kreuzotter waren zu sehen. schaftliche Leitung des Hauses für Natur Aufgrund des hervorragenden Wetters konnten übernommen. wir auch einige Tiere in den Außenanlagen be- obachten, die die Herbstsonne noch genossen, Auf Nachfrage der ÖGH war er so- wie etwa Smaragdeidechsen oder Würfelnat- fort bereit, die Tagung auch in dieser schwie- tern. rigen Zeit im Museum Niederösterreich durchzuführen und organisatorisch zu unter- Aktuell ist im Museum auch die Son- stützen. Aufgrund der coronabedingten Aufla- derausstellung „Klima und Ich“ zu sehen, die gen (Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, noch bis 29.08.2021 über das Thema des Kli- Einhaltung der Abstandregeln) konnten die mawandels informiert und inspiriert, zum Veranstalter für das etwa 30-köpfige Teilneh- Schutz des Klimas selbst tätig zu werden. Der merfeld eine sichere Tagung gewährleisten. Besuch des Museums kann und wird auch hierzu ausdrücklich empfohlen! Richard Gemel, der die Tagung wie auch in den letzten Jahren organisierte, leitete Die Tagung endete mit einem gemüt- und moderierte, konnte ein breit gefächertes, lichen Ausklang im Café des Museums und spannendes Programm zusammenstellen, das alle Teilnehmer hofften darauf, dass derartige wissenschaftliche und terraristische Vorträge Veranstaltungen in Zukunft wieder regelmäßig sowie Reiseberichte beinhaltete. Zu Mittag im normalen Rahmen stattfinden können. wurden die Teilnehmer in der museumseige- nen Gastronomie bewirtet und endlich konnte wieder einmal ein direkter Gedankenaustausch Thomas BADER unter Herpetologen stattfinden. Nachdem der thomas.bader@herpetofauna.at Vormittag eher wissenschaftlich geprägt war, kamen am Nachmittag die Terrarianer auf ihre Kosten. Im Anschluss an die Vorträge wurden die Besucher durch die Schausammlung ge- führt, wobei coronabedingt zwei Gruppen ge- bildet wurden, die von Ronald Lintner und Norbert Ruckenbauer geleitet wurden. Im Haus für Natur kann man die Flora und Fauna von Niederösterreich hautnah erleben, wobei die Sammlung so aufgebaut ist, dass man in den unteren Stockwerken das Flachland erkun- det und je weiter man sich nach oben begibt, durchstreift man das Hügelland, bis hin zum Hochgebirge, welches in der obersten Etage beherbergt ist/thematisiert wird. Neben der eindrucksvoll zu beobachtenden Fischfauna, 8 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Eröffnung der Tagung: Ronald Lintner (links) und Richard Gemel (rechts). Ronald Lintner (Bildmitte) bei der abschließenden Führung durch das Museum. ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 9
Die Dinara – das Dach Kroatiens Thomas BADER Kroatien ist eines der herpetologisch arten- derheiten zu bieten. Die imposante Bergland- reichsten Länder Europas und daher ein schaft der Dinara wurde soeben vom kroati- beliebtes Reiseziel mitteleuropäischer Her- schen Parlament zum Naturpark erklärt und ist petologen. Aufgrund des in den letzten damit der zweit größte Naturpark Kroatiens. Jahrzehnten stetig weiter ausgebauten Au- tobahnnetzes ist das Land gut und schnell Geschichte zu bereisen, lediglich die Grenzwartezeiten an den Urlaubswochenenden sind noch ei- Die Stadt Knin hat eine bewegte Vergangen- nigermaßen mühsam, da Kroatien noch heit. Um das Jahr 1080 war Knin eine der nicht im Schengen-Raum aufgenommen wichtigsten Städte Kroatiens und beherbergte wurde. Viele im Rahmen der ÖGH oder Herpetofauna.at durchgeführten Exkursio- den Sitz des kroatischen Königs. Um 1522 nen führten uns in den letzten Jahren nach wurde die Stadt von den Osmanen erobert und Kroatien. fiel somit an das osmanische Bosnien. Im Jahr 1688 eroberten die venezianischen Truppen die Stadt, die dadurch unter die Herrschaft der Entlang der Küsten wurden die Hot- Republik Venedig fiel. Aufgrund der Beset- spots von Istrien über den Kvarner Archipel, zung Venedigs durch Napoleon Bonaparte dem Vraner See bis Split und ins Neretva Delta wurde Dalmatien im Jahr 1797 ein Kronland im Süden Dalmatiens mehrmals erkundet. Im Österreich - Ungarns und somit von den Habs- Gegensatz dazu ist das Innenland von Nord- burgern regiert. Während der jugoslawischen kroatien, Slawonien sowie dem küstenfernen Zeit war Knin vorwiegend von Serben be- Norden Dalmatiens landschaftlich eher mittel- wohnt. Nachdem die kroatische Bevölkerung europäisch geprägt und zieht daher kaum Her- bereits Anfang der 1990er Jahre vertrieben petologen an. In Norddalmatien, nahe der wurde und deren Häuser und Klöster verwüs- Stadt Knin liegt im Dinarischen Gebirge an der tet wurden, eroberte die kroatische Armee im Grenze zu Bosnien – Herzegowina mit 1.831m Kroatienkrieg 1995 die Stadt. Ein Großteil der Seehöhe der höchste Berg Kroatiens - die Di- serbischen Bevölkerung war geflohen, den- nara. Aufgrund seiner biogeographischen Lage noch kam es zu schweren Verbrechen an der hat dieser Berg einige herpetologische Beson- Zivilbevölkerung (www.dw.com). Foto: Thomas Bader An der Dinara begegnet man noch immer Kriegsrelikten aus dem Balkankrieg wie verrosteten Panzern und Munitionsresten. 10 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Foto: Thomas Bader Schmelzwassertümpel, Weidefläche und angrenzende Kiefernwälder auf ca. 1.000 m Seehöhe. Lebensraum von Bergmolch (Ichthyosaura alpestris), Laubfrosch (Hyla arborea), Mauereidechse (Podarcis muralis), Karstäufer (Po- darcis melisellensis) und Smaragdeidechse (Lacerta viridis). Nach Kriegsende kehrten viele vertriebene Geologie & Vegetation Kroaten zurück und nach dem Regierungs- wechsel 2000 entschlossen sich auch viele Ser- Das Dinara - Massiv ist aus dolomitischem ben dazu, in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Kalkstein aufgebaut. Ein Großteil des Gebir- Der Krieg ist zum Glück vorbei, aber die Ein- ges ist stark verkarstet, sodass Regenwasser schusslöcher an vielen Gebäuden sind noch meist rasch versickert. Die Route auf die Di- immer sichtbar. nara verläuft von Knin aus in Richtung Osten. Dabei durchquert man mehrere Vegetationszo- Auch an der Dinara kann man die nen. In tieferen Lagen (Knin liegt auf 230 m Spuren dieses Krieges, der vor 25 Jahren statt- Seehöhe) finden sich noch größere Flächen gefunden hat, noch deutlich erkennen. Wir er- von submediterranen Laubwäldern. Ab einer kundeten den Berg in den Jahren 2006 und Höhe von ca. 450 m herrschen verkarstete Flä- 2017 und konnten dabei verrostete Panzer chen mit Sträuchern und Wacholderbüschen sowie Munitionsreste finden. Natürlich haben vor, die aufgrund von Beweidung, Bränden wir uns vorher erkundigt, ob in dem von uns und Bodendegradation keinen Hochwald mehr besuchten Gebiet mit Minen zu rechnen ist. Es bilden können. Ab einer Seehöhe von 800 m wurde uns versichert, dass der Abhang östlich gelangt man in ausgedehnte Wiesengebiete, von Knin bis zur Dinara komplett minenfrei die Sträucher werden immer weniger, aber sei. In der kroatischen Minenkarte sind für das Kiefern stocken einzeln und in Gruppen. Inte- Gebiet keinerlei Einträge ersichtlich ressanterweise findet man ab einer Seehöhe (https://i0.wp.com/welcome.cms.hr/wp-con- von ca. 1.100 m neben größeren Kiefernwäl- tent/uploads/2015/10/Minska- dern immer wieder Reste von montanen Bu- polja_Hrvatska.jpg) – ein Restrisiko kann aber chenwäldern. In dieser Höhe bilden die wohl nicht ausgeschlossen werden. Im Gegen- Buchen mit ihren massiven Stämmen überra- satz dazu gibt es östlich der Dinara im Bereich schende Dimensionen, die erahnen lassen, des Cetina - Ursprungs noch einzelne vermu- welche ursprünglich üppigen Wälder hier einst tete Minenfelder. geherrscht hatten. Je höher man kommt, desto ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 11
Foto: Christoph Riegler Verkarsteter Abhang und Buchenwald im Hintergrund auf ca. 1.100 m Seehöhe. Lebensraum von Mauer- und Sma- ragdeidechse, Hornotter (Vipera ammodytes) und Schlingnatter (Coronella austriaca). kleiner werden die Buchen, die dann schließ- ten Besuch im Jahr 2006 sind wir mit dem kla- lich in den höchsten Regionen von Legföhren ren Ziel – die Karst- bzw. Wiesenotter (Vipera abgelöst werden. Dazwischen treten auch ver- ursinii macrops) zu finden – angereist. Am karstete Flächen mit blankem Felsen und Fel- Weg auf den Berg standen noch verrostete stürmen auf. Leider kommt es im Sommer Panzer vom Krieg auf den Wiesen – stumme immer wieder zu Waldbränden, sodass eine Zeugen einer traurigen Vergangenheit. große Fläche des Waldes – vor allem der Krummholzzone – abgebrannt ist. Wir legten damals allerdings kein großes Augenmerk auf die tieferen Zonen des Herpetologische Beobachtungen Massivs und bauten unser Zeltlager auf einer Wiese in 1.100 m Seehöhe auf. Dort erkunde- Während die klimatisch begünstigte Küstenre- ten wir die ausgedehnte Wiesenlandschaft und gionen Dalmatiens eine extrem artenreiche waren von der Artenzusammensetzung in die- und diverse Reptilienfauna aufweist, wollten ser Höhe überrascht. wir erforschen, wie sich die Artenzusammen- setzung mit den Höhenstufen am Berg Dinara In der Wiese befand sich ein gemau- ändert. Während das Klima im Bereich der erter Keller, der offenbar im Krieg als De- Stadt Knin als submediterran bezeichnet wer- ckung gedient hatte. Darin hatte sich Wasser den kann, gelangt man am Berg in montanes gesammelt und mehrere Bergmolche waren und schließlich hochalpines Gelände im Joch- Mitte August noch immer im Wasser neben und Gipfelbereich. Interessanterweise ist die ihren Larven zu finden. An den Felsen konnten Herpetofauna der Dinara noch immer recht wir eine hohe Anzahl von Mauereidechsen schlecht erfasst, sodass in jüngster Vergangen- (Podarcis muralis) feststellen. Sie teilen dort heit neue Arten von hier dokumentiert werden ihren Lebensraum mit den selteneren Sma- konnten (ŽAGAR et a. 2014). Bei unserem ers- ragdeidechsen (Lacerta viridis), die sich in 12 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Foto: Gerald Ochsenhofer Wiesenotter oder Karstotter (Vipera ursinii macrops). Diese kleine Viper bewohnt ausgedehnte höhergelegene Wie- senflächen und ernährt sich vorwiegend von Insekten wie Heuschrecken und Grillen. unter Büschen oder an Steinmauern ihre Höh- Vorkommen vermuten lässt, wurden bisher len bauen. Inmitten der Wiese fanden wir eine noch keine Kreuzottern (Vipera berus) an den überraschend hohe Anzahl an bosnischen Hängen der Dinara gefunden (D. JELIC, pers. Zauneidechsen (Lacerta agilis bosnica), die Mitt.). sich von den mitteleuropäischen Unterarten durch ihre fast durchgehenden dunklen Rü- Als wir am späteren Nachmittag wie- ckenflecken und einen hellen Mittelstreifen der zu unserem Zeltplatz zurückkehrten, hatte unterscheiden. Die Nachweise der Eidechsen sich das Wetter beruhigt und wir konnten uns konzentrierten sich auf den offenen Wiesenflä- am Abend nochmals auf Reptiliensuche bege- chen ab 1.100 m und wurden in höheren Lagen ben. An einer Felsenflanke sonnte sich ein kon- deutlich seltener. trastreich gemustertes Hornottermännchen (Vipera ammodytes) in der Abendsonne. Als die Nach Durchquerung des bereits er- Sonne bereits unterging, war an der gleichen Stelle noch eine Schlingnatter (Coronella aus- wähnten Buchenwaldes gelangten wir auf hoch- triaca) auf Nahrungssuche unterwegs. Dieser alpine Wiesen, wo es plötzlich leicht zu regnen Echsenjäger findet hier einen reich gedeckten begann. Als wir bereits unsere Hoffnung auf den Tisch vor. Fund einer Wiesenotter aufgeben wollten, fan- den wir ein Männchen auf knapp 1.400 m See- In der Nacht begann es wie aus Kü- höhe. Das ca. 30 cm lange Tier befand sich beln zu regnen und unser Zelt stand bereits meh- gerade in Häutung und benahm sich in keiner rere Zentimeter im Wasser, als wir in unseren Weise aggressiv. Wir bestiegen trotz immer stär- Kleinbus umsiedeln mussten und eine dement- ker werdendem Regen noch den Gipfel, dessen sprechend schlafarme Nacht verbrachten. Trotz Flanken stark von einem Brand in Mitleiden- der nur eintägigen Verweildauer hatten wir für schaft gezogen waren. Obwohl das Habitat ein Mitte August eine hohe Artenzahl gefunden. ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 13
Nach einer ÖGH Kurzexkursion Ende April – überall präsent und die Flora zeigte sich von Anfang Mai 2017 beschloss ein kleiner Teil seiner buntesten Seite mit blühenden Primeln, der Reisegruppe, am letzten Tag einen Abste- Knabenkräutern, Pfingstrosen, Schusternägeln cher auf die Dinara zu wagen. Diesmal blieben und Schachbrettblumen. wir bereits einige Male auf dem Weg stehen und erkundeten die karstige Wiesenlandschaft Die Karstläufer besetzten hier die Ni- zwischen 700 und 800 m Seehöhe nach Repti- sche der Wiesen und waren in hoher Anzahl zu lien. Die erste Art, die immer wieder den Weg finden. Mauereidechsen waren überall dort an- kreuzte, war der Karstläufer (Podarcis meli- zutreffen, wo felsige Bereiche und größere sellensis), der relativ häufig zu finden war. Am Steine aus den Wiesen herausragten. Schließ- Rand einer Baumgruppe entdeckten wir junge lich entdeckten wir auch noch einige Smaragd- Blindschleichen (Anguis fagilis) beim Drehen eidechsen, die sich sehr scheu unter größeren von Steinen. In diesen Habitaten soll auch Büschen sonnten und blitzschnell bei Annähe- noch die Äskulapnatter (Zamenis longissimus) rung verschwanden. vorkommen, die wir allerdings nicht nachwei- sen konnten. Am späten Vormittag erspähten In den Gewässern selber war eine ex- wir in einer Doline einen Gewässerkomplex trem hohe Anzahl an Bergmolchen beim Paa- auf ca. 900 m Seehöhe. Um dorthin zu gelan- rungsgeschäft aktiv. Besonders in den gen, querten wir das Tal und trafen wieder auf Uferzonen konnte man das Paarungsspiel gut Kriegsrelikte, die uns sehr zur Vorsicht mahn- beobachten. Schließlich wurden wir noch auf ten. Es handelte dabei – wie sich später heraus- einige pädomorphe Bergmolche aufmerksam, stellte - um Panzermunition samt Zubehör. die sich unter ihre voll entwickelten Artgenos- Auch die Spuren des Winters waren noch sen gemischt hatten. In der Größe standen Fotos: Gerald Ochsenhofer Adriatische Mauereidechse oder Karstläufer Europäische Hornotter (Vipera ammodytes), Männchen. (Podarcis melisellensis). Entgegen ihrem Namen Hornottern sind an der Dinara häufig. Sie kommen sym- kommt diese Eidechse in höheren Lagen vorwiegend patrisch mit Wiesenottern vor, bewohnen aber die felsi- in Wiesen vor. geren Bereiche. 14 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Foto: Thomas Bader In den zahlreichen Kleingewässern an der Dinara kommt eine extrem hohe Dichte an Bergmolchen (Ichthyosaura alpestris) mit einzelnen pädomorphen Exemplaren vor. Diese erreichen die Größen von Adulttieren. diese den Adulttieren um nichts nach, aber ihre Fazit Kiemen waren immer noch voll ausgebildet und man konnte ihr Geschlecht nicht bestim- Obwohl wir nur eine sehr kurze Zeit am Dach men. Es ist uns nicht klar, ob sich diese Molche Kroatiens verbrachten, war die Anzahl der be- nur ein Jahr später umwandeln oder Zeit ihres obachteten Reptilienarten für einen derartigen Lebens im Larvenstadium verbleiben. Als ein- Gebirgsstandort ziemlich hoch. Was die Am- ziger Froschlurch, den wir fanden, sonnte sich phibien betrifft, ist neben den beiden nachge- ein Laubfrosch in der Wiese nicht weit vom wiesenen Arten sicherlich noch mit weiteren Gewässer entfernt. Arten wie dem Springfrosch (Rana dalmatina) und dem Grasfrosch (Rana temporaria), dem Wir machten noch einen Abstecher Kammmolch (Triturus carnifex), eventuell der auf die Wiese in 1.100 m Seehöhe und fanden Gelbbauchunke (Bombina variegata) und in dort zumindest im vorderen Bereich etliche tieferen Lagen mit dem Seefrosch (Pelophylax Karstläufer, die wir 2006 dort nicht nachweisen ridibundus) zu rechnen. konnten. Ein syntopes Vorkommen von den mediterran adaptierten Karstläufern und den an Aus der Literatur wissen wir, dass an kühleres Klima angepassten Zauneidechsen ist den Hängen der Dinara auch noch die Äsku- wohl einzigartig und es stellt sich die Frage, lapnatter vorkommt. Erst kürzlich wurden wie die Arten auf den Klimawandel reagieren. auch einzelne Kroatische Gebirgseidechsen Leider mussten wir die Suche auf einen kurzen (Iberolacerta horvathi) an Felsblöcken auf Zeitraum beschränken, da wir unsere Rückreise 1530 m Seehöhe nachgewiesen (ŽAGAR et al. in die Heimat antreten mussten. 2014). Damit ist dieser Nachweis der süd- ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 15
lichste dieser Art. Von ŠALAMON (2006) und des Dinara noch vorkommen und wie bis in PODNAR et al. (2013) wurden Nachweise der welche Höhenlage diese aufsteigen. Dalmatinischen Spitzkopfeidechse (Dalmato- lacerta oxycephala) von der Dinara gemeldet, Unsere bisherigen Erkundungen be- sodass aktuell sechs Lacertidenarten vom Ge- schränkten sich bisher auf den höher gelege- birgsmassiv bekannt sind. Die Kreuzotter nen westlichen Teil des Gebirgsmassives. Mit wurde bisher nur auf bosnischer Seite gefun- der Wiesenotter und der Kroatischen Gebirg- den, aber es durchaus möglich, dass diese Art seidechse kommen dabei Arten vor, die sonst am Dinara bisher übersehen wurde. Am Fuße nur selten gefunden werden. Um den Wissens- des Dinara entspringen die Flüsse Krka im stand der Herpetofauna zu verbessern, sind Süden und Cetina im Osten. Mit hoher Wahr- weitere Exkursionen zum Dach Kroatiens ge- scheinlichkeit sind in diesen Quellbereichen plant. beide Natrix-Arten zu erwarten. Außerdem ist Thomas BADER fraglich, welche mediterranen Arten am Fuß thomas_bader@inode.at Foto: Christoph Riegler Schlingnatter (Coronella austriaca). Im mediterranen Bereich steigt die Abundanz mit zunehmender Meereshöhe. Literatur: PODNAR, M., MADARIC, B.B. & MAYER, W. (2013): Non-concordant phylogeographical patterns of three widely codistributed endemic Western Balkan lacertid lizards (Reptilia, Lacertidae) sha- ped by specific habitat requirements and different responses to Pleistocene climatic oscillations. – Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research, Berlin, 52 (2): 119–129. ŠALAMON, D. (2006): 53-54. Reptiles. – In: TVRTKOVIĆ, N. & VEEN, P. (Hrsg.): The Dinaric Alps Rare Habitats and Species, A Nature Conservation Project in Croatia, CHNM et KNNV, Zagreb ŽAGAR. A., CARRETERO1, M.A., KROFEL, M., LUŽNIK, M., PODNAR, M. & TVRTKOVIĆ, N. (2014): Reptile survey in Dinara Mountain (Croatia) revealed the southernmost known population of Horvath's rock lizard (Iberolacerta horvathi). – Natura Croatica 23 (23:1): 235-240. 16 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Foto: Gerald Ochsenhofer Bosnische Zauneidechse (Lacerta agilis bosnica), trächtiges Weibchen. ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 17
Noch einmal: Schmuckschildkröten und Co Richard GEMEL Der Bericht über allochthone Schildkröten Exkursionsbericht (BÖHME & SCHMITZ 1997) in Österreich mit Bemerkungen zu deren entsprechend vermerkt. Im Burgenland wurde Reproduktionsfähigkeit im Freiland weiters 2019 bei Pamhagen ein Weibchen der (GEMEL & WÖSS 2020) löste erfreulicher- Gelbwangen-Schmuckschildkröte bei der Ei- weise einige Resonanz aus. ablage aufgegriffen und die untenstehenden Fotos von ihr angefertigt. Prof. Wolfgang BÖHME teilte uns mit, dass ein totes, überfahrenes Weibchen der Rot- Andreas und Christel NÖLLERT be- wangen-Schmuckschildkröte (Trachemys richteten von ihrem Gartenteich in Jena mit scripta elegans) am 27.8.1997 im Zuge seiner deutlich höherer nördlicher Breite als unsere Studentenexkursionen an den Neusiedler see Gebiete von regelmäßigen „Freilandbruten“ 3 km südwestlich von Donnerskirchen auf der nordamerikanischer Schmuckschildkröten und Einmündung einer Nebenstraße von Oggau haben dankenswerterweise den nachfolgenden auf die Hauptstraße Eisenstadt – Neusiedl ge- Bericht zusammengestellt. borgen wurde und mit der Inventarnummer ZFMK 65103 in die Sammlung des Zoologi- schen Forschungsmuseum Alexander Koenig Richard GEMEL in Bonn übernommen wurde. Dies wurde im richard.gemel@nhm-wien.ac.at Fotos: Harald Grabenhofer Gelbwangen-Schmuckschildkröte aus dem Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel. Literaur BÖHME, W. & SCHMITZ, G. (1997): Ökologie und Zoogeographie des pannonischen Raumes, Blockpraktikum SS 1997, Universität Bonn. – Unveröff. Exkursionsbericht, 154 S. GEMEL, R. & WÖSS, G. (2020): Neue bemerkenswerte Beobachtungen zu allochthonen Schild- kröten in Österreich. – ÖGH-Aktuell 56: 16-20. 18 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Teichanlage zur ganzjährigen Haltung Nordamerikanischer Schildkrötenarten Andreas und Christel NÖLLERT (Text und Bilder) Abb. 1: Teichanlage am 13. Januar 2007. Der Bau der Freianlage erfolgte im Sommer einer Freilandanlage von etwa 6 Quadratme- 2006 (Abb. 1). Der Durchmesser der Anlage tern mit einer Wassertiefe von 0,5 m, auch im beträgt etwa 12 Meter, der Durchmesser des Winterhalbjahr. Seit Sommer 2006 werden die Teiches macht davon etwa 10 Meter aus, seine Tiere im zuvor beschriebenen Gartenteich ge- größte Tiefe etwa 1,1 Meter. Nur bei stark ge- halten. Erste Eiablagen erfolgten 2007, dann sunkenem Wasserstand wird der abflusslose jährlich regelmäßig ab dem 20. Juli. Die Ge- Teich mit Leitungswasser befüllt. Das ist in der schlechtsreife der Männchen tritt bei dieser Regel etwa zweimal im Jahr notwendig. Pfle- Unterart im nördlichen Teil des Verbreitungs- gemaßnahmen erfolgen insofern, als einmal im areals im 6. Lebensjahr ein, im südlichen Teil Jahr größere Grünalgen-Watten entnommen ihres Verbreitungsgebietes bereits nach 2 bis 4 werden, dazu zwei bis dreimal im Jahr eine Jahren. Die Geschlechtsreife der Weibchen er- Reduzierung der Ufervegetation vorgenom- folgt nach 6 bis10 Jahren und ist weniger vom men wird. Im Jahr 2020 wurde zusätzlich ein Lebensalter abhängig als vielmehr von der sehr großer Teil des Seerosenbestandes ent- Plastronlänge: Männchen gelten mit 7,0 bis 9,5 fernt. cm Bauchpanzerlänge als geschlechtsreif, Weibchen mit einer Bauchpanzerlänge von 9,7 Anmerkungen und Beobachtungen zu den im bis 12,8 cm (ERNST & LOVICH 2009: 196-197). Teich lebenden Schildkrötenarten: Probegrabungen und Eiablagen im Westliche Zierschildkröte Gartenteich fanden zumeist zwischen 17:00 und (Chrysemys picta bellii) 22:00 Uhr statt. Gelegegruben und Gruben von Probegrabungen befanden sich immer an der Kauf von fünf Schlüpflingen (ein Basis der aus Muschelkalk-Bruchsteinen beste- Männchen, 4 Weibchen = „1,4“) im Zoofach- henden Umfriedungsmauer oder in deren un- handel 1995. Die Haltung erfolgte zunächst in mittelbarer Nähe sowohl am östlichen als auch ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 19
am westlichen Teichrand. Der Bodengrund be- mauer. Lediglich von den Falschen Landkarten- steht aus „gewachsenem“ und sehr festem Gar- Höckerschildkröten (Graptemys pseudogeogra- tenboden, der zudem größtenteils mit einer phica) wird auch der mittlere Bereich der dünnen Schicht von grobem Kalkschotter abge- Fläche genutzt. Die Schlüpflinge überwintern deckt ist. Im Jahr 2015 wurde am östlichen in den Gelegegruben und schlüpfen im Folge- Teichrand an der Basis der Steinmauer eine jahr. Seit mindestens 2010 (zumeist ab Juni) etwa 2 Quadratmeter große und 0,5 m tiefe Ab- konnten sich sonnende Schlüpflinge zwischen lagegrube mit einem Gemisch aus Gartenboden, dichten Wasserpflanzenbeständen (Gewöhnli- Sand und Kompost angelegt. Auch hier erfolgte cher Tannenwedel Hippuris vulgaris, Abb. 2, 3) die Eiablage in unmittelbarer Nähe der Stein- beobachtet werden. Abb. 2: Teichanlage mit dichten Beständen von Gewöhnlichem Tannenwedel am 14. Mai 2012. Abb. 3: Teichanlage am 05. Juni 2016 mit Gewöhnlichem Tannenwedel, Weißer Seerose und Gelber Teichrose. 20 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Abb. 4: Teichanlage mit nahezu vollständig durch Pseudemys rubriventris verzehrtem Bestand des Gewöhnlichen Tannenwedels am 19. Juni 2019. Von Nördlichen Rotbauch-Schmuckschildkrö- Falsche Landkarten-Höckerschildkröte ten (Pseudemys rubriventris) wurde der Be- (Graptemys pseudogeographica) stand des Tannenwedels nahezu vollständig verzehrt (Abb. 4). Somit konnten in den Jahren Erwerb als adulte Individuen (1,3) aus einem 2019/2020 mindestens 15 Jungtiere der Jahre Teich in Berlin (2009, 0,1) bzw. vom Landrats- 2017 bis 2019 auf Steinen im Uferbereich, auf amt Landkreis Greiz (2009, 1,1). Erste Eiablage Schwimmblättern von Weißen Seerosen (Nym- 2017. Eiablagen und Probegrabungen um die phaea alba), Gelber Teichrose (Nuphar lutea) Mittagszeit, zumeist etwa zwei Wochen nach sowie im Wasser liegenden Apfel- bzw. Bir- Chrysemys picta bellii und C. p. picta. Bislang nenbaumstämmen sonnend beobachtet wer- kein Schlupferfolg im Freiland. Alle Eier, in den. Mindestens drei Jungtiere wiesen im Jahr denen sich nur selten Embryonen befanden, 2020 Bissverletzungen im Bereich der Rand- wurden jeweils im Frühjahr geborgen. schilde (Marginalia) auf. Nördliche Rotbauch-Schmuckschildkröte Östliche Zierschildkröte (Pseudemys rubriventris) (Chrysemys picta picta) Kauf als Schlüpflinge im Zoohandel (1,4) 2009. Kauf von fünf Schlüpflingen (2,3) von einer Erste Paarungen wurden 2019 beobachtet. Die Privatperson im Jahr 2008. Erste Eiablage er- Geschlechtsreife der Männchen tritt im Verbrei- folgten 2018, zumeist Mitte Juli, nahezu tungsgebiet nach 9 Jahren (Plastronlänge 22,0 gleichzeitig mit Chrysemys picta bellii. 2020 cm), die der Weibchen nach 11 Jahren mit einer wurden 2 bis 3 Schlüpflinge des Jahres 2019 Plastronlänge von 23,4 cm ein (ERNST & LO- beobachtet. VICH 2009: 395). In unserer Anlage erfolgten bisher keine Eiablagen. Moschusschildkröte (Sternotherus odoratus) Kauf von fünf Schlüpflingen von einer Privat- person im Jahr 2009. Seit 2017 etwa drei bis fünf Sichtungen von (2 unterschiedlichen?) adulten Individuen vor allem im August beim Sonnenbad auf im Wasser liegenden Baum- stämmen. Eiablagen wurden bislang nicht be- obachtet. Abb. 5: Probegrabung einer Chrysemys picta bellii am 24.Juli 2017. Andreas & Christel NÖLLERT andreas.noellert@googlemail.com ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 21
Abb. 6: Geschlechtsreifes Weibchen von Graptemys pseu- Abb. 8: Pseudemys rubriventris am 08. September 2018. dogeographica am 24. Juli 2017. Abb. 7: Geschlechtsreifes Männchen und Weibchen von Chrsemys picta bellii am 24. Juli 2017. Abb. 2: Dasselbe Weibchen (?) der Rotwangen- Schmuckschildkröte von 2019 im Jahr 2020 in Wien 22, Mühlgrundweg Abb. 9: Der Teich am 13.2. 2021 bei -17° C und 30 bis 40 cm Schnee. Literatur: ERNST, C. H. & J. E. LOVICH (2009): Turtles oft he United States and Canada. – Second Edition, The Johns Hopkins University Press, Baltimore, i-xii + 827 pp. (Chrysemys picta: 184-211; Pseudemys rubriventris: 392-397). 22 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Erstmaliger Einsatz von „Reptilienschutzzäunen“ in der Steiermark Werner KAMMEL (Text und Bilder) Die Uferböschungen der Mur stellen Die Art wird in der Rote Liste der gefährdeten einen der bedeutsamsten Lebensräume Tiere Österreichs als „stark gefährdet“ einge- für Reptilienarten in den Tallagen der stuft (GOLLMANN 2007) und gehört zu den Mur dar. Ihnen kommt zudem ein beson- „streng geschützten“ Tierarten nach Anhang ders hoher Stellenwert hinsichtlich der IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Die Vernetzung lokaler Vorkommen zu. Eine Kommission der Europäischen Gemeinschaft besondere Bedeutung besitzt dieser Le- 1992). Zudem befindet sie sich europaweit in bensraum für die Würfelnatter (Natrix einem als „ungünstig/unzureichend“ und in tessellata L AURENTI , 1768) (K AMMEL & Österreich als „ungünstig/schlecht“ eingestuf- MEBERT 2011). ten Erhaltungszustand (Abb. 1 & 2). Abb. 1: Portrait der Würfelnatter. Abb. 2: Würfelnatter bei der Schwechat. ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 23
Die Uferböschungen stellen ebenfalls einen her durchgeführten Absammeln und Umsie- wichtigen Lebensraum für Blindschleiche (An- deln von Individuen wird nach eigenem Wis- guis fragilis L., 1758), Zauneidechse (Lacerta sensstand eine Erfolgsquote von bestenfalls agilis L., 1758), Mauereidechse (Podarcis mu- 20 - 30 % zugestanden. Dies lässt sich erst ralis L., 1768), Ringelnatter (Natrix natrix L., durch Populationsberechnungen im Vergleich 1758), Äskulapnatter (Zamenis longissimus zur tasächlichen Anzahl umgesiedelter Indivi- Laurenti, 1768) und Schlingnatter (Coronella duen belegen (z. B. TANNINGER 2018). Aus austriaca Laurenti, 1768) dar. Bei der Maue- diesem Grund wurde in Absprache mit den je- reidechse handelt es sich jedoch um die aus weiligen Projektwerbern ein „Reptilienschutz- Italien eingeschleppte Unterart Podarcis mu- zaun“ entwickelt und bereits eingesetzt. ralis maculiventris – Venetienlinie: Modena- Dieser Begriff ist rechtlich nicht existent. Typ (KAMMEL 2016). Sie ist als invasives Auch gibt es dazu weder Richtlinien und Vor- „Para-Neozoon“ einzustufen und als alloch- schriften (RVS), sonstige Normen oder Erfah- thone Unterart nicht als Schutzgut zu betrach- rungswerte. Vermutlich stellt der Einsatz der ten (u. a. SCHULTE et al. 2008). anfangs als „Schlangenschutzzaun“ bezeich- neten Abschirmung zum Schutz von Repti- Seitens des Menschen wird dieser lienarten in dieser Form bei Ein- Lebensraum in vielfältiger Weise in Anspruch griffsbereichen einen Präzedenzfall zumindest genommen. Nach den im Laufe der letzten im deutschen Sprachraum dar. Schließlich er- beiden Jahrzehnte errichteten Kraftwerksbau- fordern Schutzzäune für Schlangenarten, die ten sollen an etlichen Fließstrecken der Mur zumindest einen Meter hoch nicht überwind- Hochwasserdämme ertüchtigt und in Graz am bar sein müssen, ganz andere technische Vo- Ufer ein „Stadtbootshaus“ errichtet werden. raussetzung als ein Schutzzaun für Eidechsen. Abgesehen von erforderlichen Ausgleichs- maßnahmen durch einen etwaigen Lebens- Die Grundidee besteht darin, in An- raumverlust steht bei diesen Bauvorhaben in lehnung an erprobte temporär aufgestellte den Bewilligungsverfahren neben Störung Amphibienschutzzäune eine glatte, zumindest und Beeinträchtigung von Lebensräumen die 1 Meter hohe Folie mit dichtem Abschluss am Vermeidung einer unbeabsichtigten Tötung Boden zu errichten. Deren Herstellung sollte geschützter Tierarten gemäß Artikel 12 der praktikabel unter möglichst geringen Baukos- FFH-Richtlinie und § 17 des Stmk. Natur- ten erfolgen. Letztere können je nach Stand- schutzgesetzes im Vordergrund. ortbedingungen höchst unterschiedlich ausfallen. Erfahrungswerte dazu können im Eine vollkommene Vermeidung Zuge erster Einsätze gesammelt werden. Als einer unabsichtlichen Tötung von Reptilien tragendes Element wird ein herkömmlicher während eines Bauvorhabens ist nach derzei- Bauzaun (Stahlgitterelemente mit mobilen tigem (und vermutlich auch zukünftigem) Bauzaunfüßen aus Beton) verwendet. Dabei Stand der Technik nicht möglich. Einem bis- boten die drei gegenständlichen Bauvorhaben Abb. 3: Leibnitzer Feld bei Gabersdorf: Hier ist die Ertüchtigung Hochwasserdämme geplant. 24 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
jeweils unterschiedliche Herausforderungen: stellbar sein. An den Böschungen können Die Ertüchtigung der Hochwasserdämme im weder per Bagger noch per Hand auf Grund Bezirk Leibnitz (Gabersdorf bis fast zur slo- der vorhandenen, bereits überwachsenen wenischen Staatsgrenze) (Abb. 3) soll an bei- Steinschichtungen Grabungsarbeiten durchge- den Ufern auf 8,2 km Länge erfolgen, was ca. führt werden (Abb. 6). Hier wurden bereits 16,5 km Schutzzaun bedeuten würde. Und erste Erfahrungen gewonnen, da die Errich- wohin sollen die im jeweiligen Bauabschnitt tung des Schutzzaunes bereits im August 2020 gesicherten Tiere bei einem derart großflächi- erfolgte. gen Eingriff umgesiedelt werden? Zu diesen drei Projekten wurden fol- gende Lösungen erarbeitet: Bei der geplanten Ertüchtigung der Hochwasserdämme auf einer über 8 km langen Fließstrecke der Mur im Be- zirk Leibnitz „wandert“ der Reptilienschutz- zaun mit der Baustelle mit. Die Eingriffe erfolgen überwiegend „luftseitig“ (die zum Gewässer abgewandte Seite der Uferbö- schung), während die Reptilienlebensräume vorwiegend wasserseitig liegen. In Anpassung an den Baufortschritt werden ca. 300 - 500 m Zaun auf der Dammkrone aufgestellt und die Folie in einer per Bagger hergestellten Künette eingegraben. Reptilien, die unter Einsatz Abb. 4: Platzmangel beim Hochwasserschutz in Frohnleiten. künstlicher Verstecke auf der Landseite im Baufeld gesichert werden, brauchen lediglich Der Umbau der Hochwasserdämme in Frohn- auf die andere Zaunseite versetzt und nicht leiten (zwischen Bruck/Mur und Graz) soll auf weiträumig umgesiedelt werden. ca. 1 km Länge in zum Teil dicht verbauten Siedlungsgebiet erfolgen. Hier liegt im Platz- In der Marktgemeinde Frohnleiten mangel für Baufahrzeuge das Hauptproblem soll die Errichtung des Schutzzaunes vorwie- (Abb. 4). gend auf bereits bestehenden Betonsockeln an- grenzender Gärten bzw. einer existenten, Im Zentrum von Graz wird ein ab- mittlerweile nicht mehr ausreichend hohen bruchreifes Bootshaus für Paddler und sons- Hochwasserschutzmauer erfolgen (Abb. 7). tige Wassersportler neu errichtet und Auf diesen ca. 30 cm breiten Betonsockeln vergrößert (Abb. 5). Zwar umfasst das Baufeld wird der mobile Bauzaun gestellt, daran die nur etwa 80 x 10 m. Aber der Reptilienschutz- Folie angeheftet und durch eine bodenseitig zaun längs des Murufers befände sich im Be- angeschraubte Holzleiste (Lärche oder ein ver- reich eines einjährigen Hochwassers (HQ1) gleichbares Material) zwischen Holz und und muss rasch demontierbar und wieder her- Beton eingezwängt. Etwaige Durchlässe für Abb. 5: Altes Stadtbootshaus. Abb. 6: Murufer - Höhe der Baustelle des Grazer Stadtzentrums. ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 25
Abb. 7: Aufständerung des “Reptilienschutzzaunes” auf bestehende Betonsockel. Abb. 8: Schutzzaun an der Böschung, bodenseitig beschwert. 26 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
werden kann (Abb. 8). In Folge verbliebe nur das eingegrabene Brett. Zuvor wurden im ca. 800 m² großen Baufeld sechs Wochen vor Baubeginn zehn künstliche Verstecke („plots“) für Schlangen ausgelegt (Abb. 9). Durch die Sicherung der Baustelle konnte sich die Um- siedelung von Reptilien auf Nahbereiche der Baustelle beschränken, in denen ihre Bestände durch bisherige Baumaßnahmen ohnehin aus- gedünnt wurden. Ein Zuzug während der Bau- phase wird durch die Umzäunung verhindert. Die Absammlung von Reptilien an dieser Baustelle verlief 2020 glücklicherweise ergebnislos. Es konnten erwartungsgemäß keine Reptilien im Baufeld - abgesehen von al- lochthonen Mauereidechsen - angetroffen wer- den. Dazu ist anzumerken, dass das gesamte Baufeld durch bestehende Baumkronen in vol- Abb. 9: Schutzzaun im Hochwasser gefährdeten Bereich: Verschrau- ler Beschattung stand. Die auf den Fotos er- bung an ein eingegrabenes Brett. Im Hintergrund ein ausgelegter “plot”. kennbare teilweise Besonnung des Areals wurde wenige Tage vor Errichtung des Repti- Gartentüren werden lückendicht durch ver- lienschutzzaunes durch einen Sturmschaden keilte Schaltafeln, witterungsbeständige verursacht, dem eine fünf-stämmige und Dämmplatten oder einem vergleichbaren Ma- mächtige Bruchweide zum Opfer fiel. Auch terial verschlossen. Die erwähnten Zaunsockel sind die Reptilienbestände der Murufer im Be- müssen in weiterer Folge ohnehin abgerissen reich der Grazer Innenstadt durch vorangegan- und rückversetzt werden. Im Bereich einer er- gene Bauvorhaben (Murkraftwerk Graz und forderlichen Zufahrt am Uferbegleitweg er- Errichtung eines zentralen Abwasser-Sammel- folgt keine Fixierung der Folie im Boden. Hier kanals) durch Absammlungen bzw. unbeab- wird die Plane am Boden nach außen hin um- sichtigte Tötung in den letzten Jahren massiv geschlagen und flächig mit Gehwegplatten ausgedünnt worden. Seitens der zuständigen oder einem vergleichbaren Produkt beschwert. Baufirma wurde der Schutzzaun nicht gemäß Die Folie ist schließlich an jedem Baustellen- der behördlichen Vorgaben errichtet. Die lichte tag zu entfernen und wieder anzubringen. Höhe der Folie wurde nur mit einer durch- schnittlichen Höhe von 75 cm hergestellt. Im Falle des Grazer „Stadtbootshau- Auch mussten Schwachstellen bei der Über- ses“ wurde der Schutzzaun folgendermaßen lappung nachgebessert werden. Da aber kei- errichtet: An der Böschung ist durch die weit- nerlei Reptilien (mit Ausnahme von gehende Ufersicherung durch Wasserbausteine allochthonen Mauereidechsen) im Baufeld und im Sinne des Baumschutzes in der ur- auffindbar waren, wurde bisher keine be- sprünglich geplanten Version (Eingrabung in scheidgemäße Nachbesserung eingefordert. einer durch per Bagger hergestellten Künette) nicht möglich. Deswegen wurde vereinbart, Es ist zu hoffen, dass auf Basis der dass nach Entfernung der Bodenvegetation der bei diesen drei Bauvorhaben gewonnenen Er- Bodenanschluss der Folie auf einem mittels kenntnisse ein Reptilienschutzzaun „Stand der Sandbett geebneten Untergrund erfolgt. Auf Technik“ wird und in zukünftigen Projektbe- diesen wurde die Unterkante der Folie verlegt willigungen und rechtlichen Normen Eingang und mit Pflastersteinen flächig und lückenlos findet. bis zur oberseitigen Gehsteigkante der angren- zenden Straße beschwert. Längs des Murufers Werner KAMMEL wurde ein Brett eingegraben, an dem die Folie office@wernerkammel.at mittels Verschraubung durch Holzstaffeln ein- geklemmt wurde, damit im Falle eines Hoch- wassers > HQ 1 der Zaun rasch demontiert ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021 27
Sie können auch lesen