Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...

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Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
Nr. 57              Nr. 57März
                           März 2021

             Wiener Turtlegroup Teil 2
       Die Dinara - das Dach Kroatiens
Reptilienschutzzäune in der Steiermark
 Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse
                       P-ISSN 1605-9344, E-ISSN 1605-8208
Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
ÖGH-Vorstand

    Präsident: Dr. Andreas MALETZKY: andreas.maletzky@sbg.ac.at
    Vizepräsidentin: Dr. Silke SCHWEIGER: silke.schweiger@nhm-wien.ac.at
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    Schriftleitung (Herpetozoa): Doz. Dr. Günter GOLLMANN: editor@herpetozoa.at
    Schriftleitung Stellvertreter (ÖGH-Aktuell): Richard GEMEL: richard.gemel@nhm-wien.ac.at
    Beirat (Reptilien): Dipl.Ing. Thomas BADER: thomas.bader@herpetofauna.at
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    Beirat (Feldherpetologie): Johannes HILL: johannes.hill@herpetofauna.at
    Beirätin (Arten- und Naturschutz): Mag. Maria SCHINDLER:
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    Impressum
    ÖGH-Aktuell, Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie
    Heft 57 P-ISSN 1605-9344, E-ISSN 1605-8208

    Redaktion: Richard GEMEL, Layout: Christoph RIEGLER

    Redaktionsbeirat: Mag. Sabine GRESSLER, Georg GASSNER, Dr. Günther Karl KUNST,
    Mag. Franz WIELAND, Mario SCHWEIGER, Dr. Silke SCHWEIGER

    Anschrift
    Burgring 7
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    antwortung. die Redaktion behält sich Kürzungen und journalistische Bearbeitung vor. Mit
    Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion
    und/oder der ÖGH wieder. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Genehmigung des He-
    rausgebers gestattet.
    Druck: www.onlineprinters.at

    Titelbild: Die Dinara - Wiesenlandschaft zwischen ca. 1.200 und 1.700 m. Foto Gerald OCHSENHOFER
    Rückseite: Balkan-Zornnatter (Hierophis gemonensis). Foto: Christoph RIEGLER

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Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
Inhaltsverzeichnis
04   Christoph RIEGLER: Vorwort
05   Peter PRASCHAG: Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse
08   Thomas BADER: Der 3. Reptilientag der ÖGH
10   Thomas BADER: Die Dinara - das Dach Kroatiens
18   Richard GEMEL: Noch einmal: Schmuckschildkröten und Co
19   Andreas & Christel NÖLLERT: Teichanlage zur ganzjährigen Haltung Nord-
     amerikanischer Schildkrötenarten
23   Werner KAMMEL: Erstmaliger Einsatz von „Reptilienschutzzäunen“ in der Steiermark
29   Christine ORDA-DEJTZER: Besiedlung renaturierter und revitalisierter Feuchtgebiete
     durch Amphibien in der Neumarkter Passlandschaft (Steiermark): Aquatische Lebens
     raumpräfrenzen der Gelbbauchunke (Bombina variegata)
33   Patrick LEMELL & Christian BEISSER: Die Wiener Turtlegroup Teil 2

                          ÖGH-Aktuell Nr. 57 März 2021                                    3
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Liebe ÖGH-Mitglieder!                              verändert. Da ich selber leidenschaftlich foto-
                                                       grafiere, freut es mich besonders, wenn sich
                                                       reich bebilderte Exkursions-Beiträge in den
    Der Frühlingsbeginn liegt jetzt schon einige       Ausgaben der ÖGH-Aktuell finden. Gerne
    Tage hinter uns. Zu diesem Zeitpunkt sind          würden wir auch Ihren herpetologischen Bei-
    Tag und Nacht um den gesamten Erdball              trag oder Bilder in der ÖGH veröffentlichen.
    gleich lang – also im Einklang. Disharmonie        Die Richtlinien dazu finden sich auf unserer
    bringt die andauernde COVID-19-Pande-              Homepage oder kontaktieren Sie uns dazu
    mie mit sich und hat uns alle weiterhin fest       unter oegh-aktuell@herpetozoa.at. Wir freuen
    im Griff, sie wirft vieles aus den gewohnten       uns auch über Kritik oder Rückmeldung zum
    Bahnen.                                            Inhalt und Design der ÖGH-Aktuell.
              Vor fast genau einem Jahr wurden die              Nicht nur Exkursionsberichte sind
    ersten Lockdowns verkündet. Gerade in jener        Bestandteil der ÖGH-Aktuell, es werden auch
    Zeit als man sich schon auf die ersten Exkur-      immer wieder Projekte mit herpetologischen
    sionen im Frühjahr freute. Absagen, Stornie-       Konnex veröffentlicht. Mit drei Projekt-Arti-
    rungen und Planungsunsicherheit für die            keln (Reptilienschutzzäune, Teichanlage und
    bevorstehenden Monate waren die Folge.             Renaturierung) ist die Ausgabe 57 diesmal gut
    Auch die ÖGH war von dieser Situation be-          gefüllt.
    troffen. Zum ersten Mal in der Geschichte der
    ÖGH wurde die Jahrestagung abgesagt. Die                     Die administrative Betreuung von
    traditionellen Vortragsabende und Sitzungen        Projekten fällt ebenfalls in meinen Bereich als
    der ÖGH, mit anschließenden geselligen Dis-        Beirat. In den vergangen Jahren durfte die
    kussionsrunden, mussten den Beschränkungen         ÖGH div. Kartierungsprojekte von FFH Arten
    Tribut zollen und wurden kurzum als Live-          sowie Projekte im Rahmen des Förderpro-
    stream-Vortragsreihe ins Internet verlegt. Er-     grammes „ELER“ in der Steiermark unterstüt-
    freulicherweise hat sich gezeigt, dass diese Art   zen. Die Ergebnisse aller Projekte wurden und
    der Vorträge sehr gut angenommen wird, daher       werden laufend auf der Homepage veröffent-
    wurde beschlossen, die ÖGH Vorträge bis auf        licht. Die kommende Ausgabe der ÖGH-Ak-
    Weitereres auch als Stream anzubieten. Sobald      tuell widmet sich dem Thema „Gartenteiche“
    es wieder möglich ist, werden die Vorträge         und die ÖGH ist offen auch kleiner Projekte
    auch wie gewohnt im Museum stattfinden –           zu fördern.
    sie bleiben als eine Hybridveranstaltungsreihe
    bestehen. Bei Zustimmung der Vortragenden                  Ich wünsch viel Spaß beim Lesen der
    werden wir die Vorträge auf der ÖGH Home-          spannenden und unterhaltsamen Beiträge in
    page für alle frei verfügbar machen.               dieser Ausgabe und freue mich auf ein baldi-
                                                       ges Wiedersehen. Bleiben Sie zuversichtlich!
              Als Beirat für „Projektkoodination &
    Öffentlichkeitsarbeit” fällt der Aufbau und Be-
    treuung der Homepage in meinen Bereich.            Beste Grüße,
    Ohne Internetauftritt und Social Media Prä-
    senz ist es heutzutage schwer, bei einem brei-                              Christoph RIEGLER
    teren Publikum zeitnah wahrgenommen zu                        christoph.riegler@herpetofauna.at
    werden. Daher ist die ÖGH auch seit Kurzem
    als eine öffentliche Gruppe auf Facebook zu
    finden. Auch unsere wissenschaftliche Zeit-
    schrift “Herpetozoa” ist auf dieser Plattform
    vertreten. Das bringt mich zur zweiten regel-
    mäßigen Publikation der ÖGH - die ÖGH-Ak-
    tuell. Die regelmäßig erscheinende Infor-
    mationszeitschrift der ÖGH informiert über
    Veranstaltungen, Projekte, Exkursionen be-
    richtet und herpetologische Beiträge beinhal-
    tet. Seit der Ausgabe 55 habe ich das Layout
    der ÖGH Aktuell übernommen und es leicht

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Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse

                                     PETER PRASCHAG

Eine Tagung ohne den weißen Haarschopf
des Walter Sachsse im gedimmten Licht in
der ersten Reihe, ohne die emporschnel-
lende Hand nach jedem Vortrag, der fach-
spezifische Fragen oder Ergänzungen aus
der Praxis eines langen Lebens folgten, ja
das ist kaum vorstellbar. Egal ob es sich um
eine herpetologisch orientierte oder um eine
veterinärmedizinische Konferenz handelte,
egal ob im In- oder Ausland, der wissbegie-
rige Walter nahm bis ins hohe Alter alle
Bahnfahrten auf sich und wurde nicht
müde, sein Wissen zu teilen und zu erwei-
tern.
         Walter Sachsse verkörperte den
Professor in jeder Körperzelle, er war Weg-
gefährte der ehrwürdigen Gründer der Ter-
raristik und Herpetologie, hatte schon sehr
früh blendende Kontakte weit über die Ber-
liner Mauer hinweg und fühlte sich vom
Riesenreich der Zaren magisch angezogen.
Seinem Wissensdrang folgend, scheute er
keine Reise, genoss beide Rollen, nämlich
die des Lernenden und die des Lehrenden,
schlug Brücken zwischen West und Ost,
zwischen Gelehrten und Studenten, Hobby-
isten und Professionalisten und zwischen       freundlichen Lächeln zur Begrüßung bevor
Jung und Alt. Dabei schien er selbst dem       er überhaupt noch loslegte, waren Grund
Kontinuum der Zeit zu trotzen und manch-       genug sich, in die Gehirne der Umgebung
mal fragte ich mich, ob ich mir das nur ein-   tief und dauerhaft einzuprägen. Er verblüffte
bilde, oder ob Walter an jenem Tage nicht      mit einem nahezu unfehlbaren Gedächtnis
doch ganz exakt genauso aussah wie vor 30      und brachte oftmals sein Gegenüber mit
Jahren oder mehr.                              Kenntnissen aus deren vormaligen Erzäh-
                                               lungen in Erstaunen, da bei dem Erzähler
         Obwohl sich sein Schulter- und Be-    jene Inhalte schon lange in Vergessenheit
ckengürtel nicht so wie bei seinen Pfleglin-   geraten waren.
gen, den Schildkröten, in den Rippenkorb
verlagerten - eine absolut einmalige Ent-                Walter Sachsses Wiege der Wissen-
wicklung innerhalb der Evolution - kann        schaft war die Humanmedizin, von der er
man Walter dennoch als Unikat bezeichnen,      sich 1977 zum Professor der Genetik auf-
welches schwer mit irgendjemanden vergli-      schwang. Vorerst aus rein praktischen Grün-
chen werden kann. Um seine Wiedererken-        den wandte er sich der Ordnung der
nung brauchte er sich nicht zu sorgen,         Schildkröten zu und spezialisierte sich auf
dessen konnte er sich sicher sein. Alleine     kleinwüchsige Arten, insbesondere auf die
sein Erscheinen mit antiquarischem Koffer      Familie der Kinosternidae (Klappschildkrö-
in seiner rechten Hand, dem unverwechsel-      ten). Zweifellos war er der erste, der seltene
baren Äußeren, gepaart mit einem charakte-     Arten nicht nur über lange Zeiten am Leben
ristischen    Kopfnicken      und    einem     erhielt, sondern durch aus genauen Beobach-

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Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
Abb. 2: Von links nach rechts: Friedrich Golder, Erhard Thomas, Walter Sachsse, Robert Mertens, Konrad Klemmer.
            Auf dem Weg zum Schlangenpark Megot Schetty in Ticino, Schweiz, 1966 (Foto: Erhard Thomas).
    tungen abgeleitete Haltungsanpassungen                   les Versteck von Wasserschildkröten Ver-
    auch zur regelmäßigen Fortpflanzung                      wendung finden, gehen auf Walters Feststel-
    brachte. Neben den kleinwüchsigen Arten                  lung zurück, damit sich intraspezifisch
    hat die Familie der Weichschildkröten dem                aggressive Wasserschildkrötenarten sich zu-
    Walter es schon immer angetan, wobei er                  mindest optisch aus dem Weg gehen können.
    sich auch hier auf Zwerge konzentrierte. Er              Dass sich diese Plastikstreifen ideal für eben
    versorgte den gesamten Europäischen Raum                 diesen Zweck eignen, leuchtete mir immer
    mit Nachkommen seiner Dogania subplana                   sofort ein, wie man aber auf die Idee kommt
    (Malayen-Weichschildkröte), einer Art, die               einen Quadratmeter Folie mit einer scharfen
    heute leider fast vollkommen aus der Herpe-              Klinge in Streifen zu schneiden indem man
    tokultur Europas verschwunden ist. Des                   nur eine Mittelrippe verschont, das Plastik-
    Weiteren entwickelte sein immer reger Geist              gebilde dann ausköcheln lässt, um es im An-
    Haltungsmethoden, die heute aus der Aqua-                schluss an der Sonne sich zu einem
    ristik und Terraristik gar nicht mehr wegzu-             Plastikgewölle ringelnden Haufen verfor-
    denken sind. So war er an der Idee und an                men zu lassen, diese Frage habe ich mir des
    der Entwicklung eines Gelatinefutters für                Öfteren gestellt. Des Weiteren war Walter
    Schildkröten beteiligt, die heute allgemein              ein Anhänger von durchlüfteten Wasserkör-
    als Schildkrötenpudding bekannt ist und                  pern mit Hilfe von Luftpumpen und betrach-
    deren Rezeptur in der Szene immer wieder                 tete ein biologisch ausgewogenes Aquarium
    modifiziert wurde und wird. Die sich tang-               – am besten mit einer florierenden Algen-
    artig windenden PVC-Plastikstreifen, die in              blüte, die er Algensuppe nannte – als we-
    mehreren Produktionsschritten angefertigt                sentlich zielführender als technische
    werden müssen und als unübertroffen idea-                Maßnahmen die meist den Wasserkörper

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bloß zu Tode filtern. Auch das Einkleben        und intensive Freundschaft entstand wäh-
von Glasscheiben zur Installierung eines        rend der DGHT Jahrestagung in Braunau,
Landteiles der auch gleichzeitig unter-         1992. Am Ende dieser Tagung kam er ver-
schwommen werden konnte und somit als           spätet zum Frühstück, da er sich noch zuvor
zusätzliches Versteck dient, geht auf Walters   am Bahnhof nach Zügen nach Graz erkun-
funktionelles Gedankengut zurück.               digte. Als ich etwas verdutzt einwarf, dass
                                                er doch mit seinem Auto da war, führte er
         Sein Interesse beschränkte sich aber   eine Handbewegung aus, mit der man nor-
keinesfalls nur auf Schildkröten oder dem       malerweise eine Fliege fängt und meinte:
Funktionellen. In seinem Haus tummelten         „Achja, das hatte ich jetzt ganz vergessen“.
sich auch Zungenlose Frösche der Familie        Gemeinsam besuchten wir unzählige Tagun-
der Pipidae sowie unterschiedliche Fischar-     gen, in Europa aber auch in den USA, wobei
ten, wobei hier die Flösselhechte der Gat-      wir uns sehr oft ein Zimmer teilten und Wal-
tung Polypterus erwähnt werden müssen.          ter besuchte mich auch in Kalifornien, als
Über die Jahrzehnte sammelte sich in sei-       ich Europa für zwei Jahre den Rücken
nem Haus ein Potpourri an seltenen Ge-          kehrte. Mit 88 Jahren versorgte Walter mit
wächsen an, deren Vielfalt er in stetigem       Hilfe seiner Frau Nataliya und seinem treuen
Austausch mit botanischen Gärten und pri-       Sergej noch die beachtliche Anzahl von 70
vaten Liebhabern vergrößerte. Einen nicht       Schildkrötenarten, bis er sehr unerwartet
unbeträchtlichen Schwerpunkt in seinem          und plötzlich am 25. Oktober 2020 seine
Leben bildeten Kunst und vor allem die          Augen für immer schloss. Heute, nur wenige
Musik. Sein Haus war immer ein offener          Stunden bevor ich diese Zeilen schreibe, hat
Treffpunkt zahlreicher und auch namhafter       seine geliebte Ägyptische Landschildkröte
Künstler, die oft sehr spontan mit ihren Ta-    (Testudo kleinmanni), die er über viele Jahre
lenten unvergessliche Abende hinterließen.      in seinem Wohnzimmer pflegte, 2 Eier in
Sein Haus beherbergte oft einen bunten in-      den Sand des Terrariums verscharrt. Wie ich
ternational Mix an Gästen, die sich zwischen    es vor Jahren versprach, kümmere ich mich
Aquarien und Terrarien eine Matratze aus-       nun mit Hingabe um seine Pfleglinge und
suchen durften, um sich dann am nächsten        bemühe mich, sein Vermächtnis in seinem
Morgen unsanft vom grellen Licht der sich       Sinne weiterzuführen.
einschaltenden UV-Beleuchtung aufwecken
zu lassen.                                      Lieber Walter, wir vermissen Dich!
       Walter kannte ich von Anbeginn                                     Peter PRASCHAG
meiner Kindheit an, unsere später schöne                         ppraschag@turtle-island.at

                             ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                     7
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Der 3. Reptilientag der ÖGH
                                             Thomas BADER
                                            (Text und Bilder)

    Am Samstag, dem 19. September 2020 fand            beeindruckte auch das sich über mehrere
    im Museum Niederösterreich in St. Pölten           Räume miteinander verbundene Formicarium,
    der 3. Reptilientag der Österreichischen Ge-       in dem die Aktivitäten der Waldameisen wun-
    sellschaft für Herpetologie statt. Ronald          derbar/nahezu lückenlos verfolgt werden kön-
    Lintner, der ehemalige Leiter des Zoos der         nen. Aber auch die Amphibien und Reptilien
    Blumengärten Hirschstetten, in dem die             ließen sich zur Freude der Teilnehmer ausge-
    beiden ersten Reptilientage abgehalten             zeichnet beobachten, sogar einer der Feuersa-
    wurden, hat seit Februar 2020 die wissen-          lamander und die Kreuzotter waren zu sehen.
    schaftliche Leitung des Hauses für Natur           Aufgrund des hervorragenden Wetters konnten
    übernommen.                                        wir auch einige Tiere in den Außenanlagen be-
                                                       obachten, die die Herbstsonne noch genossen,
              Auf Nachfrage der ÖGH war er so-         wie etwa Smaragdeidechsen oder Würfelnat-
    fort bereit, die Tagung auch in dieser schwie-     tern.
    rigen Zeit im Museum Niederösterreich
    durchzuführen und organisatorisch zu unter-                 Aktuell ist im Museum auch die Son-
    stützen. Aufgrund der coronabedingten Aufla-       derausstellung „Klima und Ich“ zu sehen, die
    gen (Tragen des Mund-Nasen-Schutzes,               noch bis 29.08.2021 über das Thema des Kli-
    Einhaltung der Abstandregeln) konnten die          mawandels informiert und inspiriert, zum
    Veranstalter für das etwa 30-köpfige Teilneh-      Schutz des Klimas selbst tätig zu werden. Der
    merfeld eine sichere Tagung gewährleisten.         Besuch des Museums kann und wird auch
                                                       hierzu ausdrücklich empfohlen!
             Richard Gemel, der die Tagung wie
    auch in den letzten Jahren organisierte, leitete             Die Tagung endete mit einem gemüt-
    und moderierte, konnte ein breit gefächertes,      lichen Ausklang im Café des Museums und
    spannendes Programm zusammenstellen, das           alle Teilnehmer hofften darauf, dass derartige
    wissenschaftliche und terraristische Vorträge      Veranstaltungen in Zukunft wieder regelmäßig
    sowie Reiseberichte beinhaltete. Zu Mittag         im normalen Rahmen stattfinden können.
    wurden die Teilnehmer in der museumseige-
    nen Gastronomie bewirtet und endlich konnte
    wieder einmal ein direkter Gedankenaustausch                                  Thomas BADER
    unter Herpetologen stattfinden. Nachdem der                      thomas.bader@herpetofauna.at
    Vormittag eher wissenschaftlich geprägt war,
    kamen am Nachmittag die Terrarianer auf ihre
    Kosten.
             Im Anschluss an die Vorträge wurden
    die Besucher durch die Schausammlung ge-
    führt, wobei coronabedingt zwei Gruppen ge-
    bildet wurden, die von Ronald Lintner und
    Norbert Ruckenbauer geleitet wurden. Im
    Haus für Natur kann man die Flora und Fauna
    von Niederösterreich hautnah erleben, wobei
    die Sammlung so aufgebaut ist, dass man in
    den unteren Stockwerken das Flachland erkun-
    det und je weiter man sich nach oben begibt,
    durchstreift man das Hügelland, bis hin zum
    Hochgebirge, welches in der obersten Etage
    beherbergt ist/thematisiert wird. Neben der
    eindrucksvoll zu beobachtenden Fischfauna,

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Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
Eröffnung der Tagung: Ronald Lintner (links) und Richard Gemel (rechts).

Ronald Lintner (Bildmitte) bei der abschließenden Führung durch das Museum.

                 ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                               9
Nr. 57März - Wiener Turtlegroup Teil 2 Die Dinara - das Dach Kroatiens Reptilienschutzzäune in der Steiermark Erinnerungen an Prof. Walter Sachsse ...
Die Dinara – das Dach Kroatiens
                                                                     Thomas BADER

                          Kroatien ist eines der herpetologisch arten-           derheiten zu bieten. Die imposante Bergland-
                          reichsten Länder Europas und daher ein                 schaft der Dinara wurde soeben vom kroati-
                          beliebtes Reiseziel mitteleuropäischer Her-            schen Parlament zum Naturpark erklärt und ist
                          petologen. Aufgrund des in den letzten                 damit der zweit größte Naturpark Kroatiens.
                          Jahrzehnten stetig weiter ausgebauten Au-
                          tobahnnetzes ist das Land gut und schnell              Geschichte
                          zu bereisen, lediglich die Grenzwartezeiten
                          an den Urlaubswochenenden sind noch ei-                Die Stadt Knin hat eine bewegte Vergangen-
                          nigermaßen mühsam, da Kroatien noch                    heit. Um das Jahr 1080 war Knin eine der
                          nicht im Schengen-Raum aufgenommen                     wichtigsten Städte Kroatiens und beherbergte
                          wurde. Viele im Rahmen der ÖGH oder
                          Herpetofauna.at durchgeführten Exkursio-               den Sitz des kroatischen Königs. Um 1522
                          nen führten uns in den letzten Jahren nach             wurde die Stadt von den Osmanen erobert und
                          Kroatien.                                              fiel somit an das osmanische Bosnien. Im Jahr
                                                                                 1688 eroberten die venezianischen Truppen
                                                                                 die Stadt, die dadurch unter die Herrschaft der
                                   Entlang der Küsten wurden die Hot-            Republik Venedig fiel. Aufgrund der Beset-
                          spots von Istrien über den Kvarner Archipel,           zung Venedigs durch Napoleon Bonaparte
                          dem Vraner See bis Split und ins Neretva Delta         wurde Dalmatien im Jahr 1797 ein Kronland
                          im Süden Dalmatiens mehrmals erkundet. Im              Österreich - Ungarns und somit von den Habs-
                          Gegensatz dazu ist das Innenland von Nord-             burgern regiert. Während der jugoslawischen
                          kroatien, Slawonien sowie dem küstenfernen             Zeit war Knin vorwiegend von Serben be-
                          Norden Dalmatiens landschaftlich eher mittel-          wohnt. Nachdem die kroatische Bevölkerung
                          europäisch geprägt und zieht daher kaum Her-           bereits Anfang der 1990er Jahre vertrieben
                          petologen an. In Norddalmatien, nahe der               wurde und deren Häuser und Klöster verwüs-
                          Stadt Knin liegt im Dinarischen Gebirge an der         tet wurden, eroberte die kroatische Armee im
                          Grenze zu Bosnien – Herzegowina mit 1.831m             Kroatienkrieg 1995 die Stadt. Ein Großteil der
                          Seehöhe der höchste Berg Kroatiens - die Di-           serbischen Bevölkerung war geflohen, den-
                          nara. Aufgrund seiner biogeographischen Lage           noch kam es zu schweren Verbrechen an der
                          hat dieser Berg einige herpetologische Beson-          Zivilbevölkerung (www.dw.com).
     Foto: Thomas Bader

                                   An der Dinara begegnet man noch immer Kriegsrelikten aus dem Balkankrieg wie verrosteten
                                                                Panzern und Munitionsresten.

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Foto: Thomas Bader

                       Schmelzwassertümpel, Weidefläche und angrenzende Kiefernwälder auf ca. 1.000 m Seehöhe. Lebensraum von
                     Bergmolch (Ichthyosaura alpestris), Laubfrosch (Hyla arborea), Mauereidechse (Podarcis muralis), Karstäufer (Po-
                                               darcis melisellensis) und Smaragdeidechse (Lacerta viridis).

                     Nach Kriegsende kehrten viele vertriebene                 Geologie & Vegetation
                     Kroaten zurück und nach dem Regierungs-
                     wechsel 2000 entschlossen sich auch viele Ser-            Das Dinara - Massiv ist aus dolomitischem
                     ben dazu, in ihre Heimatstadt zurückzukehren.             Kalkstein aufgebaut. Ein Großteil des Gebir-
                     Der Krieg ist zum Glück vorbei, aber die Ein-             ges ist stark verkarstet, sodass Regenwasser
                     schusslöcher an vielen Gebäuden sind noch                 meist rasch versickert. Die Route auf die Di-
                     immer sichtbar.                                           nara verläuft von Knin aus in Richtung Osten.
                                                                               Dabei durchquert man mehrere Vegetationszo-
                               Auch an der Dinara kann man die                 nen. In tieferen Lagen (Knin liegt auf 230 m
                     Spuren dieses Krieges, der vor 25 Jahren statt-           Seehöhe) finden sich noch größere Flächen
                     gefunden hat, noch deutlich erkennen. Wir er-             von submediterranen Laubwäldern. Ab einer
                     kundeten den Berg in den Jahren 2006 und                  Höhe von ca. 450 m herrschen verkarstete Flä-
                     2017 und konnten dabei verrostete Panzer                  chen mit Sträuchern und Wacholderbüschen
                     sowie Munitionsreste finden. Natürlich haben              vor, die aufgrund von Beweidung, Bränden
                     wir uns vorher erkundigt, ob in dem von uns               und Bodendegradation keinen Hochwald mehr
                     besuchten Gebiet mit Minen zu rechnen ist. Es             bilden können. Ab einer Seehöhe von 800 m
                     wurde uns versichert, dass der Abhang östlich             gelangt man in ausgedehnte Wiesengebiete,
                     von Knin bis zur Dinara komplett minenfrei                die Sträucher werden immer weniger, aber
                     sei. In der kroatischen Minenkarte sind für das           Kiefern stocken einzeln und in Gruppen. Inte-
                     Gebiet keinerlei Einträge ersichtlich                     ressanterweise findet man ab einer Seehöhe
                     (https://i0.wp.com/welcome.cms.hr/wp-con-                 von ca. 1.100 m neben größeren Kiefernwäl-
                     tent/uploads/2015/10/Minska-                              dern immer wieder Reste von montanen Bu-
                     polja_Hrvatska.jpg) – ein Restrisiko kann aber            chenwäldern. In dieser Höhe bilden die
                     wohl nicht ausgeschlossen werden. Im Gegen-               Buchen mit ihren massiven Stämmen überra-
                     satz dazu gibt es östlich der Dinara im Bereich           schende Dimensionen, die erahnen lassen,
                     des Cetina - Ursprungs noch einzelne vermu-               welche ursprünglich üppigen Wälder hier einst
                     tete Minenfelder.                                         geherrscht hatten. Je höher man kommt, desto

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Foto: Christoph Riegler

                                Verkarsteter Abhang und Buchenwald im Hintergrund auf ca. 1.100 m Seehöhe. Lebensraum von Mauer- und Sma-
                                              ragdeidechse, Hornotter (Vipera ammodytes) und Schlingnatter (Coronella austriaca).
                               kleiner werden die Buchen, die dann schließ-           ten Besuch im Jahr 2006 sind wir mit dem kla-
                               lich in den höchsten Regionen von Legföhren            ren Ziel – die Karst- bzw. Wiesenotter (Vipera
                               abgelöst werden. Dazwischen treten auch ver-           ursinii macrops) zu finden – angereist. Am
                               karstete Flächen mit blankem Felsen und Fel-           Weg auf den Berg standen noch verrostete
                               stürmen auf. Leider kommt es im Sommer                 Panzer vom Krieg auf den Wiesen – stumme
                               immer wieder zu Waldbränden, sodass eine               Zeugen einer traurigen Vergangenheit.
                               große Fläche des Waldes – vor allem der
                               Krummholzzone – abgebrannt ist.                                 Wir legten damals allerdings kein
                                                                                      großes Augenmerk auf die tieferen Zonen des
                               Herpetologische Beobachtungen                          Massivs und bauten unser Zeltlager auf einer
                                                                                      Wiese in 1.100 m Seehöhe auf. Dort erkunde-
                               Während die klimatisch begünstigte Küstenre-           ten wir die ausgedehnte Wiesenlandschaft und
                               gionen Dalmatiens eine extrem artenreiche              waren von der Artenzusammensetzung in die-
                               und diverse Reptilienfauna aufweist, wollten           ser Höhe überrascht.
                               wir erforschen, wie sich die Artenzusammen-
                               setzung mit den Höhenstufen am Berg Dinara                      In der Wiese befand sich ein gemau-
                               ändert. Während das Klima im Bereich der               erter Keller, der offenbar im Krieg als De-
                               Stadt Knin als submediterran bezeichnet wer-           ckung gedient hatte. Darin hatte sich Wasser
                               den kann, gelangt man am Berg in montanes              gesammelt und mehrere Bergmolche waren
                               und schließlich hochalpines Gelände im Joch-           Mitte August noch immer im Wasser neben
                               und Gipfelbereich. Interessanterweise ist die          ihren Larven zu finden. An den Felsen konnten
                               Herpetofauna der Dinara noch immer recht               wir eine hohe Anzahl von Mauereidechsen
                               schlecht erfasst, sodass in jüngster Vergangen-        (Podarcis muralis) feststellen. Sie teilen dort
                               heit neue Arten von hier dokumentiert werden           ihren Lebensraum mit den selteneren Sma-
                               konnten (ŽAGAR et a. 2014). Bei unserem ers-           ragdeidechsen (Lacerta viridis), die sich in

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Foto: Gerald Ochsenhofer
 Wiesenotter oder Karstotter (Vipera ursinii macrops). Diese kleine Viper bewohnt ausgedehnte höhergelegene Wie-
               senflächen und ernährt sich vorwiegend von Insekten wie Heuschrecken und Grillen.
unter Büschen oder an Steinmauern ihre Höh-               Vorkommen vermuten lässt, wurden bisher
len bauen. Inmitten der Wiese fanden wir eine             noch keine Kreuzottern (Vipera berus) an den
überraschend hohe Anzahl an bosnischen                    Hängen der Dinara gefunden (D. JELIC, pers.
Zauneidechsen (Lacerta agilis bosnica), die               Mitt.).
sich von den mitteleuropäischen Unterarten
durch ihre fast durchgehenden dunklen Rü-                           Als wir am späteren Nachmittag wie-
ckenflecken und einen hellen Mittelstreifen               der zu unserem Zeltplatz zurückkehrten, hatte
unterscheiden. Die Nachweise der Eidechsen                sich das Wetter beruhigt und wir konnten uns
konzentrierten sich auf den offenen Wiesenflä-            am Abend nochmals auf Reptiliensuche bege-
chen ab 1.100 m und wurden in höheren Lagen               ben. An einer Felsenflanke sonnte sich ein kon-
deutlich seltener.                                        trastreich gemustertes Hornottermännchen
                                                          (Vipera ammodytes) in der Abendsonne. Als die
         Nach Durchquerung des bereits er-                Sonne bereits unterging, war an der gleichen
                                                          Stelle noch eine Schlingnatter (Coronella aus-
wähnten Buchenwaldes gelangten wir auf hoch-              triaca) auf Nahrungssuche unterwegs. Dieser
alpine Wiesen, wo es plötzlich leicht zu regnen           Echsenjäger findet hier einen reich gedeckten
begann. Als wir bereits unsere Hoffnung auf den           Tisch vor.
Fund einer Wiesenotter aufgeben wollten, fan-
den wir ein Männchen auf knapp 1.400 m See-                         In der Nacht begann es wie aus Kü-
höhe. Das ca. 30 cm lange Tier befand sich                beln zu regnen und unser Zelt stand bereits meh-
gerade in Häutung und benahm sich in keiner               rere Zentimeter im Wasser, als wir in unseren
Weise aggressiv. Wir bestiegen trotz immer stär-          Kleinbus umsiedeln mussten und eine dement-
ker werdendem Regen noch den Gipfel, dessen               sprechend schlafarme Nacht verbrachten. Trotz
Flanken stark von einem Brand in Mitleiden-               der nur eintägigen Verweildauer hatten wir für
schaft gezogen waren. Obwohl das Habitat ein              Mitte August eine hohe Artenzahl gefunden.

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Nach einer ÖGH Kurzexkursion Ende April –           überall präsent und die Flora zeigte sich von
                                 Anfang Mai 2017 beschloss ein kleiner Teil          seiner buntesten Seite mit blühenden Primeln,
                                 der Reisegruppe, am letzten Tag einen Abste-        Knabenkräutern, Pfingstrosen, Schusternägeln
                                 cher auf die Dinara zu wagen. Diesmal blieben       und Schachbrettblumen.
                                 wir bereits einige Male auf dem Weg stehen
                                 und erkundeten die karstige Wiesenlandschaft                  Die Karstläufer besetzten hier die Ni-
                                 zwischen 700 und 800 m Seehöhe nach Repti-          sche der Wiesen und waren in hoher Anzahl zu
                                 lien. Die erste Art, die immer wieder den Weg       finden. Mauereidechsen waren überall dort an-
                                 kreuzte, war der Karstläufer (Podarcis meli-        zutreffen, wo felsige Bereiche und größere
                                 sellensis), der relativ häufig zu finden war. Am    Steine aus den Wiesen herausragten. Schließ-
                                 Rand einer Baumgruppe entdeckten wir junge          lich entdeckten wir auch noch einige Smaragd-
                                 Blindschleichen (Anguis fagilis) beim Drehen        eidechsen, die sich sehr scheu unter größeren
                                 von Steinen. In diesen Habitaten soll auch          Büschen sonnten und blitzschnell bei Annähe-
                                 noch die Äskulapnatter (Zamenis longissimus)        rung verschwanden.
                                 vorkommen, die wir allerdings nicht nachwei-
                                 sen konnten. Am späten Vormittag erspähten                    In den Gewässern selber war eine ex-
                                 wir in einer Doline einen Gewässerkomplex           trem hohe Anzahl an Bergmolchen beim Paa-
                                 auf ca. 900 m Seehöhe. Um dorthin zu gelan-         rungsgeschäft aktiv. Besonders in den
                                 gen, querten wir das Tal und trafen wieder auf      Uferzonen konnte man das Paarungsspiel gut
                                 Kriegsrelikte, die uns sehr zur Vorsicht mahn-      beobachten. Schließlich wurden wir noch auf
                                 ten. Es handelte dabei – wie sich später heraus-    einige pädomorphe Bergmolche aufmerksam,
                                 stellte - um Panzermunition samt Zubehör.           die sich unter ihre voll entwickelten Artgenos-
                                 Auch die Spuren des Winters waren noch              sen gemischt hatten. In der Größe standen
     Fotos: Gerald Ochsenhofer

                                      Adriatische Mauereidechse oder Karstläufer     Europäische Hornotter (Vipera ammodytes), Männchen.
                                    (Podarcis melisellensis). Entgegen ihrem Namen   Hornottern sind an der Dinara häufig. Sie kommen sym-
                                  kommt diese Eidechse in höheren Lagen vorwiegend   patrisch mit Wiesenottern vor, bewohnen aber die felsi-
                                                    in Wiesen vor.                                       geren Bereiche.

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Foto: Thomas Bader
         In den zahlreichen Kleingewässern an der Dinara kommt eine extrem hohe Dichte an Bergmolchen
 (Ichthyosaura alpestris) mit einzelnen pädomorphen Exemplaren vor. Diese erreichen die Größen von Adulttieren.

diese den Adulttieren um nichts nach, aber ihre           Fazit
Kiemen waren immer noch voll ausgebildet
und man konnte ihr Geschlecht nicht bestim-               Obwohl wir nur eine sehr kurze Zeit am Dach
men. Es ist uns nicht klar, ob sich diese Molche          Kroatiens verbrachten, war die Anzahl der be-
nur ein Jahr später umwandeln oder Zeit ihres             obachteten Reptilienarten für einen derartigen
Lebens im Larvenstadium verbleiben. Als ein-              Gebirgsstandort ziemlich hoch. Was die Am-
ziger Froschlurch, den wir fanden, sonnte sich            phibien betrifft, ist neben den beiden nachge-
ein Laubfrosch in der Wiese nicht weit vom                wiesenen Arten sicherlich noch mit weiteren
Gewässer entfernt.                                        Arten wie dem Springfrosch (Rana dalmatina)
                                                          und dem Grasfrosch (Rana temporaria), dem
         Wir machten noch einen Abstecher                 Kammmolch (Triturus carnifex), eventuell der
auf die Wiese in 1.100 m Seehöhe und fanden               Gelbbauchunke (Bombina variegata) und in
dort zumindest im vorderen Bereich etliche                tieferen Lagen mit dem Seefrosch (Pelophylax
Karstläufer, die wir 2006 dort nicht nachweisen           ridibundus) zu rechnen.
konnten. Ein syntopes Vorkommen von den
mediterran adaptierten Karstläufern und den an                     Aus der Literatur wissen wir, dass an
kühleres Klima angepassten Zauneidechsen ist              den Hängen der Dinara auch noch die Äsku-
wohl einzigartig und es stellt sich die Frage,            lapnatter vorkommt. Erst kürzlich wurden
wie die Arten auf den Klimawandel reagieren.              auch einzelne Kroatische Gebirgseidechsen
Leider mussten wir die Suche auf einen kurzen             (Iberolacerta horvathi) an Felsblöcken auf
Zeitraum beschränken, da wir unsere Rückreise             1530 m Seehöhe nachgewiesen (ŽAGAR et al.
in die Heimat antreten mussten.                           2014). Damit ist dieser Nachweis der süd-

                                   ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                                 15
lichste dieser Art. Von ŠALAMON (2006) und                des Dinara noch vorkommen und wie bis in
                               PODNAR et al. (2013) wurden Nachweise der                 welche Höhenlage diese aufsteigen.
                               Dalmatinischen Spitzkopfeidechse (Dalmato-
                               lacerta oxycephala) von der Dinara gemeldet,                       Unsere bisherigen Erkundungen be-
                               sodass aktuell sechs Lacertidenarten vom Ge-              schränkten sich bisher auf den höher gelege-
                               birgsmassiv bekannt sind. Die Kreuzotter                  nen westlichen Teil des Gebirgsmassives. Mit
                               wurde bisher nur auf bosnischer Seite gefun-              der Wiesenotter und der Kroatischen Gebirg-
                               den, aber es durchaus möglich, dass diese Art             seidechse kommen dabei Arten vor, die sonst
                               am Dinara bisher übersehen wurde. Am Fuße                 nur selten gefunden werden. Um den Wissens-
                               des Dinara entspringen die Flüsse Krka im                 stand der Herpetofauna zu verbessern, sind
                               Süden und Cetina im Osten. Mit hoher Wahr-                weitere Exkursionen zum Dach Kroatiens ge-
                               scheinlichkeit sind in diesen Quellbereichen              plant.
                               beide Natrix-Arten zu erwarten. Außerdem ist                                           Thomas BADER
                               fraglich, welche mediterranen Arten am Fuß                                     thomas_bader@inode.at
Foto: Christoph Riegler

                                 Schlingnatter (Coronella austriaca). Im mediterranen Bereich steigt die Abundanz mit zunehmender Meereshöhe.

                               Literatur:
                               PODNAR, M., MADARIC, B.B. & MAYER, W. (2013): Non-concordant phylogeographical patterns
                                of three widely codistributed endemic Western Balkan lacertid lizards (Reptilia, Lacertidae) sha-
                                ped by specific habitat requirements and different responses to Pleistocene climatic oscillations.
                                – Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research, Berlin, 52 (2): 119–129.
                               ŠALAMON, D. (2006): 53-54. Reptiles. – In: TVRTKOVIĆ, N. & VEEN, P. (Hrsg.): The Dinaric Alps
                                Rare Habitats and Species, A Nature Conservation Project in Croatia, CHNM et KNNV, Zagreb
                               ŽAGAR. A., CARRETERO1, M.A., KROFEL, M., LUŽNIK, M., PODNAR, M. & TVRTKOVIĆ, N. (2014):
                                Reptile survey in Dinara Mountain (Croatia) revealed the southernmost known population of
                                Horvath's rock lizard (Iberolacerta horvathi). – Natura Croatica 23 (23:1): 235-240.

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Foto: Gerald Ochsenhofer

Bosnische Zauneidechse (Lacerta agilis bosnica), trächtiges Weibchen.

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Noch einmal: Schmuckschildkröten und Co
                                               Richard GEMEL

     Der Bericht über allochthone Schildkröten            Exkursionsbericht (BÖHME & SCHMITZ 1997)
     in Österreich mit Bemerkungen zu deren               entsprechend vermerkt. Im Burgenland wurde
     Reproduktionsfähigkeit     im    Freiland            weiters 2019 bei Pamhagen ein Weibchen der
     (GEMEL & WÖSS 2020) löste erfreulicher-              Gelbwangen-Schmuckschildkröte bei der Ei-
     weise einige Resonanz aus.                           ablage aufgegriffen und die untenstehenden
                                                          Fotos von ihr angefertigt.
               Prof. Wolfgang BÖHME teilte uns mit,
     dass ein totes, überfahrenes Weibchen der Rot-                Andreas und Christel NÖLLERT be-
     wangen-Schmuckschildkröte         (Trachemys         richteten von ihrem Gartenteich in Jena mit
     scripta elegans) am 27.8.1997 im Zuge seiner         deutlich höherer nördlicher Breite als unsere
     Studentenexkursionen an den Neusiedler see           Gebiete von regelmäßigen „Freilandbruten“
     3 km südwestlich von Donnerskirchen auf der          nordamerikanischer Schmuckschildkröten und
     Einmündung einer Nebenstraße von Oggau               haben dankenswerterweise den nachfolgenden
     auf die Hauptstraße Eisenstadt – Neusiedl ge-        Bericht zusammengestellt.
     borgen wurde und mit der Inventarnummer
     ZFMK 65103 in die Sammlung des Zoologi-
     schen Forschungsmuseum Alexander Koenig                                           Richard GEMEL
     in Bonn übernommen wurde. Dies wurde im                              richard.gemel@nhm-wien.ac.at

                                                                                                          Fotos: Harald Grabenhofer

                 Gelbwangen-Schmuckschildkröte aus dem Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel.

     Literaur
     BÖHME, W. & SCHMITZ, G. (1997): Ökologie und Zoogeographie des pannonischen Raumes,
      Blockpraktikum SS 1997, Universität Bonn. – Unveröff. Exkursionsbericht, 154 S.
     GEMEL, R. & WÖSS, G. (2020): Neue bemerkenswerte Beobachtungen zu allochthonen Schild-
      kröten in Österreich. – ÖGH-Aktuell 56: 16-20.

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Teichanlage zur ganzjährigen Haltung Nordamerikanischer
                             Schildkrötenarten
                                 Andreas und Christel NÖLLERT
                                      (Text und Bilder)

                              Abb. 1: Teichanlage am 13. Januar 2007.

Der Bau der Freianlage erfolgte im Sommer            einer Freilandanlage von etwa 6 Quadratme-
2006 (Abb. 1). Der Durchmesser der Anlage            tern mit einer Wassertiefe von 0,5 m, auch im
beträgt etwa 12 Meter, der Durchmesser des           Winterhalbjahr. Seit Sommer 2006 werden die
Teiches macht davon etwa 10 Meter aus, seine         Tiere im zuvor beschriebenen Gartenteich ge-
größte Tiefe etwa 1,1 Meter. Nur bei stark ge-       halten. Erste Eiablagen erfolgten 2007, dann
sunkenem Wasserstand wird der abflusslose            jährlich regelmäßig ab dem 20. Juli. Die Ge-
Teich mit Leitungswasser befüllt. Das ist in der     schlechtsreife der Männchen tritt bei dieser
Regel etwa zweimal im Jahr notwendig. Pfle-          Unterart im nördlichen Teil des Verbreitungs-
gemaßnahmen erfolgen insofern, als einmal im         areals im 6. Lebensjahr ein, im südlichen Teil
Jahr größere Grünalgen-Watten entnommen              ihres Verbreitungsgebietes bereits nach 2 bis 4
werden, dazu zwei bis dreimal im Jahr eine           Jahren. Die Geschlechtsreife der Weibchen er-
Reduzierung der Ufervegetation vorgenom-             folgt nach 6 bis10 Jahren und ist weniger vom
men wird. Im Jahr 2020 wurde zusätzlich ein          Lebensalter abhängig als vielmehr von der
sehr großer Teil des Seerosenbestandes ent-          Plastronlänge: Männchen gelten mit 7,0 bis 9,5
fernt.                                               cm Bauchpanzerlänge als geschlechtsreif,
                                                     Weibchen mit einer Bauchpanzerlänge von 9,7
Anmerkungen und Beobachtungen zu den im              bis 12,8 cm (ERNST & LOVICH 2009: 196-197).
Teich lebenden Schildkrötenarten:
                                                              Probegrabungen und Eiablagen im
Westliche Zierschildkröte                            Gartenteich fanden zumeist zwischen 17:00 und
(Chrysemys picta bellii)                             22:00 Uhr statt. Gelegegruben und Gruben von
                                                     Probegrabungen befanden sich immer an der
        Kauf von fünf Schlüpflingen (ein             Basis der aus Muschelkalk-Bruchsteinen beste-
Männchen, 4 Weibchen = „1,4“) im Zoofach-            henden Umfriedungsmauer oder in deren un-
handel 1995. Die Haltung erfolgte zunächst in        mittelbarer Nähe sowohl am östlichen als auch

                               ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                          19
am westlichen Teichrand. Der Bodengrund be-             mauer. Lediglich von den Falschen Landkarten-
     steht aus „gewachsenem“ und sehr festem Gar-            Höckerschildkröten (Graptemys pseudogeogra-
     tenboden, der zudem größtenteils mit einer              phica) wird auch der mittlere Bereich der
     dünnen Schicht von grobem Kalkschotter abge-            Fläche genutzt. Die Schlüpflinge überwintern
     deckt ist. Im Jahr 2015 wurde am östlichen              in den Gelegegruben und schlüpfen im Folge-
     Teichrand an der Basis der Steinmauer eine              jahr. Seit mindestens 2010 (zumeist ab Juni)
     etwa 2 Quadratmeter große und 0,5 m tiefe Ab-           konnten sich sonnende Schlüpflinge zwischen
     lagegrube mit einem Gemisch aus Gartenboden,            dichten Wasserpflanzenbeständen (Gewöhnli-
     Sand und Kompost angelegt. Auch hier erfolgte           cher Tannenwedel Hippuris vulgaris, Abb. 2, 3)
     die Eiablage in unmittelbarer Nähe der Stein-           beobachtet werden.

               Abb. 2: Teichanlage mit dichten Beständen von Gewöhnlichem Tannenwedel am 14. Mai 2012.

        Abb. 3: Teichanlage am 05. Juni 2016 mit Gewöhnlichem Tannenwedel, Weißer Seerose und Gelber Teichrose.

20                                     ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Abb. 4: Teichanlage mit nahezu vollständig durch Pseudemys rubriventris verzehrtem Bestand des Gewöhnlichen
                                                  Tannenwedels am 19. Juni 2019.

         Von Nördlichen Rotbauch-Schmuckschildkrö-                   Falsche Landkarten-Höckerschildkröte
         ten (Pseudemys rubriventris) wurde der Be-                  (Graptemys pseudogeographica)
         stand des Tannenwedels nahezu vollständig
         verzehrt (Abb. 4). Somit konnten in den Jahren              Erwerb als adulte Individuen (1,3) aus einem
         2019/2020 mindestens 15 Jungtiere der Jahre                 Teich in Berlin (2009, 0,1) bzw. vom Landrats-
         2017 bis 2019 auf Steinen im Uferbereich, auf               amt Landkreis Greiz (2009, 1,1). Erste Eiablage
         Schwimmblättern von Weißen Seerosen (Nym-                   2017. Eiablagen und Probegrabungen um die
         phaea alba), Gelber Teichrose (Nuphar lutea)                Mittagszeit, zumeist etwa zwei Wochen nach
         sowie im Wasser liegenden Apfel- bzw. Bir-                  Chrysemys picta bellii und C. p. picta. Bislang
         nenbaumstämmen sonnend beobachtet wer-                      kein Schlupferfolg im Freiland. Alle Eier, in
         den. Mindestens drei Jungtiere wiesen im Jahr               denen sich nur selten Embryonen befanden,
         2020 Bissverletzungen im Bereich der Rand-                  wurden jeweils im Frühjahr geborgen.
         schilde (Marginalia) auf.
                                                                     Nördliche Rotbauch-Schmuckschildkröte
         Östliche Zierschildkröte                                    (Pseudemys rubriventris)
         (Chrysemys picta picta)
                                                                     Kauf als Schlüpflinge im Zoohandel (1,4) 2009.
         Kauf von fünf Schlüpflingen (2,3) von einer                 Erste Paarungen wurden 2019 beobachtet. Die
         Privatperson im Jahr 2008. Erste Eiablage er-               Geschlechtsreife der Männchen tritt im Verbrei-
         folgten 2018, zumeist Mitte Juli, nahezu                    tungsgebiet nach 9 Jahren (Plastronlänge 22,0
         gleichzeitig mit Chrysemys picta bellii. 2020               cm), die der Weibchen nach 11 Jahren mit einer
         wurden 2 bis 3 Schlüpflinge des Jahres 2019                 Plastronlänge von 23,4 cm ein (ERNST & LO-
         beobachtet.                                                 VICH 2009: 395). In unserer Anlage erfolgten
                                                                     bisher keine Eiablagen.

                                                                     Moschusschildkröte
                                                                     (Sternotherus odoratus)
                                                                     Kauf von fünf Schlüpflingen von einer Privat-
                                                                     person im Jahr 2009. Seit 2017 etwa drei bis
                                                                     fünf Sichtungen von (2 unterschiedlichen?)
                                                                     adulten Individuen vor allem im August beim
                                                                     Sonnenbad auf im Wasser liegenden Baum-
                                                                     stämmen. Eiablagen wurden bislang nicht be-
                                                                     obachtet.
Abb. 5: Probegrabung einer Chrysemys picta bellii am 24.Juli 2017.                 Andreas & Christel NÖLLERT
                                                                                andreas.noellert@googlemail.com
                                               ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                            21
Abb. 6: Geschlechtsreifes Weibchen von Graptemys pseu-    Abb. 8: Pseudemys rubriventris am 08. September 2018.
                 dogeographica am 24. Juli 2017.
      Abb. 7: Geschlechtsreifes Männchen und Weibchen von
              Chrsemys picta bellii am 24. Juli 2017.

                                                                    Abb. 2: Dasselbe Weibchen (?) der Rotwangen-
                                                                    Schmuckschildkröte von 2019 im Jahr 2020 in
                                                                              Wien 22, Mühlgrundweg

                            Abb. 9: Der Teich am 13.2. 2021 bei -17° C und 30 bis 40 cm Schnee.
     Literatur:
     ERNST, C. H. & J. E. LOVICH (2009): Turtles oft he United States and Canada. – Second Edition,
      The Johns Hopkins University Press, Baltimore, i-xii + 827 pp. (Chrysemys picta: 184-211;
      Pseudemys rubriventris: 392-397).

22                                      ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
Erstmaliger Einsatz von „Reptilienschutzzäunen“ in der Steiermark
                                   Werner KAMMEL
                                   (Text und Bilder)
Die Uferböschungen der Mur stellen             Die Art wird in der Rote Liste der gefährdeten
einen der bedeutsamsten Lebensräume            Tiere Österreichs als „stark gefährdet“ einge-
für Reptilienarten in den Tallagen der         stuft (GOLLMANN 2007) und gehört zu den
Mur dar. Ihnen kommt zudem ein beson-          „streng geschützten“ Tierarten nach Anhang
ders hoher Stellenwert hinsichtlich der        IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Die
Vernetzung lokaler Vorkommen zu. Eine          Kommission der Europäischen Gemeinschaft
besondere Bedeutung besitzt dieser Le-         1992). Zudem befindet sie sich europaweit in
bensraum für die Würfelnatter (Natrix          einem als „ungünstig/unzureichend“ und in
tessellata L AURENTI , 1768) (K AMMEL &        Österreich als „ungünstig/schlecht“ eingestuf-
MEBERT 2011).                                  ten Erhaltungszustand (Abb. 1 & 2).

                            Abb. 1: Portrait der Würfelnatter.
                          Abb. 2: Würfelnatter bei der Schwechat.

                         ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                         23
Die Uferböschungen stellen ebenfalls einen               her durchgeführten Absammeln und Umsie-
     wichtigen Lebensraum für Blindschleiche (An-             deln von Individuen wird nach eigenem Wis-
     guis fragilis L., 1758), Zauneidechse (Lacerta           sensstand eine Erfolgsquote von bestenfalls
     agilis L., 1758), Mauereidechse (Podarcis mu-            20 - 30 % zugestanden. Dies lässt sich erst
     ralis L., 1768), Ringelnatter (Natrix natrix L.,         durch Populationsberechnungen im Vergleich
     1758), Äskulapnatter (Zamenis longissimus                zur tasächlichen Anzahl umgesiedelter Indivi-
     Laurenti, 1768) und Schlingnatter (Coronella             duen belegen (z. B. TANNINGER 2018). Aus
     austriaca Laurenti, 1768) dar. Bei der Maue-             diesem Grund wurde in Absprache mit den je-
     reidechse handelt es sich jedoch um die aus              weiligen Projektwerbern ein „Reptilienschutz-
     Italien eingeschleppte Unterart Podarcis mu-             zaun“ entwickelt und bereits eingesetzt.
     ralis maculiventris – Venetienlinie: Modena-             Dieser Begriff ist rechtlich nicht existent.
     Typ (KAMMEL 2016). Sie ist als invasives                 Auch gibt es dazu weder Richtlinien und Vor-
     „Para-Neozoon“ einzustufen und als alloch-               schriften (RVS), sonstige Normen oder Erfah-
     thone Unterart nicht als Schutzgut zu betrach-           rungswerte. Vermutlich stellt der Einsatz der
     ten (u. a. SCHULTE et al. 2008).                         anfangs als „Schlangenschutzzaun“ bezeich-
                                                              neten Abschirmung zum Schutz von Repti-
              Seitens des Menschen wird dieser                lienarten in dieser Form bei Ein-
     Lebensraum in vielfältiger Weise in Anspruch             griffsbereichen einen Präzedenzfall zumindest
     genommen. Nach den im Laufe der letzten                  im deutschen Sprachraum dar. Schließlich er-
     beiden Jahrzehnte errichteten Kraftwerksbau-             fordern Schutzzäune für Schlangenarten, die
     ten sollen an etlichen Fließstrecken der Mur             zumindest einen Meter hoch nicht überwind-
     Hochwasserdämme ertüchtigt und in Graz am                bar sein müssen, ganz andere technische Vo-
     Ufer ein „Stadtbootshaus“ errichtet werden.              raussetzung als ein Schutzzaun für Eidechsen.
     Abgesehen von erforderlichen Ausgleichs-
     maßnahmen durch einen etwaigen Lebens-                            Die Grundidee besteht darin, in An-
     raumverlust steht bei diesen Bauvorhaben in              lehnung an erprobte temporär aufgestellte
     den Bewilligungsverfahren neben Störung                  Amphibienschutzzäune eine glatte, zumindest
     und Beeinträchtigung von Lebensräumen die                1 Meter hohe Folie mit dichtem Abschluss am
     Vermeidung einer unbeabsichtigten Tötung                 Boden zu errichten. Deren Herstellung sollte
     geschützter Tierarten gemäß Artikel 12 der               praktikabel unter möglichst geringen Baukos-
     FFH-Richtlinie und § 17 des Stmk. Natur-                 ten erfolgen. Letztere können je nach Stand-
     schutzgesetzes im Vordergrund.                           ortbedingungen höchst unterschiedlich
                                                              ausfallen. Erfahrungswerte dazu können im
             Eine vollkommene Vermeidung                      Zuge erster Einsätze gesammelt werden. Als
     einer unabsichtlichen Tötung von Reptilien               tragendes Element wird ein herkömmlicher
     während eines Bauvorhabens ist nach derzei-              Bauzaun (Stahlgitterelemente mit mobilen
     tigem (und vermutlich auch zukünftigem)                  Bauzaunfüßen aus Beton) verwendet. Dabei
     Stand der Technik nicht möglich. Einem bis-              boten die drei gegenständlichen Bauvorhaben

               Abb. 3: Leibnitzer Feld bei Gabersdorf: Hier ist die Ertüchtigung Hochwasserdämme geplant.

24                                     ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
jeweils unterschiedliche Herausforderungen:            stellbar sein. An den Böschungen können
       Die Ertüchtigung der Hochwasserdämme im                weder per Bagger noch per Hand auf Grund
       Bezirk Leibnitz (Gabersdorf bis fast zur slo-          der vorhandenen, bereits überwachsenen
       wenischen Staatsgrenze) (Abb. 3) soll an bei-          Steinschichtungen Grabungsarbeiten durchge-
       den Ufern auf 8,2 km Länge erfolgen, was ca.           führt werden (Abb. 6). Hier wurden bereits
       16,5 km Schutzzaun bedeuten würde. Und                 erste Erfahrungen gewonnen, da die Errich-
       wohin sollen die im jeweiligen Bauabschnitt            tung des Schutzzaunes bereits im August 2020
       gesicherten Tiere bei einem derart großflächi-         erfolgte.
       gen Eingriff umgesiedelt werden?
                                                                        Zu diesen drei Projekten wurden fol-
                                                              gende Lösungen erarbeitet: Bei der geplanten
                                                              Ertüchtigung der Hochwasserdämme auf einer
                                                              über 8 km langen Fließstrecke der Mur im Be-
                                                              zirk Leibnitz „wandert“ der Reptilienschutz-
                                                              zaun mit der Baustelle mit. Die Eingriffe
                                                              erfolgen überwiegend „luftseitig“ (die zum
                                                              Gewässer abgewandte Seite der Uferbö-
                                                              schung), während die Reptilienlebensräume
                                                              vorwiegend wasserseitig liegen. In Anpassung
                                                              an den Baufortschritt werden ca. 300 - 500 m
                                                              Zaun auf der Dammkrone aufgestellt und die
                                                              Folie in einer per Bagger hergestellten Künette
                                                              eingegraben. Reptilien, die unter Einsatz
Abb. 4: Platzmangel beim Hochwasserschutz in Frohnleiten.     künstlicher Verstecke auf der Landseite im
                                                              Baufeld gesichert werden, brauchen lediglich
       Der Umbau der Hochwasserdämme in Frohn-                auf die andere Zaunseite versetzt und nicht
       leiten (zwischen Bruck/Mur und Graz) soll auf          weiträumig umgesiedelt werden.
       ca. 1 km Länge in zum Teil dicht verbauten
       Siedlungsgebiet erfolgen. Hier liegt im Platz-                   In der Marktgemeinde Frohnleiten
       mangel für Baufahrzeuge das Hauptproblem               soll die Errichtung des Schutzzaunes vorwie-
       (Abb. 4).                                              gend auf bereits bestehenden Betonsockeln an-
                                                              grenzender Gärten bzw. einer existenten,
                Im Zentrum von Graz wird ein ab-              mittlerweile nicht mehr ausreichend hohen
       bruchreifes Bootshaus für Paddler und sons-            Hochwasserschutzmauer erfolgen (Abb. 7).
       tige Wassersportler neu errichtet und                  Auf diesen ca. 30 cm breiten Betonsockeln
       vergrößert (Abb. 5). Zwar umfasst das Baufeld          wird der mobile Bauzaun gestellt, daran die
       nur etwa 80 x 10 m. Aber der Reptilienschutz-          Folie angeheftet und durch eine bodenseitig
       zaun längs des Murufers befände sich im Be-            angeschraubte Holzleiste (Lärche oder ein ver-
       reich eines einjährigen Hochwassers (HQ1)              gleichbares Material) zwischen Holz und
       und muss rasch demontierbar und wieder her-            Beton eingezwängt. Etwaige Durchlässe für

              Abb. 5: Altes Stadtbootshaus.                     Abb. 6: Murufer - Höhe der Baustelle des Grazer Stadtzentrums.

                                              ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                           25
Abb. 7: Aufständerung des “Reptilienschutzzaunes” auf bestehende Betonsockel.

              Abb. 8: Schutzzaun an der Böschung, bodenseitig beschwert.

26                     ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021
werden kann (Abb. 8). In Folge verbliebe nur
                                                                          das eingegrabene Brett. Zuvor wurden im ca.
                                                                          800 m² großen Baufeld sechs Wochen vor
                                                                          Baubeginn zehn künstliche Verstecke („plots“)
                                                                          für Schlangen ausgelegt (Abb. 9). Durch die
                                                                          Sicherung der Baustelle konnte sich die Um-
                                                                          siedelung von Reptilien auf Nahbereiche der
                                                                          Baustelle beschränken, in denen ihre Bestände
                                                                          durch bisherige Baumaßnahmen ohnehin aus-
                                                                          gedünnt wurden. Ein Zuzug während der Bau-
                                                                          phase wird durch die Umzäunung verhindert.
                                                                                    Die Absammlung von Reptilien an
                                                                          dieser Baustelle verlief 2020 glücklicherweise
                                                                          ergebnislos. Es konnten erwartungsgemäß
                                                                          keine Reptilien im Baufeld - abgesehen von al-
                                                                          lochthonen Mauereidechsen - angetroffen wer-
                                                                          den. Dazu ist anzumerken, dass das gesamte
                                                                          Baufeld durch bestehende Baumkronen in vol-
 Abb. 9: Schutzzaun im Hochwasser gefährdeten Bereich: Verschrau-         ler Beschattung stand. Die auf den Fotos er-
bung an ein eingegrabenes Brett. Im Hintergrund ein ausgelegter “plot”.   kennbare teilweise Besonnung des Areals
                                                                          wurde wenige Tage vor Errichtung des Repti-
            Gartentüren werden lückendicht durch ver-                     lienschutzzaunes durch einen Sturmschaden
            keilte Schaltafeln, witterungsbeständige                      verursacht, dem eine fünf-stämmige und
            Dämmplatten oder einem vergleichbaren Ma-                     mächtige Bruchweide zum Opfer fiel. Auch
            terial verschlossen. Die erwähnten Zaunsockel                 sind die Reptilienbestände der Murufer im Be-
            müssen in weiterer Folge ohnehin abgerissen                   reich der Grazer Innenstadt durch vorangegan-
            und rückversetzt werden. Im Bereich einer er-                 gene Bauvorhaben (Murkraftwerk Graz und
            forderlichen Zufahrt am Uferbegleitweg er-                    Errichtung eines zentralen Abwasser-Sammel-
            folgt keine Fixierung der Folie im Boden. Hier                kanals) durch Absammlungen bzw. unbeab-
            wird die Plane am Boden nach außen hin um-                    sichtigte Tötung in den letzten Jahren massiv
            geschlagen und flächig mit Gehwegplatten                      ausgedünnt worden. Seitens der zuständigen
            oder einem vergleichbaren Produkt beschwert.                  Baufirma wurde der Schutzzaun nicht gemäß
            Die Folie ist schließlich an jedem Baustellen-                der behördlichen Vorgaben errichtet. Die lichte
            tag zu entfernen und wieder anzubringen.                      Höhe der Folie wurde nur mit einer durch-
                                                                          schnittlichen Höhe von 75 cm hergestellt.
                      Im Falle des Grazer „Stadtbootshau-                 Auch mussten Schwachstellen bei der Über-
            ses“ wurde der Schutzzaun folgendermaßen                      lappung nachgebessert werden. Da aber kei-
            errichtet: An der Böschung ist durch die weit-                nerlei Reptilien (mit Ausnahme von
            gehende Ufersicherung durch Wasserbausteine                   allochthonen Mauereidechsen) im Baufeld
            und im Sinne des Baumschutzes in der ur-                      auffindbar waren, wurde bisher keine be-
            sprünglich geplanten Version (Eingrabung in                   scheidgemäße Nachbesserung eingefordert.
            einer durch per Bagger hergestellten Künette)
            nicht möglich. Deswegen wurde vereinbart,                              Es ist zu hoffen, dass auf Basis der
            dass nach Entfernung der Bodenvegetation der                  bei diesen drei Bauvorhaben gewonnenen Er-
            Bodenanschluss der Folie auf einem mittels                    kenntnisse ein Reptilienschutzzaun „Stand der
            Sandbett geebneten Untergrund erfolgt. Auf                    Technik“ wird und in zukünftigen Projektbe-
            diesen wurde die Unterkante der Folie verlegt                 willigungen und rechtlichen Normen Eingang
            und mit Pflastersteinen flächig und lückenlos                 findet.
            bis zur oberseitigen Gehsteigkante der angren-
            zenden Straße beschwert. Längs des Murufers                                              Werner KAMMEL
            wurde ein Brett eingegraben, an dem die Folie                                     office@wernerkammel.at
            mittels Verschraubung durch Holzstaffeln ein-
            geklemmt wurde, damit im Falle eines Hoch-
            wassers > HQ 1 der Zaun rasch demontiert

                                                   ÖGH-Aktuell Nr. 57 - März 2021                                           27
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